BUNSENMAGAZIN - Deutsche Bunsengesellschaft für ...
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ASPEKTE<br />
1930er Jahren von C. Wagner und W. Schottky entwickelt wurde<br />
[6]. Ausgehend von der Überlegung, dass kristalline Mischphasen<br />
im Wechselspiel von Entropiegewinn und Enthalpiekosten<br />
bei Temperaturen oberhalb 0 K immer eine defi nierte Konzentration<br />
von nulldimensionalen Kristallbaufehlern (Punktdefekte)<br />
aufweisen müssen, entstand in der Nachkriegszeit<br />
während der rasanten Entwicklung der Halbleiterphysik mit der<br />
Defektthermodynamik, -kinetik und letztlich der Defektchemie<br />
ein eigenständiges Arbeitsgebiet. Die Entwicklung der Festkörperelektrochemie<br />
(Solid State Ionics) ab den 1970er Jahren<br />
profi tierte hiervon und förderte rückkoppelnd die weitere Entwicklung<br />
des Gebiets.<br />
Abb. 3: TEM-Aufnahmen einer nanoskaligen Multischicht aus einem kristallinen<br />
Ionenleiter (YSZ) und einem kristallinen Isolator (Sc 2 O 3 ). Der Sauerstofftransport<br />
entlang der dünnen YSZ-Schichten wird durch die nahezu kohärente<br />
Grenzfläche kaum beeinflusst. Inkohärente Grenzflächen mit anderen<br />
Oxiden führen zu merklichen Leitfähigkeitsbeiträgen (Bild bereit gestellt von<br />
C. Korte, Gießen).<br />
Heute gehört die Defektchemie zum Ausbildungskanon vieler<br />
Materialwissenschaftler, die Entwicklung des Gebiets ist aber<br />
bei weitem nicht abgeschlossen. Während in den ersten Jahrzehnten<br />
nach 1930 das grundsätzliche Verständnis <strong>für</strong> Festkörperreaktionen<br />
ganz allgemein im Vordergrund stand (z. B. in<br />
den Arbeiten von W. Jost [7], später fortgeführt von C. Wagner<br />
[8] und H. Schmalzried [9]), rückte ab 1950 die Kontrolle von<br />
Halbleitereigenschaften in den Mittelpunkt (s. Monographie<br />
von Kroeger [10] und Arbeiten von Vink). Ab Mitte der 1970er<br />
Jahre – quasi im Kielwasser der ersten Ölkrise – begann die<br />
verstärkte Arbeit an Materialien <strong>für</strong> elektrochemische Energietechnologien<br />
(u. a. Erscheinen der Zeitschrift Solid State Ionics<br />
mit Klaus Funke als einem der Gründungseditoren). Seit den<br />
1990er Jahren wird die Defektchemie nanostrukturierter Systeme<br />
untersucht, und heute stehen vor allem komplexe Systeme<br />
im Mittelpunkt: amorphe, glasartige oder auch kristalline<br />
metastabile Festkörper; nano- und mesoporöse Materialien<br />
oder auch nanoskalige Schichtsysteme; Mehrkomponentensysteme<br />
mit mehreren Untergittern, in denen Transport möglich<br />
ist. Der von Klaus Funke initiierte SFB 458 an der Univer-<br />
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BUNSEN-MAGAZIN · 11. JAHRGANG · 2/2009<br />
Abb. 4: Einfluss der Gitterfehlpassung von Festelektrolyt und Isolator in einer<br />
Multischicht (vgl. Abb. 3) und damit der Einfluss der Struktur innerer<br />
Festkörpergrenzflächen auf die Leitfähigkeit entlang der Grenzfläche; dargestellt<br />
ist das logarithmierte Verhältnis von Leitfähigkeit der Schichten<br />
zur ungestörten Volumenleitfähigkeit. Dilative Verspannungen der ionenleitenden<br />
Schicht erhöhen die ionische Leitfähigkeit, kompressive Verspannungen<br />
verringern diese (Bild bereit gestellt von C. Korte, Gießen).<br />
sität Münster, der erfolgreich seit vielen Jahren läuft und sich<br />
nun dem Ende zuneigt, hat eben diese komplexen Materialien<br />
und atomare Bewegung in ihnen zum Thema.<br />
Die Untersuchung und das Verständnis der Defektchemie von<br />
komplexen Oxiden, insbesondere auch der Einfl uss atomarer<br />
Defekte auf die elektronische Struktur dieser Materialien spielt<br />
<strong>für</strong> die Entwicklung neuer Materialien <strong>für</strong> Hochtemperaturbrennstoffzellen<br />
und anorganische Membranen eine große Rolle. Die<br />
Verknüpfung der thermodynamischen Skala des chemischen<br />
Potentials von Materialkomponenten mit der physikalischen<br />
Skala der Fermi-Energie bringt neue Einsichten und hilft, eine<br />
physikalisch-chemische Brücke zwischen Festkörperchemie<br />
und -physik zu etablieren. Ein aktuelles Beispiel ist in der Abbildung<br />
5 dargestellt. H. D. Wiemhöfer untersucht z. B. mit seinen<br />
Mitarbeitern und Partnern im Schwerpunktprogramm 1136 der<br />
Abb. 5: Vereinfachtes Bandschema eines ionenleitenden Oxids (10YSZ), das<br />
Stickstoffdefekte enthält, mit verschiedenen Energie- bzw. Potenzialskalen.<br />
Die Sauerstoffaktivität über der Probe bestimmt die Lage des Fermi-Niveaus<br />
und damit auch das Redox-Potenzial des Oxids (Bild bereit gestellt von H. D.<br />
Wiemhöfer, Münster).