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Berliner Leben & Arbeit

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<strong>Leben</strong><br />

<strong>Leben</strong><br />

Wo ist die Mauer?<br />

Verkaufsschlager und Erinnerungsort<br />

Von Andreas Hoenig, dpa<br />

Es gibt sie bemalt, in Fläschchen oder mit Magnet, in Miniformat oder<br />

als riesigen Brocken, in allen Preisklassen. Reste der <strong>Berliner</strong> Mauer<br />

sind auch 25 Jahre nach ihrem Fall ein Verkaufsschlager. Weltweit stehen<br />

Segmente von «The Wall», zum Beispiel in Museen.<br />

Berlin (dpa) - Erst kommen die «Mauerspechte». Am 9. November<br />

1989 fällt die <strong>Berliner</strong> Mauer, schon wenige Wochen später ist sie zwischen<br />

Reichstag und Brandenburger Tor über weite Teile durchlöchert.<br />

<strong>Berliner</strong> wie Touristen pickern sich Bröckchen aus den Betonteilen, die<br />

die Stadt mehr als 28 Jahre geteilt haben. Fliegende Straßenhändler<br />

bieten Mauerstücke an und machen damit Kasse. Danach wird das<br />

einstige Bollwerk zum Millionengeschäft - bis heute. Weltweit ist das<br />

Interesse ungebrochen. Auf allen Kontinenten stehen Reste der Mauer,<br />

in Museen, als Denkmäler.<br />

«Die Mauerreste sind eine Reliquie der Weltgeschichte», sagt der<br />

Historiker Hans-Hermann Hertle vom Zentrum für Zeithistorische Forschung<br />

in Potsdam. «Sie haben einen hohen Symbolwert dafür, dass<br />

die Mauer ihren Schrecken verloren hat.» 138 Menschen starben nach<br />

aktuellem Forschungstand an dem Grenzwall.<br />

Im boomenden Touristenziel Berlin sind zwar nur wenige originale<br />

Mauerabschnitte erhalten - aber die Mauer lebt weiter: als Souvenir. Es<br />

gibt Mauer-Schlüsselanhänger, Maueraufsteller mit Magnet oder Display,<br />

Postkarten mit integrierten Mini-Stückchen, bemalte Mauerreste,<br />

riesige Stücke.<br />

In einem Souvenirshop neben dem früheren Grenzübergang Checkpoint<br />

Charlie türmt sich direkt neben dem Eingang ein großes Regal,<br />

voll mit Mauerfragmenten, hübsch verpackt - von 4,90 Euro an aufwärts,<br />

je nach Größe. «Das Interesse an der Mauer ist ungebrochen<br />

hoch», sagt auch Wieland Giebel, Geschäftsführer des Berlin Story Verlags,<br />

der auch Mauer-Souvenirs vertreibt. «Zum einen kann man sich<br />

nicht vorstellen, wie die Stadt war, als sie geteilt war.» Zum anderen<br />

zeige der Fall der Mauer den Freiheitswillen der DDR-Bürger.<br />

Die Mauerstücke kommen von einem Lieferanten, der Verlag hat sich<br />

die Echtheit von der Technischen Uni in Berlin bestätigen lassen. Im<br />

Webshop ist ein kleines Mauerstück für 6,90 Euro zu haben, ein etwas<br />

größer für 12,90 Euro. Ein großes «Original Mauerbruchstück» mit einem<br />

Gewicht von 33 Kilogramm kostet 699 Euro.<br />

Nicht nur Souvenirhändler haben noch Mauerreste, auch anderswo<br />

lagern noch Stücke des Betonwalls. So habe die Stadt Berlin ein Depot<br />

mit Mauerresten bei den «Gärten der Welt» in Berlin-Marzahn, sagt<br />

Anna Kaminsky, Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung<br />

der SED-Diktatur. «Erst vor kurzem haben wir ein großes Mauerstück<br />

mit Hilfe unseres Botschafters in Estland nach Tallinn vermittelt.»<br />

Schon kurz nach dem Fall der Mauer kommen Geschäftsleute auf die<br />

Idee, mit den Resten Geld zu verdienen. Unternehmer aus dem In- und<br />

Ausland bieten der DDR, die vor dem Bankrott steht, viel Geld für Mauerstücke,<br />

wie der Historiker Ronny Heidenreich schreibt. Dann steigt<br />

die damalige DDR-Führung ein, mit dem einstigen «antifaschistischen<br />

Schutzwall» soll nun Kasse gemacht werden.<br />

Mit der Abwicklung wird der Außenhandelsbetrieb «Limex» beauftragt.<br />

Die Erlöse sollen für «humanitäre Zwecke» verwendet werden<br />

und etwa ins Gesundheitssystem fließen, so die offizielle Erklärung.<br />

Auch im Westen gründet sich eine Verkaufsagentur. Eine Auktion in<br />

Monaco für ausgewählte Mauerreste bringt einen Erlös zwischen 1,8<br />

und 2,2 Millionen D-Mark. Allerdings versickern Gelder aus dem Mauerverkauf<br />

auch in dunklen Kanälen, wie Heidenreich schreibt.<br />

Parallel beginnt im Frühsommer 1990 der Abriss der rund 155 Kilometer<br />

langen Mauer. Mit Hilfe von 65 Kränen, 175 Lastwagen und 13<br />

Planierraupen werden die Sperranlagen beseitigt. Private Firmen überwiegend<br />

aus der Bundesrepublik unterstützen die Grenztruppen beim<br />

Abriss und kommen im Gegenzug günstig an Bauschutt. So enden<br />

große Teile der Mauer als Granulat im Straßenbau. Aber auch findige<br />

Geschäftsleute erkennen den Wert der Teile als Souvenirs. Bis heute<br />

lagern Reste in großen Lagern.<br />

Für die DDR-Führung lohnte sich das Mauergeschäft am Ende nicht.<br />

Die Abrisskosten waren riesig: Sie lagen bei rund 170 Millionen D-<br />

Mark, wie Heidenreich schreibt - der Verkauf von Mauerteilen brachte<br />

nur einen Bruchteil von wenigen Millionen ein.<br />

Weltweit ist die Mauer auch 25 Jahre nach ihrem Fall noch das Symbol<br />

für die deutsche Teilung. «Das Interesse an der Mauer ist nach wie<br />

vor riesengroß», sagt Kaminsky von der Stiftung Aufarbeitung. Es gibt<br />

mehr als 140 Denkmäler, in denen Mauerteile verwendet wurden. Sie<br />

sind in einer Neuauflage des Buches «Die <strong>Berliner</strong> Mauer in der Welt»<br />

beschrieben.<br />

Das größte Mauerensemble außerhalb Berlins steht im «Newseum»,<br />

einem Museum in der US-Hauptstadt Washington, daneben ein originaler<br />

Grenzwachturm. Die Mauer steht aber auch auf der Danziger<br />

Werft, im Imperial War Museum in London, in New York und auf Hawaii,<br />

in Buenos Aires und Seoul - und auf dem Mars. Zumindest fast:<br />

Auf Vorschlag eines deutschen Geologen trägt dort ein 85 Zentimeter<br />

großer Felsbrocken den Namen «Broken Wall».<br />

Bildinformation:<br />

ARCHIV - Bunte Stücke<br />

der <strong>Berliner</strong> Mauer sind<br />

am 03.08.2011 in einem<br />

Souvenirgeschäft<br />

am Checkpoint Charlie<br />

in Berlin zu sehen. Die Erinnerungsmaschine<br />

läuft<br />

auf Hochtouren. Am 13.<br />

August wird in Berlin des<br />

50. Jahrestags des Mauerbaus<br />

gedacht. Foto:<br />

Stephanie Pilick dpa<br />

(zu: „Wo ist die Mauer?<br />

Verkaufsschlager und<br />

Erinnerungsort“ vom<br />

08.08.2014) +++(c) dpa<br />

- Bildfunk+++<br />

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