Zeichen an der Wand Höhlenmalerei – Felsbilder – Graffiti
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Vor allem in Gargas (Hautes- Pyrénées) und <strong>der</strong> Grotte Cosquer (Bouches-du-<br />
Rhone) finden wir H<strong>an</strong>dnegative mit unvollständigen o<strong>der</strong> fehlenden Fingern. Früher<br />
hat m<strong>an</strong> in diesen verstümmelten Händen die Folgen von K r<strong>an</strong>kheit o<strong>der</strong> Bestrafung<br />
sehen wollen. Heute meinen wir, dass die fehlenden Fingerglie<strong>der</strong> nur abgewinkelt<br />
o<strong>der</strong> umgeknickt wurden; entsprechende Experimente zeigten, dass dies<br />
technisch ohne weiteres möglich ist. Die verstümmelten Hände überliefern also<br />
vermutlich Gesten, die damals verst<strong>an</strong>den wurden (Abbildung 5).<br />
Eine beson<strong>der</strong>e Darstellungsgruppe, die nur bedingt zu den Menschen gerechnet<br />
werden k<strong>an</strong>n, sind die so gen<strong>an</strong>nten Ph<strong>an</strong>tome. So werden Gesichter mit großen<br />
Augen o<strong>der</strong> Kopfprofilen mit meist vorspringen<strong>der</strong> Mund-Nasen-Region gen<strong>an</strong>nt.<br />
Wenn solche Ph<strong>an</strong>tome einen Körper haben, d<strong>an</strong>n ist dieser eindeutig männlich.<br />
Dies ist <strong>der</strong> Grund, diese Gruppe hier aufzuzählen.<br />
Auch die Tier-Mensch-Wesen bilden eine eigene Gruppe. Stiermenschen mit einem<br />
Rin<strong>der</strong>kopf und menschlicher Körperhaltung sind in <strong>der</strong> Grotte Chauvet und<br />
am Ende des Höhleng<strong>an</strong>ges von Gabillou (Dordogne) <strong>an</strong> zentralen Stellen im Ablauf<br />
<strong>der</strong> Darstellungen <strong>an</strong>geordnet und symbolisieren mächtige Wesen.<br />
Noch deutlicher ist dies bei dem Dieu cornu von Les Trois Frères (Ariège) und dem<br />
Zauberer in <strong>der</strong> Kapovahöhle (Ural). In beiden Fällen sind es in gebeugter Haltung<br />
wie<strong>der</strong>gegebene Wesen mit tierischen und menschlichen Attributen, die nach ihrer<br />
Anordnung in <strong>der</strong> Höhle die Bil<strong>der</strong> zu ihren Füßen beherrschen (Abbildung 6).<br />
Von den Tier-Menschen ist es nur noch ein kleiner Schritt zu den ph<strong>an</strong>tastischen<br />
Wesen <strong>der</strong> Höhlenkunst. Es sind Tiere, die es so niemals gegeben hat und die nur<br />
in den Vorstellungen <strong>der</strong> Menschen existierten. In Gabillou sind in einer Erweiterung<br />
des Höhleng<strong>an</strong>ges (einem Saal) mehrere solcher Wesen <strong>–</strong> ein Hase mit Vogelkörper,<br />
ein schweineartiger Bär mit Flossen, ein pferdeartiges Wesen mit Vogelkopf,<br />
ein Kuhkopf mit Antilopenhörnern, ein Fuchskopf mit Rin<strong>der</strong>hörnern <strong>–</strong> konzentriert.<br />
Am bek<strong>an</strong>ntesten ist jedoch das große Einhorn, das die Darstellungen<br />
von Lascaux einleitet und dessen Vorbil<strong>der</strong> m<strong>an</strong> nicht in <strong>der</strong> Natur suchen sollte.<br />
Eine letzte wichtige Gruppe <strong>der</strong> Darstellungen sind die symbolischen <strong>Zeichen</strong>.<br />
Zwar sind auch <strong>an</strong><strong>der</strong>e Zeichnungen, so die Schamdreiecke als Abkürzung <strong>der</strong><br />
Frauen, Symbole, und es ist recht wahrscheinlich, dass überhaupt die meisten Darstellungen<br />
<strong>der</strong> eiszeitlichen Höhlenkunst, sicher die Ph<strong>an</strong>tome, die Tiermenschen<br />
und die ph<strong>an</strong>tastischen Wesen, doch wohl auch die Tiere für ged<strong>an</strong>kliche Zusammenhänge<br />
stehen und Symbole waren.<br />
Abb. 5 H<strong>an</strong>dnegative mit unvollständigen Fingern aus <strong>der</strong> Grotte Cosquer bei Marseille,<br />
Fr<strong>an</strong>kreich. Diese Bil<strong>der</strong> wurden von Tauchern <strong>der</strong> Nationalmarine bei <strong>der</strong> ersten Untersuchungsfahrt<br />
fotografiert. Unterwasseraufnahme. © Fr<strong>an</strong>zösische Nationalmarine<br />
Abb. 6 Das menschenähnliche Wesen aus <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>höhle Kapova im südlichen Ural. Altsteinzeitlich.<br />
© Paul Bahn<br />
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