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Zeichen an der Wand Höhlenmalerei – Felsbilder – Graffiti

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Die Interpretation stellt den sensibelsten Bereich <strong>der</strong> Erforschung <strong>der</strong> Felsritzbil<strong>der</strong><br />

dar. Mögliche Fehldeutungen können bereits bei <strong>der</strong> Dokumentation mit <strong>der</strong><br />

Beschreibung des Werkes beginnen. Die Felsbildforschung schw<strong>an</strong>kt hier zwischen<br />

zwei extremen Polen: Auf <strong>der</strong> einen Seite steht eine extrem positivistische Richtung,<br />

die eine Beschreibung, selbst vor eindeutig erkennbar scheinenden Darstellungen<br />

nur unter Anführungszeichen, also als Benennung, akzeptiert. Die <strong>an</strong><strong>der</strong>e<br />

Richtung, die deutlich mehr Anhänger gefunden hat, lässt ihrer F<strong>an</strong>tasie bei <strong>der</strong><br />

Deutung freien Lauf.Allzu leicht geraten sie dabei in Gefahr, dass <strong>der</strong> folgende Satz<br />

auf sie zutrifft: „Oft sagen Deutungen mehr über den Interpreten als über das<br />

Interpretierte aus.“<br />

Beson<strong>der</strong>s unter dem Titel „vergleichende Felsbildforschung“ scheuen sich m<strong>an</strong>che<br />

Forscher nicht auf Grund oberflächlicher Ähnlichkeiten wahllos Vergleiche<br />

zwischen den unterschiedlichsten Epochen und Regionen zu ziehen und daraus<br />

nicht nur Datierungen, son<strong>der</strong>n umfassende Kulturtheorien zu konstruieren.<br />

Abb. 17 Bärenstein Bären. Jagdszene mit zwei Braunbären. Sowohl <strong>der</strong> untere als auch <strong>der</strong><br />

obere Bär weisen <strong>an</strong> ihren Körpern durch Kerbeneinschläge symbolisierte Verletzungen auf.<br />

Rings um die Jagdszene sind sowohl Kerben als auch Kerbenreste und Schälchen zu erkennen.<br />

Die dargestellte „Bärenhatz“ zeigt die Jagdtechnik des Mittelalters. Die gesamte Szene<br />

wirkt auf den Betrachter gefahrvoll, kämpft <strong>der</strong> mutige Jäger doch immerhin gegen zwei<br />

Bären. Zeitstellung: Mittelalter. © ANISA<br />

Diese willkürlichen Vergleiche sind zwar meist völlig haltlos, sie vermögen aber auf<br />

Grund ihrer Fülle Gelehrsamkeit vorzutäuschen und <strong>–</strong> vor allem weniger Gebildete<br />

<strong>–</strong> tief zu beeindrucken. M<strong>an</strong>che Felsbildforscher scheuen sich nicht, sol<strong>an</strong>ge<br />

zu vergleichen, zu mixen und zu ergänzen, bis sie ihr Wunschbild konstruiert<br />

haben. Mit Wissenschaft haben sie aber recht wenig zu tun, da außer Analogieschlüssen<br />

keine Methode erkennbar ist.<br />

Wenn wir davon ausgehen, dass die Ritzungen den Charakter von <strong>Zeichen</strong> haben,<br />

bietet sich ein kommunikationswissenschaftlicher als Interpretations<strong>an</strong>satz <strong>an</strong>: Im<br />

Kommunikationsmodell<br />

wird zwischen Sen<strong>der</strong>,<br />

Empfänger und Medium<br />

unterschieden. Da die<br />

Kommunikation über die<br />

Ritzungen auf dem Fels<br />

eine indirekte und von<br />

vielen Faktoren gestörte<br />

ist, müssen viele Fragen<br />

offen bleiben. Dies beginnt<br />

bereits mit <strong>der</strong><br />

Frage nach <strong>der</strong> Motivation,<br />

die den Urheber<br />

ver<strong>an</strong>lasste, den Stein zu<br />

bearbeiten. Wollte er<br />

überhaupt <strong>Zeichen</strong> übermitteln?<br />

Wenn ja, <strong>an</strong> wen<br />

waren sie adressiert? Zugleich<br />

bringt <strong>der</strong> Rezipient,<br />

<strong>der</strong> Betrachter von<br />

heute, ein völlig <strong>an</strong><strong>der</strong>es<br />

Kultur- und Weltverständnis<br />

mit, weil er nicht<br />

nur zeitlich, son<strong>der</strong>n auch<br />

in seinem soziokulturellen<br />

Umfeld weit vom<br />

Schöpfer <strong>der</strong> Ritzungen<br />

Abb. 18 Lofer. Reich gravierte <strong>Zeichen</strong>w<strong>an</strong>d mit Initialen, Kreuzzeichen, IHS, Näpfchen,<br />

Jahreszahlen,Leitern,Pilgerfahnen,Vulva und Kerbenreste.Die Pilgerfahne und die Jahreszahl<br />

„1695“ sind <strong>an</strong>nähernd gleich alt. Die unteren Felsritzbil<strong>der</strong> könnten zu einem Teil in das<br />

Mittelalter datiert werden. Zeitstellung: Mittelalter/Neuzeit. © ANISA<br />

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