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Argumente gegen rechte Sprüche - osz-gegen-rechts.de

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STANDPUNKTE<br />

Erziehung für Demokratie • <strong>gegen</strong> Rechtsextremismus<br />

<strong>Argumente</strong> <strong>gegen</strong> <strong>rechte</strong> Sprüche<br />

von Michael Hammerbacher<br />

Das Klassenzimmer und <strong>de</strong>r Schulhof sind kein politikfreier Raum. Einstellungen aus <strong>de</strong>m<br />

familiären Umfeld <strong>de</strong>r Schüler/innen, aus öffentlichen Diskussionen und aus <strong>de</strong>n Peergroups<br />

spiegeln sich in Gesprächen und Äußerungen <strong>de</strong>r Schüler/innen wie<strong>de</strong>r, die<br />

teilweise ohne Zweifel aus <strong>de</strong>r <strong>rechte</strong>n Szene stammen. Um ihnen wirkungsvoll begegnen<br />

zu können, wer<strong>de</strong>n einige <strong>Argumente</strong> <strong>gegen</strong> häufig verwen<strong>de</strong>te <strong>rechte</strong> Behauptungen<br />

dargestellt.<br />

Es ist klar, dass wir hier nur eine kleine Auswahl von Gegenargumenten vorstellen<br />

können. Je<strong>de</strong>/r, <strong>de</strong>r möchte und sich in <strong>de</strong>r Lage fühlt, soll auch eigene <strong>Argumente</strong><br />

entwickeln und einsetzen. Es ist wichtig, die Sprücheklopfer/innen auch in <strong>de</strong>r Schule nicht<br />

zu ignorieren, son<strong>de</strong>rn im Diskurs zu wi<strong>de</strong>rlegen. Die Grenzen <strong>de</strong>s Möglichen setzen Sie<br />

dabei selbst, <strong>de</strong>nn man muss nicht alles ausdiskutieren, z.B. ernsthafte Leugnung <strong>de</strong>s<br />

Holocausts. Es spielen mehrere Faktoren eine Rolle, wenn man über das "Wie<br />

argumentiere ich" nach<strong>de</strong>nkt. Da wäre die räumliche Situation, das Verhältnis zur bzw. in<br />

<strong>de</strong>r Klasse o<strong>de</strong>r auch die Herkunft <strong>de</strong>r Schüler/innen (soz. Umfeld, geschulter Ka<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r<br />

interessierte/r Schüler/in). Es gibt immer mehrere Möglichkeiten zu argumentieren, mit<br />

politischen Sachargumenten o<strong>de</strong>r über persönliche Erfahrungen, mit Nachfragen,<br />

Gedankenreisen o<strong>de</strong>r Abgrenzung. Welche die bessere und welche die nicht so<br />

angebrachte Linie ist, hängt von <strong>de</strong>n Voraussetzungen ab. Es muss eines jedoch von<br />

vornherein klar sein: Lehrer/innen sollten unbedingt authentisch Position beziehen. Bei<br />

aller Kritik an realen Umsetzungen scheint es sinnvoll, in <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit<br />

extremistischen und rassistischen Einstellungen hervorzuheben, welche Vorzüge eine<br />

Demokratie und das humanistische Menschenbild haben und welche Werte darin zum<br />

Ausdruck kommen.<br />

These 1 – In Deutschland leben schon zu viele Auslän<strong>de</strong>r!<br />

Zuwan<strong>de</strong>rung hilft <strong>de</strong>n sozialen Frie<strong>de</strong>n in Deutschland zu sichern!<br />

Wir lassen uns hier, was aus humanistischen Grün<strong>de</strong>n sehr zweifelhaft ist, auf eine<br />

Diskussion ein, die häufig <strong>de</strong>n wirtschaftlichen Nutzen von Menschen in <strong>de</strong>n Mittelpunkt<br />

stellt. Die zentrale Aussage <strong>gegen</strong>über <strong>de</strong>r/<strong>de</strong>m <strong>rechte</strong>n Schüler/in ist die: "Auslän<strong>de</strong>r sind<br />

gut, <strong>de</strong>nn sie nützen uns." Wenn aber die Voraussetzungen für eine humanistische<br />

Argumentation gegeben ist, sollte grundsätzlich auf dieser Linie argumentiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Denn Auslän<strong>de</strong>r/innen sind nicht "gut", weil sie einen ökonomischen Nutzen bringen,<br />

son<strong>de</strong>rn weil sie Menschen sind.<br />

Für die weitere Gesprächsführung ist es wichtig herauszufin<strong>de</strong>n, ob wir es mit einer<br />

wirtschaftlich begrün<strong>de</strong>ten Auslän<strong>de</strong>rfeindlichkeit zu tun haben - o<strong>de</strong>r argumentieren die<br />

Schüler/innen pauschal und rassistisch <strong>gegen</strong> Menschen an<strong>de</strong>rer Hautfarbe. Zuerst sollte<br />

man die Frage in <strong>de</strong>r Klasse stellen, wer <strong>de</strong>nn eigentlich Auslän<strong>de</strong>r sei. Sind es nur die,<br />

die auch so aussehen? Sind es die Menschen, die keinen <strong>de</strong>utschen Pass besitzen? Es<br />

gibt hier natürlich die unterschiedlichsten Definitionen und bevor mit <strong>de</strong>r Diskussion<br />

begonnen wer<strong>de</strong>n kann, sollte man klären, wer mit <strong>de</strong>m Begriffen "Inlän<strong>de</strong>r" o<strong>de</strong>r


"Auslän<strong>de</strong>r" gemeint ist. Ein solches Klassengespräch führt zumeist in eine Diskussion<br />

über kulturelle Vielfalt und zur Frage "Was ist eigentlich <strong>de</strong>utsch". Denn auch unter <strong>de</strong>r<br />

"<strong>de</strong>utschen Bevölkerung", schon in <strong>de</strong>r eigenen Schulklasse, gibt es häufig verschie<strong>de</strong>ne<br />

(Sub-)Kulturen und Lebensvorstellungen. Kernaussage ist hier, dass wir in einer<br />

pluralistischen Gesellschaft leben, in <strong>de</strong>r viele verschie<strong>de</strong>ne Lebensformen und<br />

Lebensentwürfe existent, gewünscht und möglich sind.<br />

Ein häufig verwen<strong>de</strong>tes und zentrales Argument für mehr Zuwan<strong>de</strong>rung ist die<br />

<strong>de</strong>mographische Entwicklung in Deutschland. Bei gleichbleiben<strong>de</strong>n Geburts- und<br />

To<strong>de</strong>sraten wird sich die Hälfte <strong>de</strong>r Bevölkerung, nach Angaben einer<br />

fraktionsübergreifen<strong>de</strong>n Kommission <strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages, im Jahr 2040 im<br />

Rentenalter befin<strong>de</strong>n, wenn die Zuwan<strong>de</strong>rung gestoppt wird. Das gesamte System <strong>de</strong>r<br />

sozialen Sicherung gerät ohne verstärkte Zuwan<strong>de</strong>rung ins Wanken und Renten und<br />

an<strong>de</strong>re Leistungen <strong>de</strong>r sozialen Sicherung wären nicht mehr zu finanzieren. Zuwan<strong>de</strong>rung<br />

ist also auch daher wichtig und eine Voraussetzung für <strong>de</strong>n sozialen Frie<strong>de</strong>n in unserer<br />

Gesellschaft.<br />

These 2 – Auslän<strong>de</strong>r nehmen <strong>de</strong>n Deutschen die Arbeitsplätze weg!<br />

Es wer<strong>de</strong>n keine Arbeitsplätze von Auslän<strong>de</strong>r/innen weggenommen, son<strong>de</strong>rn geschaffen<br />

und gesichert.<br />

Hier wird eine auf <strong>de</strong>n ersten Blick eine einfache Rechnung aufgemacht. Ungefähr vier<br />

Millionen Menschen sind <strong>de</strong>rzeit in Deutschland arbeitslos gemel<strong>de</strong>t. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Seite lebten nach Angaben <strong>de</strong>s statistischen Bun<strong>de</strong>samtes im Bun<strong>de</strong>sgebiet im Jahr 2000<br />

7,3 Millionen Auslän<strong>de</strong>r/innen, von <strong>de</strong>nen über zwei Millionen sozialversicherungspflichtig<br />

beschäftigt o<strong>de</strong>r selbstständig tätig waren.<br />

( Sackgasse <strong>rechts</strong>extrem – <strong>Argumente</strong> <strong>gegen</strong> <strong>rechte</strong> Sprüche, Berliner Institut für<br />

Lehrerfort- und -weiterbildung, 1999, S.49)<br />

Die Behauptung, dass "Auslän<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen", ist aus<br />

mehreren Grün<strong>de</strong>n falsch und unhaltbar. Die meisten Auslän<strong>de</strong>r/innen arbeiten in<br />

Arbeitsfel<strong>de</strong>rn, die nicht attraktiv für <strong>de</strong>utsche Arbeitslose sind. Rund 60% <strong>de</strong>r seit Anfang<br />

1989 erteilten Arbeitserlaubnisse für Auslän<strong>de</strong>r/innen, sind ausgestellt wor<strong>de</strong>n, weil auf<br />

<strong>de</strong>m Arbeitsmarkt keine geeigneten Kräfte verfügbar waren. Bis heute gilt <strong>de</strong>r "Vorrang <strong>de</strong>r<br />

Inlän<strong>de</strong>r" bei <strong>de</strong>r Vergabe von Arbeitserlaubnissen. Niedrigqualifizierte o<strong>de</strong>r<br />

hochqualifizierte Stellen in Deutschland können oft nicht von hier ansässigen Menschen<br />

besetzt wer<strong>de</strong>n. Eine einfache Aufrechnung ist also eine Milchmädchenrechnung.<br />

Gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn kann <strong>de</strong>n Auslän<strong>de</strong>r/innen nicht die Schuld an <strong>de</strong>r<br />

bis zu 20prozentigen Arbeitslosenrate gegeben wer<strong>de</strong>n, da <strong>de</strong>r Auslän<strong>de</strong>r/innenanteil an<br />

<strong>de</strong>r Bevölkerung in diesen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn um 2 % liegt (Bran<strong>de</strong>nburg 2,1%, Mecklenburg<br />

Vorpommern 1,4 %, Sachsen 1,8 %, Sachsen Anhalt 1,8% und Thüringen 1,3%) beträgt.<br />

Die wenigen Einwan<strong>de</strong>r/innen können also schon rein rechnerisch nicht an <strong>de</strong>r<br />

Massenarbeitslosigkeit schuld sein.<br />

Die wirkliche Ursache für die hohe Arbeitslosenrate muss also woan<strong>de</strong>rs, beispielsweise<br />

bei <strong>de</strong>n Unternehmen und in <strong>de</strong>r Wirtschaftspolitik gesucht wer<strong>de</strong>n. Im Zuge <strong>de</strong>r<br />

Rationalisierung in <strong>de</strong>r Industrie, in ehemaligen staatlichen Betrieben wie <strong>de</strong>r Post o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Telekom und in <strong>de</strong>n kommunalen Verwaltungen kommt es immer wie<strong>de</strong>r zu<br />

Massenentlassungen, von <strong>de</strong>nen Auslän<strong>de</strong>rInnen genauso betroffen sind wie Deutsche.


Zum Schluss ist es wichtig zu erwähnen, dass gera<strong>de</strong> Auslän<strong>de</strong>r/innen Arbeitsplätze in<br />

Deutschland schaffen. Die ausländischen Unternehmer/innen (ca. 240.000) beschäftigen<br />

immerhin 570.000 Arbeitnehmer/innen und es wer<strong>de</strong>n jährlich neue Arbeitsplätze<br />

geschaffen. Es wer<strong>de</strong>n also keine Arbeitsplätze von Auslän<strong>de</strong>r/innen weggenommen,<br />

son<strong>de</strong>rn geschaffen und gesichert.<br />

These 3 – Die Auslän<strong>de</strong>r sind doch alle Scheinasylanten!<br />

"Es ist richtig, dass neben politischer Verfolgung und Unterdrückung, auch Armut, Hunger<br />

o<strong>de</strong>r ökologische Katastrophen Grün<strong>de</strong> für Einwan<strong>de</strong>rung nach Deutschland sind."<br />

Oftmals differenzieren <strong>rechte</strong> Schüler/innen nicht in ihren kurzen, einfachen und<br />

parolenhaften Aussagen. Alle Auslän<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n hier zu so genannten "Asylbetrügern"<br />

gestempelt. Die Betreiber/innen <strong>de</strong>s Imbisses am Bahnhof, die Verkäuferin im Supermarkt,<br />

<strong>de</strong>r amerikanische Investor, <strong>de</strong>r Flüchtling aus <strong>de</strong>r Türkei o<strong>de</strong>r Afrika o<strong>de</strong>r Jugendliche, die<br />

zu ihren Familien gezogen sind. Um eine Gesprächsgrundlage zu haben, muss zuerst<br />

dieses Thema geklärt wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Begriff <strong>de</strong>s "Scheinasylanten" bezieht sich auf die Vermutung , dass eine Flucht aus<br />

wirtschaftlichen Grün<strong>de</strong>n erfolgte und ein Asylantrag in Deutschland gestellt wur<strong>de</strong>. Dem<br />

lässt sich ent<strong>gegen</strong>halten, dass <strong>de</strong>r Anteil von Asylbewerber/innen unter allen<br />

Zuwan<strong>de</strong>rer/innen nur einen kleinen Teil ausmacht. In <strong>de</strong>n letzten Jahren waren ca. 15%<br />

aller Zuwan<strong>de</strong>rer/innen Flüchtlinge, die einen Antrag auf politisches Asyl stellten. Unter<br />

<strong>de</strong>n ca. sieben Millionen Auslän<strong>de</strong>r/innen in Deutschland sind etwa 70% Staatsangehörige<br />

aus <strong>de</strong>n ehemaligen Anwerbestaaten, von <strong>de</strong>nen inzwischen auch einige (u.a. Spanien,<br />

Italien, Griechenland) <strong>de</strong>r Europäischen Union (EU) angehören. ( Sackgasse <strong>rechts</strong>extrem<br />

– <strong>Argumente</strong> <strong>gegen</strong> <strong>rechte</strong> Sprüche, Berliner Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung,<br />

1999, S.55)<br />

Rund 685.000 Auslän<strong>de</strong>r/innen wan<strong>de</strong>rten im Jahre 2001 ein, darunter 88.000<br />

Asylbewerber/innen, aber auch rund 500.000 Auslän<strong>de</strong>r/innen verließen die<br />

Bun<strong>de</strong>srepublik im gleichen Jahr. Die Bun<strong>de</strong>sauslän<strong>de</strong>rbeauftrage zieht das Fazit:<br />

"insgesamt dürfte die jährliche Zahl <strong>de</strong>r Einwan<strong>de</strong>rer mit längerfristiger Perspektive um ca.<br />

250.000 Personen pro Jahr liegen. Sie teilen sich auf in 98.000 Spätaussiedler und <strong>de</strong>ren<br />

Familienangehörige und 157.000 ausländische Neueinwan<strong>de</strong>rer (darunter 35.000 EU-<br />

Bürger, 23.000 anerkannte Flüchtlinge, 17.000 jüdische Kontingentzuwan<strong>de</strong>rer)."<br />

Damit ist aber immer noch nicht die Frage <strong>de</strong>r moralischen Legitimation von Asylanträgen<br />

geklärt. Um hier zu argumentieren, muss zunächst <strong>de</strong>r Rahmen gesehen wer<strong>de</strong>n, in<br />

<strong>de</strong>nen sich Flüchtlingsbewegungen weltweit abspielen. Der weltweit größte Teil <strong>de</strong>r<br />

Wan<strong>de</strong>rungsbewegungen fin<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r Dritten Welt statt. Die Fluchtgrün<strong>de</strong> sind manchmal<br />

nur schwer voneinan<strong>de</strong>r zu trennen – sowohl Armut, Hunger und elen<strong>de</strong><br />

Lebensbedingungen als auch politische Unterdrückung, ökologische Katastrophen und<br />

Kriege spielen dabei eine Rolle. Betrachtet man die Dimensionen <strong>de</strong>s<br />

Weltflüchtlingsproblems, so wird <strong>de</strong>utlich, dass Deutschland zwar innerhalb Europas<br />

eines <strong>de</strong>r führen<strong>de</strong>n Aufnahmelän<strong>de</strong>r ist, <strong>de</strong>r Großteil <strong>de</strong>r Fluchtbewegungen jedoch<br />

innerhalb von Regionen bleibt. In Zahlen: Rund 20 Mio. Menschen sind jährlich auf <strong>de</strong>r<br />

Flucht, etwa 10% gelangen nach Westeuropa, etwa 2,5% nach Deutschland. ( Sackgasse<br />

<strong>rechts</strong>extrem – <strong>Argumente</strong> <strong>gegen</strong> <strong>rechte</strong> Sprüche, Berliner Institut für Lehrerfort- und -<br />

weiterbildung, 1999, S. 56)


Allerdings erhalten politisches Asyl nur politische Flüchtlinge. Für an<strong>de</strong>re Zuwan<strong>de</strong>r/innen<br />

wird es ab <strong>de</strong>m 1.1.2003 neue Regelungen durch ein eigenes Zuwan<strong>de</strong>rungsgesetz<br />

geben. Weil sich Deutschland bisher nicht als Einwan<strong>de</strong>rungsland <strong>de</strong>finiert hatte und es<br />

keine Zuwan<strong>de</strong>rungsregeln gab, stellte das Asyl tatsächlich eine <strong>de</strong>r wenigen<br />

Zuwan<strong>de</strong>rungsmöglichkeiten nach Deutschland dar. Weil es keine an<strong>de</strong>re<br />

Zuwan<strong>de</strong>rungsmöglichkeit gab, wur<strong>de</strong> es sicher auch von Menschen genutzt, die hier<br />

einfach nur bessere Lebensperspektiven sahen als in ihrem Heimatland.<br />

Die nächste Frage die sich stellt ist, ob es nicht legitim ist, neben <strong>de</strong>m Grund <strong>de</strong>r<br />

politischen Verfolgung und Unterdrückung, auch aufgrund von Armut, Hunger o<strong>de</strong>r<br />

ökologischer Katastrophen sein Glück in Deutschland zu versuchen. Kein Mensch wür<strong>de</strong><br />

sich wohl an<strong>de</strong>rs verhalten, wenn sich die Möglichkeit bietet eine Hunger- o<strong>de</strong>r eine<br />

Armutsregion zu verlassen. Zwischen 1989 und 1998 wan<strong>de</strong>rten z.B. 1,8 Millionen<br />

Ost<strong>de</strong>utsche in <strong>de</strong>n Westteil Deutschlands, um ihren Lebensstandard zu erhöhen.<br />

Es muss weiter bedacht wer<strong>de</strong>n, dass sich <strong>de</strong>r Reichtum <strong>de</strong>r nördlichen kapitalistischen<br />

Staaten unter an<strong>de</strong>rem durch die Armut <strong>de</strong>r Dritten Welt begrün<strong>de</strong>n lässt. Es gibt<br />

schließlich keinen fairen Han<strong>de</strong>l zwischen armen Staaten und <strong>de</strong>n reichen<br />

Industrielän<strong>de</strong>rn. Die Wirtschaftsmacht <strong>de</strong>s Nor<strong>de</strong>ns und die Abhängigkeiten <strong>de</strong>s Sü<strong>de</strong>n<br />

lassen kaum eine eigenbürtige Entwicklung zu. Solange sich also die reichen Staaten<br />

nicht für einen Ausgleich <strong>de</strong>s Gefälles zwischen so genannter "Erster" und "Dritter" Welt<br />

einsetzen, wird eine Ursache für "Wirtschaftsflucht" nicht beseitigt wer<strong>de</strong>n.<br />

These 4 – Auslän<strong>de</strong>r sind krimineller als Deutsche!<br />

Die polizeiliche Kriminalstatistik wi<strong>de</strong>rlegt diese Behauptung!<br />

Die Aussage "Auslän<strong>de</strong>r sind krimineller als Deutsche" sagt indirekt aus, dass Deutsche<br />

selbst auch kriminell sind. Dabei ist dies ein rassistischer Vergleich, <strong>de</strong>nn nicht die<br />

Nationalität wird straffällig, son<strong>de</strong>rn eine Einzelperson. Wenn eine Person kriminell wird,<br />

dann durch Einflüsse seines Umfel<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r auch durch seine gesellschaftliche Stellung.<br />

Jugendliche und Heranwachsen<strong>de</strong> mit schlechten Zukunftschancen, aus sozial<br />

benachteiligten Schichten mit geringem Bildungsniveau, sind z.B. anfälliger für kriminelle<br />

Handlungen als Jugendliche aus an<strong>de</strong>ren Bevölkerungsschichten. Kriminalität hat<br />

<strong>de</strong>mnach eher soziale, nicht ethnische Ursachen.<br />

In <strong>de</strong>n meisten Fällen wird die polizeiliche Kriminalitätsstatistik zur Unterlegung <strong>de</strong>r<br />

<strong>rechte</strong>n These herangezogen. 1999 waren 26,6 % (1993: 33,6%) <strong>de</strong>r Tatverdächtigen<br />

"Nicht<strong>de</strong>utsche", während <strong>de</strong>r Anteil an <strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Wohnbevölkerung ca. 9 %<br />

betrug. Dieser Vergleich unterstellt somit, dass Auslän<strong>de</strong>r/innen dreimal so kriminell seien<br />

wie Deutsche. Bei genauerer Auswertung <strong>de</strong>r Polizeistatistik wird diese Behauptung<br />

jedoch schnell wi<strong>de</strong>rlegt.<br />

Fakt ist, dass 1999 28,3% <strong>de</strong>r so genannten "nicht<strong>de</strong>utschen" Tatverdächtigen Touristen<br />

und Durchreisen<strong>de</strong> waren, die aber in <strong>de</strong>r Kriminalstatistik nicht geson<strong>de</strong>rt ausgewiesen<br />

wer<strong>de</strong>n. So reduziert sich <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r "Nicht<strong>de</strong>utschen" Tatverdächtigen auf 19,1%.<br />

Weiterhin muss festgehalten wer<strong>de</strong>n, dass es Delikte gibt, <strong>de</strong>nen sich Deutsche gar nicht<br />

schuldig machen können, die 1999 29,7 % <strong>de</strong>r sogenannten Auslän<strong>de</strong>rkriminalität<br />

ausmachten. Hier han<strong>de</strong>lt es sich um Gesetzesübertritte, die im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m<br />

Auslän<strong>de</strong>r- und Asylrecht stehen. Wenn zum Beispiel ein/e Asylbewerber/in das ihm/ihr<br />

zugewiesene Gebiet verlässt, wird er/sie straffällig (Resi<strong>de</strong>nzpflicht).


Erschwerend kommt hinzu, das Auslän<strong>de</strong>r/innen häufiger zu Unrecht einer Straftat<br />

bezichtigt wer<strong>de</strong>n. Teile <strong>de</strong>r Polizei und Teile <strong>de</strong>r Bevölkerung haben Vorurteile <strong>gegen</strong>über<br />

Auslän<strong>de</strong>r/innen und stufen damit eine Handlung eines/r Auslän<strong>de</strong>r/in schneller als<br />

"verdächtig" ein, die bei Deutschen als unauffällig wahrgenommen wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />

Interessant sind Berechnungen, nach <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r prozentuale Teil <strong>de</strong>r <strong>rechts</strong>kräftig<br />

verurteilten Auslän<strong>de</strong>r/innen in Relation zu <strong>de</strong>n Tatverdächtigen nur noch rund die Hälfte<br />

beträgt. (Sackgasse <strong>rechts</strong>extrem – <strong>Argumente</strong> <strong>gegen</strong> <strong>rechte</strong> Sprüche, Berliner Institut für<br />

Lehrerfort- und -weiterbildung, 1999, S.62)<br />

Das Zahlenmaterial stammt aus <strong>de</strong>r polizeilichen Kriminalstatistik von 1999.<br />

These 5 – Den Holocaust hat es nie gegeben!<br />

Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r diese Wahrheit anzweifelt, kann nur einen Zweck verfolgen: die Verharmlosung<br />

<strong>de</strong>s NS-Staates heute und seine Wie<strong>de</strong>rerrichtung morgen.<br />

Diese Aussage, so sie <strong>de</strong>nn heute noch vorkommt, ist eigentlich unfassbar. Wenn auch<br />

nicht ganz so öffentlich, so wird diese These doch noch, wenn auch in verschie<strong>de</strong>nen<br />

Spielarten, vertreten und wird auch im Klassenraum geäußert. Von angeblich<br />

wissenschaftlichen Gutachten, wie <strong>de</strong>m "Leuchter-Report" unterstützt, wird die "Auschwitz-<br />

Lüge" verbreitet. Es sind pseudowissenschaftliche Berichte, die von Menschen<br />

geschrieben wur<strong>de</strong>n, die keine Fachleute für diese Thematik sind. Leuchter, <strong>de</strong>r die<br />

Verwendung von Zyklon B anzweifelt, ist Verkäufer von Hinrichtungsanlagen für US-<br />

Gefängnisse und hat mit Gaskammern keinerlei Erfahrung. Die erstellten Gutachten waren<br />

von Anfang an als Verteidigungsschriften für die <strong>de</strong>r "Auschwitz-Lüge" angeklagten<br />

"Revisionisten" gedacht und daher - auf keinen Fall - neutrale Abhandlungen in<br />

wissenschaftlicher Form. Die Tiefe <strong>de</strong>r Recherche und <strong>de</strong>r Zeitrahmen, in <strong>de</strong>nen die<br />

Recherchen erstellt wur<strong>de</strong>n, sind Beweis für die unseriöse Arbeitsweise.<br />

Sie gehen zwar nicht so weit, die Existenz <strong>de</strong>r Konzentrationslagern (KZs) zu leugnen,<br />

aber behaupten, sie seien reine Straf- und Erziehungslager gewesen, wo Hinrichtungen<br />

nur von Zeit zu Zeit stattgefun<strong>de</strong>n hätten. Das ist ihrer Meinung nach nicht als<br />

Massenmord o<strong>de</strong>r gar als Holocaust zu bezeichnen. Es wird bewusst verschwiegen, dass<br />

es verschie<strong>de</strong>ne KZs gab, die zusammen ein System für Mord und Folter bil<strong>de</strong>ten. Ob<br />

Arbeits- o<strong>de</strong>r Vernichtungslager, sie alle dienten <strong>de</strong>r physischen Vernichtung von<br />

Menschen. Die Erziehungslager, die es tatsächlich in <strong>de</strong>r Zeit von 1933 bis maximal 1940<br />

gab, und aus <strong>de</strong>nen tatsächlich Häftlinge wie<strong>de</strong>r entlassen wur<strong>de</strong>n, hatten überwiegend<br />

"rassereine" <strong>de</strong>utsche politische Gefangene. Neben diese Lager traten ab 1941 die für die<br />

Vernichtung von "Untermenschen", vor allem Ju<strong>de</strong>n, Roma und Sinti, "osteuropäischen<br />

Volksfrem<strong>de</strong>n", Schwerverbrechern, Behin<strong>de</strong>rten sowie Homosexuellen.<br />

Es ist nun einmal nicht von <strong>de</strong>r Hand zuweisen: Die Nazis und alle stillschweigen<strong>de</strong>n<br />

Mitwisser haben <strong>de</strong>n Holocaust zu verantworten. Überleben<strong>de</strong>, wirklich wissenschaftliche<br />

Gutachten, Farbfilmaufnahmen <strong>de</strong>r amerikanischen Soldaten und Augenzeugenberichte<br />

<strong>de</strong>r Befreier sowie Ansammlungen von Haaren, Knochen und Zahngold, Massengräber<br />

und die Briefe von <strong>de</strong>n SS-Schergen, die in <strong>de</strong>n KZ ihren Dienst verrichteten, sprechen<br />

eine <strong>de</strong>utliche und zutiefst erschüttern<strong>de</strong> Wahrheit.<br />

(Buchempfehlung: "In Auschwitz wur<strong>de</strong> niemand vergast" – 60 <strong>rechts</strong>extreme Lügen und<br />

ihre Entkräftung, Verlag an <strong>de</strong>r Ruhr, Mühlheim 1998)


These 6 – An<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r haben auch Verbrechen begangen!<br />

Menschenfeindliches und verbrecherisches Verhalten wird nicht besser, wenn ein An<strong>de</strong>rer<br />

es auch, an<strong>de</strong>rs o<strong>de</strong>r ähnlich tut.<br />

Welches sind die an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>r, die hier meistens aufgeführt wer<strong>de</strong>n? An erster Stelle<br />

<strong>de</strong>r genannten Staaten stehen natürlich die USA. Die "Amis" haben in Korea und Vietnam<br />

doch auch (...) o<strong>de</strong>r die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki waren doch auch (...)!<br />

Der entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Fakt an dieser Art <strong>de</strong>r Aufrechnung ist, dass menschenfeindliches und<br />

verbrecherisches Verhalten nicht besser wird, wenn ein An<strong>de</strong>rer es auch, an<strong>de</strong>rs o<strong>de</strong>r<br />

ähnlich tut. Niemand darf <strong>de</strong>n Holocaust <strong>gegen</strong> die Atombomben rechnen o<strong>de</strong>r die<br />

Atombomben <strong>gegen</strong> die Verbrechen <strong>de</strong>r Roten Khmer in Kambodscha. Fest steht, dass<br />

<strong>de</strong>r industriell geplant und durchgeführte Massenmord einzigartig in <strong>de</strong>r Geschichte und<br />

nun einmal von Deutschland und von Deutschen ausgegangen, organisiert und<br />

durchgeführt wur<strong>de</strong>. Das ist die Schuld, die Deutschland heute noch zu tragen hat und das<br />

verursacht eine dauerhafte soziale und politische Verantwortung. Gera<strong>de</strong> die Deutschen<br />

müssen ganz beson<strong>de</strong>rs darüber wachen, dass im eigenen Land keine alten und neuen<br />

Rechtsextremisten, sei es auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>r politischen I<strong>de</strong>e o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Ebene <strong>de</strong>s<br />

Eintritts in Machtpositionen, an politischem Einfluss gewinnen. Die Verantwortung<br />

<strong>gegen</strong>über <strong>de</strong>r Vergangenheit verlangt kein andauern<strong>de</strong>s Schuldbekenntnis für zukünftige<br />

Generationen. Sie sollte aber zu einem Bekämpfen <strong>rechts</strong>extremer und rassistischer<br />

Einstellungen und zu einem Eintreten für Demokratie und Bürger<strong>rechte</strong> führen.<br />

Das schließt Kritik an Menschen<strong>rechts</strong>verletzung in an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn in keinem Fall aus,<br />

son<strong>de</strong>rn verlangt sie sogar, solange nicht die Absicht dahinter steht, <strong>de</strong>utsche Verbrechen<br />

zu relativieren.<br />

These 7 – An<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r sind auch stolz auf ihre Nation!<br />

Die Alternative zum völkischen Patriotismus kann nur, wenn <strong>de</strong>nn ein Patriotismus sein<br />

soll, ein "Verfassungspatriotismus" sein.<br />

Die Art von Nationalismus, die in Deutschland von Rechtsextremisten empfun<strong>de</strong>n wird, hat<br />

mit <strong>de</strong>m Patriotismus <strong>de</strong>r Franzosen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r US-Amerikaner zumeist nichts gemein. In<br />

<strong>de</strong>n USA zum Beispiel begrün<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Nationalstolz nicht auf "Blut" o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Zugehörigkeit zu einer "Rasse", son<strong>de</strong>rn darauf, dass alle Amerikaner, egal welcher<br />

Abstammung, sich zur Verfassung bekennen. In Deutschland da<strong>gegen</strong> drückt sich<br />

Nationalstolz zumeist mit <strong>de</strong>m hel<strong>de</strong>nhaften Kampf <strong>de</strong>utscher Soldaten, <strong>de</strong>r angeblichen<br />

Überlegenheit <strong>de</strong>r "Herrenrasse", bzw. <strong>de</strong>r angeblich "<strong>de</strong>utschen Tugen<strong>de</strong>n" und an<strong>de</strong>ren<br />

rassistischen und <strong>de</strong>mokratiefeindlichen <strong>Argumente</strong>n aus. Kaum einer bekennt sich dabei<br />

zum Grundgesetz und ist aufgrund <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mokratischen Errungenschaften stolz auf<br />

Deutschland. Dabei ist das, neben <strong>de</strong>r dauerhaften Einbindung in die Europäische<br />

Gemeinschaft, die größte Leistung <strong>de</strong>utscher Politik, auch wenn sie unter <strong>de</strong>r Regie <strong>de</strong>r<br />

Alliierten erbracht wur<strong>de</strong>. Die Alternative zum völkischen Nationalismus kann nur, wenn<br />

<strong>de</strong>nn ein Patriotismus sein soll, ein "Verfassungspatriotismus" sein, <strong>de</strong>r auf<br />

<strong>de</strong>mokratischen Werten und auf Menschen<strong>rechte</strong>n beruht.<br />

Unkritischer Nationalismus sollte in einem Land, in <strong>de</strong>m eine falsch verstan<strong>de</strong>ne


"Vaterlandspflicht" <strong>de</strong>r Bevölkerung zu Krieg und Verbrechen geführt hat, alles an<strong>de</strong>re als<br />

erstrebenswert sein. Es wäre <strong>de</strong>shalb ratsam, sich <strong>de</strong>n unkritischen Nationalismus in<br />

an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn, auch in Frankreich und <strong>de</strong>n USA, nicht als Vorbild zu nehmen, son<strong>de</strong>rn<br />

ihn – aus <strong>de</strong>r historischen Erfahrung heraus – durchaus distanziert zu betrachten.<br />

Im Übrigen <strong>de</strong>utet ein überschäumen<strong>de</strong>r Nationalismus oft auf Anerkennungs- und<br />

Zugehörigkeitsprobleme <strong>de</strong>r Person hin, die ihn äußert. Wenn das abstrakte Kollektiv<br />

Nation das gesamte Denken beeinflusst, lohnt es sich nachzufragen, woraus die<br />

persönliche I<strong>de</strong>ntität und das eigene Selbstbewusstsein <strong>de</strong>s Parolenverkün<strong>de</strong>rs gezogen<br />

wird. Das Gespräch verlässt dann schnell die Ebene <strong>de</strong>s theoretischen Politik-Diskurses<br />

und knüpft an persönliche Erfahrungen, Ängste und I<strong>de</strong>ntitätsfragen an.<br />

These 8 – Der Holocaust wird benutzt, um Deutschland zu unterdrücken!<br />

Die be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle Deutschlands in <strong>de</strong>r Europäischen Union, in <strong>de</strong>r Run<strong>de</strong> <strong>de</strong>r "G8-<br />

Staaten" und in <strong>de</strong>r globalen Gemeinschaft (UNO) wi<strong>de</strong>rspricht dieser These.<br />

Der industriell durchgeführte und staatlich organisierte Völkermord war ein einzigartiges<br />

historisches Verbrechen. Wenn Deutschland immer wie<strong>de</strong>r unter Erwähnung <strong>de</strong>s<br />

Holocausts darauf hingewiesen wird, eine ganz beson<strong>de</strong>re Verantwortung im Umgang mit<br />

alten und neuen Rechtsextremisten zu haben, so ist das lediglich eine Erinnerung an<br />

einen Massenmord, von <strong>de</strong>m viele Deutsche wussten o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m sie ahnten, aber<br />

nichts wissen wollten. Je<strong>de</strong>r Finanzbeamte und je<strong>de</strong>r Nachbar wusste, dass <strong>de</strong>rjenige,<br />

<strong>de</strong>ssen Bettwäsche sie gera<strong>de</strong> kauften, nicht wie<strong>de</strong>rkehren wür<strong>de</strong>. Hausrat von<br />

Deportierten wur<strong>de</strong> zu Billigpreisen versteigert und ganz offiziell versteuert. Ganze Dörfer<br />

rühmten sich damit, "ju<strong>de</strong>nfrei" zu sein. Wenn also eine Bevölkerung, und das kann viele<br />

Ursachen haben, so bereitwillig an antisemitischen Pogromen teilnimmt, ist es angebracht,<br />

im Nachfolgestaat, <strong>de</strong>r sich auf Demokratie und Menschen<strong>rechte</strong> grün<strong>de</strong>t, immer wie<strong>de</strong>r<br />

mahnend daran zu erinnern.<br />

Die Konfrontation mit <strong>de</strong>r Geschichte wird heute von einem großen Teil <strong>de</strong>r Bürger/innen<br />

<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland subjektiv als "unangenehm" und "erpresserisch"<br />

wahrgenommen. Der Ruf nach einem "Schlussstrich" und <strong>de</strong>r Wunsch nach "Entlastung",<br />

wird in <strong>de</strong>n letzten Jahren immer lauter. Festzuhalten ist aber an dieser Stelle, dass<br />

<strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r sich auf die positiven <strong>de</strong>mokratischen Traditionen <strong>de</strong>r Deutschen beziehen<br />

will, natürlich damit auch die dunkle Seite - die autoritären, rassistischen, antisemitischen<br />

und nationalistischen Traditionen einbeziehen muss.<br />

Weiter bleibt als Gegenargument zu <strong>rechte</strong>n Aussagen festzuhalten, dass die<br />

Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland noch nie erpresst wur<strong>de</strong>, irgendwelche politischen<br />

Handlungen nicht vorzunehmen, weil <strong>de</strong>r Holocaust stattgefun<strong>de</strong>n hat. Im Gegenteil, die<br />

Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland ist Mitglied <strong>de</strong>r Nato, führen<strong>de</strong>s Mitglied in <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Union, Mitglied <strong>de</strong>r G8-Staaten und seit längerem Kandidat für einen Platz im<br />

Weltsicherheitsrat <strong>de</strong>r UNO. Das <strong>rechte</strong> Argument, dass Deutschland durch die<br />

Erinnerung an <strong>de</strong>n Holocaust "unterdrückt" wer<strong>de</strong>n solle, ist aufgrund dieser be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n<br />

Rolle in <strong>de</strong>r europäischen und globalen Gemeinschaft wi<strong>de</strong>rlegt.<br />

These 9 – Meinungsfreiheit!<br />

Rassismus, Antisemitismus und Auslän<strong>de</strong>rfeindlichkeit als Kernpunkte neonazistischer


I<strong>de</strong>ologie sind nicht irgendwelche unliebsamen, politisch unerwünschten Anschauungen,<br />

son<strong>de</strong>rn solche, die mit grundgesetzlichen Wertvorstellungen unvereinbar sind.<br />

Bei <strong>rechts</strong>extremistischen (sog. "nationalen") Anschauungen han<strong>de</strong>lt es sich um<br />

Anschauungen, <strong>de</strong>nen das Grundgesetz eine entschie<strong>de</strong>ne Absage erteilt. Das<br />

Grundgesetz ist ein Gegenentwurf zur Barbarei unter <strong>de</strong>r nationalsozialistischen<br />

Herrschaft. Von zentraler Be<strong>de</strong>utung ist dabei neben <strong>de</strong>r grundgesetzlich konstituierten<br />

Frie<strong>de</strong>nspflicht <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland (Art. 1 Abs. 2, 24 Abs. 2 und 26 Abs.1<br />

GG), <strong>de</strong>r die gesamte Rechtsordnung prägen<strong>de</strong> Aspekt <strong>de</strong>r Menschenwür<strong>de</strong> (Art. 1 Abs. 1<br />

GG). Angesichts dieser Verfassungswerte gewinnt die Tatsache, dass das öffentliche<br />

Auftreten von Neonazis und das Verbreiten entsprechen<strong>de</strong>n Gedankenguts vor <strong>de</strong>m<br />

Hintergrund <strong>de</strong>r jüngeren <strong>de</strong>utschen Geschichte - beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r in Deutschland leben<strong>de</strong>n<br />

ausländischen und jüdischen Mitbürger - in erheblicher Weise verletzt wer<strong>de</strong>n, beson<strong>de</strong>res<br />

Gewicht.<br />

Soweit es beim Problem <strong>de</strong>r Demonstrationsfreiheit für Neonazis um das Grundrecht <strong>de</strong>r<br />

Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) geht, schützt dieses zwar auch die "politisch missliebige<br />

Meinung". Bei <strong>de</strong>m Gedankengut von Neonazis geht es aber nicht um irgen<strong>de</strong>ine "politisch<br />

missliebige Meinung", son<strong>de</strong>rn um Anschauungen, <strong>de</strong>nen das Grundgesetz mit seinem<br />

historischen Gedächtnis eine klare Absage erteilt hat : " Rassismus, Antisemitismus und<br />

Auslän<strong>de</strong>rfeindlichkeit als Kernpunkte neonazistischer I<strong>de</strong>ologie sind nicht irgendwelche<br />

unliebsamen, politisch unerwünschten Anschauungen, son<strong>de</strong>rn solche, die mit<br />

grundgesetzlichen Wertvorstellungen unvereinbar sind. Der Ausschluss gera<strong>de</strong> dieses<br />

Gedankenguts aus <strong>de</strong>m <strong>de</strong>mokratischen Willensbildungsprozess, ist ein aus <strong>de</strong>r historisch<br />

bedingten Werteordnung <strong>de</strong>s Grundgesetzes ableitbarer Verfassungsbelang, <strong>de</strong>r es<br />

rechtfertigt, die Freiheit <strong>de</strong>r Meinungsäußerung, bezogen und beschränkt auf dieses<br />

Gedankengut, inhaltlich zu begrenzen." (Argumentationsgrundlage ist ein Text <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>sverfassungsrichters Hoffmann-Riehm "Die Renaissance <strong>de</strong>s Rechtsextremismus<br />

wird verharmlost", Frankfurter Rundschau vom 16.7.2002).<br />

Ein weiterer historischer Bezug beim Prinzip <strong>de</strong>r "wehrhaften Demokratie" ist <strong>de</strong>r<br />

Untergang <strong>de</strong>r Weimarer Republik, die anti<strong>de</strong>mokratischen Kräften zuviel Raum ließ,<br />

<strong>gegen</strong> die <strong>de</strong>mokratische Ordnung zu kämpfen. Menschen, die die Demokratie abschaffen<br />

und ein an<strong>de</strong>res System wollen, in <strong>de</strong>m es keine Meinungsfreiheit gibt, sollten sich nicht<br />

auf das <strong>de</strong>mokratische Recht <strong>de</strong>r Meinungsfreiheit berufen. Dort, wo die Demokratie<br />

abgeschafft wer<strong>de</strong>n soll, muss sie sich wehren.<br />

Weitere Empfehlungen zur Argumentation<br />

Nachzulesen sind weitere Fakten und Gegenargumente <strong>gegen</strong> <strong>rechts</strong> unter folgen<strong>de</strong>n<br />

Links:<br />

http://www.gesichtzeigen.<strong>de</strong><br />

– kurze Gegenre<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>n häufigsten <strong>rechts</strong>extremen Parolen<br />

http://www.netz<strong>gegen</strong><strong>rechts</strong>.<strong>de</strong><br />

– Sammlungen von Zeitungsartikeln unter an<strong>de</strong>rem mit einer Auflistung von <strong>Argumente</strong>n<br />

http://www.bnr.<strong>de</strong><br />

– Von <strong>de</strong>r Zeitschrift "Blick nach <strong>rechts</strong>"; unter "ploppattack", umfangreiche Liste<br />

<strong>rechts</strong>extremer <strong>Argumente</strong> und <strong>de</strong>ren Entkräftung. Beim bnr fin<strong>de</strong>t sich auch ein


interaktives Spiel, bei <strong>de</strong>m Argumentationen <strong>gegen</strong> <strong>rechts</strong> geübt wer<strong>de</strong>n können.<br />

http://www.bpb-aktiv.<strong>de</strong><br />

– Für <strong>de</strong>n Unterricht aufbereitete Folien mit zehn <strong>rechts</strong>extremen <strong>Argumente</strong>n und<br />

stichwortartiger Gegenre<strong>de</strong>. Die ganze Seite <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>szentrale für politische Bildung ist<br />

empfehlenswert.<br />

http://www.step21.<strong>de</strong><br />

o<strong>de</strong>r<br />

http://www.fairlink.<strong>de</strong><br />

– Für Jugendliche aufbereitete Info-Seite, auf <strong>de</strong>r auch Argumentationshilfen <strong>gegen</strong><br />

Rechtsextremismus abgerufen wer<strong>de</strong>n können.<br />

Das LISUM in Berlin hat als Druckausgabe mit <strong>de</strong>r Broschüre "Sackgasse Rechtsextrem"<br />

eine hervorragen<strong>de</strong> Handreichung für Lehrer herausgegeben. Rechte Sprüche von<br />

Schülern aus <strong>de</strong>r Berliner Schulpraxis sind dort aufgelistet. Viele <strong>rechte</strong> Parolen fin<strong>de</strong>n<br />

dort eine kurze, qualifizierte und überschaubare Entgegnung.<br />

Außer<strong>de</strong>m zu empfehlen, ist <strong>de</strong>r Sprechbaukasten "Kontra geben", herausgegeben von<br />

<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>szentrale für politische Bildung und <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Sportjugend. Hier wird die<br />

Gesprächsrhetorik <strong>gegen</strong> "Rechtsextreme dumme und radikale Sprüche" anhand<br />

bestimmter Situationen geschult.<br />

Als didaktische Handreichung ist das Argumentationstraining von Klaus-Peter Hufer<br />

(Argumentationstraining <strong>gegen</strong> Stammtischparolen, Wochenschau Verlag, Schwalbach<br />

2001) zu empfehlen, das man sehr gut auch in einer Klasse umsetzen kann.<br />

Ebenfalls anzuraten sind die "<strong>Argumente</strong> <strong>gegen</strong> <strong>de</strong>n Hass" <strong>de</strong>r hessischen<br />

Lan<strong>de</strong>szentrale. Hier fin<strong>de</strong>n sich nicht nur Informationen zum Thema Migration und Asyl,<br />

son<strong>de</strong>rn konkrete Unterrichtsbausteine, Planspiele und Materialien. Die bei<strong>de</strong>n Bän<strong>de</strong> von<br />

Klaus Ahlheim sind in <strong>de</strong>r Mediathek <strong>de</strong>r RAA vorhan<strong>de</strong>n und sehr zu empfehlen, auch<br />

wenn sie schon ein wenig älter sind.<br />

Wer sich über statistische Daten zum Thema Migration informieren will, fin<strong>de</strong>t vielseitige<br />

Hinweise im Internet:<br />

Statistisches Bun<strong>de</strong>samt, http://www.<strong>de</strong>statis.<strong>de</strong><br />

http://www.auslaen<strong>de</strong>r-statistik.<strong>de</strong><br />

Quellen<br />

– Butterwegge, C. u.a.<br />

Themen <strong>de</strong>r Rechten – Themen <strong>de</strong>r Mitte. 2002<br />

– Haffner, S.<br />

Anmerkungen zu Hitler. Fischer Verlag. 1981<br />

– Lenk, K.<br />

Rechts wo die Mitte ist. Ba<strong>de</strong>n. 1994<br />

– Berliner Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung (LISUM, ehemals BIL). Sackgasse<br />

Rechtsextrem – <strong>Argumente</strong> <strong>gegen</strong> <strong>rechte</strong> Sprüche. Berlin. 1999


– Kleßmann, Ch.<br />

Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945-1955. BZpolB. 1982<br />

– Mickel, W.<br />

Handlexikon zur Politikwissenschaft. BZpolB. 1986<br />

– Tie<strong>de</strong>mann, M.<br />

60 <strong>rechts</strong>radikale Lügen und wie man sie wi<strong>de</strong>rlegt. Bertelsmann. 2000<br />

– Naturfreun<strong>de</strong>jugend Deutschlands<br />

Broschüre Auf/Stehen/Bleiben. Köln. 2000

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