Berliner Leben & Arbeit
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<strong>Leben</strong> <strong>Leben</strong><br />
«Wir sind Berlin»<br />
100 Tage Kulturstaatssekretär Tim Renner<br />
Von Nada Weigelt, dpa<br />
Er begann als Punk-Rocker, später handelte die<br />
Musikbranche ihn als «Wunderkind», «Trendscout»<br />
und «Starverkäufer». Seit 100 Tagen ist Tim<br />
Renner jetzt Kulturstaatssekretär in Berlin. Eine<br />
Bilanz.<br />
Berlin (dpa) - Sogar in die extra für ihn reservierte Diensttoilette<br />
gewährt Berlins neuer Kulturstaatssekretär Tim Renner auf<br />
Facebook Einblick. «Komisch, dabei habe ich gar keine Angst davor,<br />
Kollegen beim Pinkeln zu treffen», tut der 49-Jährige kund.<br />
Renners Facebook-Follower sind seit Wochen bestens über seinen<br />
Dienstkalender informiert, wissen, dass er sich mit Mitarbeitern<br />
duzt, die Zugehfrau um das Bereitlegen von Deutschlandsocken<br />
bittet und seine Aktentasche die Geheimnummer 007 hat.<br />
Theater und Museen, nur fünf Prozent blieben für die Freie Szene.<br />
Renner hat nach eigenen Angaben das Thema groß auf seine<br />
Prioritätenliste gesetzt. «In Berlin ist die Kultur ein bedeutsamer<br />
Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung und das Wachstum<br />
der Stadt», sagte er der Nachrichtenagentur dpa. «Dafür<br />
will ich werben und den Einfluss meines Amtes einsetzen.»<br />
Besser hätte der «Neue» in seinen ersten 100 Tagen nicht klarmachen<br />
können, dass er alles andere ist als ein klassischer Politiker.<br />
Der einstige Deutschlandchef des Musikbranchen-Riesen<br />
Universal und Entdecker von Größen wie Phillip Boa, Rammstein<br />
und Sportfreunde Stiller will auch in den verwinkelten Amtsstuben<br />
der Kulturverwaltung an der <strong>Berliner</strong> Brunnenstraße<br />
der coole Typ bleiben, immer zu einem schrägen Spruch aufgelegt.<br />
«Facebook ist für mich der Kontakt zur Groundcontrol»,<br />
sagt er. Eine Krawatte kann er angeblich bis heute nicht binden.<br />
Als Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), in Personalunion<br />
auch Kultursenator, den Quereinsteiger Ende Februar aus<br />
der Tasche zauberte, war in der etablierten Kunstszene das Staunen<br />
groß. Der populäre Vorgänger André Schmitz, Wella-Erbe mit Schloss<br />
und Einstecktuch, war ein erfahrener Verwaltungsfuchs mit besonderem<br />
Herz für die Hochkultur. Er stolperte über eine Steueraffäre.<br />
Obwohl der Nachfolger in die komplizierte Struktur des riesigen <strong>Berliner</strong><br />
Kulturapparats erst hineinwachsen muss, sind die ersten Noten für<br />
das Experiment Renner gar nicht schlecht. «Er ist sehr offen und kommunikativ<br />
und hat eine angenehme Art, auf Menschen zuzugehen»,<br />
sagt die Grünen-Kulturexpertin im Abgeordnetenhaus, Sabine Bangert.<br />
Wie sie erhofft sich auch der CDU-Abgeordnete Michael Braun<br />
«neue Akzente» etwa für Projekte und Initiativen, Musik und Tanz<br />
- die Ingredienzien, die gerade Berlins Image als quirlige Kreativmetropole<br />
ausmachen.<br />
Nach Angaben der Koalition der Freien Szene, einem Bündnis frei arbeitender<br />
Kulturschaffender, hat Renner sich schon intensiv um Kontakte<br />
bemüht. «Der Knackpunkt wird jetzt sein, ob es ihm bei den<br />
Haushaltsverhandlungen auch gelingt, das Missverhältnis in der Förderung<br />
abzubauen», sagt Sprecher Christophe Knoch. Von fast 400<br />
Millionen Euro gingen 95 Prozent an große Institutionen wie Oper,<br />
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Auch in einem Essay im <strong>Berliner</strong> «Tagesspiegel» unter dem Titel «Wir<br />
sind Berlin» bekannte er sich kürzlich nachdrücklich zur Förderung<br />
der Kultur- und Kreativwirtschaft. Sie sei mit mehr als 400 000 <strong>Arbeit</strong>splätzen<br />
die größte produzierende Branche der Stadt. Und: Was<br />
in Berlin passiert, findet in ganz Deutschland Beachtung - und sei<br />
es nur, um über die Hauptstadt mal wieder den Kopf zu schütteln.<br />
Aber natürlich ist nicht nur die freie Szene eine Herausforderung.<br />
Das Land ist auch am Mammutprojekt zum Wiederaufbau<br />
des Schlosses beteiligt. Die millionenschwere Sanierung<br />
der Staatsoper bleibt eine Serie von Pleiten, Pech und<br />
Pannen. Und bei Wowereits ehrgeizigem Lieblingsprojekt einer<br />
«Metropolenbibliothek» muss nach dem Volksentscheid zum Tem-<br />
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