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Zeichen an der Wand Höhlenmalerei – Felsbilder – Graffiti

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In <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Aufklärung im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t beg<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> das Volksbrauchtum genauer<br />

zu beobachten. Der Kampf gegen volksfromme Bräuche erreichte schließlich<br />

im von den Ged<strong>an</strong>ken <strong>der</strong> Aufklärung geprägten Josephinismus durch l<strong>an</strong>desfürstliche<br />

Erlasse, die in Predigten und Pastoralblättern verbreitet wurden, seinen<br />

Höhepunkt. „Der Aberglaube gehört zum Wesen des Menschen und flüchtet sich,<br />

wenn m<strong>an</strong> in g<strong>an</strong>z und gar zu verdrängen denkt, in die wun<strong>der</strong>lichsten Ecken und<br />

Winkel, von wo er auf einmal, wenn er einigermaßen sicher zu sein glaubt, wie<strong>der</strong><br />

hervortritt“ (Goethe, Maximen und Reflexionen, 422). „Urtümliches“ aus vorchristlichen<br />

Weltbil<strong>der</strong>n <strong>der</strong> L<strong>an</strong>dbevölkerung ist wohl deshalb in Resten erhalten<br />

geblieben. Diese unverständlich gewordenen magischen Formen werden heute<br />

nur noch aus sentimentalen und touristischen Gründen gehütet und gepflegt.<br />

Nicht selten sind auf Jahrhun<strong>der</strong>te alten Türen und Tischen von Bauernhäusern<br />

und Almhütten die gleichen Motive wie auf den Felswänden zu sehen. Daraus lässt<br />

sich erkennen, dass die Schöpfer <strong>der</strong> Felsritzbil<strong>der</strong> keine eigenständigen, spezifischen<br />

Motive verwendeten, son<strong>der</strong>n auf ihren von Haus und Hausrat vertrauten<br />

Formenschatz zurückgriffen. Die Felsritzbil<strong>der</strong> hatten den Vorteil, dass <strong>Zeichen</strong><br />

und Symbole zwar „veröffentlicht“, aber doch <strong>an</strong>onym <strong>an</strong>gefertigt werden konnten.<br />

Damit waren eine gewisse Freiheit in <strong>der</strong> Motivwahl und Unabhängigkeit von<br />

kontrollierten Inst<strong>an</strong>zen gegeben.<br />

hat d<strong>an</strong>k seines Ideenreichtums ein vielfältiges Werk geschaffen. In einem Zeitraum<br />

von vielen Jahrhun<strong>der</strong>ten o<strong>der</strong> gar Jahrtausenden reicht die Herstellung weniger<br />

Darstellungen in einem Jahrzehnt aus, um g<strong>an</strong>ze Felswände zu füllen. Große <strong>Zeichen</strong>wände<br />

mit hun<strong>der</strong>ten Einzeldarstellungen können mehrfach in den Nördlichen<br />

Kalkalpen nachgewiesen werden.<br />

Dokumentation<br />

Die Felsbildforschung ist, wie ihre bisherigen Resultate vielfach belegen, ein Tummelplatz<br />

von Hobbyforschern, die hier ein reiches Betätigungsfeld gefunden haben.<br />

Deren großteils unwissenschaftliches Vorgehen zur Zerstörung von zahlreichen<br />

Felsbil<strong>der</strong>n geführt hat. Die ANISA,Verein für alpine Forschung (www.<strong>an</strong>isa.at), beschäftigt<br />

sich deshalb mit <strong>der</strong> Entwicklung von schonenden Dokumentationsmethoden<br />

<strong>der</strong> von Mensch und Verwitterung sehr gefährdeten Felsritzungen. Fachlich<br />

korrekt durchgeführte Dokumentationen dieser im Versinken begriffenen <strong>Zeichen</strong>-<br />

und Symbolwelt müssen den ersten Schritt je<strong>der</strong> Erforschung darstellen und<br />

sind überdies für eine museale Archivierung unumgänglich.<br />

Felsritzbildforschung<br />

Wichtige Fragen <strong>der</strong> Ritzzeichenforschung sind:<br />

• Sind die Felsritzungen <strong>an</strong>thropogen?<br />

• Womit wurden die Ritzungen hergestellt?<br />

• Wer waren die Menschen, die Felsritzbil<strong>der</strong> <strong>an</strong>gefertigt haben?<br />

• Aus welcher Zeit stammen die Ritzungen?<br />

• Unter welchen Bedingungen wurden Felsritzbil<strong>der</strong> <strong>an</strong>gefertigt?<br />

• Warum wurden sie in den Fels geritzt?<br />

• Was wurde dargestellt?<br />

• Gibt es typologische Unterscheidungen?<br />

• Welche Bedeutung haben die Felsritzbil<strong>der</strong> als historische und prähistorische<br />

Quelle?<br />

• Können sie die Befunde <strong>der</strong> Archäologie und <strong>der</strong> historischen Geschichtsforschung<br />

ergänzen und umgekehrt?<br />

Auf ritzbaren Felswänden in <strong>der</strong> Nähe von Almen o<strong>der</strong> Wegen sind in <strong>der</strong> Regel<br />

viele Felsritzbil<strong>der</strong> auf dem Fels zu finden (Abbildung 13).Wo wenig o<strong>der</strong> kein geeigneter<br />

Fels vorh<strong>an</strong>den ist und die Begehungsfrequenz gering war, sind dementsprechend<br />

weniger o<strong>der</strong> gar keine Felsritzbil<strong>der</strong> <strong>an</strong>gefertigt worden. Der Mensch<br />

Abb. 13 Bärenloch. Ein Felsvorsprung wirft bei Sonnenunterg<strong>an</strong>g von November bis Jänner<br />

seinen Schatten auf die Kerbenreihe. Zur Zeit <strong>der</strong> Wintersonnenwende erreicht <strong>der</strong> Schatten<br />

die vor<strong>der</strong>en Kerben. H<strong>an</strong>delt es sich bei dieser Kerben<strong>an</strong>ordnung um einen Kalen<strong>der</strong> aus <strong>der</strong><br />

Bronzezeit? Archäologische Forschungen belegen ein blühendes Jagd- und Almleben in <strong>der</strong> mittleren<br />

und späten Bronzezeit auf dem Dachsteingebirge. Zeitstellung: Bronzezeit (?). © ANISA<br />

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