Magazin Ausgabe Februar 02 - Funwithmusic
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Neil Sedaka: Die RCA-Box<br />
Piano Man<br />
Neil Sedaka war nicht der erste,<br />
der das Klavier in den RockʼnʼRoll<br />
einführte – aber auf lange Sicht der<br />
erfolgreichste.<br />
Die Verdienste der Ära, die unmittelbar auf<br />
den ersten Schub des RockʼnʼRoll folgten,<br />
sind bis heute umstritten. Für die einen war<br />
die High School Ära eine Fabrikation der<br />
großen Firmen, die damit den Erfolg der<br />
kleinen Label durch teurere Produktionen<br />
und große Publicity-Kampagnen unmöglich<br />
machen wollten. Für die anderen war die<br />
Professionalität und vor allem das Songmaterial<br />
makellos. Sei es wie es sei: Der am 13.<br />
März 1939 in Brooklyn geborene Neil Sedaka<br />
war einer der besten Vertreter dieser Ära<br />
und an seiner Karriere zeigen sich schon die<br />
Limitationen dieser Definition: Er schrieb<br />
nämlich fast alle seine Songs mit dem Texter<br />
Howard Greenfield selbst und war gewiß<br />
keine Marionette der Musikindustrie, was<br />
auch die 8 CD-Box Oh Carol (Bear Family<br />
Die Box<br />
BCD 1635 HK) beweist, die seine gesamten<br />
Aufnahmen für RCA von 1956-1966 enthält,<br />
wobei nicht nur die Songs vertreten sind, die<br />
er für die Firma aufnahm, sondern auch die<br />
ersten Songs, die nur auf kleineren Labels<br />
veröffentlicht wurden. Das Herzstück der<br />
Box und das Material, das für den Sammler<br />
die eigentliche Krönung bildet, sind<br />
sämtliche Einspielungen seiner Titel in den<br />
diversen Sprachen, die von Gastspielen auf<br />
israelisch bis portugiesisch und spanisch -<br />
für den südamerikanischen Markt – reichen.<br />
Sie beanspruchen alleine mehr als drei der<br />
acht Silberlinge. Genauso interessant ist die<br />
letzte Disc, auf der man Raritäten wie die so<br />
beliebten Botschaften an seine Fans, Stereo-<br />
Versionen etlicher Songs, die instrumentalen<br />
Backingtracks vieler Songs und Beiträge zu<br />
diversen Soundtracks findet, die bislang nur<br />
sehr schwer oder überhaupt nicht zu finden<br />
waren. Damit einher geht ein wie üblich vom<br />
Text wie von den Bildern her zu jeder Zeit<br />
überzeugendes Buch, dass diese Jahre in der<br />
Laufbahn des Mannes verfolgt und minutiös<br />
darstellt. Doch was ist mit der Musik, die ja<br />
schließlich im Mittelpunkt der Box steht?<br />
Es ist klar, dass Neil Sedaka sowohl von<br />
seiner Abstammung wie von seinen musika-<br />
Das Buch<br />
lischen Einflüssen her stärker zum Pop als<br />
zum Rock & Roll neigte, doch er war und<br />
ist ein enorm wandlungsfähiger Instrumentalist<br />
und Sänger, der deswegen relativ viel<br />
machen konnte, was limitierteren Kollegen<br />
versagt blieb. Es muss schon angemerkt<br />
werden, dass er als Kind als Wunderkind<br />
galt und die Begrenzungen, die aus seinem<br />
einfachen Elternhaus entstanden, mühelos<br />
überspringen konnte. Die dreifachen Talente<br />
Oldie Markt <strong>02</strong>/04<br />
als Pianist, Sänger und Songschreiber waren<br />
es denn auch, die ihn schnell zu ersten Hits<br />
wie dem Titelsong der Box, Diary, I Go<br />
Ape, Stairway To Heaven oder Calendar<br />
Girl verhalfen und dafür sorgten, dass er<br />
bis zum März 1963 in den amerikanischen<br />
Singles-Charts präsent blieb, ehe er wie so<br />
viele seiner meist weniger begabten Kollegen<br />
aus dieser Ära von den Beatles und der<br />
in ihrem Sog folgenden British Invasion aus<br />
den Hitparaden gespült wurde. Doch darü-<br />
ber wurde allzu oft übersehen, dass Sedaka<br />
eben keinen leichten Pop mit nichtssagenden<br />
Texten ablieferte, der nur zum schnellen Verzehr<br />
bestimmt war. Seine Melodien haben<br />
den Test der Zeit längst überstanden, was<br />
auch die Songs hier zeigen, die zwischen<br />
RockʼnʼRoll und Pop liegen und dank seines<br />
Gesangs, seines Klavierspiels und der Refrains<br />
im Ohr hängen bleiben, so dass sich<br />
die fruchtlose Diskussion über Verrat an der<br />
reinen RockʼnʼRoll-Lehre erledigt. Diese<br />
Box beweist einmal mehr, dass der Ausstoß<br />
des von Don Kirshner geleiteten Songver-<br />
lags zwar auf die Masse gezielt war, aber bei<br />
weitem nicht so gesichtslos und blütenweiß<br />
war, wie viele in einer schwarz-weiß Welt<br />
lebenden Kritiker meinen. Letztlich ist es<br />
egal, welche Hautfarbe ein Künstler hat. Was<br />
am Ende zählt, ist nur eines: Qualität.<br />
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