Umschlag 3-4_2002.qxd - Notarius International
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<strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002 T. Antenreiter, Länderbericht Österreich 119<br />
5.6. En attendant les réactions des juges<br />
La grande inconnue reste l’accueil que les juridictions<br />
nord-américaines de common law feront à ces actes authentiques<br />
dressés dans leur propre pays, mais aussi à la<br />
force probante que nos juridictions de droit romano-germanique<br />
reconnaîtront à ces mêmes actes.<br />
Certains s’inquiètent de cette “nouvelle” profession<br />
dans laquelle ils voient une sorte de “Cheval de Troie” du<br />
droit anglo-saxon et redoutent que les négociations à<br />
l’OMC ne nous obligent à accueillir un jour dans la<br />
“vieille Europe” ces notaires du nouveau monde. Il faut<br />
reconnaître que la prétention du législateur américain à<br />
énoncer que les actes des civil law notaries doivent être<br />
considérés en dehors des USA, comme des actes authentiques<br />
traditionnels est curieuse, à moins que, par réciprocité,<br />
la force probante supérieure de nos propres actes soit<br />
désormais reconnue par les juridictions de common<br />
law…<br />
D’autres s’en réjouissent et attendent que l’essai soit<br />
transformé. Il est vrai que de nombreux lawyers des USA<br />
qui ne plaident pas et règlent des successions ou se préoccupent<br />
de reconquérir le marché du droit immobilier<br />
aux USA, abandonné aux intermédiaires et firmes de title<br />
insurance envient la fonction notariale du vieux continent.<br />
Attendre, cela veut dire aussi espérer !<br />
Comme diraient nos voisins britanniques: “Wait and<br />
see !”<br />
NATIONAL REPORT<br />
Länderbericht Österreich<br />
National Report Austria – Rapport National Autriche – Rapporto Nazionale Austria –<br />
Informe Nacional Austria<br />
Dr. Thorsten Antenreiter, LL.M, Notariatskandidat in Wien–Donaustadt<br />
Inhaltsübersicht<br />
1. Notarrecht S. 119<br />
2. Allgemeines Zivilrecht S. 121<br />
3. Immobilienrecht S. 121<br />
4. Familienrecht S. 122<br />
5. Erbrecht S. 124<br />
6. Gesellschaftsrecht S. 126<br />
7. <strong>International</strong>es Privatrecht S. 130<br />
8. Steuerrecht S. 132<br />
Bibliographie S. 133<br />
Dargestellt ist der Rechtsstand zum. 1.1.2003<br />
1. Notarrecht<br />
1.1. Berufsrecht<br />
1.1.1. Allgemein<br />
In Österreich gibt es nur eine Form des Notariats: Der<br />
Öffentliche Notar übt ein öffentliches Amt aus und wird<br />
vom Staat auf eine bestimmte Notarstelle ernannt. Er ist<br />
gleich einem Richter unversetzbar und unabsetzbar 1 .<br />
Der Notar übt seinen Beruf ausschließlich und nicht als<br />
Nebentätigkeit aus und ist gegenüber dem Staat und den<br />
Parteien unabhängig.<br />
In Österreich gibt es derzeit rund 470 Notare. Es besteht<br />
die Möglichkeit, dass sich mehrere Notare zu einer<br />
Kanzleigemeinschaft oder zu einer notariellen Partnerschaft<br />
zusammenschließen 2 . Auch in diesen Fällen wird<br />
jeder Notar auf eine bestimmte Amtsstelle ernannt, so<br />
dass durch solche Sozietäten die Gesamtzahl der Notare<br />
unverändert bleibt. Träger von Rechten und Pflichten ist<br />
weiterhin der einzelne Notar.<br />
1.1.2. Rechtsquellen<br />
Die wichtigste Rechtsquelle für das österreichische<br />
Notariat stellt die Notariatsordnung von 1871 dar, welche<br />
zuletzt mit Wirkung 1. Juni 1999 novelliert wurde<br />
(kurz NO). Weitere wichtige Rechtsgrundlagen bilden<br />
das Gerichtskommissärsgesetz (kurz GKoärG) und das<br />
Notariatsaktsgesetz (kurz NAG) 3 .<br />
Zusätzlich wird die notarielle Tätigkeit in Richtlinien<br />
näher konkretisiert, die von der Österreichischen Notariatskammer<br />
oder den jeweiligen Länderkammern erlassen<br />
werden können. Wichtige Richtlinien gibt es unter anderem<br />
für folgende Bereiche der notariellen Tätigkeit:<br />
Richtlinien für die Buchführung und Kassagebarung der<br />
Notare, Richtlinien über die Vorgangsweise bei notariellen<br />
Treuhandschaften, Richtlinien für das Österreichische<br />
Zentrale Testamentsregister, Richtlinien für das Urkundenarchiv<br />
des österreichischen Notariats sowie Richtlinien<br />
betreffend die Ausbildung zum Notar.<br />
1.1.3. Berufszugang<br />
In Österreich gibt es eine bestimmte Anzahl von notariellen<br />
Amtsstellen, deren Zahl den Bedürfnissen der Bevölkerung<br />
nach einer flächendeckenden Versorgung an<br />
notarieller Rechtsdienstleistung vom Bundesminister für<br />
Justiz in Zusammenarbeit mit der zuständigen Notariatskammer<br />
angepasst wird.<br />
1 § 10 Notariatsordnung<br />
2 § 22 ff. Notariatsordnung<br />
3 Österreichische Gesetze können im Internet kostenfrei abgefragt<br />
werden unter: www.ris.bka.gv.at<br />
Für den ausländischen Notar bietet die folgende Seite umfassende Informationen<br />
über das österreichische Notariat sowie weitere Links:<br />
www.notar.at
120 T. Antenreiter, Länderbericht Österreich <strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002<br />
Der Öffentliche Notar wird vom Bundesminister für<br />
Justiz über Vorschlag der zuständigen Notariatskammer<br />
für einen bestimmten Sprengel ernannt 4 . Die wichtigsten<br />
Voraussetzungen für die Ernennung zum Öffentlichen Notar<br />
sind die österreichische Staatsbürgerschaft, die Beendigung<br />
des Studiums der Rechtswissenschaften an einer österreichischen<br />
Universität, die Ablegung der beiden Teilprüfungen<br />
der Notariatsprüfung sowie eine siebenjährige<br />
Praxiszeit der Berufsausübung als Notariatskandidat 5 .<br />
1.2. Aufgaben des Notars<br />
Bei den vom Notar zu erfüllenden Aufgaben wird unterschieden<br />
zwischen einerseits den Tätigkeiten, bei denen<br />
der Notar in Ausübung seines Amtes als öffentliche<br />
Urkundsperson oder als Gerichtskommissär hoheitlich<br />
tätig wird (so genannte § 1 NO-Tätigkeiten) 6 und andererseits<br />
der weiteren Berufstätigkeit, wie insbesondere<br />
der Verfassung von Privaturkunden, der Parteienvertretung,<br />
der Tätigkeit als Mediator etc (so genannte § 5<br />
NO-Tätigkeiten). Auch in diesen Bereichen ist der Notar<br />
zur Einhaltung des notariellen Standesrechtes, zur<br />
Verschwiegenheit und zur Unparteilichkeit gegenüber<br />
den Parteien verpflichtet.<br />
Die Haupttätigkeiten der meisten österreichischen<br />
Notare betreffen einerseits die Aufgaben als Gerichtskommissär<br />
(insbesondere die Durchführung von Verlassenschaftsverfahren<br />
als Abgeordnete des zuständigen<br />
Bezirksgerichtes sowie die Einsichtnahme in die öffentlichen<br />
Register Grundbuch und Firmenbuch), die Vornahme<br />
von Beglaubigungen und diversen Bestätigungen und<br />
andererseits das Immobilienrecht und das Gesellschafts-<br />
und Handelsrecht.<br />
1.3. Notarielle Urkunden<br />
Der Notar errichtet notarielle Urkunden entweder in<br />
der Form eines Notariatsaktes für rechtsbegründende<br />
Vorgänge oder als notarielle Beurkundung für rechtsbezeugende<br />
Vorgänge. Rechtserhebliche Tatsachen und Erklärungen<br />
werden nach besonderen Bestimmungen beurkundet<br />
7 , wie beispielsweise Beglaubigungen von Unterschriften,<br />
Beurkundungen über die Übereinstimmung<br />
von Kopien und Abschriften sowie die Erteilung von Lebenszeugnissen<br />
und von Amtsbestätigungen über Eintragungen<br />
in den öffentlichen Büchern (Firmenbuch und<br />
Grundbuch) sowie Beurkundungen über tatsächliche<br />
Vorgänge.<br />
Der Notariatsakt enthält eine in Schriftform abgegebene<br />
Rechtserklärung oder ein in Schriftform abgeschlossenes<br />
Rechtsgeschäft und muss von allen Parteien<br />
unterfertigt werden, deren Identität der Notar zuvor überprüft<br />
hat. Das notarielle Protokoll wird vom Notar über<br />
die in seiner Gegenwart stattfindenden Rechtsvorgänge<br />
verfasst und vom Notar und gegebenenfalls von Zeugen<br />
unterfertigt.<br />
Grundsätzlich ist jede notarielle Urkunde in deutscher<br />
Sprache verfasst, jedoch kann ein Notar, der für eine bestimmte<br />
Sprache als Dolmetscher zugelassen ist, notarielle<br />
Urkunden auch in dieser Fremdsprache aufsetzen<br />
oder die Richtigkeit von Übersetzungen bestätigen 8 .<br />
Im Notariatsakt sind prinzipiell alle Zahlen und Abkürzungen<br />
auch vollständig ausgeschrieben wiederzugeben<br />
und Leerräume im Text durch Striche auszufüllen 9 . Der<br />
Notar hat den Parteien den Notariatsakt vollständig vorzulesen<br />
und diese über die rechtlichen Wirkungen des Inhaltes<br />
unparteiisch zu beraten und zu belehren 10 .<br />
Das österreichische Recht eröffnet dem Notar auch die<br />
Möglichkeit, eine von den Parteien mitgebrachte Privaturkunde<br />
notariell zu bekräftigen. In diesem Fall wird<br />
ein eigener Notariatsakt errichtet und die Privaturkunde<br />
dem so genannten Mantelakt beigeheftet (Solennisierung<br />
von Privaturkunden) 11 . Auch in diesen Fällen hat<br />
der Notar den Inhalt der Privaturkunde eingehend zu prüfen<br />
und die Parteien umfassend über die rechtlichen Folgen<br />
zu belehren.<br />
Der Notar hat weiters die Möglichkeit, einen Notariatsakt<br />
hinsichtlich einer genau bestimmten Leistungs- oder<br />
Unterlassungsverpflichtung sofort vollstreckbar zu machen.<br />
In diesem Fall ist der Notariatsakt selbst Exekutionstitel<br />
und bildet ohne weitere Formalitäten die Grundlage<br />
eines Exekutionsverfahrens gegen den Schuldner,<br />
der sich im Notariatsakt der sofortigen Vollstreckbarkeit<br />
unterworfen hat 12 .<br />
Formvorschriften, die die Errichtung eines Notariatsaktes,<br />
die Beurkundung in einem notariellen Protokoll<br />
oder die Beglaubigung von Unterschriften erfordern, sind<br />
mehr oder weniger auf die ganze österreichische Rechtsordnung<br />
verteilt. Als wichtigste Rechtsgrundlagen seien<br />
beispielhaft genannt: das Notariatsaktsgesetz für Ehepakte,<br />
bestimmte Rechtsgeschäfte zwischen Ehegatten,<br />
Rechtsgeschäfte von behinderten Personen und Schenkungen<br />
ohne wirkliche Übergabe, das Allgemeine Bürgerliche<br />
Gesetzbuch (kurz ABGB) für Erbverzichte,<br />
Erbschaftskäufe und –schenkungen und Schenkungen<br />
auf den Todesfall, das GmbH Gesetz für den Gesellschaftsvertrag,<br />
die Übernahme von neuen Stammeinlagen,<br />
für Abtretungsverträge und bestimmte Umgründungsvorgänge,<br />
das Aktiengesetz für Verschmelzungsverträge<br />
und Hauptversammlungsbeschlüsse sowie fast<br />
durchwegs bei der Vornahme von Eintragungen im<br />
Grundbuch und Firmenbuch.<br />
4 § 10 Notariatsordnung<br />
5 § 6 Notariatsordnung<br />
6 § 1 der österreichischen Notariatsordnung lautet: „(1) Die Notare<br />
werden vom Staate bestellt und öffentlich beglaubigt, damit sie nach<br />
Maßgabe dieses Gesetzes über Rechtserklärungen und Rechtsgeschäfte,<br />
sowie über Tatsachen, aus welchen Rechte abgeleitet werden<br />
wollen, öffentliche Urkunden aufnehmen und ausfertigen, dann die<br />
von den Parteien ihnen anvertrauten Urkunden verwahren und Gelder<br />
und Werthpapiere zur Ausfolgung an Dritte oder zum Erlage bei Behörden<br />
übernehmen. (2) Den Notaren obliegt auch die Durchführung<br />
von Amtshandlungen als Beauftragte des Gerichtes nach besonderen<br />
gesetzlichen Vorschriften. (3) Soweit der Notar auf Grund gesetzlicher<br />
Bestimmungen öffentlich-rechtliche Tätigkeiten ausübt, geschieht<br />
dies in Ausübung öffentlicher Gewalt.“<br />
7 § 76 ff. Notariatsordnung<br />
8 § 43 Notariatsordnung<br />
9 § 44 Notariatsordnung<br />
10 § 52 und 53 Notariatsordnung<br />
11 § 54 Notariatsordnung<br />
12 § 3, 3a und 4 Notariatsordnung
<strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002 T. Antenreiter, Länderbericht Österreich 121<br />
1.4. Notargebühren<br />
Für die Erbringung notarieller Leistungen gibt es je<br />
nach Art der Tätigkeit verschiedene rechtliche Grundlagen,<br />
darunter am wichtigsten das Notariatstarifgesetz<br />
(kurz NTG). Grundsätzlich sind die Gebühren Wertgebühren,<br />
subsidiär können Zeitgebühren verrechnet werden.<br />
Die Tarifansätze sind in Österreich seit den neuen<br />
Standesrichtlinien 2000 nur mehr als Höchstansätze zu<br />
verstehen, die zwar unter-, aber nicht überschritten werden<br />
dürfen. Damit sind die Honorare für notarielle Leistungen<br />
in der Praxis weitgehend mit den Klienten frei<br />
vereinbar.<br />
Für die Tätigkeiten des Notars als Gerichtskommissär,<br />
vor allem in Verlassenschaftsangelegenheiten, gibt es das<br />
Gerichtskommissionstarifgesetz (kurz GKTG), nach<br />
dem die notariellen Gebühren vom Gericht überprüft und<br />
bestimmt werden.<br />
1.5. Berufsständische Organisation<br />
Die österreichischen Notare sind in der Österreichischen<br />
Notariatskammer und in den Länderkammern<br />
organisiert 13 . Die Notariatskammern sind Körperschaften<br />
öffentlichen Rechts, deren wesentliche Aufgaben die<br />
Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder, die Aufsicht<br />
über die Geschäftsführung der Berufsangehörigen, die<br />
Teilnahme am Gesetzgebungsverfahren, die Mitwirkung<br />
bei der Besetzung der Notarstellen sowie die Zusammenarbeit<br />
mit den notariellen Organisationen auf bilateraler<br />
und internationaler Ebene sind.<br />
Zusätzlich zur Organisation des Standes innerhalb der<br />
Kammern hat das Österreichische Notariat verschiedene<br />
Einrichtungen für seine Klienten und für die Berufsangehörigen<br />
geschaffen, wie beispielsweise die Notartreuhandbank<br />
und das Treuhandregister des österreichischen<br />
Notariats (zur Abwicklung notarieller Treuhandschaften),<br />
das Zentrale Testamentsregister (zur Speicherung<br />
und leichteren Auffindbarkeit letztwilliger Anordnungen),<br />
das cyberDOC/Urkundenarchiv (zur<br />
elektronischen Speicherung und Verwendbarkeit notarieller<br />
Urkunden) sowie die Österreichische Notariatsakademie<br />
(zur Aus- und Fortbildung der Standesmitglieder).<br />
2. Allgemeines Zivilrecht<br />
2.1. Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)<br />
Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (kurz<br />
ABGB) stammt aus dem Jahr 1811 und ist trotz zahlreicher<br />
Novellen und Anpassungen im Kern unverändert<br />
geblieben. Notwendige Ergänzungen wurden zum Teil in<br />
das ABGB selbst eingefügt, zum Teil in eigenen Sondergesetzen<br />
geregelt. Als Beispiele für solche wichtigen Nebengesetze<br />
seien etwa genannt das Ehegesetz (kurz<br />
EheG), das Mietrechtsgesetz (kurz MRG), das Wohnungseigentumsgesetz<br />
(kurz WEG), das Grundbuchsgesetz<br />
(kurz GBG) und das Konsumentenschutzgesetz<br />
(kurz KSchG).<br />
2.2. Gewährleistungsreform<br />
Mit der letzten großen Novelle wurde die EG-Richtlinie<br />
über den Verbrauchsgüterkauf in ihren Kernpunkten<br />
im ABGB selbst umgesetzt. Der gesamte Bereich der<br />
Gewährleistung wurde aus Anlass der Richtlinienumsetzung<br />
tiefgreifend und umfassend reformiert. Die wesentlichen<br />
Veränderungen im Vergleich zur alten Rechtslage<br />
stellen die Einführung einer gesetzlichen Vermutung für<br />
die Mangelhaftigkeit der Sache im Zeitpunkt der Übergabe,<br />
die Neuordnung der Gewährleistungsbehelfe und die<br />
Verlängerung der Gewährleistungsfristen dar 14 .<br />
3. Immobilienrecht<br />
3.1. Eigentumserwerb<br />
Das österreichische Recht ist dem Prinzip der kausalen<br />
Tradition verpflichtet, wonach eine wirksame Eigentumsübertragung<br />
auf einer gültigen Vereinbarung (causa)<br />
zwischen dem bisherigen Eigentümer einer Liegenschaft<br />
und dem Übernehmer beruhen muss. Zusätzlich zum<br />
schuldrechtlichen Titel ist für den Eigentumserwerb weiters<br />
die Einhaltung eines bestimmten Modus erforderlich,<br />
der bei Immobilien aus der Eintragung im Grundbuch besteht<br />
15 . § 380 ABGB lautet unmissverständlich: “Ohne<br />
Titel und ohne rechtliche Erwerbungsart kann kein Eigentum<br />
erlangt werden”. Für die Errichtung des schuldrechtlichen<br />
Titels ist nach österreichischem Recht keine<br />
besondere Form einzuhalten, insbesondere nicht zwingend<br />
die notarielle.<br />
Dennoch spielen die öffentlichen Notare in der Praxis<br />
eine wichtige Rolle bei Immobilienverträgen, da § 31 des<br />
Grundbuchsgesetzes vorschreibt, dass Einverleibungen<br />
im Grundbuch nur aufgrund öffentlicher Urkunden<br />
oder solcher Privaturkunden geschehen können, bei denen<br />
die Unterschriften der Vertragsparteien gerichtlich<br />
oder notariell beglaubigt sind und der Beglaubigungsvermerk<br />
bei natürlichen Personen das Geburtsdatum enthält.<br />
3.2. Grundstücksveräußerung<br />
Bei der Veräußerung von Grundstücken und Eigentumswohnungen<br />
fungieren die österreichischen Notare in<br />
vielen Fällen als Treuhänder für die Abwicklung der<br />
Kaufpreisberichtigung, insbesondere wenn der Notar<br />
selbst Vertragserrichter ist und in Fällen mit Fremdfinanzierung<br />
des Kaufpreises über eine Bank und grundbücherlicher<br />
Sicherstellung (Hypothek). Die Treuhandschaft<br />
ist im Treuhandregister des österreichischen Notariats<br />
zu registrieren und ein eigenes Anderkonto bei der<br />
Notartreuhandbank zu eröffnen, wodurch eine Absicherung<br />
der Vertragsparteien durch den Versicherungsschutz<br />
des Treuhandregisters gewährleistet ist.<br />
13 Es gibt folgende Länderkammern: a) Notariatskammer für Wien,<br />
Niederösterreich und Burgenland, b) Notariatskammer für Oberösterreich,<br />
c) Notariatskammer für Steiermark, d) Notariatskammer für<br />
Salzburg, e) Notariatskammer für Kärnten, f) Notariatskammer für<br />
Tirol und Vorarlberg.<br />
14 §§ 922 bis 933b ABGB<br />
15 § 431 ABGB
122 T. Antenreiter, Länderbericht Österreich <strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002<br />
Als weitere Sicherheit für den Käufer wird bei einem<br />
typischen Kaufvertrag eine Rangordnung für die beabsichtigte<br />
Veräußerung im Grundbuch eingetragen, die<br />
dem Käufer den zugesicherten Rang wahrt und ihm ermöglicht,<br />
nachrangige Eintragungen im Grundbuch wieder<br />
löschen zu lassen. Mittels Veräußerungsrangordnung<br />
wird dem Käufer das Risiko abgenommen, dass das<br />
Grundstück zwischen Vertragsabschluss und endgültiger<br />
Grundbuchseintragung belastet oder weiterverkauft wird.<br />
Die Tätigkeiten des Notars im Zusammenhang mit der<br />
Selbstberechnung der Grunderwerbssteuer werden in<br />
Punkt 8. (Steuerrecht) ausführlich beschrieben.<br />
3.3. Bauträgervertrag<br />
Das Bauträgervertragsgesetz 1997 (kurz BTVG) enthält<br />
spezielle Schutzvorschriften für Erwerber von Eigentum,<br />
Wohnungseigentum, eines Baurechtes, Bestandrechtes<br />
oder eines sonstigen Nutzungsrechtes an erst<br />
noch zu errichtenden oder durchgreifend zu erneuernden<br />
Gebäuden, Wohnungen oder Geschäftsräumen 16 . Insbesondere<br />
ist ein Bauträgervertrag schriftlich abzuschließen<br />
und hat einen bestimmten gesetzlich normierten<br />
Mindestinhalt aufzuweisen 17 .<br />
3.4. Wohnungseigentum und Baurecht<br />
Das österreichische Recht ist vom römisch-rechtlichen<br />
Grundsatz “superficies solo cedit” geprägt, wonach sich<br />
das Eigentum am Gebäude grundsätzlich nach dem Eigentum<br />
am Grundstück richtet. Als Ausnahme davon<br />
normieren das Wohnungseigentumsgesetz 2002 (kurz<br />
WEG) die rechtlichen Voraussetzungen für die Begründung<br />
von Wohnungseigentum an selbständigen Wohnungen<br />
oder Geschäftsräumlichkeiten und das Baurechtsgesetz<br />
(kurz BauRG) für die Eröffnung selbständiger Baurechtseinlagen<br />
im Grundbuch.<br />
Erst vor kurzem ist das neue WEG 2002 in Kraft getreten,<br />
welches zahlreiche Veränderungen gegenüber der alten<br />
Rechtslage gebracht hat. Insbesondere kann neben einer<br />
natürlichen oder juristischen (Einzel-)Person nunmehr<br />
auch eine Eigentümerpartnerschaft bestehend<br />
aus zwei beliebigen natürlichen Personen Wohnungseigentümer<br />
sein 18 . Weiters gestattet das neue WEG die Begründung<br />
von Wohnungseigentum nur mehr, wenn am<br />
gesamten Gebäude Wohnungseigentum begründet wird,<br />
wodurch so genannte Mischhäuser (schlichtes Miteigentum<br />
samt Mietverträgen auf der einen Seite und Wohnungseigentum<br />
auf der anderen Seite) sukzessive verschwinden<br />
sollen.<br />
Das BauRG erlaubt die Belastung eines Grundstückes<br />
mit dem dinglichen, veräußerlichen und vererblichen<br />
Recht, auf oder unter der Bodenoberfläche ein Bauwerk zu<br />
haben (Baurecht – vergleichbar dem deutschen Erbbaurecht)<br />
19 . Das Baurecht kann für die Dauer von mindestens<br />
zehn bis zu maximal 100 Jahren bestellt werden und wird<br />
mittels einer eigenen Baurechtseinlage im Grundbuch<br />
eingetragen. In der Regel erhält der Eigentümer des belasteten<br />
Grundstückes einen jährlichen Bauzins. Der Eigentümer<br />
des Baurechtes ist auch Eigentümer der als Zubehör<br />
errichteten Gebäude, die jedoch bei Erlöschen des Baurechtes<br />
an den Grundeigentümer fallen 20 .<br />
3.5. Beschränkte dingliche Grundstücksrechte<br />
An beschränkten dinglichen Rechten kennt das österreichische<br />
Recht Pfandrechte 21 , Dienstbarkeiten (auch<br />
Servituten genannt, die den Grundeigentümer lediglich<br />
zu einem Dulden oder Unterlassen, nicht jedoch zu einem<br />
aktiven Tun verpflichten, wie etwa Fahrt-, Wege- und<br />
Leitungsrechte, Wohnungsrechte und Fruchtgenussrechte)<br />
22 und Reallasten (die eine persönliche Haftung<br />
des jeweiligen Grundeigentümers für positive, in der Regel<br />
wiederkehrende Leistungen darstellen, wie etwa Ausgedingeleistungen)<br />
23 sowie andere Rechte, die aufgrund<br />
besonderer gesetzlicher Anordnung in das Grundbuch<br />
eingetragen werden können (Bestandrechte 24 , Vor- und<br />
Wiederkaufsrechte 25 , Veräußerungs- und Belastungsverbote<br />
26 ).<br />
4. Familienrecht<br />
4.1. Eherecht und eheähnliche Beziehungen<br />
4.1.1. Eheschließung und Scheidung<br />
Das österreichische Recht regelt Fragen im Zusammenhang<br />
mit Ehe und Scheidung im ABGB 27 und im<br />
Ehegesetz (kurz EheG). Eine Ehe wird immer durch eine<br />
gerichtliche Entscheidung geschieden 28 , jedoch gibt<br />
es die Möglichkeit einer vereinfachten einvernehmlichen<br />
Scheidung bei gemeinsamem Antrag durch beide<br />
Ehegatten und mindestens halbjährlicher Aufhebung der<br />
ehelichen Lebensgemeinschaft 29 .<br />
4.1.2. Gesetzlicher Güterstand, Wahlgüterstände und<br />
Ehevertrag<br />
Der gesetzliche Güterstand während aufrechter Ehe ist<br />
die Gütertrennung, das heißt, jeder Ehegatte behält das<br />
von ihm in die Ehe eingebrachte Vermögen, wird Alleineigentümer<br />
des von ihm Erworbenen und ist allein<br />
Schuldner seiner Gläubiger und Gläubiger seiner Schuldner<br />
30 . Wechselseitige Zustimmungserfordernisse hinsichtlich<br />
der Vermögensverwaltung bestehen grundsätzlich<br />
nicht, jedoch hat der unterhaltsverpflichtete Ehegatte,<br />
der über die eheliche Wohnung verfügungsberechtigt<br />
ist, alles zu unterlassen und vorzukehren, dass der auf die<br />
Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliert 31 .<br />
16 § 2 BTVG<br />
17 §§ 3 und 4 BTVG<br />
18 § 2 WEG und §§ 13ff WEG. Demgegenüber konnten nach alter<br />
Rechtslage nur eine einzelne (natürliche oder juristische) Person oder<br />
Ehegatten Wohnungseigentümer sein, jedoch nicht sonstige Personenverbindungen<br />
(Geschwister, Lebensgefährten, fremde Personen).<br />
19 § 1 BauRG<br />
20 § 9 BauRG (in der Regel gegen Entschädigung)<br />
21 §§ 447 ff ABGB<br />
22 §§ 473 ABGB<br />
23 § 12 Grundbuchsgesetz<br />
24 § 1095 ABGB – eine Art verdinglichter Miet- oder Pachtvertrag<br />
25 §§ 1068 ff und 1072 ff ABGB<br />
26 § 364c ABGB<br />
27 §§ 44 bis 100 ABGB<br />
28 § 46 EheG<br />
29 § 55a EheG<br />
30 §§ 1233 und 1237 ABGB<br />
31 § 97 ABGB
<strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002 T. Antenreiter, Länderbericht Österreich 123<br />
Den Ehegatten steht es jedoch frei, einen anderen Güterstand<br />
zu vereinbaren (Gütergemeinschaft unter Lebenden,<br />
Gütergemeinschaft auf den Todesfall, Errungenschaftsgemeinschaft),<br />
wozu die Errichtung eines Notariatsaktes<br />
vorgeschrieben ist 32 .<br />
Ohne anders lautende Vereinbarung besteht die Gütertrennung<br />
prinzipiell auch im Fall einer Scheidung fort, jedoch<br />
wird diesfalls das gesamte eheliche Vermögen auf<br />
Antrag auch nur eines Ehegatten nach bestimmten Aufteilungsgrundsätzen<br />
des Ehegesetzes zwischen den<br />
Ehegatten geteilt 33 . Die vermögensrechtliche Aufteilung<br />
ist vom Scheidungsrichter verschuldensunabhängig<br />
nach Billigkeitserwägungen durchzuführen. Vertragliche<br />
Vereinbarungen anlässlich der Scheidung über die<br />
Scheidungsfolgen sind formfrei möglich, unterliegen jedoch<br />
der inhaltlichen Kontrolle durch den Scheidungsrichter.<br />
Vertragliche Vereinbarungen, die die Vermögensaufteilung<br />
bereits vorweg regeln sollen, sind nur in eingeschränktem<br />
Maß zulässig. Auf den Anspruch auf Aufteilung<br />
des ehelichen Gebrauchsvermögens (einschließlich<br />
der Ehewohnung) nach den Bestimmungen des Ehegesetzes<br />
kann im voraus nicht wirksam verzichtet werden,<br />
und Verträge im voraus über die Aufteilung der ehelichen<br />
Ersparnisse bedürfen zur ihrer Rechtswirksamkeit als<br />
Ehepakte der Form eines Notariatsaktes 34 .<br />
4.1.3. Ehegattenunterhalt<br />
Nach österreichischem Recht können Ehegatten über<br />
die Unterhaltsleistungen während aufrechter Ehe 35 sowie<br />
über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung<br />
Vereinbarungen treffen 36 , wofür keine besondere<br />
Form einzuhalten ist, insbesondere nicht zwingend die<br />
notarielle. Solche Vereinbarungen dürfen allerdings nicht<br />
den guten Sitten widersprechen 37 , vor allem kann auf den<br />
gesetzlichen Unterhaltsanspruch während aufrechter Ehe<br />
an sich nicht rechtwirksam im voraus verzichtet werden<br />
38 , sondern nur auf einzelne Unterhaltsleistungen.<br />
4.1.4. Nichteheliche Lebensgemeinschaft (homosexuell<br />
oder heterosexuell) oder “Ehe” für Homosexuelle<br />
Die rechtliche Stellung von heterosexuellen Lebensgefährten<br />
wurde in Österreich zwar sukzessive ausgebaut<br />
(vor allem hinsichtlich der Absicherung des Wohnbedürfnisses<br />
im Todesfall eines Partners 39 ), jedoch eine<br />
gänzliche Gleichstellung mit verheirateten Ehegatten<br />
nicht verwirklicht. Ein Partnerschaftsregister für heterosexuelle<br />
und homosexuelle Paare sowie die Möglichkeit<br />
einer “Eheschließung” für homosexuelle Partner besteht<br />
in Österreich derzeit noch nicht, ist aber in Diskussion.<br />
Seit dem neuen Wohnungseigentumsgesetz 2002 können<br />
immerhin zwei beliebige Personen (somit auch Lebensgefährten<br />
jeden Geschlechts) im Wege einer Eigentümerpartnerschaft<br />
gemeinsam Eigentümer einer Eigentumswohnung<br />
werden und eine Vereinbarung über<br />
Nachfolgerechte im Todesfall wirksam abschließen 40 .<br />
4.2. Sonstiges Familienrecht<br />
4.2.1. Vaterschaftsanerkenntnis<br />
Das Vaterschaftsanerkenntnis zu einem unehelichen<br />
Kind ist in Form einer inländischen öffentlichen oder öffentlich<br />
beglaubigten Urkunde abzugeben 41 . Somit ist die<br />
Abgabe eines Vaterschaftsanerkenntnisses vor einem<br />
Notar möglich und wirkt ab dem Zeitpunkt der Erklärung,<br />
sofern eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift<br />
vom Notariatsakt dem Standesbeamten zukommt<br />
42 .<br />
4.2.2. Fortpflanzungsmedizingesetz<br />
Notariatsaktspflichtig ist die Zustimmung zur Vornahme<br />
der Fortpflanzungshilfe nach dem Fortpflanzungsmedizingesetz<br />
(kurz FMedG) jedenfalls bei Lebensgefährten,<br />
bei Ehegatten nur, wenn der Samen eines<br />
Dritten verwendet wird 43 . Der Notar hat die Parteien eingehend<br />
über die rechtlichen Folgen der Zustimmung zu<br />
belehren.<br />
4.2.3. Adoption<br />
Grundsätzlich sind für Adoptionen keine besonderen<br />
Formvorschriften einzuhalten, jedoch werden Adoptionsverträge<br />
in der Praxis häufig von Notaren verfasst und<br />
die Unterschriften der Parteien regelmäßig notariell beglaubigt.<br />
Bei Inkognitoadoptionen wird die Unterschrift<br />
der Mutter, die ihr Kind zur Adoption freigibt und<br />
den Jugendwohlfahrtsträger zur Durchführung der Adoption<br />
bevollmächtigt, auf der entsprechenden Vollmachtsurkunde<br />
ebenfalls notariell beglaubigt.<br />
4.2.4. Vorsorgevollmacht<br />
Das österreichische Recht anerkennt Vorsorgevollmachten<br />
und Patientenverfügungen mit Benennung einer<br />
Vertrauensperson und mit bestimmten Weisungen an<br />
die behandelnden Ärzte für Fälle, in denen der Patient<br />
nicht mehr in der Lage ist, selbst eine Willenserklärung<br />
abzugeben. Auf diese Weise kann auch die Person eines<br />
Sachwalters angeregt werden, jedoch ist der Pflegschaftsrichter<br />
nicht an diese Anordnung gebunden, sondern bestellt<br />
einen Sachwalter ausschließlich zum Schutz und<br />
nach den Bedürfnissen des Pflegebefohlenen.<br />
32 §§ 1217ff ABGB und § 1 Notariatsaktsgesetz<br />
33 §§ 81ff EheG<br />
34 § 97 EheG und § 1 Notariatsaktsgesetz<br />
35 § 91 Abs 1 ABGB<br />
36 § 80 EheG<br />
37 § 80 EheG<br />
38 § 94 Abs 3 ABGB<br />
39 § 14 Mietrechtsgesetz, § 15 Kleingartengesetz<br />
40 §§ 13ff WEG<br />
41 § 163c ABGB<br />
42 §§ 53 und 54 Personenstandsgesetz<br />
43 § 8 FMedG
124 T. Antenreiter, Länderbericht Österreich <strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002<br />
5. Erbrecht<br />
5.1. Allgemeines<br />
Das Erbrecht ist vom 8. bis zum 15. Hauptstück des<br />
ABGB geregelt 44 . Nach österreichischem Recht geht das<br />
Vermögen des Erblassers nicht unmittelbar auf die Erben<br />
über, sondern erst mit rechtskräftiger Beendigung<br />
des Verlassenschaftsverfahrens aufgrund der “Einantwortungsurkunde”,<br />
die vom zuständigen Verlassenschaftsgericht<br />
erlassen wird 45 .<br />
Für die Dauer des Abhandlungsverfahrens besteht nach<br />
herrschender Lehre der so genannte “ruhende Nachlass”<br />
(entsprechend der römisch-rechtlichen hereditas iacens),<br />
der selbst die Qualität einer juristischen Person hat und<br />
während der Abhandlung Träger der vom Erblasser herstammenden<br />
Rechte und Pflichten ist 46 . Der oder die Erben<br />
müssen somit die Erbschaft durch eine positive Erbserklärung<br />
annehmen, um Rechtsnachfolger des Erblassers<br />
zu werden, wobei zwischen der bedingten und der<br />
unbedingten Erbserklärung unterschieden wird 47 .<br />
Vereinfacht gesprochen liegt der Vorteil der bedingten<br />
Erbserklärung in einer Haftungsbeschränkung für die<br />
Erben, der die Lebens- und Vermögensumstände des Erblassers<br />
nicht genau kennt, aufgrund der Errichtung einer<br />
formellen Vermögensaufstellung durch den Notar als Gerichtskommissärs,<br />
des Verlassenschaftsinventars.<br />
Nachteil der bedingten Erbserklärung sind allerdings die<br />
längere Verfahrensdauer und die Kosten der Inventarserrichtung,<br />
insbesondere für die Schätzung des Vermögens<br />
des Erblassers durch gerichtlich beeidete Sachverständige.<br />
Demgegenüber dauert das Verfahren bei einer unbedingten<br />
Erbserklärung in der Regel nicht so lange und<br />
kostet weniger, jedoch haftet der Erbe in diesem Fall für<br />
sämtliche Schulden des Erblassers in unbegrenzter Höhe<br />
auch mit seinem Privatvermögen 48 . In bestimmten Fällen,<br />
vor allem bei Beteiligung minderjähriger, besachwalteter<br />
oder persönlich nicht anwesender Personen, ist zu<br />
deren Schutz die Errichtung eines Verlassenschaftsinventars<br />
zwingend vorgeschrieben 49 .<br />
5.2. Gesetzliche Erbfolge<br />
Die gesetzliche Erbfolge richtet sich in der österreichischen<br />
Rechtsordnung nach der “Parentelenordnung” 50 ,<br />
die zuerst die Nachkommen des Erblassers (1. Parentel),<br />
danach die Eltern des Erblassers und deren Nachkommen<br />
(2. Parentel), die Großeltern des Erblassers und deren<br />
Nachkommen (3. Parentel) und zu guter Letzt die Urgroßeltern,<br />
aber nicht mehr deren Nachkommen (4. Parentel)<br />
als gesetzliche Erben beruft. Innerhalb jeder Parentel<br />
gilt das Repräsentationsprinzip und die Erbfolge<br />
nach Stämmen.<br />
Weiters ist auch der Ehegatte gesetzlicher Erbe, und<br />
zwar mit einer Quote von einem Drittel neben der 1. Parentel<br />
und zu zwei Dritteln neben der 2. Parentel (und einer<br />
noch größeren Erbportion neben den weiter entfernten<br />
Verwandten). Wenn auf diese Weise kein gesetzlicher<br />
Erbe gefunden werden kann, fällt die Erbschaft in letzter<br />
Konsequenz an den Staat (Heimfallsrecht) 51 .<br />
Neben seinem Erbteil kommt der Ehegatte weiters in<br />
den Genuss verschiedener gesetzlicher Begünstigungen<br />
wie vor allem des gesetzlichen Vorausvermächtnisses 52 .<br />
Dieses besteht einerseits aus den zum ehelichen Haushalt<br />
gehörenden beweglichen Sachen (und zwar grundsätzlich<br />
unabhängig von deren Wert), soweit sie zur Fortführung<br />
des Haushaltes entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen<br />
der Ehegatten erforderlich sind, und andererseits<br />
aus dem Recht, weiterhin in der ehelichen Wohnung<br />
zu wohnen, wenn nicht andere, speziellere gesetzliche Bestimmungen<br />
hinsichtlich der Ehewohnung eingreifen 53 .<br />
5.3. Testament, Erbvertrag, Schenkung auf den Todesfall<br />
sowie Erb- und Pflichtteilsverzicht<br />
Nach österreichischem Recht werden einerseits gerichtliche<br />
(und diesen gleichgestellte notarielle) und außergerichtliche<br />
sowie andererseits schriftliche und<br />
mündliche Testamente unterschieden 54 . In der Praxis<br />
werden am häufigsten Privattestamente errichtet, und<br />
zwar entweder als eigenhändiges Testament, dessen gesamter<br />
Inhalt zu seiner Gültigkeit vom Testator eigenhändig<br />
geschrieben und unterschrieben sein muss, oder als<br />
fremdhändiges Testament, welches vom Testator und<br />
drei fähigen Zeugen unterfertigt sein muss 55 .<br />
Das österreichische Recht kennt keine Begünstigungen<br />
hinsichtlich der Form für eigenhändige Testamente von<br />
Ehegatten. Auch bei einer wechselseitigen Begünstigung<br />
ist es nicht ausreichend, wenn ein Ehegatte den Text<br />
schreibt und der andere nur mitunterfertigt, sondern auch<br />
in diesen Fällen muss die gesamte letztwillige Anordnung<br />
vom zweiten Ehegatten eigenhändig geschrieben<br />
und unterschrieben werden.<br />
Ein Erbvertrag kann wirksam nur zwischen Ehegatten<br />
errichtet werden, jedoch nicht über das gesamte Vermögen.<br />
Ein Viertel muss “frei bleiben” und wird somit<br />
der gesetzlichen Erbfolge oder der Regelung durch ein<br />
Testament unterworfen 56 . Als Vertragserbe kann nur der<br />
andere Ehegatte eingesetzt werden, nicht dritte Personen<br />
(auch nicht die eigenen Nachkommen). Will der Erblasser<br />
daher erreichen, dass der Nachlass zuerst an den anderen<br />
Ehegatten und nach dessen Tod an die Kinder fällt,<br />
wird er eine Nacherbschaft (fideikommissarische Substitution)<br />
anordnen. Für die Gültigkeit eines Erbvertrages<br />
sind die formellen Erfordernisse für letztwillige Anordnungen<br />
und für Ehepakte einzuhalten, weshalb ein Notariatsakt<br />
unter Zuziehung eines zweiten Notars oder<br />
zweier Aktszeugen zu errichten ist 57 .<br />
44 §§ 531 bis 824 ABGB<br />
45 § 797 ABGB<br />
46 § 531 ABGB<br />
47 § 800 ABGB<br />
48 § 801 ABGB<br />
49 § 92 Außerstreitgesetz<br />
50 § 727 ff. ABGB<br />
51 § 760 ABGB<br />
52 § 758 ABGB<br />
53 Insbesondere § 14 Mietrechtsgesetz und § 14 Wohnungseigentumsgesetz<br />
54 § 577 ff. ABGB und §§ 70 bis 75 Notariatsordnung<br />
55 Zu den genauen Voraussetzungen, auch hinsichtlich der Zeugen und<br />
des zusätzlichen Zeugenhinweises siehe §§ 578 bis 601 ABGB<br />
56 § 1253 ABGB<br />
57 § 1249 ABGB iVm § 1 Notariatsaktsgesetz
<strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002 T. Antenreiter, Länderbericht Österreich 125<br />
Das österreichische Recht kennt weiters die Möglichkeit<br />
einer Schenkung auf den Todesfall, die eine Mittelstellung<br />
zwischen Vertrag und letztwilliger Anordnung<br />
einnimmt. Zu Lebzeiten ist ein Schenkungsvertrag zu errichten,<br />
in dem von Seiten des Geschenkgebers ausdrücklich<br />
auf das Recht des Widerrufs verzichtet werden<br />
muss 58 . Nach dem Ableben des Geschenkgebers ist dieser<br />
Schenkungsvertrag in Bezug auf eventuelle Pflichtteilsansprüche<br />
jedoch wie ein Vermächtnis zu behandeln,<br />
und die geschenkte Sache wird bei der Berechnung der<br />
Pflichtteile miteinbezogen. Allerdings kann in den Vertrag<br />
eine Überlebensbedingung aufgenommen werden,<br />
so dass der Geschenknehmer den Geschenkgeber überleben<br />
muss, um die Zuwendung zu erhalten. Eine Schenkung<br />
auf den Todesfall ist in Form eines Notariatsaktes<br />
zu errichten 59 . Inhaltlich kann jede Sache verschenkt<br />
werden, sogar das gesamte gegenwärtige, jedoch nicht<br />
das zukünftige Vermögen.<br />
Nach österreichischem Recht sind sowohl Erbverzichts-<br />
als auch Pflichtteilsverzichtsverträge in der<br />
Form eines Notariatsaktes zulässig, und zwar sowohl<br />
unentgeltlich als auch gegen eine Abfindung 60 .<br />
5.4. Pflichtteil<br />
Nach österreichischem Recht sind pflichtteilsberechtigte<br />
Personen des Erblassers seine Kinder (und in Ermangelung<br />
solcher seine Eltern) sowie der Ehegatte 61 .<br />
In absteigender Linie und für den Ehegatten beträgt der<br />
Pflichtteil die Hälfte des gesetzlichen Erbrechts, in aufsteigender<br />
Linie ein Drittel des gesetzlichen Erbteiles 62 .<br />
Der Pflichtteil ist allerdings ein bloßer Geldanspruch,<br />
so dass der Pflichtteilsberechtigte (auch Noterbe genannt)<br />
keine Ansprüche auf bestimmte Gegenstände des<br />
Nachlasses geltend machen kann.<br />
Weiters gibt es die Möglichkeit, den Pflichtteil eines<br />
Kindes nochmals um die Hälfte zu kürzen, wenn ein Elternteil<br />
und ein pflichtteilsberechtigtes Kind zu keiner<br />
Zeit in einem Naheverhältnis standen, wie es zwischen<br />
Eltern und Kindern gewöhnlich besteht. In der Regel bezieht<br />
sich diese Regelung auf unehelich geborene Kinder,<br />
die keinerlei Kontakt zu ihrem leiblichen Vater hatten, jedoch<br />
darf auch in solchen Fällen der Pflichtteil nicht gekürzt<br />
werden, wenn der Elternteil den persönlichen Umgang<br />
mit seinem Kind grundlos abgelehnt hat 63 .<br />
Um zu verhindern, dass der Erblasser schon zu Lebzeiten<br />
sein ganzes Vermögen verschenkt und damit die<br />
Rechte der Noterben einschränkt, verfügt das österreichische<br />
Recht, dass auch Schenkungen unter Lebenden<br />
unter bestimmten Voraussetzungen für die Berechnung<br />
der Pflichtteilsansprüche der Kinder und des Ehegatten,<br />
nicht jedoch auch der Eltern, als Bemessungsgrundlage<br />
herangezogen werden (Schenkungsanrechnung) 64 . Finden<br />
die auf diese Weise berechneten Pflichtteilsansprüche<br />
keine Deckung im vorhandenen Nachlass, können<br />
die Geschenknehmer unter Umständen sogar dazu verhalten<br />
werden, die geschenkte Sache zugunsten der Noterben<br />
zurückzustellen oder Ausgleichszahlungen zu leisten<br />
(Schenkungsanfechtung) 65 .<br />
5.5. Nacherbfolge, Vermächtnis und Auflage<br />
Nach österreichischem Recht ist es möglich, zunächst<br />
eine Person als Vorerben einzusetzen und zugleich zu bestimmen,<br />
dass eine andere Person die Erbschaft bei Eintritt<br />
eines bestimmten Ereignisses als Nacherbe erhält,<br />
üblicherweise bei Ableben des Vorerben (fideikommissarische<br />
Substitution) 66 . In solchen Fällen ist zum<br />
Schutz des Nacherben zwingend ein Verlassenschaftsinventar<br />
aufzunehmen. Da solche Verfügungen die Verkehrsfähigkeit<br />
der betroffenen Sachen erheblich einschränken,<br />
darf eine fideikommissarische Substitution<br />
nur für Zeitgenossen oder zugunsten von höchstens zwei<br />
weiteren Generationen angeordnet werden 67 .<br />
Der Vorerbe hat die Stellung eines Fruchtgenussberechtigten<br />
(Nießbrauchers) 68 und darf daher die Substanz<br />
des Nachlasses nicht schmälern und nur mit Zustimmung<br />
des Nacherben über die betroffenen Sachen<br />
verfügen. Auch im Fall einer unmissverständlichen letztwilligen<br />
Anordnung durch den Erblasser, können der<br />
Vorerbe und der Nacherbe gemeinsam die fideikommissarische<br />
Substitution einvernehmlich aufheben.<br />
Die Regelungen der fideikommissarischen Substitution<br />
sind sinngemäß bei Substitutionslegaten sowie im Fall<br />
der Anordnung von Befristungen, Bedingungen und Auflagen<br />
anzuwenden (so genannte konstruktive Nacherbfolge)<br />
69 .<br />
Das österreichische Recht unterscheidet zwischen dem<br />
Erben, der als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers<br />
in dessen Rechtsstellung eintritt, und dem Vermächtnisnehmer<br />
(auch Legatar), der bloß eine bestimmte Sache<br />
vom Erblasser vermacht erhält und nur hinsichtlich dieser<br />
Sache Einzelrechtsnachfolger wird. Demgemäß hat<br />
der Vermächtnisnehmer nur einen schuldrechtlichen<br />
Anspruch gegen den Erben auf Übereignung der vermachten<br />
Gegenstände (Damnationslegat), die wertmäßig<br />
jedoch den größten Teil des Nachlasses – ja sogar den<br />
gesamten Nachlass 70 – ausmachen können.<br />
Im Fall der Anordnung von letztwilligen Auflagen<br />
wird deren Einhaltung vom Verlassenschaftsgericht – abgesehen<br />
von wenigen Ausnahmen bei Auflagen im öffentlichen<br />
Interesse – nicht überprüft 71 . Gibt es einen<br />
Auflagenberechtigten (beispielsweise ein Testamentsvollstrecker,<br />
nicht jedoch der Auflagenbegünstigte<br />
selbst), so kann dieser auf Erfüllung der Auflagen bestehen<br />
und dies allenfalls im Klageweg durchsetzen. Die<br />
Nichterfüllung einer angeordneten Auflage wirkt grund-<br />
58 § 956 ABGB<br />
59 § 1 Notariatsaktsgesetz<br />
60 § 551 ABGB<br />
61 § 762 ABGB<br />
62 §§ 765 und 766 ABGB<br />
63 § 773a ABGB<br />
64 § 785 ABGB<br />
65 §§ 951 und 952 ABGB<br />
66 § 608 ABGB<br />
67 Details bei §§ 611 und 612 ABGB<br />
68 § 613 ABGB<br />
69 §§ 707 bis 709 ABGB<br />
70 § 690 ABGB<br />
71 § 161a Außerstreitgesetz
126 T. Antenreiter, Länderbericht Österreich <strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002<br />
sätzlich als auflösende Bedingung 72 , jedoch genügt bei<br />
Auflagen schon die annähernde Erfüllung im Sinne des<br />
letzten Willens des Erblassers, bei schuldloser Nichterfüllung<br />
fällt die Auflage überhaupt weg 73 .<br />
5.6. Testamentsvollstreckung<br />
Das Rechtsinstitut des Testamentsvollstreckers hat in<br />
der österreichischen Rechtspraxis keine große Bedeutung.<br />
Lediglich ein Paragraph des ABGB befasst sich mit<br />
diesem Thema, der noch dazu zahlreiche Fragen offen<br />
lässt 74 . Nach der österreichischen Judikatur stellt die<br />
letztwillige Bestimmung eines Testamentsvollstreckers<br />
durch den Erblasser grundsätzlich keine den Erben verpflichtende<br />
Anordnung dar. Der Erbe kann also die Person<br />
der Vollstreckers wieder abberufen, außer der Erblasser<br />
hat seinen letzten Willen ausdrücklich mittels einer<br />
Auflage so ausgestaltet, dass sich der Erbe bei sonstigem<br />
Verlust der Zuwendung den Testamentsvollstrecker gefallen<br />
lassen muss.<br />
Die Rechte des Testamentsvollstreckers umfassen nach<br />
österreichischem Recht die Überwachung und die Betreibung<br />
der Erfüllung des letzten Willens sowie die Teilnahme<br />
an der Inventarserrichtung. Allenfalls ist der Testamentsvollstrecker<br />
Auflagenberechtigter. Er hat jedoch<br />
prinzipiell keine unmittelbaren Vertretungskompetenzen,<br />
weder für den Nachlass noch für dessen Erben, außer er<br />
wird vom Verlassenschaftsgericht mit der Erledigung bestimmter<br />
Agenden wie ein Verlassenschafts-kurator betraut.<br />
5.7. Verlassenschaftsverfahren<br />
Die Durchführung einer Verlassenschaftsabhandlung<br />
erfolgt in Österreich bei den Bezirksgerichten im außerstreitigen<br />
Verfahren unter starker Einbeziehung der Öffentlichen<br />
Notare, die zahlreiche Aufgaben als Abgeordnete<br />
des Gerichts (Gerichtskommissäre) erledigen. Die<br />
Sterbefälle, die in den örtlichen Zuständigkeitsbereich eines<br />
Bezirksgerichtes fallen, werden nach einer für das gesamte<br />
Jahr im vorhinein festgelegten Verteilungsordnung<br />
auf die Notare am Sitz des Gerichtes verteilt.<br />
Neben der praktischen Abwicklung der Abhandlung<br />
(insbesondere Erbensuche, Erforschung der Vermögensverhältnisse,<br />
eventuell Wohnungsbegehungen und Sicherung<br />
des Nachlasses etc) lädt der zuständige Gerichtskommissär<br />
daraufhin die Erben, Verwandten oder sonstige dem<br />
Erblasser nahe stehende Personen zur Errichtung der Todfallsaufnahme<br />
ein, die als Grundlage für das Verlassenschaftsverfahren<br />
dient. Der Notar übernimmt weiters die<br />
Kundmachung vorhandener letztwilliger Anordnungen<br />
und errichtet – wenn vorgeschrieben – das Verlassenschaftsinventar<br />
nach vorangehender Schätzung des<br />
Nachlasses durch gerichtlich beeidete Sachverständige.<br />
In der Praxis werden auch die meisten gerichtlichen<br />
Beschlüsse weitgehend von den Notaren vorbereitet. Das<br />
Gericht ist somit in der Lage, die Vorschläge des Notars<br />
nach genauer inhaltlicher Überprüfung zu übernehmen.<br />
Das Verlassenschaftsverfahren wird durch den Endbeschluss<br />
des Gerichtes und die rechtskräftige Einantwortungsurkunde<br />
beendet 75 .<br />
Die Einantwortungsurkunde ist vereinfacht gesprochen<br />
ein gerichtliches Zeugnis, in welchem die Stellung<br />
als Erbe, die Erbquote, die Art der abgegebenen Erbserklärungen<br />
und eventuelle Belastungen des Erbrechtes<br />
(zum Beispiel durch eine angeordnete Nacherbschaft)<br />
ausgewiesen werden. Mit Rechtskraft der Einantwortungsurkunde<br />
werden der oder die Erben zum Rechtsnachfolger<br />
des Erblassers, das heißt sie erwerben Eigentum<br />
an den Nachlassgegenständen (und zwar auch an<br />
Liegenschaften unter Durchbrechung des grundbücherlichen<br />
Eintragungsgrundsatzes) und haften für die Verbindlichkeiten<br />
des Erblassers ja nach der Art der abgegebenen<br />
Erbserklärung.<br />
6. Gesellschaftsrecht<br />
Kaufmannsbegriff: Im österreichischen Handelsgesetzbuch<br />
(kurz HGB) steht nicht der Begriff des Unternehmens,<br />
sondern der des Kaufmannes und der Firma<br />
im Vordergrund. Die Bezeichnung “Kaufmann” ist allerdings<br />
kein einheitlicher Rechtsbegriff. Es wird erstens<br />
nach der Größe des kaufmännischen Unternehmens zwischen<br />
einem Minder- und einem Vollkaufmann unterschieden.<br />
Zweitens entsteht ein kaufmännisches Unternehmen<br />
entweder aufgrund der Eintragung in das Firmenbuch<br />
oder aufgrund der gewerblichen Tätigkeit, die<br />
das Unternehmen verfolgt 76 .<br />
Firma: Unter dem Begriff der Firma versteht das österreichische<br />
Recht den Namen, unter dem ein Unternehmen<br />
in der Öffentlichkeit und im Rechtsverkehr auftritt<br />
und welcher in der Regel im Firmenbuch registriert ist 77 .<br />
Firmenbuch: Die Mehrzahl der österreichischen Unternehmen<br />
ist im “Firmenbuch der Republik Österreich”<br />
registriert. Dieses ist ein von den Handelsgerichten<br />
elektronisch geführtes öffentliches Register, in welches<br />
jedermann Einsicht nehmen und sich über die wichtigsten<br />
Eckdaten eines bestimmten Unternehmens informieren<br />
kann, insbesondere über die Firma, über die beteiligten<br />
Gesellschafter (je nach Gesellschaftsform), über<br />
die Höhe des Firmenkapitals, über den Sitz des Unternehmens<br />
und über die vertretungsbefugten Personen und die<br />
Art ihrer Vertretungsbefugnis 78 .<br />
Eine Firmenbuchabfrage ist gegen Kostenersatz jederzeit<br />
über das Internet möglich. Jeder Notar ist gesetzlich<br />
verpflichtet, in seiner Kanzlei die technischen Voraussetzungen<br />
zu schaffen, um jedermann Einsicht in das<br />
Firmenbuch gewähren zu können, weshalb in der Praxis<br />
ein flächendeckendes Angebot dieser Dienstleistung<br />
durch die österreichischen Notare besteht 79 .<br />
72 § 709 ABGB<br />
73 § 710 ABGB<br />
74 § 816 ABGB<br />
75 § 819 ABGB<br />
76 §§ 1 bis 7 HGB<br />
77 §§ 17ff. HGB<br />
78 § 8 HGB, Firmenbuchgesetz 1991 (kurz FBG)<br />
79 § 35 FBG
<strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002 T. Antenreiter, Länderbericht Österreich 127<br />
6.1. Einzelunternehmen<br />
In der einfachsten Ausgestaltung wird ein Unternehmen<br />
durch eine natürliche Person betrieben, die hauptsächlich<br />
ihre persönliche Arbeitskraft und Produktivität<br />
in das Unternehmen einbringt. Diese natürliche Person<br />
vertritt das Unternehmen im Außenverhältnis und ist Träger<br />
der das Unternehmen betreffenden Rechte und Pflichten,<br />
insbesondere haftet diese Person unbeschränkt mit<br />
ihrem gesamten Vermögen.<br />
Die Vollkaufmannseigenschaft kommt dem Einzelunternehmen<br />
zu, wenn es ein bestimmtes Handelsgewerbe<br />
von gewisser Größe betreibt (Handelsgewerbe kraft Unternehmensgegenstand)<br />
oder im Firmenbuch eingetragen<br />
ist (Handelsgewerbe kraft Firmenbucheintragung). In der<br />
Regel enthält die Firma den bürgerlichen Namen des Einzelunternehmers<br />
80 .<br />
Die Gründung eines Einzelunternehmens ist denkbar<br />
einfach und bedarf keiner bestimmten rechtlichen<br />
Form, somit auch nicht der zwingenden notariellen Mitwirkung.<br />
Gesetzliche Grundlage ist in erster Linie das<br />
Handelsgesetzbuch (HGB) in der derzeit gültigen Fassung.<br />
6.2. Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Personengesellschaften<br />
6.2.1. Gesellschaft bürgerlichen Rechts<br />
Eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (kurz GesBR)<br />
wird durch einen Vertrag zwischen mindestens zwei Gesellschaftern<br />
gegründet, um gemeinsam ein bestimmtes<br />
Unternehmensziel zu verfolgen, insbesondere eine freiberufliche<br />
oder minderhandelsgewerbliche Tätigkeit. Infolgedessen<br />
kann eine GesBR auch nicht in das Firmenbuch<br />
eingetragen werden. Die GesBR hat keine eigene<br />
Rechtspersönlichkeit und ist nicht parteifähig. Im<br />
Rechtsverkehr agieren daher ausschließlich die einzelnen<br />
Gesellschafter, die als Mitberechtigte oder Mitverpflichtete<br />
auftreten. Die GesBR kann zwar eine Unternehmensbezeichnung,<br />
aber keine Firma führen.<br />
Die GesBR kann im Rahmen der allgemeinen Gesetze<br />
völlig frei nach den Bedürfnissen der Gesellschafter ausgestaltet<br />
werden, eine bestimmte rechtliche Form ist<br />
nicht vorgeschrieben. Gesetzliche Grundlage ist das Allgemeine<br />
Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) in der derzeit<br />
gültigen Fassung.<br />
6.2.2. Offene Handelsgesellschaft<br />
Eine Offene Handelsgesellschaft (kurz OHG) besteht<br />
aus mindestens zwei Gesellschaftern, welche natürliche<br />
oder juristische Personen sein können. Hauptmerkmal einer<br />
OHG ist, dass alle Gesellschafter mit ihrem gesamten<br />
Vermögen unbeschränkt haften, weil wie beim Einzelunternehmen<br />
eher der persönliche Arbeitseinsatz gegenüber<br />
dem Kapitaleinsatz im Vordergrund steht 81 . Die<br />
OHG ist zwar keine juristische Person, kann aber wie eine<br />
juristische Person im Rechtsverkehr unter ihrer Firma<br />
Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum<br />
oder andere dingliche Rechte an Grundstücken<br />
erwerben und vor Gericht klagen oder geklagt werden 82 .<br />
Das Gesellschaftsvermögen steht in gemeinschaftlichem<br />
Eigentum der Gesellschafter, welche gemäß des<br />
Grundsatzes der Selbstorganschaft zur Geschäftsführung<br />
und Vertretung berufen sind 83 . Wie beim Einzelunternehmen<br />
kommt der OHG die Kaufmannseigenschaft<br />
zu, wenn sie ein bestimmtes Handelsgewerbe von gewisser<br />
Größe betreibt (Handelsgewerbe kraft Unternehmensgegenstand)<br />
oder im Firmenbuch eingetragen ist (Handelsgewerbe<br />
kraft Firmenbucheintragung). In der Regel<br />
enthält die Firma den bürgerlichen Namen eines der Gesellschafter.<br />
Die Gründung einer OHG ist ebenfalls einfach und bedarf<br />
keiner bestimmten rechtlichen Form. Gesetzliche<br />
Grundlage ist in erster Linie das Handelsgesetzbuch<br />
(HGB) in der derzeit gültigen Fassung.<br />
6.2.3. Kommanditgesellschaft<br />
Bei einer Kommanditgesellschaft (kurz KG) handelt<br />
es sich um eine Gesellschaftsform, welche in hohem Maß<br />
einer OHG gleicht und grundsätzlich sämtliche rechtlichen<br />
Charakteristika einer OHG aufweist, so dass die<br />
oberen Ausführungen zur OHG auch für die KG gelten.<br />
Der einzige Unterschied zur OHG besteht darin, dass<br />
nicht alle beteiligten Gesellschafter der KG unbeschränkt<br />
mit ihrem gesamten persönlichen Vermögen haften, sondern<br />
bei den Gesellschaftern zwischen Komplementären<br />
und Kommanditisten unterschieden wird 84 . An einer<br />
KG muss mindestens ein Komplementär beteiligt<br />
sein, der die Gesellschaft nach außen hin vertritt und mit<br />
seinem gesamten Vermögen unbeschränkt haftet. Daneben<br />
muss jedoch mindestens ein Kommanditist vorhanden<br />
sein, welcher lediglich mit einer bestimmten Hafteinlage<br />
haftet.<br />
Gesetzliche Grundlage ist in erster Linie das Handelsgesetzbuch<br />
(HGB) in der derzeit gültigen Fassung.<br />
6.2.4. Eingetragene Erwerbsgesellschaft<br />
Die Eingetragenen Erwerbsgesellschaften (kurz<br />
EEG) stellen der Sache nach eine Erstreckung des OHGund<br />
KG-Modells auch auf den Bereich kleingewerblicher<br />
Unternehmen dar. Demgemäß gibt es zwei unterschiedliche<br />
Ausgestaltungen einer EEG, nämlich eine Offene<br />
Erwerbsgesellschaft (kurz OEG) in Anlehnung an die<br />
Rechtsform der OHG und eine Kommandit-Erwerbsgesellschaft<br />
(kurz KEG) in Anlehnung an die Rechtsform<br />
der KG. Allen EEG ist gleich, dass sie – wie bereits ihr<br />
Name ausdrückt – im Firmenbuch eingetragen sind, obwohl<br />
sie ein Minderhandelsgewerbe betreiben.<br />
Gesetzliche Grundlage ist das Erwerbsgesellschaftengesetz<br />
(kurz EGG) 1990 in der derzeit gültigen Fassung.<br />
6.2.5. Stille Gesellschaft<br />
Der stille Gesellschafter beteiligt sich mit einer Kapitaleinlage<br />
an einem kaufmännischen Unternehmen, ohne<br />
nach außen als Gesellschafter in Erscheinung zu treten.<br />
80 §§ 17 und 18 HGB<br />
81 § 105 HGB<br />
82 § 124 HGB<br />
83 § 114 HGB<br />
84 § 161 HGB
128 T. Antenreiter, Länderbericht Österreich <strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002<br />
Die stille Gesellschaft ist eine reine Innengesellschaft.<br />
Das Vermögen steht allein dem Inhaber zu, auch der Kapitalbeitrag<br />
des stillen Gesellschafters geht in das Vermögen<br />
des Inhabers über und Rechte und Verbindlichkeiten<br />
werden allein aus seiner Person begründet. Im Gegenzug<br />
dazu ist der stille Gesellschafter grundsätzlich am Gewinn<br />
und auch am Verlust beteiligt, und er hat ein Kontrollrecht<br />
über die Geschäftsführung.<br />
Die Gründung einer stillen Gesellschaft ist an keine<br />
bestimmte rechtliche Form geknüpft. Ihre rechtliche<br />
Grundlage sind das Handelsgesetzbuch (HGB) und vor<br />
allem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB)<br />
in der derzeit gültigen Fassung.<br />
6.2.6. Europäische Wirtschaftliche Interessensvereinigung<br />
Eine Europäische Wirtschaftliche Interessensvereinigung<br />
(kurz EWIV) kann seit 1995 in Österreich gebildet<br />
werden 85 . Ein wesentliches Merkmal der EWIV ist<br />
ihr grenzüberschreitender Charakter, da die EWIV<br />
aus mindestens zwei Mitgliedern bestehen muss, die ihre<br />
Hauptverwaltung beziehungsweise ihre Haupttätigkeit in<br />
verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten haben beziehungsweise<br />
ausüben 86 . Der Wegfall dieser Voraussetzung bildet<br />
einen zwingenden Auflösungsgrund 87 .<br />
Der Zweck einer EWIV liegt allein in der Förderung<br />
der wirtschaftlichen Tätigkeit ihrer Mitglieder. Dazu darf<br />
die EWIV nur eine Hilfstätigkeit übernehmen, die in einem<br />
engen Zusammenhang zur Haupttätigkeit stehen<br />
muss, und darf nicht auf die Gewinnerzielung für sich<br />
selbst ausgerichtet sein. Beispielsweise kann eine EWIV<br />
für folgende Zwecke errichtet werden: Einkaufgemeinschaften,<br />
Forschungs- und Produktentwicklungskooperationen<br />
und Kundendienstgemeinschaften.<br />
Zur Gründung ist ein schriftlicher Gründungsvertrag<br />
abzuschließen und durch alle Mitglieder zum Firmenbuch<br />
anzumelden. Die Registrierung hat konstitutive<br />
Wirkung. Ab diesem Zeitpunkt ist die EWIV selbständige<br />
Trägerin von Rechten und Pflichten, sie ist Handelsgesellschaft<br />
im Sinne des HGB und Vollkaufmann kraft<br />
Rechtsform, jedoch keine juristische Person 88 . Gesetzliche<br />
Grundlage in Österreich ist das EWIV-Ausführungsgesetz<br />
(kurz EWIVG) 1995 in der derzeit gültigen<br />
Fassung.<br />
6.3. Verein und Kapitalgesellschaften<br />
6.3.1. Verein<br />
Ein Verein ist ein Zusammenschluss mehrerer Personen<br />
mit eigener Rechtspersönlichkeit zur Erreichung<br />
eines gemeinschaftlichen Zweckes, er darf jedoch nicht<br />
auf Erzielung von Gewinn ausgerichtet sein 89 . Die Vereinsstatuten<br />
können grundsätzlich frei vereinbart werden,<br />
müssen aber dann bei der zuständigen Behörde schriftlich<br />
eingereicht und hinterlegt werden, die in Ausnahmefällen<br />
die Errichtung des Vereins binnen einer bestimmten<br />
Frist untersagen kann.<br />
Ein Zentrales Vereinsregister existiert in Österreich<br />
derzeit noch nicht, ist jedoch bereits gesetzlich vorgesehen.<br />
Rechtsgrundlage ist das neue Vereinsgesetz 2002 in<br />
der derzeit gültigen Fassung.<br />
6.3.2. GmbH<br />
Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (kurz<br />
GesmbH oder GmbH) ist die in Österreich gebräuchlichste<br />
Rechtsform für eine Kapitalgesellschaft, bei der<br />
sich ein oder mehrere Gesellschafter unter Aufwendung<br />
von Kapitaleinlagen an der Gesellschaft beteiligen. Das<br />
Mindestkapital der Gesellschaft beträgt Euro 35.000,–,<br />
wovon mindestens die Hälfte bei der Gründung eingezahlt<br />
werden muss 90 . Die beteiligten Gesellschafter haften<br />
grundsätzlich nur mit ihrer eingebrachten Kapitaleinlage<br />
und nicht mit ihrem sonstigen persönlichen Vermögen.<br />
Zur Gründung einer GmbH bedarf es eines schriftlichen<br />
Gesellschaftsvertrages zwischen den Gesellschaftern<br />
oder einer Erklärung über die Errichtung einer<br />
GmbH im Fall eines Einzelgesellschafters (so genannte<br />
Einmanngründung) jeweils in Notariatsaktsform 91 . Der<br />
Vertrag beziehungsweise die Erklärung muss mindestens<br />
eine Regelung über die folgenden Punkte beinhalten:<br />
- Firmenwortlaut mit dem Beisatz “Gesellschaft mit beschränkter<br />
Haftung” oder einer entsprechenden Abkürzung<br />
(Ges.m.b.H., GesmbH, G.m.b.H., GmbH)<br />
- Sitz<br />
- Betriebsgegenstand<br />
- Stammkapital<br />
- Namen der beteiligten Gesellschafter und ihre Beteiligung<br />
am Stammkapital<br />
- Dauer der Gesellschaft<br />
Eine GmbH ist eine eigene juristische Person und somit<br />
selbständiger Träger von Rechten und Pflichten und<br />
wird nach außen hin durch den oder die Geschäftsführer<br />
vertreten. Die juristische Person entsteht im Außenverhältnis<br />
mit der Registrierung im elektronisch geführten<br />
Firmenbuch der Republik Österreich 92 . Aufgrund<br />
der Firmenbucheintragung ist jede GmbH Vollkaufmann.<br />
Zur Firmenbucheintragung sind jedenfalls folgende<br />
Urkunden notwendig:<br />
- eine Ausfertigung des Gesellschaftsvertrages beziehungsweise<br />
der Erklärung über die Errichtung einer<br />
GmbH<br />
- Gesellschafterbeschluss über die Bestellung des oder<br />
der Geschäftsführer und deren Vertretungsbefugnis<br />
- Musterfirmazeichnung des oder der Geschäftsführer<br />
- Bankbestätigung über den Nachweis der Einzahlung<br />
von mindestens der Hälfte des Stammkapitals<br />
85 Gemeinschaftsrechtliche Grundlage ist die Verordnung (EWG) Nr.<br />
2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen<br />
Wirtschaftlichen Interessensvereinigung (EWIV).<br />
86 Art 4 Abs 2 EWIV-Verordnung<br />
87 Art 31 Abs 3 EWIV-Verordnung<br />
88 § 1 EWIV-Ausführungsgesetz<br />
89 § 1 VerG<br />
90 §§ 6 und 6a GmbHG<br />
91 § 4 GmbHG<br />
92 § 2 GmbHG
<strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002 T. Antenreiter, Länderbericht Österreich 129<br />
- Selbstberechnungserklärung oder steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung<br />
des Finanzamtes als<br />
Nachweis für die Bezahlung der Gesellschaftssteuer<br />
(1% des eingezahlten Stammkapitals) 93 .<br />
Die Mitwirkung eines Notars ist beispielsweise weiters<br />
erforderlich bei Erklärungen der Übernahme einer<br />
neuen Stammeinlage, bei der Übertragung von und Vereinbarungen<br />
über die künftige Abtretung von Geschäftsanteilen,<br />
bei Beschlüssen über Änderungen des Gesellschaftsvertrages<br />
und über die Auflösung der Gesellschaft<br />
sowie bei diversen Umgründungsmaßnahmen (Verschmelzungen,<br />
Spaltungen und Umwandlungen) 94 .<br />
Rechtsgrundlage ist in erster Linie das GmbH-Gesetz<br />
1906 in der derzeit gültigen Fassung.<br />
6.3.3. Aktiengesellschaft<br />
Die Aktiengesellschaft (kurz AG) ist die klassische<br />
Grundform einer Kapitalgesellschaft. Im Gegensatz zu<br />
den Personengesellschaften steht nicht der persönliche<br />
Arbeitseinsatz der Gesellschafter im Mittelpunkt, sondern<br />
deren Kapitaleinlage. In der Regel ist es für eine AG<br />
charakteristisch, dass die Aktionäre beruflich anderwärtig<br />
interessiert sind und die Kapitaleinlage lediglich als<br />
Vermögensanlage betrachten. Demgemäß gewinnen die<br />
Geschäftsführung und deren Kontrolle im Verhältnis zu<br />
den Personengesellschaften an Bedeutung.<br />
Als wesentliche juristische Konsequenzen aus dieser<br />
Ausgangssituation zeichnet sich die Rechtsform der AG<br />
dadurch aus, dass die persönliche Haftung der Gesellschafter<br />
ausgeschlossen ist und das Grundkapital in standardisierte<br />
Anteile, nämlich in Aktien, zerlegt ist, die<br />
rechtlich und praktisch relativ leicht übertragbar sind. Die<br />
operative Tätigkeit wird durch besondere Organe wahrgenommen,<br />
weshalb strenge Schutzvorschriften zugunsten<br />
von Aktionären und Gläubigern einzuhalten sind.<br />
Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt Euro<br />
70.000,— und ist in Aktien zerlegt, die entweder als<br />
Nennbetragsaktien oder als Stückaktien ausgegeben<br />
werden können 95 . Die Nennbetragsaktien lauten auf einen<br />
bestimmten Betrag, der mindestens Euro 1,— oder<br />
ein Vielfaches beträgt. Die Stückaktie hat keinen Nennbetrag,<br />
weshalb sich das Ausmaß der Beteiligung an der<br />
AG lediglich aus dem Verhältnis zu den anderen Stückaktien<br />
ergibt, weil es in diesem Fall nur eine einheitliche<br />
Stückelung gibt.<br />
Bei der Gründung einer AG gibt es zwei unterschiedliche<br />
Verfahrensweisen, nämlich die Einheits- oder Simultangründung<br />
und die Stufen- oder Sukzessivgründung.<br />
Praktische Bedeutung hat lediglich die Einheitsgründung,<br />
bei der die Gründer sämtliche Aktien übernehmen<br />
mit der Verpflichtung zur Leistung der Einlage in<br />
der Höhe des Ausgabebetrages, wobei mindestens ein<br />
Viertel des Grundkapitals ordnungsgemäß eingezahlt<br />
werden muss. Im Fall einer Stufengründung wird nur ein<br />
Teil des Grundkapitals von den Gründern übernommen<br />
und der restliche Betrag einem größeren Publikum angeboten,<br />
weshalb zahlreiche komplizierte Schutzvorschriften<br />
einzuhalten sind, die eine weite Verbreitung dieser<br />
Gründungsform verhindert haben 96 .<br />
Es bedarf eines schriftlichen Gesellschaftsvertrages<br />
(Satzung) zwischen den Gesellschaftern in Notariatsaktsform.<br />
Der Vertrag muss mindestens eine Regelung<br />
über die folgenden Punkte beinhalten:<br />
- Firmenwortlaut mit dem Beisatz “Aktiengesellschaft”<br />
oder einer entsprechenden Abkürzung (AG)<br />
- Sitz<br />
- Betriebsgegenstand<br />
- Grundkapital und dessen Zerlegung in Aktien (Stückoder<br />
Nennbetragssaktien)<br />
- Organe der Gesellschaft<br />
- Dauer der Gesellschaft<br />
- Aufteilung der Errichtungskosten.<br />
Eine AG ist eine eigene juristische Person und somit<br />
selbständiger Träger von Rechten und Pflichten und wird<br />
nach außen hin durch den Vorstand vertreten, der wiederum<br />
durch den Aufsichtsrat bestellt wird. Die juristische<br />
Person entsteht im Außenverhältnis mit der Registrierung<br />
im elektronisch geführten Firmenbuch der Republik<br />
Österreich. Aufgrund der Firmenbucheintragung<br />
ist jede AG Vollkaufmann. Zur Firmenbucheintragung<br />
sind jedenfalls folgende Urkunden notwendig:<br />
- eine Ausfertigung der Satzung<br />
- Aufsichtsratsbeschluss über die Bestellung des Vorstandes<br />
und dessen Vertretungsbefugnis<br />
- Gründungsbericht der Gründer<br />
- Prüfungsbericht des Vorstandes und des Aufsichtsrates<br />
- Musterzeichnungen der Mitglieder des Vorstandes<br />
- Bankbestätigung über den Nachweis der Einzahlung<br />
von mindestens eines Viertel des Grundkapitals<br />
- Selbstberechnungserklärung oder steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung<br />
des Finanzamtes als<br />
Nachweis für die Bezahlung der Gesellschaftssteuer<br />
(1% des eingezahlten Stammkapitals) 97<br />
- Aufstellung der Gründungskosten.<br />
Die Mitwirkung eines Notars ist erforderlich bei der<br />
Feststellung der Satzung und beispielsweise weiters bei<br />
nachträglicher Aktienübernahme durch die Gründer, bei<br />
der Bestellung des ersten Aufsichtsrates und der Abschlussprüfer<br />
für den ersten Jahresabschluss, bei sämtlichen<br />
Hauptversammlungsbeschlüssen sowie bei diversen<br />
Umgründungsmaßnahmen (Verschmelzungen, Spaltungen<br />
und Umwandlungen) 98 .<br />
93 Die Selbstberechnung der Gesellschaftssteuer funktioniert analog zur<br />
Selbstberechnung der Grunderwerbssteuer, Zur Selbstberechnung<br />
siehe ausführlich Punkt 8. (Steuerrecht).<br />
94 Siehe Wagner/Knechtel: Notariatsordnung, zu § 1 Notariatsaktsgesetz,<br />
Seite 695<br />
95 §§ 7 und 8 AktG<br />
96 Zweiter Teil des AktG (§§ 16 bis 47 AktG)<br />
97 Die Selbstberechnung der Gesellschaftssteuer funktioniert analog zur<br />
Selbstberechnung der Grunderwerbssteuer, Zur Selbstberechnung<br />
siehe ausführlich Punkt 8. (Steuerrecht)<br />
98 Siehe Wagner/Knechtel: Notariatsordnung, zu § 1 Notariatsaktsgesetz,<br />
Seite 695.
130 T. Antenreiter, Länderbericht Österreich <strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002<br />
Rechtsgrundlage ist in erster Linie das Aktien-Gesetz<br />
1965 in der derzeit gültigen Fassung.<br />
6.3.4. Genossenschaft<br />
Das Genossenschaftsgesetz (kurz GenG) definiert Genossenschaften<br />
als Vereine von nicht geschlossener<br />
Mitgliederzahl, die im wesentlichen der Förderung des<br />
Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder dienen 99 .<br />
Genossenschaften nehmen eine Mittelstellung zwischen<br />
Personen- und Kapitalgesellschaften ein. Die von den<br />
Kapitalgesellschaften übernommenen Merkmale sind die<br />
Eigenschaft als juristische Person und die Haftungsbeschränkung<br />
für ihre Mitglieder.<br />
Die Gründung erfordert einen schriftlich abgeschlossenen<br />
Genossenschaftsvertrag (Statut) mit bestimmtem<br />
Mindestinhalt 100 . Da der Kreis der Mitglieder offen<br />
ist und jedes Mitglied einen Genossenschaftsanteil übernehmen<br />
muss, ist auch das Genossenschaftskapital variabel.<br />
In der Regel werden die Organe der Genossenschaft,<br />
nämlich Vorstand und Aufsichtsrat, aus dem Kreis der<br />
Genossenschafter besetzt. Als Körperschaft entsteht die<br />
Genossenschaft mit ihrer Eintragung in das Firmenbuch<br />
101 .<br />
Wesentliche Rechtsgrundlage ist das Genossenschaftsgesetz<br />
1873 in der derzeit gültigen Fassung.<br />
6.4. Privatstiftung<br />
Eine Privatstiftung ist ein selbständiger Rechtsträger,<br />
dem vom Stifter ein Vermögen gewidmet ist, um<br />
durch dessen Nutzung, Verwaltung und Verwertung die<br />
Erfüllung eines erlaubten, vom Stifter bestimmten<br />
Zwecks zu dienen 102 . Wenn es sich der Stifter vorbehalten<br />
hat, kann die Privatstiftung auch widerrufen werden.<br />
Eine Privatstiftung darf nicht 103<br />
- eine gewerbsmäßige Tätigkeit, die über eine bloße<br />
Nebentätigkeit hinausgeht, ausüben<br />
- die Geschäftsführung einer Handelsgesellschaft übernehmen<br />
und<br />
- persönlich haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft<br />
des Handelsrechtes oder einer Eingetragenen<br />
Erwerbsgesellschaft sein.<br />
Der Name der Privatstiftung muss das Wort “Privatstiftung”<br />
ungekürzt enthalten. Das Stiftungsvermögen muss<br />
mindestens Euro 70.000,— betragen. Die Privatstiftung<br />
wird durch eine Stiftungserklärung in Notariatsaktsform<br />
errichtet, sie entsteht mit ihrer Eintragung in das<br />
Firmenbuch. Das Privatstiftungsgesetz (kurz PSG) sieht<br />
in § 9 Absatz 1 PSG die notwendigen Bestandteile für eine<br />
Stiftungserklärung vor, weitere mögliche Punkte sind<br />
in § 9 Absatz 2 PSG angeführt.<br />
Organe der Privatstiftung sind der aus mindestens drei<br />
Mitgliedern bestehende Stiftungsvorstand, dem jedoch<br />
kein Begünstigter angehören darf, der Stiftungsprüfer<br />
und gegebenenfalls der Aufsichtsrat.<br />
Neben der Stiftungsurkunde, die im Firmenbuch zu<br />
hinterlegen und somit öffentlich zugänglich ist, besteht<br />
die Möglichkeit, eine Stiftungszusatzurkunde zu errichten,<br />
die nicht dem Firmenbuch vorzulegen ist und daher<br />
normalerweise in erster Linie das gewidmete Vermögen<br />
behandelt 104 .<br />
Mit der Anmeldung zum Firmenbuch sind jedenfalls<br />
folgende Urkunden vorzulegen:<br />
- die Stiftungsurkunde in öffentlich beglaubigter Abschrift<br />
- die öffentlich beglaubigte Erklärung sämtlicher Vorstandsmitglieder,<br />
dass sich das Stiftungsvermögen in<br />
ihrer freien Verfügung befindet<br />
- eine Bankbestätigung über die gewidmeten Geldbeträge<br />
- einen Prüfungsbericht eines Gründungsprüfers, wenn<br />
das Mindestvermögen nicht in Geld inländischer<br />
Währung aufgebracht ist<br />
Vorrangige Rechtsgrundlage ist das Privatstiftungsgesetz<br />
(PSG) 1993 in der derzeit gültigen Fassung.<br />
7. <strong>International</strong>es Privatrecht<br />
7.1. Allgemein<br />
Das österreichische <strong>International</strong>e Privatrecht ist vorrangig<br />
im IPR-Gesetz 1978 in der derzeit gültigen Fassung<br />
geregelt.<br />
Das österreichische IPR bestimmt eigene Statute für<br />
die einzelnen Rechtsgebiete und geht vom Prinzip der<br />
Gesamtverweisung aus, das heißt Weiter- oder Rückverweisungen<br />
des ausländischen Rechts (renvoi) sind zu beachten<br />
105 .<br />
7.2. Schuldrecht<br />
7.2.1. Schuldvertragsstatut<br />
Hinsichtlich der Schuldvertragsanknüpfung wurden die<br />
österreichischen Bestimmungen der §§ 36 bis 45 IPRG<br />
ersatzlos aufgehoben und seit dem 1.12.1998 durch das<br />
europäische “Übereinkommen über das auf vertragliche<br />
Schuldverhältnisse anzuwendende Recht” vom<br />
19.6.1980 (EVÜ) ersetzt. Nach dem EVÜ ist für die Bestimmung<br />
des anzuwendenden Rechts primär die freie<br />
Rechtswahl der Parteien ausschlaggebend 106 , sekundär<br />
gilt der Grundsatz der engsten Verbindung 107 , für deren<br />
Ermittlung verschiedene gesetzliche Vermutungen<br />
bestehen 108 .<br />
99 § 1 GenG<br />
100 § 5 GenG<br />
101 § 8 GenG<br />
102 § 1 PSG<br />
103 § 1 PSG<br />
104 § 10 PSG<br />
105 § 5 IPR-Gesetz<br />
106 Art 3 EVÜ<br />
107 Art 4 Abs 1 EVÜ<br />
108 Art 4 Abs 2 bis 5 EVÜ
<strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002 T. Antenreiter, Länderbericht Österreich 131<br />
7.2.2. Vollmachtsstatut und Geschäftsfähigkeit<br />
Fragen der Stellvertretung und der Rechts- und Geschäftsfähigkeit<br />
fallen zwar grundsätzlich nicht unter<br />
das EVÜ 109 , aber dennoch bietet Art 11 EVÜ einen gewissen<br />
Schutz des Vertrauens auf die Rechts- und Geschäftsfähigkeitsregelung<br />
am Vertragsabschlussort. Nach<br />
österreichischem IPR wird das Vollmachtsstatut an das<br />
vom Geschäftsherren bestimmte Recht, andernfalls nach<br />
dem Recht des Tätigkeitsortes des Stellvertreters angeknüpft<br />
110 .<br />
7.2.3. Formstatut<br />
Soweit keine besonderen Formanknüpfungsbestimmungen<br />
bestehen 111 , richtet sich die Form von Rechtshandlungen<br />
nach dem materiell anwendbaren Recht (lex<br />
causae) oder nach dem Recht des Landes, in dem die<br />
Rechtshandlung vorgenommen wird (lex loci actus).<br />
Wenn das für die Form herangezogene Geschäftsstatut<br />
die Einhaltung einer strengen Form, insbesondere die<br />
Mitwirkung eines Notars als öffentliche Urkundsperson,<br />
vorsieht, dann kann diese auch durch die Beteiligung einer<br />
öffentlichen Urkundsperson eines fremden Staates ersetzt<br />
werden, wenn deren Urkundstätigkeit der von der<br />
lex causae geforderten gleichwertig ist 112 . Somit kann<br />
der vom österreichischen Recht für die Übertragung von<br />
GmbH-Anteilen verlangte Notariatsakt auch beispielsweise<br />
von einem deutschen Notar errichtet werden, weil<br />
dessen Tätigkeit als gleichwertig mit der eines österreichischen<br />
Notars eingestuft wird.<br />
7.3. Sachenrecht<br />
Der Erwerb und der Verlust dinglicher Rechte an körperlichen<br />
Sachen einschließlich des Besitzes sind nach<br />
dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sich die Sachen<br />
befinden (lex rei sitae) 113 .<br />
7.4. Familienrecht<br />
7.4.1. Persönliche Rechtswirkungen der Ehe<br />
Die persönlichen Wirkungen einer Ehe richten sich<br />
nach § 18 IPRG unter Beachtung von Rück- und Weiterverweisungen<br />
vereinfacht gesprochen zuerst nach dem<br />
gemeinsamen (mangels eines solchen nach dem letzten<br />
gemeinsamen) Personalstatut der Ehegatten, sonst nach<br />
dem Recht des Staates des gemeinsamen (mangels eines<br />
solchen nach dem letzten gemeinsamen, von einem Ehegatten<br />
beibehaltenen) gewöhnlichen Aufenthaltes. Zeitlich<br />
maßgebend ist hier der jeweilige Sachverhaltszeitpunkt,<br />
so dass es sich nach österreichischem Recht um<br />
ein wandelbares Statut handelt.<br />
7.4.2. Ehegüter- und Scheidungsstatut<br />
Anders verhält es sich allerdings beim ehegüterrechtlichen<br />
Statut, welches sich nach dem Ehewirkungsstatut<br />
zur Zeit der Eheschließung bestimmt und daher ein<br />
starres Statut darstellt. Hinsichtlich des Ehegüterrechtes<br />
ist weiter eine ausdrückliche Rechtswahl durch die Ehegatten<br />
zulässig 114 .<br />
Die Voraussetzungen und Wirkungen einer Ehescheidung<br />
richten sich primär nach dem Ehewirkungsstatut<br />
zur Zeit der Ehescheidung 115 . Unabhängig vom Scheidungsstatut<br />
sind jedoch etwa die Namensfolgen der<br />
Scheidung (§ 13 IPRG), die Frage der Wiederverheiratungsmöglichkeit<br />
(§ 17 IPRG) und die güterrechtlichen<br />
Scheidungswirkungen (§ 19 IPRG) anzuknüpfen. Nach<br />
dem Güterrecht bestimmt sich auch die Aufteilung der<br />
ehelichen Ersparnisse im Sinne von § 81 öEhegesetz<br />
(während die Verteilung der Ehewohnung und des sonstigen<br />
ehelichen Gebrauchsvermögens nach h.M. nicht als<br />
güterrechtliche, sondern als Scheidungswirkung im Sinne<br />
von § 20 IPRG anzusehen ist) 116 .<br />
7.5. Erbrecht<br />
7.5.1. Materielles Erbstatut<br />
Die Rechtsnachfolge von Todes wegen ist nach dem<br />
Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt des Todes<br />
zu beurteilen 117 . Eine Rechtswahl ist nach österreichischem<br />
Recht in allen erbrechtlichen Belangen unzulässig.<br />
7.5.2. Formstatut für Testamente<br />
Die Form und Gültigkeit letztwilliger Verfügungen ist<br />
nach § 30 IPRG und nach dem auch in Österreich in Geltung<br />
stehenden Haager Testamentsübereinkommen zu<br />
ermitteln, so dass nach der Ortsform wirksam errichtete<br />
letztwillige Anordnungen in Österreich anerkannt werden.<br />
7.5.3. Verlassenschaftsverfahren<br />
Nach österreichischen Staatsbürgern wird ein Verlassenschaftsverfahren<br />
hinsichtlich der in Österreich gelegenen<br />
Grundstücke und des gesamten weltweiten beweglichen<br />
Vermögens durchgeführt, und zwar unabhängig von<br />
der Tatsache, ob es auch in einem anderen Staat ein Abhandlungsverfahren<br />
gibt (Grundssatz der Nachlassspaltung)<br />
118 .<br />
Bei fremden Staatangehörigen wird jedenfalls ein<br />
Verlassenschaftsverfahren über die in Österreich gelegenen<br />
Grundstücke durchgeführt 119 , und unter bestimmten<br />
Voraussetzungen auch über das bewegliche Vermögen<br />
(insbesondere bei letztem Wohnsitz in Österreich) 120 .<br />
109 Art 1 Abs 2 lit f EVÜ<br />
110 § 49 IPR Gesetz<br />
111 Besondere Formvorschriften existieren beispielsweise für die Eheschließungsform<br />
(§ 16 IPRG), für die unter das EVÜ fallenden<br />
Schuldverträge (Art 9 EVÜ, welcher eine einheitliche Formbeurteilung<br />
für den gesamten Vertrag vorsieht und nicht wie das österreichische<br />
IPR Gesetz die einzelnen Rechtshandlungen individuell anknüpft)<br />
und für die Testamentsform (Haager Testamentsabkommen).<br />
112 Ständige Rechtssprechung<br />
113 § 31 IPR Gesetz<br />
114 § 19 IPR Gesetz<br />
115 § 20 IPR Gesetz<br />
116 Zur Diskussion und zur Judikatur hinsichtlich der Unterscheidung<br />
zwischen § 19 IPRG (Ehegüterrecht) und § 20 IPRG (Scheidungswirkungen)<br />
siehe im Detail Schwimann, <strong>International</strong>es Privatrecht,<br />
S. 154, 155; vgl. auch OGH ZfRV 2002, 235.<br />
117 § 28 IPR Gesetz<br />
118 § 21 Außerstreitgesetz<br />
119 § 22 Außerstreitgesetz<br />
120 § 23 bis 25 Außerstreitgesetz
132 T. Antenreiter, Länderbericht Österreich <strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002<br />
7.6. Gesellschaftsrecht<br />
Das Personalstatut einer juristischen Person ist das<br />
Recht des Staates, in dem der Rechtsträger den tatsächlichen<br />
Sitz seiner Hauptverwaltung hat 121 . Nach nationalem<br />
österreichischem Recht gilt somit grundsätzlich<br />
die Sitztheorie (und nicht die Gründungstheorie).<br />
Allerdings stellt sich wie auch in anderen EU-Staaten<br />
die Frage der Vereinbarkeit der Sitztheorie mit dem Europäischen<br />
Recht, insbesondere der Niederlassungsfreiheit,<br />
weshalb der OGH die Sitztheorie im Verhältnis zu Gesellschaften<br />
aus anderen EU-Staaten aufgegeben hat 122 .<br />
7.7. Apostille<br />
Österreich ist Vertragsstaat des Haager Übereinkommens<br />
über die Befreiung ausländischer öffentlicher<br />
Urkunden von der Legalisationspflicht vom 5.10.1961,<br />
weshalb für die Anerkennung notarieller Urkunden aus<br />
anderen Vertragsstaaten eine Apostille ausreicht und keine<br />
weitere Überbeglaubigung vorgesehen ist.<br />
8. Steuerrecht<br />
8.1. Grunderwerbssteuer<br />
Der Grunderwerbssteuer unterliegen Erwerbsvorgänge<br />
über Liegenschaften (insbesondere Kauf und Tausch),<br />
jedoch nicht der Erwerb von Todes wegen oder Schenkungen.<br />
Die Grunderwerbssteuer beträgt grundsätzlich 3,5% des<br />
Kaufpreises (der Gegenleistung), im Bereich engerer familiärer<br />
Beziehungen lediglich 2% 123 . (Die gerichtliche Eintragungsgebühr<br />
für das Grundbuch beträgt 1%.)<br />
Für die Steuerberechnung bestehen zwei Möglichkeiten:<br />
Entweder wird diese von den Notaren (und anderen<br />
dazu befugten Stellen) elektronisch selbstberechnet<br />
und sodann im Namen der Vertragsparteien an das Finanzamt<br />
abgeführt oder der steuerbare Erwerbsvorgang<br />
wird (in der Regel ebenfalls elektronisch) dem Finanzamt<br />
angezeigt, welches die Steuer berechnet und den<br />
Parteien direkt vorschreibt. Die Erklärung über die<br />
Selbstberechnung der Steuer im ersten Fall beziehungsweise<br />
die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung<br />
des Finanzamtes im zweiten Fall sind notwendige Voraussetzung<br />
für Eintragungen im Grundbuch.<br />
In der notariellen Praxis wird heute bereits die überwiegende<br />
Mehrzahl aller Erwerbsvorgänge elektronisch über<br />
eine eigene Internetschnittstelle mit der Finanz (FINANZ<br />
online) selbstberechnet und die Steuer im Namen der<br />
Parteien an die Finanz weitergeleitet. Den Notar trifft in<br />
diesen Fällen keine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit<br />
der Steuerberechnung, jedoch eine strenge Haftung<br />
für die rechtzeitige Abfuhr sämtlicher selbstberechneter<br />
Steuern und Gebühren 124 .<br />
8.2. Erbschafts- und Schenkungssteuer<br />
Erwerbe von Todes wegen sowie unentgeltliche Zuwendungen<br />
unter Lebenden unterliegen der Besteuerung<br />
durch das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz.<br />
Die Berechnung der Steuer ist doppelt progressiv ausgestaltet,<br />
erstens nach der Nähe der familiären Beziehung<br />
(Steuerklasse I bis V) und nach dem Wert der Zuwendung<br />
125 . Beispielsweise beträgt die Steuer in der Steuerklasse<br />
I (Ehegatte und Kinder) bei einer Zuwendung bis<br />
7.300,– Euro 2%, bei Zuwendungen über 4.380.000,–<br />
Euro 15 % und in der Steuerklasse V (keine Verwandtschaft)<br />
bei einer Zuwendung bis 7.300,– Euro 14%, bei<br />
Zuwendungen über 4.380.000,– Euro 60 %.<br />
Beim Erwerb von Liegenschaften wird zusätzlich ein<br />
Grunderwerbssteueräquivalent in Höhe von 3,5% (2%<br />
bei nahen Angehörigen) vorgeschrieben 126 . Für Personen<br />
der Steuerklassen I und II existiert ein Steuerfreibetrag<br />
in Höhe von Euro 2.200,–, für die Steuerklassen III und<br />
IV in Höhe von Euro 440,– und für die Steuerklasse V in<br />
Höhe von Euro 110,–.<br />
Von der Besteuerung gänzlich ausgenommen sind Erwerbe<br />
von Todes wegen von so genanntem endbesteuerten<br />
Vermögen, das sind insbesondere Bankguthaben, die<br />
der Kapitalertragssteuer unterliegen (Konten, Sparguthaben,<br />
Wertpapierdepots etc). Bis Ende 2003 sind außerdem<br />
Schenkungen unter Lebenden von Sparbüchern in<br />
den Steuerklassen I bis IV gänzlich von der Schenkungssteuer<br />
befreit, in der Steuerklasse V gibt es einen Freibetrag<br />
von Euro 100.000,–.<br />
Eine Steuerpflicht in Österreich ist gegeben, wenn der<br />
Erblasser im Todeszeitpunkt oder bei Schenkungen der<br />
Erwerber Inländer ist. Als Inländer gelten österreichische<br />
Staatsbürger, weiters Ausländer mit Wohnsitz oder<br />
gewöhnlichen Aufenthalt im Inland sowie juristische<br />
Personen mit Sitz im Inland 127 . Eine persönliche Haftung<br />
für die Bezahlung der Erbschafts- (Schenkungs-)steuer<br />
trifft neben dem Steuerschuldner auch jede Person, die<br />
den Nachlass beziehungsweise die geschenkte Sache<br />
oder Teile davon verwahrt 128 , wenn eine entsprechende<br />
Sicherstellung der Steuer unterlassen wurde. Aus diesem<br />
Grund ist es üblich, dass österreichische Notare, die als<br />
Gerichtskommissäre häufig Vermögenswerte für den<br />
Nachlass oder die Erben verwahren, diese Guthaben in<br />
der Regel erst nach voller Bezahlung der Steuer an ausländische<br />
Berechtigte ausfolgen.<br />
Österreich hat mit einigen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen<br />
auch auf dem Gebiet der Erbschaftssteuer<br />
abgeschlossen, wie etwa mit dem Fürstentum<br />
Liechtenstein 129 , der Schweiz 130 , Frankreich 131 , Schweden<br />
132 , Ungarn 133 , den USA 134 sowie mit Deutsch-<br />
121 § 10 IPR Gesetz<br />
122 Siehe dazu: OGH RdW 1999, 719 = NZ 2000, 49 = ZfRV 2000, 36;<br />
OGH 6 Ob 122/99f (im Internet unter: www.ris.bka.gv.at); vgl.<br />
Schwimann, <strong>International</strong>es Privatrecht, Seite 16, 59 bis 61; Hertel,<br />
Länderbericht Deutschland, <strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 2001, 20, 30<br />
Punkt 7.5 (Centros-Entscheidung des EuGH)<br />
123 § 7 Grunderwerbssteuergesetz<br />
124 §§ 10 bis 16 Grunderwerbssteuergesetz<br />
125 §§ 7, 8 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz<br />
126 § 8 Abs 4 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz<br />
127 § 6 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz<br />
128 § 13 Abs 4 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz<br />
129 BGBl 1956/214<br />
130 BGBl 1975/63<br />
131 BGBl 1994/614<br />
132 BGBl 1963/212<br />
133 BGBl 1976/51<br />
134 BGBl 1983/269
<strong>Notarius</strong> <strong>International</strong> 3-4/2002 T. Antenreiter, Bibliographie Österreich 133<br />
land 135 . In diesen Doppelbesteuerungsabkommen werden<br />
keine Besteuerungspflichten, sondern lediglich Verzichte<br />
auf Besteuerungsrechte normiert. Die Besteuerungsabkommen<br />
teilen sozusagen die Besteuerungsrechte<br />
auf die jeweiligen Vertragsstaaten auf, die sodann ihr<br />
eigenes inländisches Steuerrecht zur Prüfung einer eventuellen<br />
Steuerpflicht und zur Berechnung einer einzuhebenden<br />
Steuer anwenden.<br />
135 BGBl 1955/220<br />
W. H. Rechberger/L. Bittner, Grundbuchsrecht, WUV<br />
Universitätsverlag 1999.<br />
4. Familien- und Erbrecht<br />
B. Eccher, Bürgerliches Recht VI, Erbrecht, Springer<br />
Verlag, Wien 2000.<br />
R. Fucik, Außerstreitgesetz und die wichtigsten Nebengesetze,<br />
Manz Verlag 1998.<br />
F. Haunschmidt/R. Haunschmidt, Erbschaft und<br />
Testament, ORAC Verlag 3. Aufl. 2003.<br />
F. Kerschner, Bürgerliches Recht V, Familienrecht, 2.<br />
Aufl., Springer Verlag, Wien 2002.<br />
Bibliographie Österreich<br />
1. Notarrecht<br />
N. Michalek/H. Tades, Notariatsgebühren – Rechtsanwaltstarif<br />
samt einschlägigen Vorschriften aus dem<br />
gebühren- und Steuerrecht sowie Indexzahlen, Manz<br />
Verlag, 22. Aufl. 2002.<br />
C. Neschwara, Geschichte des österreichischen Notariats,<br />
Band I, Vom Spätmittelalter bis zum Erlass der<br />
Notariatsordnung 1850, Wien, Manz Verlag, 1996<br />
(Band II noch nicht erschienen).<br />
K. Wagner/G. Knechtel, Notariatsordnung, Manz Verlag,<br />
5. Aufl. 2000.<br />
K. Wagner, Notarielle Urkunden II, Manz Verlag<br />
1989.<br />
2. Bürgerliches Recht<br />
P. Apathy/A. Riedler, Bürgerliches Recht III, Schuldrecht<br />
– Besonderer Teil, 2. Aufl., Springer Verlag,<br />
Wien 2002.<br />
G. Iro, Bürgerliches Recht IV, Sachenrecht, 2. Aufl.,<br />
Springer Verlag, Wien 2002.<br />
M. Koziol/R. Welser, Bürgerliches Recht, Band I und<br />
II, Manz Verlag, 12. Aufl. 2002.<br />
P. Rummel, Kommentar des Bürgerlichen Rechts samt<br />
Nebengesetzen, Band I und II, Manz Verlag<br />
1990/1998.<br />
M. Schimann, Praxiskommentar zum ABGB, 2. Aufl.,<br />
Wien 1997 ff., ORAC Verlag, 8 Bände.<br />
W. Zankl, Bürgerliches Recht, Kurzlehrbuch, WUV<br />
Universitätsverlag 2002.<br />
3. Immobilienrecht<br />
W. Dirnbacher, Wohnungseigentumsgesetz 2002, Österreichischer<br />
Verband der Immobilientreuhänder<br />
2002.<br />
W. Dirnbacher, Mietrechtsgesetz 2002, Österreichischer<br />
Verband der Immobilientreuhänder 2002.<br />
R. Dittrich/P. Angst/G. Auer, Grundbuchrecht, 4.Aufl.<br />
Manz Verlag, Wien 1991.<br />
R. Dittrich/G. Pfeiffer, Muster für Grundbuchsanträge,<br />
2. Aufl., Manz Verlag, Wien 1992.<br />
5. Handels- und Gesellschaftsrecht<br />
P. Jabornegg/R. Strasser, Aktiengesetz Kommentar in<br />
mehreren Bänden, Manz Verlag 2001/2002.<br />
W. Kastner/P. Doralt/C. Nowotny, Grundriss des österreichischen<br />
Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., Manz Verlag,<br />
Wien 1990.<br />
H.-G. Koppensteiner, GmbH-Gesetz Kommentar,<br />
ORAC Verlag 1994.<br />
A. Kostner/M. Umfahrer, GmbH, Handbuch für die<br />
Praxis, Manz Verlag, 5. Aufl. 1998.<br />
J. Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht<br />
in systematischer Darstellung, Manz Verlag, 2. Aufl.<br />
1997.<br />
G. H. Roth/H. Fitz, Handels- und Gesellschaftsrecht,<br />
ORAC Verlag 2000.<br />
H. Scherhak/C. Rauscher/J. Hintrleitner, Vereine, Ihr<br />
Ratgeber für Vereinsangelegenheiten, basierend auf<br />
dem neuen Vereinsgesetz, Manz Verlag 2002.<br />
M. Staube, HGB-Kommentar, Manz Verlag 1995.<br />
6. <strong>International</strong>es Privatrecht<br />
W. Posch, Bürgerliches Recht VII, <strong>International</strong>es Privatrecht,<br />
3. Aufl., Springer Verlag, Wien 2002.<br />
M. Schwimann, <strong>International</strong>es Privatrecht einschließlich<br />
Europarecht, 3. Aufl., Manz Verlag 2001.<br />
F. Schwind, <strong>International</strong>es Privatrecht, Manz Verlag,<br />
Wien 1990.<br />
7. Steuerrecht<br />
W. Doralt, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz,<br />
Kurzkommentar, WUV Universitätsverlag 2000.<br />
W. Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, Grunderwerbssteuer,<br />
Erbschafts- und Schenkungssteuer<br />
Kommentar, Im Selbstverlag 1997.