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Horizont Dez. 2011 - der katholischen Kirchengemeinde St ...

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Hiltrud Bennemann<br />

R o tr aut Sc hlüter - eine K indheit im Ber lin <strong>der</strong> 30iger Jahr e<br />

Zum Ende des Jahres scheidet Rotraut Schlüter als aktive<br />

Mitarbeiterin aus dem Büchereiteam <strong>der</strong> Pfarrbücherei in<br />

Rhöndorf aus. Das ist Anlass genug, sie um eine Interview<br />

zu bitten. Meist hält sie sich bescheiden im Hintergrund,<br />

kommt sie aber ans Erzählen, dann geschieht das mit<br />

spritziger Lebendigkeit. Anfänglich wollte sie <strong>der</strong> Bitte<br />

um ein Interview nicht nachkommen. Pastor Bruno Wach-<br />

ten intervenierte kurz, und so trafen wir uns in dem für die<br />

Seniorenadventsfeier schön gedeckten Saal im Rhön-<br />

dorfer Pfarrheim. Der Kontrast zu dem Erzählten hätte<br />

nicht größer sein können.<br />

Rotraut Schlüter hat sich entschieden, nicht über alle ge-<br />

lebten Jahre zu erzählen, son<strong>der</strong>n über die 30er Jahre in<br />

Berlin, die sie als kleines Kind beson<strong>der</strong>s geprägt haben.<br />

Diese Jahre verlebte sie in einem geistig und politisch sehr<br />

engagierten Elternhaus.<br />

Ihre Mutter Dr. Maria Schlüter-Hermkes, war Dozentin<br />

für Philosophie, Psychologie und Pädagogik an <strong>der</strong> Sozia-<br />

len Frauenakademie in Berlin. Sie unterhielt einen „Salon“<br />

und pflegte Gespräche mit Persönlichkeiten wie Carl<br />

Sonnenschein, Romano Guardini, Elisabeth Langgässer<br />

und Gertrude von le Fort. Dies beanspruchte die Mutter<br />

sehr und zudem war sie beruflich viel außer Haus. So<br />

hatte Rotraut Schlüter viel freien Raum und erkundete Ber-<br />

lin mit Bus und Tram auf eigene Faust.<br />

Ihr Vater Johannes Schlüter, Jurist und Ministerialrat im<br />

Kulturministerium, war Fachmann für Verträge zwischen<br />

<strong>St</strong>aat und Katholischer Kirche. Er hatte an <strong>der</strong> Erarbeitung<br />

<strong>der</strong> Konkordate von Bayern 1924 und Preußen 1929 mitge-<br />

wirkt. Bei <strong>der</strong> Erstellung des Reichskonkordats (<strong>St</strong>aatsver-<br />

trag zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen<br />

<strong>St</strong>uhl 1933) war er allerdings nicht mehr dabei, da war er<br />

schon als bekennen<strong>der</strong> katholischer Beamter kaltgestellt<br />

worden. Er hatte engen Kontakt zu Nuntius Eugenio<br />

Pacelli, dem späteren Papst Pius XII.<br />

Zu den Freunden des Vaters zählte auch Dr. Erich Klause-<br />

ner, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>katholischen</strong> Aktion im Bistum<br />

Berlin. Die antichristliche Politik Hitlers war Klausener<br />

ein Dorn im Auge. Auf dem Märkischen Katholikentag<br />

am 24. Juni 1934 kritisierte er vor 60 000 Menschen in einer<br />

flammenden Rede die Abgrenzung <strong>der</strong> weltan-<br />

schaulichen Kontrahenten von <strong>der</strong> Rassenpolitik <strong>der</strong> Na-<br />

tionalsozialisten. Sechs Tage später wurde er auf Geheiß<br />

von Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheits-<br />

hauptamts, ermordet. Dieser Mord wurde als Selbstmord<br />

dargestellt und gehörte zu den “Säuberungsaktionen“ <strong>der</strong><br />

Nazis während des „Röhm-Putsches“, die auch Opposi-<br />

tionelle und Kirchenvertreter ohne direkten Kontakt zu<br />

Röhm betrafen.<br />

57 - H ORIZON T <strong>Dez</strong> em ber 20 11<br />

1933 wurde Dr. Nikolaus Bares – er stammte aus <strong>der</strong> Nähe<br />

von Trier – Bischof <strong>der</strong> Reichshauptstadt. Auch er war ein<br />

mutiger Gegner <strong>der</strong> Nazis und kritisierte den vertuschten<br />

Mord an Klausener. Der von <strong>St</strong>aat und Partei vorange-<br />

triebene Antisemitismus erfüllte ihn mit großer Sorge,<br />

seine Reaktion darauf war die Errichtung eines Hilfs-<br />

werks für nichtarisch Verfolgte.<br />

Bischof Bares kam öfter zu Besuch ins Elternhaus von<br />

Rotraut Schlüter. Sie erinnert sich lebhaft an ihn, auch an<br />

den Morgen, an dem ihre Eltern ihr sehr ernst beim Früh-<br />

stück mitteilten: „Dein Freund ist heute gestorben“. Sie<br />

reagierte traurig und sehr betroffen, denn sie selbst hatte<br />

den freundlichen, würdevoll auftretenden Bischof zu<br />

ihrem Freund erklärt.

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