April 2013 - Unterschleissheim-evangelisch.de
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o<strong>de</strong>r später in einer Burn-out-Klinik<br />
aufwachen.<br />
Warum sind Pausen im Alltag<br />
lebensnotwendig?<br />
Pausen erlauben das Abschalten<br />
und Verarbeiten, und sie regen zum<br />
Träumen und zum Fantasieren an.<br />
Ohne solche Inseln <strong>de</strong>r Ruhe, in<br />
<strong>de</strong>nen wir auch ent<strong>de</strong>cken, was uns<br />
wirklich Freu<strong>de</strong> bereitet, brechen<br />
wir unter <strong>de</strong>r Last <strong>de</strong>r Arbeit zusammen.<br />
Wann ist es Zeit zu bremsen?<br />
Es gibt zwei Möglichkeiten, mit Zeit<br />
umzugehen. Entwe<strong>de</strong>r organisieren<br />
und verplanen wir sie, in<strong>de</strong>m wir<br />
aktiv auf sie zugehen, o<strong>de</strong>r wir lassen<br />
die Zeit auf uns zukommen und<br />
tun, worauf wir gera<strong>de</strong> Lust haben.<br />
Diese Balance zwischen einer strukturierten<br />
Zeitplanung und jener Zeit,<br />
für die wir <strong>de</strong>n Begriff Muße reserviert<br />
haben, ist für unser Wohlbefin<strong>de</strong>n<br />
entschei<strong>de</strong>nd.<br />
Die Bremse ziehen sollte man dann,<br />
wenn man sich selbst nicht mehr<br />
spürt und nicht mehr sagen kann,<br />
wie es einem geht. Wenn man nicht<br />
mehr nichts tun kann und die Muße<br />
ein Fremdwort gewor<strong>de</strong>n ist.<br />
Wie können wir in unseren Alltag<br />
die gesun<strong>de</strong> Portion Müßiggang<br />
einbauen?<br />
Müßiggang ist nicht gleich Muße.<br />
Die Muße aber gibt uns die Freiheit,<br />
nicht über Zeit entschei<strong>de</strong>n zu müssen.<br />
Muße heißt, die Zeit zu sich einla<strong>de</strong>n<br />
und gemeinsam mit ihr auf<br />
stressfreie, ungeplante Abenteuerreise<br />
zu gehen, die das Sich Treiben-<br />
Lassen und Verweilen einschließt.<br />
Man kann es auch einfach sagen:<br />
Muße, das heißt, die Zeit lieben.<br />
Warum fällt uns das so schwer?<br />
Weil wir dafür belohnt wer<strong>de</strong>n, die<br />
Zeit in Geld zu verrechnen. Und<br />
gesagt bekommen, dass nur die ökonomisch<br />
genutzte Zeit auch eine<br />
gute Zeit ist. „Time is money“ heißt<br />
diese Gleichung, die nicht nur die<br />
Ökonomie beherrscht, wo sie am<br />
richtigen Platz ist, son<strong>de</strong>rn auch<br />
unser Privatleben, wo sie nicht hingehört.<br />
Deshalb müssen wir ständig<br />
aktiv sein, ständig mit Zeit Geld<br />
machen. Und das Verflixte daran: Je<br />
mehr Zeit und Lebenszeit wir in<br />
Geld verrechnen, <strong>de</strong>sto schneller<br />
müssen wir rennen.<br />
Was verpassen wir dann?<br />
Alles, was unser Leben kostbar<br />
macht, braucht Zeit: Liebe, Freundschaften,<br />
Genuss – sie alle benötigen<br />
ihre Zeit. Sie alle zählen zu jenen<br />
Erfahrungen, die sich nur jenseits<br />
<strong>de</strong>r Uhr entfalten können.<br />
Gott sei Dank, dass es <strong>de</strong>n<br />
Sonntag gibt!<br />
Allerdings! Traditionsgemäß gehört<br />
<strong>de</strong>r Sonntag <strong>de</strong>r Familie. Man trifft<br />
sich, fin<strong>de</strong>t zusammen und vergisst<br />
dabei die Zeit. Darum sage ich auch:<br />
„Time is honey.“ Zeit ist nicht nur<br />
Geld, son<strong>de</strong>rn auch süß und nahrhaft<br />
wie <strong>de</strong>r Honig.<br />
Wie ist das mit <strong>de</strong>r Liebe – kennt<br />
sie keine Zeit?<br />
Liebe ist ein Zustand, in <strong>de</strong>m Zeit<br />
keine Rolle spielen darf: Liebe ist<br />
Zeitvergessenheit, Arbeit hingegen<br />
ist Zeitversessenheit.<br />
Warten hingegen ist weniger<br />
romantisch. Ist das nicht vertane<br />
Zeit?<br />
Nein, warten ist erwarten. So, wie<br />
Kin<strong>de</strong>r Weihnachten erwarten, um<br />
sich dann freuen zu können.<br />
Welche Denkanstöße möchten<br />
Sie unseren Lesern mit auf <strong>de</strong>n<br />
Weg geben?<br />
Die Zeit ist unsere treueste Freundin.<br />
Sie begleitet uns von <strong>de</strong>r Geburt<br />
bis in <strong>de</strong>n Tod. Und diese Freundin,<br />
die muss man doch lieben, zu sich<br />
einla<strong>de</strong>n und auf sich zukommen<br />
lassen. So ist es auch mit <strong>de</strong>m Glück:<br />
Es kommt auf einen zu, es lässt sich<br />
nicht herbei organisieren. Und dafür<br />
braucht man eines – Zeit, die nicht<br />
verplant ist. Denn die Zeiten, die<br />
zählen, sind die Zeiten, die nicht<br />
gezählt wer<strong>de</strong>n.<br />
Herr Professor Geißler, haben Sie<br />
vielen herzlichen Dank für dieses<br />
Interview.<br />
Vielseitig <strong>April</strong> - Juli <strong>2013</strong><br />
Titelthema<br />
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