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Download als PDF-Datei - Auswirkungen auf die Institution

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<strong>die</strong>se Identifikationsmöglichkeit, so nimmt man ihn sich selbst, und es wird offenbar<br />

auch wie eine Verurteilung empfunden, wie in dem folgenden Brief von Ossip<br />

Mandelstam deutlich wird, den er aus einem sibirischen Arbeitslager schreibt,<br />

nachdem er dort zum Invaliden geworden war:<br />

"Um <strong>die</strong>se Zeit hat man mir ohne jedes Verschulden alles genommen: das<br />

Recht <strong>auf</strong> Leben, <strong>auf</strong> Arbeit, <strong>auf</strong> ärztliche Behandlung. Ich bin versetzt in <strong>die</strong><br />

Lage eines Hundes, eines Körpers ... Ich bin ein Schatten. Mich gibt es nicht.<br />

Ich habe nur noch das Recht zu sterben." 91<br />

Es stellt sich <strong>die</strong> Frage, ob das Individuum nicht doch mehr ist <strong>als</strong> das, was aus dem<br />

sozusagen naturhaften Werden und Gestalten von immer komplexeren Prozessen<br />

sich <strong>als</strong> individuelle psychische und soziale Dispositionen herausbildet und sich zu<br />

immer neuen Fähigkeiten und Reaktionsweisen oder Handlungsregulationen<br />

verdichtet. Dieser Prozeß mag zu immer zivilisierteren Zuständen führen, und wir,<br />

<strong>die</strong> wir Teil und Ergebnisse <strong>die</strong>ses Prozesses sind, würden unseren Sinn und<br />

unsere Ziele in jenem sich ständig wandelnden Geflecht der sozialen Bedingungen<br />

finden. 92<br />

Eines Tages käme es vielleicht zu einem Gleichgewicht zwischen den<br />

gesellschaftlichen Aufgaben und Anforderungen und den individuellen Neigungen<br />

und Bedürfnissen. 93<br />

Aber irgendwie scheint uns all <strong>die</strong>s nicht befriedigend,<br />

irgendetwas in uns scheint zu widersprechen, was natürlich nicht bedeuten muß,<br />

daß <strong>die</strong> gegebene Beschreibung f<strong>als</strong>ch ist, sondern nur, daß <strong>die</strong>se innere<br />

Unzufriedenheit einen Grund für weiteres Suchen darstellen kann.<br />

Ein ganz anders gearteter blinder Fleck der Außensteuerung zeigt sich uns in den<br />

Naturwissenschaften. Der Wissenschaftler versucht ja, sich in der Beschreibung und<br />

Erklärung ganz von den Phänomenen leiten zu lassen und subjektive Auffassungen<br />

oder Ansichten möglichst auszuschalten. Aber mit der Entwicklung immer<br />

komplexerer und technisch <strong>auf</strong>wendigerer experimenteller Methoden, insbesondere<br />

in der Quantenphysik, zeigt sich, daß <strong>die</strong> Annahme, "daß wir <strong>die</strong> Welt beschreiben<br />

können oder wenigstens Teile der Welt beschreiben können, ohne von uns selbst zu<br />

sprechen" <strong>auf</strong> einer Illusion beruht. 94 Das heißt, daß wir bei der Beobachtung und<br />

Erklärung der Natur bzw. der Materie <strong>auf</strong> uns selbst zurückverwiesen werden, daß<br />

91 Ossip Mandelstam 1937, zit. nach Rakusa 1985, S. 61.<br />

92 Siehe hierzu Elias 1978, Bd. 2, S. 312ff.<br />

93 Vgl. ebenda, S. 454.<br />

94 Heisenberg 1978, S. 684.<br />

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