Horizont Dez. 2011 - der katholischen Kirchengemeinde St ...

Im pu l s
PD Dr. Bernd Biberger
Die P salmen – Gebete und Glaubenszeugnisse
Das Gebet ist ein Ausdruck der Beziehung von uns Men- ten können, wenn wir selbst sprachlos geworden sind. Ge-
schen zu Gott. Das Gebet ist ein Gespräch zwischen Gott nauso können wir aber auch Psalmen beten für Menschen,
und mir. Zu einem Gespräch gehören das Aussprechen die nicht mehr beten können.
und das Zuhören. Nur wenn ich zuhöre, was der andere Auf den ersten Blick scheinen die Psalmen ein Sammelsu-
mir sagen will, kann eine Beziehung entstehen. Nicht nur rium von Gebeten zu sein, dem eine Ordnung fehlt. Anders
ich sage Gott etwas, sondern er sagt auch mir etwas. Gebet als im Gotteslob, in dem die Lieder thematisch zusam-
ist Dialog. mengestellt sind, sind im Buch der Psalmen nicht sämtliche
Wie das Gespräch mit Gott aussehen kann, zeigen uns die Klagelieder, dann sämtliche Bittgebete, alle Loblieder usw.
Psalmen. Im Buch der Psalmen in der Bibel sind 150 Psal- zusammengestellt. Das hängt zum einen damit zusam-
men gesammelt. Sie greifen ganz unterschiedliche Lebens- men, dass das Buch der Psalmen über einen längeren
situationen auf. Es gibt Klagepsalmen und Dankpsalmen, Zeitraum gewachsen ist und immer neue Psalmen dazuge-
Bittgebete und Lobgesänge. In den Psalmen beten einzelne kommen sind. Zum anderen hat die biblische Forschung in
Menschen oder ganze Gemeinden. In Ps 27 weiß sich ein den letzten Jahrzehnten erkannt, dass die Zusammen-
Beter geborgen in Gott. In Ps 38 bittet ein Kranker stellung der einzelnen Psalmen selbst eine
um Heilung. In Ps 51 leidet ein Beter unter der Botschaft erhält. So ist das Buch der Psalmen in
Schuld seines Lebens und bittet um Vergebung. fünf Teile gegliedert. Diese fünf Teile stehen den
In Ps 88 klagt ein Beter, dass er von Gott keine fünf Büchern Mose gegenüber. In diesen, der so
Antwort erhält. Ps 103 lobt Gott für die Schönheit genannten Tora (dt. Weisung), schenkt Gott eine
der Schöpfung. In Ps 118 preist ein Beter Gott für Wegweisung, wie Leben gelingen kann. In den
seine Errettung aus großer Not. In Ps 122 freut fünf Teilen des Psalmenbuches antwortet der
sich der Wallfahrer, als er Jerusalem, das Ziel sei- Mensch auf Gottes Weisung. Ps 1 bildet eine Art
ner Wallfahrt, erreicht. In Ps 136 denkt Israel Vorwort, das dazu einlädt, den Weg Gottes zu
über seine Geschichte nach. Ps 150 lädt die ganze gehen. Wie dies geht, das sollen die Psalmen
Schöpfung zum Gotteslob ein. zeigen. Das Psalmenbuch schließt mit fünf (!) Lobpsalmen,
Jeder Psalm ist nicht nur ein Gebet, sondern auf seine Weise die alle mit dem Halleluja-Ruf (dt. Lobet den Herrn) einge-
auch ein Glaubenszeugnis. Die Psalmen sprechen davon, leitet werden und Gott für seine Weisung danken. Wie
wie Menschen ihren Gott erfahren haben. Deshalb ist ihr Psalmen in ihrer Abfolge eine Botschaft zum Ausdruck
Zeugnis so vielfältig wie das Leben. Die Psalmen ermuti- bringen, zeigen Ps 90-92: In Ps 90 beklagt der Beter die Ver-
gen uns, Gott unser Leben mit all seinen Facetten hinzuhal- gänglichkeit des menschlichen Lebens. Ps 91 fordert zum
ten. Wir brauchen nichts zurückzuhalten, schon gar nicht Vertrauen auf Gott auf und bezeugt den Schutz Gottes
die Klage. Psalmen lehren uns, dass das Klagen über die auch in Todesgefahr. Ps 92 dankt für die Errettung aus der
Not, den Schmerz, das Leid genauso wesentlich zum Ge- Todesnot.
spräch mit Gott dazugehören wie der Lobpreis. Wir brau- Vom 16. bis zum 20. Januar 2012 findet die ökumenische Bi-
chen nichts zurückzuhalten. An-Klage macht deutlich, belwoche zusammen mit der evangelischen Kirchenge-
dass ich mir von diesem Gott etwas erwarte. Wer klagt, hat meinde statt. Thema sind dieses Mal die Psalmen. Die fünf
mit diesem Gott noch nicht Schluss gemacht, sondern Abende sind fünf Psalmen gewidmet. Ein Referent führt zu-
nimmt ihn in die Pflicht. Klage ist deshalb nicht Ausdruck nächst in den Text ein, dann sind die Teilnehmer ein-
von Unglauben oder von mangelndem Vertrauen, sondern geladen, miteinander ins Gespräch zu kommen. Ich lade
Klage ist Ausdruck unseres Glaubens, dass Gott rettet. Sie sehr herzlich dazu ein! (siehe „gelbe Seiten“)
„Christ, der Retter, ist da“, singen wir am Heiligabend
wieder voller Inbrunst. Psalmen bieten Worte an, die wir be-
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Abb: König Salomon, Marc Chagall