Typische Schülerfehler bei Informatikaufgaben - Professur für ...

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Typische Schülerfehler bei Informatikaufgaben Zulassungsarbeit im Fach Informatik vorgelegt von Stefanie Hansky geb. 20.01.1988 in Bamberg angefertigt am Department Informatik Professur für Didaktik der Informatik Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Prof. Dr. T. Brinda) Betreuer: Prof. Dr. T. Brinda, Dipl.-Inf. RSL K. Schlüter Beginn der Arbeit: 23.07.2010 Abgabe der Arbeit: 15.10.2010

<strong>Typische</strong> <strong>Schülerfehler</strong> <strong>bei</strong><br />

<strong>Informatikaufgaben</strong><br />

Zulassungsar<strong>bei</strong>t im Fach Informatik<br />

vorgelegt von<br />

Stefanie Hansky<br />

geb. 20.01.1988 in Bamberg<br />

angefertigt am<br />

Department Informatik<br />

<strong>Professur</strong> <strong>für</strong> Didaktik der Informatik<br />

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg<br />

(Prof. Dr. T. Brinda)<br />

Betreuer: Prof. Dr. T. Brinda, Dipl.-Inf. RSL K. Schlüter<br />

Beginn der Ar<strong>bei</strong>t: 23.07.2010<br />

Abgabe der Ar<strong>bei</strong>t: 15.10.2010


Ich versichere, dass ich die Ar<strong>bei</strong>t ohne fremde Hilfe und ohne Benutzung anderer<br />

als der angegebenen Quellen angefertigt habe und dass die Ar<strong>bei</strong>t in gleicher oder<br />

ähnlicher Form noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen hat und von dieser<br />

als Teil einer Prüfungsleistung angenommen wurde. Alle Ausführungen, die wörtlich<br />

oder sinngemäß übernommen wurden, sind als solche gekennzeichnet.<br />

Der Universität Erlangen-Nürnberg, <strong>Professur</strong> <strong>für</strong> Didaktik der Informatik, wird<br />

<strong>für</strong> Zwecke der Forschung und Lehre ein einfaches, kostenloses, zeitlich und örtlich<br />

unbeschränktes Nutzungsrecht an den Ar<strong>bei</strong>tsergebnissen der Zulassungsar<strong>bei</strong>t einschließlich<br />

etwaiger Schutzrechte und Urheberrechte eingeräumt.<br />

Erlangen, den 15.10.2010<br />

Stefanie Hansky


Abstract<br />

Die Ar<strong>bei</strong>t beschreibt typische <strong>Schülerfehler</strong> in der Informatik. Diese werden an Hand<br />

eines Schülerwettbewerbs herausgear<strong>bei</strong>tet. Zunächst wird eine klassische Fehlereinteilung<br />

beschrieben und mit Hilfe der Fehleranalyse um typische Informatikfehler<br />

erweitert. Anschließend werden die herausgear<strong>bei</strong>teten Fehler in Kategorien zusammengefasst.<br />

Außerdem zeigt die Ar<strong>bei</strong>t Zusammenhänge zwischen Aufgabenformulierung<br />

und auftretenden Fehlern. Es werden Empfehlungen gegeben, wie sich durch<br />

gezielte Aufgabenstellung Fehler vermeiden lassen. Ziel ist es, Lehrerinnen und Lehrern<br />

einen Überblick zu verschaffen, welche Fehlerarten <strong>bei</strong> Aufgabenstellungen zu<br />

berücksichtigen sind.<br />

i


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einleitung 1<br />

2 Anmerkungen zur Literatur 3<br />

3 Was sind Fehler? 5<br />

3.1 Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

3.2 Fehlerarten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6<br />

3.2.1 Geläufigkeitsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

3.2.2 Perseverative Fehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7<br />

3.2.3 Ähnlichkeitsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

3.2.4 Mischfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

3.2.5 Gefühls- und willensbedingte Fehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12<br />

4 Der Informatik Biber 17<br />

4.1 Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

4.2 Ziele des Informatik Bibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

4.3 Durchführung im Jahr 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

4.4 Untersuchungsmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

5 Fehleranalyse 21<br />

5.1 Untersuchung des Bibertests auf die Fehlerarten nach Weimer . . . . . . . . . 21<br />

5.1.1 Analyse der Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

5.1.2 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

5.2 Fehler, die nicht auf Weimers Fehlerarten zurückgeführt werden können38<br />

5.2.1 Irrtum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38<br />

5.2.2 Fehler durch falsches Schließen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />

iii


Inhaltsverzeichnis<br />

5.2.3 Strategiefehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

5.2.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />

5.3 Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

5.4 Empfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55<br />

5.5 Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />

6 Ausblick 59<br />

iv


1 Einleitung<br />

Ihre Karte ist ungültig!“, über diesen Hinweis ärgerte sich Anfang 2010 so mancher<br />

”<br />

Besitzer <strong>bei</strong>m Versuch der bargeldlosen Zahlung. Reihenweise mussten Konsumenten<br />

wieder auf Bargeld umsteigen, da ihre Bankkarten als abgelaufen deklariert wurden.<br />

Kredit- und EC-Karten, die eigentlich erst im Jahr 2012 erneuert werden müssen,<br />

funktionierten schon ab dem 01. Januar 2010 nicht mehr. Grund hier<strong>für</strong> war ein Programmierfehler.<br />

Bei Überprüfung der Gültigkeit der Karte wurde das Jahr falsch interpretiert.<br />

An Stelle des Jahres 2010 erkannte das Kartenlesegerät das Jahr 2016.<br />

Eine Erklärung da<strong>für</strong> ist, dass die Zahl 10 im Hexadezimalsystem der Zahl 16 im Dezimalsystem<br />

entspricht. Diese falsche Interpretation hätte vermieden werden können,<br />

wenn sich der Programmierer über die unterschiedlichen Zahlensysteme im Klaren<br />

gewesen wäre. Da er aber fälschlicherweise im Dezimalsystem gedacht hatte, interpretierte<br />

sein Kartenlesesystem den 01. Januar 2010 als 01. Januar 2016.<br />

Ein Fehler dieser Art ist typisch <strong>für</strong> die Informatik. Gerade in der Programmierung<br />

können kleine Fehler, sogenannte Bugs, verheerende Auswirkungen nach sich ziehen.<br />

Programme unterliegen zwar einer strengen Prüfung, jedoch ist es nicht immer<br />

möglich, da<strong>bei</strong> alle Fehler zu eliminieren. Beim oben angesprochenen Problem gab<br />

es wohl keinen Testdurchlauf mit dem Jahr 2010. Deshalb blieb dieser Bug so lange<br />

unentdeckt. Das Beispiel zeigt die Gefahr, dass ein Fehler in einem Programm ganze<br />

Systeme funktionsuntüchtig machen kann.<br />

Weitere Fehler der Informatik treten im Kontext Schule auf. Im Rahmen dieser<br />

Ar<strong>bei</strong>t werden einige <strong>Schülerfehler</strong> genauer untersucht. Zunächst gibt eine klassische<br />

Einteilung nach Weimer [17] einen Überblick über mögliche Fehler. Der Schülerwettbewerb<br />

Informatik Biber soll als konkretes Beispiel dienen. Eine Fehleranalyse wird<br />

durchgeführt. Diese erfasst die aufgetretenen <strong>Schülerfehler</strong> im Wettbewerb und teilt<br />

sie in Kategorien ein. Ein besonderes Augenmerk liegt hier<strong>bei</strong> auf den Fehlern, die<br />

typisch <strong>für</strong> die Informatik sind. Da nicht alle auftretenden Fehler mit Weimers Einteilung<br />

erklärt werden können, bedarf es einer Erweiterung. Ziel ist es, Lehrerinnen<br />

1


1 Einleitung<br />

und Lehrern einen Überblick zu verschaffen, welche Fehlerarten <strong>bei</strong>m Formulieren von<br />

Aufgaben zu berücksichtigen sind. Deshalb werden die <strong>Schülerfehler</strong> in Bezug zu ihren<br />

Aufgabenformulierungen gesetzt. Im Anschluss werden Empfehlungen gegeben, wie<br />

sich durch gezielte Aufgabenstellung Fehler vermeiden lassen.<br />

2


2 Anmerkungen zur Literatur<br />

Die Informatik ist eine junge Wissenschaft und das Unterrichtsfach existiert erst seit<br />

einigen Jahren. Auch die Forschung befindet sich noch am Anfang. Gerade auf dem<br />

Gebiet der Fehleranalyse im Fach Informatik ist wenig Literatur zu finden.<br />

Einige Autoren untersuchen bereits Fehler in der Informatik. In ihren Werken wird<br />

Weimer [17] häufig zitiert. Er befasst sich bereits 1925 mit der Psychologie der Fehler<br />

sowie der Fehlerbehandlung und Fehlerbewertung. So zitiert <strong>bei</strong>spielsweise Haßlberger<br />

[9] in seiner Doktorar<strong>bei</strong>t Fehler von Berufsschülern <strong>bei</strong> der Ar<strong>bei</strong>t mit dem Computer<br />

”<br />

im Unterrichtsfach Datenverar<strong>bei</strong>tung“ im Jahre 1993 die Fehlerarten nach Weimer.<br />

Seine Erkenntnisse sind <strong>für</strong> diese Ar<strong>bei</strong>t jedoch weniger relevant.<br />

In anderen Fächern sind <strong>Schülerfehler</strong> schon besser erforscht. Jost [12] schreibt über<br />

Fehlerarten in der Mathematik und wie diese zu unterscheiden sind. Gerster [8] setzt<br />

sich in seinem Werk <strong>Schülerfehler</strong> <strong>bei</strong> schriftlichen Rechenverfahren - Diagnose und<br />

”<br />

Therapie“ mit den typischen Fehlern auseinander, die Schüler <strong>bei</strong> Anwendung der<br />

Grundrechenarten machen. Er schreibt unter anderem über Fehler durch Perseveration“,<br />

die bereits von Weimer erforscht sind. Jedoch spielen Rechenfehler in der<br />

”<br />

Informatik keine bedeutende Rolle. Auch <strong>bei</strong> der Autorin Straßburg [16], die über<br />

Fehleranalyse als didaktische Methode schreibt, ist Weimers Kategorisierung präsent.<br />

Diese ist sehr allgemein gehalten und gut auf das Fach Informatik anwendbar. Der<br />

Fehleranalyse in dieser Ar<strong>bei</strong>t wird deshalb Weimers Einteilung zu Grunde gelegt.<br />

Aufgaben, an Hand derer konkrete Fehler aufgezeigt werden, sind dem Schülerwettbewerb<br />

Informatik Biber entnommen. Vorliegende Schülerergebnisse werden <strong>für</strong> die<br />

Analyse herangezogen. Die Quellen [4], [5], [6] zeigen die Aufgabenstellungen. [3], [11]<br />

beschreiben die Entwicklung, die Ziele und die Durchführung des Wettbewerbs. Um<br />

Gemeinsamkeiten von Aufgaben herauszuar<strong>bei</strong>ten, werden eine Kategorisierung [13]<br />

und eine Aufgabenanalyse [14] nach Schlüter hinzugezogen.<br />

Weitere Autoren beschäftigen sich mit den Fragen: Was sind Fehler?“ und Warum<br />

” ”<br />

sind sie sinnvoll?“. Beutelspacher [1] schreibt, dass Fehler genutzt werden können, um<br />

3


2 Anmerkungen zur Literatur<br />

das eigene Wissen zu erweitern. Blanck [2] fordert, dass Fehler gezielt gesucht werden<br />

sollen, um sie <strong>für</strong> den Unterricht zu nutzen. Auch Edelstein [7] ist der Ansicht, dass<br />

man aus Fehlern lernt. Heid [10] grenzt in seiner Ar<strong>bei</strong>t die Begriffe ”<br />

Fehler“ und<br />

Irrtum“ voneinander ab. Schumacher [15] gibt Empfehlungen <strong>für</strong> den produktiven<br />

”<br />

Umgang mit Fehlern. Weinert [18] setzt sich mit der Frage auseinander, wie man aus<br />

Fehlern lernen und sie in Zukunft vermeiden kann.<br />

An diesen Stand der Forschung knüpft die Ar<strong>bei</strong>t an. Es soll nun geklärt werden,<br />

welche Fehlerarten in der Informatik eine Rolle spielen. Hierzu wird eine Fehleranalyse<br />

an Hand der Ergebnisse des Informatik Bibers durchgeführt. Es wird untersucht,<br />

welche Zusammenhänge zwischen <strong>Schülerfehler</strong>n und zugehörigen Aufgabenformulierungen<br />

bestehen. Außerdem werden Empfehlungen gegeben, wie sich durch gezielte<br />

Aufgabenstellung Fehler vermeiden lassen.<br />

4


3 Was sind Fehler?<br />

Die Frage, Was sind Fehler?“ beschäftigt die Wissenschaft schon lange. Edelstein<br />

”<br />

bezeichnet den Fehler als einen Verstoß gegen die Perfektion einer Naturgestalt“ [7,<br />

”<br />

S.112], während Heid und Straßburg [16, S.209] ihn schlicht als Abweichung vom<br />

”<br />

Richtigen“ [10, S.129] definieren. Beide stimmen in ihren Definitionen mit Weimer<br />

überein, der bereits 1925 schreibt: Der Fehler ist eine Abweichung vom Richtigen, die<br />

”<br />

nicht sein soll und nicht zu sein braucht und die darum auch nicht immer in gleicher<br />

Weise eintritt“ [17, S.2]. Weimer betont außerdem, dass im Fehler etwas falsch gemacht<br />

wird, was wir sonst vielleicht richtig machen oder was andere innerhalb der gleichen<br />

”<br />

Leistung fehlerlos zustande bringen“ [17, S.2]. Und auch Blanck sieht den Fehler als<br />

eine Soll-Ist-Differenz“ [2, S.100]<br />

”<br />

Die meisten Autoren sind sich <strong>bei</strong> der Definition des Fehlerbegriffs einig, jedoch<br />

kategorisieren sie die Fehlerarten unterschiedlich. Gerade diejenigen, die einer Fachwissenschaft<br />

wie zum Beispiel einer Sprache oder der Mathematik angehören, entwickeln<br />

Einteilungen, die häufig nicht auf einen anderen Fachbereich übertragbar sind.<br />

Während in der Mathematik zwischen Schnittstellenfehlern, Verständnisfehlern, Automatisierungsfehlern<br />

und Umsetzungsfehlern unterschieden wird [12, S.37 - 39], spricht<br />

Blanck unter Berücksichtigung von Beispielen aus dem Grundschulunterricht von Fehlern<br />

aus Unvermögen, Fehlern aus Unlust und Fehlern auf Grund eines nicht selbst<br />

verschuldeten Versehens [2, S.100]. Dieser Ar<strong>bei</strong>t wird eine allgemeine und oft zitierte<br />

Einteilung zu Grunde gelegt. Sie stammt aus Weimers Psychologie der Fehler“ [17].<br />

”<br />

Weimer unterscheidet zwischen Irrtum und Fehler. Da<strong>bei</strong> ist zu beachten, dass etwas<br />

Falsches nur als Fehler anzusehen ist, wenn der Verursacher es eigentlich besser wüsste.<br />

3.1 Irrtum<br />

Der Irrtum ist ein seelischer Zustand, ein Fürwahrhalten des Falschen, das bedingt<br />

”<br />

ist durch die Unkenntnis gewisser Tatsachen, die <strong>für</strong> die richtige Erkenntnis von we-<br />

5


3 Was sind Fehler?<br />

sentlicher Bedeutung sind. Der Fehler ist eine Handlung, die gegen die Absicht ihres<br />

Urhebers vom Richtigen abweicht und deren Unrichtigkeit bedingt ist durch ein Versagen<br />

psychischer Funktionen“ [17, S.5]. Weimer betont hier<strong>bei</strong>, daß der Irrtum einen<br />

”<br />

Zustand, etwas Verharrendes bezeichnet, der Fehler aber ein Gebilde des Augenblicks<br />

ist“ [17, S.3]. Beim Irrtum ist auffällig, dass der Glaube an die Richtigkeit des in Wirklichkeit<br />

Falschen“ [17, S.4] eine Rolle spielt. Somit ist der Fehler eine Abweichung von<br />

”<br />

”<br />

einer gültigen Norm“ [18, S.102], der Irrtum aber etwas tatsächlich Falsches, das im<br />

”<br />

Widerspruch zur subjektiven Überzeugung steht, es handle sich um etwas Richtiges“<br />

[18, S.102].<br />

Folgendes Beispiel veranschaulicht einen Irrtum: Ein Schüler soll an Hand eines Bildschirmabbildes<br />

herausfinden, um welches Betriebssystem es sich handelt. Er erkennt<br />

links unten in der Taskleiste das Windowssymbol. Es ist von einem Kreis umschlossen.<br />

Der Schüler antwortet deshalb, dass das Bild Windows Vista zeigt. In Wirklichkeit<br />

handelt es sich aber um Windows 7. Der Schüler jedoch hat noch nie etwas von Windows<br />

7 gehört und kennt deshalb das Design nicht. Auf Grund der Ähnlichkeit zu<br />

Windows Vista ist der Schüler davon überzeugt, dass es sich um das besagte Betriebssystem<br />

handelt. Die falsche Antwort stellt nach Weimer somit keinen Fehler dar,<br />

sondern vielmehr einen Irrtum, denn der Schüler kann es nicht besser wissen.<br />

3.2 Fehlerarten<br />

Wo etwas Falsches statt des Richtigen geleistet wird, so muß dieses Falsche im Augenblick<br />

der Leistung in größerer psychischer Bereitschaft gestanden haben als<br />

”<br />

das<br />

Richtige“ [17, S.12], stellt Weimer in seinem Werk ”<br />

Psychologie der Fehler“ fest, das<br />

bereits im Jahr 1925 erschienen ist. Er teilt die Fehlerarten in Geläufigkeitsfehler,<br />

perseverative Fehler, Ähnlichkeitsfehler, Mischfehler und Fehler der gefühls- und willensbedingten<br />

Steigerung ein. Im folgenden Abschnitt wird diese Einteilung genauer<br />

spezifiziert [17], da sie die Basis der späteren Fehleranalyse darstellt.<br />

3.2.1 Geläufigkeitsfehler<br />

Von Geläufigkeitsfehlern spricht man, wenn die Erscheinung auf der Häufigkeit der<br />

Wiederholungen beruht. Wie ein neuer Lerninhalt, der sich erst durch Wiederholen<br />

im Gedächtnis einprägt, so festigt sich auch das Falsche. Es wird durch erneutes Hören<br />

6


3.2 Fehlerarten<br />

und/oder Sehen geläufiger, bis man es <strong>für</strong> richtig hält. Oft prägen sich Schüler etwas<br />

Falsches nur auf Grund der Wiederholung ein. Ohne sie könnte der falsch erfasste<br />

Lerninhalt gelöscht werden. Da der Fehler aber erneut präsentiert wird, verar<strong>bei</strong>tet<br />

ihn das Gedächtnis ein weiteres Mal. Hier<strong>bei</strong> nehmen Wahrnehmungsfehler, Sehfehler<br />

und Lesefehler einen großen Raum ein [17, S. 12 - 21].<br />

Bei einer Abfrage wird <strong>bei</strong>spielsweise ein Schüler gefragt, welche Codewörter in einer<br />

SQL-Abfrage vorkommen und in welcher Reihenfolge sie zu verwenden sind. Er<br />

antwortet: SELECT, WHERE, FROM.“ Die richtige Reihenfolge wäre SELECT,<br />

” ”<br />

FROM, WHERE.“ Der Lehrer entgegnet ihm darauf. Nein, SELECT, WHERE,<br />

”<br />

FROM ist falsch. Wenn du erst den SELECT-Teil, dann den WHERE-Teil und zuletzt<br />

den FROM-Teil in deine SQL-Abfrage eingibst, wird die Datenbank keine Ergebnisse<br />

liefern.“ Der Lehrer wiederholt den Fehler zwei Mal. Beim Schüler prägt sich durch<br />

diese Wiederholung die falsche Reihenfolge SELECT, WHERE, FROM ein.<br />

3.2.2 Perseverative Fehler<br />

Weimer untersucht eine weitere Gruppe von Fehlerarten, die perseverativen Fehler.<br />

Hier<strong>bei</strong> widmet er sich dem Phänomen, dass einmal angeregte Vorstellungen beliebigen<br />

Inhalts immer wieder in Gedankengängen erscheinen. Bei einem solchen Sachverhalt<br />

spricht man von Beharrung oder Perseveration. Der sogenannte Ohrwurm ist<br />

ein Beispiel hier<strong>für</strong>. Ein Lied, das man einmal gehört hat, erscheint in Gedanken immer<br />

wieder. Bedingt ist dies durch die sogenannte perseverierende Kraft. Diese ist<br />

um so stärker, je eindringlicher ein Erlebnis einen Menschen beschäftigt hat und je<br />

jünger er ist. Somit ruft die besagte Kraft ein einschneidendes Erlebnis häufiger ins<br />

Gedächtnis zurück, als einen unbedeutenden Sachverhalt. Fehler, die auf Grund dieser<br />

Kraft auftreten, nennt man perseverative Fehler. Man unterteilt sie in Nachwirkungs-,<br />

Vorwirkungs- und Einstellungsfehler [17, S. 21f].<br />

Nachwirkungsfehler<br />

Unter Nachwirkungsfehlern versteht man die fehlerhafte Wiederkehr von Lauten,<br />

”<br />

beziehungsweise Lautzeichen, Silben, Wörtern, Ziffern, Bewegungen usw. an Stellen,<br />

wo sie nicht hingehören“ [17, S. 22]. Hier kann der Fehler als Zusatz neben den richtigen<br />

Bestandteilen auftreten, oder aber einen richtigen Anteil verdrängen. Beim Sprechen<br />

eines Satzes wird ein zusätzliches Wort gesprochen oder auch ein Wort durch ein<br />

7


3 Was sind Fehler?<br />

anderes, schon gesagtes ersetzt. In der geschriebenen Sprache werden Silben oder ganze<br />

Wörter wiederholt. Auch Ziffern können Nachwirkungsfehler verursachen. Ein Beispiel<br />

liefert die binäre Addition: II + I = I0I statt I00. I wirkt hier<strong>bei</strong> so stark nach, dass<br />

Schüler I0I statt I00 schreiben. Das richtige Ergebnis I00 wird durch die Nachwirkung<br />

der I verdrängt [17, S. 21 - 28].<br />

Vorwirkungsfehler<br />

Von einem Vorwirkungsfehler spricht man, wenn <strong>bei</strong>spielsweise ein Wort eines Satzes<br />

so stark auf den Sprecher wirkt, dass er es früher im Satz ausspricht und somit der<br />

eigentliche Sinn der Aussage verändert wird. Zum Zeitpunkt des Fehlers hätte der<br />

Gedanke noch gar nicht entstehen sollen. Da er aber so stark ist, tritt er schon früher<br />

hervor und beeinflusst einen aktuellen Denkvorgang. Deswegen kommt es zum Fehler.<br />

Auch <strong>bei</strong>m Programmieren treten solche Fehler auf. Wenn <strong>bei</strong>spielsweise ein String<br />

mit dem Wert Integer“ erzeugt werden soll, ist häufig folgendes zu lesen:<br />

”<br />

Integer a = ”<br />

Integer“;<br />

Eigentlich müsste a als String deklariert werden. Der Wert der Variablen – Integer“– ”<br />

wirkt aber so stark vor, dass die Variable a auch fälschlicherweise als Integer und nicht<br />

als String deklariert wird. Die perseverierende Kraft beeinflusst den Programmierer<br />

so, dass dieser bereits <strong>bei</strong> der Typdeklaration Integer schreibt, obwohl er sich erst am<br />

Ende der Zuweisung über den Wert Gedanken machen sollte [17, S. 28 - 34].<br />

Häufiger als in der geschriebenen Sprache treten Fehler dieser Art <strong>bei</strong>m Sprechen<br />

auf, denn das Gedachte kann schneller gesagt werden, als geschrieben. Ein Versprecher<br />

der Kategorie Vorwirkungsfehler ist folgender: Die Henne legt Milch“. Hier sollten<br />

”<br />

eigentlich zwei Sätze gesprochen werden: Die Henne legt Eier. Die Kuh gibt Milch.“<br />

”<br />

Der Gedanke an Milch drängt sich aber so in den Vordergrund, dass nun die Henne<br />

Milch legt [17, S. 28 - 34].<br />

Beim Sprechen ist der Mensch einem doppelten psychischen Einfluss ausgesetzt: 1.<br />

”<br />

der Vorwirkung, welche die nachfolgenden Vorstellungen ausüben, die selbst schon in<br />

sprachlicher Form im Bewusstsein anliegen, 2. der Nachwirkung, die von dem gesprochenen<br />

oder geschriebenen Wort im Bewusstsein zurückgeblieben ist“ [17, S. 29].<br />

8


3.2 Fehlerarten<br />

Einstellungsfehler<br />

Den perseverativen Fehlern ebensfalls untergeordnet ist der Einstellungsfehler. Er<br />

bringt folgendes Phänomen mit sich: Im Allgemeinen fällt es einem Menschen schwer,<br />

sich von einer Sekunde auf die andere auf eine neue Situation einzustellen. Er ist auf<br />

die alte Situation fixiert. Deswegen sind während der neuen Situation seine Gedanken<br />

noch <strong>bei</strong> der alten [17, S. 34 - 39].<br />

Auch im Unterricht kann man Einstellungsfehler beobachten. Sie treten auf, wenn<br />

ein Lehrer in seinem Unterrichtsfach von den Schülerinnen und Schülern Leistungen<br />

aus einem anderen Fach fordert. Den Kindern und Jugendlichen fällt es schwer, sich auf<br />

das andere Fach einzustellen. Sollen sie in einer Englischstunde plötzlich französisch<br />

sprechen, treten Fehler auf wie il a done an Stelle der richtigen Formulierung il a<br />

fait. Das liegt daran, dass ”<br />

die einmal eingeschlagene Richtung [...] eine zu große<br />

Beharrungskraft“ hat [17, S. 36]. Man spricht in diesem Fall vom Einstellungsfehler.<br />

Im Informatikunterricht könnte diese Fehlerart wie folgt auftreten: Ein Lehrer, der<br />

neben Informatik auch Mathematik unterrichtet, bittet seine Schüler eine HTML-<br />

Seite zum Thema ”<br />

Lösen von quadratischen Gleichungen“ zu gestalten. Auch die<br />

Lösungsformel x 1,2 = −b±√ b 2 −4ac<br />

soll Inhalt der Seite sein. Im Mathematikunterricht<br />

2a<br />

haben die Schülerinnen und Schüler diese bereits gelernt und wenden sie seit einigen<br />

Wochen sicher an. Trotzdem ist ein Großteil der Klasse nicht in der Lage die besagte<br />

Formel auf die HTML-Seite zu schreiben. Sie können nicht von einem Fach auf das<br />

andere ”<br />

umschalten“.<br />

3.2.3 Ähnlichkeitsfehler<br />

Neben den perseverierenden Fehlern und den Geläufigkeitsfehlern stellt Weimer auch<br />

die Ähnlichkeitsfehler vor. Das sind Fehler, die auf Grund ähnlicher Gestalt z.B.von<br />

Zeichen vorkommen. Bei Schülerinnen und Schülern ist festzustellen, dass sie anfangs<br />

häufig ≤ mit ≥ verwechseln. Diese Art von Fehler kann noch weiter unterteilt werden<br />

in: allgemeine Ähnlichkeitsfehler, Wahlfehler und die Ranschburgsche Hemmung [17,<br />

S. 40f].<br />

9


3 Was sind Fehler?<br />

Allgemeine Ähnlichkeitsfehler, Klang- und Gestaltungsassoziationen<br />

Man unterscheidet drei Arten von Ähnlichkeit:<br />

1. Ähnlichkeit auf Grund partieller Gleichheit: Sie ist da vorhanden, wo die ähnlichen<br />

Bewusstseinsinhalte gemeinsame Bestandteile haben“[17, S. 41].<br />

”<br />

2. Ähnlichkeit auf Grund relativer Gleichheit: verschiedene Objekte stimmen in der<br />

gleichen räumlichen oder zeitlichen Anordnung der Teile überein<br />

3. Ähnlichkeit auf Grund qualitativer Nachbarschaft: z.B. Konsonanten, die ähnlich<br />

klingen<br />

Ein Beispiel <strong>für</strong> letzteres wäre die Verwechslung von Buchstaben wie b und d. Beide<br />

sehen ähnlich aus, deshalb spricht man auch von optischer Ähnlichkeit. Außerdem<br />

ist die Klangähnlichkeit als Fehlerquelle nicht zu unterschätzen. Das lässt sich relativ<br />

einfach am Telefon ausprobieren. Wenn eine Person <strong>bei</strong>spielsweise ihren Nachnamen<br />

nennt, wird dieser häufig am anderen Ende der Leitung falsch verstanden. Es treten<br />

Verwechslungen von p, t und k oder sch, f z, ss, x und ch auf.<br />

Durch die Klangähnlichkeit lassen sich auch manche Diktatfehler erklären. Vor allem<br />

<strong>bei</strong> Lehrern mit Dialekt zeigen die Schüler häufiger Hörfehler. Grundschullehrer in<br />

Franken müssen deshalb besonders darauf achten, die Laute d und t deutlich zu sprechen,<br />

damit die Schülerinnen und Schüler den Unterschied hören können. Die Zahl ”<br />

[...] solcher Hörfehler würde noch viel größer sein, wenn nicht der Sinn des Mitgeteilten<br />

den Hörer vor zahlreichen möglichen Missverständnissen bewahrte“[17, S. 45] [17, S.<br />

41 - 46].<br />

Beim Programmieren in Java muss jeder Befehl mit einem Strichpunkt beendet<br />

werden. Häufig wird aber stattdessen ein Komma gesetzt. Dieser Fehler wird von den<br />

Schülerinnen und Schülern nicht bemerkt, da , und ; ähnlich aussehen. Es handelt sich<br />

auch hier um einen Ähnlichkeitsfehler.<br />

Wahlfehler<br />

Wahlfehler sind Fehler, die sich aus der Möglichkeit der Wahl zwischen zwei oder<br />

”<br />

mehreren einander ähnlichen und irgendwie zueinander in Beziehung stehenden Vorstellungen<br />

ergeben“ [17, S. 46]. Beim gleichklingenden Wortpaar ’Laib - Leib’ sind sich<br />

10


3.2 Fehlerarten<br />

Schüler häufig nicht sicher, welche Schreibweise sie gerade benötigen. Auch technische<br />

Bezeichnungen innerhalb ein und desselben Gebietes, die mehrere Bestandteile<br />

”<br />

gemeinsam haben, werden [...] vertauscht“ [17, S. 47]. In der Chemie werden Kalium<br />

und Calcium häufig verwechselt und in der Mathematik kann man beobachten, dass<br />

Schüler die Bezeichnungen Dividend und Divisor falsch zuordnen. Auch das Vertauschen<br />

von rechts und links tritt häufig auf. Ein Beispiel aus der Informatik ist die<br />

Verwechslung von Rechts- und Linksklick mit der Maus [17, S. 46 - 50].<br />

Ranschburgsche Hemmung<br />

Die Ranschburgsche Hemmung tritt <strong>bei</strong> der Auffassung und Wiedergabe gleichzeitig<br />

”<br />

oder rasch hintereinander dargebotener Reize“ [17, S. 51] auf. Man könnte sie auch<br />

als Ähnlichkeitshemmung bezeichnen. Sie führt <strong>bei</strong>m Lernen ähnlicher Sachverhalte<br />

zu Fehlern. Oft schaffen es Schülerinnen und Schüler nicht zwei ähnliche Lerninhalte<br />

nacheinander aufzunehmen. Den ersten behalten sie noch, der zweite wird aber nicht<br />

aufgenommen.<br />

Es ist wissenschaftlich belegt, dass homogene Reihen – mit gleichen Bestandteilen<br />

– schwerer zu erlernen sind, als heterogene. Bei homogenen Reihen tritt die besagte<br />

Hemmung auf. Das Aussprechen von Zungenbrechern bereitet den meisten Menschen<br />

Probleme. Nur mit erhöhter Konzentration sind sie fähig, diese korrekt auszusprechen<br />

und sich somit der Ranschburgschen Hemmung zu widersetzen.<br />

Mit ihr lässt sich auch das Ausgleiten des Blicks <strong>bei</strong>m Lesen in eine folgende oder<br />

vorausgehende Zeile erklären, die statt der angefangenen weitergelesen wird. Diesen<br />

Fehler kann man auch im Informatikunterricht beobachten, wenn eine mehrzeilige<br />

Erklärung vom Beamer vorgelesen werden soll [17, S. 50 - 55].<br />

3.2.4 Mischfehler<br />

Mischfehler sind Kontaminationen, das heißt Verschmelzungen mehrerer Ausdrucksformen<br />

zu einer neuen. Aus zwei Wörtern wird ein neues Wort kreiert. Die Wortkombination<br />

Auswände – Kontamination aus Ausrede und Einwände – ist ein Beispiel da<strong>für</strong>.<br />

Beim Programmieren könnte man Strinteger a = 10; statt Integer a = 10; String b =<br />

zehn“; zu sehen bekommen.<br />

”<br />

Als Mischfehler vom psychologischen Standpunkt aus können [...] nur diejenigen<br />

”<br />

angesehen werden, <strong>für</strong> die sich eine besondere psychische Wurzel der Vermischung<br />

11


3 Was sind Fehler?<br />

nachweisen läßt“ [17, S. 55f]. Sie kommen durch teilweise gegenseitige Verdrängung<br />

oder durch gegenseitige Ergänzung von Vorstellungen zu Stande. Die neue Form<br />

”<br />

braucht die Spuren der Vermischung nicht erkennen zu lassen“ [17, S. 56]. Deswegen<br />

treten oft Wortvermischungen auf, deren Ursprungswörter nicht mehr gefunden werden<br />

können.<br />

Besagte Mischfehler sind häufig in Schüleraufsätzen zu finden. Überhaupt ist die<br />

”<br />

große Mehrzahl der Rechtschreibungsfehler auf den verwirrenden Einfluß von gleichzeitig<br />

auftauchenden Nebenvorstellungen zurückzuführen“ [17, S. 58]. Schüler schreiben<br />

z.B. Hypothenuse statt Hypotenuse, da diese meistens im Zusammenhang mit der<br />

Kathete genannt wird [17, S. 55 - 62].<br />

3.2.5 Gefühls- und willensbedingte Fehler<br />

Gefühls- und willensbedingte Fehler fallen in die letzte Kategorie von Weimers Einteilung.<br />

Diese lässen sich weiter aufspalten: Die Fehler der gefühlsmäßigen Vordrängung<br />

sowie der gefühls- und willensbedingten Steigerung, die Suggerierten Fehler und die<br />

Freudsche Verdrängung gehören ihr an [17, S. 62f].<br />

Fehler der gefühlsmäßigen Vordrängung<br />

Bei diesem Fehlertyp, der auch Vordrängungsfehler genannt wird, werden die wahrgenommenen<br />

Gegenstände, Eigenschaften und Vorgänge [...] so gedeutet, wie es das<br />

”<br />

Gefühl verlangt“ [17, S. 63]. Eine Situation kann deshalb unterschiedlich interpretiert<br />

werden. Von einer ängstlichen Person wird z.B. eine dunkle Straße als bedrohlich gesehen.<br />

Das Gefühl der Angst drängt sich so in den Vordergrund, dass die Person <strong>bei</strong><br />

jedem Geräusch, das zu hören ist, <strong>bei</strong>spielsweise einen Verbrecher vermutet. Läuft die<br />

Person aber mit guten Gefühlen durch die Straße, wird sie feststellen, dass es nur der<br />

Wind ist [17, S. 63 - 67].<br />

Auch hier beeinflusst gefühlsmäßige Vordrängung das Denken: Eine Frau, die eine<br />

starke Abneigung gegen Flöhe hat, vermutet in jedem Jucken die Wirkung eines<br />

”<br />

von solchen Tieren ausgehenden Reizes“ [17, S. 64]. Ein ähnliches Phänomen ist in<br />

der Schule zu beobachten: Bei Schulaufgaben wertet ein misstrauischer Lehrer den<br />

unglücklichen Blick eines Schülers als Täuschungsversuch.<br />

Die meisten Menschen sind sich auch bewußt, daß die Gefühle sowohl unsere Wahrnehmungen<br />

wie unsere Urteile und Erinnerungen fälschen können“ [17, S. 63].<br />

”<br />

Wenn<br />

12


3.2 Fehlerarten<br />

sie sich ihre Gefühle bewusst machen und erkennen, welchen Einfluss diese haben,<br />

können Vordrängungsfehler reduziert werden. Dann wertet der misstrauische Lehrer<br />

durch längeres Beobachten den unglücklichen Blick des Schülers als abschweifenden<br />

ohne Hintergrund [17, S. 63 - 67].<br />

Ein Beispiel aus dem Informatikunterricht: Eine Schülerin hatte vor kurzem einen<br />

Virus auf ihrem eigenen Computer. Als ihr Rechner im Computerraum ständig abstürzt,<br />

ist sie der Meinung, dass auch dieser Rechner von einem Virus infiziert sein muss.<br />

Fehler der gefühls- und willensbedingten Steigerung<br />

Bei Fehlern der gefühls- und willensbedingten Steigerung werden stärkere Vorstellungen<br />

vor den schwächeren bevorzugt“ [17, S. 67]. Diese Fehler bezeichnet man auch als<br />

”<br />

Steigerungsfehler. Sie treten in den unterschiedlichsten Bereichen auf. Zum Beispiel<br />

im Fernsehen <strong>bei</strong> Berichten von Flugzeugabstürzen. Hier wird die Zahl der Toten und<br />

”<br />

Verwundeten in mündlichen Berichten meistens größer angeben, als sie wirklich ist,<br />

und sie wächst mit der Zahl der Berichterstatter“ [17, S. 67].<br />

Auch unter Kindern lassen sich Beispiele finden. Vor allem Jüngere haben eine<br />

Vorliebe <strong>für</strong> große Zahlen. Bei dem Spiel Fischer wie tief ist das Wasser wird von<br />

den Kindern häufig eine Wassertiefe wie eine Million Trilliarden Meter angegeben.<br />

Die Kinder haben zwar noch keine Vorstellung von Zahlen in dieser Größenordnung,<br />

neigen aber schon in diesem Alter zu Übertreibungen. Beim Hochfahren eines Rechners<br />

hört man häufig die Aussage Der Computer braucht ja wieder 100 Stunden“. Auch<br />

”<br />

hier wird deutlich übertrieben. Viele Beispiele findet man in Schüleraufsätzen,wenn<br />

Kinder zur verstärkten Verwendung des Superlativs neigen. [17, S. 67 - 70].<br />

Suggerierte Fehler<br />

Unbewusste Willenslenkung durch äußere Umstände“ [17, S. 71] bezeichnet Weimer<br />

”<br />

als Suggerierte Fehler. Die Suggestion unterteilt er in:<br />

• aktive Suggestion: Einfluss, der von einer Person oder Sache ausgeht<br />

• passive Suggestion: seelischer Zustand der beeinflussten Person<br />

Die Beeinflussung, die in der passiven Suggestion zutage tritt, setzt Schwäche des<br />

”<br />

eigenen Willens sowie Mangel an Erfahrung und Urteilskraft voraus“ [17, S. 71].<br />

13


3 Was sind Fehler?<br />

Ein Beispiel <strong>für</strong> eine Suggestion: In einer Konversation stellt der eine Beteiligte<br />

dem anderen eine Frage, auf die er eine bestimmte Antwort hören möchte. Deswegen<br />

formuliert er die Frage so, dass der Gesprächspartner fast nur in der Weise antworten<br />

kann, wie es der Fragende möchte. Auf die Frage Du willst das doch nicht wirklich<br />

”<br />

tun?“ erwartet der Fragende ein Nein“ und auch der Gesprächspartner wird auf eine<br />

”<br />

solche Frage mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Nein“ antworten.<br />

”<br />

Auch in der Schule findet Suggestion statt. Lehrer benutzen sie, um eine ganz bestimmte<br />

Antwort aus dem Schüler heraus zu locken. Man gebraucht sie [die Suggestion]<br />

in der Not, etwa wenn die Mehrzahl der Schüler versagt“ [17, S. 74]. Jedoch kann<br />

”<br />

Suggestion auch negativ interpretiert werden. Manche Lehrer benutzen sie um Schüler<br />

zu verwirren oder um zu testen, ob sie den Unterrichtsstoff auch wirklich verstanden<br />

haben. Ein Beispiel hier<strong>für</strong> ist die Frage: Ist die 16 im Hexadezimalsystem g oder h?“<br />

”<br />

Beide Alternativen sind hier falsch. Dem Lernenden wird aber durch die Fragestellung<br />

suggeriert, dass eine richtig ist. Wählt er eine der <strong>bei</strong>den Antworten, so macht er einen<br />

Suggerierten Fehler.<br />

Es kann auch passieren, dass Schüler in einer Frage eine Suggestion vermuten, diese<br />

aber gar nicht da ist. Bei schwachbegabten Kindern können z.B. Fragen suggestiv<br />

”<br />

wirken, <strong>bei</strong> denen jede Absicht der Beeinflussung fehlt“ [17, S. 80]. Auch sie machen<br />

einen Suggerierten Fehler [17, S. 70 - 75].<br />

Die Freudsche Verdrängung<br />

Weimer geht in seinem Werk ”<br />

Psychologie der Fehler“[17] auch auf die Freudsche<br />

Verdrängung ein. Er berichtet, dass Sigmund Freud seit 1898 auch das Vergessen von<br />

Eigennamen, fremdsprachigen Worten, Daten und Vorsätzen, sowie Fehler des Versprechens,<br />

Verlesens, Verschreibens, Vergreifens und scheinbare Zufallshandlungen mit<br />

der Freudschen Verdrängung zu erklären versucht. Darunter versteht man die ”<br />

Erscheinung<br />

der Hysterie auf eine unvollkommene Verdrängung unangenehmer Vorstellungen“<br />

[17, S. 76]. So könnte das Vergessen des Pumping Lemmas in der Theoretischen Informatik<br />

als Freudsche Verdrängung gedeutet werden.<br />

Als Motive, die solche Wirkung auslösen, bezeichnen die Psychoanalytiker selbstsüchtige,<br />

eifersüchtige, feindselige, unsoziale Gefühle und Wünsche“[17, S. 76].<br />

”<br />

Zu<br />

ihnen gehören <strong>bei</strong>spielsweise Habsucht, Ehrgeiz, Herrschsucht, Hass, Neid, Missgunst,<br />

14


3.2 Fehlerarten<br />

der Tötungswunsch, Angst und ”<br />

ganz besonders aber sexuelle Triebe und Neigungen<br />

z. T. krassester und unnatürlichster Art“ [17, S. 76].<br />

Es ist jedoch schwer festzustellen, inwieweit die Freudsche Verdrängung in der Schule<br />

eine Rolle spielt. Freud selbst bringt nur ein einziges Beispiel aus dem Schulleben, das<br />

sehr umstritten ist. Es handelt von einem Schüler der zum ersten Mal ein auswendig<br />

gelerntes Gedicht vor der Klasse aufsagen muss. Den Titel des Gedichtes trägt er noch<br />

richtig vor. Statt den Namen des Autors, nennt der Schüler jedoch seinen eigenen, da<br />

er den gleichen Vornamen hat, wie der Autor [17, S. 78].<br />

Trotzdem ist Weimer der Meinung, dass man ”<br />

die Verdrängung des Unlustmotivs<br />

unter das große Heer von Fehlsamkeitsbedingungen“ [17, S. 79] einreihen sollte, da sie<br />

denselben Mutterboden zu Verfehlungen wie Ermüdung, Angst [und] Eile“ [17, S. 79]<br />

”<br />

schafft [17, S. 75 - 79].<br />

Die letzten Seiten geben einen Überblick über die Fehlerkategorisierung nach Weimer.<br />

Auf Grund ihrer allgemeinen Formulierung kann sie auch auf das Fach Informatik<br />

übertragen werden. Außerdem gibt sie Lehrerinnen und Lehrern einen guten Einblick<br />

in die Welt der Fehler“. Im folgenden Kapitel wird der Informatik Biber vorgestellt.<br />

”<br />

Dieser Schülerwettbewerb soll als Beispiel <strong>für</strong> eine Fehleranalyse dienen. Vorliegende<br />

Schülerergebnisse werden gezielt auf Fehler untersucht. Bei der Ursachenfindung spielt<br />

die Aufgabenformulierung eine zentrale Rolle.<br />

15


4 Der Informatik Biber<br />

Nachdem bereits die Frage Was sind Fehler?“ genauer untersucht wurde, werden die<br />

”<br />

gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen einer Fehleranalyse auf konkrete Beispiele angewendet.<br />

Hier<strong>für</strong> soll der Informatik Biber dienen. Dieser ist auch unter dem Namen<br />

Bibertest bekannt. Im Folgenden wird er kurz vorstellt. Neben seinem geschichtlichen<br />

Hintergrund werden auch Ziele beschrieben. Die Durchführung des Informatik Bibers<br />

im Jahre 2007 wird genauer erläutert. Außerdem erfolgt eine Erklärung des Anschauungsmaterials,<br />

auf dem die Fehleranalyse basiert.<br />

4.1 Geschichte<br />

Die Idee des Bibertests stammt von Valentina Dagiene, einer Professorin, die in Litauen<br />

geboren ist. Dort wird im Jahre 2004 auch der erste Bibertest organisiert [11].<br />

Er folgt einem ähnlichen Ansatz wie der Mathematik-Wettbewerb ’Känguru’: Kurze<br />

”<br />

und schnelle innerhalb einer begrenzten Zeit zu beantwortende Fragen, [...] sowie Aufgaben,<br />

die inhaltlich zwischen beteiligten Ländern abgestimmt werden“ [3].<br />

Eines der Ziele der litauischen Professorin ist es, den Bibertest zu einer internationalen<br />

Initiative ’Bebras International Contest on Informatics and Computer Fluency’<br />

auszubauen. Seit 2004 folgen einige europäische Länder dem Beispiel Litauens.<br />

Estland, Deutschland, die Niederlande und Polen machen 2006 den Anfang. Ein Jahr<br />

später führen auch Österreich, Lettland und die Slowakei den Bibertest durch. Insgesamt<br />

absolvieren im Jahre 2007 etwa 50.000 Teilnehmer aus sechs Ländern den<br />

Informatik Biber [3], [11].<br />

Die Tschechische Republik und die Ukraine veranstalten 2008 ihren ersten Bibertest.<br />

Insgesamt nehmen in diesem Jahr zehn Länder mit über 96.000 Schülerinnen und<br />

Schülern am Test teil. Ein Jahr später kann der Informatik Biber schon erstaunliche<br />

160.000 Teilnehmer verzeichnen, von denen über die Hälfte aus Deutschland kommt.<br />

17


4 Der Informatik Biber<br />

Prozentual zur Bevölkerung gesehen, stellt das Geburtsland des Bibertests – Litauen<br />

– den größten Anteil. Auch weitere Länder sind am Schülerwettbewerb Informatik<br />

Biber interessiert. In Italien wird 2009 eine verkürzte Version durchgeführt, außerdem<br />

stehen Bulgarien, Finnland und Israel auf dem Sprungbrett zur Bibergruppe [3], [11].<br />

Im Rahmen des Informatikjahrs 2006 [...] [wird] der Informatik Biber als gemeinsame<br />

Initiative des Bundeswettbewerbs Informatik und des Ar<strong>bei</strong>tsbereichs<br />

”<br />

Didaktik<br />

der Informatik der Universität Münster erstmals in Deutschland durchgeführt“ [3].<br />

4.2 Ziele des Informatik Bibers<br />

Im Folgenden wird auf die Ziele des Informatik Bibers eingegangen. Sie können auch<br />

auf der Homepage des Tests abgerufen werden.<br />

Interesse an Informatik wecken<br />

Ziel des Wettbewerbs ist [...] das Interesse an Informatik durch eine erste attraktive<br />

”<br />

Begegnung mit den Konzepten dieses Faches zu wecken. Jugendliche werden angeregt,<br />

aktiver und bewusster mit Informationstechnik umzugehen“ [3] Den Schülerinnen und<br />

Schülern wird ein Einblick in die Informatik gewährt, wie sie im Alltag auffindbar<br />

ist. Hier<strong>bei</strong> lernen sie, wie vielseitig informatische Anwendungsmöglichkeiten sind. So<br />

soll der Informatik Biber dazu <strong>bei</strong>tragen, dass das Fach Informatik an Attraktivität<br />

gewinnt und im Schulalltag einen größeren Anteil einnimmt [3].<br />

Abbau von Berührungsängsten<br />

Berührungsängste mit dem Fach Informatik abzubauen, soll durch unterhaltsame und<br />

überraschende Aufgaben verwirklicht werden. Konkreter Bezug zum Alltag ist hier<strong>bei</strong><br />

förderlich. Trotzdem ist der Gehalt der Aufgaben anspruchsvoll und klar informatisch“<br />

[3]. Außerdem will der Informatik Biber bewusst auch Mädchen ansprechen<br />

”<br />

[3].<br />

Anregung zur weiteren Beschäftigung mit Informatik<br />

Mit dem Informatik Biber bekommen die Schülerinnen und Schüler einen Einblick in<br />

informatische Fragestellungen. Jedoch sind die Aufgaben auch ”<br />

bewusst <strong>für</strong> eine wei-<br />

18


4.3 Durchführung im Jahr 2007<br />

terführende Beschäftigung mit Informatik über den Wettbewerb hinaus angelegt“ [3].<br />

Diese kann in der Familie, in Ar<strong>bei</strong>tsgemeinschaften oder auch im Unterricht erfolgen<br />

[3].<br />

4.3 Durchführung im Jahr 2007<br />

Da sich die Testauswertung auf das Jahr 2007 bezieht, wird die Durchführung in<br />

Deutschland nur <strong>für</strong> dieses Jahr beschrieben. In anderen Ländern und Jahren verläuft<br />

diese aber ähnlich.<br />

Im Jahr 2007 wird der Informatik Biber in den Altersgruppen 5. bis 7. Klasse, 8.<br />

bis 10. Klasse und 11. Klasse und älter durchgeführt. Insgesamt werden 18 Aufgaben<br />

gestellt, die sich in die Kategorien einfach (6 Aufgaben), mittelschwer (6 Aufgaben)<br />

und schwer (6 Aufgaben) einteilen lassen. Die Fragen sind kurz formuliert und ohne<br />

informatische Vorkenntnisse zu beantworten. Strukturiertes und logisches Denken<br />

ist gefordert. 2007 wird der Informatik Biber als reiner Multiple-Choice-Test mit vier<br />

Antwortalternativen konzipiert, von denen nur eine richtig ist. Die Reihenfolge der<br />

Alternativen wird nach dem Zufallsprinzip festgelegt. Auch die Aufgabenreihenfolge<br />

ist von Test zu Test verschieden. Den Schülerinnen und Schülern wird der Schwierigkeitsgrad<br />

der Aufgabe angezeigt. Außerdem ist ihnen das Bewertungsschema bekannt.<br />

Hier ist zu berücksichtigen, dass falsche Antworten mit größerem Punktabzug bestraft<br />

werden, als nicht beantwortete Fragen.<br />

4.4 Untersuchungsmaterial<br />

Das Untersuchungsmaterial <strong>bei</strong>nhaltet die Schülerergebnisse des Informatik Bibers in<br />

Deutschland aus dem Jahr 2007. Von jedem Schüler sind die kompletten Antworten<br />

erfasst, außerdem hat man Informationen über die besuchte Schule. Einstufungen in<br />

die Altersgruppe der 5. bis 7. Klasse, der 8. bis 10. Klasse oder der 11. Klasse und älter<br />

sind auch bekannt. Bei einigen Schülerinnen und Schülern ist zudem das Alter erfasst.<br />

In der Altersgruppe der 5. bis 7. Klasse gibt es 8118 Teilnehmer, deren Ergebnisse<br />

vorliegen. Aus den Klassenstufen 8 bis 10 sind 8225 Datensätze vorhanden, <strong>bei</strong> den<br />

Schülerinnen und Schülern ab der 11.Klasse sind es 5403.<br />

19


4 Der Informatik Biber<br />

Diese Schülerergebnisse werden im folgenden Kapitel analysiert. Im Rahmen einer<br />

Fehleranalyse erfolgt eine Einteilung der auftretenden Fehler in die Kategorien nach<br />

Weimer. Da<strong>bei</strong> wird deutlich, dass diese Kategorisierung <strong>für</strong> das Fach Informatik unvollständig<br />

ist, sie wird deshalb erweitert. Nach Untersuchung der Zusammenhänge<br />

zwischen Fehler und Aufgabenstellung werden Empfehlungen <strong>für</strong> eine fehlervermeidende<br />

Aufgabenformulierung gegeben.<br />

20


5 Fehleranalyse<br />

Die Fehleranalyse ist eine Methode, die es dem Lehrer ermöglicht, Einsicht in individuelle<br />

Lösungsstrategien des Schülers zu erlangen“ [16, S. 209]. Durch sie kann<br />

”<br />

ein<br />

Lehrer erkennen, welche Aufgaben den Schülerinnen und Schülern leicht fallen und <strong>bei</strong><br />

welchen Probleme auftreten. Außerdem gibt die Fehleranalyse Aufschluss darüber, wie<br />

Aufgaben formuliert werden müssen, um bestimmte Fehler zu vermeiden. Im folgenden<br />

Kapitel werden die Aufgaben des Bibertests von 2007 untersucht und die auftretenden<br />

<strong>Schülerfehler</strong> in Kategorien eingeteilt. Der erste Teil zeigt eine Rückführung auf<br />

die Fehlerarten nach Weimer, während sich der zweite Teil jenen widmet, die Weimer<br />

nicht zu seiner Kategorisierung zählt. Im dritten Teil werden die Aufgaben, die den<br />

gleichen Fehler hervorbringen, auf Gemeinsamkeiten untersucht. Eine Übersicht ist auf<br />

Seite 54 zu finden. Zuletzt liefert diese Ar<strong>bei</strong>t Empfehlungen, wie sich durch gezielte<br />

Aufgabenstellung Fehler vermeiden lassen und wie mit Fehlern umgegangen werden<br />

kann.<br />

5.1 Untersuchung des Bibertests auf die Fehlerarten<br />

nach Weimer<br />

Dieser erste Teil der Analyse befasst sich mit den Fehlerarten nach Weimer. Sie wurden<br />

in Kapitel 3 bereits genauer erklärt. Nun soll untersucht werden, ob diese Fehler auch<br />

in der Informatik, insbesondere <strong>bei</strong>m Bibertest, anzutreffen sind.<br />

5.1.1 Analyse der Aufgaben<br />

Nach einer kurzen Beschreibung der Aufgaben werden die jeweiligen Antwortalternativen<br />

aufgezeigt und mit ihren Nennungshäufigkeiten versehen. Anschließend erfolgt<br />

die Zuordnung der Fehlerarten nach Weimer.<br />

21


5 Fehleranalyse<br />

Biber und Bisons<br />

Die Aufgabe Biber und Bisons wird in den Klassenstufen 8 bis 10, sowie 11 und<br />

höher gestellt. Den Schülerinnen und Schülern wird mitgeteilt, dass Biber immer die<br />

Wahrheit sagen und Bisons stets lügen. In einem Biber-und-Bison-Zeltlager wohnen<br />

insgesamt zehn Tiere. Ein blinder Maulwurf möchte herausfinden, wie viele der zehn<br />

Tiere Biber und wie viele Bisons sind. Deshalb fragt er jedes Tier danach, wie viele<br />

Biber es hier gibt. Er bekommt folgende Antworten: 3, 4, 1, 4, 1, 1, 3, 4, 3, 2. Aus<br />

diesen Antworten kann sich der Maulwurf ableiten, wie viele Biber und Bisons im<br />

Zeltlager sind. Für die Schülerinnen und Schüler bleibt die Frage zu klären:<br />

Wie viele Biber sind im Biber-und-Bison-Zeltlager?<br />

”<br />

A) 1<br />

B) 2<br />

C) 3<br />

D) 4“ [6]<br />

Abbildung 5.1: Biber und Bisons - Verteilung der Antworten<br />

Im folgenden werden die Ergebnisse der 8. bis 10. Klasse untersucht. Die älteren<br />

Jahrgangsstufen liefern ein ähnliches Fehlerbild. Unter ihnen lösen prozentual gesehen<br />

22


5.1 Untersuchung des Bibertests auf die Fehlerarten nach Weimer<br />

mehr Schülerinnen und Schüler die Aufgabe. Deshalb treten Fehler mit geringerer<br />

Häufigkeit auf.<br />

Da nur die Biber die Wahrheit sagen, ist ein Lösungsansatz zu zählen, wie oft die<br />

Biber welche Zahl nennen. Die Zahl 4 wird dreimal genannt. Gäbe es vier Biber,<br />

müsste auch die Zahl 4 viermal genannt werden. Die Zahl 3 wird genau dreimal<br />

genannt. Somit sind das die Antworten der Biber und es gibt folglich genau drei<br />

Biber. Antwortalternative C) ist die korrekte Lösung. Diese wird auch von 69,7% der<br />

Testabsolventen gewählt (vgl. Abbildung 5.1).<br />

Am zweithäufigsten fällt die Wahl auf Alternative B). Die Anzahl zwei gibt aber<br />

auf Grund der Überlegungen zum Lösungsweg keinen Sinn. Wenn es zwei Biber gäbe,<br />

müsste auch die Zahl 2 genau zweimal genannt werden. Eine Erklärung <strong>für</strong> die Wahl<br />

der 2 ist der sogenannte Nachwirkungsfehler. Die Ziffer zwei ist die letzte Zahl der<br />

Antwortkette. Außerdem ist sie die einzige Ziffer, die nur einmal genannt wird. Sie<br />

sticht geradezu ins Auge. Auf Grund dessen prägt sie sich <strong>bei</strong>m Leser der Aufgabe<br />

gut ein. Diese Einprägung wirkt auf die Testabsolventen möglicherweise so stark, dass<br />

sie Antwortalternative B) wählen und damit einen sogenannten Nachwirkungsfehler<br />

begehen [17].<br />

Bibers Geheimcode<br />

Eine weitere Aufgabe, die in den Stufen 5 bis 7 sowie 8 bis 10 gestellt wird, beschäftigt<br />

sich mit einem Geheimcode. Die Erklärung lautet: Beim Geheimcode bleiben die<br />

”<br />

Vokale (A, E, I, O, U) und die Satzzeichen unverändert. Die Konsonanten werden<br />

durch den jeweils folgenden Konsonanten im Alphabet ersetzt“ [5].<br />

Nach dem einleitenden Text wird die Frage gestellt, wie eine konkrete Nachricht mit<br />

dem eben erklärten Geheimcode zu verschlüsseln sei.<br />

” Wie lautet Bibers Nachricht HALB ACHT IM WALD“ im Geheimcode?<br />

”<br />

A) HELB ECHT OM WELD<br />

B) JEMC EDJV ON XEMF<br />

C) GAKZ ABGS IL VAKC<br />

D) JAMC ADJV IN XAMF“ [5].<br />

23


5 Fehleranalyse<br />

Abbildung 5.2: Bibers Geheimcode - Verteilung der Antworten<br />

Für die Untersuchung werden die Ergebnisse der 5. bis 7. Klasse betrachtet. Die<br />

älteren Schülerinnen und Schüler liefern ähnliche Ergebnisse, jedoch treten prozentual<br />

gesehen weniger Fehler auf.<br />

Die korrekte Verschlüsselung ist JAMC ADJV IN XAMF, da hier die Vokale <strong>bei</strong>behalten<br />

und nur die Konsonanten durch den jeweils folgenden ersetzt werden. Diese<br />

Antwortalternative wählen auch 3238 der 8118 befragten Schülerinnen und Schüler,<br />

d.h. 39,9% der Testabsolventen beantworten die Aufgabe richtig (vgl. Abbildung 5.2).<br />

Die am zweithäufigsten gegebene Antwortalternative ist C). Diese wird von 26,8%<br />

als richtig angesehen. Die Personen haben die Nachricht demnach mit GAKZ ABGS<br />

IL VAKC verschlüsselt. Auch sie behalten die Vokale <strong>bei</strong>, ersetzen jedoch die Konsonanten<br />

nicht durch den folgenden, sondern durch den vorherigen. Laut Weimer handelt<br />

es sich hier<strong>bei</strong> um einen Mischfehler. Da folgender häufig im Zusammenhang<br />

mit vorheriger benutzt wird, prägt sich <strong>bei</strong> den Testabsolventen eventuell keine klare<br />

Trennung der Bedeutung <strong>bei</strong>der Wörter ein. Für sie bedeutet folgender das gleiche<br />

wie vorheriger. Deswegen ersetzen sie <strong>bei</strong> dieser Aufgabe die Konsonanten durch den<br />

vorherigen.<br />

Antwortalternative A) wählen 2112 Schülerinnen und Schüler. Auch hier sieht man<br />

den Fehler sofort: Vokale werden mit Konsonanten verwechselt. Die Probanden sind<br />

wahrscheinlich der Meinung, dass A, E, I, O, U Konsonanten sind und keine Vokale.<br />

24


5.1 Untersuchung des Bibertests auf die Fehlerarten nach Weimer<br />

Die Verwechslung der <strong>bei</strong>den Begriffe deutet auf einen Mischfehler hin. Diese Fehlerart<br />

verhindert aber der einleitende Text. Dort wird erklärt, dass A, E, I, O, U Vokale<br />

sind. Dennoch berücksichtigen die Testabsolventen, die A) <strong>für</strong> richtig halten, diese<br />

Erklärung nicht. Laut Weimer wird sie zwar gelesen, der Leser ist aber von seiner<br />

falschen Vorstellung überzeugt. Er realisiert nicht, dass die Erklärung seinem Wissen<br />

widerspricht. Dies bezeichnet die Fachliteratur als Geläufigkeitsfehler [17]. Somit ist<br />

diese Verwechselung als Geläufigkeitsfehler zu deuten, der möglicherweise durch einen<br />

Mischfehler entstanden ist.<br />

Biberzahlen<br />

Die Aufgabe Biberzahlen wird <strong>für</strong> die Klassenstufen 8 bis 10 gestellt. Sie beschäftigt<br />

sich mit einer neuen Art, Zahlen aufzuschreiben, die vom Biber entwickelt wurde.<br />

Der Biber benutzt nur die Ziffern 1 und 0. Jedoch darf die Ziffer 1 höchstens so<br />

”<br />

oft in einer Biberzahl vorkommen, wie der Biber Schneidezähne hat - also höchstens<br />

zweimal“ [6]. Um den Schülern den Einstieg zu erleichtern ist eine Tabelle gegeben, in<br />

der die Zahlen von 0 bis 10 als Biber- und Binärzahlen aufgelistet sind. Die Zahl 10<br />

wäre <strong>bei</strong>spielsweise die Biberzahl 1100 [6]. Anschließend wird folgende Frage mit den<br />

vier Antwortmöglichkeiten gestellt:<br />

Wie lautet die Biberzahl <strong>für</strong> die Dezimalzahl 20?<br />

”<br />

A) 10100<br />

B) 101000<br />

C) 100100<br />

D) Die Zahl gibt es nicht“ [6].<br />

Die richtige Antwort ist B). Diese finden auch 2477 der 8225 Befragten, d.h. 30,1%<br />

der Schülerinnen und Schüler beantworten die Frage richtig (vgl. Abbildung 5.3). Die<br />

am zweithäufigsten gewählte Antwort ist D). 24,9% der Testabsolventen sind der Meinung,<br />

dass man die Zahl 20 nicht als Biberzahl ausdrücken kann.<br />

Es ist möglich, dass die Antwortalternative Die Zahl gibt es nicht“ [6] angeboten<br />

”<br />

wird um die Schülerinnen und Schüler zu verwirren. Oft fällt es schwer, das Schema<br />

zum Bilden der Biberzahlen zu verstehen und korrekt anzuwenden. Durch die Antwortalternative<br />

D) denken die Testpersonen möglicherweise, dass Antworten A), B) und<br />

25


5 Fehleranalyse<br />

Abbildung 5.3: Biberzahlen - Verteilung der Antworten<br />

C) nur angegeben sind um davon abzulenken, dass D) die richtige Antwort ist. Es<br />

wird also suggeriert, dass es die Zahl nicht gibt und somit D) die richtige Lösung ist.<br />

Die Befragten, die diese Alternative wählen, machen nach Weimer einen Suggerierten<br />

Fehler.<br />

18,8% (vgl. Abbildung 5.3) der Testabsolventen entscheiden sich <strong>für</strong> Antwortalternative<br />

A). 10100 ist die Binärzahl <strong>für</strong> 20. Ein Grund, weshalb diese Alternative von<br />

1545 Schülerinnen und Schülern gewählt wird, ist die Verdrängung der Biberzahlen.<br />

Aus dem Unterricht sind Binärzahlen bekannt. Außerdem sind sie in der Aufgabenstellung<br />

aufgelistet. Die Biberzahlen treten deshalb <strong>bei</strong> den Testabsolventen in den<br />

Hintergrund. Diese geben die Lösung als Binärzahl an. Weimer spricht hier von einem<br />

Fehler nach Freudscher Verdrängung [17].<br />

Morse-Code<br />

Die Aufgabe Morse-Code wird ab der Jahrgangsstufe 11 gestellt. Hier soll die sogenannte<br />

ESROM-Sprache“ in den Morse-Code übersetzt werden. Die Besonderheit an<br />

”<br />

dieser Sprache ist, dass sie nur aus den Buchstaben E, S, R, O und M besteht. Sie<br />

kommen im Sprachgebrauch unterschiedlich oft vor. E wird zu 14% verwendet, S und<br />

O zu jeweils 18%, R und M treten jeweils mit 25% Häufigkeit auf. Schon der einleitenden<br />

Text verdeutlicht dem Testabsolventen, dass eine Codierung mit möglichst<br />

26


5.1 Untersuchung des Bibertests auf die Fehlerarten nach Weimer<br />

wenigen Signalen zu finden ist. Die Aufgabenstellung lautet wie folgt:<br />

Bei welchem Morse-Code <strong>für</strong> die ESROM-Buchstaben benötigt man im<br />

”<br />

Schnitt die wenigsten Signale ( *“ und -“) zur Nachrichtenübermittlung?<br />

” ”<br />

A) E = *** S = *- R = - O = -* M = *<br />

B) E = - S = * R = *** O = -* M = - - -<br />

C) E = ** S = *- R = * O = -* M = -<br />

D) E = *- S = * R = - O = -* M = * “ [4].<br />

Die Aufgabe ist ein klassisches Codierungsproblem, wie es auch in der Technischen<br />

Informatik behandelt wird. Der wichtigste Schritt zur Lösung ist, dass Buchstaben, die<br />

häufiger vorkommen auch eine kürzere Codierung erhalten. Nur so benötigt man im<br />

Schnitt die wenigsten Signale. Auf Grund der Antwortalternativen muss der Schüler<br />

aber gar nicht so weit denken. Es genügt, abzuzählen, wie viele Signale jeweils <strong>für</strong> einen<br />

Buchstaben nötig sind. Darüber bildet man dann die Summe. Die Antwortalternative<br />

mit der geringsten Summe sowie einer eindeutigen Codierung der Buchstaben ist die<br />

richtige Lösung.<br />

Abbildung 5.4: Morsecode - Verteilung der Antworten<br />

27


5 Fehleranalyse<br />

Obwohl die Antwortalternative C) die richtige ist, wird sie nur von 25,7% der<br />

Prüflinge gewählt. 2988 von 5403 befragten Schülerinnen und Schülern entscheiden<br />

sich <strong>für</strong> Antwort D). Somit wählen 55,3% diese falsche Alternative aus (vgl. Abbildung<br />

5.4).<br />

Für die <strong>bei</strong> D) gewählte Codierung benötigt man <strong>für</strong> E zwei Signale, <strong>für</strong> S ein<br />

Signal, <strong>für</strong> R ein Signal, <strong>für</strong> O zwei Signale und <strong>für</strong> M wieder ein Signal. Deshalb<br />

werden insgesamt sieben Signale benötigt. Zählt man in gleicher Weise <strong>bei</strong> den Antwortalternativen<br />

A), B) und C), dann ist festzustellen, dass <strong>bei</strong> A) 9 Signale, <strong>bei</strong> B)<br />

10 Signale und <strong>bei</strong> C) 8 Signale gebraucht werden. Aus dieser Zählweise ergibt sich,<br />

dass D) mit der kleinsten Anzahl an Signalen auskommt. Dass hier die Buchstaben<br />

S und M gleich codiert sind, scheint die Befragten, die D) wählen, nicht zu stören.<br />

Bei ihnen wirkt das Wort wenig sehr stark nach. Sie sind vermutlich besonders darauf<br />

fixiert, die Codierung mit den wenigsten Signalen zu finden, egal ob diese eindeutig<br />

ist. Weimer stuft dies als Nachwirkungsfehler ein [17].<br />

Netzwerkkabel<br />

Die Aufgabe Netzwerkkabel wird in den Altersstufen 8 bis 10 gestellt. Hier<strong>bei</strong> sollen die<br />

Schülerinnen und Schüler sieben Computer mit Netzwerkkabeln verbinden. Gegeben<br />

ist eine Skizze (vgl. Abbildung 5.5), welche die Position der Computer zeigt. Einige<br />

Verbindungen und die jeweilige Entfernung sind bereits eingezeichnet.<br />

Abbildung 5.5: Netzwerkkabel [6]<br />

Der Hinweis, dass einige Kabel weggelassen werden können, ”<br />

ohne dass ein Computer<br />

komplett vom Netzwerk abgetrennt wird“ [6], ist auch gegeben. Zu beantworten<br />

ist folgende Fragestellung:<br />

28


5.1 Untersuchung des Bibertests auf die Fehlerarten nach Weimer<br />

Wie viele Meter Netzwerkkabel braucht man mindestens, wenn man keinen<br />

Computer komplett abtrennen<br />

”<br />

will?<br />

A) 18<br />

B) 20<br />

C) 14<br />

D) 16“ [6].<br />

Abbildung 5.6: Netzwerkkabel - Verteilung der Antworten<br />

Der Lösungsansatz besteht darin, die billigste Verkabelung zu finden, die alle Computer<br />

an das Netzwerk anschließt. Antwort A) ist hier die richtige Alternative, was<br />

auch 51,4% der Befragten erkennen (vgl. Abbildung 5.6).<br />

1557 der 8225 Teilnehmer entscheiden sich <strong>für</strong> Antwort B). Ein Grund, weshalb<br />

diese Möglichkeit von 18,9% in Betracht gezogen wird, kann durch folgende Erklärung<br />

nachvollzogen werden: Wirft man einen Blick auf die Skizze (vgl. Abbildung 5.5), so ist<br />

festzustellen, dass die Zahl 2 dominiert. Sofort stechen dem Betrachter die drei 2er in<br />

der Mitte der Abbildung ins Auge. Die 2 wirkt möglicherweise auf einige Schülerinnen<br />

und Schüler so stark, dass sie deswegen die Antwortalternative auswählen, die auch<br />

die 2 enthält - nämlich 20. Laut Weimer handelt es sich hier<strong>bei</strong> um einen sogenannten<br />

Nachwirkungsfehler. Die Zahl 2 beeinflusst nachwirkend die Handlung der Testabsolventen<br />

[17].<br />

29


5 Fehleranalyse<br />

POP und PUSH<br />

Mit der Pop und Push Aufgabe, die in den Klassenstufen 11 und höher gestellt<br />

wird, bekommen die Schülerinnen und Schüler Einblicke, wie ein Stack oder Keller<br />

funktioniert. Mit dem Befehl popush(X,Y) führen sie folgende Anweisung aus: Falls ”<br />

der Keller X nicht leer ist und der Keller Y nicht voll ist, dann ziehe die vorderste<br />

Tonne aus dem Keller X (pop) und schiebe sie so weit es geht in den Keller Y (push)“<br />

[4].<br />

Es sind zwei Kellerbelegungen gegeben (vgl. Abbildung 5.7). Mit Hilfe des eben<br />

erklärten Befehls soll die linke Kellerbelegung in die rechte verwandelt werden.<br />

Abbildung 5.7: POP und PUSH [4]<br />

Mit welcher Folge von Operationen können wir das erreichen?<br />

”<br />

A) popush (B,D); popush (C,D); popush (A,A); popush (B,D); popush (B,D);<br />

B) popush (C,D); popush (C,A); popush (B,D); popush (B,C); popush (B,C);<br />

C) popush (C,A); popush (B,D); popush (B,C); popush (B,C); popush (A,C);<br />

D) popush (B,D); popush (C,D); popush (B,C); popush (D,C); popush (B,C);“ [4].<br />

Von den befragten Schülerinnen und Schülern wählen 51,7% Antwortalternative C)<br />

(vgl. Abbildung 5.8). Hier wird zuerst die 7 in den Keller A gelegt, dann wird die<br />

3 in den Keller D befördert. Mit popush (B,C); werden nacheinander zunächst die 4<br />

und anschließend die 5 in den Keller C verschoben. Zuletzt muss mit popush (A,C);<br />

30


5.1 Untersuchung des Bibertests auf die Fehlerarten nach Weimer<br />

Abbildung 5.8: Pop und Push - Verteilung der Antworten<br />

noch die 7 vom Keller A in den Keller C gelegt werden. Damit ergibt sich die rechte<br />

Kellerbelegung aus Abbildung 5.7.<br />

Antwortalternative D) wird am zweithäufigsten genannt. 22,4% der 5403 Befragten<br />

halten diese Lösung <strong>für</strong> richtig. Hier wird als erstes die 3 aus dem Keller B mit popush<br />

(B,D); in den Keller D gelegt. Damit wäre die Belegung im Keller D schon richtig.<br />

Die 7 wird nun auch in den Keller D verschoben. Anschließend befördert popush<br />

(B,C); die 4 in den Keller C. Als nächstes müsste mit popush (B,C); die 5 in den<br />

Keller C gelegt werden. Zuletzt sollte mit popush (D,C); noch die 7 in den Keller<br />

C verschoben werden. In der Antwortalternative D) lauten jedoch die letzten <strong>bei</strong>den<br />

Befehle popush (D,C); popush (B,C); und nicht popush (B,C); popush (D,C);. Auf<br />

Grund der Ähnlichkeit von B und D kann es aber zu einer Verwechslung kommen. Die<br />

Befragten, die D) wählen, machen vermutlich einen allgemeinen Ähnlichkeitsfehler -<br />

sie verwechseln B und D [17].<br />

Primärschlüssel<br />

In den Jahrgangsstufen 8 bis 10 wird eine Aufgabe zum Thema Primärschlüssel gestellt.<br />

Der einleitende Text beschreibt den Schülerinnen und Schülern, dass ein Primärschlüssel<br />

eingesetzt wird, um Datensätze eindeutig zu identifizieren. Es sind vier Tabellen<br />

gegeben (vgl. Abbildung 5.9), <strong>bei</strong> denen jeweils die Schüler ID der Primärschlüssel<br />

31


5 Fehleranalyse<br />

ist. Folgende Frage ist zu beantworten:<br />

Welche der folgenden Tabellen enthält fehlerhafte Werte <strong>für</strong> die Schüler<br />

”<br />

ID“ [6]?<br />

Abbildung 5.9: Primärschlüssel [6]<br />

Die richtige Antwortalternative ist B). Hier haben Fritzchen und Conni <strong>bei</strong>de die<br />

Schüler ID 5821. Somit würde man mit 5821 nicht nur einen Schüler sondern zwei addressieren.<br />

Diese Zuordnung wäre nicht eindeutig. Antwortalternative B) wird, obwohl<br />

sie richtig ist, nur von 31,7% gewählt (vgl. Abbildung 5.10).<br />

Die meisten Schülerinnen und Schüler entscheiden sich <strong>für</strong> Antwort D). Diese wird<br />

von 46,0% gewählt. Betrachtet man die Tabelle D) genauer, so stellt man fest, dass die<br />

Schüler IDs korrekt sind. Trotzdem wird diese Antwortalternativen von vielen Befragten<br />

<strong>für</strong> die richtige Lösung der Aufgabe gehalten. Das lässt sich dadurch erklären, dass<br />

in der Tabelle D) nur einstellige Primärschlüssel zu sehen sind. Mit einer Stelle können<br />

maximal zehn Schülerinnen und Schüler einen unterschiedlichen Primärschlüssel er-<br />

32


5.1 Untersuchung des Bibertests auf die Fehlerarten nach Weimer<br />

Abbildung 5.10: Primärschlüssel - Verteilung der Antworten<br />

halten. In der Regel werden aber mehr als zehn Personen mit einer Tabelle verwaltet.<br />

Mit einer einstelligen ID wäre das aber nicht möglich. Deshalb wird die Tabelle <strong>für</strong><br />

fehlerhaft gehalten. Diese falsche Vorstellung wird durch Erfahrungen unterstützt, die<br />

aus dem Alltag stammen. Hier prägt sich eventuell der Sachverhalt ein, dass eine ID<br />

immer aus mehr als einer Ziffer besteht. Eine geläufige ID ist die Zuteilung der Postleitzahlen,<br />

<strong>bei</strong> denen eine Ziffer nicht ausreicht, um diese eindeutig allen Wohnorten<br />

zuzuordnen. Mit der Zeit festigt sich <strong>bei</strong> Schülern der Gedanke, dass eine ID nicht<br />

einstellig sein darf, denn eine einstellige ID erscheint im Alltag nur selten. Die Schüler<br />

halten deshalb die Tabelle D) <strong>für</strong> falsch. Da dieser Fehler auf Grund einer falschen<br />

Vorstellung auftritt, die sich durch Wiederholung eingeprägt hat, spricht man laut<br />

Weimer von einem Geläufigkeitsfehler [17].<br />

Sicheres Passwort<br />

Mit dem Thema, welche Passwörter sicher“ sind, beschäftigt sich folgende Frage. Sie<br />

”<br />

wird in den Jahrgangsstufen 5 bis 7 und 8 bis 10 gestellt. Der einleitende Text schildert,<br />

dass eine neue E-mail-Adresse eingerichtet wird und man deswegen ein sicheres<br />

Passwort benötigt. Es wird darauf hingewiesen, dass ein Passwort umso sicherer ist,<br />

je schwerer es zu erraten ist.<br />

33


5 Fehleranalyse<br />

Welches der folgenden Passwörter ist am wenigsten sicher?<br />

”<br />

A) 9 zufällig gewählte Großbuchstaben<br />

B) Dein Nachname, gefolgt von Deinem Geburtsjahr<br />

C) 5 zufällig gewählte Zeichen, also Ziffern, kleine und große Buchstaben<br />

D) 20 zufällig gewählte Ziffern“ [6].<br />

Abbildung 5.11: Sicheres Passwort - Verteilung der Antworten<br />

Beide Altersgruppen liefern verleichbare Ergebnisse. Da von den 8. bis 10. Klassen<br />

mehr Datensätze vorliegen, werden ihre Ergebnisse im folgenden betrachtet.<br />

5664 der 8225 Befragten wählen hier Antwortalternative B). Sie wissen, dass der eigene<br />

Nachname in Kombination mit dem Geburtsjahr kein sicheres Passwort darstellt.<br />

Somit geben 68,9% die richtige Antwort (vgl. Abbildung 5.11).<br />

16,8% der Schülerinnen und Schüler entscheiden sich <strong>für</strong> Lösung C). Fünf zufällig<br />

gewählte Zeichen sind aber keineswegs das unsicherste Passwort aus den vier Antwortalternativen.<br />

Im Gegenteil, ein Passwort, das nach diesem Schema ausgesucht wird, ist<br />

das sicherste der hier angebotenen. Es ist daher anzunehmen, dass diese Testpersonen<br />

davon ausgehen, sie sollen das sicherste Passwort wählen. Laut Weimer handelt es<br />

sich hier um einen Vorwirkungsfehler. Die Befragten sind durch den einleitenden Text<br />

darauf fixiert, ein möglichst sicheres Passwort zu finden. Sie berücksichtigen deshalb<br />

34


5.1 Untersuchung des Bibertests auf die Fehlerarten nach Weimer<br />

nicht, dass nach dem am wenigsten sicheren gefragt wird. Sie wählen fälschlicherweise<br />

das sicherste Passwort und damit Antwortalternative C) aus [17].<br />

Wertetausch<br />

Ab Stufe 11 wird den Schülerinnen und Schülern eine Aufgabe gestellt, die das Problem<br />

der Variablenzuweisung <strong>bei</strong>m Programmieren wiederspiegelt. Der einleitende<br />

Text erläutert, wie die Zuweisung mit dem Operator :=“ funktioniert. Es wird explizit<br />

”<br />

darauf hingewiesen, dass dieser Operator der Variablen auf der linken Seite den Wert<br />

”<br />

auf der rechten Seite“ [4] zuweist. Zuweisungen erfolgen nacheinander. Die Testabsolventen<br />

müssen sich nun dem Problem des Variablentausches stellen. Die Werte zweier<br />

Variablen X und Y sollen ohne eine weitere Variable getauscht werden.<br />

Welche Lösung führt zum gewünschten Ergebnis?<br />

”<br />

A) X:=Y Y:=X<br />

B) X:=X+Y Y:=X - Y X:=X-Y<br />

C) X:=X+Y Y:=X+Y X:=X-Y<br />

D) Das ist ohne eine weitere Variable nicht möglich“ [4].<br />

Die richtige Antwortalternative B) wählen 1937 der 5403 Befragten. Hier wird zuerst<br />

in der Variablen X der Wert von X+Y gespeichert. Y hat noch seinen vorherigen Wert.<br />

Im zweiten Schritt wird Y:=X - Y gerechnet. Nach diesem Schritt steht in der Variablen<br />

Y der Wert, der anfangs in X gespeichert wurde. Damit in X nun der anfängliche Wert<br />

von Y steht, ist nur noch X-Y zu rechnen. X ist zum jetzigen Zeitpunkt die Summe<br />

der <strong>bei</strong>den Ausgangswerte. Zieht man von ihr den Ausgangswert von X ab, der zur<br />

Zeit in Y gespeichert ist, erhält man den Y-Wert. Zu dieser Lösung kamen 35,9% der<br />

befragten Testpersonen (vgl. Abbildung 5.12).<br />

27,5% der Schülerinnen und Schüler wählen Antwortalternative D). Sie sind der<br />

Meinung, dass man eine weitere Variable braucht, um die Aufgabe zu lösen. Sie ziehen<br />

überhaupt nicht in Betracht, dass das Problem auch mit zwei Variablen gelöst werden<br />

kann. Aus der Antwortalternative D) schließen sie, dass es unmöglich sei nur mit den<br />

gegebenen Variablen einen Variablentausch mittels des :=“-Operators durchzuführen.<br />

”<br />

Es wird ihnen suggeriert, dass Antwortalternativen A), B) und C) nicht richtig sind,<br />

35


5 Fehleranalyse<br />

Abbildung 5.12: Wertetausch - Verteilung der Antworten<br />

denn sonst würde man keine Alternative anbieten, die den drei anderen widerspricht.<br />

Diese Testabsolventen machen einen Suggerierten Fehler [17].<br />

Mit einem Anteil von 24,7% wird Antwortalternative A) am dritthäufigsten gewählt.<br />

Die Befragten, die diese Alternative <strong>für</strong> richtig halten, berücksichtigen nicht, dass<br />

durch X:=Y der Wert X verloren geht. Sie sehen nur, dass X später den Wert von<br />

Y und umgekehrt haben muss. Diese Vorstellung wirkt auf sie so stark, dass die Erklärung,<br />

die Zuweisungen werden nacheinander vorgenommen“ [4], im letzten Satz<br />

”<br />

des einleitenden Textes, nicht in die Überlegungen mit einbezogen wird. Weimer stuft<br />

dies als Vorwirkungsfehler ein [17].<br />

5.1.2 Zusammenfassung<br />

In der Fehleranalyse wurden einige Fehlerarten aus Kapitel 3 festgestellt. Ein Geläufigkeitsfehler<br />

ist <strong>bei</strong> den Aufgaben Primärschlüssel und Bibers Geheimcode zu finden.<br />

Nachwirkungsfehler treten <strong>bei</strong> Biber und Bisons, Morse-Code und Netzwerkkabel auf.<br />

Sicheres Passwort und Wertetausch sind Beispiele <strong>für</strong> Aufgaben, die Vorwirkungsfehler<br />

hervorbringen. Ein allgemeiner Ähnlichkeitsfehler ist <strong>bei</strong> der Aufgabe POP und PUSH<br />

festzustellen und ein Mischfehler kommt <strong>bei</strong> Bibers Geheimcode vor. Suggerierte Fehler<br />

sind <strong>bei</strong> Biberzahlen und Wertetausch zu finden und auch die Freudsche Verdrängung<br />

ist <strong>bei</strong> der Aufgabe Biberzahlen zu erkennen. Insgesamt treten sieben der in Kapitel 3<br />

36


5.1 Untersuchung des Bibertests auf die Fehlerarten nach Weimer<br />

beschriebenen Fehlerarten <strong>bei</strong>m Informatik Biber auf. Was aber ist mit den restlichen<br />

vier Kategorien?<br />

Der Einstellungsfehler wird in der Fehleranalyse nicht angesprochen. Er kann aber<br />

sehr wohl im Informatik Biber auftreten. Wie bereits in Kapitel 4 erwähnt, werden<br />

die Aufgaben in Form eines Multiple-Choice-Tests gestellt. Die Fragen innerhalb einer<br />

Schwierigkeitsstufe haben eine zufällige Reihenfolge. Wird <strong>bei</strong>spielsweise in den<br />

Jahrgangsstufen 8 bis 10 nach der Aufgabe Sicheres Passwort die Aufgabe Biber und<br />

Bisons gestellt, ist es sehr wahrscheinlich Einstellungsfehler zu finden. Während Sicheres<br />

Passwort den leichten Aufgaben zugeordnet wird und außerdem einen konkreten<br />

Fall schildert, der unterschiedliche lebensweltnahe Kontexte anspricht, ist die Aufgabe<br />

Biber und Bisons eine mittelschwere Aufgabe, die im Allgemeinen nicht erlebbar ist<br />

[6], [13]. Für Schülerinnen und Schüler ist es nicht einfach, sich von einer Sekunde auf<br />

die andere auf eine neue Aufgabe einzustellen. Deshalb kann es zu Einstellungsfehlern<br />

kommen. Da aus den Schülerergebnissen nicht hervor geht, in welcher Reihenfolge<br />

die Aufgaben gestellt und bear<strong>bei</strong>tet werden, kann diese Vermutung jedoch weder<br />

bestätigt noch widerlegt werden.<br />

Auch die Ranschburgsche Hemmung wird im Rahmen der Fehleranalyse nicht festgestellt.<br />

Sie könnte aber während des Multiple-Choice-Tests auftreten. Laut Weimer<br />

ist es möglich, durch sie das Ausgleiten des Blicks <strong>bei</strong>m Lesen in eine folgende oder<br />

vorausgehende Zeile zu erklären [17]. Dieses Ausgleiten tritt möglicherweise auch <strong>bei</strong>m<br />

Lesen der Aufgaben des Informatik Bibers auf. Jedoch lässt sich aus den Ergebnissen<br />

des Wettbewerbs, der nur die Antworten erfasst, nicht darauf schließen. Um dies zu<br />

testen, müsste man vom Schüler verlangen, dass er jede Aufgabe laut vorliest. Dieses<br />

Vorlesen könnte dann auf Fehler untersucht werden.<br />

Die Fehleranalyse liefert auch keine Fehler der gefühlsmäßigen Vordrängung, was<br />

jedoch nicht heißt, dass diese ausgeschlossen sind. Um sie zu erfassen müsste man<br />

die Schülerinnen und Schüler während des Multiple-Choice-Tests nach ihren Gefühlen<br />

befragen, die sie mit der gerade gestellten Aufgabe verbinden. Dadurch ließen sich<br />

Verbindungen mit den auftretenden Fehlern erschließen.<br />

Fehler der gefühls- und willensbedingten Steigerung können ebenfalls nicht durch<br />

die Fehleranalyse nachgewiesen werden. Da der Test als Multiple-Choice-Test mit vier<br />

festen Antwortalternativen gestellt wird, haben die Schülerinnen und Schüler keine<br />

Möglichkeit, sich frei zu äußern. Sie können zwar zwischen den gegebenen Alternativen<br />

wählen, aber keinen freien Text verfassen. Folglich ist es ihnen häufig nicht möglich,<br />

37


5 Fehleranalyse<br />

ihre Vorstellungen auszudrücken. Das ist ein Grund, warum Steigerungsfehler nicht<br />

auftreten.<br />

Es bleibt festzuhalten, dass alle Fehler, die Weimer anspricht, auch im Informatik<br />

Biber vorkommen. Einige von ihnen kann man direkt an Beispielen festmachen. Um<br />

Einstellungsfehler, Ranschburgsche Hemmung, Fehler der gefühlsmäßigen Vordrängung<br />

sowie Fehler der gefühls- und willensbedingten Steigerung festzustellen, müsste der Test<br />

anders konzipiert werden. Da der Test aber nicht darauf ausgelegt ist, möglichst viele<br />

Fehlerarten zu finden, kann man nicht alle Fehlerkategorien nach Weimer an einem<br />

konkreten Beispiel des Informatik Bibers zeigen.<br />

5.2 Fehler, die nicht auf Weimers Fehlerarten<br />

zurückgeführt werden können<br />

Nachdem bisher Fehler erörtert wurden, welche sich auf die Kategorisierung nach<br />

Weimer zurückführen lassen, werden nun, im zweiten Teil, Fehler betrachtet, die<br />

nicht in dessen Einteilung passen. Wie im ersten Teil werden exemplarisch Aufgaben<br />

aus dem Bibertest 2007 herausgegriffen und auf <strong>Schülerfehler</strong> untersucht. Nach<br />

einer kurzen Vorstellung der Aufgaben werden die Antwortalternativen mit ihren Nennungshäufigkeiten<br />

versehen.<br />

5.2.1 Irrtum<br />

Die Aufgaben Link, Private Email und Ungeschützter Computer sind Beispiele <strong>für</strong><br />

Fragestellungen, die Irrtümer hervorrufen können. Im Folgenden werden sie genauer<br />

untersucht.<br />

Link<br />

Die Aufgabe Link, wird in den Klassenstufen 5 bis 7 gestellt. Im vorausgehenden Text<br />

lesen die Schülerinnen und Schüler, dass sie <strong>bei</strong>m Surfen im Internet häufig auf den<br />

Satz treffen Klicke diesen Link“.<br />

”<br />

38


5.2 Fehler, die nicht auf Weimers Fehlerarten zurückgeführt werden können<br />

Aber was ist ein Link?<br />

”<br />

A) Eine Verknüpfung zu einer anderen Internet-Seite.<br />

B) Das Kabel, das den Drucker mit dem Computer verbindet.<br />

C) Ein anderes Wort <strong>für</strong> Internet-Seite.<br />

D) Ein anderes Wort <strong>für</strong> E-Mail“ [5].<br />

Abbildung 5.13: Link - Verteilung der Antworten<br />

6281 der 8118 Befragten entscheiden sich <strong>für</strong> die korrekte Antwort A). Lediglich 3,9%<br />

sind der Meinung, dass ein Link das Kabel ist, welches den Drucker mit dem Computer<br />

verbindet (vgl. Abbildung 5.13). 2% wählen außerdem Antwortalternative D).<br />

14,3% der Befragten halten einen Link <strong>für</strong> eine Internet-Seite. Die falschen Antwortalternativen<br />

B), C), D) lassen sich nicht auf die Fehlerarten nach Weimer zurückführen.<br />

Der Grund <strong>für</strong> das Nicht-Wählen der richtigen Alternative A) liegt größtenteils im<br />

Unwissen. Die Schülerinnen und Schüler, die Antwortalternative C) wählen, sind vermutlich<br />

wirklich der Meinung, dass ein Link ein anderes Wort <strong>für</strong> eine Internet-Seite<br />

ist. Sie sind von ihrer Antwort überzeugt. Jedoch irren sie sich, es handelt sich somit<br />

um einen Irrtum.<br />

39


5 Fehleranalyse<br />

Private Email<br />

Die Aufgabe Private Email wird in den Klassenstufen 8 bis 10 gestellt. Hier sollen<br />

die Schülerinnen und Schüler die Frage klären, wie man eine Email an neun Leute<br />

schicken kann, ohne dass sie sehen, wer die anderen Empfänger sind.<br />

Welches ist der einfachste und schnellste Weg, dies zu erreichen?<br />

”<br />

A) Du schickst die E-Mail neunmal los, jedes Mal mit einer einzigen Adresse im<br />

An-Feld (TO-Feld).<br />

B) Du schickst die E-Mail mit einer Adresse im An-Feld (TO-Feld) und acht<br />

Adressen im CC-Feld los.<br />

C) Du schickst die E-Mail mit drei Adressen im An-Feld (TO-Feld), drei im<br />

CC-Feld und drei im BCC-Feld los.<br />

D) Du schickst die E-Mail mit einem leeren An-Feld (TO-Feld) und neun<br />

Adressen im BCC-Feld (bzw. BC-Feld) los“ [5].<br />

Abbildung 5.14: Email - Verteilung der Antworten<br />

Diese Frage beantworten 47,4% richtig. Sie wählen Alternative D) (vgl. Abbildung<br />

5.14). 18,6% sind der Meinung, dass A) die richtige Alternative ist. B) wird von 21,4%<br />

40


5.2 Fehler, die nicht auf Weimers Fehlerarten zurückgeführt werden können<br />

gewählt und 8,2% entscheiden sich <strong>für</strong> C). Die falschen Antworten werden wahrscheinlich<br />

auf Grund von Unwissen gegeben. Auch hier handelt es sich laut Weimer um einen<br />

Irrtum und keinen Fehler.<br />

Ungeschützter Computer<br />

Die Aufgabe Ungeschützter Computer wird in den Klassenstufen 5 bis 7 sowie 11 und<br />

höher gestellt. Geschildert wird die Geschichte eines Jungen namens Tom, der mit<br />

einem Computer im Internet surft. Auf dem Computer ist weder eine Firewall, noch<br />

ein Antivirenprogramm installiert. Außerdem braucht Tom kein Passwort, um den<br />

Computer zu benutzen.<br />

Für welche Computer besteht durch dieses leichtsinnige Verhalten die Gefahr<br />

durch einen Computervirus oder durch ein anderes schädliches<br />

”<br />

Programm<br />

angegriffen zu werden?<br />

A) Für alle Computer, die mit Toms Computer im lokalen Netzwerk verbunden<br />

sind.<br />

B) Nur <strong>für</strong> Toms eigenen Computer.<br />

C) Für alle Computer auf der Welt, die mit dem Internet verbunden sind.<br />

D) Für alle Computer auf der Welt“ [4].<br />

Hier werden die Ergebnisse der älteren Schülerinnen und Schüler betrachtet, da die<br />

Aufgabe dort als leicht eingestuft wird. Die jüngeren Klassenstufen zeigen aber ein<br />

ähnliches Fehlerbild.<br />

Erstaunlicherweise beantworten nur 24,7% die Aufgabe richtig (vgl. Abbildung 5.15).<br />

Alle Computer auf der Welt, die mit dem Internet verbunden sind, können durch den<br />

ungeschützten Computer Schaden tragen. 44,3% sind der Meinung, dass nur die Computer<br />

geschädigt werden, die mit Toms Computer im lokalen Netzwerk verbunden sind.<br />

26,1% glauben, dass nur Toms Computer angegriffen werden kann und 3,3% wählen<br />

die Antwortalternative, die besagt, dass alle Computer der Welt geschädigt werden<br />

können.<br />

Vor allem die große Anzahl an Befragten, die A) <strong>für</strong> richtig halten, überrascht. Es ist<br />

anzunehmen, dass diese tatsächlich von der Antwort überzeugt sind. Die Schülerinnen<br />

41


5 Fehleranalyse<br />

Abbildung 5.15: Ungeschützter Computer - Verteilung der Antworten<br />

und Schüler wissen es nicht besser. Sie glauben wirklich, dass ihre Antwortalternative<br />

die richtige ist. Auch hier<strong>bei</strong> handelt es sich um einen Irrtum.<br />

5.2.2 Fehler durch falsches Schließen<br />

Neben dem Irrtum sind im Bibertest auch Fehler durch falsches Schließen zu finden.<br />

Beispiele hier<strong>für</strong> liefern die Aufgaben Dino Ordnung und Wetter.<br />

Dino Ordnung<br />

In den Klassenstufen 5 bis 7 wird die Aufgabe Dino Ordnung 8118 Schülerinnen und<br />

Schüler gestellt. Der einleitende Text beschreibt, dass in einem Buch über Dinosaurier<br />

drei Bilder zu sehen sind. Auf dem ersten Bild ist ein Dinosaurier mit zwei Beinen<br />

abgebildet, auf dem zweiten ein Dinosaurier mit vier Beinen und auf dem dritten Bild<br />

kann man einen Dinosaurier mit zwei Beinen sehen, der gerade ein Tier gefangen hat.<br />

Jedem dieser Dinosaurier soll eine der folgenden Dinosaurierarten zugeordnet werden:<br />

• Hypsilophodon: zwei<strong>bei</strong>niger Pflanzenfresser<br />

• Triceratops: vier<strong>bei</strong>niger Pflanzenfresser<br />

42


5.2 Fehler, die nicht auf Weimers Fehlerarten zurückgeführt werden können<br />

• Allosaurus: zwei<strong>bei</strong>niger Fleischfresser<br />

Ist diese Zuordnung eindeutig möglich?<br />

”<br />

A) Ja, in Bild 1 ist ein Hypsilophodon, in Bild 2 ein Triceratops und in Bild 3<br />

ein Allosaurus zu sehen.<br />

B) Ja, in Bild 1 und in Bild 3 sind Allosaurier zu sehen, und in Bild 2 ist ein<br />

Triceratops zu sehen.<br />

C) Nein, keiner der Dinosaurier kann eindeutig zugeordnet werden.<br />

D) Nein, der Dinosaurier in Bild 1 könnte ein Hypsilophodon oder ein Allosaurus<br />

sein“ [5].<br />

Abbildung 5.16: Dino Ordnung - Verteilung der Antworten<br />

Die richtige Antwortalternative D) wird nur von 20% der Befragten gewählt (vgl.<br />

Abbildung 5.16). Über die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler halten A) <strong>für</strong> richtig<br />

(63,1%). Die Zuordnung des Triceratops wäre noch korrekt. Bei Bild 3 wird auf den<br />

Allosaurus geschlossen, weil er ein Tier gefangen hat. Somit würde <strong>für</strong> Bild 1 nur noch<br />

das Hypsilophodon übrig bleiben. Jedoch könnte Bild 1 auch einen Allosaurus zeigen.<br />

Dieser Meinung sind 6,4%, die Antwortalternative B) wählen. 8,2% sind der Ansicht,<br />

43


5 Fehleranalyse<br />

dass kein Dinosaurier eindeutig zugeordnet werden kann. Sie stellen nicht fest, dass<br />

der vier<strong>bei</strong>nige Dinosaurier in Bild 2 nur der Triceratops sein kann.<br />

Auch hier greift Weimers Fehlerkategorisierung nicht. Es liegt auch kein Irrtum vor,<br />

da das Vorwissen, welches <strong>für</strong> die Bear<strong>bei</strong>tung nötig ist, im einleitenden Text erklärt<br />

wird. Schülerinnen und Schüler, die nicht Antwortalternative D) gewählt haben, ziehen<br />

falsche Schlüsse, berücksichtigen Teilaspekte nicht und kommen deshalb zu einem<br />

falschen Ergebnis. Diese Art von Fehler wird als Fehler durch falsches Schließen bezeichnet.<br />

Wetter<br />

Die Klassenstufen 5 bis 7 bekommen die Aufgabe Wetter gestellt. Hier wird den<br />

Schülerinnen und Schülern die Regel vorgegeben: Wenn an einem Tag die Sonne<br />

”<br />

scheint, dann scheint auch am folgenden Tag die Sonne“ [5]. Mit dieser Regel als<br />

Grundlage soll folgende Frage beantwortet werden:<br />

Wenn heute die Sonne scheint, was kannst du daraus folgern?<br />

”<br />

A) Die Sonne schien bisher jeden Tag und wird auch jeden weiteren Tag scheinen.<br />

B) Gestern schien die Sonne.<br />

C) Die Sonne wird nie wieder scheinen.<br />

D) Von heute an wird jeden Tag die Sonne scheinen“ [5].<br />

Nur 23,9% der 8118 Befragten kommen auf die richtige Lösung D)(vgl. Abbildung<br />

5.17). Der Großteil (40,9%) entscheidet sich <strong>für</strong> Alternative A). Außerdem wählen<br />

31,8% Antwortalternative B). Vor allem die große Anzahl an Schülerinnen und Schülern,<br />

die Alternative A) wählen überrascht. Sie erkennen zwar, dass nach einem Sonnentag<br />

ein weiterer folgen muss, berücksichtigen aber nicht, dass der Rückschluss nicht<br />

gilt. Auch die Befragten, die B) wählen, nehmen die Gültigkeit des Rückschlusses an.<br />

Beide Fehler lassen sich nicht auf die Kategorisierung nach Weimer zurückführen. Sie<br />

sind auf Grund falscher logischer Schlüsse entstanden. Es handelt sich somit um einen<br />

Fehler durch falsches Schließen.<br />

44


5.2 Fehler, die nicht auf Weimers Fehlerarten zurückgeführt werden können<br />

Abbildung 5.17: Wetter - Verteilung der Antworten<br />

5.2.3 Strategiefehler<br />

Die Fehleranalyse liefert neben dem Irrtum und dem Fehler durch falsches Schließen<br />

noch einen weiteren, der sich nicht in Weimers Kategorisierung einreihen lässt - den<br />

Strategiefehler. Er ist in den Aufgaben Binärbaum, Labyrinth und Verwandlung zu<br />

finden.<br />

Binärbaum<br />

In der Aufgabe Binärbaum ist ein exemplarischer Binärbaum vorgegeben (vgl. Abbildung<br />

5.18). Dieser kann auch durch die Zeichenkette (A(B(C))(D(E(F))(G))) beschrieben<br />

werden. Die Schülerinnen und Schüler müssen nun die Frage beantworten,<br />

wie eine weitere Zeichenkette in einen Binärbaum zu übersetzen ist.<br />

Abbildung 5.18: Binärbaum<br />

45


5 Fehleranalyse<br />

Welcher der unten angezeigten Binärbäume wird durch folgende Zeichenkette<br />

beschrieben<br />

”<br />

[6]?“<br />

Abbildung 5.19: Aufgabenstellung Binärbaum [6]<br />

In den Klassenstufen 8 bis 10 wird diese Aufgabe 8225 Schülerinnen und Schülern<br />

gestellt. Richtig ist Antwortalternative C), die auch 59,6% der Testabsolventen wählen.<br />

Alternative A) wird von 3,6% als richtig angesehen, B) wählen 14,0% und D) wird<br />

von 18,8% als Lösung ausgesucht (vgl. Abbildung 5.20). Alle drei falschen Antworten<br />

lassen sich nicht eindeutig auf Weimers Fehlerarten zurückführen. Jedoch ist festzustellen,<br />

dass Schülerinnen und Schüler, die A), B) oder D) gewählt haben, eine falsche<br />

Strategie verfolgen. Sie können aus dem einleitenden Text nicht erkennen, wie aus<br />

einem Binärbaum eine beschreibende Zeichenkette zu bilden ist.<br />

Diejenigen, die B) <strong>für</strong> richtig halten, scheinen die Strategie weitgehend verstanden<br />

zu haben, sehen aber nicht, dass rechter und linker Knoten unterschieden werden.<br />

Laut Weimer liegt kein Irrtum vor, denn die Schülerinnen und Schüler hätten <strong>bei</strong>m<br />

genaueren Lesen und Überdenken des einleitenden Textes feststellen können, welche<br />

Strategie anzuwenden ist. Es handelt sich hier<strong>bei</strong> um eine Fehlerart, die bisher nicht<br />

<strong>bei</strong> Weimer auftritt. Sie wird als Strategiefehler bezeichnet.<br />

46


5.2 Fehler, die nicht auf Weimers Fehlerarten zurückgeführt werden können<br />

Abbildung 5.20: Binärbaum - Verteilung der Antworten<br />

Labyrinth<br />

In der Aufgabe Labyrinth wird den Schülerinnen und Schülern ab der Klassenstufe<br />

11 eine Methode erklärt, mit der sie ein Labyrinth aus einem Rechteck mit den Seitenlängen<br />

m und n erstellen können. Zunächst werden in dieses Rechteck Trennwände<br />

wie ein Gitter eingesetzt. Die Erstellung erfolgt in drei Schritten:<br />

• ”<br />

Schritt 1: Verbinde zwei Räume, indem du eine Trennwand entfernst.<br />

• Schritt 2: Nummeriere den neuen, verbundenen Raum mit der niedrigeren Nummer<br />

der <strong>bei</strong>den gerade verbundenen Räume.<br />

• Schritt 3: Wiederhole Schritt 1 und 2 solange, bis nur noch ein Raum übrig ist.<br />

Dieser hat die Nummer 1“ [4].<br />

Das Beispiel aus Abbildung 5.21 ist außerdem gegeben.<br />

47


5 Fehleranalyse<br />

Abbildung 5.21: Beispiel <strong>für</strong> die Erstellung eines Labyrinths [4]<br />

Nun ist folgende Frage zu beantworten:<br />

Nur einer der folgenden Raumpläne wurde mit der gerade erklärten Labyrinth-Methode<br />

erstellt. Welcher“<br />

”<br />

[4]?<br />

Abbildung 5.22: Labyrinth<br />

Die richtige Antwortalternative ist B), wie auch 48,9% feststellen (vgl. Abbildung<br />

5.23). Bei den Raumplänen A), C) und D) wird während der Erstellung des Labyrinths<br />

<strong>bei</strong> einem Schritt eine Wand entfernt, ohne dass zwei vorher getrennte Räume dadurch<br />

verbunden werden [4]. Jedoch erkennen das nicht alle Schülerinnen und Schüler. 8,7%<br />

wählen Alternative A), 16,4% C) und 14,3% halten D) <strong>für</strong> richtig. Sie wenden entweder<br />

eine falsche Strategie an, um zu überprüfen, welcher Raumplan falsch erstellt wurde<br />

oder sie machen während der Anwendung der richtigen Strategie einen Fehler. Es<br />

handelt sich somit, wie schon in der Aufgabe Binärbäume, um einen Strategiefehler.<br />

48


5.2 Fehler, die nicht auf Weimers Fehlerarten zurückgeführt werden können<br />

Abbildung 5.23: Labyrinth - Verteilung der Antworten<br />

Verwandlung<br />

In den Klassenstufen 11 und höher wird die Aufgabe Verwandlung gestellt. Im einleitenden<br />

Text ist eine Figur abgebildet, die nach einer geheimen Vorschrift verwandelt<br />

wird (vgl. Abbildung 5.24).<br />

Abbildung 5.24: Beispiel einer Verwandlung [4]<br />

Diese Verwandlung soll nun <strong>bei</strong> einer anderen Figur durchgeführt werden.<br />

49


5 Fehleranalyse<br />

Wenn du die folgende Figur nach der gleichen Vorschrift verwandelst, wie<br />

”<br />

sieht dann das Ergebnis aus“ [4]?<br />

Abbildung 5.25: Verwandlung [4]<br />

Von den 5403 befragten Schülerinnen und Schülern wählen 43,4% Antwortalternative<br />

C) und damit die korrekte Lösung (vgl. Abbildung 5.26). Die Alternativen<br />

A), B) und D) werden von 12,3%, 23,6% und 11,5% <strong>für</strong> richtig gehalten. Hier kann<br />

der Fehler nicht auf Weimers Einteilung zurückgeführt werden. Wer nicht herausfindet,<br />

dass C) die richtige Lösung ist, wendet entweder eine falsche Strategie an, oder<br />

macht <strong>bei</strong>m Anwenden der richtigen Strategie einen Fehler. Schülerinnen und Schüler,<br />

die Antwortalternative A) wählen, denken, dass jede verwandelte Figur ähnlich wie<br />

die Beispielfigur aussehen muss. Bei der falschen Annahme, dass nur Umrisslinien zu<br />

ergänzen sind, könnte Alternative B) fälschlicherweise <strong>für</strong> korrekt gehalten werden. In<br />

<strong>bei</strong>den Fällen handelt es sich um einen Strategiefehler.<br />

50


5.2 Fehler, die nicht auf Weimers Fehlerarten zurückgeführt werden können<br />

Abbildung 5.26: Verwandlung - Verteilung der Antworten<br />

5.2.4 Zusammenfassung<br />

Mit den letzten Beispielaufgaben wurden einige Fehler aufgezeigt, die nicht auf die<br />

Fehlerarten nach Weimer zurückgeführt werden können. Der Irrtum tritt in den Aufgaben<br />

Link, Private Email und Ungeschützer Computer auf. Weimer spricht von einem<br />

Irrtum, wenn eine Person etwas Falsches <strong>für</strong> wahr hält, weil sie mangelnde Kenntnisse<br />

hat. Bei allen drei Aufgaben basieren die falschen Antworten auf nicht vorhandenen<br />

oder zu geringen Kenntnissen.<br />

Ein weiterer Fehler, der aufgetreten ist und sich nicht auf Weimer zurückführen<br />

lässt, ist der Fehler durch falsches Schließen. Hier ziehen die Schülerinnen und Schüler<br />

aus gegebenen Voraussetzungen falsche Schlüsse und kommen so zu einem falschen<br />

Ergebnis. <strong>Typische</strong> Aufgaben, die einen solchen Fehler aufzeigen, sind Dino Ordnung<br />

und Wetter.<br />

Als Strategiefehler wird ein weiterer Fehler bezeichnet, der sich nicht in Weimers<br />

Fehlerarten einreihen lässt. Bei ihm erkennen die Schülerinnen und Schüler entweder<br />

die Strategie überhaupt nicht, oder nur teilweise. Deshalb entwickeln sie keinen oder<br />

einen fehlerhaften Lösungsweg. Es kann auch passieren, dass die Strategie erkannt,<br />

aber nicht richtig angewendet wird. Beispiele hier<strong>für</strong> findet man in den Aufgaben<br />

Binärbaum, Labyrinth und Verwandlung.<br />

51


5 Fehleranalyse<br />

Es zeigt sich, dass <strong>bei</strong> der Fehleranalyse nicht nur die im Kapitel 3 erklärten Fehlerarten<br />

nach Weimer auftreten, sondern auch der Irrtum, Fehler durch falsches Schließen<br />

und Strategiefehler. Deshalb ist es <strong>für</strong> die Informatik notwendig, <strong>bei</strong> einer Fehleranalyse<br />

auch die eben genannten Fehlerarten hinzuzunehmen.<br />

5.3 Folgerungen<br />

In den letzten <strong>bei</strong>den Abschnitten wurden die Fehler, die im Informatik Biber vorkommen,<br />

auf unterschiedliche Fehlerarten zurückgeführt. Zum einen auf die Fehlerarten<br />

nach Weimer. Da diese jedoch nicht ausreichen, um alle Fehler zu beschreiben, wurde<br />

die Kategorisierung ergänzt. Der Irrtum, den Weimer auch anspricht, Fehler durch<br />

falsches Schließen und die Strategiefehler sind Erweiterungen. So sollen Lehrerinnen<br />

und Lehrer eine Kategorisierung erhalten, wie sie <strong>für</strong> die Fehleranalyse in der Informatik<br />

benötigt wird.<br />

Im folgenden Teil werden Gemeinsamkeiten der Aufgaben aufgezeigt. Diese sind<br />

in einer Tabelle (vgl. Abbildung 5.27 auf Seite 54) zusammengefasst. Aufgaben, die<br />

mehrfach gelistet sind, bringen <strong>bei</strong> verschiedenen Antwortalternativen unterschiedliche<br />

Fehler hervor. Neben den Klassenstufen, in denen die jeweilige Aufgabe gestellt wird,<br />

ist der Tabelle auch der Schwierigkeitsgrad zu entnehmen. Dieser wird von den Herausgebern<br />

des Informatik Bibers vorab festgelegt und auch den Schülerinnen und Schülern<br />

<strong>bei</strong> der Bear<strong>bei</strong>tung angegeben. Zu berücksichtigen ist aber, dass diese Schwierigkeit<br />

teilweise nicht mit der psychologischen Schwierigkeit übereinstimmt, die auf dem prozentualen<br />

Anteil derjenigen basiert, die die Frage richtig beantwortet haben [14].<br />

Um weitere Gemeinsamkeiten aufzuzeigen, wird eine Aufgabenklassifizierung von<br />

Schlüter [13] hinzugezogen. Die Aufgaben des Informatik Bibers werden hier<strong>bei</strong> nach<br />

folgenden Kriterien bewertet:<br />

52


5.3 Folgerungen<br />

Erfahrungsweltnähe (EN)<br />

1: Aufgabe kann in unterschiedliche lebensweltnahe Kontexte eng<br />

eingebunden werden<br />

2: Aufgabe kann nicht unbedingt täglich erlebt werden, ist aber jederzeit<br />

erlebbar<br />

3: Aufgabe ist im Allgemeinen nicht erlebbar, aber vorstellbar<br />

Abstraktionsgrad (AG) Komplexität (KG)<br />

1: konkret 1: einfach<br />

2: mittel 2: mittel<br />

3: abstrakt 3: schwer<br />

Formalisierungsgrad (FG) Redundanz (RG)<br />

1: informell 1: redundant<br />

2: mittel 2: nicht redundant<br />

3: formal<br />

Anforderungsbereich (AB) Prozessbereich (PB)<br />

1: Wiedergabe 1: Modellieren und Implementieren<br />

2: Anwendung 2: Begründen und Bewerten<br />

3: Problemlösung 3: Strukturieren und Vernetzen<br />

4: Kommunizieren und Kooperieren<br />

5: Darstellen und Interpretieren<br />

Kognitive Lernzielstufen (LS) Arten des Wissens (AW)<br />

1: Erinnern 1: Fakten<br />

2: Verstehen 2: Konzepte<br />

3: Anwenden 3: Prozeduren<br />

4: Analysieren 4: Metakognition<br />

5: Bewerten<br />

6: Erschaffen<br />

Betrachtet man die unterschiedlichen Fehler genauer und versucht, ihr Auftreten zu<br />

konkretisieren, so ist folgendes festzustellen: Abgesehen von den Aufgaben Biberzahlen,<br />

Private Email und Labyrinth sind alle anderen nicht redundant gestellt. Somit lassen<br />

die Fehler darauf schließen, dass eine wichtige Information nicht beachtet wurde, weil<br />

sie nur einmal in der Aufgabenstellung genannt wird.<br />

53


5 Fehleranalyse<br />

Abbildung 5.27: Analyse der Aufgaben<br />

Werden die <strong>bei</strong>den Aufgaben, die Geläufigkeitsfehler hervorbringen, untersucht, so<br />

ist ihnen ihr Schwierigkeitsgrad gemeinsam. Primärschlüssel und Bibers Geheimcode<br />

werden in den Klassenstufen 8 bis 10 bzw. 5 bis 7 als leichte Aufgaben gestellt. Außerdem<br />

zeigen <strong>bei</strong>de Aufgabentypen einen konkreten Fall und haben deshalb einen<br />

niedrigen Abstraktionsgrad. Auch im Anforderungsbereich stimmen sie überein, denn<br />

in <strong>bei</strong>den Aufgaben ist Anwendung verlangt.<br />

Nachwirkungsfehler erscheinen <strong>bei</strong> mittelschweren (Biber und Bisons, Morse-Code)<br />

und <strong>bei</strong> schweren Aufgaben (Netzwerkkabel). Ihnen ist ihre Erfahrungsweltnähe gemeinsam.<br />

Alle drei Aufgaben schildern Fälle, die nicht täglich erlebt werden, aber<br />

jederzeit erlebbar sind. Auch die Komplexitätsstufe ist gleich. Die Aufgaben gelten<br />

als solche mit mittlerer Komplexität. Biber und Bisons und Netzwerkkabel werden<br />

dem Anforderungsbereich Problemlösen zugeordnet, während Morse-Code zwischen<br />

Anwendung und Problemlösen mit Tendenz zur Anwendung einzuordnen ist.<br />

Sicheres Passwort in den Klassenstufen 8 bis 10 und Wertetausch ab der 11. Klassenstufe<br />

sind Aufgaben, die Vorwirkungsfehler hervorbringen. Beide werden als leichte<br />

Aufgaben gestellt, außerdem sprechen sie den Anforderungsbereich Anwendung an.<br />

Suggerierte Fehler findet man in den Aufgaben Biberzahlen und Wertetausch. Beide<br />

enthalten eine Alternative, die besagt, dass es unmöglich ist, die Aufgabe mit den<br />

54


5.4 Empfehlungen<br />

weiteren Alternativen zu lösen. Die Aufgaben zeigen außerdem eine mittlere Komplexität<br />

und werden dem Anforderungsbereich Anwenden zugeordnet. Die kognitive<br />

Lernzielstufe ist <strong>bei</strong> <strong>bei</strong>den Anwenden.<br />

Bei den Aufgaben, die Irrtümer hervorbringen, findet man viele Gemeinsamkeiten:<br />

Link, Private Email und Ungeschützter Computer sind leichte Aufgaben. Diese<br />

können in unterschiedliche lebensweltnahe Kontexte eng eingebunden werden. Ein<br />

konkreter Fall wird geschildert und einfache Komplexität ist festzustellen. Sie sind informell<br />

gestellt und gehören dem Anforderungsbereich Wiedergabe an. Erinnern wird<br />

als kognitive Lernzielstufe angesprochen und alle Aufgaben werden dem Faktenwissen<br />

zugeordnet.<br />

Dino Ordnung und Wetter sind Aufgaben, die Fehler durch falsches Schließen zeigen.<br />

Beiden ist gemeinsam, dass es sich um keinen konkreten Fall handelt. Die Aufgaben<br />

sind informell gestellt und Teil des Anforderungsbereichs Anwenden. Sie sind<br />

<strong>bei</strong> den Prozessbereichen zwischen Begründen und Bewerten und Strukturieren und<br />

Vernetzen einzuordnen. Als kognitive Lernziele werden Anwenden und Analysieren<br />

angesprochen. Außerdem wird durch <strong>bei</strong>de Aufgaben Konzeptwissen abgefragt. Hinzu<br />

kommt, dass aus der Aufgabenstellung heraus auf das Ergebnis geschlossen werden<br />

muss. Reine Wiedergabe bereits gelernter Sachverhalte führt hier nicht zur Lösung.<br />

Strategiefehler sind in den Aufgaben Binärbaum, Labyrinth und Verwandlung zu<br />

finden. Der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben ist mittelschwer bis schwer. Hier werden<br />

jeweils Strategien beschrieben, die zum Lösen der Aufgabe angewendet werden müssen.<br />

Die angesprochenen kognitiven Lernzielstufen sind Anwenden und Analysieren. Auch<br />

hier bringt die Wiedergabe von bereits gelernten Sachverhalten die Schülerinnen und<br />

Schüler nicht voran, vielmehr müssen sie die richtige Strategie finden [4], [5], [6], [13].<br />

Allgemeine Ähnlichkeitsfehler, Mischfehler und die Freudsche Verdrängung treten<br />

jeweils nur einmal auf, so dass keine Vergleichsaufgabe vorliegt. Jedoch ist allen drei<br />

Fehlerarten gemeinsam, dass sie <strong>bei</strong> Aufgaben zu Tage treten, die eine mittlere Komplexität<br />

zeigen und dem Anforderungsbereich Anwendung zuzuordnen sind.<br />

5.4 Empfehlungen<br />

Die Rückführung der Fehler auf Gemeinsamkeiten der Aufgaben ergibt folgendes:<br />

Irrtümer treten meist auf, wenn die Aufgabe eine lebensweltnahe Situation beschreibt<br />

55


5 Fehleranalyse<br />

und allein durch Erinnern gelöst werden muss. Bei ihr sind sich die Schülerinnen und<br />

Schüler sicher, dass sie die richtige Antwort kennen, machen aber auf Grund von Unwissen<br />

einen Fehler. Um Irrtümer zu vermeiden, sollten Aufgaben gestellt werden, die<br />

die anderen kognitiven Lernzielstufen Verstehen, Anwenden, Analysieren, Bewerten<br />

und Erschaffen ansprechen.<br />

Strategiefehler findet man <strong>bei</strong> komplexen Aufgaben, aus deren Stellung die Strategie<br />

herausgelesen und analysiert werden muss. Teilweise ist sie auch selbst zu erar<strong>bei</strong>ten.<br />

Um diese Fehler zu vermeiden, sollte die Aufgabe redundant formuliert sein. So bekommen<br />

Schülerinnen und Schüler mehrere Beispiele und Erklärungen, wie die Strategie<br />

funktioniert.<br />

Das Konzeptwissen spielt <strong>bei</strong> den Fehlern durch falsches Schließen eine Rolle. Ist<br />

es nicht gut genug ausgeprägt, sind diese Fehler wahrscheinlicher. Deshalb sollten<br />

die notwendigen Konzepte besser eingeübt werden. Auch hier kann die redundante<br />

Aufgabenformulierung eine Hilfestellung sein, um Fehler zu reduzieren.<br />

Suggerierte Fehler treten dann auf, wenn in einer Aufgabe eine Antwortalternative<br />

suggeriert, dass die drei anderen falsch sind. Beispielsweise lautet <strong>bei</strong> der Aufgabe<br />

Biberzahlen eine mögliche Antwort: Die Zahl gibt es nicht“ [6]. Wenn solche Alternativen<br />

vermieden werden, treten auch weniger Suggerierte Fehler auf.<br />

”<br />

Beide Aufgaben, die Geläufigkeitsfehler hervorbringen, sind dem Anforderungsbereich<br />

Anwendung zuzuordnen. Diese Art von Fehler schleicht sich erst mit der Zeit<br />

ein. Je öfter ein konkreter Fehler gemacht wird, desto schwieriger ist es, ihn auszulöschen.<br />

Eine detaillierte Rückmeldung mit Erklärung, weshalb etwas falsch ist,<br />

hilft den Schülerinnen und Schülern da<strong>bei</strong>, ihr Wissen neu zu sortieren. Nur so kann<br />

<strong>bei</strong>m nächsten Mal der gemachte Geläufigkeitsfehler vermieden werden.<br />

Vorwirkungsfehler treten <strong>bei</strong> leichten Aufgaben auf. Da die Schülerinnen und Schüler<br />

wissen, ob die Aufgabe als leicht, mittelschwer oder schwer beurteilt wird, sind sie voreingenommen.<br />

Bei leichten Aufgaben lesen sie möglicherweise nicht so genau und glauben<br />

die Antwort häufig schon nach der ersten Zeile des einleitenden Textes gefunden<br />

zu haben. Diese wirkt so stark vor, dass der restliche Text nicht berücksichtig, teilweise<br />

auch nicht mehr konzentriert gelesen wird. Es handelt sich um eine vermeintlich<br />

leichte Aufgabe, deswegen meinen die Schüler, dass ihre erste Idee auch die richtige<br />

ist. Um diese Vorwirkungsfehler zu vermeiden, würde es <strong>bei</strong> einigen Schülern genügen,<br />

die Aufgaben nicht als leicht einzustufen.<br />

56


5.5 Schlussbemerkungen<br />

Bei den Aufgaben, die Nachwirkungsfehler zeigen, existiert immer ein Element, das<br />

<strong>bei</strong>m Lesen besonders hervorgetreten ist und so die Schülerinnen und Schüler in ihrer<br />

Lösungssuche beeinflusst. Zur Vermeidung dieser Fehler sollten solche Elemente vom<br />

Aufgabensteller vermeidet werden.<br />

Allgemein ist zu sagen, dass es stark von der Aufgabenstellung abhängt, welche Fehler<br />

gemacht werden. Deshalb sollte man sich bereits <strong>bei</strong>m Formulieren einer Aufgabe<br />

im Klaren sein, welche Fehler auftreten können. Einige von ihnen werden akzeptiert<br />

und bewusst provoziert, andere will der Aufgabensteller aber vermeiden. Ein Irrtum<br />

kann zum Beispiel bewusst akzeptiert werden, um Wissen abzufragen. Fehler durch<br />

falsches Schließen werden toleriert, um das logische Verständnis zu testen. Vor allem<br />

im Hinblick auf das wiederholte Auftreten sollten gemachte Fehler aufgezeigt und besprochen<br />

werden. Außerdem ist es sinnvoll zu klären, warum es sich um einen Fehler<br />

handelt und wie die Lösung des Problems aussieht.<br />

5.5 Schlussbemerkungen<br />

Innerhalb des Bibertests sind einige Fehler aufgetreten, die durch eine andere Fragestellung<br />

möglicherweise seltener vorgekommen wären. Der Fragesteller hätte dies<br />

<strong>bei</strong> der Formulierung berücksichtigen können. Aber ist das wirklich sinnvoll? Helfen<br />

wir unseren Schülerinnen und Schülern, wenn wir den Unterricht so gestalten, dass<br />

möglichst wenig Fehler gemacht werden? Nein! Denn Fehler bringen den Lernenden<br />

voran. Sie geben uns die Chance, ”<br />

neue Entdeckungen zu machen [und] unseren Horizont<br />

zu erweitern“ [1, S.92].<br />

Im Mittelpunkt des Schulunterrichts stehen [...] geistige Leistungen wie das Verstehen<br />

von Konzepten, die Einsicht in Gründe und das Verfügen über<br />

”<br />

Erklärungen“<br />

[15, S.49]. Damit die Schülerinnen und Schüler komplexe Zusammenhänge verstehen<br />

können, müssen sie ”<br />

in einem Prozess von Versuch und Irrtum - entweder praktisch<br />

oder zumindest in Gedankenexperimenten - ausprobieren, welche Optionen funktionieren<br />

und welche Möglichkeiten aus bestimmten Gründen ausgeschlossen sind“ [15,<br />

S.50]. Nur so kann erreicht werden, dass der Lernende den Inhalt wirklich versteht.<br />

Denn dazu gegügt es nicht, nur zu wissen, wie etwas funktioniert, sondern auch, aus<br />

welchen Gründen es auf eine andere Weise nicht möglich ist [15, S.50].<br />

57


5 Fehleranalyse<br />

Dieses Konzept ist schon lange bekannt. In den Naturwissenschaften bemüht man<br />

sich, im Prozess der Theoriebildung in einem kontinuierlichen Korrektur- und Revisionsprozess,<br />

seine Hypothesen immer besser an die Beobachtungen anzupassen, in-<br />

”<br />

dem man seine anfänglichen Vermutungen so lange verbessert oder durch neue ersetzt,<br />

bis sie schließlich die Wirklichkeit zutreffend darstellen“ [15, S.50]. Auch in der Informatik<br />

findet das Trial-and-Error-Verfahren Anwendung. Vor allem <strong>bei</strong>m Programmieren<br />

gelangen viele Personen nur so zur richtigen Lösung. Es wird außerdem betont,<br />

dass wir nur über Fehler zu Einsichten in Gründe und Ursachen“ [15, S.50] gelangen.<br />

”<br />

Somit ist es keine geeignete Lernstrategie, Fehler zu vermeiden. Dies würde nämlich<br />

”<br />

nur dazu führen, dass wir lediglich Beschreibungen auswendig lernen oder standardisierte<br />

Lösungsschemata einüben, ohne da<strong>bei</strong> ein tiefer gehendes Verständnis zu erwerben“<br />

[15, S.51]. Deshalb sollte man sich als Lehrer <strong>bei</strong> einer Aufgabenstellung nicht<br />

nur fragen, welche Fehler auftreten könnten, sondern auch wie diese Fehler genutzt<br />

werden können, um die Schülerinnen und Schüler im Prozess des Wissenserwerbs voranzubringen.<br />

58


6 Ausblick<br />

Für den Lernprozess werden Fehler als förderlich angesehen. Deshalb sollten sie genutzt<br />

werden. Jedoch geschehen diese meist unvorhergesehen. Lehrerinnen und Lehrer<br />

rechnen selten damit. Wie sollen sie nun das Unberechenbare nutzen, das <strong>bei</strong> der<br />

Unterrichtsplanung gar nicht berücksichtigt werden kann? Möglich wäre eine absichtliche<br />

Her<strong>bei</strong>führung von Fehlern. Lehrerinnen und Lehrer sollten ihre Schülerinnen<br />

und Schüler bewusst falsche Antworten vortragen lassen und diese gemeinsam mit der<br />

Klasse diskutieren.<br />

Interessant wäre es zu wissen, ob Aufgaben in der Informatik gezielt so formuliert<br />

werden können, dass eine bestimmte Fehlerart auftritt. Um dies zu untersuchen,<br />

müssten Aufgaben gestaltet werden, von denen man erwartet, dass sie eine Fehlerart<br />

hervorrufen. Diese wären von einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern zu beantworten.<br />

Anschließend müsste betrachtet werden, welche Fehlerarten aufgetreten sind.<br />

Außerdem könnte man untersuchen, ob zwei unterschiedlich formulierte Aufgaben,<br />

welche <strong>bei</strong>de dieselbe Antwort verlangen, verschiedene Fehlerresultate zeigen. Hierzu<br />

benötigt man zwei Gruppen von Schülerinnen und Schülern. Die erste Gruppe müsste<br />

z.B. die Aufgaben beantworten, die im Schülerwettbewerb Informatik Biber gestellt<br />

werden. Die zweite bekäme denselben Aufgabentyp, nur anders formuliert. Die Bestandteile,<br />

von denen man ausgeht, dass sie eine bestimmte Fehlerart verursachen,<br />

entfallen oder werden ersetzt. In einer Testauswertung sind die Antworten der <strong>bei</strong>den<br />

Gruppen mit ihren Häufigkeiten gegenüberzustellen.<br />

59


Literaturverzeichnis<br />

[1] Beutelspacher, Albrecht: Horzionterweiternde Stolpersteine. In: Nur wer Fehler<br />

macht, kommt weiter. Freiburg im Breisgau : Ralf Caspary, 2008, S. 86 – 96<br />

[2] Blanck, Bettina: Entwicklung einer Fehleraufsuchdidaktik und<br />

Erwägungsorientierung. In: Nur wer Fehler macht, kommt weiter. Freiburg im<br />

Breisgau : Ralf Caspary, 2008, S. 97 – 119<br />

[3] Bundeswettbewerb Informatik: Informatik Biber. – URL http://www.<br />

informatik-biber.de – Zugriffsdatum: 01.09.2010<br />

[4] Bundeswettbewerb Informatik: Informatik-Biber 2007 - Aufgaben ab Stufe<br />

11. – URL http://www.informatik-biber.de/assets/files/Startseite/<br />

Aufgaben_11_ohne_loesung.pdf – Zugriffsdatum: 01.09.2010<br />

[5] Bundeswettbewerb Informatik: Informatik-Biber 2007 - Aufgaben<br />

Klassenstufe 5 bis 7. – URL http://www.informatik-biber.de/assets/<br />

files/Startseite/Aufgaben_5_bis_7_ohne_loesung.pdf – Zugriffsdatum:<br />

01.09.2010<br />

[6] Bundeswettbewerb Informatik: Informatik-Biber 2007 - Aufgaben Klassenstufe<br />

8 bis 10. – URL http://www.informatik-biber.de/assets/<br />

files/Startseite/Aufgaben_8_bis_10_ohne_loesung.pdf – Zugriffsdatum:<br />

01.09.2010<br />

[7] Edelstein, Wolfgang: Aus Fehlern wird man klug. In: Fehlerwelten. Opladen :<br />

Wolfgang Althof, 1999, S. 111 – 127<br />

[8] Gerster, Hans-Dieter: <strong>Schülerfehler</strong> <strong>bei</strong> schriftlichen Rechenverfahren - Diagnose<br />

und Therapie. Freiburg : Herder, 1982<br />

61


Literaturverzeichnis<br />

[9] Haßlberger, Josef: Fehler von Berufsschülern <strong>bei</strong> der Ar<strong>bei</strong>t mit dem Computer<br />

im Unterrichtsfach Datenverar<strong>bei</strong>tung, Technische Universität München,<br />

Dissertation, 1993<br />

[10] Heid, Helmut: Autorität - Über die Verwandlung von Fehlern in Verfehlungen.<br />

In: Fehlerwelten. Opladen : Wolfgang Althof, 1999, S. 129 – 136<br />

[11] International Bebras Committee: Bebras Contest. – URL http://www.<br />

bebras.org – Zugriffsdatum: 01.09.2010<br />

[12] Jost, Dominik; Erni, Jakob; Schmassmann, Margret: Mit Fehlern muss gerechnet<br />

werden. Zürich, 1992<br />

[13] Schlüter, Kirsten: Eine Studie zu den Merkmalen der Aufgabenschwierigkeit<br />

am Beispiel eines Informatik-Schülerwettbewerbs - Erster Teil: Aufgabenklassifizierung.<br />

In: Koerber, Bernhard (Hrsg.): Zukunft braucht Herkunft: 25 Jahre<br />

” INFOS - Informatik und Schule“. 13. GI-Fachtagung Informatik und Schule“,<br />

”<br />

21. bis 24. September 2009 an der Freien Universität Berlin. Bonn, Köllen :<br />

Gesellschaft <strong>für</strong> Informatik, 2009, S. 181 – 192<br />

[14] Schlüter, Kirsten: Eine Studie zu den Merkmalen der Aufgabenschwierigkeit<br />

am Beispiel eines Informatik-Schülerwettbewerbs. Zweiter Teil: Empirische Aufgabenanalyse.<br />

In: Diethelm, Ira (Hrsg.); Dörge, Christina (Hrsg.); Hildebrandt,<br />

Claudia (Hrsg.); Schulte, Carsten (Hrsg.): Didaktik der Informatik -<br />

Möglichkeiten empirischer Forschungsmethoden und Perspektiven der Fachdidaktik.<br />

6. Workshop der GI-Fachgruppe ”<br />

Didaktik der Informatik“, 16. - 17. September<br />

2010 in Oldenburg. Bonn, Köllen : Gesellschaft <strong>für</strong> Informatik, 2010, S. 69 –<br />

80<br />

[15] Schumacher, Ralph: Der produktive Umgang mit Fehlern. In: Nur wer Fehler<br />

macht, kommt weiter. Freiburg im Breisgau : Ralf Caspary, 2008, S. 49 – 72<br />

[16] Straßburg, Katja: Die Fehleranalyse als diagnostische Methode im Prozess des<br />

Lernens. In: Handbuch Lernprozesse verstehen. Weinheim, Basel, Berlin : Hans<br />

Eberwein, Sabine Knauer, 1998, S. 209 – 218<br />

[17] Weimer, Prof. Dr. H.: Psychologie der Fehler. Leipzig : Julius Klinkhardt, 1925<br />

62


Literaturverzeichnis<br />

[18] Weinert, Franz E.: Aus Fehlern lernen und Fehler vermeiden lernen. In: Fehlerwelten.<br />

Opladen : Wolfgang Althof, 1999, S. 101 – 109<br />

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