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Zeichen an der Wand Höhlenmalerei – Felsbilder – Graffiti

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tive, Geräte und Waffen, kosmische <strong>Zeichen</strong> (Kalen<strong>der</strong>symbole) und Menschendarstellungen.“<br />

Werden aus dem Formenschatz <strong>der</strong> Volkskunst alle Elemente <strong>der</strong> Hochkultur isoliert,<br />

d<strong>an</strong>n bleiben einfache, oft abstrakte <strong>Zeichen</strong> und Zeichnungen des Volkes über.<br />

Diese Elemente versuchte m<strong>an</strong> im Verlauf <strong>der</strong> letzten 200 Jahre aus verschiedensten<br />

Blickwinkeln zu erforschen und zu deuten. Haupttenor dieser Forschungen<br />

war die Suche nach den „Urzeichen“ <strong>der</strong> Kunst. Diese Suche war auch von politischen<br />

und völkischen Abgrenzungen motiviert,wie zum Beispiel <strong>der</strong> Versuch <strong>der</strong> nationalsozialistischen<br />

Forschung in den 30er- und 40er- Jahren des vorigen Jahrhun<strong>der</strong>ts,<br />

eine eigenständige germ<strong>an</strong>ische Urkultur zu konstruieren. M<strong>an</strong> n<strong>an</strong>nte diese<br />

Forschung „Sinnbildforschung“. Da ihr ein objektiv wissenschaftlicher Ansatz fehlte,<br />

entpuppte sie sich immer wie<strong>der</strong> als Irrweg in den Irrationalismus. Eine schematische<br />

Glie<strong>der</strong>ung des <strong>Zeichen</strong>schatzes, die Platz für Korrekturen offen hält, ist deshalb<br />

legitimer als die ideologische Suche nach <strong>der</strong> „Ursprünglichkeit“.<br />

Felsritzbild und Volksglaube<br />

Der Volksglaube lebte von <strong>Zeichen</strong> und Symbolen, die die offizielle religiöse Lehre<br />

nicht zu überdecken vermochte. Das Volk suchte nach Entfaltung und Erfüllung und<br />

bog sich so m<strong>an</strong>che unverständliche Bibelstelle zurecht. Ein Himmel voller Helfer und<br />

eine Welt voller Wun<strong>der</strong> waren interess<strong>an</strong>ter als in lateinischer Sprache gehaltene<br />

Messen. Die von <strong>der</strong> Kirche gepredigte Glaubenslehre st<strong>an</strong>d einer popularisierten<br />

Religion gegenüber. Die sterile offizielle Lehre <strong>der</strong> Kirche wurde vom Volk nicht gelebt.<br />

Der Volksglaube übertraf in m<strong>an</strong>chen Bereichen die erhoffte und geduldete<br />

Frömmigkeit. Sagen, Legenden und Weltdeutungen mit mythischen Beziehungen waren<br />

<strong>der</strong> irdischen Wirklichkeit und zugleich <strong>der</strong> Heiligkeit näher und wurden verst<strong>an</strong>den.<br />

Ursprungslegenden von Gnadenorten und Erklärungen von Naturgewalten<br />

konnten durch ein geheimnisvolles, magisches Regelwerk die Menschen in ihren B<strong>an</strong>n<br />

ziehen. Schutz und Abwehr gegen Böse Mächte n<strong>an</strong>nte m<strong>an</strong> „weiße Magie“, dagegen<br />

gehörte <strong>der</strong> Schadenzauber zur „schwarzen Magie“.Von <strong>Zeichen</strong> und Zeichnungen<br />

erwarteten die Menschen verschiedenste Wirkungen. Die abergläubische Anwendung<br />

des Bildes k<strong>an</strong>n es zum Amulett und Talism<strong>an</strong> symbolisieren. Erbauung,Andacht und<br />

Belehrung waren magische Beeinflussung und Kultmittel. Die barocke religiöse Sehnsucht<br />

nach <strong>der</strong> Erfüllung von Wünschen führte zum vielfältigsten Vari<strong>an</strong>tenreichtum<br />

<strong>der</strong> Heiligung aller Lebewesen und Gegenstände. Die Felsritzbil<strong>der</strong> machen hierbei<br />

keine Ausnahme. Marien- und Jesusmonograme, Kreuzeichen und Kirchendarstellungen<br />

ergänzen, überdecken und verzieren ältere <strong>Zeichen</strong>.<br />

Dieses unkontrollierbare Treiben wurde von <strong>der</strong> Kirche als „Superstition“, als „falscher“<br />

Kult, als Aberglaube und heidnisches Treiben bekämpft. Der „Glaube“ <strong>der</strong><br />

Amtskirche steht in Antithese zum „Aberglauben“ des Volkes. Doch so m<strong>an</strong>ches<br />

kultisches Treiben wurde von <strong>der</strong> Kirche akzeptiert o<strong>der</strong> aufgenommen, um das<br />

Volk nicht zu verlieren. Glaube und Aberglaube existierten über l<strong>an</strong>ge Zeit friedlich<br />

mitein<strong>an</strong><strong>der</strong>. Gründe das gemeinsame Heil im Glauben und Aberglauben zu suchen,<br />

waren zur Genüge vorh<strong>an</strong>den: Bedrohungen waren ständig zu bekämpfen.<br />

Sie kamen von Naturgewalten wie Blitz, Sturm, Hagel, Hochwasser und Schnee,<br />

entst<strong>an</strong>den durch Ernteeinbußen, durch Kr<strong>an</strong>kheit und Seuchen von Mensch und<br />

Tier, durch Feuergefahr für Haus und Hof und vieles mehr. Zur Sicherung <strong>der</strong> Existenz<br />

wurden magische Mittel eingesetzt. Eine Unzahl von Objekten wurde über<br />

Generationen hinweg dafür verwendet und vererbt. So war zum Beispiel das Drudenmesser<br />

Taschenmesser und Schutzsymbol in einem und wurde <strong>der</strong> Unwetter<br />

bringenden Wetterhexe entgegengeworfen, um sie abzuwehren. Die magische<br />

Kraft dazu strahlten die auf <strong>der</strong> Klinge eingeschmiedeten neun Kreuze und neun<br />

Halbmonde aus. Das „IHS“, das heute noch Jesus als Heiligmacher und Seligmacher<br />

symbolisiert, sollte Glück und Segen bringen. Amulett und Talism<strong>an</strong> sind die Attribute<br />

des Volksglaubens (Abbildung 12).<br />

Abb. 12 Lofer. Sexualsymbole, ein „IHS“-<strong>Zeichen</strong> („Jesus Heil<strong>an</strong>d Seligmacher“) und die<br />

Initialen „MF“ mit <strong>der</strong> Jahreszahl „1721“. Sexualsymbole sind häufig in <strong>der</strong> Felsritzbildwelt<br />

<strong>an</strong>zutreffen. Diese Symbole weisen sogar von Region zu Region unterschiedliche Typologien<br />

auf. Sie sind wohl Ausdruck <strong>der</strong> Fruchtbarkeit und <strong>der</strong> sexuellen Sehnsucht nach dem weiblichen<br />

Geschlecht in einsamer Umgebung. Zeitstellung: Mittelalter/frühe Neuzeit. © ANISA<br />

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