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Premiere Saul Porträt David Daniels Ring-Zyklus Nike Wagner im ...

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TAKT7 Bayerische<br />

Staatsoper<br />

Bayerisches<br />

Staatsballett<br />

April/Mai/Juni 2003<br />

<strong>Premiere</strong> <strong>Saul</strong> <strong>Porträt</strong> <strong>David</strong> <strong>Daniels</strong> <strong>Ring</strong>-<strong>Zyklus</strong><br />

<strong>Nike</strong> <strong>Wagner</strong> <strong>im</strong> Gespräch Studio Walkürenschnitt<br />

Menschen in der Oper Der Klavierst<strong>im</strong>mer Ballett<br />

Teshigawara und Forsythe<br />

<strong>David</strong> <strong>Daniels</strong><br />

www.staatsoper.de


premiere I porträt<br />

Als Nerone in Monteverdis<br />

L’incoronazione di Poppea<br />

gab <strong>David</strong> <strong>Daniels</strong> 1997 sein<br />

fulminantes Debut an der<br />

Bayerischen Staatsoper.<br />

BEHERRSCHUNG DER<br />

AFFEKTE<br />

<strong>David</strong> <strong>Daniels</strong> singt in der Neuinszenierung<br />

von Händels <strong>Saul</strong> den <strong>David</strong>. Ein <strong>Porträt</strong> des<br />

amerikanischen Countertenors.<br />

4 TAKT 7 TAKT 7 5


Stand bereits mit drei<br />

Jahren auf der Bühne:<br />

<strong>David</strong> <strong>Daniels</strong>’ Eltern<br />

sind selbst Sänger.<br />

Er hat die St<strong>im</strong>me des Lichts, der<br />

Engel, der Unschuld; eine St<strong>im</strong>me,<br />

so schön, so rein und klar, als töne<br />

sie nicht von dieser Welt. Seinerzeit<br />

<strong>im</strong> achtzehnten Jahrhundert, zur<br />

Blütezeit hoher Männerst<strong>im</strong>men,<br />

sollen die Damen bei Hofe in Ohnmacht<br />

gesunken sein, sobald die<br />

Liebesworte in süßen Kantilenen in<br />

den Äther stiegen. „Das passiert<br />

heute nicht mehr, dafür reisen mir<br />

viele Frauen nach“, lacht der amerikanische Countertenor<br />

<strong>David</strong> <strong>Daniels</strong>. Ein zartgliedriger androgyner Ephebe ist er<br />

nicht, eher von kompakter Statur, Typ amerikanischer „boy<br />

next door“ mit treuherzigem Blick und strahlendem Lachen.<br />

„Heiraten wollen die mich natürlich nicht!“, glaubt er. „Sie<br />

sind erfüllt und bewegt von meinem Gesang; das sagen sie<br />

jedenfalls“. Als Fiktion ist die Liebe manchmal auch in der<br />

Musik am allerschönsten.<br />

Was <strong>im</strong> achtzehnten Jahrhundert mit einem kruden Messerschnitt<br />

erledigt wurde, vollzog sich bei <strong>David</strong> <strong>Daniels</strong> auf<br />

seltsam natürliche Weise. Von klein auf hatte er Sopran gesungen,<br />

und auch die Pubertät ließ seine St<strong>im</strong>me offenbar<br />

unberührt. „Ich habe nie die Fähigkeit verloren, hohe Töne<br />

zu singen, auch mit 37 Jahren nicht.“ Er sucht nach Erklärungen:<br />

„Vielleicht war die Muskulatur meines Kehlkopfes<br />

durch meine vielen Auftritte als Knabensopran so auf diese<br />

Lage fixiert, dass sich trotz Pubertät nichts mehr ändern<br />

konnte. Ich weiß es nicht“.<br />

Diese Unsicherheit ließ ihn zunächst sein eigenes St<strong>im</strong>mfach<br />

nicht finden. Zudem gab es zu dieser Zeit in den USA keine<br />

Countertenor-Tradition, niemanden, den er sich als Vorbild<br />

hätte nehmen können. Am Konservatorium in Cincinnati und<br />

an der Universität von Michigan quälte er sich als „baritenor“<br />

ab, mit Franco Corelli als großem Vorbild. „Ziemlich ‚troyanesque‘<br />

muss ich da geklungen haben.“ Er fühlte sich nicht<br />

wohl: „Alle Töne jenseits des „F“ brachen mir ab, kippten<br />

um ins Falsett. Wenn das einem 17jährigen passiert, dann<br />

sagt man: gut, in dem Alter entwickelt sich die St<strong>im</strong>me. Aber<br />

als ich dann 25 war und <strong>im</strong>mer noch nichts weiterging, war<br />

ich nur noch frustriert.“ Denn auch das Falsett, das er seit<br />

seiner Zeit als Knabensopran beibehalten hatte, hielt er nicht<br />

für „richtiges Singen“. Erst ein Besuch bei einer Psychiaterin<br />

überzeugte ihn, dass er sich zu dieser „anderen St<strong>im</strong>me“<br />

bekennen müsse. Er besorgte sich einschlägige Literatur und<br />

Aufnahmen von Countertenören, ahmte deren Gesangstil<br />

nach, eignete sich Verzierungen und Repertoire an.<br />

Händel hat für<br />

mich eine dunkle,<br />

wahrhaftige, so<br />

menschliche Seite.<br />

„In gewisser Hinsicht war ich ein Autodidakt.“ Seine Eltern,<br />

selbst erfahrene Opernsänger und Gesangslehrer, standen<br />

ihm in diesen schwierigen Zeiten stets zur Seite, fingen jeden<br />

Identitätskonflikt auf. Schließlich fand er die adäquate Lehrerin,<br />

eine Mezzosopranistin, denn er erkannte, dass sein<br />

Repertoire vorwiegend aus diesem Fach stammen würde.<br />

Im März 1992 beschloss er den endgültigen Fachwechsel<br />

zum Countertenor und hatte obendrein das Glück, dass zu<br />

jener Zeit der Klang der extrem hohen Männerst<strong>im</strong>men<br />

wieder populär geworden war – dank der Kärrnerarbeit des<br />

englischen Countertenors Alfred Deller in der Nachkriegszeit;<br />

dank aber auch der Wiederentdeckung des barocken<br />

Opernrepertoires durch Jean-Pierre Ponnelle und Nikolaus<br />

Harnoncourt, mit dem <strong>Daniels</strong> mittlerweile auch schon aufgetreten<br />

ist.<br />

Vielleicht lag es an <strong>Daniels</strong>’ wohl<br />

behüteter Kindheit in Spartanburg,<br />

South Carolina, dass<br />

er jenes Urvertrauen fassen<br />

konnte, das einen gegen die<br />

Unbill dieser Welt schützt.<br />

Bereits <strong>im</strong> Alter von drei Jahren<br />

schienen Bühne und Musik auf<br />

ihn eine ungeheure Faszination<br />

auszüben: „Mein erster Auftritt<br />

war in dem Musical The King<br />

and I. Meine Mutter erzählt, dass ich hinter der Bühne weinte<br />

und mich weigerte, aufzutreten. Doch als meine Einsatzmusik<br />

erklang, hörte ich sofort wieder auf und rannte zur<br />

Bühne.“ Immer wenn Bedarf an einem hochmusikalischen<br />

Kind war, sprang der kleine <strong>David</strong> ein. Ansonsten war <strong>im</strong><br />

45.000 Seelen Städtchen Spartanburg nicht allzu viel los.<br />

Kirche, Football, Basketball und Baseball bilden hier für die<br />

meisten die Säulen der Kultur: „Es gibt eine BMW-Fabrik<br />

und eine große deutsche Kolonie. Tja, wenn ich mehr den<br />

lutheranischen Gottesdienst besucht hätte, würde ich perfekt<br />

Deutsch mit Ihnen sprechen können“, scherzt er. Stattdessen<br />

ging er jeden Nachmittag mit seinem sechs Jahre<br />

älteren Bruder, der heute Cellist <strong>im</strong> Virgina Symphony Orchestra<br />

ist, auf den Basketballplatz. Noch heute nutzt er jede<br />

freie Minute für diesen Sport. „Wenn das mit dem Gesang<br />

nichts geworden wäre, dann wäre ich wohl Sportkommentator<br />

geworden oder vielleicht ein ‚referee‘, ein Basketball-<br />

TAKT 7 7


Freut sich über Christof<br />

Loys Regiekonzept:<br />

<strong>David</strong> <strong>Daniels</strong> probt mit<br />

Alastair Miles (<strong>Saul</strong>).<br />

Wenn ich mich<br />

in einer Rolle nicht<br />

gut fühle, spürt<br />

dies das Publikum.<br />

Schiedsrichter mit einem schicken gestreiften T-Shirt“. Als<br />

er unlängst als Nerone in Monteverdis L‘incoronazione di<br />

Poppea in Miami auftrat, schenkte man ihm eine Eintrittskarte<br />

für ein Spiel der Ryder Trucs. Drei Sitze von ihm entfernt<br />

saß Sylvester Stallone. „Der ist ja ziemlich klein, das<br />

hätte ich nicht gedacht.“<br />

Sport und Oper: beide Welten kann man seiner Ansicht<br />

nach sehr gut vergleichen. „Bei beiden kommt es auf<br />

‚drive‘, ‚t<strong>im</strong>ing‘ und Konzentration an. Sie müssen, egal<br />

ob be<strong>im</strong> Sport oder in der Oper, ein Athlet sein, auf Ihren<br />

Körper aufpassen, viel Wasser trinken. Für einen Sportler<br />

wie für einen Sänger ist es sehr depr<strong>im</strong>ierend, wenn er<br />

wegen Krankheit ausfällt.“<br />

Gut in Form muss <strong>David</strong> <strong>Daniels</strong><br />

auch als <strong>David</strong> in der Neuproduktion<br />

von Georg Friedrich<br />

Händels Oratorium <strong>Saul</strong> sein,<br />

das an der Bayerischen<br />

Staatsoper szenisch aufgeführt<br />

wird. „Ich glaube, <strong>Saul</strong>s<br />

Leute versuchen drei Mal,<br />

mich umzubringen; auf jeden<br />

Fall bin ich stets auf der<br />

Flucht.“ Wenn es auch sein<br />

Debut am Nationaltheater ist, so trat er doch bereits in zwei<br />

Produktionen der Bayerischen Staatsoper <strong>im</strong> Prinzregententheater<br />

auf. Als Nerone in L’incoronazione di Poppea<br />

stellte er sich bei den Opern-Festspielen 1997 erstmals dem<br />

Münchner Publikum vor. Drei Jahre später folgte sein bravouröser<br />

Rinaldo in Händels gleichnamiger Oper. <strong>David</strong><br />

<strong>Daniels</strong> freut sich auf seinen Part als <strong>David</strong>, den er bereits<br />

an der Seite von Bryn Terfel unter Charles Mackerras konzertant<br />

gesungen hat. „Händel hat für mich eine dunkle,<br />

wahrhaftige, so menschliche Seite. Trotzdem geht es um die<br />

Beherrschung der Affekte. Dies ist für mich der wahre Ausdruck“.<br />

Und er freut sich über Christof Loys Regiekonzept.<br />

Händels Opern können seiner Meinung nach bedenkenlos<br />

aktualisiert werden, auch ein Oratorium wie <strong>Saul</strong>: „Wenn Sie<br />

tausend Pfund Kostüme, Puder und Perücke drauf haben,<br />

dann können Sie sich ja gar nicht bewegen, dann können<br />

Sie nicht wahrhaftig sein“. Viel hat er von dem Bühnenbild<br />

indes noch nicht gesehen, lediglich ein Paar Holzwände.<br />

Vier Wochen vor der <strong>Premiere</strong> befindet sich noch vieles <strong>im</strong><br />

Werden, und auch die Figuren gilt es noch zu formen: „<strong>David</strong><br />

ist ein interessanter Charakter, seine enge Verbindung zu<br />

Gott und König <strong>Saul</strong>s Tochter Michal ist wichtig. Gleichzeitig<br />

ist <strong>David</strong> auch ein Krieger mit einem untrüglichen politischen<br />

Instinkt“. <strong>Daniels</strong> glaubt, dass in jeder dargestellten Figur<br />

auch etwas Eigenes hineinspielt. „Man muss etwa be<strong>im</strong><br />

Nerone nicht ein Tyrann sein, um ihn zu spielen. Doch das<br />

Körperliche eines Tyrannen darf einem nicht fremd sein. Nur<br />

so kann man es glaubwürdig vermitteln. Wenn ich mich in<br />

der Rolle nicht gut fühle, dann spürt dies das Publikum.“<br />

Es gibt Momente in seinem Sängerdasein,<br />

in denen sich <strong>Daniels</strong><br />

tatsächlich nicht wohl fühlt. Dann<br />

wird ihm die Begabung zur Bürde.<br />

Es sei nicht <strong>im</strong>mer leicht aus Rücksicht<br />

auf die St<strong>im</strong>me gegen das<br />

eigene Naturell zu handeln. Er sei<br />

ein geselliger Mensch, ein Entertainertyp.<br />

„Für einen Sänger spreche<br />

ich zu viel. Das ist nicht gut für<br />

die St<strong>im</strong>me. Manchmal würde ich<br />

gerne einfach ein Bier nach dem anderen herunterkippen<br />

und sorgenlos die Nächte durchmachen, das sind dann die<br />

Zeiten, wo ich mir Urlaub nehmen sollte“. Empfänge meidet<br />

er, meist verbringt er seine Abende alleine <strong>im</strong> Hotel. Bei barocken<br />

Opernproduktionen wie <strong>Saul</strong>, sei es etwas einfacher.<br />

„Man findet sozusagen eine kleine Familie vor, alle haben<br />

die gleiche Haltung gegenüber dem Repertoire. In München<br />

fühle ich mich wie zuhause.“ Telefon und das Internet dämpfen<br />

seine Einsamkeit. Er steht in ständiger Verbindung mit<br />

seinen Eltern, mit Kollegen und Freunden und vor allen Dingen<br />

mit John, seinem langjährigen Lebensgefährten, der als<br />

Pianist und Kirchenmusikdirektor in Washington DC lebt und<br />

arbeitet.<br />

Derzeit verbringt <strong>Daniels</strong> die Abende meist vor dem Sender<br />

CNN. Der Irak-Krieg setzt ihm zu. „Wenn ich die Bilder von<br />

verwundeten und gefangenen amerikanischen Soldaten<br />

sehe, dann werde ich ganz patriotisch. Dabei bin ich absolut<br />

gegen den Krieg. Doch ich liebe auch mein Land und meine<br />

Landsleute.“<br />

Immer wieder bittet ihn der Präsident seiner alten Universität<br />

Michigan, die Nationalhymne zur Eröffnung der Footballsaison<br />

<strong>im</strong> Stadion zu singen. Doch das würde <strong>Daniels</strong> auch jetzt<br />

ablehnen. Zudem: „Stellen Sie sich vor, ich als Countertenor<br />

vor 106.000 grölenden und betrunkenen Footballfans? Eine<br />

Lachnummer!“ TERESA PIESCHACÓN RAPHAEL<br />

TAKT 7 9


premiere I <strong>im</strong> gespräch<br />

Probenarbeit für die Neuproduktion <strong>Saul</strong>:<br />

Robert Gardner, Kevin Conners,<br />

Thomas Diestler, John Mark Ainsley,<br />

Rebecca Evans, Alastair Miles und<br />

Rosemary Joshua (v.l.n.r.).<br />

10 TAKT 7<br />

der weg der zivilisation:<br />

aufstieg und fall sauls<br />

Macht und Machterhalt, Korruption durch Macht, Krieg<br />

und Sehnsucht nach Frieden sowie göttliche Erwählung sind<br />

die Themen in Händels <strong>Saul</strong>. <strong>Premiere</strong> ist am 28. April.<br />

TAKT 7 11


Im Zentrum der aus der Bibel<br />

entlehnten Handlung von Händels<br />

Oratorium <strong>Saul</strong> stehen Aufstieg<br />

und Fall <strong>Saul</strong>s, des ersten Königs<br />

Israels, und die eigenartige Rolle,<br />

die sein designierter Nachfolger<br />

<strong>David</strong> dabei spielt. Es geht um<br />

ebenso zeitgemäße wie opernhafte<br />

Themen: Macht und Machterhalt,<br />

Korruption durch Macht, Krieg und<br />

Sehnsucht nach Frieden und göttliche<br />

Erwählung. Über Stoff und Werk<br />

sprachen während der Proben<br />

Regisseur Christof Loy, Theologe<br />

und Philosoph Dr. Jochen <strong>Wagner</strong><br />

und Dramaturg Peter Heilker.<br />

Heilker: Denkt man an einen Stoff aus<br />

dem Alten Testament, muss ein großer<br />

Sprung über die Jahrtausende hinweg<br />

bis heute bewältigt werden, um die<br />

Gestalten lebendig werden zu lassen.<br />

Oder ist diese Geschichte um Macht<br />

und Machterhalt, um Trieb und Zivilisation<br />

doch näher an unserer Zeit, als<br />

es auf den ersten Blick scheint?<br />

Loy: Da gibt es doch gar keine Zweifel!<br />

In der Bibel sind schließlich schon alle<br />

Situationen, in die Menschen geraten<br />

und die zwischen Menschen passieren<br />

können, enthalten. Die Bibel ist das<br />

spannendste Buch.<br />

<strong>Wagner</strong>: Sie ist <strong>im</strong>mer noch voller<br />

Stoffe, die voller aufregender Widersprüche<br />

sind. Die Bibel ist eine Melange<br />

aus Triebleben und gesellschaftli-<br />

12 TAKT 7<br />

„Wir haben es hier mit<br />

einer Gesellschaft zu<br />

tun, die durch eine<br />

Identitätskrise geht.“<br />

Regisseur Christof Loy<br />

„Kommt der Mensch durch Krieg<br />

und Zerstörung, durch mehr<br />

oder weniger gewaltbereiten<br />

Wettbewerb weiter?“<br />

chem Leben, aus Politik und Religion,<br />

aus Psychologie, Sex and Cr<strong>im</strong>e – aber<br />

zu alle dem gibt es dort eine göttliche<br />

Vorsehung. Das unterscheidet diesen<br />

Stoff fundamental vom Heute. Wir<br />

haben über die Jahrtausende Skrupel<br />

entwickelt, Politik und Religion kurz zu<br />

schließen.<br />

Loy: Es gibt ja auch heute keine Propheten<br />

mehr, die einen Gottgesandten<br />

zum Führer salben wie Samuel.<br />

<strong>Wagner</strong>: Samuel ist auch kein wirklicher<br />

Prophet. Er hat die Position eines<br />

Richters innerhalb dieses Stammesverbundes<br />

von mobilen, vitalen und anarchischen<br />

Sippen, der erst später zum<br />

Volk Israel wird. Bei diesem Verbund<br />

beginnt mit dem Wunsch nach einem<br />

König ein komplizierter Prozess – auch<br />

aus Neid auf die umliegenden feindlichen<br />

Völker, die diese Zivilisationsstufe<br />

bereits erklommen haben. Gott hat entschieden,<br />

und Samuel soll nun einen<br />

König salben. Aber er salbt keinen, der<br />

die entsprechende Qualifikation in seiner<br />

Karriereplanung drauf hat, sondern<br />

den Hirtenjungen <strong>Saul</strong>.<br />

Heilker: Aber <strong>Saul</strong> erfüllt diese Herrscherrolle<br />

so gut er kann. In Händels<br />

Oratorium setzt die Geschichte zu<br />

dem Zeitpunkt ein, an dem es mit <strong>Saul</strong><br />

bereits bergab geht. Er hat Fehler gemacht,<br />

handelte eigenverantwortlich,<br />

ohne auf die St<strong>im</strong>me Gottes zu hören.<br />

Loy: <strong>Saul</strong> ist für das Volk kein attraktiver<br />

König mehr, er ist jemand, der<br />

schon öfter gezeigt hat, dass er für<br />

seine exponierte Position viel zu unkontrolliert<br />

handelt. Das spürt das<br />

Volk. <strong>Saul</strong> nutzt den Charme <strong>David</strong>s<br />

zunächst sogar aus, um sich be<strong>im</strong><br />

Volk wieder beliebter zu machen. Dann<br />

muss er erfahren, dass dieser Schuss<br />

nach hinten losgegangen ist, dass sich<br />

das Volk überhaupt nicht mehr für ihn<br />

interessiert und nur noch Augen und<br />

Ohren für den jungen <strong>David</strong> hat. Für<br />

den ist dieser Erfolg völlig unerwartet.<br />

Die entscheidende Schlacht gegen<br />

Goliath hat er gewonnen wie ein junger<br />

Mann, der sich gerne prügelt, ohne die<br />

Tragweite seines Handelns abzusehen.<br />

Plötzlich wird sein Sieg zur Heldentat –<br />

eine Stilisierung, an der <strong>David</strong> durchaus<br />

Gefallen findet. Wenn man plötzlich<br />

von so vielen Menschen geliebt<br />

wird, möchte man das natürlich nicht<br />

wieder aufgeben. Und sobald <strong>David</strong><br />

seine neue Position zu genießen beginnt,<br />

will er sie auch weiter ausbauen.<br />

<strong>Wagner</strong>: Händel springt dann sofort<br />

in die Familiensaga. Koalitionen bilden<br />

sich, <strong>David</strong> wird zum Widersacher<br />

<strong>Saul</strong>s und zum Komplizen von dessen<br />

Kindern gemacht: <strong>Saul</strong>s Tochter Michal<br />

verliebt sich in ihn. Merab ist unsicher,<br />

was von diesem Mann niederer Abkunft<br />

erwartet werden kann, und Jonathan<br />

beginnt eine Freundschaft mit deutlich<br />

homophilen Akzenten. Doch geht es<br />

nicht nur um Psychologisierung oder<br />

Familiendrama, nicht bloß um Eifer-<br />

„Die Staatsämter<br />

haben aus vitalen<br />

Gestalten deformierte<br />

Menschen gemacht.“<br />

Theologe Jochen <strong>Wagner</strong><br />

„Händel entfaltet die Geschichten<br />

öffentlicher Persönlichkeiten als<br />

Geschichten fehlbarer Menschen. “<br />

sucht und Neid, sondern es geht <strong>im</strong>mer<br />

noch um göttliche Erwählung und um<br />

Attraktivität. Bei der Inthronisierung<br />

von <strong>Saul</strong> ist es noch ganz klar: Gott<br />

erwählt und verwirft, das Volk ist zufrieden,<br />

denn es braucht einen Organisator<br />

der allgemeinen Mobilmachung,<br />

um sich gegen die Nachbarvölker zu<br />

behaupten. Nun aber klingt und klingelt<br />

der oft wiederholte Refrain in allen<br />

Ohren: „<strong>Saul</strong> hat tausend erschlagen,<br />

<strong>David</strong> aber seine zehntausend!“ Das<br />

Votum des Volkes bestätigt das Votum<br />

Gottes und umgekehrt.<br />

Heilker: Es fällt jedoch auf, dass Händel<br />

den Moment von <strong>David</strong>s Erwählung<br />

und Salbung durch Samuel weder zeigt<br />

noch jemals direkt thematisiert.<br />

Loy: Dazu habe ich auf den Proben bei<br />

der Arbeit an der Figur der Michal eine<br />

Akzentverschiebung entdeckt: Sie singt<br />

mit fast prophetischer Gabe den N<strong>im</strong>bus<br />

von <strong>David</strong> herbei und erreicht so<br />

quasi über einen Umweg seine Erwählung<br />

durch einen Lobpreis.<br />

Heilker: Zudem gibt es bei den Musikforschern<br />

der Händel-Zeit wie etwa<br />

Charles Burney auch die Ansicht, dass<br />

der Prophet <strong>im</strong> alttestamentarischen<br />

Sinn einem Sänger gleich zu setzen ist,<br />

weil Musik in erster Linie von den Propheten<br />

überliefert wird.<br />

<strong>Wagner</strong>: Das Prophetische ist in der<br />

Tat ohne den kultischen Gehalt von<br />

Musik und Tanz nicht denkbar. <strong>Saul</strong><br />

gerät in Ekstase be<strong>im</strong> Klang von Musik,<br />

<strong>David</strong> tanzt später vor der Bundeslade.<br />

Heilker: Wir hören <strong>Saul</strong> sozusagen auf<br />

dem Höhepunkt einer bekannten und<br />

in ihren Bauprinzipien sich aber <strong>im</strong>mer<br />

wieder verändernden musikalischen<br />

Formensprache. Jede Abweichung<br />

wird sofort dramatisch aufgeladen.<br />

Loy: Händel widerfährt etwas, was<br />

ihm und seinen Komponistenkollegen<br />

eigentlich bis heute eigen ist: Dort,<br />

wo er Harmonie in Töne fassen will,<br />

bedient er sich einer weitaus konventionelleren,<br />

erprobteren Musiksprache<br />

als in den Augenblicken, wenn die<br />

zerstörte und unruhige Seele von <strong>Saul</strong><br />

gezeigt werden soll.<br />

<strong>Wagner</strong>: Das hieße, dass in der Ambivalenz<br />

der Formensprache in der<br />

Musik der gleiche Widerstreit auftreten<br />

würde wie <strong>im</strong> Gottesbegriff des biblischen<br />

<strong>Saul</strong>-Stoffes. Gott tritt nicht nur<br />

als Krieger auf, sondern eben auch als<br />

die St<strong>im</strong>me der Versöhnung. Gleichzeitig<br />

aber – und es ist für uns heute<br />

geradezu prekär, das zu zitieren – wird<br />

gesagt, es ist Gott, der den Sieg stiftet,<br />

der diesen kleinen Haufen siegreich<br />

in die Gemetzel führt. Und der<br />

strafend zudem noch verlangt, dass<br />

die Feinde mit Stumpf und Stiel ausgerottet<br />

werden.<br />

Loy: Händels Musik erzählt von der<br />

Sehnsucht nach Harmonie und Versöhnung,<br />

nach Frieden und Hoffnung.<br />

Immer wieder gibt es Momente, in<br />

denen die Zeit plötzlich stillsteht.<br />

Im letzten Akt erklingen unmittelbar<br />

nacheinander Trauergesänge und ein<br />

gewaltverherrlichender Chor, in dem<br />

<strong>David</strong> als siegreicher Anführer kommender<br />

Schlachten ausgerufen wird.<br />

Heilker: Spätestens dann ist <strong>David</strong><br />

nicht mehr der unschuldige Knabe, der<br />

verführerisch schöne Jüngling, sondern<br />

der durchaus gefährliche Feldherr.<br />

Loy: Es sind <strong>im</strong> großen und ganzen<br />

zwei Geschichten, die Händel und sein<br />

Librettist Charles Jennens erzählen:<br />

Da ist zum einen das Volk Israel und<br />

sein Schicksal, und zum anderen das<br />

private Drama innerhalb der Herrscherfamilie.<br />

Wir erleben das starke Gemeinschaftsgefühl<br />

einer Masse in Kriegszeiten,<br />

die sich rüstet, feiert, sich Mut zu<br />

spricht und tröstet. Es gibt auch Situationen,<br />

in denen die Masse kopf- und<br />

führerlos wirkt, völlig verunsichert, in<br />

kollektiver Trauer und mit dem fast<br />

TAKT 7 13


Mit Händels <strong>Saul</strong> gibt Christof Loy (rechts) sein Debut an der Staatsoper.<br />

krampfhaften Versuch am Ende, die<br />

Trauer mit einer extrem militaristischen<br />

Haltung zu überspielen. Meine Chance<br />

ist es, über die Figur des <strong>David</strong> zu zeigen,<br />

dass eine politische Führungsrolle<br />

<strong>im</strong>mer eine Veränderung der Persönlichkeit<br />

bedingt. <strong>David</strong> hat schon eine<br />

große menschliche Tragödie hinter sich,<br />

ist über zu viele Leichen gegangen, um<br />

dem Druck von göttlicher Weisung auf<br />

der einen Seite und der Erwartenshaltung<br />

der Menge auf der anderen auf<br />

Dauer Stand halten zu können.<br />

<strong>Wagner</strong>: Händel und Bibel entfalten<br />

hier die Geschichten öffentlicher Persönlichkeiten<br />

als Geschichten fehlbarer<br />

Menschen, mit allen Höhen und Tiefen<br />

und Neurosen. Aber sie sind eben<br />

auch Herrscher. Ein durchaus modernes<br />

Thema, man denke nur an den<br />

vorigen Präsidenten der USA: Es ist<br />

ganz gleich, was diese Menschen <strong>im</strong><br />

einzelnen für ein Int<strong>im</strong>leben haben, das<br />

<strong>im</strong>aginäre Königtum muss um jeden<br />

Preis gerettet werden. Nur kommt in<br />

der Bibel etwas ganz besonderes<br />

hinzu: Dass diese Herrschergestalten<br />

so ausschweifende, cholerische oder<br />

korrupte Gestalten waren, spricht nicht<br />

gegen die Vorsehung, sondern ist in<br />

sie hineingemengt. Das kommt uns<br />

heute, wo Vorsehung als das Gegenteil<br />

von Leidenschaft, Triebstruktur und<br />

Gesellschaft gilt, ungeheuerlich vor.<br />

Man sehnt sich nach dem, was man<br />

verloren hat. Uns treibt heute die Sehnsucht<br />

nach der Vorsehung, nach einer<br />

verborgenen Spur in der Undurch-<br />

14 TAKT 7<br />

schaubarkeit des Lebens, der Zufälligkeiten.<br />

Der Wunsch, die Hoffnung,<br />

dass es am Schluss doch zum Happyend<br />

kommt und nicht das Chaos<br />

zurückbleibt.<br />

Heilker: Doch endet das Oratorium in<br />

unserer Interpretation nicht mit einem<br />

Happyend, sondern mit der Frage, ob<br />

es wirklich der richtige Weg der Menschen<br />

ist, durch Krieg und Zerstörung,<br />

durch mehr oder minder gewaltbereiten<br />

Wettbewerb <strong>im</strong> Leben weiterzukommen.<br />

Das Volk fungiert <strong>im</strong> Oratorium<br />

als eine Art kollektives Bewusstsein,<br />

das sich <strong>im</strong> Lauf der Geschichte verändert.<br />

Die Gefährlichkeit, die der Gewaltrausch<br />

der Menge birgt, ist <strong>im</strong> Ende<br />

von <strong>Saul</strong> stark zu spüren und zu hören.<br />

Loy: Man hat von Anfang an auch den<br />

Eindruck, dass sich hier eine Gesellschaft<br />

von gebildeten Menschen versammelt,<br />

die sich selbst feiern und<br />

die sich ihrer besonderen Stellung als<br />

auserwähltes Volk bewusst sind. Eine<br />

Gesellschaft, die gleichzeitig aber auch<br />

durch eine große Identitätskrise geht.<br />

<strong>Wagner</strong>: Das wäre ein Indiz dafür,<br />

dass es zur biblischen Zeit wie <strong>im</strong> 18.<br />

Jahrhundert und genauso heute eine<br />

Sehnsucht nach der Erwählung gibt.<br />

Heute erwählt sich jeder selbst, von<br />

Bush bis Saddam, alle hausieren mit<br />

der religiösen Affirmation, aber über<br />

keinem schwebt ein Samuel, der bestätigt,<br />

ja, du bist es. Die heutige ausdifferenzierte<br />

Funktion der Religion ist<br />

es eben nicht, Politik zu sein, sondern<br />

bestenfalls flankierend zu wirken. Zur<br />

Christof Loy wurde in Essen geboren<br />

und studierte Musiktheaterregie an der<br />

Folkwang Hochschule seiner He<strong>im</strong>atstadt,<br />

wo er auch mit dem Folkwang-<br />

Preis ausgezeichnet wurde. Anschließend<br />

war er Assistent u.a. in Gelsenkirchen,<br />

Brüssel und bei Luc Bondy.<br />

Seither ist er freischaffend als Regisseur<br />

tätig und arbeitete u.a. in Bremen<br />

(Peter Gr<strong>im</strong>es, La Gioconda, Pique<br />

Dame, Werther), Düsseldorf (Manon,<br />

Don Carlo, L’Orfeo), Köln (Carmen) und<br />

Hamburg (Alcina), für die Münchner<br />

Kammerspiele, das Staatsschauspiel<br />

Stuttgart und das Glyndebourne Festival<br />

(Iphigénie en Aulide). Regelmäßig<br />

inszeniert er am Théâtre de la Monnaie<br />

in Brüssel (u.a. Le nozze di Figaro,<br />

Eugen Onegin, Der Rosenkavalier, La<br />

bohème) und am Royal Opera House<br />

Covent Garden, London (Ariadne auf<br />

Naxos). Händels <strong>Saul</strong> ist Christof Loys<br />

erste Regiearbeit für die Bayerische<br />

Staatsoper.<br />

Bibel- wie zur Händelzeit war es undenkbar,<br />

Religion nur als Begleitveranstaltung<br />

des Weltgeschehens zu<br />

begreifen. Doch wo <strong>im</strong>mer Religion<br />

zusammen mit Erwählung und Gemeinschaft<br />

auftritt, hat dies eine Mobilmachung<br />

und Gewalt zur Folge und<br />

nichts mit Versöhnung zu tun.<br />

Loy: <strong>Saul</strong> ist natürlich auch eine Aneinanderreihung<br />

von verpassten Liebesgeschichten.<br />

Beginnend mit der Zuneigung,<br />

die <strong>Saul</strong> zunächst für <strong>David</strong><br />

hat, dann die Beziehung zwischen<br />

Jonathan und <strong>David</strong>. <strong>David</strong> wechselt<br />

schnell zu Michal, die – in weiblicher<br />

Klugheit – sicher weniger Ansprüche<br />

an ihn stellt. Zum Ende des Stückes<br />

muss aber auch Michal sich in das<br />

Schicksal der Frau an der Seite des<br />

starken Mannes fügen, sie merkt,<br />

dass sie die besondere Verbindung zu<br />

<strong>David</strong> mehr und mehr verliert. Doch<br />

die letzte und folgenreichste verpasste<br />

Liebesbeziehung ist die zwischen dem<br />

Volk und <strong>David</strong>, der aufgrund seiner<br />

Erlebnisse alles andere als für die<br />

Königswürde vorbereitet ist.<br />

<strong>Wagner</strong>: So haben diese Königs-<br />

und Staatsämter aus den vormals<br />

wilden, vitalen Gestalten deformierte,<br />

in Sachzwängen befangene Menschen<br />

gemacht. Der Weg der Zivilisation.<br />

Georg Friedrich Händel:<br />

<strong>Saul</strong><br />

<strong>Saul</strong> stellt eine nationale und politisch brisante Tragödie dar,<br />

in der das Schicksal des Einzelwesens – der Tod <strong>Saul</strong>s und<br />

seines Sohnes Jonathan – vor der nationalen Katastrophe der<br />

unmittelbar daran beteiligten und davon betroffenen Volksmassen<br />

zurücktritt.<br />

Große Kunst kann nichts anderes leisten, als vorbildlich zu<br />

wirken, es ist ihr nicht anzulasten, wie wenig Einfluss sie auf<br />

verblendete, dumme, hybride und – medias in res – gottlose<br />

Menschen haben mag. Das Paradigma eines solchen stellt<br />

auch König <strong>Saul</strong>, eine der ambivalentesten und fragwürdigsten<br />

Personen des Alten Testaments, dar. Innerlich zerrissen,<br />

mutig <strong>im</strong> Kampf und feige <strong>im</strong> Leben, unfähig, sein vom Aberglauben<br />

befallenes Volk zu führen, moralisch krank und geistig<br />

verfallend, zieht sich <strong>Saul</strong> selbst in den unausweichlichen<br />

Untergang. <strong>Saul</strong> ist die Geschichte eines geborenen Verlierers<br />

– und doch auch eines Wegbereiters: Am Ende wird <strong>David</strong><br />

eine neue kulturgeschichtliche Epoche begründen, das Volk<br />

leiten, und zumindest versuchen, dies auch gut zu tun.<br />

<strong>Saul</strong> genießt nicht die Popularität des Messiah, er ist kein<br />

Werk des Trostes. Händel verfolgte hier allerdings auch andere<br />

Ziele: In seiner ersten Zusammenarbeit mit dem Librettisten<br />

Charles Jennens, der ihm später auch die Vorlagen für<br />

Belshazzar, L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato und eben<br />

Messiah liefern sollte, einem Autor, dessen literarische Kongenialität<br />

ihn neben da Ponte, Boito und Hofmannsthal stellt,<br />

begründete er das dramatische Oratorium. <strong>Saul</strong>, Händels<br />

viertes englisches Oratorium (1738) ist ein Musikdrama<br />

allerersten Ranges, gleichsam prophetisch für die Bühne geschrieben.<br />

Zum ersten Male und vielleicht überzeugender als<br />

jemals danach vereinen sich in diesem Werk die Elemente<br />

des Oratoriums (Erbauung, Gottvertrauen, Gemeinschaft der<br />

Gemeinde – wie in allen Oratorien Händels spricht auch hier<br />

der Chor ein entscheidendes Wort) und der Oper (Affekte des<br />

Einzelnen, dramatische Handlung, Suspense).<br />

Hier setzt John Eliot Gardiner in seiner Aufführung bei den<br />

Göttinger Händel-Festspielen 1989 an. Sein Monteverdi<br />

Choir, wie <strong>im</strong>mer in relativ kleiner Besetzung, zieht alle Regi-<br />

premiere CD-tipp<br />

ster vorbildlicher englischer Chorkultur, seien es die demütigen<br />

Bitten des geknechteten und verunsicherten Volks der<br />

Israeliten, seien es die bohrenden Fragen der Masse an ihren<br />

Führer. Auf dem selben musikalischen Niveau bewegt sich<br />

das Orchester: Die English Baroque Soloists wissen fürwahr,<br />

was man unter „Klangrede“ zu verstehen hat: die ungemein<br />

reiche Orchesterbesetzung – übrigens die größte in<br />

allen Werken Händels – wird in höchst individueller Weise<br />

ausgekostet, das instrumentale Können wird lustvoll und<br />

werkdienlich demonstriert, die weit gespannten Ansprüche<br />

von der schlichten Choralbegleitung bis zum orchestralen<br />

Tumult werden musikalisch ausgelebt. Gardiner hat aber auch<br />

ein geradezu unhe<strong>im</strong>liches Gespür für Sänger: Viele bedeutende<br />

Barockinterpreten hat er entdeckt, viele gingen aus<br />

dem Monteverdi Choir hervor, in dieser Musteraufführung des<br />

<strong>Saul</strong> können wir auch zwei hören, die jetzt auf der Bühne der<br />

Bayerischen Staatsoper stehen: Alastair Miles (<strong>Saul</strong>) zählt<br />

heute zu den führenden Bassisten der Welt, John Mark Ainsley<br />

(Jonathan) steuert das berührende, lyrische Element bei.<br />

Countertenor Derek Lee Ragin gibt dem <strong>David</strong> ein derart<br />

kaltes und klares Profil, dass es schon eines <strong>David</strong> <strong>Daniels</strong><br />

bedarf, seine Leistung möglicherweise in den Schatten zu<br />

stellen, Lynne Dawson (Michal) und Donna Brown (Merab)<br />

meistern Händels manchmal absurde Anforderungen an<br />

seine Oratoriensoprane mit der von britischen Spitzensängerinnen<br />

gewohnten Bravour.<br />

Sie werden ein Musikdrama voller Leidenschaft, Menschlichkeit<br />

– dies nicht nur in positivem Sinne – und Nachdenklichkeit<br />

erleben. Ein Werk, in dem von kriegerischen Menschen<br />

und Taten die Rede ist, ein Werk nach dem ersten Buch Samuel<br />

des Alten Testaments. In einem anderen Buch der Bibel<br />

steht folgender Satz: Selig sind die Friedfertigen, denn sie<br />

werden Gottes Kinder heißen.<br />

DAS KLASSIKTEAM VON LUDWIG BECK<br />

Die größte aller Händel-Besetzungen wird in<br />

höchst individueller Weise ausgekostet.<br />

TAKT 7 15


<strong>Wagner</strong>-Urenkelin <strong>Nike</strong><br />

wirkte als Produktionsdramaturgin<br />

am neuen<br />

Münchner <strong>Ring</strong> mit.<br />

Zellner: Üblicherweise werden die<br />

vier Teile von <strong>Wagner</strong>s Der <strong>Ring</strong> des<br />

Nibelungen von ein und demselben<br />

Regisseur inszeniert, damit die<br />

Tetralogie quasi „aus einem Guss“<br />

wird und die Beziehungen der Werke<br />

untereinander szenisch sichtbar<br />

werden. Stuttgart hat uns vorgemacht,<br />

dass es auch anders geht.<br />

Unabhängig von unserer Münchner<br />

Produktion: Ist ein Regisseur für alle<br />

vier Teile dem Stuttgarter Modell<br />

vorzuziehen? Oder kann auch ein<br />

<strong>Ring</strong> à la Stuttgart rund werden?<br />

Wann ist ein <strong>Ring</strong> überhaupt „rund“?<br />

<strong>Wagner</strong>: Be<strong>im</strong> Stuttgarter Exper<strong>im</strong>ent<br />

waren kuriose Erfahrungen auf dem<br />

Gebiet der Wahrnehmungspsychologie<br />

zu machen: Wie sehr man die einzelnen<br />

<strong>Ring</strong>-Teile auch trennte – durch vier verschiedene<br />

Regisseure –, sie fügten sich<br />

<strong>im</strong> Kopf des Besuchers unweigerlich<br />

wieder zusammen. Er nahm die optischen<br />

Brüche gar nicht wirklich wahr,<br />

entweder, weil der Fluss der Musik sie<br />

unwillkürlich wieder verle<strong>im</strong>te, oder<br />

weil unsere Phantasie so harmonistisch<br />

funktioniert, dass sie Unvereinbares<br />

einfach nicht stehen lassen kann, sondern<br />

eilig ergänzt – zum so genannten<br />

heilen Ganzen. Demnach ist es also<br />

ziemlich egal, ob wir den <strong>Ring</strong> einem<br />

einzigen Regisseur übergeben oder<br />

mehreren. Hauptsache ist, jedes Teilstück<br />

überzeugt in seiner Durchführung,<br />

in seiner eigenen artistischen<br />

Logik. Im übrigen kann und muss der<br />

<strong>Ring</strong> gar nicht „rund“ sein. Rund sind<br />

Fußbälle, Autoreifen und Eheringe. Für<br />

premiere II <strong>im</strong> gespräch<br />

WIE RUND<br />

MUSS EIN<br />

RING SEIN?<br />

<strong>Nike</strong> <strong>Wagner</strong> <strong>im</strong> Gespräch mit Dramaturgin Ingrid<br />

Zellner über Münchens neuen <strong>Ring</strong> des Nibelungen –<br />

eine Arbeit aus der Hand zweier Regisseure.<br />

Kunstwerke gelten andere Gesetze,<br />

da kann „eckig“ Trumpf sein. Das Bedürfnis<br />

aber, dass <strong>Wagner</strong>s Tetralogie<br />

„st<strong>im</strong>mig“ und „aus einem Guss“ sein<br />

soll, taucht <strong>im</strong>mer wieder auf. Näher<br />

besehen ist es ein Bedürfnis nach Trost<br />

und Rat, nach Kontinuität und ewigen<br />

Werten. Diese sind aber nicht Sache<br />

der Kunst, sondern der Religion. Thema<br />

des <strong>Ring</strong>s sind die Gewaltzusammenhänge<br />

in der Gesellschaft, der <strong>Ring</strong> ist<br />

so vielgestaltig und verstörend wie<br />

diese, warum sollten wir auf der Bühne<br />

tun, als wäre es anders?<br />

München ist ja nun durch unvorhersehbare<br />

Umstände in die Situation<br />

gekommen, für seinen <strong>Ring</strong><br />

drei Regisseure zu beschäftigen;<br />

am Ende bleiben davon nur noch<br />

Herbert Wernicke und <strong>David</strong> Alden<br />

übrig. Hätte man die Walküre besser<br />

zuerst konzertant aufführen und<br />

dann gleich erst später, wenn Alden<br />

Zeit dafür hat, inszenieren sollen?<br />

Die Walküre hätte eine oratorisch<br />

gebändigte Anordnung vor dem Hintergrund<br />

der Bayreuther Kulisse durchaus<br />

vertragen, denn die starke Emotionalität<br />

dieses „Reißers“ trägt über alle<br />

Rampen und transzendiert jede Stehparty.<br />

Dennoch: Es sollte eine Festspiel-<strong>Premiere</strong><br />

sein, und <strong>Wagner</strong> ist<br />

erstens Theater, zweitens Theater, drittens<br />

Theater... Diese Faktoren hat Sir<br />

Peter bei seiner Entscheidung für eine<br />

temporäre Inszenierung wohl bedacht.<br />

Funktioniert die Kombination Wernicke-Alden?<br />

Ist das Rheingold jetzt<br />

ein völlig unabhängiges Vorspiel zu<br />

TAKT 7 17


den drei Alden-Tagen, oder greift<br />

Alden auch auf Wernickes Rheingold<br />

zurück?<br />

Alden hat die Schwierigkeit, in der die<br />

<strong>Ring</strong>-Produktion in München insgesamt<br />

steckte, erkannt und darauf<br />

reagiert. Ich finde es außerordentlich<br />

kooperativ und sensibel von einem so<br />

eigenständigen Künstler, Wernickes<br />

Bühnenraum in seine Arbeit einzubeziehen.<br />

Alden tut das nicht extensiv,<br />

aber doch hinreichend und geschickt –<br />

an mehreren Stellen <strong>im</strong> Siegfried und<br />

in den räumlichen Zitaten in der Götterdämmerung,<br />

vom Bayreuther Portal<br />

zu schweigen, das weiterhin den Rahmen<br />

dieses <strong>Ring</strong>s abgibt. Wernickes<br />

Rheingold ist das „Vorspiel auf dem<br />

Theater“, wir haben, davon ausgehend,<br />

mit Alden eine Reise durch die<br />

Zivilisation gemacht und kehren am<br />

Schluss in dieses Theater zurück, um<br />

das Walhalla-Modell aus dem Rheingold<br />

brennen zu sehen. Gottseidank<br />

tummeln sich davor die Ratten, sonst<br />

wäre die Rundung und Rückkehr allzu<br />

st<strong>im</strong>mig. Der <strong>Ring</strong>-Schluss aber muss<br />

offen bleiben, ratlos machen. Wir sind<br />

nicht in einer Heilsgeschichte.<br />

Betrachten wir die drei Alden-Tage<br />

unabhängig von Wernickes Vorspiel.<br />

Man kann nicht unbedingt behaupten,<br />

dass Aldens drei Inszenierungen<br />

ineinander übergehen. So ist, um nur<br />

ein Beispiel zu nennen, der Walkürenfelsen<br />

in Siegfried keineswegs der<br />

gleiche wie in Götterdämmerung.<br />

Hat Alden sich das Stuttgarter Prinzip<br />

zu eigen gemacht und drei voneinander<br />

unabhängige Produktionen<br />

entworfen?<br />

In Stuttgart sind die werkgeschichtlichen<br />

und musikalischen Brüche <strong>im</strong><br />

18 TAKT 7<br />

„Wernickes Rheingold ist das<br />

,Vorspiel auf dem Theater‘,<br />

wir haben, davon ausgehend,<br />

mit Alden eine Reise durch<br />

die Zivilisation gemacht.“<br />

Szenenfotos aus Rheingold<br />

(1-4), Siegfried (5 und 6)<br />

sowie Götterdämmerung (7).<br />

<strong>Ring</strong> Konzept geworden. Bei Alden<br />

sind wir in einer ganz anderen Welt:<br />

einer Konzeptkunst-Welt. Er versucht,<br />

den Stand der <strong>Wagner</strong>-Inszenierung an<br />

die viel weiter entwickelten bildenden<br />

Künste – zu denen auch die Medienkünste<br />

gehören – heranzuführen. Dies<br />

<strong>im</strong>pliziert eine Ästhetik der Überraschungen,<br />

Sprünge, Inkonsequenzen.<br />

Aber auch des Unmittelbaren. Es wird<br />

nicht „erklärt“, sondern gezeigt. Diese<br />

Entfernung der rationalen, logischen<br />

Schienen macht dann oft die Schockwirkung<br />

aus. Seit der Moderne gibt es<br />

aber eben keine Eindeutigkeiten mehr.<br />

Alden löst <strong>Wagner</strong> zudem ein Stück<br />

weit aus der alten narrativen Verbindlichkeit<br />

heraus – auf dem Sprechtheater,<br />

das an keine Partitur gebunden ist,<br />

tut man das längst. Es geht nicht<br />

darum, ob Brünnhilde <strong>im</strong> Siegfried<br />

punktgenau dort erwacht, wo Wotan<br />

sie in der Walküre hingelegt hat, oder<br />

ob die „Felsen“ sich gleichen. Das<br />

He<strong>im</strong>weh nach dieser Logik sollten wir<br />

uns abgewöhnen. Nur auf die Gefühlswahrheit<br />

einer theatralischen Situation<br />

kommt es an. Diese arbeitet Alden<br />

<strong>im</strong>mer heraus. Mit Begriffen wie „Erkenntnis<br />

durch das Gefühl“ hantierte<br />

übrigens <strong>Wagner</strong> selber schon.<br />

Ist es also zu akzeptieren, dass er<br />

für jedes Werk eine andere Ästhetik<br />

findet und nicht die üblichen deutlichen<br />

szenischen Bezüge zwischen<br />

den einzelnen Werken herstellt?<br />

Den ästhetischen Stilwechsel zwischen<br />

den Stücken finde ich weniger aufsehenerregend<br />

als den zwischen den einzelnen<br />

Akten – <strong>im</strong> Siegfried vor allem.<br />

Dazu gehört Mut, das ist das wirklich<br />

Neue bei Alden. Bei jeder Veränderung<br />

unserer Sehgewohnheiten werden wir<br />

1<br />

2<br />

Rund sind Fußbälle,<br />

Autoreifen und Eheringe.<br />

Für Kunstwerke gelten<br />

andere Gesetze. Da kann<br />

„eckig“ Trumpf sein.<br />

3 4 5<br />

7<br />

6


1<br />

6<br />

7<br />

Alden kommt aus<br />

dem Heute und<br />

Übermorgen, Wernicke<br />

blickte zurück<br />

und resümierte.<br />

2 3<br />

5<br />

4<br />

„Am Schluss kehren wir in<br />

dieses Theater zurück, um<br />

das Walhalla-Modell aus<br />

dem Rheingold brennen zu<br />

sehen... Der <strong>Ring</strong>-Schluss<br />

muss offen bleiben, ratlos<br />

machen. Wir sind nicht in<br />

einer Heilsgeschichte.“<br />

Szenenfotos aus Rheingold<br />

(1 und 7), Götterdämmerung (2,<br />

3, 5 und 6) sowie Siegfried (4).<br />

aber gezwungen, nachzudenken. „Wer<br />

nicht denken will, fliegt raus“ hieß es<br />

auf einer der berühmten Kreidetafeln<br />

von Joseph Beuys. Im Opernhaus müssen<br />

wir drin bleiben, und das ist gut so.<br />

Bei der Erregung <strong>im</strong> Foyer kommen wir<br />

dann schon drauf, was der Regisseur<br />

gemeint hat. Alden bezeichnet sich als<br />

Bildermacher, doch da unterschlägt er<br />

seine intellektuellen Fähigkeiten. Seine<br />

Kapriolen haben Hand und Fuß, wir<br />

müssen sie nur entdecken.<br />

Worin unterscheiden sich Wernicke<br />

und Alden? Und gibt es Gemeinsamkeiten<br />

bei den beiden?<br />

In den Inszenierungen Wernickes ist<br />

die (deutsche) Geschichte, ihre kulturellen<br />

Errungenschaften und politischen<br />

Hypotheken, zumeist deutlich<br />

mitkomponiert, in denen von <strong>David</strong><br />

Alden sicherlich nicht. Alden bringt<br />

seine (amerikanische) Welt, seine<br />

Erfahrungen mit der Highway-Ästhetik<br />

unserer Zivilisation auf die Bühne. Das<br />

macht einen prinzipiellen Unterschied,<br />

trotz des verfremdenden Blickes beider<br />

auf alte Stücke, ihres Hangs zu surrealistischen<br />

Mitteln wie der Collage und<br />

ihrer hohen Musikalität. Wernicke, der<br />

als Bühnenbildner begann, holte sich<br />

die stärksten Momente, seinen Kommentar<br />

zu einem Stück, aus der Bildwirkung;<br />

die Personenregie selber war<br />

dann häufig nicht so wichtig. Ging der<br />

Vorhang einer Wernicke-Inszenierung<br />

auf, war es <strong>im</strong>mer ein Fest der Erkenntnis,<br />

alles weitere folgte spielerisch daraus.<br />

Und weil er Regisseur, Bühnenund<br />

Kostümbildner in einer Person war,<br />

hatten seine Produktionen eine innere<br />

Kohärenz, die ihm dann die ungewöhnlichsten<br />

Dinge erlaubte. Alden dagegen<br />

wechselt seine Bühnenbildner, will sich<br />

nicht festlegen auf einen Stil. Das hat<br />

andere Konsequenzen und Vorteile, er<br />

bleibt ästhetisch offener. Seine Besonderheiten<br />

sind nicht gleich evident, sie<br />

entfalten sich <strong>im</strong> Lauf eines Stückes<br />

durch seine Personenführung, durch<br />

das dramatische Ausagieren von inneren<br />

Konflikten. Alden setzt ein assoziatives<br />

Theater gegen Wernickes reflektierendes.<br />

Alden kommt aus dem Heute<br />

und Übermorgen, Wernicke blickte<br />

zurück und resümierte. Wernicke war<br />

ironisch, sanft und depressiv, Alden<br />

erscheint drastisch, hochgespannt und<br />

furchtlos. Wernicke spielte mit dem<br />

Kulturmythos <strong>Ring</strong>, Alden löst dessen<br />

schöne Reste auf. Dennoch gibt es<br />

manche Gemeinsamkeit: Hatte Wernicke<br />

den radikalen Einheitsraum<br />

vorgesehen, so inszeniert Alden zumindest<br />

ein Rondo einheitsstiftender<br />

Elemente: die gleichen Mauern, Stühle,<br />

Tapeten, Sofas, Kostüme, Lampen<br />

kehren wieder. Einen Rousseau oder<br />

einen Füssli hätte Wernicke freilich nie<br />

in seine Bühne gehängt...<br />

Last but not least: Wie „rund“ wird<br />

der Münchner <strong>Ring</strong>? Und wird es<br />

nun der, wie von Ihnen nach dem<br />

ersten Konzeptionsgespräch mit<br />

Alden gemutmaßt, „erste All-American-<strong>Ring</strong>“?<br />

Es wird ein aufregender <strong>Ring</strong> – egal wie<br />

rund oder wie eckig. Er hat durchaus<br />

Züge eines All-American-<strong>Ring</strong>s, insofern<br />

er die Vereinheitlichung der Welt<br />

durch die amerikanische Wegwerfkultur<br />

zeigt. Amerika ist Supermacht, das<br />

wird den Europäern in diesen Tagen<br />

deutlich gezeigt. Auch von da her ist<br />

Aldens <strong>Ring</strong> in einer beängstigenden<br />

Art und Weise aktuell, mehr vielleicht,<br />

als dem Regisseur selber geheuer ist.<br />

TAKT 7 21


premiere II studio<br />

walkürenschnitt<br />

Der Produzent und Orchestermusiker Felix Gargerle über die<br />

Neuaufnahme der Walküre auf CD und DVD-Audio<br />

als wir vor einem knappen Jahrzehnt FARAO<br />

classics gründeten, hatten wir die Vision von einer<br />

Schallplattenfirma, die den künstlerischen<br />

Prozess der Musikproduktion in die Hände von<br />

ausübenden Künstlern legt. Nicht kommerzielle Zwänge,<br />

Marketingstrategien, internationale Exklusiv-Verträge oder<br />

tontechnische Dogmen sollten best<strong>im</strong>men, was dem Zuhörer<br />

angeboten wird. Folgerichtig besteht unsere Firma selbst nur<br />

aus Musikern, die als ausübende Künstler wie auch als Produzenten<br />

ihre Erfahrungen in beide Tätigkeiten einbringen.<br />

Die Grundfrage vor jeder neuen Produktion ist für uns seither<br />

gewesen, ob es einen zwingenden künstlerischen Grund<br />

gibt, warum eine Aufnahme erscheinen muss.<br />

Als ich zum ersten Mal unter Zubin Mehta <strong>im</strong> Bayerischen<br />

Staatsorchester Die Walküre spielte, war mir klar, dass sich<br />

hier eine ideale Kombination aus Tradition und Moderne, aus<br />

Klangkultur und Kraft, aus großem Gefühl und klarer Analyse<br />

gefunden hatte. Mehtas herausragendes Dirigat und die ureigene<br />

Klangsprache des Staatsorchesters ergänzten sich bei<br />

der vielleicht wichtigsten Oper unseres Repertoire perfekt.<br />

Schon <strong>im</strong>mer haben mich die tontechnisch-klanglichen Aspekte<br />

der mir bekannten <strong>Wagner</strong>-Einspielungen enttäuscht:<br />

Das große Gefühl dieses unglaublich reichen und vielschichtigen<br />

Orchesterklanges mit seinen extremen Ausbrüchen<br />

und seinen zutiefst anrührenden leisen Passagen, das<br />

Empfinden eines großen von Klang und St<strong>im</strong>men gefüllten<br />

Raumes stellte sich mir be<strong>im</strong> Hören der bekannten Aufnahmen<br />

einfach nie so ein, wie ich die Musik <strong>im</strong> Orchestergraben<br />

selbst erlebe. Seit wir mit unseren ersten Aufnahmen in<br />

22 TAKT 7<br />

Richard <strong>Wagner</strong>: Die Walküre,<br />

Bayerische Staatsoper Live, Juli<br />

2002, 4CD-Set, Best.Nr. B 108040,<br />

3DVD-Audio-Set, Best.Nr. D 108041<br />

Weitere Informationen zu FARAO<br />

classics sowie Hörproben finden Sie<br />

unter www.farao-classics.de<br />

der Bayerischen Staatsoper (Xerxes, Poppea und Ariodante)<br />

neue tontechnische Konzepte und Ideen erfolgreich umsetzen<br />

konnten, stand daher unsere bisher größte Herausforderung<br />

fest: Wir wollten eine <strong>Wagner</strong>-Produktion durchführen,<br />

in der sich all diese Aspekte verwirklichen sollten und der<br />

Zuhörer in Richard <strong>Wagner</strong>s klanglichen Welt versinken kann.<br />

Die neue DVD-Audio-Technologie mit ihrem Surround-Klang<br />

erschien uns hierbei als Möglichkeit zu einem Durchbruch in<br />

eine neue D<strong>im</strong>ension des Hörens.<br />

Im Sommer 2002 war die Zeit gekommen, diese Herausforderung<br />

anzunehmen. Auf der Bühne stand eine Sängerbesetzung,<br />

wie sie heutzutage nicht besser sein kann: Waltraud<br />

Meier, Gabriele Schnaut, Mihoko Fuj<strong>im</strong>ura, John Tomlinson,<br />

Kurt Rydl und natürlich Peter Seifferts lange mit Spannung<br />

erwartetes Rollendebut als Siegmund.<br />

Es mag paradox erscheinen: In einer Zeit, in der große<br />

Schallplattenfirmen sich nicht mehr in der Lage sehen, ernsthafte<br />

klassische Musik zu produzieren; in der sich ganze<br />

Musikkonzerne in Luft auflösen und allein das Nachdenken<br />

über ein Projekt wie Die Walküre in diesen Firmen absurd<br />

erscheinen muss – in dieser Zeit machen sich ein paar Fanatiker<br />

eines winzig kleinen Labels daran, eben so ein Projekt<br />

mit einem Anspruch zu verwirklichen, wie er höher nicht sein<br />

kann. Aber gerade diese kleine und unabhängige Struktur,<br />

die Freiheit in der Konzeption und die kompromisslose<br />

Begeisterung für die Musik hat uns die Unterstützung aller<br />

Beteiligten in der Intendanz, <strong>im</strong> Orchester, bei den Sängern<br />

und Maestro Mehta eingebracht.<br />

Uns war klar, daß wir uns von vielen tradierten Abläufen der<br />

Tontechnik verabschieden mussten, um unsere klanglichen<br />

Vorstellungen umzusetzen. Normalerweise wird ein Live-<br />

Mitschnitt bereits bei der Aufführung auf die zwei Spuren<br />

der Stereophonie gemischt. Da aber die Sänger ständig in<br />

Bewegung sind und natürlich auch nicht <strong>im</strong>mer in eine Richtung<br />

singen, ist eine perfekte Balancierung aller Lautstärkeund<br />

Klangverhältnisse mit diesem Verfahren nicht einmal<br />

theoretisch möglich. Wir mussten daher einen anderen<br />

Weg einschlagen: Jedes der 40 Mikrofone, die nach einem<br />

ausgeklügelten System auf der Bühne, <strong>im</strong> Graben und <strong>im</strong><br />

Zuschauerraum verteilt waren, wurde digital auf Festplatte<br />

separat aufgezeichnet. Drei Vorstellungen, die Haupt- und<br />

die Generalprobe waren die Basis der Produktion.<br />

Im Studio wurden dann diese Mikrofonsignale in einem<br />

Hochleistungscomputer zusammengesetzt und <strong>im</strong> ersten<br />

Schritt wurde das Material Ton für Ton musikalisch opt<strong>im</strong>iert.<br />

Man „schneidet“ dabei sozusagen jede Passage aus den<br />

jeweils gelungensten Momenten der einzelnen Vorstellungen<br />

zusammen. Die Gestaltungsfreiheit in der Wiedergabe von<br />

musikalischen Abläufen bedeutet jedoch auch eine enorme<br />

musikalische Verantwortung – schließlich kann tief in die<br />

Interpretation eingegriffen und manipuliert werden.<br />

Danach wurden in minutiöser Kleinarbeit die jeweils für Stereo<br />

und Surround angepassten Mischungen erstellt und die<br />

jeweils möglichst perfekte klangliche Umsetzung und Balance<br />

erarbeitet. Bei diesem Vorgang kann jedoch ebenso tief in<br />

die Musik eingegriffen werden – zum Beispiel indem Phrasierungen<br />

und dynamische Verläufe von einzelnen St<strong>im</strong>men<br />

oder Orchestergruppen verstärkt und nachmodelliert werden.<br />

Zubin Mehta und Felix Gargerle<br />

bei der Studio-Arbeit.<br />

Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, wurden die<br />

Sänger, die Instrumentalsolisten und natürlich Maestro Mehta<br />

in die Arbeitsabläufe mit einbezogen und verbrachten viele<br />

Stunden in unserem Studio damit, eben diese Möglichkeiten<br />

für ihre musikalischen Intentionen zu nutzen.<br />

Die Ergebnisse der Surround-Technik übertrafen sogar<br />

unsere eigenen Erwartungen. Das Ziel war eine Situation<br />

herzustellen, in der das Orchester seinen gewaltigen Klang<br />

mit Hilfe des Raumes entwickelt und die Sänger auf der<br />

Bühne ihre eigene D<strong>im</strong>ension erhalten. Dadurch vermeiden<br />

wir das bekannte Problem, daß Orchester und Sänger in<br />

einer Ebene gleichsam miteinander kämpfen und gegeneinander<br />

ausbalanciert werden müssen. Das Live-Erlebnis<br />

wird erfahrbar; Kraft und Textverständlichkeit, großer Klang<br />

und Durchhörbarkeit stehen nicht mehr <strong>im</strong> Widerspruch<br />

zueinander, sondern gehen eine Symbiose ein – zugunsten<br />

der künstlerischen Aussage, der Interpretation und letztlich<br />

zugunsten dieser großartigen Partitur.<br />

Wir laden Sie ein, diese neue Form des Hörens selbst kennenzulernen.<br />

Vorführungen organisiert als unser Partner die<br />

Fa. Hörzone in München, Tel. 0700 - 80337 000.<br />

TAKT 7 23


350 Jahre Oper in München VI<br />

wege in<br />

die moderne<br />

Technisch <strong>im</strong>mer auf dem allerneuesten<br />

Stand, wird Oper in München zunehmend<br />

popularisiert. Der Typ des Opern-Maniacs <strong>im</strong><br />

modernen Sinne wird geboren. Künstlerisch<br />

eher konservativ, hat die musikalische<br />

Moderne bei ihm kein leichtes Spiel. Ein<br />

Umstand, den nicht zuletzt der Komponist<br />

Richard Strauss zu spüren bekommt.<br />

„Deus ex machina“ heißt „Gott aus der Maschine“. Gemeint<br />

ist jener (Theater)-Gott, der plötzlich, göttlich irrational,<br />

am Ende einer noch so verwickelten Handlung auftaucht, um<br />

diese zu einem guten Ende zu führen. Der Maschinengott<br />

als Retter aus der Not. Wahrscheinlich ist die Kunstform<br />

Oper selbst jener Gott aus der Maschine; jener Retter, der<br />

in verworrenen Zeiten und verkorksten Gesellschaften, dem<br />

Verstand nicht fassbar und dem logischen Denken nicht unbedingt<br />

zugänglich Klärungen und Verklärungen, Fluchten<br />

und Drogen anbietet. Will dieser Gott aber überzeugen, muss<br />

seine Maschine funktionieren. Heißt: Das Theater muss auf<br />

dem neuesten Stand der Technik sein. In München war das<br />

<strong>im</strong>mer der Fall, seit hier 1654 das „erste“ freistehende<br />

24 TAKT 7<br />

Opernhaus Deutschlands gebaut wurde. Als 1818 dann in<br />

dieser Stadt von 54.000 Einwohnern das Nationaltheater mit<br />

2.100 Plätzen errichtet wurde, war dies weitsichtig und<br />

wahrhaft überproportioniert! Zur Erzeugung von Opernvorstellungen<br />

war in München die modernste Technik <strong>im</strong>mer<br />

gerade gut genug. König Ludwig II. hatte seinen Kgl. Bayer.<br />

Hoftheatermaschinen-Direktor Karl Lautenschläger zur Weltausstellung<br />

nach Paris geschickt. Das Resultat der Reise:<br />

1885 war die Oper in München eine der ersten, in der Vorstellungen<br />

bei elektrischem Licht stattfanden, „geliefert von<br />

mehr als 1.400 Edison-Glühlampen (von je 16 Kerzen Helligkeit).“<br />

Mehr noch: Der Obermaschinist von Deus ex machina<br />

erfand für München die „erste“ Drehbühne der Welt. 1896<br />

kam sie bei einer Don Giovanni-Inszenierung erstmals zum<br />

Einsatz, und in den zwanziger Jahren baute Lautenschläger<br />

sogar noch die erste drehbare Hubbühne der Welt <strong>im</strong> Nationaltheater<br />

ein. Die Oper, jene „Göttin“ aus der Maschine<br />

hatte 1901 in München neben dem Nationaltheater und dem<br />

Cuvilliés-Theater ein weiteres Triebwerk hinzubekommen:<br />

Das Prinzregententheater. Bayreuths schönere Schwester,<br />

errichtet, um <strong>Wagner</strong>s Festspielidee weiterzuführen und dabei<br />

bereits um den touristischen Anziehungspunkt wissend.<br />

„Eine enorme Erwerbsquelle für die Stadt“, so Intendant Karl<br />

von Perfall. Oper in München war (und ist) für München <strong>im</strong>mer<br />

auch Wirtschafts- und Imagefaktor. Dafür standen die<br />

Zeichen günstig: Im 19. Jahrhundert wird die vormals höfische<br />

Kunstform Oper demokratisiert. Nicht nur König und<br />

Hofstaat, auch der Bürger will sein Vergnügen. Mit der Demokratisierung<br />

bekommt die Oper aber noch eine weitere<br />

D<strong>im</strong>ension: Die der Popularisierung. Der Bürger spricht mit,<br />

er klatscht und trascht mit. Spätestens mit den Skandalen<br />

um Richard <strong>Wagner</strong> in München interessiert man sich nicht<br />

mehr nur für das, was auf der Bühne abläuft, sondern mitunter<br />

noch viel mehr für das, was hinter den Kulissen – in Betten<br />

und Behörden – gespielt wird. Der „Opern-Maniac“ <strong>im</strong><br />

modernen Sinne ist geboren; der auf dem schmalen Grad<br />

zwischen Begeisterung und Fanatismus taumelnde Bürger.<br />

Im günstigsten Fall heißt er Thomas Mann. Keinen Tristan am<br />

Nationaltheater ließ der Schriftsteller aus; ja, ohne die Folie<br />

der Münchner Oper scheint Adrian Leverkühn <strong>im</strong> „Faustus“-<br />

Roman kaum denkbar... Im ungünstigsten Fall aber erzeugt<br />

der „Opern-Maniac“, der naturgemäß alles besser weiß und<br />

besser kennt, mit seiner Arroganz einen künstlerisch konservativen<br />

Humus, den Richard Strauss in München als „Sumpf,<br />

öden Biersumpf überall“ ausmachte. Von München enttäuscht<br />

gibt der geborene Münchner Strauss bis auf Friedenstag<br />

und Capriccio fast alle seine Uraufführungen nach<br />

Dresden. Die musikalische „Moderne“, die in München mit<br />

der Tristan-Uraufführung so spektakulär begonnen hatte, ist<br />

hier doch ein „merkwürdger Fall“. Thomas Mann vergisst<br />

nicht in einem Nebensatz seines „Faustus“-Romans das<br />

„schmähliche Interesse“ des Münchner Publikums an Debussys<br />

Pelléas et Mélisande zu erwähnen. 1906 war (zwei Jahre<br />

vor Pelléas) Strauss‘ Salome hier irritiert zur Kenntnis genommen<br />

worden, die blechgepanzerten Fortiss<strong>im</strong>o-Abgründe<br />

seiner ersten Elektra am Nationaltheater 1909 lösten<br />

vollends Verstörung aus.<br />

Mozart und <strong>Wagner</strong> sind die Hausgötter in München – von<br />

Hermann Levi und Richard Strauss gepflegt. Als Felix Mottl<br />

1904 Generalmusikdirektor wird, erweitert er die Richard-<br />

<strong>Wagner</strong>-Festspiele um einen Mozart-<strong>Zyklus</strong>. Jetzt bekommen<br />

auch die Werke von Richard Strauss erstmals einen<br />

Von links nach rechts: Karl Lautenschläger, Clemens<br />

Krauss, Giacomo Puccini, Richard Strauss, Gustav Mahler,<br />

Enrico Caruso, Hans Knappertsbusch, Bruno Walter.<br />

wichtigen Platz <strong>im</strong> Spielplan; <strong>im</strong> Februar 1911 dirigiert Mottl<br />

die Erstaufführung des Rosenkavalier, <strong>im</strong> Juni desselben<br />

Jahres bricht er bei seinem 100. Tristan-Dirigat am Pult zusammen<br />

und stirbt bald darauf. 1912 dirigiert erstmals Bruno<br />

Walter in München und spricht „von der Ehrfurcht“ an diesem<br />

Pult zu stehen. In München bringt Walter nicht nur Hans<br />

Pfitzners Palestrina (1917) zur Uraufführung, sondern auch<br />

die 4. und 8. Symphonie seines Mentors Gustav Mahler. Das<br />

Dreigestirn der „Münchner Dramaturgie“, bestehend aus den<br />

„Hausgöttern“ <strong>Wagner</strong>, Mozart und Strauss, ist geboren. Dazwischen<br />

– bei den damals „neuen“ Opern des italienischen<br />

Verismo – Startheater: Enrico Caruso singt, wird von einem<br />

Bühnenprospekt in La bohème am Kopf getroffen, was seine<br />

dicke Perücke aber ein wenig abfängt. Einem programmatischen<br />

Konservativismus auf höchstem musikalischen Niveau<br />

bleibt die Münchner Oper in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />

treu. Sie etabliert damals das bis heute existierende<br />

Münchner Mißverständnis, das „exemplarisch“ gleichbedeutend<br />

ist mit „konservativ bewahrend“. Auf Bruno Walter folgt<br />

als GMD Hans Knappertsbusch. 34 Jahre ist er alt, ein Senkrechtstarter<br />

und als solcher anfangs misstrauisch beäugt.<br />

Nachdem „der Kna“ 1936 seiner „bösen Zunge wegen“<br />

von den Nationalsozialisten abgesägt wird, hinterlässt er<br />

ein Trauma: Wer sich in München an <strong>Wagner</strong> oder Bruckner<br />

wagt, wird an ihm gemessen. Auf „Kna“ folgt der Wiener<br />

Clemens Krauss als Bayerischer Generalmusikdirektor und<br />

Intendant. Seine Domäne: Mozart, Puccini und – Richard<br />

Strauss! 1942 dirigiert er die Uraufführung von Capriccio. Es<br />

herrscht Krieg, <strong>im</strong>mer häufiger werden Opernvorstellungen<br />

durch Fliegeralarm unterbrochen. Und die Bomber kommen<br />

näher... PASCAL MORCHÉ<br />

TAKT 7 25


momentaufnahme<br />

26 TAKT 7<br />

Das Nationaltheater <strong>im</strong> März 2003:<br />

Zubin Mehta dirigiert die Götterdämmerung.


Teshigawaras Sacre: Variationen<br />

über das Verhältnis Opfer–Täter<br />

DIE MODERNE IM WETTSTREIT<br />

Am 27. Mai findet be<strong>im</strong> Bayerischen<br />

MIT SICH SELBST Staatsballett <strong>im</strong> Nationaltheater die<br />

Wiederaufnahme dreier spektakulärer<br />

Ballette von Saburo Teshigawara<br />

und William Forsythe statt.<br />

Lisa-Maree Cullum<br />

und Patrick Teschner<br />

in dem atemberaubenden<br />

Pas de deux<br />

aus Artifact II von<br />

William Forsythe<br />

ballett<br />

William Forsythe, New Yorker, 1949 geboren,<br />

seit 1973 in Europa, erschütterte mit seinem<br />

Schlüsselwerk Gänge – ein Stück<br />

über Ballett die Grundfesten der Ballettwelt<br />

gründlich und nachhaltig. Er hält seit mehr<br />

als zwei Jahrzehnten den Spitzenplatz in der klassischen<br />

Avantgarde. Niemand hat wie er 20 Jahre mit dem klassischen<br />

Bewegungsvokabular gearbeitet, es analysiert und<br />

weiterentwickelt, ins Extrem getrieben und damit gezeigt,<br />

dass der Tanz auf Spitze mitnichten ins 19. Jahrhundert<br />

verbannt gehört. „Ich war <strong>im</strong>mer nur an Ballett als motion<br />

interessiert“, sagte Forsythe in einem Interview 1999, „ich<br />

dachte dabei überhaupt nicht an Theorie. Alles, was ich<br />

gemacht habe, kam sozusagen von innen, nicht von außen.<br />

Es kam, weil ich nur an der Bewegung gearbeitet habe. (...)<br />

Selbst, wenn ich nur eine kleine Phrase tanze, muß ich darüber<br />

nachdenken, was und wie ich das jetzt gerade gemacht<br />

habe, bis ich dann bei meinem Nachdenken und Forschen<br />

über Bewegung allgemein bemerkt habe, dass sich auch<br />

Ballettschritte wie serielle Musik analysieren lassen. Um<br />

diese Komplexität, die ich wünsche, zu erreichen, brauchte<br />

ich Tänzer, für die der klassische Ballettkodex schon zum Instinkt<br />

geworden ist.“ In den zwei Balletten Artifact II von 1984<br />

und the second detail von 1991 zeigt er sich in einer Phase<br />

seiner choreographischen Arbeit, die voll auf Spektakularität<br />

und tänzerische Virtuosität setzte. Die Tänzer – die Frauen<br />

auf Spitze – schießen mit jeder Bewegung übers Ziel hinaus.<br />

Der Körper wird bis in seine letzte Muskelfaser gedehnt, verbogen,<br />

jede Phrase wird mit halsbrecherischer Lust an der<br />

Bewegung ausgeführt, nie vorsichtig, nie halbherzig, <strong>im</strong>mer<br />

verwegen und mit mehr als 100%. Die Gliedmaßen werden<br />

TAKT 7 29


In panischem Schrecken in<br />

einen Winkel der riesigen,<br />

leeren Bühne geflohen, bewegt<br />

sich Jade Dardano in Sacre in<br />

spastischen Bewegungen.<br />

geschleudert, die Beine und Arme nach oben geworfen, die<br />

Körper vorangepeitscht durch die Musik. Mit einer einzigartigen<br />

Dynamik, wie sie nur bei Forsythe zu finden ist, sind<br />

diese Bewegungen geführt, die den Zuschauer zum Zeugen<br />

atemloser zeitgenössischer Choreographie machen, die das<br />

Tempo unserer Zeit verinnerlicht hat wie keine andere.<br />

Ganz anders der 1953 in Tokyo geborene Saburo Teshigawara:<br />

Das enfant terrible der freien Szene hatte seine legendären<br />

Arbeiten Noiject und Dah Dah Sko Dah Dah mit der eigenen<br />

Compagnie KARAS auf den Münchner Tanzfestivals<br />

DANCE in den Jahren 1993 und 1995 gezeigt. Ein künstlerischer<br />

Kontakt entstand, der 1999 in die Auftrags-Produktion<br />

Le sacre du printemps für das Bayerische Staatsballett mündete<br />

(bereits 1995 war Der Feuervogel von Igor Strawinsky<br />

als Auftrag an Angelin Preljocaj gegangen). Teshigawara<br />

hatte 1994 und 95 auf Einladung von William Forsythe für<br />

die Tänzer des Ballett Frankfurt bereits ein sehr ungewöhnliches<br />

Ballett choreographiert mit dem Titel White clouds<br />

under the heals I und II. Teshigawara entwickelt mehr und<br />

mehr einen Tanzstil jenseits von Spektakularität und Virtuosität,<br />

der nicht unbedingt auf klassisch geschulte Tänzer<br />

baut. Noch in der Mitte der 90er Jahre benutzte der aus der<br />

bildenden Kunst sehr spät zum Tanz gelangte Japaner überlaute<br />

Musik bzw. Geräuschkulissen, die wie Maschinenlärm<br />

in den Ohren dröhnten und zu denen seine KARAS-Tänzer<br />

sich erbarmungslos gegen die Wände schmissen und bizarre<br />

Pirouetten mit harten Landungen auf der Erde produzierten.<br />

Auch für Frankfurt hatte er noch mit dem Gehen über<br />

30 TAKT 7<br />

Glasscherben exper<strong>im</strong>entiert, um die Möglichkeiten des<br />

menschlichen Körpers bis in jedes Extrem auszuloten. In<br />

die Erde hatte er sich eingraben lassen, um die Reaktionen<br />

des Körpers, die Veränderung der Körperwahrnehmung <strong>im</strong><br />

direkten Zusammentreffen mit dem Material zu erforschen.<br />

Dieser auf Gefahr setzende Umgang mit Menschen und<br />

Materie waren zu Kennzeichen seiner Arbeit geworden.<br />

Nachdem diese Forschungsstrecke beendet war, begann<br />

er in den letzten Jahren, in denen er zunehmend für fremde<br />

Ensembles arbeitete – nach München auch für das Nederlands<br />

Dans Theater und jetzt <strong>im</strong> März für die Pariser Oper –<br />

mit extremer Langsamkeit, Repetition und meditativen Bewegungen<br />

zu exper<strong>im</strong>entieren. Diese Entwicklung zeichnete<br />

sich schon in seiner Sacre-Produktion für München ab, wo<br />

von beiden Phasen etwas zu spüren ist.<br />

Der Mythos des Sacre du printemps, dessen Uraufführung<br />

1913 bekanntlich Paris einen handfesten Skandal mit 26 Verletzten<br />

und unzähligen Duellen lieferte, während er für den<br />

jungen Strawinsky den künstlerischen Durchbruch markierte,<br />

lebt weiter. Das zeigen die Reaktionen auf Teshigawaras<br />

eigenwillige Sacre-Deutung von 1999. Noch <strong>im</strong>mer scheint<br />

für die meisten – selbst professionellen – Rezipienten die<br />

gewaltige, von Leidenschaft geprägte Komposition nach<br />

einer Eins-zu-Eins-Übersetzung in Bewegung zu verlangen,<br />

wie sie z.B. Pina Bausch in ihrer Choreographie von 1982<br />

leistete, in der sich die gruppendynamischen Prozesse, die<br />

Beziehungen zwischen Männern und Frauen auf der Szene<br />

langsam aber beharrlich <strong>im</strong> Zusammenspiel mit Strawinskys<br />

Musik zu einem Exzess hochschaukeln, dem am Schluss<br />

eine Frau zum Opfer fällt. Mit körperlicher Wucht und Dramatik<br />

getanzt, von Schlammschlachten unterstrichen, reißt<br />

diese Choreographie den Zuschauer mit in ihrem Sog und<br />

entlässt ihn am Ende des Stückes atemlos vor Anstrengung.<br />

Diese Erwartungen erfüllt Teshigawara nicht: Sein Sterben,<br />

seine Opfer finden in viel sterilerer Atmosphäre statt; die<br />

Rituale sind anonymer, die Menschen einsamer. Ein klarer<br />

Raum, links und rechts begrenzt von riesigen rechteckigen<br />

Lichtrahmen, am Boden ein Rechteck aus weissem Tanzboden,<br />

hinten der Übergang in ein schwarzes Nichts... Eine<br />

Gruppe Männer und Frauen betritt den magischen Raum<br />

und lotet in unterschiedlichsten, diffizilen Mustern <strong>im</strong> Tanz<br />

den Raum aus. Ein Totentanz. Im Totentanz wird der Tod<br />

beschworen, verherrlicht, verlacht. Und dadurch manchmal<br />

besiegt, oder doch wenigstens die Angst. Es werden <strong>im</strong>mer<br />

William Forsythe: „Ich war <strong>im</strong>mer nur<br />

an Ballett als motion interessiert.“<br />

wieder einzelne Individuen aus Gruppen ausgegrenzt, einzelne<br />

brechen aus und halten dem Druck der Gruppe nicht<br />

mehr stand. Sobald sie durch ihr extremes Verhalten auffallen,<br />

werden sie von der Gruppe isoliert, ausgestoßen, <strong>im</strong><br />

Stich gelassen. Angst, Bedrückung, eine quälende Atmosphäre<br />

breitet sich aus. Immer wieder gibt es Versuche, sich<br />

daraus zu befreien und enden in der Katastrophe, bis am<br />

Ende die Opfer sich zusammenzuschließen scheinen, aufbegehren.<br />

Denn es gibt nicht ein Opfer, jeder kann das Opfer<br />

sein. Die Bewegungen hat Teshigawara <strong>im</strong> engen Zusammenspiel<br />

mit den Tänzern gefunden. Sie wechseln von wilden,<br />

explosiven Soli zu fast ornamentalen Mustern, gebildet<br />

aus Tänzerkörpern, die die Ordnung für kurze Zeit aufrechterhalten,<br />

um sie dann erneut zu zerstören. In den Bewegungen,<br />

die in diesem Ballett Teshigawaras dominieren, zeichnet<br />

sich mehr und mehr eine extreme Reduktion ab, der er<br />

in den Jahren danach noch weiter folgen sollte, bis 2003 in<br />

seinem zu Musik von Cage choreographierten Air für das<br />

Ballett der Pariser Oper unendliche meditative Repetitionen<br />

von Armbewegungen zur grundlegenden Struktur seines<br />

Balletts werden, die Oberkörper sich wiegen und schaukeln<br />

und den Zuschauer in eine Art Trance versetzen, ihm sugge-<br />

DAS TRIFFT SICH:<br />

DIE SCHÖNSTEN<br />

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Mit Versand-Service. Auch bei LUDWIG BECK<br />

in den Foyers der Bayerischen Staatsoper und<br />

der Philharmonie am Gasteig.<br />

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rieren, die Luft sei sichtbar gemacht. Saburo Teshigawara<br />

schafft für die Dauer seiner Stücke seinen eigenen Kosmos,<br />

in den der Rezipient eintauchen kann. Die Interpreten bilden<br />

eine eingeschworene Gruppe, die er mit seiner speziellen<br />

Atemtechnik und seinen philosophischen Erläuterungen<br />

präpariert. Nichts darf Pose sein, nichts nach bloßer Präsentation<br />

von etwas Vorgefertigtem aussehen. Unmittelbarkeit<br />

der Darstellung ist eines der Gehe<strong>im</strong>nisse, auf denen seine<br />

Choreographie beruht.<br />

Dem Zuschauer mutet der Japaner Saburo Teshigawara zu,<br />

sich <strong>im</strong>mer wieder neu seiner speziellen Wahrnehmung von<br />

Körper und Raum zu stellen. Er geht keinen Kompromiss<br />

ein, indem er die Erwartungen und Sehkonventionen der<br />

Zuschauer erfüllt. Vielmehr fordert er vom Zuschauer Hingabe<br />

und Konzentration, die – lässt dieser sich darauf ein –<br />

am Ende durch den Eindruck belohnt wird. einer merkwürdig<br />

fremden, irritierenden Schönheit begegnet zu sein.<br />

Saburo Teshigawara wird vor der Wiederaufnahme von Le<br />

Sacre du printemps mit den Tänzern des Staatsballetts<br />

arbeiten und die Choreographie in ihre heute gültige Form<br />

bringen. Es spielt das Bayerische Staatsorchester unter der<br />

Leitung von Gabriel Feltz. REGINA WEGNER<br />

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Arte Nova 87818<br />

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Orfeo C244031<br />

ROMAN TREKEL: WOLF-LIEDER<br />

Zum Wolf-Jubiläum eine hervorragende Neuaufnahme<br />

mit dem Bariton Roman Trekel und dem<br />

Pianisten Oliver Pohl. Das neue Label Oehms Klassik<br />

setzt damit auf große Qualität mit bewährten<br />

Künstlern.<br />

MAHLER – SCHÖNBERG – LIEDER<br />

Der Bariton Christian Gerhaher mit dem berühmten<br />

<strong>Zyklus</strong> der Kindertotenlieder und einer Auswahl der<br />

fahrenden Gesellen-Lieder, letztere in der Bearbeitung<br />

für Kammerensemble von Arnold Schönberg.<br />

Außerdem die Webern-Bearbeitung der Kammersinfonie<br />

von Arnold Schönberg. Insgesamt eine bestechende<br />

Sammlung!<br />

REICHA: LENORE<br />

Die dramatische Kantate von Gottfried August Bürger<br />

ist in dieser Vertonung eine Seltenheit. Der düstere<br />

Stoff wird kompositorisch äußerst vielschichtig verarbeitet<br />

– man sieht Verbindungen zur frz. Operntradition,<br />

aber auch zur italienischen und zum dt.<br />

Singspiel. Reicha erweist sich hier als ein Meister von<br />

Klanglichkeit und großartigen Melodieströmen. Frieder<br />

Bernius, die Virtuosi di Praga, begleiten die Solisten<br />

Nylund, Vykopalova, Welch und Chmelo hervorragend.


Rainer Schmidt, Klavierst<strong>im</strong>mer<br />

Kommt es vor, dass Sie in einem Konzert oder einer<br />

Opernvorstellung sitzen und leiden, weil sie – vielleicht<br />

als einziger – merken, dass das Klavier oder Cembalo<br />

eine St<strong>im</strong>mung bräuchte?<br />

Sicherlich. Gerade das Cembalo verst<strong>im</strong>mt sich während<br />

einer Vorstellung sehr stark, und wenn das Orchester nach<br />

einem nur vom Cembalo begleiteten Rezitativ wieder einsetzt,<br />

wird es offenbar, ob und wie sehr das Instrument abgesackt<br />

ist. Die St<strong>im</strong>mungen sind auch für die Sänger auf<br />

der Bühne sehr wichtig, weil sie gerade be<strong>im</strong> Einsetzen nach<br />

einem Rezitativ wieder die richtige Tonhöhe haben sollten.<br />

Was genau sind Sie nun von Beruf?<br />

Meine Berufsbezeichnung lautet Klavier- und Cembalobauer.<br />

Das ist ein sehr handwerklicher Beruf, in dem auch mit Hobel<br />

und Stecheisen gearbeitet wird. Allerdings bin ich mittlerweile<br />

hauptsächlich mit dem St<strong>im</strong>men beschäftigt. Deshalb wird<br />

man auch gern als St<strong>im</strong>mer bezeichnet, was den Beruf aber<br />

nicht ganz trifft. Meine Tätigkeit beschränkt sich ja nicht nur<br />

auf das St<strong>im</strong>men, sondern ich sehe vor jedem Konzert das<br />

Instrument durch, damit es voll funktionabel ist. Das Wichtigste<br />

und Schönste an diesem Beruf ist eigentlich, mit einem<br />

Pianisten zusammenzuarbeiten, denn dann kann man das<br />

Instrument so gestalten, wie es für den Künstler wichtig ist,<br />

und das unterscheidet sich von Interpret zu Interpret.<br />

Es gibt also nicht die absolute St<strong>im</strong>mung?<br />

Die akkurate, gleichtemperierte St<strong>im</strong>mung gibt es sicherlich<br />

nicht. Jeder Mensch hört unterschiedlich. Es gibt beispielsweise<br />

Löcher <strong>im</strong> aufsteigenden Gehör, weshalb der eine den<br />

Ton schärfer hört, der andere weniger scharf, oder der eine<br />

den Ton von der St<strong>im</strong>mung her nicht ganz passend findet,<br />

während es den anderen nicht stört.<br />

Kann es zu Differenzen mit Künstlern kommen über das<br />

Einverständnis mit einer St<strong>im</strong>mung?<br />

Auf jeden Fall, gerade bei Konzertfügeln. Da will der eine die<br />

St<strong>im</strong>mung ein bisschen brillanter haben, der andere eher geradlinig,<br />

was für einen Konzertsaal oft nicht so passend ist.<br />

Man empfindet den Flügel dann als zu tief. Ich st<strong>im</strong>me für ein<br />

Konzert meistens nach meiner Auffassung, also relativ steil.<br />

Muss ein St<strong>im</strong>mer zwingend Instrumentenbauer sein?<br />

Nein, es gibt in unserem Beruf natürlich Leute, die nur das<br />

St<strong>im</strong>men gelernt haben. Die können sicherlich auch kleinere<br />

Reparaturen durchführen, aber das Verständnis für das ganze<br />

Instrument muss doch zwangsläufig fehlen, wenn man den<br />

Beruf nicht von Grund auf gelernt hat. Gerade <strong>im</strong> Konzertbetrieb<br />

– also auf dem obersten Level – muss die Mechanik mit<br />

dem St<strong>im</strong>men zusammenpassen.<br />

Wie lange vor einer Aufführung muss, bzw. kann ein<br />

Instrument gest<strong>im</strong>mt werden?<br />

Das ist unterschiedlich. Ein Cembalo sollte möglichst kurz vor<br />

der Aufführung gest<strong>im</strong>mt werden. Allerdings ändern sich mit<br />

Beginn des Zuschauereinlasses augenblicklich die Feuchtig-<br />

menschen in der oper<br />

keit und die Temperatur. Und die Bühnenbeleuchtung heizt<br />

zusätzlich auf. Da kann es ziemlich schnell um drei Grad wärmer<br />

werden und das Cembalo um bis zu vier Hertz absacken.<br />

Flügel oder Klavier sind nicht so empfindlich, und außerdem<br />

n<strong>im</strong>mt man Verst<strong>im</strong>mungen hier nicht ganz so stark wahr.<br />

Ist es ein Problem, wenn man für einen Abend mehrere<br />

Klaviere st<strong>im</strong>men muss?<br />

Ein Rückenproblem! (lacht) Wenn man mehrere Klavier<br />

hintereinander st<strong>im</strong>men muss, stellt das natürlich eine große<br />

körperliche Anforderung dar: dieses typische Beugen über<br />

die Tasten hinweg mit dem St<strong>im</strong>mhammer in der Hand...<br />

Man kann nicht entspannt am Klavier sitzen und st<strong>im</strong>men.<br />

Man muss <strong>im</strong>mer eine gewisse Anspannung haben, um den<br />

St<strong>im</strong>mwirbel so bewegen zu können, dass er nicht nur die<br />

Tonhöhe erzeugt, sondern auch stabil stehen bleibt. Wenn<br />

man die Arbeit nicht akkurat macht, verst<strong>im</strong>mt sich der Ton<br />

bereits nach einem Mezzoforte-Anschlag.<br />

Wie lange benötigen Sie für das St<strong>im</strong>men?<br />

Wenn ein Konzertflügel jeden Tag benutzt wird, brauche ich<br />

manchmal nur eine Viertel Stunde. Allerdings mache ich meistens<br />

noch weitere Arbeiten: kümmere mich um den Klang<br />

oder greife intonativ ein. Wenn ein Flügel viel zu tief ist und<br />

man ihn hoch- und nachst<strong>im</strong>men muss, brauche ich ungefähr<br />

1 1 /2 bis 1 3 /4 Stunden. Ich bin eigentlich ein sehr flotter<br />

St<strong>im</strong>mer. Bei Monteverdi gibt es drei Cembali und die müssen<br />

in den Pausen nachgest<strong>im</strong>mt werden. Mit dem Lärm<br />

auf der Bühne oder Musikern, die sich irgendwo einspielen,<br />

muss ich das in 25 bis 30 Minuten schaffen. Ein Marathon –<br />

aber das macht den Beruf eben auch so interessant.<br />

Ist das Gehör irgendwann überfordert?<br />

Die Psyche spielt ein größere Rolle. Es gibt sicherlich St<strong>im</strong>mer,<br />

die den sehr hohen zeitlichen Druck, unter dem man<br />

zum Teil arbeiten muss, nicht verkraften. Wenn man dann<br />

resigniert, schafft man gar nichts mehr. Ich selbst habe da<br />

Gottseidank überhaupt keine Probleme.<br />

Haben Sie ein feineres Gehör als Musiker?<br />

Ich habe vielleicht ein anderes Gehör. Das Wichtigste für<br />

mich ist ja, Töne zu vergleichen. Selbst eine min<strong>im</strong>ale Verst<strong>im</strong>mung<br />

um eine Viertel Schwingung muss ich feststellen<br />

und korrigieren.<br />

Gibt es für Sie auch so etwas wie Noteinsätze?<br />

Es kommt durchaus vor, dass ich so schnell als möglich <strong>im</strong><br />

Haus sein soll, weil etwa be<strong>im</strong> Verschieben eines Instrumentes<br />

ein Fuß abgebrochen ist oder dem Interpreten ein Bleistift<br />

in den Flügel gefallen ist, der nun die Tasten blockiert.<br />

Kann man so einen Bleistift nicht selbst rausnehmen?<br />

Nein, weil er meistens in die Mechanik fällt. Um da heran zu<br />

kommen, muss man Schrauben lösen, die Klappe öffnen und<br />

am Ende das Ganze wieder einsetzen. Und die meisten Pianisten<br />

wissen nicht einmal, wie man das Instrument öffnet.<br />

INTERVIEW DETLEF EBERHARD<br />

TAKT 7 33


26. April bis 22. Juni 2003<br />

Spielplan<br />

Ann Murray:<br />

Xerxes<br />

Nationaltheater<br />

26., 29. April<br />

MADAMA BUTTERFLY<br />

Jun Märkl; Sylvie Valayre,<br />

Mihoko Fuj<strong>im</strong>ura, Aga Mikolaj;<br />

Eduardo Villa, Alan Opie, Ulrich<br />

Reß, Jan Zinkler, Karl Helm,<br />

Rüdiger Trebes, Taras Konoshchenko,<br />

Gerhard Auer<br />

27. April<br />

DER ROSENKAVALIER<br />

Philippe Auguin; Felicity Lott,<br />

Angelika Kirchschlager, Heidi<br />

Grant Murphy, Anne Pellekoorne,<br />

Irmgard Vilsmaier, Anja Augustin,<br />

Kremena Dilcheva,<br />

34 TAKT 7<br />

Claudia Schneider, Julia<br />

Rempe; Walter Fink, Eike Wilm<br />

Schulte, Ulrich Reß, Gerhard<br />

Auer, Hermann Sapell, Francesco<br />

Petrozzi, Hans Willbrink,<br />

Eduardo Villa, Manolito Mario<br />

Franz<br />

28. April PREMIERE<br />

4., 8., 10., 12. Mai<br />

SAUL<br />

Ivor Bolton; Rebecca Evans,<br />

Rosemary Joshua; <strong>David</strong> <strong>Daniels</strong>,<br />

Alastair Miles, John Mark<br />

Ainsley, Kevin Conners, Robert<br />

Tear, Jonathan Lemalu, Robert<br />

Gardner, Jacques-Greg Belobo,<br />

Manolito Mario Franz, Thomas<br />

Diestler<br />

30. April bis 28. Mai<br />

DER RING DES NIBELUNGEN<br />

30. April, 3. Mai<br />

DAS RHEINGOLD<br />

Zubin Mehta; Marjana Lipovsek,<br />

Anja Harteros, Anna Larsson,<br />

Margarita De Arellano, Ann-<br />

Katrin Naidu, Hannah Esther<br />

Minutillo; John Tomlinson,<br />

Juha Uusitalo, Jon Ketilsson,<br />

Francisco Araiza, Franz-Josef<br />

Kapellmann, Helmut Pampuch,<br />

Jyrki Korhonen, Kurt Rydl<br />

7. Mai PREMIERE<br />

11. Mai<br />

DIE WALKÜRE<br />

Zubin Mehta; Waltraud Meier,<br />

Gabriele Schnaut, Marjana Lipovsek,<br />

Sally du Randt, Irmgard<br />

Vilsmaier, Jennifer Trost, Ann-<br />

Katrin Naidu, Heike Grötzinger,<br />

Marita Knobel, Anne Pellekoorne,<br />

Ingrid Bartz; Peter Seiffert,<br />

Kurt Rydl, John Tomlinson<br />

15., 19. Mai<br />

SIEGFRIED<br />

Zubin Mehta; Anna Larsson,<br />

Gabriele Schnaut, Margarita<br />

De Arellano; Stig Andersen,<br />

Helmut Pampuch, John Tomlinson,<br />

Franz-Josef Kapellmann,<br />

Kurt Rydl<br />

23., 28. Mai<br />

GÖTTERDÄMMERUNG<br />

Zubin Mehta; Gabriele<br />

Schnaut, Nancy Gustafson,<br />

Marjana Lipovsek, Margarita<br />

De Arellano, Ann-Katrin Naidu,<br />

Hannah Esther Minutillo, Catherine<br />

Wyn-Rogers, Jennifer<br />

Trost, Irmgard Vilsmaier; Stig<br />

Andersen, Juha Uusitalo, Matti<br />

Salminen, Franz-Josef Kapellmann<br />

9., 13., 18. Mai<br />

LA TRAVIATA<br />

Frédéric Chaslin; Elena Kelessidi,<br />

Daniela Sindram, Helena<br />

Jungwirth, Danielle Clamer<br />

(9./13.5.)/Francesca Pane<br />

(18.5.); Roberto Aronica, Paolo<br />

Gavanelli, Ulrich Reß, Taras Konoshchenko,<br />

Gerhard Auer, Karl<br />

Helm, Manolito Mario Franz,<br />

Robert Gardner, Rüdiger Trebes<br />

Bayerisches Staatsballett<br />

14. Mai<br />

PORTRÄT JOHN NEUMEIER<br />

Oliver von Dohnányi; Solisten<br />

und Ensemble des Bayerischen<br />

Staatsballetts<br />

Bayerisches Staatsballett<br />

16., 22. Mai<br />

SCHWANENSEE<br />

Valeri Ovsianikov; 16. Mai: Lisa-<br />

Maree Cullum, Michelle Nossiter;<br />

Roman Lazik, Kyrill Melnikov,<br />

Lukas Slavicky; 22. Mai:<br />

Lucia Lacarra, Maria Eichwald;<br />

Cyril Pierre, Kirill Melnikov, Alen<br />

Bottaini<br />

17., 21., 24. Mai<br />

DIE VERKAUFTE BRAUT<br />

Jun Märkl; Marita Knobel, Eva<br />

Jenis, Anne Pellekoorne, Julia<br />

Diana Damrau:<br />

Die Zauberflöte<br />

Midori:<br />

6. Akademiekonzert<br />

Rempe; Hans Günter Nöcker,<br />

Alfred Kuhn, Ulrich Reß,<br />

Robert Dean Smith, Kurt Rydl,<br />

Francesco Petrozzi, Ferry Gruber;<br />

Zirkus Kaiser-Baldoni<br />

18., 25. Mai: 11.00 Uhr<br />

MATINEE<br />

HEINZ-BOSL-STIFTUNG<br />

20., 25., 29. Mai<br />

TOSCA<br />

Jacques Delacôte; Paoletta<br />

Marrocu, Julia Rempe; Salvatore<br />

Licitra, Anthony Michaels-<br />

Moore, Taras Konoshchenko,<br />

Alfred Kuhn, Ulrich Reß, Rüdiger<br />

Trebes, Gerhard Auer,<br />

Francesco Petrozzi<br />

Bayerisches Staatsballett<br />

27. Mai, 6., 9., 13. Juni<br />

LE SACRE DU PRINTEMPS<br />

+ FORSYTHE<br />

Gabriel Feltz; Solisten und<br />

Ensemble des Bayerischen<br />

Staatsballetts<br />

Bayerisches Staatsballett<br />

30. Mai, 1. Juni<br />

ONEGIN<br />

Myron Romanul; 30. Mai: Maria<br />

Eichwald, Femke Molbach<br />

Slot; Norbert Graf, Andrew<br />

Bowman; 1. Juni: Lisa-Maree<br />

Cullum, Femke Molbach Slot;<br />

N.N., Andrew Bowman<br />

31. Mai, 4., 8., 12. Juni<br />

XERXES (SERSE)<br />

Ivor Bolton; Ann Murray,<br />

Nathalie Stutzmann, Susan<br />

Gritton, Julie Kaufmann;<br />

Christopher Robson, Umberto<br />

Chiummo, Jan Zinkler<br />

1. Juni: 11.00 Uhr<br />

(Veranstaltung für die Freunde<br />

des Nationaltheaters e.V.)<br />

2., 3. Juni: 20.00 Uhr<br />

6. AKADEMIEKONZERT<br />

DES BAYERISCHEN<br />

STAATSORCHESTERS<br />

Zubin Mehta; Midori (Violine)<br />

Joseph Haydn: Symphonie<br />

Nr. 96, D-Dur, The Miracle<br />

Béla Bartók: Konzertsuite<br />

Der wunderbare Mandarin<br />

Edward Elgar: Konzert<br />

für Violine und Orchester,<br />

b-Moll, op. 61<br />

7., 11., 15., 19. Juni<br />

ANNA BOLENA<br />

Ralf Weikert; Edita Gruberova,<br />

Carmen Oprisanu, Elena<br />

Cassian, Roberto Scandiuzzi,<br />

Gerhard Auer, Gregory Kunde,<br />

Francesco Petrozzi<br />

14., 18., 22. Juni<br />

DIE ZAUBERFLÖTE<br />

Adam Fischer; Diana Damrau,<br />

Aga Mikolaj, Nicola Beller<br />

Carbone, Daniela Sindram,<br />

Anne Pellekoorne, Julia<br />

Rempe; Kurt Moll, Christoph<br />

Strehl, Franz-Josef Kapellmann,<br />

Jan Zinkler, Ulrich Reß,<br />

Francesco Petrozzi, Karl Helm,<br />

Alfred Kuhn, Rüdiger Trebes,<br />

Gerhard Auer, <strong>David</strong> Thaw, Peter<br />

<strong>Wagner</strong>, Walter von Hauff,<br />

Abbas Maghfurian; Solisten<br />

des Tölzer Knabenchores<br />

Führungen durch das<br />

Nationaltheater finden an<br />

folgenden Tagen jeweils<br />

um 14.00 Uhr statt:<br />

27., 28., 29., 30. April;<br />

8., 9., 10., 12., 13., 14., 17.,<br />

22., 24., 29., 30., 31. Mai;<br />

1., 2., 3., 4., 5., 6., 7., 8.,<br />

9., 12., 13., 14., 15., 19.,<br />

22. Juni<br />

Ausgangspunkt ist der<br />

Opernladen, am Wochenende<br />

der Haupteingang<br />

des Nationaltheaters.<br />

bregenzer festspiele<br />

16. Juli - 18. August 2003<br />

<strong>Premiere</strong> 17. Juli 2003,<br />

Aufführungen<br />

18. Juli - 18. August 2003<br />

Seebühne/Festspielhaus<br />

WEST SIDE STORY<br />

Nach einer Idee von<br />

Jerome Robbins<br />

Buch von<br />

Arthur Laurents<br />

Musik von<br />

Leonard Bernstein<br />

Gesangstexte von<br />

Stephen Sondhe<strong>im</strong><br />

Deutsche Fassung von Marcel Prawy. Deutsche Dialoge,<br />

Gesangstexte in englischer Originalsprache.<br />

Die Uraufführung wurde inszeniert und choreographiert von<br />

Jerome Robbins<br />

Original Broadway Produktion von Robert E. Griffith und Harold S. Prince<br />

nach Übereinkunft mit Roger L. Stevens.<br />

Die Übertragung des Aufführungsrechts erfolgt in Übereinkunft<br />

mit JOSEF WEINBERGER LTD., London <strong>im</strong> Namen von<br />

MUSIC THEATRE INTERNATIONAL, New York.<br />

Bühnenvertrieb für Österreich: JOSEF WEINBERGER GES.M.B.H., Wien.<br />

Tickets und Infos<br />

unter:+43 5574 407-6 oder<br />

www.bregenzerfestspiele.com


<strong>Porträt</strong> John Neumeier,<br />

Jupitersinfonie: Lucia<br />

Lacarra, Cyril Pierre<br />

Cuvilliés-Theater<br />

27. April: 11.00 Uhr<br />

EINFÜHRUNGSMATINEE<br />

zur <strong>Premiere</strong> <strong>Saul</strong><br />

Gesprächsrunde mit Mitwirkenden<br />

der Produktion<br />

Leitung: Dr. Hella Bartnig<br />

18. Mai: 11.00 Uhr<br />

20. Mai: 20.00 Uhr<br />

5. KAMMERKONZERT<br />

DES BAYERISCHEN<br />

STAATSORCHESTERS<br />

Joseph Haydn: Streichquartett<br />

Hob. III: 83, op. 103<br />

Edvard Grieg: Streichquartett,<br />

g-Moll, op. 27<br />

Alberto Ginastera: Streichquartett<br />

Nr. 1, op. 20<br />

Markus Wolf, Markus Kern, Tilo<br />

Widenmeyer, Gerhard Zank<br />

15. Juni: 11.00 Uhr<br />

17. Juni: 20.00 Uhr<br />

6. KAMMERKONZERT<br />

DES BAYERISCHEN<br />

STAATSORCHESTERS<br />

25 Jahre Leopolder Quartett<br />

Impressum<br />

TAKT 7 April/Mai/Juni 2003<br />

Herausgeber:<br />

Bayerische Staatsoper München<br />

Staatsintendant Sir Peter Jonas<br />

Ballettdirektor Ivan Lisˇka<br />

Max-Joseph-Platz 2, 80539 München<br />

Redaktion:<br />

Dr. Ulrike Hessler (verantwortlich);<br />

Detlef Eberhard, Wilfried Hösl,<br />

Bayerische Staatsoper;<br />

Bettina <strong>Wagner</strong>-Bergelt,<br />

Bayerisches Staatsballett;<br />

Anschrift wie Herausgeber;<br />

takt@st-oper.bayern.de<br />

Gestaltung:<br />

Anzinger | Wüschner | Rasp<br />

Agentur für Kommunikation<br />

36 TAKT 7<br />

Wolfgang Amadeus Mozart:<br />

Streichquartett, C-Dur, KV 465<br />

Felix Mendelssohn Bartholdy:<br />

Streichquartett, Es-Dur, op. 12<br />

Ludwig van Beethoven: Streichquartett,<br />

e-Moll, op. 59, Nr. 2<br />

Leopolder Quartett:<br />

Wolfgang Leopolder, Adrian<br />

Lazar, Johannes Zahlten,<br />

Friedrich Kleinknecht<br />

22. Juni: 11.00 Uhr<br />

EINFÜHRUNGSMATINEE<br />

zur Festspiel-<strong>Premiere</strong><br />

Rodelinda<br />

Gesprächsrunde mit Christof<br />

Loy (Inszenierung), Herbert<br />

Murauer (Ausstattung), Ivor<br />

Bolton (Dirigent), Dr. Ruth<br />

Smith (Händel-Forscherin,<br />

University of Cambridge),<br />

Dr. Jochen <strong>Wagner</strong> (Evangelische<br />

Akademie Tutzing)<br />

Leitung: Peter Heilker<br />

Titelfoto:<br />

Wilfried Hösl<br />

Platzl 7<br />

Bayerisches Staatsballett<br />

6. Mai: 20.00 Uhr<br />

BALLETT EXTRA<br />

Training exclusiv<br />

Bayerisches Staatsballett<br />

14. Juni: 10.15 Uhr<br />

BALLETT EXTRA<br />

Tag der offenen Tür<br />

Fotos:<br />

Alle Fotos von Wilfried Hösl außer: S. 23: Christine<br />

Schneider; S. 24/25: Illustrationen unter Verwendung<br />

von Vorlagen der Bayerischen Staatsgemäldesammlung;<br />

S. 34: Michael Kaufmann „de Selliers“, Würzburg;<br />

S. 36: Fotostudio Roland Nowotny<br />

Lithographie:<br />

MXM Digital Service<br />

Alpenstr. 12a, 81541 München<br />

Druck:<br />

J. Gotteswinter GmbH<br />

Joseph-Dollinger-Bogen 22, 80807 München<br />

Eva Jenis:<br />

Die verkaufte Braut<br />

Pinakothek der<br />

Moderne, Ernst-von-<br />

Siemens-Auditorium<br />

16. Mai: 20.00 Uhr<br />

XX/XXI – USA PLUS<br />

Neue Kammermusik in der<br />

Pinakothek der Moderne<br />

3. Konzert<br />

Samuel Barber: Summer Music<br />

Uros Rojko: Septetto Fluido für<br />

Bläserquintett, Klavier und<br />

Kontrabass. Uraufführung des<br />

Auftragswerks<br />

Milton Babitt: Woodwind<br />

Quartet<br />

Elliott Carter: Eight Etudes and<br />

a Fantasy<br />

Vera Becker, Bernhard Emmerling,<br />

Hartmut Graf, Thomas<br />

Eberhardt, Sebastian Jurkiewicz,<br />

Hermann Holler, Marc<br />

Lawson, Thorsten Lawrenz<br />

6. Juni: 20.00 Uhr<br />

XX/XXI – USA PLUS<br />

Neue Kammermusik in der<br />

Pinakothek der Moderne<br />

4. Konzert<br />

Leonard Bernstein: Sonate für<br />

Klarinette und Klavier<br />

Charlotte Seither: Uraufführung<br />

des Auftragswerks<br />

Elliott Carter: Triple Duo<br />

Vera Becker, Stefan Schneider,<br />

Thomas Klotz, Gerd Quellmelz,<br />

Jan Philipp Schulze, Ulrich<br />

Grußendorf, Oliver Göske<br />

Anzeigen:<br />

G. o. MediaMarketing GmbH<br />

Sedelhofstr. 7, 81247 München<br />

Telefon: 089/89 12 88 - 0, Fax: - 90<br />

verantwortlich: Angela Großmann<br />

Das Magazin TAKT erscheint achtmal<br />

pro Saison und kann zu einem Preis von<br />

15 EUR abonniert werden bei:<br />

Marketingbüro der Bayerischen Staatsoper,<br />

Max-Joseph-Platz 2, 80539 München<br />

Die Bayerische Staatsoper dankt allen Firmen, die durch<br />

ihre Inserate die Publikation ermöglicht haben. Namentlich<br />

gekennzeichnete Beiträge unserer Mitarbeiter stellen nicht<br />

unbedingt die Meinung der Herausgeber dar.<br />

VKZ: B31146 / Redaktionsschluß 15. April 2003<br />

DIE WUNDER-<br />

BARE VIELFALT<br />

DER MUSIK.<br />

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LUDWIG BECK, Marienplatz 11, 80331 München,<br />

Telefon: 23691-448, Fax: 23691-604,<br />

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Mit Versand-Service. Auch bei LUDWIG BECK<br />

in den Foyers der Bayerischen Staatsoper und<br />

der Philharmonie am Gasteig.<br />

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OPER – LIED –<br />

SINFONIK.<br />

GROSSARTIGE WERKE –<br />

BESTECHEND INTERPRETIERT.<br />

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DG 471 500<br />

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ECM 461 912<br />

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Philips<br />

3 CDs € 38,50<br />

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7 CDs € 62<br />

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557 445<br />

ANNE-SOPHIE MUTTER: TANGO SONG AND DANCE<br />

Eine ungewöhnliche Kopplung verschiedener Musikrichtungen,<br />

die am Ende doch eine äußerst homogene<br />

CD ergeben. Anne-Sophie Mutter, mal innig-versunken,<br />

mal sprühend virtuos, läßt sich von den melodischrhythmischen<br />

Werken zu großer Spiellust hinreißen.<br />

Andre Previn und Lambert Orkis begleiten sie einfühlsam.<br />

BACH/WEBERN: RICERCAR<br />

Christoph Poppen und das Münchener Kammerorchester<br />

mit einer weiteren Kostprobe ihres singulären<br />

Bach-Bildes. Geradezu archaische Klarheit,<br />

die Webern-Bearbeitungen klingen wie original komponiert,<br />

klare St<strong>im</strong>mführungen und tiefe Ernsthaftigkeit<br />

zeichnen diese hervorragende Produktion aus.<br />

HÄNDEL: SAUL<br />

Diese Einspielung unter Gardiner mit Alastair Miles,<br />

Lynne Dawson, Donna Brown, Derek Lee Ragin und<br />

dem Monteverdi Choir mit den English Baroque<br />

Soloists, gilt als Referenz-Aufnahme. Das liegt zum<br />

einen an der ganz ausgezeichneten Sängerbesetzung<br />

und zum anderen an dem geradezu sensationell<br />

agierenden John Eliot Gardiner, dessen Händel-<br />

Auffassung hier einen glanzvollen Höhepunkt erreicht.<br />

PONCHIELLI: GIOCONDA<br />

Daß diese Oper mehr zu bieten hat, als den berühmten<br />

Tanz der Stunden, beweist diese Produktion überdeutlich.<br />

Violetta Urmana, Roberto Scandiuzzi und<br />

Placido Domingo werden von Marcello Viotti einfühlsam<br />

durch die Partitur begleitet. Chor und Orchester<br />

des Bayerischen Rundfunks agieren souverän.<br />

HUGO WOLF: LIEDER<br />

Dietrich Fischer-Dieskaus Einspielung der Wolf-<br />

Lieder gilt bis heute als Maßstab und sein Einsatz<br />

für diese Kompositionen kann nicht genug gewürdigt<br />

werden – umso mehr ist diese Wiederveröffentlichung<br />

der berühmten Einspielung mit Gerald Moore<br />

zum Wolf-Jubiläum zu begrüßen!<br />

BEETHOVEN: 9 SINFONIEN<br />

Eine grandiose Beethoven-Sicht mehr: Sir S<strong>im</strong>on<br />

Rattle und die Wiener Philharmoniker mit einem entfesselten<br />

Beethoven, der trotz großer Wucht <strong>im</strong>mer<br />

durchsichtig und klar bleibt. Durch die Live-Aufnahmen<br />

wird dieser Eindruck verstärkt und macht<br />

diesen <strong>Zyklus</strong> zu einem hinreißenden Dokument<br />

Beethovenscher Größe.


pausengespräch<br />

neulich in Siegfried<br />

FRAU ELLWANGEN Kennst Du die Geschichte von der Ehefrau<br />

des Bürgermeisters von Bayreuth?<br />

HERR ELLWANGEN Nein.<br />

FRAU ELLWANGEN Die Ehefrau des Bürgermeisters von Bayreuth<br />

musste jahrzehntelang mit in den <strong>Ring</strong>. Eines Tages<br />

nach der Götterdämmerung verließen sie das Festspielhaus,<br />

und es tröpfelte leicht vom H<strong>im</strong>mel. Darauf sah sie lange nach<br />

oben und sagte schließlich in einem Riesenseufzer: „Mei, jetzt<br />

regnet’s a no.“<br />

HERR ELLWANGEN Heute ist aber schönes Wetter. Wollen wir<br />

ein wenig vor die Tür gehen?<br />

FRAU ELLWANGEN Gern.<br />

HERR ELLWANGEN Immer wenn ich <strong>Wagner</strong> sehe, denke ich:<br />

Heldentum ist ja ganz schön, aber furchtbar viel Arbeit.<br />

FRAU ELLWANGEN Von nichts kommt eben nichts.<br />

HERR ELLWANGEN Diese ganze Plackerei, und am Ende geht’s<br />

doch nur nach Walhalla. Genau wie <strong>im</strong> richtigen Leben.<br />

FRAU ELLWANGEN Was heißt denn hier nur? Das ist doch was.<br />

HERR ELLWANGEN Weißt Du, was ich an diesem Siegfried<br />

wirklich bewundere?<br />

FRAU ELLWANGEN Nein, keine Ahnung. Die Frisur?<br />

HERR ELLWANGEN Ach was, die ist doch in den seltensten<br />

Fällen echt.<br />

FRAU ELLWANGEN Bei Peter Hofmann war sie es aber.<br />

HERR ELLWANGEN Ist doch auch egal. Nein, ich meine den<br />

Ehrgeiz.<br />

FRAU ELLWANGEN Siegfried ist nicht ehrgeizig, sondern neurotisch,<br />

der hat ein Frauen- und Mutterproblem. Seine Frisur<br />

wurzelt direkt in einem Neurosengarten.<br />

HERR ELLWANGEN Das finde ich aber ungerecht. Du tust ja<br />

gerade so, als sei Heldentum gleichzusetzen mit Wahnsinn.<br />

FRAU ELLWANGEN Dann nenne mir mal einen einzigen Helden,<br />

der keinen Sprung hat.<br />

HERR ELLWANGEN Boris Becker.<br />

FRAU ELLWANGEN Naja.<br />

HERR ELLWANGEN Hast Du denn schon vergessen, wie der<br />

verlorene Spiele <strong>im</strong> fünften Satz umbog? Wie er den zweiten<br />

Aufschlag mit demselben Risiko schlug wie den ersten? Man<br />

38 TAKT 7<br />

muss gerecht sein und die Menschen an ihren Taten messen,<br />

nicht an ihren Äußerungen.<br />

FRAU ELLWANGEN Wen hast Du denn noch so <strong>im</strong> Angebot?<br />

HERR ELLWANGEN Oliver Kahn.<br />

FRAU ELLWANGEN Dasselbe wie Becker, nur <strong>im</strong> Fußball.<br />

Irgendwie überzeugt mich Deine Definition von Heldentum<br />

nicht.<br />

HERR ELLWANGEN Bitte, dann mach Du doch mal einen<br />

Vorschlag.<br />

FRAU ELLWANGEN Walter Jens, Helmut Schmidt, Hildegard<br />

Hamm-Brücher.<br />

HERR ELLWANGEN Jetzt legst Du den Siegfried-Begriff aber<br />

etwas weit aus. Schmidt würde ich gelten lassen, wenn er<br />

nicht schon so alt wäre. Vielleicht können wir uns auf eine<br />

männliche Person einigen, die noch nicht so gebrechlich ist<br />

und körperlich aktiv. Aber da fällt mir niemand ein.<br />

FRAU ELLWANGEN Thomas Gottschalk.<br />

HERR ELLWANGEN Ich bitte Dich...<br />

FRAU ELLWANGEN Der ist blond und groß, trägt die richtige<br />

Frisur, ist nicht zu alt und so weit man es beurteilen kann, ist<br />

er auch geistig fit. Außerdem hat er einen Drachen. Und er<br />

fährt regelmäßig nach Bayreuth.<br />

Erstes Klingeln, Ende der Pause<br />

HERR ELLWANGEN Du meinst, das reicht?<br />

FRAU ELLWANGEN Sein Sohn heißt Tristan.<br />

HERR ELLWANGEN Gut, das ist ein Argument. Aber dennoch:<br />

Hier geht es um hehre Ziele, und da ist mir ein Siegfried aus<br />

der Unterhaltungsbranche irgendwie zu profan.<br />

Zweites Klingeln, wirklich Ende der Pause<br />

FRAU ELLWANGEN Joschka Fischer?<br />

HERR ELLWANGEN Nicht schlecht, aber eindeutig zu hessisch.<br />

Irgendwie gibt es keine Helden mehr. Macht aber nichts.<br />

Drittes Klingeln, ganz <strong>im</strong> Ernst Ende der Pause<br />

FRAU ELLWANGEN Wieso?<br />

HERR ELLWANGEN Wenn es keine Helden mehr gibt, dann<br />

machen wir uns eben einen eigenen.<br />

FRAU ELLWANGEN Aber nicht während Siegfried.<br />

Philipp Bestier<br />

HÄNDEL –<br />

STRAHLEND UND<br />

VOLLER KRAFT.<br />

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Aufführungspraxis<br />

mit René Jacobs.<br />

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LYNNE DAWSON:<br />

MY PERSONAL HÄNDEL COLLECTION<br />

Eine herausragende Neuproduktion! Eine<br />

Zusammenstellung von berühmten Arien,<br />

die wunderbar von der Lautten Compagney<br />

begleitet werden.<br />

DREI HÄNDEL-ORATORIEN VON<br />

BERLIN CLASSICS<br />

Drei Oratorien in der großen alten Händel-<br />

Tradition gelten <strong>im</strong>mer noch als Maßstab für<br />

eine groß besetzte, <strong>im</strong> besten Sinne romantisierte<br />

Händel-Rezeption. Die Rundfunk-<br />

Orchester Berlins und Leipzigs einschließlich<br />

ihrer Chöre interpretieren einen großartigwuchtigen<br />

Händel, der eine gute Alternative zu<br />

den aktuellen Aufführungspraktiken darstellt.<br />

Judas Maccabäus: Janowitz, Töpper Schreier, Haefliger/Helmut Koch<br />

Semele: Büchner, Lorenz, Werner/Helmut Koch<br />

Salomo: Sch<strong>im</strong>l, Termer, Bundschuh/Heinz Rögner<br />

HARMONIA MUNDI FRANCE<br />

Opern in historischer<br />

Aufführungspraxis mit<br />

René Jacobs<br />

Die Wiederveröffentlichungen der Opern unter<br />

René Jacobs, jetzt zu einem günstigen Preis,<br />

sind für jeden Liebhaber der alten Musik ein<br />

Muß. Die großartigen Sängerbesetzungen, das<br />

wunderbar-durchsichtige Zusammenspiel<br />

aller Beteiligten machen diese Produktionen<br />

so singulär. Neben den abgebildeten Aufnahmen<br />

sind außerdem Orpheus (Telemann), Cosi<br />

(Mozart), Dido (Purcell), Poppea (Monteverdi),<br />

Ulisse (Monteverdi), La Calisto (Cavalli) und<br />

Venus (Blow) dabei.

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