Ausgabe 2 / 2012 Sonderheft Prozessindustrie - technik + EINKAUF

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Einkaufs-Praxis Andre Meweskamp, Fraunhofer IML, und Dr. Stephan Oevers, Bayer Business Services diskutieren Strategien zur Prozessoptimierung. Prozessketten optimal gestalten Zukunftskongress Logistik: Operational Excellence in der Prozessindustrie Mit zunehmend dynamischen Märkten bekommt die strategische Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit eines Produktionssystems einen immer größeren Stellenwert. Gleichzeitig sind Effizienz und Leistungsfähigkeit gefragt. Diesen unterschiedlichen Anforderungen mit passenden Konzepten gleichermaßen gerecht zu werden, ist eine große Herausforderung. Nur wer das Gesamtsystem von Prozessen, Mitarbeitern und Technologien analysiert und optimal auf seine Kunden ausrichtet, kann letztendlich die entscheidenden Kosten-, Zeit- und Servicevorteile nutzen. Die Gestaltung optimaler Prozessketten war ein Schwerpunktthema des Wissensforums im Rahmen des „Zukunftskongress Logistik – 30. Dortmunder Gespräche“. Im Rahmen eines von der Bayer Inhouse Consulting für die Schulung ihrer Mitarbeiter im Rahmen des Supply Chain Managements eingesetzten Planspiels wurde deutlich, dass viele Erfolge bereits mit kleinen Maßnahmen und geringen Mitteln umsetzbar sind. Die Bayer Steckerfabrik fertigt Stecker aus Hightech-Polymeren. Die Stecker bestehen aus mehreren Elementen mit unterschiedlichen elektronischen oder strukturellen Funktionen. Zurzeit ist die Steckerfabrik nicht in der Lage, Stecker in der benötigten Qualität, in der benötigten Menge zu einem akzeptablem Preis für den Kunden herzustellen. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Kleine Änderungen in der Montage führen zur Prozessoptimierung Aufgabe war, in Arbeitsgruppen von jeweils fünf Mitarbeitern innerhalb von 10 Minuten 40 fehlerfrei montierte Stecker zu liefern. In der ersten Runde waren die Arbeits- und Montageabläufe vorgegeben. Die Aufgaben für die einzelnen Arbeitsplätze sind in Standardarbeitsblättern definiert. Die einzelnen Montagegruppen sollten jeweils in 5er Losgrößen an den nächsten Montageschritt übergeben werden und auch in Losgrößen von 5 Stück an den Kunden geliefert werden. Die Qualitätskontrolle fand in der Wareneingangsprüfung des Kunden statt. Die Anordnung des Montageablaufs war wie in der Zeichnung vorgegeben. Im Ergebnis wurden 5 fertige Stecker an den Kunden geliefert und 23 Stecker waren teilfertig im Workflow. Das Produktionslayout war nicht optimal. Transportwege waren zu lang und der Materialfluss nicht wertstromorientiert. Kurze Wege, aufeinander folgende Prozessschritte führen zu einem überschaubaren Prozess. Dabei sollten die Materialströme möglichst kreuzungsfrei gestaltet werden, anders als dies im Beispiel ist. In der Prozessindustrie sollen die örtlichen Gegebenheiten genutzt werden, beispielsweise Schwerkraft: das Produkt durchfließt aufeinander folgende Kessel von oben nach unten. Eine räumliche Trennung von wertschöpfenden und wertermöglichenden Tätigkeiten ist notwendig, um die Prozessschritte optimal aufeinander abzustimmen. Dafür sollte die Matrialzufuhr als eigenständiger Prozessschritt aus der Produktion ausgelagert werden. Ein weiterer Ansatzpunkt zur Reduzierung der Kosten ist die Bestandsoptimierung innerhalb des Prozesses. Little’s Law zeigt, dass hohe Bestände innerhalb eines Prozesses zu hohen Durchlaufzeiten führen. Es kann angewendet werden, um Wartezeiten und Lagergrößen zu bestimmen, die Auswirkung von teilfertigen Beständen und der Durchsatz je Arbeitsplatz auf die Durchlaufzeit transparent zu machen, Verschwendungsquellen, die durch hohen Bestände teilfertiger Produkte entstehen, sichtbar zu machen. 24 technik+EINKAUF · Prozessindustrie 02 2012

Einkaufs-Praxis Bessere Durchlaufzeiten durch Sensibilisierung verbesserten Durchlaufzeiten. Im Ergebnis waren in der dritten Runde des Planspiels aus den 5 gelieferten fehlerfreien Einheiten 37 fehlerfreie Einheiten geworden. Dies wurde einfach durch organisatorische Maßnahmen erzielt, ohne dass Investitionen erforderlich gewesen wären. Letztlich ist das Planspiel eine gute Möglichkeit, Mitarbeiter zu sensibilisieren und den Blick für die kleinen Dinge zur Optimierung der Prozesse zu schärfen. Dass die Umsetzung in der Prozessindustrie sinnvoll und möglich ist, zeigten Christian Voyé, Dupont Coatings Wuppertal, und Dr. Hubert Bensmann, Geschäftsführer der Haupt Pharma GmbH Münster. Voyé: „Oft kommt das Argument, auf uns passt das nicht. Bei uns ist alles ganz anders. Es kommt darauf an, den Kern zu erkennen und daraus die Möglichkeiten zu adaptieren.“ „Die Optimierung stellt eine Herausforderung bei altem vorhandenem Bausubstanz dar. Bei Neu- Weiterer Punkt ist die Arbeit in Batches, die von Station zu Station die Produktion durchlaufen. Wird hier auf One- Piece-Flow umgestellt, werden lange Leerlaufzeiten vermieden. Eine Analyse der Taktzeiten in jeder Station zeigt, dass die zeitliche Belastung sehr unterschiedlich ist. Während Station eins und drei nahezu 30 Sekunden für die zu erledigenden Tätigkeiten benötigen, sind es in Station 5 nur etwa 10 Sekunden. Hier ergibt eine Analyse, dass der Flaschenhals vermieden werden kann, wenn Tätigkeiten zusammengefasst werden und zusätzliche Kapazität für den Bottleneck geschaffen wird. Die Taktzeiten zeigen, ob der Workflow optimal ist. Grundsätzlich soll die Durchlaufzeit der Fertigungsschritte an den Kundentakt ange- passt werden. Zusätzlich wirde die Produktion umgestellt. Vom Push-System – produziert wird aufgrund erwarteter prognostizierter Nachfrage – zum Pull-System – produziert wird nur, wenn im nachfolgenden Schritt auch Bedarf besteht. Ein nachgelagerter Schritt – beispielsweise ein Kundenauftrag – löst so die Produktion von Einheiten aus. Weitere Ergebnisse waren, die Ladungsträger sowie die Losgrößen für den Transport der Ware zum Kunden zu optimieren. Eine Qualitätskontrolle nach jedem Arbeitsschritt führte ebenfalls zu bauten ist es kein Problem, die Wertströme optimal zu gestalten. Eine optimale Anordnung im Rahmen der gegebenen Rahmenbedingungen mit dem Ziel, Wege zu vermeiden und die Wertströme zu optimieren ist unser Ziel.“ So Dr. Bensmann. Dr. Stephan Oevers, Projekt Manager der Bayer Business Services GmbH: „Das Equipment steht da, wo es steht. Wir virtualisieren den Prozess zunächst und streben eine Routenbildung an.“ Oftmals sei es so, dass scheinbar Flexibilität dadurch vorhanden ist, dass alle Anlagen für alle Produkte eine Produktionseinheit genutzt werden könne. Das Ziel sollte hier ein Paradigmenwechsel sein. Durch Routenbildung also bestimmte Anlagenkombinationen für bestimmte Produkte festzulegen, indem Produktfamilien gebildet werden, um so die Stoffströme zu optimieren und um Flaschenhälse zu vermeiden. Jeder Euro, der im Flaschenhals durch fehlende Optimierung zusätzlich aufgewandt werden muss, ist unwiederbringlich verloren. Wilfried Kipp-Weike 02_bd_zw Zwischentitel 02_bd_zw Zwischentitel Am Beispiel des Zusammenbaus eines Steckers wurde die Prozessoptimierung praktisch geübt.

Einkaufs-Praxis<br />

Andre Meweskamp, Fraunhofer IML, und Dr. Stephan Oevers, Bayer Business Services diskutieren Strategien zur Prozessoptimierung.<br />

Prozessketten optimal gestalten<br />

Zukunftskongress Logistik: Operational Excellence in der <strong>Prozessindustrie</strong><br />

Mit zunehmend dynamischen<br />

Märkten bekommt die strategische<br />

Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit<br />

eines Produktionssystems einen<br />

immer größeren Stellenwert.<br />

Gleichzeitig sind Effizienz und<br />

Leistungsfähigkeit gefragt.<br />

Diesen unterschiedlichen Anforderungen<br />

mit passenden Konzepten<br />

gleichermaßen gerecht zu werden,<br />

ist eine große Herausforderung. Nur<br />

wer das Gesamtsystem von Prozessen,<br />

Mitarbeitern und Technologien analysiert<br />

und optimal auf seine Kunden ausrichtet,<br />

kann letztendlich die entscheidenden<br />

Kosten-, Zeit- und Servicevorteile<br />

nutzen.<br />

Die Gestaltung optimaler Prozessketten<br />

war ein Schwerpunktthema des Wissensforums<br />

im Rahmen des „Zukunftskongress<br />

Logistik – 30. Dortmunder Gespräche“.<br />

Im Rahmen eines von der Bayer<br />

Inhouse Consulting für die Schulung<br />

ihrer Mitarbeiter im Rahmen des Supply<br />

Chain Managements eingesetzten Planspiels<br />

wurde deutlich, dass viele Erfolge<br />

bereits mit kleinen Maßnahmen und geringen<br />

Mitteln umsetzbar sind. Die Bayer<br />

Steckerfabrik fertigt Stecker aus Hightech-Polymeren.<br />

Die Stecker bestehen<br />

aus mehreren Elementen mit unterschiedlichen<br />

elektronischen oder strukturellen<br />

Funktionen. Zurzeit ist die<br />

Steckerfabrik nicht in der Lage, Stecker<br />

in der benötigten Qualität, in der benötigten<br />

Menge zu einem akzeptablem<br />

Preis für den Kunden herzustellen. Es besteht<br />

dringender Handlungsbedarf.<br />

Kleine Änderungen in der Montage<br />

führen zur Prozessoptimierung<br />

Aufgabe war, in Arbeitsgruppen von jeweils<br />

fünf Mitarbeitern innerhalb von 10<br />

Minuten 40 fehlerfrei montierte Stecker<br />

zu liefern. In der ersten Runde waren die<br />

Arbeits- und Montageabläufe vorgegeben.<br />

Die Aufgaben für die einzelnen Arbeitsplätze<br />

sind in Standardarbeitsblättern<br />

definiert. Die einzelnen Montagegruppen<br />

sollten jeweils in 5er Losgrößen<br />

an den nächsten Montageschritt übergeben<br />

werden und auch in Losgrößen von 5<br />

Stück an den Kunden geliefert werden.<br />

Die Qualitätskontrolle fand in der Wareneingangsprüfung<br />

des Kunden statt.<br />

Die Anordnung des Montageablaufs war<br />

wie in der Zeichnung vorgegeben.<br />

Im Ergebnis wurden 5 fertige Stecker<br />

an den Kunden geliefert und 23 Stecker<br />

waren teilfertig im Workflow. Das Produktionslayout<br />

war nicht optimal. Transportwege<br />

waren zu lang und der Materialfluss<br />

nicht wertstromorientiert. Kurze<br />

Wege, aufeinander folgende Prozessschritte<br />

führen zu einem überschaubaren<br />

Prozess. Dabei sollten die Materialströme<br />

möglichst kreuzungsfrei gestaltet werden,<br />

anders als dies im Beispiel ist. In der<br />

<strong>Prozessindustrie</strong> sollen die örtlichen Gegebenheiten<br />

genutzt werden, beispielsweise<br />

Schwerkraft: das Produkt durchfließt<br />

aufeinander folgende Kessel von<br />

oben nach unten. Eine räumliche Trennung<br />

von wertschöpfenden und wertermöglichenden<br />

Tätigkeiten ist notwendig,<br />

um die Prozessschritte optimal aufeinander<br />

abzustimmen. Dafür sollte die Matrialzufuhr<br />

als eigenständiger Prozessschritt<br />

aus der Produktion ausgelagert<br />

werden.<br />

Ein weiterer Ansatzpunkt zur Reduzierung<br />

der Kosten ist die Bestandsoptimierung<br />

innerhalb des Prozesses. Little’s<br />

Law zeigt, dass hohe Bestände innerhalb<br />

eines Prozesses zu hohen Durchlaufzeiten<br />

führen. Es kann angewendet werden,<br />

um Wartezeiten und Lagergrößen zu bestimmen,<br />

die Auswirkung von teilfertigen<br />

Beständen und der Durchsatz je Arbeitsplatz<br />

auf die Durchlaufzeit transparent<br />

zu machen, Verschwendungsquellen,<br />

die durch hohen Bestände teilfertiger<br />

Produkte entstehen, sichtbar zu machen.<br />

24 <strong>technik</strong>+<strong>EINKAUF</strong> · <strong>Prozessindustrie</strong> 02 <strong>2012</strong>

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