Download als PDF-Datei - Auswirkungen auf die Institution
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Individuum. So beginnt vielleicht <strong>die</strong> Entwicklung des Individualismus, das Zeitalter<br />
der individuellen Vernunft und des Denkens.<br />
3.2 Das Ideal des individualistisch-rationalen Menschen<br />
Das Ideal des Individualismus ist das Individuum, das <strong>die</strong> Werte seiner Kultur<br />
verinnerlicht hat und sein Leben entsprechend <strong>die</strong>ser Werte und seiner Vernunft<br />
gemäß führt. Es ist insofern identisch mit dem Typus des innengeleiteten Menschen.<br />
75 Mit der wachsenden Selbständigkeit von Städten und Staaten, der sich<br />
bessernden Wirtschaft mit ihrer Zunahme von Handel und Gewerbe, nahm auch <strong>die</strong><br />
Erfordernis zu rationalem Handeln zu, wobei Rationalität im Sinne einer Orientierung<br />
an Sachzusammenhängen und deren Abwägung zu verstehen ist, anstelle<br />
einer Orientierung an christlichen Lehren oder Dogmen.<br />
Damit verstärkten sich auch <strong>die</strong> Erwartungen an <strong>die</strong> Individuen, für sich selbst<br />
denken zu können (<strong>die</strong>s betrifft zunächst natürlich nur <strong>die</strong> höheren Stände). Die<br />
Verhaltenssteuerungen durch traditionell verfestigte Gewohnheiten wurden<br />
zunehmend ersetzt durch das Handeln nach internalisierten Werten, <strong>die</strong> dem<br />
einzelnen, solange er sich an gemeinsame Überzeugungen hielt, einen größeren<br />
Spielraum im Handeln ermöglichten. In den bürgerlichen Kreisen wurde individuelle<br />
Initiative erwartet, und wer sie in situationsangemessener Weise (d.h. dem bürgerlichen<br />
Denken und Leben entsprechend) <strong>auf</strong>brachte, wurde mit Erfolg belohnt. Nicht<br />
mehr so sehr christliche Werte waren <strong>die</strong> Ziele <strong>die</strong>ses individualistischen Bürgertums,<br />
obgleich es <strong>die</strong>se aus seinem Leben nicht ausschloß, sondern "Geld, Besitz,<br />
Macht, Wissen, Ruhm". 76<br />
Der Individualismus sollte das Individuum von den Begrenzungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
traditionelle Macht der Kirche dem Denken und Handeln <strong>auf</strong>erlegte, befreien. Die<br />
Kirche mit ihrem christlich-ethischen Ideal hatte es nicht vermocht, eine dauerhaft<br />
befriedigende Ordnung der Verhältnisse zu schaffen. Der Individualismus gab nun<br />
dem einzelnen <strong>die</strong> Aufgabe, mittels seiner Vernunft, Grund, Ziel und Weg des<br />
Lebens zu finden, <strong>die</strong> Grenzen abzustecken, an denen man sich orientieren konnte<br />
und sollte. Gemessen an <strong>die</strong>ser Vorstellung war der Individualismus aber eher ein<br />
Fehlschlag, denn <strong>die</strong> Begrenzungen durch <strong>die</strong> Traditionen der Kirche wurden ersetzt<br />
75 Vgl. Riesman, 1977, S. 30ff.<br />
76 ebenda, S. 32.<br />
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