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Berliner Leben & Arbeit

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<strong>Leben</strong><br />

<strong>Leben</strong><br />

«Don Giovanni»<br />

mehr Schwerenöter als Dämon in Salzburg<br />

Von Georg Etscheit, dpa<br />

Erst ein kühner Auftakt, dann schöne Körper und Stimmen<br />

- doch zum Schluss nur routinierter Jubel am Sonntagabend<br />

für Mozarts «Don Giovanni» in Salzburg.<br />

Salzburg (dpa) - Der Beginn war ein Coup. Unbemerkt war Dirigent<br />

Christoph Eschenbach im fast völlig abgedunkelten Salzburger Haus für<br />

Mozart vor sein Orchester getreten. Die düsteren Tutti-Schläge am Anfang<br />

der Ouvertüre von Mozarts «Don Giovanni» überfallen das Premierenpublikum<br />

unvorbereitet. Dann öffnet sich der Vorhang und gibt den<br />

Blick frei auf eine Hotellobby im schweren, Holz getäfelten Stil der späten<br />

1920er Jahre. Don Giovanni legt sich schwarze Kriegsbemalung an.<br />

Für ihn, den hemmungslosen Hedonisten, der für seine «Selbstverwirklichung»<br />

über Leichen geht, so die Botschaft, ist das <strong>Leben</strong> ein Krieg.<br />

Brav buchstabiert Bechtolf Lorenzo da Pontes Libretto durch, garnierte<br />

die Handlung höchstens mit ein wenig Slapstick. Leporello (Luca Pisaroni),<br />

Don Giovannis willfähriger Diener, wirkt als Buster-Keaton-Verschnitt<br />

etwas harmlos. Auch die Damen, Donna Anna (Lenneke Ruiten) und<br />

Donna Elvira (Anett Fritsch), lassen trotz vokaler Potenz dramatische Fallhöhe<br />

vermissen.<br />

Donna Annas Rachearie - Giovanni hatte schließlich den Komtur, ihren<br />

Vater, erschlagen - verpuffte weitgehend. Am Ende geht Giovanni am<br />

«kalten Händchen» des Komtur-Wiedergängers programmgemäß zugrunde,<br />

um dann unprogrammgemäß wieder aufzustehen und, geübt<br />

ist geübt, einem Serviermädchen nachzustellen. Dabei zwinkert der alte<br />

Schwerenöter dem Publikum schelmisch zu. Doch alles nur ein Spiel?<br />

Alles halb so wild?<br />

Bechtolfs Konzept fand seine Entsprechung im Orchestergraben. Eschenbach<br />

frönte einem romantisierenden Schönklangideal und versuchte<br />

mit breiten Tempi und Lautstärke wettzumachen, was seiner Interpretation<br />

an innerer Dramatik abging. Auch das Sängerensemble wirkte oft<br />

übersteuert. Wer ein paar Tage zuvor gehört hatte, welch metaphysische<br />

Tiefe Originalklang-Altmeister Nikolaus Harnoncourt den letzten drei<br />

Mozart-Symphonien entlockte, dem wurde wehmütig zumute angesichts<br />

der Vorstellung,<br />

was man aus Mozarts<br />

tausendvielschichtiger<br />

Wunder-Partitur hätte<br />

machen können.<br />

In einem pointiert-konservativen Essay im Programmheft zu dieser ersten<br />

Opern-Neuinszenierung der diesjährigen Salzburger Festspiele hatte<br />

Regisseur Sven-Eric-Bechtolf, im Hauptberuf Theaterdirektor des Festivals,<br />

darüber räsoniert, wie schwer es doch sei, diesen Giovanni in einer<br />

«durch und durch sexualisierten Zeit» zu inszenieren. Wie solle man dieses<br />

Stück in einer von allen Normen und Tabus befreiten Zeit vergegenwärtigen,<br />

das doch auf eine Welt angewiesen sei, «die der Sexualität<br />

ihren Respekt wenigstens durch Unterdrückung erweist». Gut gebrüllt.<br />

Allein, in der Inszenierung ist davon wenig bis nichts zu bemerken.<br />

Nur edle Interieurs, schöne Körper, schöne Stimmen, schöne Melodien.<br />

Ildebrando D‘Arcangelo, Superstar des Abends, gibt den meist<br />

breitbeinig an der Rampe stehenden «Latin Lover». Das Zerrissene,<br />

das Dämonische dieser Figur wird in dieser eindimensionalen Sichtweise<br />

unterschlagen. Auch wenn Bechtolf den Leibhaftigen mit<br />

Zeigefinger-Symbolik als Barkeeper hinter den Tresen des Edelhotels<br />

(Bühne: Rolf Glittenberg) stellt und zu Giovannis finaler Höllenfahrt<br />

gleich einen ganzen Trupp gehörnter Teufelchen aufmarschieren lässt.<br />

Routinierter, wenn<br />

auch kurzer Jubel für<br />

alle Sängerinnen und<br />

Sänger, die Wiener<br />

Philharmoniker und<br />

den Philharmonia Chor<br />

Wien, ein paar kräftige<br />

Buhs für Bechtolf und<br />

sein Team. Im nächsten<br />

Jahr vervollständigt<br />

Bechtolf seinen<br />

Salzburger Mozart/<br />

Da-Ponte-Zyklus. Nach<br />

einer sehr kritisch beurteilten<br />

«Cosi» im<br />

vergangenen Jahr hofft<br />

man nach dem lauen<br />

Abend für den «Figaro»<br />

- dann mit Dan<br />

Ettinger am Pult - auf<br />

eine deutliche künstlerische<br />

Steigerung.<br />

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