Download als PDF-Datei - Auswirkungen auf die Institution
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ei längerer Dauer zu psychischen Erkrankungen 170 . Identität kann <strong>auf</strong>grund widerstreitender<br />
Identifikationstendenzen schwierig zu erreichen sein. Der Mensch stellt<br />
ja offenbar keine Einheit, sondern eine Vielheit dar. Unterschiedliche und vor allem<br />
gegensätzliche Bestrebungen ereignen sich in ihm, obgleich er das Gefühl hat, alles<br />
<strong>die</strong>s sei er. Indem er sich aber mit <strong>die</strong>sen widerstreitenden Bewegungen in ihm<br />
identifiziert, leidet er darunter, weil es eine Zerrissenheit in ihm erzeugt.<br />
Eine Identität, <strong>die</strong> nicht von all <strong>die</strong>sen höchst relativen Identifikationen abhängig ist,<br />
kann nur gefunden werden, wenn dahinter jenes personale Selbst existiert, das wir<br />
oben angenommen haben. Diejenige Instanz, <strong>die</strong> den Bewußtseinsstrom zumindest<br />
im Prinzip beobachten könnte, können wir <strong>als</strong> <strong>die</strong>ses personale Selbst bezeichnen.<br />
Stillschweigend und im Bewusstseinsfeld nicht erfahren und erkannt, akzeptiert es<br />
das Geschehen dort, bleibt selbst aber im Hintergrund. Sich <strong>die</strong>ser Instanz bewusst<br />
zu werden, wenn <strong>als</strong>o das Bewusstsein sich über <strong>die</strong> bestehende Grenze bis hin<br />
zum Einschluß des personalen Selbst ausdehnt, würde bedeuten, sich in <strong>die</strong>sem<br />
Bewußtsein über das gewöhnliche Ich zu erheben und es wie etwas Fremdes<br />
beobachten und womöglich verändern zu können.<br />
James allerdings sieht <strong>die</strong>se beobachtende Instanz <strong>als</strong> einen sich nur zeitweilig<br />
absondernden Teil des Gedankenstroms. 171 Tatsächlich könnte der Versuch, sich<br />
über seine Gedanken und Gefühle zu erheben, zu Beginn kaum etwas anderes<br />
sein. Man kann das personale Selbst wie ein unterentwickeltes Organ verstehen,<br />
das im übrigen Zellverband untergeht, eigentlich nur latent, der Anlage nach<br />
vorhanden ist. Erst durch geeignete und andauernde Übungen könnte sich <strong>die</strong>ses<br />
Organ mit seinen Fähigkeiten entwickeln. Die Fähigkeit der Distanzierung, des<br />
unbeteiligten, nicht involvierten Beobachtens, wenn sie systematisch geübt und<br />
entwickelt wird, führt aber vielleicht allmählich zur Erfahrung des personalen Selbst,<br />
das dann <strong>als</strong> unabhängige Einheit, <strong>als</strong> reines Bewußtsein, <strong>als</strong> bloßer Beobachter<br />
den Kern des Individuums in <strong>die</strong>sem bestehen könnte. 172<br />
Kant hat das personale Selbst <strong>als</strong> transzendentales Selbst bezeichnet, da es vor<br />
unserer unmittelbaren Erfahrung liegt. Doch um eine Wahrnehmung vor aller<br />
Erfahrung zustande zu bringen, wäre es erforderlich, sich von allen Identifikationen<br />
vollständig zu befreien, d.h. tatsächlich nichts anderes zu sein <strong>als</strong> reines, beobach-<br />
170 Erikson 1966 spricht in <strong>die</strong>sem Zusammenhang von "neurotischer Wurzellosigkeit" (S.<br />
91). Über Identitätskrisen im Jugendalter vgl. Erikson 1974.<br />
171 Vgl. James 1950, S. 297f u. S. 304.<br />
172 Vgl. hierzu Assagioli 1.984, S. 111 ff Ferrucci 1986, S. 59ff.<br />
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