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Goldhaubenzeitung 2011/1 - Goldhaubengemeinschaft

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Brauchtum<br />

Brauchtum<br />

Traunkirchner AntlaSSsingen<br />

… vom heiligen Leiden Christi …<br />

Gesänge und Nachtwächterrufe in der AntlaSSnacht<br />

Wenn in Traunkirchen am Gründonnerstag nach der abendlichen Liturgie vom Johannisbergkirchlein der<br />

21.00 Uhr – Stundenschlag zu hören ist, versammeln sich alljährlich gläubige Männer, Frauen und Kinder<br />

zum „AntlaSSsingen“. Bereits eine Stunde früher – mit dem 20.00 Uhr – Schlag beginnt ein ähnlicher Brauch im<br />

salzburgischen GroSSarl – das „Leiden-Christi-Singen“.<br />

Im 17. und 18. Jahrhundert waren es die Jesuiten, die<br />

die geistliche Situation im Salzkammergut gestalteten. Die<br />

von den Jesuiten geförderte „Todesangst-Christi-Bruderschaft“<br />

erbaute schon 1696 am Traunkirchner Kalvarienberg<br />

eine Kapelle mit einer großen barocken Darstellung<br />

der Kreuzigungsgruppe. Fünf Jahre später wurden am Weg<br />

vier Kapellen mit den Darstellungen der Geheimnisse des<br />

Schmerzhaften Rosenkranzes errichtet. Der Kalvarienberg in<br />

Traunkirchen ist somit der älteste der Region und diente als<br />

Vorbild für weitere Kalvarienbergkirchen im Salzkammergut.<br />

Seit eben dieser Zeit versammeln sich nach der abendlichen<br />

Gründonnerstagsliturgie zahlreiche Gläubige vor dem ehemaligen<br />

Hofkreuz zum sogenannten „Antlaßsingen“. Dieser<br />

Passionsbrauch wird weder angekündigt noch verlautbart,<br />

man trifft sich einfach. Der Vorsänger – seit dem Jahr 1981<br />

hat Josef Vogl die Aufgabe über – beginnt mit einem Nachtwächterruf:<br />

„Meine Herrn und Frauen lassts euch sagn, da<br />

Hammer hat neini gschlagn!“<br />

Die versammelte Gebetsschar setzt mit mehrstimmigem,<br />

meist ausgeterztem Volksgesang fort:<br />

„Scho neini, scho neine,<br />

die Keuschheit behüten<br />

nicht gleich einer Venus<br />

die Laster ausbrüten.<br />

Mein Jesus wird gfangen<br />

mit Spießen und Stangen.<br />

Drum meide die Sünd,<br />

mein Kind,<br />

`s hat neini gschlagn.“<br />

Die je nach Witterung und Uhrzeit kleinere oder größere<br />

Sänger- und Betschar antwortet an jeder Station mit der Strophe.<br />

Sind nun um neun Uhr abends alle zwölf Stationen aufgesucht<br />

worden, geht es zurück zur Pfarrkirche, wo in einem<br />

kleinen Raum des Klostergebäudes eine kleine Labestation<br />

eingerichtet ist.<br />

Kurz vor 22.00 Uhr begibt sich die Schar erneut zum Hofkreuz,<br />

wo eventuell weitere Gläubige warten, die sich der Gruppe<br />

anschließen. Mit dem Stundenschlag singt der Vorsänger die<br />

neue Stunde an, die Sängerschar schließt eine neue Strophe<br />

an. Wiederum werden alle zwölf Stationen aufgesucht. Dieses<br />

Ritual wiederholt sich bis 3.00 Uhr morgens. Der gesamte<br />

Liedertext schildert im Laufe der Nacht das Geschehen um<br />

Jesus, von seiner Gefangennahme am Ölberg bis hin zur<br />

Kreuzigung.<br />

Nach der letzten Runde um ca. 3.30 Uhr wird vor dem Gemeindeamt<br />

ein balladenartiges Lied, das „Lied vom heiligen<br />

Leiden Christi“, auch „24-Stunden-Lied“ genannt, im Schein<br />

der mitgetragenen Laternen angestimmt. In diesem 16-strophigen<br />

Lied wird abermals das Leiden Christi in seinen letzten<br />

Stunden zusammengefasst. Bis vor rund 40 Jahren wurde<br />

dieses Lied von einem einzigen Geiger, dem Totengräber<br />

Josef Feichtinger, vulgo „Festl“, eingespielt und begeleitet.<br />

Bestrebungen gehen dahin, wieder einen Geiger zu finden,<br />

der das Lied begleitet. Im Jahr 2005 konnte die junge Traunkirchner<br />

Geigerin Johanna DeHoop dazu bewegt werden.<br />

Das „24-Stunden.Lied“ wurde noch vor etwa 15 Jahren auch<br />

am Nachmittag des Karsamstages in der Kirche gesungen,<br />

erzählt Josef Vogl.<br />

Man vermutet, dass dieses Antlaßlied ein Relikt aus früheren<br />

volksliturgischen Passionsspielen ist. Der Vorsänger wiederholt<br />

seinen Ruf an weiteren elf Stellen im Ort.<br />

Der Zeiger der Uhr bewegt sich auf 4.00 Uhr früh zu. Die<br />

Zahl derer, die die nächtliche Andacht mitgemacht haben,<br />

ist um diese Uhrzeit meist stark geschrumpft. Für den nun

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