Zentrum Zürich Nord Stadt im Aufbruch - ETH Zurich - Natural and ...
Zentrum Zürich Nord Stadt im Aufbruch - ETH Zurich - Natural and ...
Zentrum Zürich Nord Stadt im Aufbruch - ETH Zurich - Natural and ...
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Fallstudie '96<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong><br />
<strong>Stadt</strong> <strong>im</strong> <strong>Aufbruch</strong><br />
-<br />
Bausteine für eine nachhaltige<br />
.<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
Herausgegeben von:<br />
Rol<strong>and</strong> W. Scholz, S<strong>and</strong>ro Bösch, Harald A. Mieg, Jürg Stünzi<br />
Die vorliegende Untersuchung und der Druck des B<strong>and</strong>es wurden<br />
finanziell unterstützt von:<br />
• ABB Immobilien AG und ABB Schweiz<br />
• <strong>Stadt</strong> Zürich, Bauamt 11<br />
Hochschulverlag AG an der <strong>ETH</strong> Zürich
Impressum ~ _<br />
Herausgeber<br />
Gesamtredaktion<br />
Luftbild Titelseite<br />
Illustrationen<br />
Fachliche Beratung<br />
Satz und Layout<br />
Rol<strong>and</strong> W. Scholz, s<strong>and</strong>ro Bösch, Harald A.Mieg,<br />
jürg Stünzi<br />
Unter Mitarbeit von Katharina Zwicker<br />
Dieter Kaufmann<br />
© Vermessungsamt der <strong>Stadt</strong> Zürich,<br />
Bewilligung vom 16.10.1996<br />
Debra Bühlmann·Drenten<br />
Otto Erb, Andreas Hofer<br />
Peter Nadler<br />
Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften (UNS)<br />
<strong>ETH</strong> Zürich<br />
Fallstudienbüro<br />
<strong>ETH</strong> <strong>Zentrum</strong> VOD<br />
Voltastrasse 65<br />
CH-8044 Zürich<br />
Tel.: 01-6326446<br />
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> - <strong>Stadt</strong> <strong>im</strong> <strong>Aufbruch</strong>: Fallstudie '96; Bausteine<br />
für eine nachhaltige <strong>Stadt</strong>entwicklung / hrsg. von: Rol<strong>and</strong> W. Scholz ... <br />
Zürich: vdf Hochschulverl. an der <strong>ETH</strong>, 1997<br />
ISBN 3728123196<br />
NE: Scholz, Rol<strong>and</strong> W. (Hrsg.)<br />
© 1997<br />
vdf Hochschulverlag AG an der <strong>ETH</strong> Zürich<br />
ISBN 3728123196<br />
Der vdf auf Internet: http://vdf.ethz.ch
_---,- -'-_-'- ----'-__Inhaltsverzeichnis<br />
1Vor1Vorte 6<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>:<br />
1Versuch einer 1Virtschaftlichen Ökostadt 15<br />
Kommunikation in der Fallstudie 43<br />
Fallstudien-Organisation 65<br />
Der Fall: <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN) 81<br />
<strong>Stadt</strong>ent1Vicklung 99<br />
1Verkehr <strong>im</strong> ZZN 139<br />
Grünraum 179<br />
Altlastenbearbeitung <strong>im</strong> ZZN 207<br />
Wasserhaushalt 247<br />
Gebäude:<br />
Um1Veltmanagement in der Bauplanung 279<br />
Anhänge 317<br />
Index 329<br />
Studierende und Tutorinnen 332<br />
Vorworte ,............................ 6<br />
Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>:<br />
Versuch einer wirtschaftlichen Ökostadt 15<br />
1. Einführung.. . .. . .. . .. .. .. . .. .. .. . . .. . .. . .. 17<br />
U <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN): Eine gesellschaftliche<br />
und wissenschaftliche Herausforderung. . . . . . . . . . 17<br />
LU ZZN: Das grösste <strong>Stadt</strong>entwicklungsprojekt<br />
der Schweiz 17<br />
1.1.2 <strong>Stadt</strong> als «Kulmination» menschlicher Entwicklung:<br />
Gefahr und/oder Chance ,............ 18<br />
1.1.3 Die Rolle von (ehemaligen) Industriearealen 19<br />
1.1.4 ZZN: Konkurrenzobjekt, wirtschaftlicher Motor und<br />
Schlüssel für eine ökologische Opt<strong>im</strong>ierung 22<br />
1.1.5 Die wirtschaftliche Ökostadt «ZZN» als Vision. . . . . . 24<br />
1.2 <strong>Stadt</strong>entwicklung als Gegenst<strong>and</strong> der Umweltnaturwissenschaften:<br />
Ein Missverständnis? 24<br />
1.3 Wissensintegration: Theorie, Methodik, Organisation<br />
und Architektur 26<br />
104 In welchem Sinne ist die Fallstudienarbeit<br />
wissenschaftlich? , ,............ 28<br />
2. Ergebnisse , , . . 29<br />
2.1 Für den Fall: Von Orientierungen zum<br />
Net Present Value 29<br />
UNS-Fallstudie '96
Inhaltsverzeichnis__--: ~ _<br />
2.1.1 Thesen zur <strong>Stadt</strong>entwicklung 29<br />
2.1.2 Verkehrsopt<strong>im</strong>ierung aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />
Perspektive '...................... 30<br />
2.2.3 Leitbilder für die Grünraumgestaltung 30<br />
2.1.4 Ist Sicherung eine nachhaltige Strategie der<br />
Altlastenbearbeitung? 31<br />
2.1.5 Gebäude, Überlegungen zur einer Verbesserung des<br />
Umweltmanagements 32<br />
2.1.6 Wirtschaftlichkeitsrechnungen und falsche Signale<br />
des Marktes zum Wasserhaushalt 33<br />
2.2 Für die Lernenden : ,.... . . . . . . 33<br />
2.3 Für die (Umweltnatur- und Umweltsozial-)Wissenschaften<br />
36<br />
2.3.1 Fallstudienmethodik 36<br />
2.3.2 «Mode 2»-Forschung 37<br />
2.3.3 Prozessforschung 38<br />
3. Perspektiven. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
Komm~nikation in der Fallstudie :...... 43<br />
1. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
, 2. Wissenschaftliche Zugänge zum Kommunikationsbegriff<br />
46<br />
2.1 Philosophisch-geisteswissenschaftliche Zugänge 46<br />
2.2 Philosophisch-soziologische Zugä~ge ;...... 46<br />
2.3 Pädagogisch-soziolinguistischer Zugang 47<br />
,2.4 Sprachwissenschaftlich-psycholinguistischer Zugang. 47<br />
2.5 Sozialpsychologische Zugänge . . . . 48<br />
2.6 Medien- und Publikationswissenschaftliche Zugänge . 48<br />
2.7 Mathematisch-technischer Kommunikaiionsbegriff ... 48<br />
2.8 Kommunikation und Kooperation mit dem<br />
Computer ;.. 49<br />
2.9 Biologisch-naturwissenschaftliche Zugänge 49<br />
2.10 Das Schnittstellenparadoxon 50<br />
3. Medienarbeit in der Fallstudie 51<br />
3.1 Zum Begriff der Zeitung 51<br />
3.2 Charakter der Fallstudienzeitung . 51<br />
3.3 Aufgaben der Fallstudienzeitung in der Fallstudie 52<br />
3.4 Medienarbeit als umweltnaturwissenschaftliche<br />
Arbeit '. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />
3.5 «Fallstricke» der Medienarbeit 53<br />
3.6 Mediengruppe '96: Konzept 54<br />
3.7 Inhaltliche Ausrichtung der <strong>Nord</strong>Seiten ;... 55<br />
3.8 Mediengruppe '96: Arbeitsmethode ;....... 56<br />
3.9 Fazit der Mediengruppe '96 57<br />
4. Computereinsatz und Kommunikation 58<br />
4.1 Grundlagen .. :............................ 58<br />
4.2 Computereinsatz in der Fallstudie 59<br />
4.3 Schwächen, Grenzen und Entwicklungsmöglichkeiten<br />
63<br />
Fallstudien-Organisation ;. 65<br />
1. Zielsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />
2. Aufbau und Ablauf der Fallstudie 1996 . . . . . . . . . . . . 69<br />
2.1 Synthese als Prinzip ,.......... 69<br />
2.2 Phasen, Produkte und Prozesse ...............•. 71,<br />
2.3 Fallstudien-Pröjektarbeit (April bis Juli 1996) 72<br />
3. W<strong>and</strong>el und Best<strong>and</strong> der Fallstudienorganisation 74<br />
3.1 Die Herausforderung ,'............. 74<br />
3.2 Von den Disziplinen zur Synthese - vom Individuum<br />
zum Team 75<br />
3.3 Organisationsinstrumente 76<br />
4. Die Zukunft der Fallstudienorganisation 78<br />
4.1 Entwicklung der UNS-Fallstudien 1994-1998 . . . . . . . . 78<br />
4.2 Ausblick.................................. 78<br />
Der Fall: <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN) 81<br />
1. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />
2. Industrialisierung in der Grossregion Zürich 84<br />
2.1 Frühe Industrie in der Schweiz 84<br />
2.2 Eisenbahnschlachten 84<br />
2.3 Oerlikon wird zum Industriezentrum 85<br />
2.4, Vergrossstädterung und soziale Probleme 86<br />
2.5 Eingemeindung Oerlikons. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
3. . Zürich <strong>Nord</strong> in den «Goldenen Fünfzigern» 88<br />
3.1 Schlafstädte entstehen ........•.............. 88<br />
3.2 Segen für das moderne Leben: Das Auto 89<br />
3.3 City of Oerlikon .....,....................... 90<br />
4. Die Finanzmetropole und ihre Satellitenstädte 91<br />
4.1 Zürich wird Finanzmetropole ' 91<br />
4.2 Satellitenstädte in Zürich <strong>Nord</strong> . 92<br />
4.3 Streit um die städtische Bau- und Zonenordnung<br />
(BZO) 93<br />
5. Von der «Chance» zum «<strong>Zentrum</strong>» 94<br />
5.1 Chance Oerlikon 20II 94<br />
5.2 Ideen für einen neuen <strong>Stadt</strong>teil 95<br />
5.3 Das Leitbild 95<br />
6. zürifüfzg! und die Zukunft 97<br />
<strong>Stadt</strong>entwicklung 99<br />
1. Gegenst<strong>and</strong> und Fragestellung , 101<br />
1.1 Ein <strong>Stadt</strong>teil eigener Prägung und mit gemischter<br />
Nutzung ...............................•.. 101<br />
1.2 Möglichkeiten und Grenzen einer nachhaltigen<br />
<strong>Stadt</strong>entwicklung :....... 102<br />
1.2.1 Planungsprozess . . . . . . . . . . . . . .. 102<br />
1.2.2 Das soziale Umfeld , .. , . . . . . . . . . . . . . . . . .. 103<br />
1.2.3 St<strong>and</strong>ortqualität 103<br />
1.2.4 Nachhaltigkeitsindikatoren 103<br />
1.2.5 Zukunftsperspektiven 104<br />
1.2.6 Entwicklungsvarianten ZZN 104<br />
2. Vorgehen und Methoden 104<br />
2.1 Synthesephase I 104<br />
2.2 Teilprojektphase 105<br />
2.3 Synthesephase 11. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 106<br />
3. Analyse Ist-Zust<strong>and</strong> 107<br />
2<br />
UNS-Fallstudie '96
__---.,<br />
3.1 Zum Planungsprozess des ZZN 107<br />
3.1.1 Aktueller St<strong>and</strong> der Planung 107<br />
3.1.2 Spielraum der Planung ,'...................... 109<br />
3.1.3 Fazit 109<br />
3.2 Das soziale Umfeld des ZZN II0<br />
3.2.1 Sozioökonomische Struktur der benachbarten<br />
<strong>Stadt</strong>quartiere und Agglomerationsgemeinden II0<br />
3.2.2 Wissen und Einstellungen bei der Bevölkerung der,<br />
umliegenden Quartiere 113<br />
, 3.2.3 Fazit ,.............. 114<br />
3.3 Die St<strong>and</strong>ortqualität des ZZN 115<br />
3.3.1 St<strong>and</strong>ortfaktoren 115<br />
3.3.2 Ergebnisse zum ZZN 115<br />
3.3.3 Fazit 117<br />
4. Szenarien und zukünftige Entwicklungen ,..... 118<br />
4.1 Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong> 121<br />
4.1.1Szenario «Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong>» 121<br />
4.1.2 ZZN-Entwicklungsvariante zum Szenario<br />
«Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong>» 122<br />
4.1.3 Fazit .....'............................... 124<br />
4.2 Orientierungslosigkeit und Krise 124<br />
4.2.1 Szenario «Orientierungslosigkeit und Krise» 124<br />
4.2.2 ZZN-Entwicklungsvariante zum Szenario<br />
«Orientierungslosigkeit und Krise» 125<br />
4.2.3 Fazit '.' .• 126<br />
4.3 Polarisierung 126<br />
4.3.1 Szenario «Polarisierung» 126<br />
4.3.2 ZZN.Entwicklungsvariante zum Szenario<br />
«Polarisierung» 127<br />
4.3.3 Fazit ,'........ 128<br />
4.4 Neue gesellschaftliche Werte 128<br />
4.4.1 Szenario «Neue gesellschaftliche Werte» 128<br />
4.4.2 ZZN-Entwicklungsvariante zum Szenario<br />
«Neue gesellschaftliche Werte» 129<br />
4.4.3 Fazit 130<br />
5. Thesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 131<br />
Verkehr <strong>im</strong> ZZN 139<br />
1. Die Synthesegruppe Verkehr 141<br />
l.l Einführung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 141<br />
1.2 Fragestellung und Ziele 141<br />
2. Ausgangslage 142<br />
2.1 Der Verkehr in Oerlikon heute 142<br />
2.1.1 Pendlerverkehr von und nachaussenstehenden<br />
Gemeinden 142<br />
2.1.2 Pendlerverkehr von und nach der <strong>Stadt</strong> Zürich 143<br />
2.1.3 Heutiger Modal-Split ................•........ 143<br />
2.1.4 Verkehrsbelastung <strong>im</strong> ZZN heute 143<br />
2.2 Verkehr <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild des ZZN:<br />
Planung und Prognosen ' 144<br />
2:2.1 Sonderbauvorschriften 144<br />
2.2.2 Entwicklungsleitbild 144<br />
2.2.3 Gesamtverkehr 146<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
2.3 Widersprüche und Konflikte des Entwicklungs.<br />
leitbilds 146<br />
2.3.1 Modal-Split, Anzahl Parkplätze nach<br />
Entwicklungsleitbild 146<br />
2.3.2 Bedürfnisse der Akteure 148<br />
2.3.3 Strassenverkehrsnetz nach Entwicklungsleitbild,<br />
zusätzlicher motorisierter Individualverkehr 148<br />
3. Vorgehen, Methode 149<br />
3.1 Bildung der Verkehrsmodelle mit formativer<br />
Szenarioanalyse 149<br />
3.2 Quantitative Verkehrsabschätzungen '" 1'50<br />
3.2:1 Personenverkehrsabschätzungen 150<br />
, 3.2.2 Güterverkehrabschätzungen 151<br />
3.3 Bewertung 151<br />
3.3.1 Vorgehen 151<br />
3.3.2 Indikatorenset 152<br />
3.3.3 Systemgtenzen 153<br />
3.3.4. Definition der Nutzenfunktionen 153<br />
3.3.5 Gewichtung der Indikatoren .. ,................ 154<br />
3.3.6 Best<strong>im</strong>mung der Indikatorwerte 155<br />
3.3.7 Diskussion der Methoden 155<br />
4. Ergebnisse 156<br />
4.1 Massnahmen 156<br />
4.1.1 Car-Sharing und autofreies Wohnen 156<br />
4.1.2 St\assengestaltung 158<br />
4.1.3 Citylogistik 160<br />
4.2 Verkehrsmodelle .........•.................. 162<br />
4.2.1 Modell Entwicklungsleitbild 162<br />
4.2.2 Modell Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert 163<br />
4.2.3 Modell öffentlicher Verkehr-Langsamverkehr max<br />
(ÖV-LV max) 164<br />
4.2.4 Modell motorisierter Individualverkehr max<br />
(MIV max) 165<br />
4.3 Resultate der Verkehrsabschätzung für die einzelnen<br />
Modelle 166<br />
4.3.1 Resultate der Personenverkehrsabschätzungen 166<br />
4.3.2 Resultate der Güterverkehrabschätzungen •........ 166<br />
4.4 Bewertung der Modelle 167<br />
5. Schlussfolgerungen 169<br />
5.1 Lösungsansätze für den Verkehr <strong>im</strong> ZZN ..•...•... 169<br />
5.2 Sind die Modelle nachhaltig? 170<br />
5.3 Bewertung der wirtschaftlichen Folgen 171<br />
6. Berechnungs- und Bewertungsgrundlagen 171<br />
6.1 Einflussfaktoren 171<br />
6.2 Beschreibung der Indikatoren und deren Gewichtung . 174<br />
6.3 Skalierung der Nutzenfunktionen 175<br />
6.4 Emissionsfaktoren 176<br />
6.5lndikatorwerte 177<br />
Grünraum 179<br />
1. Fragestellung der SynthesegriJppe Grünraum 181<br />
l.l Ausgangslage 181<br />
1.2 Grundlagen und Ziele der Synthesegruppe 181<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
3
Inhaltsverzeichnis<br />
1.3 Ziele :................ 182<br />
1.4 Normative Grundlagen 182<br />
1.4 Die Organisation der Fallstudienarbeit der<br />
Synthesegruppe Grünraum 183<br />
2. Erhebung der Ansprüche der Interessengruppen 184<br />
2.1 Best<strong>im</strong>mung der Interessengruppen 184<br />
2.2 DerExplorationsparcours 185<br />
3. Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 189<br />
J.l Kriterien- und Massnahmenkatalog für die<br />
Grünraumgestaltung 189<br />
3.2 Ergebnisse des Explorationsparcours 194<br />
3.2.1 Station 1: Einführung in die Thematik -.. 194<br />
3.2.2 Varianten Natur, Mensch, Gesundheit :... 194<br />
3.2.3 (omputergestützte Kriterienbewertung MAUD 195<br />
3.2.4 Fragebogen 198<br />
4. Leitbilder für den Grünraum <strong>im</strong> Teilgebiet 0 199<br />
4.1 Leitidee 199<br />
4.2 Der <strong>Stadt</strong>park '. .. 199<br />
4.3 Die Pocket Parks 200<br />
4.4 Die verschiedenen Verkehrsflächen 200<br />
4.5 Die Flachdächer ..•......................... 201<br />
4.6 Auf den Plattformen 202<br />
5. fazit '. . . . . . . . .. 203<br />
5.1 Zum normativen St<strong>and</strong>punkt der Synthese 203<br />
5.2 Methodendiskussion 1. . • •• 203<br />
5.3 Ergebnisdiskussion 204<br />
5.4 Nutzen der Arbeit der Synthesegruppe Grünraum 205<br />
Altlastenbearbeitung <strong>im</strong> ZZN 207<br />
1.. Einführung.......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 209<br />
1.1 Ausgangslage 209<br />
1.2 Fragestellungen und Zielsetzung 209<br />
1.3 Synthesekonzept und Vorgehensweise 210<br />
2. Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 212<br />
2.1 Altlastenbezogene Arealgeschichte 212<br />
2.2 Die Altlast, eine Übersicht 213<br />
2.2.1 Inventar der Deponie 213<br />
2.2.2 Hydrogeologie 213<br />
2.2.3 Belastung von Sickerwasser, Grundwasser und<br />
Bodengas 215<br />
2.2.4 Risikoabschätzung 216<br />
2.3 Übersicht Gesetzesgrundlagen .....•........... 217<br />
2.3.1 Gesetzeund Regelungen auf Bundesebene 217<br />
2.3.2 Gesetze und Regelungen auf Kantonsebene 220<br />
2.3.3 Ausblick in die weitere Zukunft .........•...... 220<br />
2.4 Sanierungsmöglichkeiten 221<br />
2.4.1 Auswahl von Sanierungsverfahren - allgemein 221<br />
2.4.2 Vorauswahl und prinzipiell geeignete Verfahren .223<br />
2.4.3 Sanierungsvarianten 223<br />
2.5 Die Akteure 225<br />
2.5.1 Das Akteurnetz 226<br />
2.5.2 Auftragsverhältnisse zwischen den Akteuren· . . . . . . . 22<br />
------__<br />
3. Die Synthese 228<br />
3.1 Beurteilung verschiedener Sanierungsverfahren 228<br />
3.1.1 Kriterien ,'...................... 288<br />
3.1.2 Ausprägungen 228<br />
3.2 Altlasten in einem sich ändernden Umfeld 230<br />
3.3 Bewertung der Sanierungsvarianten 231<br />
3.3.1 Grundlagen ~ . . . . . . . . . . . . . . . .. 231<br />
3.3.2 Bewertung mit Hilfe von Logical Decisions 232<br />
3.3.3 Resultate der Bewertungen :;....... 233<br />
3.3.4 Diskussion der Ergebnisse und Methoden 235<br />
3.4, Opt<strong>im</strong>ierung der Entscheidungsfindung 236<br />
3.4.1 Ziele 236<br />
3.4.2 Die Anfänge- der Verlauf 237<br />
3.4.3 Auswertung der Interviews mit den Entscheidungsträgerinnen<br />
239<br />
·3.4.4 Konflikte zwischen den Entscheidungsträgerinnen 239<br />
3.4.5 Schlussfolgerungen 240<br />
3.4.6 Planspiel 241<br />
4. Schlussbemerkungen 242<br />
4.1 Beurteilung verschiedener Sanierungsmassnahmen .. 242<br />
4.1.1 Vergleich der vier Varianten 242<br />
4.1.2 Nachhaltigkeit 242<br />
4.2 Altlasten in einem sich ändernden Umfeld 244<br />
4.2.1 Prognosen (Politik, Technik, Recht, Wirtschaft). . . . .. 244<br />
4.2.2 Bewertung der Sanierungsvarianten 244<br />
4.3 Opt<strong>im</strong>ierung der Entscheidungsfindung 244<br />
Wasserhaushalt ...................•............... 247<br />
1. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 249<br />
1.1 Allgemein ; .. 249<br />
1.2 Ziel - '.' .. . . . . . .. 249<br />
1.3 Fallbezug 250<br />
2. Vorgehen und Methoden 250<br />
2.1 Übersicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 250<br />
2.2 Systemabgrenzung 252<br />
2.3 Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 252<br />
2.3.1 Systemeigenschaften 252<br />
2.3.2 Szenarioanalyse 252<br />
2.3.3 Sets und Varianten 252<br />
2.4 Wasserhaushaltsmodell 255<br />
2.5 Bewertung 255<br />
2.6 Ökonomische Untersuchungen 255<br />
3. Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. 256<br />
3.1 Rahmenbedingungen 256<br />
3.1.1 Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 256<br />
3.1.2 Wirkmodell Rahmenbedingungen 257<br />
3.2 ,Der Wasserhaushalt des Areals :........ 257<br />
3.3 Wasserbauliehe Massnahmen 259<br />
3.3.1 Der Wasserhaushalt urbaner Gebiete : 259<br />
3.3.2 Begrünte Dachflächen 259<br />
3.3.3 Rückhalt in der Kanalisation 260<br />
4<br />
UNS-Fallstudie '96
_________~<br />
3.3.4 Rückhalt auf Parkplätzen 260<br />
3.3.5 Retentionsbecken 260<br />
3.3.6 Schmutzwasserspeicher 260<br />
3.3.7 Grundwasserförderung 260<br />
3.4 Gebäude.................................. 261<br />
3.4.1 Übersicht 261<br />
3.4.2 Wohnhaus 261<br />
3.4.3Dienstleistungsgebäude. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 262<br />
3.4.4 Weitergehende Massnahmen 262<br />
3.5 Die ModelIierung der Wasserflüsse 264<br />
3.5.1 Übersicht 264<br />
3.5.2 Speicher 264<br />
3.5.3 Die Ergebnisse 266<br />
3.6 Umweltbezogene Bewertung :..... 267<br />
3.6.1 Das hierarchische Kriteriensystem 267<br />
3.6.2 Gewichtung der Kriterien 268<br />
3.6.3 Messgrössen 268<br />
3.6.4 Ergebnisse 270<br />
3.7 Betriebswirtschaftliehe Betrachtungen 270<br />
3.7.1 Kosten 270<br />
3. 7.2 Einsparungen ;..... 271<br />
3.7.3 Rentabilitätsrechnung 272<br />
4. Interpretation und Schlus~folgerungen 273<br />
4.1 Erkenntnisse zum Trinkwasserverbrauch 273<br />
4.2 Erkenntnisse aus dem Wasserhaushaltsmodell 273<br />
4.3 Erkenntnisse aus der Rentabilitätsrechnung 274<br />
4.4 Schlussfolgerungen: Ökologie,Wirtschaftlichkeit<br />
und Nachhaltigkeit 274<br />
4.5 Anregungen an die H<strong>and</strong>lungsträgerinnen :........ 275<br />
4.6 Anregungen zur Fallstudie 275<br />
4.6.1 Anmerkungen zum Vorgehen 275<br />
4.6.2 Kritische Stellungnahme zu den Resultaten und<br />
weiterführende Untersuchungen ',' . .. 276<br />
Gebäude: Umweltmanagement in der Bauplanung 279<br />
1. Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 281<br />
1.1 ISO 14001 281<br />
1.2 Umweltspezifische Aspekte in der Bauplanung und<br />
die Fragestellung der Synthesegruppe Gebäude ..... 282<br />
2. Der Fall: «Ententeich», TORO I und die<br />
ABB-Umweltpolitik 284<br />
2.1 Der «Ententeich» und der Umnutzungsentscheid 284<br />
2.2 Die Baustelle TORO I 286<br />
2.3 Die Umweltpolitik der ABB i 287<br />
3. Grundlagen: Ökologie und Umweltmanagement<br />
<strong>im</strong> Bauprozess 288<br />
3.1 Die (planerische) Perspektive des Umweltmanagements<br />
...............•.............. 288<br />
3.2 Die umweltnaturwissenschaftliche Perspektive:<br />
Umweltziele und ökologische Kriterien 289<br />
3.3 Auf dem Weg zu einer Perspektiven-Synthese:<br />
Ökologische Opt<strong>im</strong>ierung und das Ökologie-<br />
Planungs-Problem 291<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
4. Von den Umweltzielen zur Information: Daten zur<br />
Bauprojektierung <strong>im</strong> ZZN . . .. 293<br />
4.1 Ausführung: Ökologie ,in der Bauausführung 293<br />
4.2 Rückbau: Stoffflussanalyse der Varianten «Neubau»<br />
und «Umbau» 296<br />
4.2.1 Fragestellung 297<br />
4.2:2 Die Methode der Stoffflussanalyse ,......... 297<br />
4.2.3 Die zwei Szenarien: Umbau und Neubau 297<br />
4.2.4 Durchführung 298<br />
4.2.5 Ergebnisse ,.......... 299<br />
. 4.2.6 Bewertung 301<br />
4.3 Nutzung: Nutzungsvarianten des «Ententeichs» 301<br />
4.3:1 Zur Umnutzung des «Ententeichs» -<br />
Die Ausgangslage .;......................... 301<br />
4.3.2 Bewertung von Nutzungsalternativen des<br />
«Ententeichs» ~02<br />
4.3.3 Weitere Umnutzungen? 303<br />
5. Implementation von Umweltmanagement: Von der<br />
Information zur Entscheidung 304<br />
5.1 Planung: Bauplanung und Umweltmanagement 304<br />
5.LI Ökologische Kriterien als Grundlagefür das<br />
Umweltmanagement 304<br />
5.1.2 Ökologische Kriterien be<strong>im</strong> «Ententeich» ,......... 304<br />
5.1.3 Ökologische Kriterien be<strong>im</strong> Bauträgerwettbewerb<br />
der <strong>Stadt</strong> Wien 306<br />
5.1.4 Das Wiener Modell und die Planung «Ententeich». . .. 308<br />
5.1.5 Bauplanungs-Umweltmanagement in der ABB 312<br />
5.2 Entscheidungsunterstützung <strong>im</strong> Umweltmanagement<br />
durch umweltnaturwissenschaftliche Methoden 313<br />
Anhänge 317<br />
Formative Szenarioanalyse 317<br />
Nachhaltigkeit 321<br />
Planspiel ,.................... 324<br />
Index . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . .. 329<br />
Studierende der einzelnen Synthesegruppen<br />
und Teilprojekte 332<br />
Tatorlnnen der einzelnen Synthesegruppen 333<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
5
Vorwort ~ _<br />
Die fallstudie als Lernchance<br />
Dr. Ursulll Koch<br />
Stlldträtin<br />
Die Resultate eines achtjährigen Planungsprozesses<br />
für das grösste Planungsareal der Schweiz, das <strong>Zentrum</strong><br />
Zürich <strong>Nord</strong>, liegen vor. Die Planung wurde<br />
mit einer umweltnaturwissenschaftlichen Fallstudie<br />
auf ihre Nachhaltigkeit untersucht. Welche Bedeutung<br />
hat eine solche Fallstudie für die planende<br />
Behörde? Die Siedlungsplanung .ist wahrscheinlich<br />
die wichtigste präventive Umweltschutzmassnahme.<br />
Was nützt es, 'die Bevölkerung mit getrenntem Abfallsammeln,<br />
Verzicht auf Autokilometer und sparsamem<br />
Energieverbrauch auf Trab zu halten, wenn<br />
aufgrund einer unsorgfältigen Siedlungsplanung die<br />
Voraussetzungen für die Zunahme: von Umweltverschmutzung<br />
und L<strong>and</strong>verschleiss geschaffen werden,<br />
wenn dabei die Chance für ausreichende<br />
Erholungsflächen verspielt und die Zunahme des<br />
Autoverkehrs die absehbare Folge ist?<br />
Die nachhaltige, wirtschaftliche Ökostadt war<br />
eine der Zielsetzungen, die dem Planungsprozess<br />
in Zürich <strong>Nord</strong> zugrunde lagen. Gleichzeitig sollte<br />
ein sowohl funktional wie auch sozial gut durchmischtes<br />
neues <strong>Stadt</strong>quartier entstehen. Komplexe<br />
Zielsysteme mussten auf diesem grossenPlanungsgebiet<br />
integriert werden. Heute, nach Abschluss der<br />
aufwendigen Arbeiten, stellt sich die Frage, ob die<br />
ökologischen Ziele für diesen neuen <strong>Stadt</strong>teil ausreichend<br />
berücksichtigtsind, ob die gesetzten Ziele<br />
auch erreicht wurden, ob die Grundlagen für eine<br />
nachhaltige Entwicklung dieses <strong>Stadt</strong>teiles vorh<strong>and</strong>en<br />
sind, ob gravierende Planungsfehler gemacht<br />
wurden, ob einzelne Bereiche vernachlässigt wurden<br />
und welche Vorkehrungen getroffen werden müssen,<br />
um bei der Realisierung desneuen <strong>Stadt</strong>teiles die<br />
Nachhaltigkeit zu fördern. Kurz, die Nachhaltigkeitsprüfung<br />
zeigt auf, was gut gemacht wurde und<br />
wo man besser, <strong>and</strong>ers hätte vorgehen müssen.<br />
Die vorliegende Fallstudie ist nicht nur wichtig<br />
<strong>im</strong> Hinblick auf Zürich <strong>Nord</strong>. Sie soll auch dazu beitragen,<br />
bei künftigen Arealplanungen Fehler zu vermeiden,<br />
die Überlegungen und Voruntersuchungen<br />
zu präzisieren und den Planungsprozess entspre-<br />
chend zu modifizieren. In diesem Sinne begrüssen<br />
wir diese Fallstudie, weil sie uns die Chance gibt,<br />
Neues zu lernen, eingespielte Denkweisen und Verfahren<br />
zu hinterfragen und die neuen Erkenntnisse<br />
in kommenden Arbeiten anzuwenden. .<br />
Eine solche Fallstudie ist ein hochkomplexes<br />
Forschungsprojekt, welches von allen Akteuren und<br />
Akteurinnen ein hohes Mass an KooperationswiIIen<br />
abverlangt. Bereits zum zweiten·Mal konnte ich<br />
miterleben, mit welchem Engagement sich die<br />
Studierenden daran beteiligt haben. Damit haben<br />
sie für unsere <strong>Stadt</strong> eine wichtige Zukunftsfrage bearbeitet.<br />
Ihre Erkenntnisse sollen in unsere Arb.eit<br />
einfliessen.<br />
Ich möchte allen Beteiligten, den Studentinnen,<br />
den Professoren und den Assistentlnnen für ihre<br />
grosse Arbeit ganz herzlich danken.<br />
Was hat die Industrie mit <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
zu tun? .<br />
Edwin Somm<br />
Vorsitzender der Geschäftsleitung<br />
der ABB Schweiz<br />
Aus der Sicht der ABB h<strong>and</strong>elt es sich bei der Fallstudie<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> um ein äusserst bemerkenswertes,<br />
wegweisendes Projekt, an dem wir uns<br />
sehr gerne beteiligt haben. Dies nicht nur, weil es<br />
eine willkommene Möglichkeit war, den. Austausch<br />
zwischen Wirtschaft und universitärer' Forschung,<br />
den wir seit. jeher als sehr wichtig erachten, zu<br />
fördern, sondern auch weil sich die ABB bereits seit<br />
längerer Zeit Gedanken macht, wie ihre grossen<br />
Industrieareale in Zukunft für alle Beteiligten sinnvoll<br />
genutzt werden können. Der industrielle W<strong>and</strong>el<br />
hat ja zu grossen Veränderungen <strong>im</strong> Gebäudeflächenbedarf<br />
der Industrieunternehmen geführt, da einerseits<br />
eine Verlagerung von der Werkstatt· in das<br />
Engineering stattgefunden hat und <strong>and</strong>ererseits <strong>im</strong>mer<br />
weniger Menschen auf <strong>im</strong>mer kleinerer Fläche<br />
in <strong>im</strong>mer kürzerer Zeit <strong>im</strong>mer mehr produzieren.<br />
Als Grundeigentümerin von je rund 30 Hektaren<br />
überblJutem und infrastrukturell bestens erschlossenem<br />
Industriel<strong>and</strong> in absoluter <strong>Zentrum</strong>slage in<br />
6<br />
UNS-Fallstudie '96
__________-'- --,- --,- Vorwort<br />
Oerlikon und in Baden, ist die Variante «Industriebrache»<br />
als einfachste Lösung aus unternehmerischen,<br />
städtebaulichen und sozialpolitischen Überlegungen<br />
bei ABB Schweiz zu keinem Zeitpunkt<br />
ernsthaft diskutiert worden. Wir wollten unsere Verantwortung<br />
be~usstwahrnehmen. Denn heute ist in<br />
der flächenmässig kleinen und in den Ballungszentrendicht<br />
besiedelten Schweiz die Nutzung des<br />
Raumes. in seiner Gesamtheit von überragender<br />
Bedeutung. Die verschiedenen Interessen an den<br />
Raum, wie Ökologie, Wohnen, industrielle und<br />
gewerbliche Nutzung, Verkehr und Freizeit müssen<br />
für den Städtebau der Zukunft unter einen Hut<br />
gebracht werden. Bereits 1991 hatABB die Visiqn der<br />
«wirtschaftlichen Ökostadt» formuliert. Darunter<br />
verstehen wir eine <strong>Stadt</strong>, in der sich Ökologie und<br />
Ökonomie ergänzen, in der Hightech-Firmen in der<br />
Partnerschaft von Ökologie und Ökonomie eine<br />
Chance sehen. Hier soll mit bestens ausgebildeten<br />
MitarbeiterInnen gearbeitet; gewohnt und gelernt<br />
werden undIndustrie, Dienstleistung, Wohnen, Ausbildung<br />
und Kultur Piatz haben. Heute sind wir vor<br />
allem in Baden mit der Realisierung unserer Vision<br />
schon sehr weit fortgeschritten, <strong>im</strong> <strong>Zentrum</strong> Zürich<br />
<strong>Nord</strong> bestehen ebenfalls entsprechende Projekte.<br />
Die Teilnahme an der Fallstudie und die Zusammenarbeit<br />
mit den beteiligten Studentinnen war<br />
gleichzeitig ein Testlauf für unser Projekt aus der<br />
Optik Umweltrelevanz. Unternehmen, die auch in<br />
Zukunft Erfolg haben wollen, muss es gelingen,<br />
einerseits die Forderung nach <strong>im</strong>mer neuen, innovativen<br />
und konkurrenzfähigen Produkten und<br />
<strong>and</strong>ererseits die Forderung nach einem sparsamen,<br />
bewussten Umgang mit unseren Ressourcen unter<br />
einen Hut zu bringen. Ökoeffizienz, die Fähigkeit<br />
des Unternehmens, Produkte oder Dienstleistungen<br />
mit einem min<strong>im</strong>alen Verbrauch an Ressourcen herzustellen,<br />
ist der wichtigste Wettbewerbsfaktor der<br />
nächsten Jahre. Auch wenn wir uns als Unternehmen<br />
betrachten, das seine ökologische Veran~ortung<br />
sehr ernst n<strong>im</strong>mt: Bei all unseren Überlegungen ging<br />
und geht' es <strong>im</strong>mer und in erster Linie darum,<br />
dieWettbewerbsfähigkeit als Voraussetzung für die<br />
Zukunft des Unternehmens am St<strong>and</strong>ort Schweiz<br />
zu sichern. Aus unserer Sicht stehen deshalb bei<br />
unsereh Bauprojekten die Wirtschaftlichkeit und die<br />
Investorentauglichkeit <strong>im</strong> Vordergrund. Dass der<br />
Schwerpunkt bei den TeilnehmerInnen der Fallstudie<br />
bei den ökologischen Aspekten lag, war die<br />
Grundlage für einen interessantenAustausch.<br />
Dank der offenen, transparenten Information auf<br />
beiden .Seiten konnte in den ausführlichen Gesprächen<br />
mit den StudentInnen das Verständnis zwischen<br />
Wirtschaft und Ökologie gefördert werden.<br />
Der Lernprozess f<strong>and</strong> aufbeiden Seiten statt. Einerseits<br />
konnten die Studentinnen realitätsbezogen<br />
arbeiten· und wurden mit praktischen Beispielen<br />
. konfrontiert, <strong>and</strong>ererseits haben wir gelernt, ein noch<br />
aktiveres Bewusstsein <strong>im</strong> Zusammenhang mit den<br />
beh<strong>and</strong>elten Themenkreisen zu entwickeln und<br />
werden die erarbeiteten Grundlagen in unsere Projekte<br />
einfliessen lassen.<br />
Anstoss ZU einem städtebaulichen<br />
Innovationsschub<br />
Marlin Waser<br />
Vorst<strong>and</strong>smitglied von<br />
ziirifiifzg!<br />
Die wirtschaftliche Lage ist gegenwärtig in verschiedener<br />
Hinsicht schwierig. Sie lässt manche an der<br />
Realisierung des <strong>Zentrum</strong>s Zürich <strong>Nord</strong> zweifeln. In<br />
der Konkurrenz mit <strong>and</strong>eren St<strong>and</strong>orten werden deshalb<br />
die sogenannten weichen Faktoren <strong>im</strong>mer bedeutender:<br />
Umwelt,' soziales Umfeld,ökologische<br />
Erschliessung und Versorgung, Naherholung, Kultur<br />
und Freizeit usw. Die Fallstudie leistet hier einen<br />
wichtigen Beitrag. Sie liefert seriöse, praktikable<br />
Grundlagen und Anregungen für eine zukunftsträch- .<br />
tige und nachhaltige Entwicklung. Die bisher häufig<br />
inhaltslose Floskel «qualitatives statt quantitatives<br />
Wachstum» erhälthier Substanz. Die Umsetzung der<br />
wirtschaJtlichen Ökostadt bedeutet einen städtebaulichen<br />
Innovationsschub. Die Fallstudie liefert<br />
dazu einen ernstzunehmenden Grundstein und kann<br />
einen entscheidenden Anstoss geben. Es liegt nun an<br />
den Grundeigentümerlnnen und Investorlnnen, den<br />
<strong>Stadt</strong>behörden und der Bevölkerung diese Chance<br />
gemeinsam'zu packen und umzusetzen. Die umliegenden<br />
Quartiere unterstützen ohne Zweifel eine<br />
solche Entwicklung. Das <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> wird<br />
dann nicht zu einer Bedrohung, sondern zu einer<br />
Bereicherung von Zürich <strong>Nord</strong>.<br />
Als Vertreter einer aktiven Anwohnergruppe nahm<br />
ich das Angebot von Professor Scholz gerne an, an<br />
der Fallstudie ~itzuwirken. Gleich von Beginn an<br />
war ich positiv überrascht, mit welcher Dynamik die<br />
Fallstudie in Angriff genommen wurde. Schon in<br />
der ersten Woche kamen Gespräche mit Gruppen<br />
von Studentinnen und Studenten zust<strong>and</strong>e. Immer<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
7
Vorwort ,....- ----,,- _<br />
f<strong>and</strong>en die Treffen zur abgemachten Zeit statt und<br />
ich war beeindruckt von der gründlichen Vorbereitung<br />
der Studierenden. Dies lässt auch auf eine<br />
vorzügliche Einst<strong>im</strong>mung durch. die Leitung der<br />
Fallstudie schliessen. An regelmässigen Treffen<br />
wurden Resultate ausgetauscht und offene Fragen<br />
diskutiert. Die unterschiedlichen Sichtweisen gaben<br />
neue Impulse, die den weiteren Verlauf der Fallstudie<br />
mitprägten.<br />
Die Fallstudie hat viele Menschen zusammengebracht.<br />
Dies hat konkrete Folgen. AufQuartierebene<br />
sind Kontakte vertieft worden, und die Zusammenarbeit<br />
geht auf einer neuen, qualitativ höheren<br />
Ebene weiter. VertreterInnen der Grundeigentümer,<br />
der <strong>Stadt</strong>behörden und der aktiven Bevölkerung<br />
konnten ihre Positionen und Ziele <strong>im</strong> Rahmen der<br />
Fallstudie darlegen. Das dadurch entst<strong>and</strong>ene Vertrauen<br />
lässt hoffen für die Zukunft, einer Zukunft,<br />
deren Gedeihen von einer intensiven Zusammenarbeit<br />
aller abhängt.<br />
Nachhaltigkeit in kooperativen Prozessen<br />
verwirklichen<br />
Prof. Dr. Rol<strong>and</strong> W. Scholz<br />
Verantwortlicher·<br />
Hochschullehrer<br />
für die UNS-Fallstudie<br />
Die <strong>ETH</strong> Zürich hat sich in ihrem gerade erschienenen<br />
Leitbild dazu bekannt, «ihre Aktivitäten konsequent<br />
auf die Bedürfnisse von Mensch, Natur und<br />
Gesellschaft» auszurichten und den «Blick auf die<br />
Erhaltung des Zukunftspotentials des Ökosystems<br />
Erde für die kommenden Generationen» zu richten.<br />
Die Fallstudien der Abteilung für Umweltriaturwissenschaften<br />
(UNS-Fallstudien) sind ein Beitrag<br />
zur Verwirklichung dieses Leitbildes. Im diesjährigen<br />
Grossprojekt Fallstudie haben sich, nach mehr<br />
als zwei Jahren Vorbereitung, 126 Studierende und<br />
25 wissenschaftliche 'rutorInnen aus Hochschule<br />
und Praxis während des ganzen S,ommersemesters<br />
(14 Wochen a2.5 Tage) intensiv mit der Zukunft des<br />
<strong>Zentrum</strong>s Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN), des grössten schweizerischen<br />
<strong>Stadt</strong>entwicklungsprojekts, beschäftigt.<br />
Entscheidend für die Konzeption und das Gelingen<br />
der Fallstudie war die Kooperation mit weit über<br />
100 ExpertInnen und Personen aus der Praxis, die<br />
als Triigerlnnen der Fallstudie am Prozess des gegenseitigen<br />
Austausches, Lernens und der gemeinsamen<br />
Zielfindung mitwirkten.<br />
Im vorliegendet:t Schlussbericht werden wesentliche<br />
Fragen zur nachhaltigen Gestaltung des ZZN,<br />
eines dllfch seine industrielle Vorgeschichte geprägten<br />
<strong>Stadt</strong>teils, beh<strong>and</strong>elt. In allen Kapiteln wird<br />
eine integrale Bewertung erarbeitet. Um Nachhaltigkeit<br />
in einem umfassenden Sinne zu sichern, wird<br />
ökologisch Notwendiges und Wünschenswertes mit<br />
wirtschaftlich Machbarem sowie sozial Erstrebenswert~m<br />
in Bezug gesetzt und in verschiedenen<br />
Raum-Zeit-Bezügen diskutiert. Entscheidend ist in<br />
allen Kapiteln das Wechselspiel zwischen systematisch-methodischem<br />
(und damit in eigentlichem Sinne<br />
klassischem), wissenschaftlichem Vorgehen und qualitativen,<br />
aus einem ganzheitlichen Problemverstiindnis abgeleiteten<br />
Erkenntnissen. Während für das wissenschaftliche<br />
Vorgehen geeignete Methoden entscheidend<br />
sind, hängt die Güte der qualitativen Erkenntnisse<br />
davon ab, inwieweit es gelingt, die eigentlichen KennerInnen<br />
und EntscheidungsträgerInnen des Falls<br />
einzubeziehen. Beides ist weitestgehend geglückt.<br />
Drei Faktoren waren für den Erfolg massgeblich:<br />
An erster Stelle sind die Studierenden und die TutorInnen,<br />
ihre Qualifikation, Motivation und Einstellung<br />
zu benennen. In diesem Jahr haben wir von einem<br />
erfreulich hohen Anteil von Studierenden profitiert,<br />
die sich in dem über zwei Jahre dauernden Prozess<br />
der Vorbereitung; an der Leitung während der Fallstudie<br />
und in den Synthesegruppen initiativ an der<br />
Ausgestaltung be{eiligten. Besonders danken möchte<br />
ich den 18 Studierenden und den acht TutorInnen,<br />
welche in vier Monaten intensiver Arbeit aus den<br />
.Papieren der Synthesegruppen die vorliegenden<br />
Berichte erstellten und sich einem scharfen internen<br />
und externen Review-Prozess aussetzten. Der Erfolg<br />
einer UNS-Fallstudie hängt stark von denjenigen<br />
Studierenden ab, die über das gewohnte «Sachbearbeiter-Menue»<br />
hinausgehen und sich kreativ am<br />
Prozess der Ausarbeitung der ökologischen Problemlösefähigkeit<br />
beteiligen. Dieser Weg ist auch als Zielsetzung<br />
<strong>im</strong> <strong>ETH</strong>-Leitbild angesprochen, welches<br />
die Studierenden «nach Abschluss des Studiums<br />
nicht nur als hochqualifizierte Fachleute, sondern<br />
auch als Verantwortung tragende Mitglieder der<br />
Gesellschaft» aus der Hochschule entlassen möchte.<br />
Eine zweite Voraussetzung für den Erfolg der Fallstudienarbeit<br />
sind die Fallstudienmethoden. Die in den<br />
letzten Jahren entwIckelten Methoden (z.B. Formative<br />
Szenarioanalyse, Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen,<br />
etc.,vgl.Kap. EINLEITUNG) sind zugleich Mittel<br />
der Wissensintegration und der Projektorganisation.<br />
Eine Fallstudie setzt an Studierende und TutorInnen<br />
8<br />
UNS-Fallstudie '96
-------- --'-- ~ Vorwort<br />
die Anforderung, neben den natur- und sozialwissenschaftlichen<br />
Methoden gleichermassen Methoden<br />
der Wissensintegration zu verstehen und anzuwenden.<br />
Hier sind nach meiner Überzeugung Modelle<br />
und.Wissen entst<strong>and</strong>en, aus denen die Praxis lernen<br />
kann.<br />
Das wichtigste an der Fallstudie ist jedoch die<br />
neue Form der Zusammenarbeit von Hochsch.ule<br />
und Praxis. Die KoopeFation mit <strong>Stadt</strong> und Kanton<br />
ZÜrich konnte auf die Erfahrungen der letztjährigen<br />
Fallstudie zum Sulzer-Escher Wyss-Areal aufbauen<br />
und verlief vorbildlich. Mit der Bevölkerung konnte<br />
durch den Verein zürifüfzg! und <strong>and</strong>eren VertreterInnen<br />
ein fÜr beide Seiten fruchtbarer Austausch<br />
gestaltet werden. Etwas- schwieriger gestaltete sich<br />
erwartungsgemäss der Beginn der Zusammenarbeit<br />
mit den grossen privaten GrundbesitzerInnen. Zu<br />
Überwinden war hier eine natÜrliche Skepsis Über<br />
Chancen und Risiken eines gemeinsamen Projekts<br />
mit Über einhundert «grÜnen Studierenden». Während<br />
einige GrundbesitzerInnen in einer konservativen<br />
Grundhaltung verblieben sind, hat sich die<br />
Zusammenarbeit mit der ABB Immobilien AG in einer<br />
verblüffenden Weise entfaltet, die sich letztlich nur<br />
auf dem Hintergrund der konzernspezifischen Konzeption<br />
der Ecoefficient Leadership verstehen lässt. Es<br />
entwickelte sich ein Überaus vertrauensvoller und<br />
offener Prozess mit der ABB. Ich darfan dieser Stelle<br />
Herrn Somm (ABB Schweiz) und insbesondere<br />
Herrn Fagetti (ABB Immobilien AG) und seinen<br />
MitarbeiterInnen unsere Anerkennung für das überaus<br />
organisierte, professionelle und effiziente Projektmanagement,<br />
in dem Umweltaspekte ihren Platz<br />
finden, aussprechen. Davon kann auch die Hochschule<br />
einiges lernen.<br />
Die Fallstudie als Herausforderung<br />
Für uns Studierende war es eine grosseHerausforderung,<br />
an einem der grössten <strong>Stadt</strong>planungsprojekte<br />
der Schweiz anwendungsorientiert mitarbeiten zu<br />
können.<br />
•<br />
Unsere Motivation war gross, weil die Fallstudie<br />
ein Stück <strong>Stadt</strong>entwicklung in unserer unmittelbaren<br />
Umgebung beh<strong>and</strong>elte: Die in der Fallstudie<br />
gestellten Fragen betrafen unser Leben in der <strong>Stadt</strong><br />
direkt. Durch die aktuelle gesellschaftliche Relevanz<br />
dieses Themas bekamen für uns auch die Sozialwissenschaften<br />
grösseres Gewicht in einem Projekt.<br />
Wir wussten auch, dass es schwer werden würde, in<br />
Vorlesungen theoretisch vermittelte Inhalte praktisch<br />
umzusetzen. Dazu kam das Unbehagen, ein so<br />
vielschichtiges Thema in dieser kurzen Zeit bearbei-<br />
Bettina Baumgartner<br />
Monilca Kurath<br />
Studentische Teilnehmerinnen der Fallstudie<br />
ten zu müssen. Dem Reiz, sich mit einem realen Fall<br />
von gesellschaftlicher Bedeutung und politischer<br />
Brisanz zu befassen, st<strong>and</strong> der erhöhte Druck auf<br />
uns Studierende gegenüber: Es belastete uns, zu wissen,<br />
dass unsere Resultate externen Erwartungen<br />
genügen sollten und dass wir unsere Berichte und<br />
Schlussfolgerungen gegenÜber den Agierenden und<br />
Betroffenen vertreten mussten.<br />
Zeit- und Erwartungsdruck boten uns in erster<br />
Linie die Möglichkeit, uns neue Fähigkeiten anzueignen:<br />
Es galt, sich einen schnellen Überblick Über<br />
die Thematik zu verschaffen, Wissensintegration<br />
und Synthesearbeit zu leisten und kompromissfahige<br />
Lösungen zu finden. Um das zu erreichen, arbeiteten<br />
und diskutierten wir in Gruppen und Übten die Gesprächsleitung<br />
in Sitzungen. Es wurde uns bewusst,<br />
mit wieviel Sensibilität und Vorurteilsfreiheit komplexe,<br />
praktische Fragen von umweltnaturwissenschaftlicher<br />
Relevanz angegangen· werden müssen.<br />
Zentral war fÜr uns, Kompetenzen zu erwerben,'die<br />
zu unserem Berufsbild als UmweltnaturwissenschafterInnen<br />
gehören.<br />
Neulich, an einem kalten Spätherbstabend, fuhren<br />
wir mit den Velos am ZZN vorbei. Es war dunkel, ein<br />
leichter Herbstnebel hing Über dem Areal. Der Ort<br />
wirkte auf uns fremd und derart verlassen, dass wir<br />
uns kaum vorstellen konnten, dass es sich um dasselbe<br />
Areal h<strong>and</strong>elt, auf welchem wir <strong>im</strong> letzten<br />
FrÜhjahr mit soviel Enthusiasmus unsere Fallstudie<br />
bearbeitet hatten.<br />
Wir fragten uns, was aus den Ideen wird, an welchen<br />
126 Studierende drei Monate intensiv gearbeitet<br />
hatten und die sich nun <strong>im</strong> vorliegenden B<strong>and</strong><br />
finden. Es wäre schön, wenn die eine oder <strong>and</strong>ere<br />
Idee, von der wir Überzeugt sind, dass sie für das<br />
Areal von Nutzen ist, in die Planung aufgenommen<br />
wird.<br />
UNHalIstudie '96 9
D.ank__~~ ~ .,.-- .,.--__~ _<br />
Dank<br />
Ein so umfangreiches Projekt wie unsere Fallstudie<br />
wäre ohne die zusätzliche Hilfe vieler Personen nicht<br />
durchführbar. Untenstehende Personen und Institutionen<br />
waren an der UNS-Fallstudie 1996 beteiligt.<br />
Sie haben Vorträge gehalten, Dokumentationsmaterial<br />
oder Daten zur Verfügung gestellt, die Arbeitsgruppen<br />
bei fachlichen Fragen tatkräftig unterstützt<br />
oder sind bei der Durchführung von Interviews Rede<br />
und Antwort gest<strong>and</strong>en.<br />
Die Vielzahl der Kontakte führt dazu, dass es<br />
kaum möglich ist, alle Hilfestellungen zu erfassen. In<br />
diesem Sinne möchten wir uns bei all denen entschuldigen,<br />
die uns geholfen haben, aber auf der<br />
Dankesliste fehlen. Allen Personen, mit denen wir<br />
in Kontakt gest<strong>and</strong>en sind, möchten wir noch einmal<br />
ganz herzlich für ihren Einsatz danken.<br />
Christian Aeschl<strong>im</strong>ann<br />
Basel City Logistic<br />
Priska Ammann<br />
<strong>Stadt</strong>verwaltung Zürich/Bauamt<br />
Peter Baccini<br />
EAWAG Dübendorf<br />
Rudolf Bätscher<br />
Werksicherheit ABB Oerlikon<br />
Heribert Bauer<br />
Merkur Immobilien AG Zürich<br />
Peter Baur .<br />
Merkur Immobilien AG Zürich<br />
Alex Beck<br />
ABB Immobilien AG Baden<br />
Roger Biedermann<br />
Kantonales Laboratorium Schaffhausen<br />
Thomas Bieri<br />
Toma Design Thalwil<br />
Fritz Blocher<br />
GZ Oerlikon<br />
RolfBlumer<br />
Schlittler AG Niederurnen<br />
Guido Bodmer<br />
SBG Zürich<br />
Guy Bollag<br />
Oerlikon<br />
jürg Bolliger<br />
Eberhard Recycling AG<br />
Markus BoIler<br />
EAWAG Dübendorf<br />
Alex Borer<br />
Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Züricp<br />
Lukas Br<strong>and</strong>l<br />
CargonetAG<br />
Heinrich Brändli<br />
<strong>ETH</strong>Zürich<br />
Bernhard Brechbühl<br />
Amt für techische Anlagen und Lufthygiene des<br />
Kantons Zürich<br />
Martina Brennecke<br />
Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Walter Brunner<br />
Elektro Meyer<br />
Linda Brunner<br />
ABB Immobilien AG Baden<br />
Thomas Brunner<br />
SV Service<br />
Herr Büsser<br />
Schoop Bauspenglerei und Gartenbal)<br />
jürg Burkard<br />
Win'terthur Versicherungen<br />
Patrick Burri<br />
SKA<br />
jürg Caflisch<br />
Sozialamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Hansruedi Christen<br />
SKA<br />
Helmut Crott<br />
Universität Freiburg i.Br.<br />
Hans U1rich Dambach<br />
Oerlikon-Bührle Immobilien AG<br />
Frank Dammann<br />
Hochbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich,<br />
RolfDeck<br />
ABB Consulting AG Baden<br />
Marco Denicola<br />
Zürich<br />
Thomas Eberli<br />
Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich/<strong>Stadt</strong>entwässerung<br />
Lukas Eckert<br />
City Bank Schweiz<br />
Daniel Eiermann<br />
EbioxAG<br />
Frau Barbara E<strong>im</strong>er<br />
Reformhaus am Marktplatz Oerlikon<br />
Klaus Erni<br />
Uni Bern/geogr. Inst.<br />
Renzo Fagetti<br />
ABB Immobilien AG Baden<br />
Klaus Fischli<br />
SIA Zürich<br />
Hans-Uirich Frei<br />
Ingenieurbüro Hans Frei & Co. AG<br />
Marcel Frey<br />
Velofachstelle <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Katja Furrer<br />
Atelier 51<br />
10<br />
UNS-Fallstudie '96
_____---:-<br />
Dank<br />
Fulvio Gamba<br />
Katholische Kirchengemeinde Oerlikon<br />
Heinz German<br />
Oerlikon-Contraves<br />
Susanne Gfeller<br />
Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Claudio Gianesi<br />
Generalunternehmung Gianesi und Hofmann<br />
Mario Giesel<br />
Universität Freiburg LBr.<br />
Beat Grossmann<br />
AGW Zürich<br />
Herrmann Guetg<br />
Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Peter Güller<br />
Raumplanungsbüro<br />
Anita Gunzenhauser<br />
Müze Affoltern<br />
Lucia Habermacher<br />
Zürich<br />
PatrickHächler<br />
SMA<br />
Theodor Häfeli<br />
SBG,Pensionskasse<br />
Rene Haller<br />
Technopark<br />
Ralf Hansmann.<br />
Universität Freiburg LBr.<br />
Hans Hasler<br />
Büro Hasler Meilen<br />
Monika Heer<br />
Brunnschweiler & Heer Zürich<br />
Richard He<strong>im</strong><br />
Hochbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Peter Herrmann<br />
SKA Uetlihof<br />
Eduard Hoehn<br />
EAWAG Dübendorf<br />
Barbara Hoffmann<br />
ABB Baden/public Relations<br />
Kurt Hoffmann<br />
Quartierverein.oerlikon<br />
Walter Honegger<br />
ADtranz<br />
Rolf Huggenberger<br />
Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich/<strong>Stadt</strong>entwässerung<br />
Ursula !sler<br />
Bauamt 11 <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Erwin Jampen<br />
Heer & Tailer Zürich<br />
Frank Jost<br />
Coop Schweiz<br />
Andreas Kallen<br />
Oerlikon<br />
Urs Kaufmann<br />
Büro Spring Thun<br />
Walter Kiechl<br />
Schweizerischer Verein Eltern von blindenund<br />
sehschwachen Kindern<br />
Wolfgang Kinzelbach<br />
<strong>ETH</strong> Zürich<br />
Jürgen Klaus<br />
ABB Hochspannungstechnik AG<br />
Matthias Knecht<br />
Oerlikon<br />
Hans Koch<br />
ADtranz<br />
Ursula Koch<br />
Bauamt 11 der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Robert Korab<br />
Österreichisches Ökologie-Institut Wien<br />
Fritz Krähenbühl<br />
Oerlikon<br />
Peter Krebs<br />
E.AWAG Dübendorf<br />
Erwin Kreidler<br />
AGWZürich<br />
Bertil Krüsi<br />
WSL Birmensdorf<br />
Chris Kühni<br />
ABB Immobilien AG<br />
Rudolf Kündig<br />
SKA<br />
Micheie Kunz<br />
Oerlikon<br />
Rene Lagler<br />
Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Elias L<strong>and</strong>olt<br />
<strong>ETH</strong> Zürich<br />
Herbert Lang<br />
<strong>ETH</strong> Zürich<br />
Fredy Leutert<br />
Stetten<br />
Margrit Leuthold<br />
<strong>ETH</strong> Zürich<br />
Alfred Lienhard<br />
Naturfreunde Sektion Zürich<br />
B. Lindenmann<br />
Gewerbeverein OerlikOIi<br />
Markus Maibach<br />
Infras<br />
Lorenzo Martignoni<br />
ShareCom<br />
Eugen Meier<br />
Abay&Meier<br />
Matthias Meier<br />
vormals ABB Baden/public Relations<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
11
Dank. ~ ____,_---------------____,_----_,_<br />
Klara Mielebacher<br />
Oerlikon<br />
Pete Mijnssen<br />
IG Velo<br />
Flavio Mozetti<br />
Architekturbüro Max Schönenberg u. Partner<br />
RolfMüller<br />
Coop/Beschaffung und Logistik<br />
Roman Müller<br />
H.U. Peter AG<br />
Urs Müller<br />
<strong>Stadt</strong>pensionskasse Basel<br />
Pauline Nameehe<br />
Ref. Kirchgemeinde<br />
Horst Niedermann<br />
Amt für Umweltschutz und Wasserwirtschaft Frauenfeld<br />
Ruedi Ott<br />
Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
WolfPabst<br />
Gewässerdirektion Rhein<br />
Hansjörg Pedrett<br />
ABB Immobilien AG<br />
Ernst Peterharis<br />
<strong>Stadt</strong> Zürich Kanalnetzbetreuung<br />
Gabi Petri,<br />
VCS Zürich<br />
Kurt Pfefferkorn<br />
Kantonsschule Oerlikon<br />
Riet Pfister<br />
Mövenpick <strong>Zurich</strong> Airport<br />
Dorothe Pujol<br />
<strong>Stadt</strong> Zürich/Jugendsekretariat Glattal<br />
Sibylle Reinfried<br />
<strong>ETH</strong> Zürich/Geographisches Institut<br />
Hanspeter Ricklin .<br />
Ecodrive AG<br />
Reto R<strong>im</strong>athe<br />
<strong>ETH</strong> Zürich/Geographisches Institut<br />
Klaus Peter Rippe<br />
Ethikzentrum<br />
Angelo Rossi<br />
ORL <strong>ETH</strong> Zürich<br />
Ueli Roth<br />
Büro ur<br />
Bernhard Rüdisüli Ruegg<br />
Bauamt Zürich<br />
Thomas Ryffel<br />
Uster<br />
Silva Ruoss<br />
Architektin Zürich<br />
Giancarlo Salvagni<br />
Bata Oer!ikon<br />
Alfred Schäppi<br />
Lärminspektorat <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
RetoSchleiniger<br />
Universität Zürich<br />
Peter Schmid<br />
ABZ Baugenossenschaft<br />
Samuel Schmid<br />
Coop Schweiz<br />
Eva Schmidt<br />
Fachstelle für behindertengerechtes Bauen<br />
Schneider<br />
Büro Jud<br />
Franz Schriber<br />
Technische Berufsschule Zürich<br />
Renate Schubert<br />
<strong>ETH</strong> Zürich<br />
Patrick Schüepp<br />
Gossau ZH<br />
Raiher Schulin<br />
<strong>ETH</strong> Zürich/ITÖ<br />
Ursula Schwager<br />
Elternverein<br />
Rene Schwarzenbach<br />
EAWAG Dübendorf<br />
Werner <strong>Stadt</strong>mann<br />
<strong>Stadt</strong>poli~eiZürich<br />
Andreas Steiner<br />
Geschäftsleitung ABB Schweiz<br />
Christian Stern<br />
Technikum Rapperswil<br />
Michael Stocker<br />
Atelier Stern und Partner Zürich<br />
Peter Stirnemann<br />
<strong>Stadt</strong> ZürichNBZ<br />
Josef Studhalter<br />
Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Stefan Süess<br />
SKA/LGO<br />
Gerhard Suter<br />
LB Logistik Betriebe AG<br />
Hermann Suter<br />
Winterthur Versicherung<br />
J.L. Tardent<br />
Sondermülldeponie Kölliken<br />
Ralph Tiltscher<br />
Forum Vauban Freiburg i.Br.<br />
Hans Trachsel<br />
Merkur Immobilien Zürich<br />
Roger Trachsler<br />
Zürich<br />
Rol<strong>and</strong> Tremp<br />
STWAGChur<br />
Kar! Tschanz<br />
Umweltschutzfachstelle<br />
12<br />
UNS-Fallstudie '96
________________----,------- ----, Dank<br />
Markus U1rich<br />
EAWAG DUbendorf<br />
Walter Vetsch<br />
L<strong>and</strong>schaftsarchitekt BSLA Zürich<br />
Thomas von 8tokar<br />
Infras<br />
Charles Wägeli<br />
SchiittIer AG<br />
Bruno Walti<br />
Strasseninspektorat Zürich<br />
Hans-Urs Wanner<br />
<strong>ETH</strong> Zürich<br />
Martin Waser<br />
Verein zürifüfzg!<br />
Jakob Weber<br />
BDS Safety Management Baden<br />
Esther Weibel Waser<br />
Verein zürifüfzg!<br />
Anita Wenger<br />
Danzas<br />
Hans Widmer<br />
Oerlikon-Bührle Holding AG<br />
Dietrich Willi<br />
Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Erich Will.i<br />
VCS/Metron<br />
Doris Würsch<br />
Atelier 51<br />
ChristophWyss<br />
Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich/<strong>Stadt</strong>entwässerung<br />
.Herr Z<strong>im</strong>mermann<br />
Gewerbeverein Oerlikon<br />
Werner Zingg<br />
Örlike Cargo<br />
Richard Züger<br />
Katholische Kirchgemeinde/kirchliche Sozialarbeit<br />
Rainer Züst<br />
<strong>ETH</strong> Zürich/BWI<br />
Klaus Zweibrücken<br />
Metron<br />
Unser besonderer Dank gilt den Gutachtern und der<br />
Gutachterin der Berichte der Synthesegruppen. Dieses<br />
Jahr haben wir vor Drucklegung die einzelnen<br />
Kapitel von externen Fachleuten evaluieren lassen.<br />
Die Gutachter und die Gutachterin haben mit viel<br />
Sachverst<strong>and</strong> und mitunter grossem Zeitaufw<strong>and</strong><br />
die Texte kommentiert und fachlich bewertet. Noch<br />
einmal herzlichen Dank!<br />
Peter Baur<br />
Merkur Immobilien AG Zürich<br />
Alex Beck<br />
ABB Immobilien AG Baden<br />
Heinrich Brändli<br />
<strong>ETH</strong> Zürich<br />
Martina Brennecke<br />
Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Thomas Eberli<br />
Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich/<strong>Stadt</strong>entwässerung<br />
Klaus Fischli<br />
SIA Zürich<br />
Beat Grossmann<br />
AGW<br />
Peter Güller<br />
Raumplanungsbüro<br />
Richard He<strong>im</strong><br />
Hochbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Eduard Hoehn<br />
EAWAG Dübendorf<br />
Andreas Hofer<br />
Architekt Zürich<br />
Peter Krebs<br />
EAWAG Dübendorf<br />
Herbert Lang<br />
<strong>ETH</strong> Zürich<br />
Rene Lagler<br />
Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Fredy Leutert<br />
Stetten<br />
Ruedi Ott<br />
Tiefbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Hansjörg Pedrett<br />
ABB Immobilien AG<br />
Ueli Roth<br />
Büro ur<br />
Jürg Stäuble<br />
Heinrich Jäckli AG<br />
Christian Stern<br />
Technikum Rapperswil<br />
Richard Wolff<br />
<strong>ETH</strong> Zürich/Geografisches Institut<br />
Rainer Züst<br />
<strong>ETH</strong> Zürich/BWI<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
13
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>:<br />
Versuch· einer<br />
wirtschaftlichen Ökostadt<br />
Nachhaltige <strong>Stadt</strong>entwicklung als Gegenst<strong>and</strong> der Umweltnatllrwissenschaften<br />
Inhalt<br />
1. Einführung<br />
2. Ergebnisse<br />
3. Perspektiven<br />
17<br />
29<br />
38<br />
Autor<br />
Rol<strong>and</strong> W. Sellolz
Einleitung_-:... ---,- _<br />
16 UNS-Fallstudie '96
_______________________'-- '-- Einleitung<br />
1. Einführung<br />
1.1 <strong>Zentrum</strong>·Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN):<br />
Eine gesellschaftliche und<br />
wissenschaftliche Herausforderung<br />
1.1.1 ZZN: Das grösste <strong>Stadt</strong>elltwicklullgsprojekt der<br />
Schweiz<br />
Das <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN) stellt mit geplanten<br />
12'000 Arbeitsplätzen und Wohnungen für 5000 Personen<br />
gegenwärtig das grösste Industrie-Umnutzungsvorhaben<br />
der Schweiz dar. Das 63 Hektaren<br />
umfassende Gebiet liegt in verkehrsstrategisch günstiger<br />
Lage, zwischen Innenstadtkern und Flughafen<br />
Kloten mit Anschluss an den Wirtschaftsraum Glattal<br />
(siehe Abb. 1.1.1.1 und 1.1.1.2). Das Areal grenzt<br />
an den Bahnhof Oerlikon, der mit sechs S-Bahnlinien<br />
und 450 täglichen Zughalten (vgI. Röth, 1996,<br />
S. 2l)eine opt<strong>im</strong>ale Anbindung darstellt. Das Planungsgebiet<br />
in der Grössenordnung eines eigenen<br />
<strong>Stadt</strong>teils ist neben der City und dem Gebiet Hauptbahnhof-Hardbrücke-Altstetten<br />
zu einem von drei·<br />
<strong>Zentrum</strong>sgebieten der <strong>Stadt</strong> Zürich erklärt worden<br />
(Interessengemeinschaft Zürcher Unternehmen<br />
(IZU), 1996, S. 12).<br />
.Im Endausbau ist eine Geschossfläche von<br />
850'000 m 2 vorgesehen, wobei 29% für Wohnen, 33%<br />
für Industrie- und Gewerbe und 38% für Dienstleistungen<br />
geplant sind. Die Investitionskosten bis<br />
zum Endausbau belaufen sich auf eine Grössenordnung<br />
von 2 Milliarden Schweizer Franken (Roth,<br />
1996, S. 24). Den Zielvorstellungen des Entwicklungsleitbildes<br />
der Eigentümergemeinschaft . (vgI.<br />
Ruoss& Siress, 1994, S. 3), des Planers (Roth, 1996)<br />
und des Leitbildes des Vereins zürijüjzg! (1994)<br />
Abb. 1.1.1.1 Das <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> istein 63 Hektaren grossesAreal zwischen der Zürcher City unddem Flughafen Kloten. Die Fläche istgrijsscr als<br />
der Innenstadtkern undliegt in verkehrstechnischgünstigerLage. Es stellt die grösste von mehreren geplanten Umnutzungen von Industnearealen dar. *,itere<br />
Projekte sinddas Sulzer-Escher Wyss-Areal (1), das Steinfels-Areal (2), das Schöller-Areal(3) sowie der HauptbahnhofSüdwest (Eurogate (4)), wc/<br />
chervorwiegend eine Überbauungvon Gleisarealen darstellt (Luftbild: Photoswissair).<br />
UNS-Fallstudie '96 17
Einleitung, --'-__-,- _<br />
Abb. 1.1.1.2 Zentrom <strong>Zurich</strong> Area als Baustein der .Gentral European<br />
Business Location Greater <strong>Zurich</strong> Area» (aus ABB, 1996).<br />
folgend, wird <strong>im</strong> .ZZN ein «neuer, lebendiger, der<br />
Öffentlichkeit .allgemein. zugänglicher, weitgehend vom<br />
Privatverkehr befreiter, gemischt genutzter Innenstadtteil<br />
mit intensiver Park- und Alleendurchgrünung» (Roth,<br />
1996,. S. 24) angestrebt. Es h<strong>and</strong>elt sich somit, auch<br />
<strong>im</strong> europäischen Massstab um ein gigantisches Objekt<br />
mit ambitiösen Qualitätszielen, dessen Realisation eine<br />
gesellschaftliche Herausforderung und eine städte<br />
.bauliche Chance darstellt.<br />
Als gleichermassen ambitiös und umfassend können<br />
die Ziele der UNS-Fallstudie '96 betrachtet werden.<br />
Ihr Ziel ist es, <strong>im</strong> Rahmen der Entwicklung einer<br />
umfassenden ökologische,! Problemlösefähigkeit (siehe<br />
Kap. 1.2 STADTENTWIGKLUNG ALS GEGENSTAND DER<br />
UMWELTNATURWISSENSGHAFTEN;vgl. auch Scholz,1996)<br />
zu einer besseren und umweltgerechteren Gestaltung<br />
des Falls «ZZN» beizutragen. Bevor näher<br />
erläutert wird, was das genauer bedeutet, möchte ich<br />
den allgemeinen Gegenst<strong>and</strong> der UNS-Fallstudie '96,<br />
das Problem/eid <strong>Stadt</strong>entwicklung aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />
Sicht umreissen.<br />
1.1.2 <strong>Stadt</strong> als «Kulmination» menschlicher<br />
Entwicklung: Gefahr und/oder Chance<br />
Im Zusammenhang mit der UNS-Fallstudie '95<br />
«Industrieareal Sulzer-Escher Wyss: Umwelt und<br />
Bauen» (Scholz et al., 1996) haben wir Bauen als<br />
Hauptschlagader menschlicher Energie- und Stoffflüsse<br />
.bezeichnet. Bleibt man bei dieser Metapher,<br />
so ist die <strong>Stadt</strong> als <strong>Zentrum</strong> des stofflichen- und<br />
energetischen anthropogenen Kreislaufsystems ~ als<br />
Herz und Hirn ~ zu betrachten. Sie rückt damit<br />
zwangsläufig in den Mittelpu'nkt der ökologischen<br />
Betrachtung, der Frage nach einer integralen Prozesssteuerung<br />
und der Nachhaltigkeitskonzeption.<br />
Seit Gründung der ersten Städte ca. 7000 Jahre<br />
vor Christus hat sich die Zahl der Menschen in den<br />
letzten 10'000 Jahren um den Faktor 500 vervielfacht<br />
(Hotzan, 1994). Dabei leben über 80 Prozent<br />
der WesteuropäerInnen in städtischen Agglomerationen,<br />
von denen 150 mehr als 1 Million EinwohnerInnen<br />
haben (Cheshire & Hay, 1989; Deelstra, 1992).<br />
In der Schweiz sind heute über fünf Millionen<br />
Menschen in Städten oder Ballungsgebieten und<br />
nur knapp zwei Millionen in ländlichen Gebieten<br />
angesiedelt (Frey, 1996). Die Städte in den hochentwickelten<br />
Ländern sind für den «Löwenanteil» des<br />
Ressourcen- und Energieverbrauchs, der Stoff- und<br />
Abfallawine sowie des Schadstoffausstosses verantwortlich<br />
(vgl. v. Weizsäcker et. al., 1995; Meadows &<br />
Meadows, 1992). Das «Bewusstsein über die Krise<br />
der Städte» ist heute weit verbreitet. «Literatur und<br />
Film betonen vor allem die negativen Aspekte von<br />
<strong>Stadt</strong>entwicklungund urbanem Leben: Marginalisierung,<br />
Einsamkeit, Zerstörung, Aggression» (Frey,<br />
1996, S. 10). Hierfür gibt es eine Vielzahl von Gründen.<br />
Jedoch zeigen genauere Analysen <strong>im</strong> europäischen<br />
und <strong>im</strong> lokalen Rahmen qualitativ grosse<br />
Unterschiede in den Problemlagen (vgL Stren et al.,<br />
1992; Rossi & Steiger, 1996). Was für Neapel oder<br />
Saloniki wichtig ist (Deelstra, 1992, S.63) braucht<br />
für -ZÜrich und <strong>and</strong>ere Städte keine Bedeutung zu<br />
besitzen. Und die Entwicklungsprobleme sind in<br />
«Villenvierteln» <strong>and</strong>ers gelagert als in ehemaligen<br />
Indtistriequartieren.<br />
In Diskussionen über die Probleme der <strong>Stadt</strong> wird<br />
gelegentlich vergessen, dass eine gesellschaftliche<br />
Reproduktion und Weiterentwicklung ohne Städte<br />
und Agglomerationen undenkbar geworden ist. Um<br />
die Chancen der <strong>Stadt</strong>, ihre wirtschaftlichen, kulturellen<br />
und sozialen Potentiale zu nutzen, müssen<br />
jedoch die ökologischen Grundlagen und R<strong>and</strong>bedingungen<br />
berücksichtigt werden. Dies ist heute<br />
unbestritten und wird unabhängig von gesellschaftlichen<br />
Positionen vertreten. Erkannt wird auch, dass<br />
eine bessere Nutzung der <strong>Stadt</strong> zu einer ökologischen<br />
Opt<strong>im</strong>ierung bzgl. Ressourcenverbrauch beitragen<br />
kann und dass es hier gewisser Regelungen<br />
bedarf. So st<strong>and</strong> auf der lJNO-Konferenz Habit;t<br />
in diesem Jahr neben dem Thema «angemessene<br />
Unterkunft für alle» die Frage der «nachhaltigen<br />
Siedlungsentwicklung in einer urbanisierten Welt»<br />
(Jäggi, 1996, S. 73)<strong>im</strong> Mittelpunkt.<br />
Dort wo der Raum eng wird, bedarf es ordnender<br />
Strukturen. Dort wo die Ressource Erde knapp wird,<br />
ist es wichtig, an best<strong>im</strong>mten Stellen zu opfern und<br />
an <strong>and</strong>eren Stellen zu erhalten. Dies hat Lendi<br />
(1996) in einer Rede über «Das Recht des Lebens-<br />
18<br />
UNS-Fallstudie '96
__-'-_....,- ....,- Einleitung<br />
raumes und die gesellschaftlich-politische Verantwortung<br />
des Bauingenieurs» unter Bezug auf Worte<br />
Albert Schweizers wie folgt beschrieben: Von ihm<br />
(Schweizer) stammt «das liebliche und gleichzeitig<br />
unerhört starke Bild eines Bauern, der seine Wiese<br />
mit ihrer Blumenpracht mähen muss, um seine Tiere<br />
nähren zu können, aber auf dem He<strong>im</strong>weg keine<br />
einzige Blume achtlos zertreten darf...».<br />
Der Weg zu einer ökologisch nachhaltigen <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
ist aber keineswegs trivial. In seiner<br />
Schrift «Die Gestalt der postmodernen <strong>Stadt</strong>» stellt<br />
Fingerhuth(l996) fest, dass wir die Kriterien zur<br />
Bewertung der ökologischen Qualitäten von grossen<br />
Städten noch keineswegs kennen. «Auf der Ebene<br />
des Einzelnen, be<strong>im</strong> Bau seines Hauses oder bei<br />
seinem individuellen Verhalten» hingygen «ist die<br />
Suche einfacher. So erscheinen dort viel einfachere<br />
Bilder als bei der <strong>Stadt</strong>entwicklung» (Fingerhuth,<br />
1996, S. XI). Obwohl es schon bei grössere~ Gebäudekomplexen<br />
sehr schwierig wird, Beurteilungsmassstäbe<br />
für Umweltauswirkungen zu definieren,<br />
können hier analytische Instrumente und Synth,esewerkzeuge<br />
wie Ökobilailzen oder Stoffflussanalysen<br />
wertvolle Hilfe bieten. Dies konnte etwa in den<br />
Kapiteln Ökobilanzen oder Biotopfliichenindex des Berichts<br />
zur UNS-Fallstudie '95 «Industrieareal Sulzer<br />
Escher Wyss: Umwelt und Bauen» (Scholz et al.,<br />
1996) gezeigt werden.<br />
Bei einem Blick aufgrössere bauliche Systeme, wie<br />
etwa den <strong>Stadt</strong>teil <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> oder eine<br />
städtische Agglomeration, sind jedoch Bewertungsmassstäbe<br />
oder gar Instrumente zur Messung von<br />
Nachhaltigkeit (vgl. IDARio, 1995) ungleich schwieriger<br />
zu finden. Hier sind nicht nur «technische<br />
Fertigkeiten» sondern auch <strong>and</strong>ere Aspekte der<br />
ökologischen Problemlösefahigkeit gefordert: das<br />
«ganzheitliche Erkennen von guten bzw. schlechten<br />
Gestalten und Schieflagen».<br />
Das Erkennen von «Gestalten»<br />
ist selbst für das aus<br />
spieltheoretischer Sicht einfach<br />
strukturierte und wohldefinierte<br />
Spiel Schach (vgl. Burger, 1959)<br />
72 Tage<br />
von grundlegender Bedeutung.<br />
Gute SchachspielerInnen gewinnen<br />
ihre Spielstärke bekanntlich<br />
nicht dadurch, dass<br />
sie schneller und mehr rechnen<br />
als ihre GegnerInnen (oder der<br />
Computer). Wichtig ist für sie,<br />
dass Harmonie, Struktur und die 1991<br />
Koordination der Figuren st<strong>im</strong>men<br />
(Karpow, 1996, S. 50).<br />
Der strukturelle ganzheitliche<br />
Aspekt ist für einen sinnhaften<br />
Beitrag der Umweltnaturwissen-<br />
(a)<br />
Durchlaufzeit (Beispiel Transformer)<br />
schaftenzum Fall «ZZN» notwendig. Für eine qualitativ<br />
hochstehende, zukunftsfahige <strong>Stadt</strong> sind neue<br />
Konzepte notwendig. Dies gilt auch· für Zürich,<br />
welches nach Maurer (1996) in der <strong>Stadt</strong>planung<br />
in den 70er Jahren aufgehört habe, neue Ideen zu<br />
entwickeln. Eine neue Idee ist sicher die oben angeführte<br />
Bildung von drei urbanen Zentren in Zürich.<br />
Um zu verhindern, dass Zürich zu einem «unregierbaren<br />
~onster» verkommt, ist eine geplante Untergliederung<br />
in «kleine Städte» sinnvoll, die zum<br />
Beispiel bezogen auf Verkehrserschliessung zu opt<strong>im</strong>ieren<br />
sind. Dies bedarf ~ wie von verschiedener<br />
Seite betont wird (vgl. etwa Koch, 1993) - einer<br />
gewissen Zeit.<br />
1.1.3 Die Rolle von (ehemaligen) Indllstriearealen<br />
Dem richtigen und verantwortungsvollen Umgang<br />
mit Industriebrachen kommt <strong>im</strong> Prozess ökologischer<br />
Problemlösung eine grosse Rolle zu. Nach Schätzungen<br />
(vgl. Schweizer et al., 1994) können in der<br />
Schweiz in den nächsten Jahren 20-40 km 2 einer<br />
neuen Nutzung übergeben werden. Allein <strong>im</strong> Kanton<br />
Zürich gibt es gegenwärtig 36 Areale mit einer<br />
Grundstücksfläche von jeweils über einer Hektare,<br />
die brach liegen oder sich in Uinnutzung befinden.<br />
Zusammen ergeben sie eine Fläche von 1,8 km 2<br />
(Cash, 1996). Grund dafür ist, dass sich heute die<br />
Industriegesellschaft in, den westlichen Ländern<br />
nach knapp zwei Jahrhunderten in einem ähnlich<br />
tiefgreifenden W<strong>and</strong>el befindet, wie er die Industrialisierung<br />
selbst darstellte. Die Miniaturisierung der<br />
.Produktion, schnellere Durchlaufzeiten, Auslagerung<br />
der Produktion in Billiglohnländer, «Outsourcing»,<br />
«Desk-Sharing» usw. haben auch <strong>im</strong> Falle<br />
der Asea Brown Boweri AG (ABB) und der <strong>and</strong>eren<br />
auf dem ZZN ansässigen Industrieunternehmen<br />
zur Freisetzung der Fläehen geführt (Fagetti, 1996;<br />
48 Tage<br />
1996<br />
. (b)<br />
Fertigungstiefe<br />
1960<br />
1996<br />
(c)<br />
Beschäftigte<br />
D .White Collar.<br />
[3 «Blu& Collar»<br />
1960<br />
Abb. 1.1.3.1 Ursachen und Folgen des Freiwerdens von Industriearealen auf dem Gebiet .ZZN».<br />
Verkürzte Durchlaufzeiten (a) und geringere Fertigungstiefe (b) sind zwei wesentliche Faktoren für<br />
weniger Beschäftigte in der industriellen Produktion für die ABB am St<strong>and</strong>ort Zürich (c). Durch neue<br />
Technologien resultieren auch aufder Produktionsseite z.T. Raumeinsparongen um ein bis zwei Zehnerpotenzen<br />
(Quelle: ABB Immobilien AG).<br />
1996<br />
UNS-Fallstudie '96 19.
Eiilleitung --<br />
um 1850<br />
<strong>Stadt</strong>ökologie Zürich <strong>Nord</strong><br />
Bodennutzung<br />
um 1900<br />
Per<strong>im</strong>eter UNS-Fallstudie<br />
um 1940<br />
um 1970<br />
um 1990<br />
Abb. 1.1.3.2 Bodenverbrauch und Bodennutzung in Zürich <strong>Nord</strong><br />
(Aus Reinfried & R<strong>im</strong>atht, 1995, Geographische Fallstudie der<br />
<strong>ETH</strong>). Dos Areal ZZN war ursprünglich ein Feuchtgebiet. Mit<br />
fortschreitender Industrialisierung wurde es drainiert und mit<br />
Industrieabföllen aufgefüllt. Deutlich erkennbar. ist der rapide<br />
Flöchenverorauch zwischen 1940 und 1970. Eine Umnutzung der<br />
Industrieflöchen ermöglicht eine Reduktion weiteren L<strong>and</strong>verbrauchs.<br />
20<br />
UNS-Fallstudie '96
_____~<br />
Einleitung<br />
Pedrett & Kühni, 1996; vgl. Abb. 1.1.3.1). Nach<br />
Schätzungen können «bis ins Jahr 2005 umgenutzte<br />
Industrieflächen bis zu 50% des geschätzten Neubaubedarfs<br />
von Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen<br />
und Wohnen abdecken.» (IZU; 1996, S. 22). Damit<br />
kann potentiell ein wichtiger Beitrag geleistet<br />
werden, um den seit Anfang der 50er Jahre <strong>and</strong>auernden<br />
Prozess der Bodenversiegelung durch<br />
Bauen zu reduzieren. Berücksichtigt man, dass in der<br />
Schweiz bis Anfang der 90er Jahre jährlich 26 km z<br />
gewachsener Boden der L<strong>and</strong>wirtschaft entzogen<br />
und versiegelt wurde (Heeb et. al., 1990; vgl. Abb.<br />
1.1.3.2) und dass sich dieser Prozess durch die<br />
gegenwärtige Rezession etwas verlangsamt hat, so<br />
bieten die freiwerdenden Industrieflächen auch<br />
mittelfristig eine gute Chance. Gefragt ist hier eine<br />
haushälterische Bodennutzung, bei welcher einem<br />
Flächenrecycling eine zentrale Rolle zukommt (vgl.<br />
Abb. 1.1.3.3).<br />
Der Umgang mit ehemaligen Industriearealen ist<br />
ein Gradmesser für das Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein<br />
einer Gesellschaft. Industrieflächen<br />
wie das ZZN-Areal sind seit jeher Senken<br />
für Schadstoffe gewesen.' Teils aus Unwissen,<br />
Unachtsamkeit und Bequemlichkeit oder aber um<br />
Kosten zu sparen, wurden Abfälle aus der Produktion<br />
unkontrolliert auf dem ehemaligen Feuchtbiotop<br />
Stierenried abgelagert (siehe Kap. ALTLASTEN), die<br />
Abb.l.l.3.3 Das Flächenrecyclingvon Industriearealen bietet<br />
eine gute Chance für eine Reduktion des Bodenverbrauchs.<br />
Leider wird diese Möglichkeit häufig vergeben. Die Abb. zeigt<br />
ein typisches negatives Beispiel aus Bitterfeld (Sachsen<br />
Anhalt). Ein neues Chemiewerk wurdehier1991 aufökologisch<br />
we11Volle Flächen in die Wiesen undAuenl<strong>and</strong>schaftderMulde<br />
.gesetzt. In unmittelbarer Nähe befinden sich mehrere Dutzend<br />
Hektaren Industriebrachen, die nun vermutlich grösstenteils<br />
langfristig ungenutzt bleiben werden (Luftbild: L<strong>and</strong>esamtf<br />
L<strong>and</strong>esvermessung u. Datenverarbeitung Sachsen-Anhalt).<br />
UNS-Fcillstudie '96<br />
21
Einleitung_~ ....:... .........;. _<br />
Abb.l.l.3.4 EinzusätzlicherRaumverbrauch<br />
konnte bei der Errichtung<br />
der neuen Büro- und Produktionsanlagen<br />
TORO I und II pemindert<br />
werden. Als «Preis. musste dafür eine<br />
Altlastensanierung bzw. -sicherung<br />
«bezahlt. werden. Trotz der Altlastenproblematik<br />
konnte TORO I in<br />
der Rekordbauzeit von 18 Monaten<br />
erstellt werden (Bild: Michael Meier).<br />
heute als Altlasten zu beseitigen sind. Hinzu kommen<br />
Emissionen von Kohlenwasserstoffen, Schmierund<br />
Lösungsmitteln usw. an den St<strong>and</strong>orten der<br />
Anlagen. Im <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> umfasst das<br />
Altlasrendepot eine bis zu sechs Meter mächtige<br />
Schicht mit etwa 350'000 m3.<br />
Die Flächenentwicklung der Städte führte vieler~<br />
orts dazu, dass ehemals an den Siedlungsrändern<br />
erstellte Industrieanlagen heute in zentrumsnahen<br />
<strong>Stadt</strong>bereichen liegen. Sie besitzen Gleisanschlüsse<br />
und liegen in relativer Nähe zu den grossen Bahnhöfen.<br />
Deshalh ist es kein Zufall, dass heute in<br />
vielen Grossstädten «hi'mer dem Bahnhof aufgeräumt<br />
wird».<br />
Be~in<br />
Zürich<br />
Hamburg<br />
Düsseldarfliii~:=J~~~l~~j~~J<br />
München<br />
Frankfurta. M.<br />
Vancoulier<br />
Mantraal·<br />
0% 5% 10% 15% 20% 25%<br />
Leerst<strong>and</strong>squole<br />
Abb. 1.1.4 Leerst<strong>and</strong>squoten von Büroflächen in ausgewählten Städten,<br />
1994. Die Leerst<strong>and</strong>squote in der <strong>Stadt</strong> Zürich befindet sich international<br />
aufleicht unterdurchschnittlichem Niveau. Jedoch zeigen sich in der <strong>Stadt</strong><br />
und <strong>im</strong> Kanton lokal unterschiedliche Schwankungen. Der <strong>Stadt</strong>teil Oerlikon<br />
liegt gegenwärtig <strong>im</strong> Durchschnitt (vgl. IZU, 1996, S.ll). Interessant<br />
sindauch die Schwankungen der Immobilienpreise <strong>im</strong> internationalen Wirgleich.<br />
Währendetwa die Geböudewerte in Luxemburg undParis in der Zeit<br />
von Juni 95 bis Juni 96 <strong>im</strong> Durchschnitt zwischen 10 bis 15 Prozent<br />
gesunken sind, finden sich in Amsterdam und Stockholm <strong>im</strong> gleichen Zeitabschnitt<br />
Steigerungen um über 10 Prozent (Jones et al., 1996).<br />
Durch ihre Lage Und Erschliessung ermöglichen<br />
. diese Areale die Umsetzung neuer, umweltverträglicher<br />
Verkehrskonzepte (vgl. Brändli & Bollinger,<br />
1996)~ Eine Senkung der mobilitätsbedingten Emissionen<br />
wird jedoch besser durch eine geeignete<br />
räumliche Struktur, durch «Kon-jigur-ation» von Arbeiten,<br />
Wohnen und entsprechenderInfrastruktur erreicht,<br />
d.h. durch avai/abi/ty instead of mobi/ity. Schliesslich<br />
erlaubt die Neugestaltung von Industrieflächen<br />
stellenweise eine Revitalisierung von versiegeltem<br />
L<strong>and</strong>.<br />
1.1.4 ZZN: Konlnrrrenzobjekt, wirtschaftlicher Motor<br />
und Schlüssel für eine ökologische Opt<strong>im</strong>ierung<br />
Die Entwicklung des ZZN steht lokal und global<br />
in einem Konkurrenzkampf um NutzerInnen und<br />
Investorlnnen.. Der fundamentale Strukturwa'ndel<br />
in Produktion und Wirtschaft hat zu einem Überangebot<br />
an Nutzflächen geführt. In allen westlichen<br />
Industrieländern sind erhebliche Überkapazitäten an<br />
Werkhallen, Fabrikhallen und insbesond~rean Büros<br />
vorh<strong>and</strong>en (vgl. Abb. 1.1.4).<br />
In der <strong>Stadt</strong> Zürich liegen weit über die Hälfte der<br />
leerstehenden Flächen in den sogenannten Industriezonen.<br />
Hinzu kommen· Grossprojekte in Warteposition<br />
(vgl. auch Abb.1.1.L1): Gegenwärtig befinden<br />
sich neben dem ZZN ein Teil des Sulzer-Escher<br />
Wyss-Areals mit einer Bruttogeschossfläche (BGF)<br />
von rund 180'000 m Z und der HauptbahnhofSüdwest<br />
(Eurogate) mit 242'000 m Z BGF in der Planung. In<br />
dem <strong>im</strong> Jahre 1990fertiggesteUten Technopark konnte<br />
erst etwas mehr als die Hälfte der über 50'000 m Z<br />
vermietet werden. Andere Grossprojekte, wie die<br />
22 UNS-Fallstudie '96
______________________________....,... --'-_....,... Einleitung<br />
Abb. 1.1.5 Die Riege der traditionellen <strong>Stadt</strong>entwicklung hoben sich bis anhin in grondsiitzlichen Fragen des Mitein<strong>and</strong>ers von Natur, sozialen Bedürfnissen<br />
undbaulicher Verdichtung als wenig nachhaltigerwiesen. Das «Zentrom Zürich <strong>Nord</strong>» als Versuch einer wirtschaftlichen Ökostadthathier die Chance,<br />
als Modellfür neue Vorstellungen und Visionen entwickelt zu werden (Bild: veriindert nach Horst Haitzinger).<br />
UNS-Fallstudie '96 23
Einleitung -.,..__-'- _<br />
Überbauung des Schöller-Areals befinden sich in<br />
teilweise fortgeschrittenen Phasen der Planung.<br />
Bei, diesem Marktangebot kÖ,nnte der Schluss<br />
naheliegen, dass ökologische Anliegen auf der<br />
Strecke bleiben müssen. Wie die Ausführungen in<br />
diesem B<strong>and</strong> zeigen, h<strong>and</strong>elt es sich dabei um einen<br />
Fehlschluss. So kommt die von der Interessengemeinschaft<br />
Zürcher Unternehmen durchgeführte<br />
Marktanalyse über Leerst<strong>and</strong>srisikenzu der These:<br />
«Die härteren Marktbedingungen <strong>im</strong> Immobiliensektor<br />
führen zu höheren Anforderungen an die<br />
angebotenen Objekte...» (IZU, 1996, S. 25). Wie bereits<br />
in der Fallstudie '95 zum «Industrieareal Sulzer<br />
Escher Wyss» abgeleitet wurde und durch Markterfahrungen<br />
mit diesem Objekt bestätigt werden<br />
konnte, besitzen Objekte nur dann eine gute unddauerhafte<br />
Marktchance, wenn sie ökologische Gesichtspunkte<br />
. beachten undeine gewisse ökologische Qualität nachweisen<br />
können.<br />
1.1.5 Die wirtschaftliche Ökostadt «ZZN» als Vision<br />
Die ABB-Schweiz hat sich bereits vor einigen Jahren<br />
(Badener Tagblatt, 1993) zur systematischen Einbeziehung<br />
ökoiogischer Aspekte bei der Umgestaltung<br />
ihrer Industrieareale bekannt. Im Zusammenhang<br />
mit Überlegungen zur Neugestaltung der Industrieareale<br />
in Baden wurde die Vision der wirtschaftlichen<br />
Ökostadt geprägt. Unter der wirtschaftlichen Ökostadt<br />
ist eine neue Qualität von <strong>Stadt</strong> und gesellschaftlicher<br />
Praxis zu verstehen. In ihr gibt es, neben<br />
gewissen Fixpunkten für Wohnen, Arbeiten und<br />
Öffentlichkeit, Platz für alle Bedürfnisse einer'<br />
«neuen, eigentlich wiederentdeckten Einheit von<br />
Arbeits-, Wohn- und Lebensraum» (vgI. auch Abb.<br />
1.1.5). «In der Ökostadt drücken die Umweltbewussten<br />
der <strong>Stadt</strong> den Stempel auf. Ziel ist die konsequente'<br />
und effiziente Erhöhung der urbanen<br />
Lebensqualität mit technischen, organisatorischen<br />
und wirtschaftlichen Massnahmen. Über unkonventionelle<br />
Verkehrslösurigen wird nicht nur geredet; sie<br />
werden auch auf breiter Front verwirklicht.» (Frey,<br />
1996, S. 19).<br />
Um diese Einheiten auf die Zielsetzung der<br />
Nachhaltigkeit auszurichten und' die Vision der<br />
wirtschaftlichen Ökostadt zu realisieren, «braucht es<br />
Unternehmen, die sich zu einem umwelt- und ressourcengerechten<br />
Wachstum verpflichten» (Sornm,<br />
1996) und die wirtschaftlichen Vorteile nut'zen, die<br />
sich aus einer umweltverträglichen Produktions- und<br />
Lebensweise ergeben können. Dies ist von der ABB<br />
auch auf internationaler und nationaler Ebene durch<br />
einschlägige Erklärungen erfolgt: «Eco-efficiency<br />
combines ecology <strong>and</strong> economy <strong>and</strong> translates the<br />
vision of, sustainable development into a process of<br />
continually <strong>im</strong>proving both environmental perfor-<br />
mance <strong>and</strong> business performance...» (ABB, 1996,<br />
S.5). Aus diesen Aussagen wird klar, dass Umweltqualität<br />
wirtschaftlich genutzt werden kann, und<br />
Eco-efficiency als ein zukunftsweisendes dynamisches<br />
«Marketingkonzept» dienen kann. Bezüglich der<br />
Umsetzung dieses visionären Ansatzes hat sich in<br />
der. Fallstudienarbeit bestätigt, was von Somm (in<br />
Pfister, 1992) schon früh erkannt worden war: nämlich,<br />
dass der Prozess in Zürich-Oerlikon insofern<br />
'erschwert wird, als die ABB hier nur rund 50%<br />
der Grundfläche besitzt und nicht von allen <strong>and</strong>eren<br />
Eigentümerlnnen der gleiche Typ von zeitgemässer<br />
Unternehmenspolitik betrieben wird.<br />
1.2 ' <strong>Stadt</strong>entwicklllng als Gegenst<strong>and</strong><br />
der Umweltnatllrwissenschaften:<br />
Ein Missverständnis?<br />
Bei der Vorstellung der Themen der UNS-Fallstudie<br />
'95 «Umwelt und Bauen» des Vorjahrs sowie der<br />
diesjährigen Fallstudie bin ich wiederholt auf deutlich<br />
sichtbare Reaktionen gestossen, die von leichter<br />
Überraschung bis zu konsterniertem Unverständnis<br />
reichten. Deshäufigeren bin ich ~odann mit der<br />
Bemerkungen konfrontiert worden: «Bauen und<br />
<strong>Stadt</strong>entwicklungseien ja wohl nicht die typischen<br />
Gegenstände der Umweltnaturwissenschaften... ».<br />
Solche Aussagen signalisieren einigen Klärungsbedarf.<br />
Ich habe einige Zeit gebraucht, um plausible<br />
Erklärungen für die zu beobachtende Überraschung<br />
zu finden. Heute bin ich überzeugt, dass dem in<br />
der Aussage sichtbar werdenden Unverständnis eine<br />
unglückliche Verkürzung oder gar Torsion des Wortes<br />
«Umweltnaturwissenschaften» zugrunde liegt.<br />
«Umweltnaturwissenschaften» wird offenbar zur<br />
«Wissenschaft von Umwelt und Natur» uminterpretiert,<br />
wobei es wahrscheinlich erscheint, das die<br />
Interpretation mit einem verengten Begriff von<br />
Umwelt und einem verklärten Naturverständnis einhergeht.<br />
Dabei müssen sich die Umweltwissenschafterlnnen<br />
gleichermassen wie UmweltschützerInnen<br />
(Walljasper, 1995) «an die eigene Nase packen». Es<br />
ist bezeichnend, dass in dem umfangreichsten H<strong>and</strong>buch<br />
der interdisziplinären «Umweltwissenschaften<br />
und Umweltmanagement» (O'Riordan, 1994/1995)<br />
<strong>Stadt</strong> und urbane Entwicklung nicht beh<strong>and</strong>elt werden<br />
oder in der letztjährigen Fallstudie zum «Industrieareal<br />
Sulzer-Escher Wyss» keine lJmweltschutzverbände<br />
ausfindig gemacht werden konnten, die sich<br />
der Revitalisierung von Industriebrachen widmeten.<br />
Wie lassen sich nun aber Ziel und Gegenst<strong>and</strong><br />
der Umweltnaturwissenschaften und der UNS-Fallstudie<br />
beschreiben und was bedeuten sie für die<br />
Fallstudie «ZZN: <strong>Stadt</strong> <strong>im</strong> <strong>Aufbruch</strong>»?<br />
24<br />
UNS·Fallstudie '96
__,--- ---.,..._--'--'- .,..- --'- ---'- Einleitung<br />
-Ein Hauptziel der Umweltnaturwissenschaften in<br />
Forschung und Lehre bildet die ökologische Problemlösejähigkeit<br />
(vgl. Frischknecht, 1994; Imboden, 1995,<br />
S; 5). Diese wird wie folgt umschrieben:<br />
«Die Ausbildung vermittelt die Fähigkeit, ausgehend<br />
von einer naturwissenscbaftlichen Analyse<br />
der Systeme Wasser, Boden und Luft, die Wechselwirkungen<br />
zwischen diesen Systemen und<br />
der Biosphäre und Anthroposphäre zu verstehen.<br />
Dabei werden die ökologischen Nebenfolgen<br />
menschlicher Aktivitäten und Technologien mitbedacht.<br />
Dies erfordert eine jnterdisziplinäre<br />
Arbeitsweise, die neben den Naturwissenschaften<br />
auch Sozial- und Geisteswissenschaften<br />
sowie die Umwelttechnik einschliesst. Eine besondere<br />
Qualifikation besteht in der Kommunikationsfähigkeit,<br />
die sich vor allem <strong>im</strong> Umgang<br />
. mit Betroffenen <strong>im</strong> Falle von Zielkonflikten bewährt.»<br />
Die umweltnatur- und umweltsozialwissenschaftliche<br />
Fallstudie ist der Kern des Hauptstudiums.<br />
Zentral für die Ausrichtung und Themenwahl der<br />
Fallstudie ist die Zielvorgabe:<br />
«Die UNS-Fallstudie beschäftigt sich mit einem<br />
realen, komplexen Problem, bei dem Umweltfragen<br />
zentral sind. Wichtig ist, dass sich die<br />
Problemstellung der Fallstudie nicht mit einem<br />
einfachen Ja oder Nein beantworten oder mit<br />
einem bekannten Lösungsalgorithmus bearbeiten<br />
lässt. Fallstudien beh<strong>and</strong>eln somit sogenannte<br />
«ill-defined problems» (siehe Abb. 1.2).<br />
Aufgabe<br />
Ausgangs- und Zielzust<strong>and</strong> be<br />
_kannt, Anwendung bekannter<br />
Problemlösemechanismen.<br />
Problem<br />
Bekannter bzw. eindeutig<br />
definierter Ausgangs- und<br />
Zielzust<strong>and</strong>, zur Problemlösung<br />
müssen teilweise neue<br />
Methoden entwickelt werden.<br />
III-defined Problem<br />
Der Ausgangszust<strong>and</strong> kann nur<br />
vage beschrieben werden, das<br />
Ziel ist nicht vollständig bzw. eindeutig<br />
beschreibbar, und es ist<br />
häufig nicht klar, welcher Typ<br />
von Barriere zu überwinden ist.<br />
Anwendung bekannter<br />
Lösungsmechanismen<br />
/\/\<br />
/L\~<br />
• '/ V'"<br />
J J-<br />
, Barriere}<br />
Abb. 1.2 Wesentlich für die ökologische Problemlösefähigkeit ist der Umgang mit .ill-defined<br />
Problems». Das Problem .<strong>Stadt</strong>entwicklung» istein typisches Beispieldafür. Wir wissen nichtgenau,<br />
was unterdem Zielzust<strong>and</strong>, d.h. einer.nachhaltigen <strong>Stadt</strong>» zu verstehen ist, wirkennen den Typ von<br />
Barriere, der zu überwinden ist, um eine.nachhaltige Siadt» zu erreichen, nicht genau. Schliesslich<br />
isthäufig schon der Ausgangszust<strong>and</strong> nicht schaifeifassbar, d.h. wir wissen nicht genau, wie.nachhaltig»<br />
oder.unnachhaltig». eine best<strong>im</strong>mte <strong>Stadt</strong> ist.<br />
<strong>Stadt</strong>en'twicklung ist als idealer Gegenst<strong>and</strong> für<br />
eineUNS~Fal1studiezu betrachten. Die <strong>Stadt</strong> steht<br />
als anthropogenes System mitden Umweltsystemen<br />
Wasser, Boden und Luft in kritischen Wechselbeziehungen<br />
(s.o.). Durch die Art und Weise der <strong>Stadt</strong>gestaltung<br />
werden Flächenversiegelung, Mobilität und<br />
Lebensräum:e von Tieren und Pflanzen best<strong>im</strong>mt.<br />
Die Zielgrösse sustainable city umfasst die Konzeption<br />
der healthy city (vgl. Oe Weerdt et al., 1996, S. 299ff;<br />
WHO, 1988) und damit Fragen zu Mensch-Umwelt<br />
Beziehungen, wie sie in der Umwe!thygiene beh<strong>and</strong>elt<br />
werden. Die Auswirkungen der <strong>Stadt</strong> auf Umwelt<br />
und Mensch sind jedoch nicht nur absolut, sondern<br />
relativ zu betrachten. Die Frage, wieviel <strong>Stadt</strong>unsere<br />
Umwelt verträgt, um ihre Zukunftsfähigkeit zu bewahren<br />
(oder wiederzuerlangen) ist nicht neu (vgl.<br />
Vester, 1988), jedoch nach wie vor von wachsender<br />
Bedeutung. Die Zukunft von hochverdichteten Räumen,<br />
etwa dem Schweizer Mittell<strong>and</strong>, ist entscheidend<br />
von der Planung des menschlichen Lebensraums<br />
in den Städten abhängig. Umweltnaturwissenschaftliche<br />
Fragestellungen betreffen hier sowohl<br />
die Erfassung, die Bewertung und die Steuerung von<br />
Umwe!tsystemen. Durch Fragen wie:<br />
«Was müssen wir wissen und welche Daten müssen wir<br />
erheben, um eine Aussage darüber machen zu können, wie<br />
unnachhaltig oder nachhaltig ein System ist?» oder «Wieviel<br />
Natur verträgt oder benötigt eine <strong>Stadt</strong>?» werden<br />
typische umweltnaturwissenschaftliche Forschungsfragen<br />
definiert.<br />
Die in dieser Fallstudie <strong>im</strong> Mittelpunkt stehenden<br />
Fragen der Bewertung von Umwe!tqualitäten erfordern<br />
die Verbindung von sozial- und naturwissenschaftlichen<br />
Methoden,<br />
wie sie für die UNS-Fallstudien<br />
typisch sind (vgl. Scholz & Tietje,<br />
1996). Ein besonders schwieriges<br />
und mit der Bewertungsfrage verknüpftes<br />
«ill-defined problem» ist<br />
durch die Zie!dejinitiQn und Zie!<br />
erreichung gegeben (siehe Abb. 1.2).<br />
So wissen wir heute nicht genau,<br />
wie eine nachhaltige <strong>Stadt</strong> aussieht.<br />
Auch wissen wir nicht, aufweichen<br />
Typ von Barriere wir treffen, um<br />
eine nachhaltige'<strong>Stadt</strong> zurealisieren.<br />
Bedarf es zusätzlichen naturwissenschaftlichen<br />
.Wissens oder<br />
neuer Technologien um Nachhaltigkeit<br />
zu erreichen, oder liegt der<br />
Schlüssel zu einer Zukunftsfähigkeit<br />
in den Sozialen Systemen?<br />
Die UmweltnaturwissenschafterInnen<br />
werden in Ihrem Studium<br />
auf den Umgang mit «ill-defined<br />
problems» vorbereitet. Im Mittel-<br />
UNS-Fallstudie '96 25
Einleitung -'--- _<br />
Theorie der fallstudie<br />
Kosten'l.2 Die TrägerInnen der Follstut/.ie.<br />
punkt der Ausbildung steht der Umgang mit komplexen<br />
Umweltsystemen. Die Ausbildung beinhaltet<br />
neben naturwissenschaftlichen Grundlagen und der<br />
Ausbiidung <strong>im</strong> Umgang mit komplexen Systemen<br />
schon ab dem ersten Semester sozialwissenschaftliche<br />
Inhalte und Methoden; Darüber hinaus sind<br />
UmweltnaturwissenschafterInnen als Spezialisten<br />
für Stoff- und Energieflüsse und deren Bewertung<br />
sowie für bioökologische Qualität zu .betrachten<br />
(genauere Angaben zum Studiengang finden sich <strong>im</strong><br />
Kap. ORGANISATION und in Frischknecht, 1996).<br />
Das Thema «ZZN: <strong>Stadt</strong> <strong>im</strong> <strong>Aufbruch</strong>, Bausteine<br />
für eine nachhaltige <strong>Stadt</strong>entwicklung» wurde für<br />
die Zielsetzungen der Fallstudie und die Entwicklung<br />
der ökologischen Problemlösefähigkeit als geeignet<br />
befunden (vgI. Unterkap. 1 ZIELSETZUNG <strong>im</strong><br />
Kap. ORGANISATION). Mitausschlaggebend war das<br />
Interesse und die Bereitschaft von einigen Hauptakteuren<br />
des Falls, in einen kooperativen Prozess<br />
zu treten. So wurde von einigen EigentümerInnen<br />
(insbesondere derABB), der,<strong>Stadt</strong> Zürich sowie dem<br />
Vereinzürifüfzg! schon früh signalisiert, dass sie an<br />
dem in der Fallstudie angestrebten Typ der Kooperation<br />
von Wissenschaft und Praxis interessiert seien<br />
und sich durch die Zusammenarbeit eine gegenseitige<br />
Kompetenzerweiterung versprechen.<br />
1.3 Wissensintegration: Theorie, Methodik,<br />
Organisation und Architektur<br />
. ,<br />
Die UNS-Fallstudie ist zugleich Gegenst<strong>and</strong> und<br />
Instrument der Entwicklung der ökologischen Problemlösefähigkeit.<br />
Als Instrument besitzt sie eine<br />
• Theorie,<br />
• Methodik und<br />
• Organisation.<br />
Die Theorie der Fallstudie wurde zu Beginn derNeugestaltung<br />
der Fallstudie der Abteilung Umweltnaturwissenschaften<br />
<strong>im</strong> Jahre 1993 zunächst in Form<br />
von allgemeinen Prinzipien formuliert. Diese Prinzipien<br />
stellen Grundsätze der- Erkenntnisgewinnung,<br />
der Methodik und der Arbeitsweise dar, die in den<br />
UNS-Fallstudien angew<strong>and</strong>t werden sollen. Die wichtigsten<br />
lauten:<br />
PI Erhaltung der Komplexität und Ganzheitlichkeit des<br />
Falls,<br />
P2 Erkenntnisgewinnung durch Rekonstruktion der Veränderung,<br />
P3 Integration von Wissen aller Beteiligten an der Fallstudie.<br />
Eine ausführliche Beschreibung dieser und weiterer<br />
Prinzipien findet sich in Scholz (1995) sowie Scholz<br />
& Frischknecht (1995).<br />
Methoden der fallstudie<br />
Die Methoden der Fallstudie 'stellen Verfahren der<br />
Wissensintegration dar, welche in den sogenannten<br />
Synthesegruppen angew<strong>and</strong>t wurden (vgI. Kap. ORGANI<br />
·SATION). Wir unterscheiden vier verschiedene Typen<br />
von Wissensintegration:<br />
a)Integration von Wissen verschiedener wissenschaftlicher<br />
Disziplinen (d.h. Interdisziplinarität),<br />
b)Wissen über verschiedene Umweltsysteme(d.h.<br />
systemische Ganzheitlichkeit),<br />
c)Wissen aus verschiedenen gesellschaftlichen Interessengruppen,<br />
d)verschiedene Qualitäten von Wissen, die in einem<br />
Individuum oder in Gruppen der Gesellschaft<br />
vorh<strong>and</strong>en sind (z.B. Integration von intuitivem<br />
und analytis~hemWissen).<br />
Die Methoden wurden teils eigens für die Fallstudie<br />
entwickelt oder weiterentwick~lt, teils aus dem<br />
Best<strong>and</strong> interdisziplinärer umweltwissenschaftlicher<br />
Methoden adaptiert, teils übernommen aus dem<br />
Reservoir natur- und ingenieurwissenschaftlicher<br />
Methoden sowie aus den Sozialwissenschaften und'<br />
dem Projektmanagement. Das Inventar umfasst,<br />
ausgehend von der naturwissenschaftlichen beobachtenden<br />
und exper<strong>im</strong>entellen Datenanalyse, die<br />
Modellentwicklung (Systemdynamische Modelle,<br />
Stoffflussanalyse, Ökobilanzierung), die Statistik,<br />
Sensitivitäts- und Fehleranalyse, etc. bis zu den<br />
sozialwissenschaftlichen Umfragetechniken. Als spezifische<br />
Fallstudienmethoden betrachtet werden die<br />
• Formative Szenarioanalyse<br />
• Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen<br />
• Multiattributive oder Multikriterielle Entscheidungstheorie<br />
(MAUT)<br />
• Risiko-H<strong>and</strong>lungs-Modell<br />
26<br />
UNS-Fallstudie '96
------- ~----------------_----~-Einleitung<br />
• Ideenwerkstatt<br />
• Synthese-Moderations-Techniken.<br />
Eine ausführliche Darstellung der Methoden findet<br />
sich in Scholz & Tietje (1996).<br />
Das Methodenspektrum wird fortlaufend erweitert<br />
und verändert, einzelne Methoden werden auf ganz<br />
verschiedenen Ebenen genutzt (z.B. Systemdynami<br />
, sche Modellierung als Hard Modelzur Wasserhaushaltsmodellierung<br />
sowie als Soft Model zur Quantifizierung<br />
von Einflussgrössen einer Szenarioanalyse).<br />
Nach meinem Ermessen besteht die Errungenschaft<br />
und Chance der Fallstudienarbeit gerade in<br />
der Fokussierung auf die methodengeleitete Syntheseleistung.<br />
Arbeitseinheit in der Fallstudie ist die<br />
Synthesegruppe, die aus ca. 20 Studierenden und fünf<br />
, FachtutorInnen besteht. Da jede Synthesegruppe<br />
sich auf einen eigenen thematischen Schwerpunkt<br />
(z.B. Altlasteri) bezieht, wird ihre Aufgabe als fallbezogene<br />
Teilsynthese unter gesamtheitlichem Aspekt bezeichnet.<br />
Organisation der fallstudie<br />
Die Organisation der, Fallstudie besteht aus einer<br />
Aufbauorganisation (siehe Abb. 1.2 <strong>im</strong> Kap. ORGANI<br />
SATION) und einer Ablauforganisation der Fallstudie.<br />
An dieser Stelle beziehe ich mich nur auf die Untergliederung<br />
von Synthesegruppen und Teilprojekten.<br />
Um die Studierenden inhaltlich nicht zu überfordern<br />
und da eine Teamarbeit mit 126 Studierenden und<br />
28 TutorInnen den Beteiligten keine genügende<br />
Gruppenidentifikation (
Einleitung__~<br />
_<br />
/~aChhalt;gkelt~<br />
Bewertungen<br />
(Soziale)<br />
Prozesse<br />
Abb. 1.3.2 Das Konzept Nachhaltigkeit diente in der UNS-Fallstudie '96<br />
als «Leitste17l». Um Nachhaltigkeit zu erreichen, bedarf es geeigneter<br />
Bewertungen und der Opt<strong>im</strong>ierung von (sozialen) Prozessen. Dies waren<br />
zentrale Gegenstände der Fallstudienarbeit.<br />
realisiert werden, wenn das gegenwärtig für komplexeSysteme<br />
- wie das System <strong>Stadt</strong> - bestehende<br />
Bewertungsdilemma gelöst wird. Die UNS-Fallstudie<br />
soll, bezogen auf den Fall «ZZN», Grundlagen und<br />
Ergebnisse zu einer besseren Bewertung von nachha/tiger<strong>Stadt</strong>qualität<br />
liefern.<br />
Ein zweiter Hebel der UNS-Fallstudie sind die<br />
sozialen Prozesse. Es wird davon ausgegangen, dass<br />
subopt<strong>im</strong>ale Konfliktlöseprozesse schlechte .Entscheidungen<br />
mit ungünstigen Auswirkungen auf die<br />
Umwelt zur Folge haben.<br />
1.4 In welchem Sinne ist die Fallstudienarbeit<br />
wissenschaftlich?<br />
Als vor drei Jahren einige Kollegen und ich mit der<br />
Neugestaltung der umweltnaturwissenschaftlichen<br />
Fallstudie begannen, war klar, dass die Arbeitsweise<br />
der klassischen Natur- und Sozialwissenschaften für<br />
ein Verständnis und die Lösung komplexer Umweltprobleme<br />
nicht ausreicht. Die Suche nach neuen<br />
Wegen führte zur Fallstudienmethodik (den Metho-<br />
.den der Wissensintegration), welche. eine wirkliche .<br />
interdisziplinäre Arbeit erlaubt. Gleichermassen<br />
wichtig für eine erfolgreiche Fallstudienarbeit ist<br />
jedoch ein gutes und tiefes Verständnis des' Falls<br />
in seiner Gesamtheit. Nun ist es eine Illusion zu<br />
glauben, einE ProfessorIn oder einE FallstudienstudentIn<br />
könnte dieses Wissen <strong>im</strong> Eilverfahren<br />
erwerben. Sieben Jahre Planungsgeschichte (vgl.<br />
ABB, 1996) oder eine Lebenserfahrung <strong>im</strong> Gebiet<br />
Oerlikon lassen sich nicht <strong>im</strong> «Crashkurs» vermitteln.<br />
Dies verlangt neue Formen der Zusammenarbeit<br />
zwischen Theorie und Praxis; wie es mit der «Träger<br />
Metapher» zum Ausdruck kommt. Wichtig ist, dass<br />
die TrägerInnen aus Wissenschaft und Praxis sich mit<br />
demselben Fall beschäftigen. Dies bedeutet jedoch<br />
nicht, dass der Gegen~t<strong>and</strong> der Tätigkeit identisch<br />
ist. .<br />
• Die wissenschaftliche Tätigkeit ist auf den Gegenst<strong>and</strong><br />
Nachhaltigkeit oder ökologische Problemlösung<br />
ausgerichtet, diese gilt es fallbezogen zu definieren<br />
und Wege zu formulieren, wie man diese erreichen<br />
kann. Eine erfolgreiche Wissensproduktion<br />
. ist demnach/«hochkontextualisiert» (vgl. Gibbons<br />
et al., 1994). Der/die Umwe!tnaturwissensch4terIn ist<br />
somit <strong>im</strong> Bearbeitungsprozess eng mit dem Fall<br />
verbunden, ohne (<strong>im</strong> engeren Sinne) Entscheidungen<br />
zu fällen, die für den Fall von Bedeutung sind.<br />
Dies ist Aufgabe der rechtlich und demokratisch<br />
dafür legit<strong>im</strong>ierten Personen.<br />
• Die Tätigkeit der Akteure des Falls ist auf die Realisation<br />
von Entscheidungen ausgerichtet. Entscheidungen<br />
und Vorschläge werden danach bewertet,<br />
inwieweit sie eigene Interessen erfüllen. Dabei<br />
besitzen die Akteure des Falls unterschiedliche<br />
Raum-Zeit-Bezüge. Während das Interesse der<br />
Eigentümerlnnen auf die eigenen Parzellen ausgerichtet<br />
ist und beendet ist, wenn das Grundstück<br />
verkauft worden ist, haben <strong>and</strong>ere Akteure<br />
(z.B. Ämter der <strong>Stadt</strong>) grössere Zeit..: und Raumhorizonte<br />
<strong>im</strong> Auge zu haben.<br />
Indem akademische FallstudienträgerInnen und die<br />
AkteUre des Falls auf allgemeiner Ebene unterschiedliche<br />
Gegenstände definieren werden, wird<br />
forschungsmethodologisch ein wichtiger Unterschied<br />
zur Aktionsforschung der frühen siebziger Jahre definiert<br />
(vgl. auch Fuchs-Heinritz et al., 1994).<br />
Die" umweltnaturwissenschaftliche Arbeit unterscheidet<br />
sich grundsätzlich von der traditionellen<br />
disziplinären und insbesondere von der naturwissenschaftlichen<br />
Arbeit; für sie gibt es nur wenige Vorbilder<br />
bzw. Anhaltspunkte. Erkenntnistheoretisch<br />
zeigt die UNS-Fallstudieriarbeit Ähnlichkeiten mit<br />
der Bedeutung der Fallstudie in der Medizin (Sacks,<br />
1991) und der «nichtformalistischen» Rechtswissensch4t<br />
(vgl. Muntjewerff, 1994; Scholz, 1995). .<br />
Arbeitsweisen, wie sie in der Theorie, Methodik und<br />
Organisation der Fallstudie umrissen werden und mit<br />
der UNS-Fallstudie verwirklicht worden. sind, be-<br />
28<br />
UNS-Fallstudie '96
__~<br />
sitzen aper aus wissenschaftssoziologischer Sicht<br />
(Gibbons et aI., 1994) nicht nur ihre Berechtigung,<br />
sondern werden als Typ der Forschung der Zukunft<br />
beschrieben. Gibbons et aI. (1994) bezeichnen in<br />
ihrem Buch The new production of knowledge diesen<br />
Typ von Wissenschaften als Mode 2. Dieser Mode<br />
soll die klassische, disziplinäre Forschung (den sog.<br />
Mode 1) nicht ablösen, sondern ergänzen. Mode 2<br />
Forschung stellt einen neuen Typ' der Kommunikation<br />
und Interaktion zwischen Theorie und Praxis<br />
dar, die sich durch die Problemlagen der Gesellschaft<br />
best<strong>im</strong>men, bei der Aspekte wie «Social Accountability<br />
<strong>and</strong>. Reflexivity» eine grosse Bedeutung<br />
bekommen und bei der <strong>and</strong>ere Gütekriterien als in<br />
der traditionellen Forschung existieren (Gibbons et<br />
aI., 1994, S. 8).<br />
2. Ergebnisse<br />
2.1 Für den Fall: Von Orientierungen<br />
zum Net Present Value<br />
Einleitung<br />
Die Ergebnisse der Fallstudie liegen auf verschiedenen<br />
Ebenen. Zu unterscheiden sind etwa die schriftlichen<br />
Produkte, z.B. das vorliegende Buch und der<br />
Prozess der Fallstudie. In unzähligen Sitzungen und<br />
Gesprächen zwischen den verschiedenen TrägerInnen<br />
sind Informationen ausgetauscht worden, Per-<br />
spektiven eröffnet und Fragen beh<strong>and</strong>elt worden,<br />
die sich die Beteiligten ohne die Fallstudie nicht<br />
gestellt hätten. In vielen persönlichen Gesprächen<br />
ist zum Ausdruck gebracht worden, dass dies von den<br />
beteiligten Personen nicht nur als interessant beurteilt<br />
wurde, sondern auch als nützlich.<br />
Bei den schriftlichen Produkten können wir verschiedene<br />
Arten von Aussagen finden. Sie reichen<br />
von Orientierungen über Bewertungen bis zur Konstruktion<br />
von Leitbildern. Nieht fündig wird der/die LeserIn<br />
bezüglich ingenieurmässiger und technischer<br />
Detailentwürfe.<br />
2.1.1 Thesell zur Stildtelltwicklullg<br />
Den allgemeinsten, umfänglichsten und schwierigsten<br />
Gegenst<strong>and</strong> der Fallstudie bildete das Thema<br />
<strong>Stadt</strong>entwicklung. .Das Gebilde <strong>Stadt</strong> gilt heute wegen<br />
seiner Komplexität als vermeintlich unplanbar. Die<br />
Synthesegruppe STADTENTWICKLUNG hat sich den<br />
Kriterien und Chancen einer langfristigen Planung<br />
gewidmet und sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit<br />
das Projekt «ZZN» Modellfunktion für die<br />
<strong>Stadt</strong>teilplanung erhalten kann. Als zentrales Ergebnis<br />
sind hier fünf Thesen zu betrachten. Die Thesen<br />
wurden auf der Grundlage einer «schulmässig ausgeführten»<br />
Formativen Szenarioanalyse erarbeitet,<br />
die wiederum auf soziologischen Analysen zum<br />
Sozialen Umfeld, regionalökonomischen Betrachtungen<br />
zur Sf<strong>and</strong>ortqualität,raumplanerischen Untersuchungen<br />
des Planungsprozesses und umweltnaturwissenschaftlichen<br />
Überlegungen ztJr Nachhaltigkeit basierte.<br />
Die Thesen (für Details siehe Unterkap. 5 THESEN<br />
<strong>im</strong> Kap. STADTENTWICKLUNG) definieren Defizite und<br />
zeigen Wege der Problemlösung auf. Sie stellen<br />
somit Orientierungen dar. Es' wird herausgearbeitet,<br />
bzw: aufgezeigt, dass<br />
• bei den AnwohnerInnen in Oerlikon mehr Befürchtungen<br />
vorherrschen, als bei den Meinungsund<br />
EntscheidungsträgerInnen. Wünschenswert<br />
wäre hier ein passendes St<strong>and</strong>ortmarketing und<br />
eine sichtbarere Einbeziehung der Bevölkerungsinteressen<br />
durch partizipative Prozesse (These 6),<br />
• eine soziale Durchmischung für das Entstehen<br />
eines lebendigen <strong>Stadt</strong>teils entscheidend ist, wo-<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
29
Einleitung<br />
_<br />
Abb. 2.1.2 Durch neue Technologien und Produkte hat sich auch Art und Umfang des Frachtverkehrs<br />
geändert. Im Vordergrund stehen Stückgüter, der Güterverkehraufder Schiene hat an Bedeutungverloren<br />
(Bild: Michtiel Meier).<br />
bei für eine urbane Nutzungsdurchmischung die<br />
Vorgabe von «einfachen Prozentanteilen» nicht<br />
hinreichend i~t (Thesen 3 und 4).<br />
Provozierend erscheint die These, dass<br />
• aufdem Gebiet kein <strong>Zentrum</strong> mit übergreifender Funktion<br />
entsteht{These 5). Hinter dieser plausibel begründeten<br />
These verstecken sich jedoch meines<br />
Erachtens eine Reihe von strukturellen Problemen,<br />
zu denen neben den <strong>im</strong> Kap. STADTENTWICK<br />
LUNG genannten Argumenten die räumliche Abtrennung<br />
des ZZN durch Bahnhof bzw. Bahngleise<br />
vom «alten Ortskern von Oerlikon» gehören. Hier<br />
gilt es Konzepte zu entwickeln, welc:;he etwa durch<br />
Feinverteiler eine Isolierung vom angrenzenden,<br />
gewachsenen <strong>Stadt</strong>teil Oerlikon verhindern.<br />
2.1.2 Verkehrsopt<strong>im</strong>ierung aus umweltnaturwissen·<br />
schaftlicher Perspektive<br />
Im Kap. VERKEHR finden sich Überlegungen zur Verl
______________----- --- -Einleitung<br />
loge wurden in Zusammenarbeit mit dem Gartenbauamtder<br />
<strong>Stadt</strong> Zürich vorbereitet und daraufhin ausgelegt,<br />
für zukünftige Ausschreibungen als Gnllldlage<br />
zu dienen.<br />
Im <strong>Zentrum</strong> der Arbeit der Synthesegruppe GRÜN<br />
RAUM st<strong>and</strong> ein sogenannter. Explorationsparcours. In<br />
diesem Parcours wurden VertreterInnen verschiedener<br />
Bevölkerungsgruppen <strong>im</strong> Rahmen einer Diaschau<br />
auf einen virtuellen Rundgang durch drei<br />
verschiedene Grünrauminszenierungen der Freiflächen<br />
<strong>im</strong> ZZN geführt. Eine Variante stellte die sozialen<br />
Funktionen der Freiflächen in den Vordergrund, eine<br />
Variante die umwelthygienische Funktion und eine<br />
dritte Variante die ökologiseie Funktion. Es zeigte sich,<br />
dass ökologische Gesichtspunkte bei einer Visualisierung<br />
stärker in den Vordergrund treten als in<br />
der freien Meinungsäusserung. Insgesamt vertreten<br />
die Beurteilenden eine starke anthropozentrische<br />
Perspektive und bevorzugen die Sozialvariante. Eine<br />
naturnahe Gestaltung wird jedoch von allen Gruppen<br />
begrüsst. Bemerkenswert ist, dass die TeilnehmerInnen<br />
am Explorationsparcours eine Mitbest<strong>im</strong>mung<br />
bei der Grünraumgestaltung wünschen.<br />
Die InvestorInnen unterschieden sich in ihren<br />
Bewertungen erwartungsgemäss von den <strong>and</strong>eren<br />
Gruppen. Für sie sind die Unterhaltskosten, die der<br />
Grünraum verursacht, ein wesentliches Kriterium.<br />
Die Nutzung des Grünraums ist für diese Gruppe<br />
weniger von Interesse. Insgesamt zeigen die Interessengruppen<br />
jedoch hinsichtlich der Bewertung der<br />
verschiedenen Grünraumvarianten eine hohe Übereinst<strong>im</strong>mung.<br />
Grössere Konflikte sind hier nicht zu<br />
erwarten.<br />
Das abschliessend erarbeitete Leitbild für die<br />
Grünräume <strong>im</strong> ZZN lässt sich durch sieben Punkte<br />
charakterisieren:<br />
1. Das Wohlbefinden der Menschen steht bei der<br />
Freiraumgestaltung <strong>im</strong> Vordergrund.<br />
2. Die Struktur der Grünräume soll vielfältige<br />
Nutzungen zulassen und für eventuelle spätere<br />
Veränderungen offen sein.<br />
3.Naturnahe Freirä.ume in der <strong>Stadt</strong> fördern das<br />
individuelle und soziale Wohlbefinden durch' ihre<br />
ErholUligsfunktion, ihren Naturerlebniswert sowie<br />
durch die ausgleichende Wirkung auf das <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a.<br />
4. Ein stadttypisches ökologisches Gesamtgefüge<br />
sollte einen Anteil an weniger intensiv genutzten<br />
Räumen aufweisen.<br />
S. Bei Gestaltungsvarianten mit annähernd gleichem<br />
Nutzen für den Menschen soll die naturnähere<br />
Variante bevorzugt werden.<br />
6. Die Grünräume sollen nicht für sich isoliert geplant<br />
werden, sondern in die integrale Struktur<br />
einbezogen werden, dazu gehört auch die auf die<br />
Funktion abgest<strong>im</strong>mte Erreichbarkeit. .<br />
7. Die verschiedenen Grünräume sollen weder in<br />
sozialer noch in ökologischer Hinsicht isoliert sein.<br />
2.1.4 Ist Sicherung eine nachhaltige Strategie der<br />
Altlastenbearbeitung?<br />
Auf dem Areal des neuen Gebäudes der Geschäftsleitung<br />
der ABB (TaRO D (siehe Abb. 2.1.4.1) befinden<br />
sich 180'000 m 3 heterogenen Materials mit<br />
hohen Schwermetallkontaminationen und organi-<br />
Abb. 2.1.4.1 Das BUrogebäude<br />
TORO I soll für<br />
die ABB-Finnen ADtranz<br />
und ABB-Hochspannungstechnik<br />
AG erstellt werden.<br />
Trotz der knappen ZeitVfJrgabe<br />
von 18 Monaten für<br />
den Bau ist (1uf eine Tria- .<br />
gierung des unterschiedlich<br />
stark verschmutzten Bodens<br />
geachtet worden. Schnelle<br />
Bauzeiten sind auch mit<br />
Altlasten möglich (Bild:<br />
Peter Morf).<br />
UNS-Fallstudie '96 31
Einleitung-,-, --'- _<br />
schen Belastungen. Bereits Ende 1994 verfügte das<br />
<strong>im</strong> Kanton Zürich für dieAltlaste~bearbeitung<br />
zuständige Amt für Gewiisserschutzund Wasserbau<br />
(AGW), dass die Altlast <strong>im</strong> Stierenried nicht gesamthaft<br />
saniert, sondern lediglich gesichert werden solle.<br />
Das Kap. ALTLASTEN rekonstruiert die damalige Entscheidungsfindung.<br />
Es werden vier Sanierungsvarianten<br />
betrachtet, die für die Altlast auf dem<br />
TaRO-Gelände diskutiert wurden: Sicherung/Konservierung,<br />
Nullvariante, Totalsanierung durch Wasch- und<br />
Extraktionsverfahren und eine Hydraulische Sanierung.<br />
Um zu einer Beurteilung von Sanierungsvarianten<br />
zu kommen, müssen die Unsicherheiten, die sich<br />
für die Arealeignerin in der Zukunft durch geänderte<br />
Bewertungsmassstäbe und Umweltanforderungen<br />
ergeben, geeignet berücksichtigt werden. Die<br />
Synthesegruppe ALTLASTEN hat drei verschiedene<br />
Zukunftsbilder konstruiert, die unterschiedliche Anforderungen<br />
an Altlasten <strong>im</strong> Vollzug beschreiben.<br />
Die Vorgehensweise wird in Abb. 2.1.4.2 illustriert. .<br />
Eine Bewertung der Varianten erfolgte nun unter<br />
Einbeziehung der Kriteriengruppen Kosten, Sanierungserfolg,<br />
Umweltvertriiglichkeit der Sanierungsmassnahmen<br />
und Rechtssicherheit. Die Bewertung wurde<br />
mithilfe eines Programms der Multikriteriellen Nutzenbewertung<br />
(Logical Decisions, siehe Kasten 2.2 <strong>im</strong><br />
Kap. GRÜNRAUM) durchgeführt. Diese Verfahren erlauben<br />
es, verschiedene Bewertungsgesichtspunkte<br />
zu gewichten und zu einer Gesamtnutzenbewertung<br />
zu integrieren. Eine Bewertung wurde für jedes<br />
Zukunftsszenario von eiIwrGruppe von Studierenden<br />
und ExpertInnen durchgeführt. Die Ergebnisse<br />
zeigen, dass die Hydraulische Sanierung und dieNullvariante<br />
für eine Altlastenbeh<strong>and</strong>lung des Stierenrieds<br />
nicht in Frage kommen. Sie werden in allen<br />
Z.ukunftsbildern schlechter eingeschätzt als die<br />
Zukunftsszenarien:<br />
Z1<br />
«Business as usual»<br />
Z2 = «Strenger Vollzug»<br />
Z3 = «Lascher Vollzug»<br />
Z1!Z2iZ3<br />
VO . 1<br />
....~.n. -.n••n-.i-~....n ••f."••" .•<br />
Sanierungs- ~::::=.-_--.., V1'<br />
varianten n<br />
V2<br />
i i<br />
n ••• "tP22··1...·<br />
·<br />
··VS.. ·..· r ......·rn<br />
Varianten:<br />
VO Sicherung/Konservierung<br />
V1 = Nullvariante<br />
V2 Totalsanierung durch. Wasch- und Extraktionsverfahren<br />
V3 = Hydraulische Sanierung<br />
AM. 2.1.4.2 Variantenbildung ist ein wesentlicher Kunstgriffder Planung.<br />
In der UNS-Fallstudie hatsich als Grundmuster für zukunftsbezogene<br />
Bewertungen folgendes Vo'Xehen herausgebildet: verschiedene Varianten für<br />
eine Realisierung werden mitverschiedenen Zukunftsszenariengekreuzt. Die<br />
Zukunftsszenarien undteilweise auch die Varianten werden systematisch mit<br />
Methoden wie z.B. derSzenarioanalyse konstruiert.<br />
..<br />
Sicherung oder die Totalsanierung (BiJdenwiische). Die<br />
Sicherung erweist sich in der Gesamtbewertung in<br />
den Szenarien «Business as usual» und «Lascher Vollzug»<br />
als überlegen. Dabei wurden von den Beurteilenden<br />
auch Gesichtspunkte über die Verhältnismässigkeit<br />
einbezogen. So wurden die negativen<br />
Umweltauswirkungen berücksichtigt, welche die<br />
energieaufwendige und bei dem Schadstoffmix <strong>im</strong><br />
Stierenned nicht in allen Bereichen erfolgsversprechende<br />
Hydraulische Sanierung mit sich bringt. Wachsen<br />
jedoch in der Zukunft die Anforderungen an<br />
den Umgang mit Altlasten, etwa durch verschärfte<br />
gesetzliche Auflagen (Zukunftsbild «Strenger Vollzug»),<br />
so erweist sich die Totalsanierungals die beste<br />
,Lösung. Für Amt und Eignerin verbleiben somit<br />
einige Unsicherheiten, die sich nicht nur durch unerwartete<br />
Prozesse in der Altlast (z.B. überraschend<br />
freiwerdende Schadstoffe), sondern auch durch<br />
wechselnde Anforderungen ergeben, die UIlsere<br />
Gesellschaft .an die Qualität von Umweltsystemen<br />
stellt.<br />
Z.1.5 Gebäude, Überlegungen zur einer Verbesserung<br />
des Umwelfmanagements<br />
Das Thema «Umwelt und Bauen» war Gegenst<strong>and</strong><br />
der UNS-Fallstudie '95 (Scholz et aI., 1996). Im Mittelpunkt<br />
des Berichts der Synthesegruppe GEBÄUDE<br />
steht die Frage, wie sich umweltspezifische Aspekte<br />
<strong>im</strong> Lebenszyklus eines Gebäudes verbessern lassen.<br />
Leider konnten in dem vorliegenden Kapitel nicht<br />
alle hochgesteckten Ziele der Synthesegruppeerreicht<br />
werden. Wertvolle Ergebnisse sind jedoch<br />
für das Ententeich-Gebiiudeerarbeitet worden. Be<strong>im</strong><br />
Ententeich h<strong>and</strong>elt es sich um einen nur 45-jährigen,<br />
fünfstöckigen, gut erhaltenen Industriebau mit insgesamt<br />
38'000 m 3 Rauminhalt, für den die an vielen<br />
Orten gestellte Frage Rückbau/Neubau oder Umbau/<br />
Umnutzung zu beantworten ist. Eine mithilfe der<br />
ökologischen Buchhaltung durchgeführte Stoffflussanalyse<br />
und eine auswirkungsbezogene Ökobilanzierung<br />
zeigte erwartungsgemäss eine Überlegenheit der<br />
von der ABB Immobilien AG in Auftrag gegebenen<br />
Umnutzungspläne. Jedoch erweist sich ein Neubau<br />
hinsichtlich einzelner Kriterien als überlegen (Energie-<br />
und Schadstoftbilanz der Fassadengestaltung).<br />
Umweltaspekte sind in einer integralen Bewertung<br />
nur ein - wenn auch aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />
Sicht wesentlicher - Gesichtspunkt für eine<br />
Gesamtentscheidung über Umbau oder Neubau.<br />
Grosse Raumhöhen besitzen ihren Reiz, führen jedoch<br />
zu höherem Energieverbrauch. Alte Fassaden<br />
zeugen von vorlaufenden Nutzungen und helfen die<br />
Identität des Raumes und ihrer Nutzung bewusst zu<br />
machen. So wurde <strong>im</strong> Bericht der Gruppe GEBÄUDE<br />
berechtigt vermerkt, dass <strong>im</strong> Umfeld des Ententeichs<br />
32 UNs-Falistudie '96
------------------ -'-- --,...Einleitung<br />
fünf weitere Gebäude für eine Umnutzung in Frage<br />
kämen. Die Aussage, dass eine punktuelle Erhaltung<br />
der industriegeschichtlichen Tradition mit der Erhaltung<br />
eines einzigen Gebäudes für eine umfassende nachhaltige<br />
Eniwicklung als nicht genug erscheint, sollte<br />
in der weiteren baulichen Planung berücksichtigt<br />
werden.<br />
2.1.6 Wirtschaftlichkeitsrechnungenund falsche<br />
Signale .des Marktes zum Wasserhaushalt<br />
Der Umgang und die Nutzung von Trinkwasser und<br />
Abwässern ist selbst <strong>im</strong> «Wasserschloss Schweiz" zu<br />
überdenken. Die Gruppe WASSERHAUSHALT untersuchte<br />
Varianten für das Wassermanagement <strong>im</strong> 12<br />
Hektaren grossen ZZN-Teilge.biet D (siehe Abb. 5.3<br />
<strong>im</strong> Kap. DER FALL). Wasserhaushalt und -nutzungen<br />
stellen ein typisches Thema der Umweltnaturwissenschaften<br />
<strong>im</strong> engeren Sinne dar. Die Arbeit<br />
der Synthesegruppe zeichnete sich jedoch dadurch<br />
aus, dass in richtungsweisender Art (vgI. Abb. 2.1 <strong>im</strong><br />
Kap. WASSERHAUSHALT)<br />
• eine naturwissenschaftliche Modellierung von Wasserkreisläufen<br />
erfolgte, die in Zukunftsszenarien hineingedacht<br />
und einer Wirtschaftlichkeitsberechnung<br />
unterzogen wurde und .<br />
• die Methoden der Fallstudie umfänglich angewendet<br />
und in innovativer Weise verknüpft wurden.<br />
So reichte der Methodeneinsatz von der Formativen<br />
Szenarioanalyse (für die Modellierung von Kontextbzw.<br />
Zukunftsszenarien) über die Methode der<br />
Dynamischen Systemanalyse (System Dynamics) bis zur<br />
Multikriteriellen Entscheidungstheorie. Zusätzlich wurde<br />
die Methqde des Net Present Value, eine dynamische,<br />
betriebswirtschaftliche Methode zur Rentabilitlitsberechnung<br />
eingesetzt (vgI. Kap. 2.6 ÖKONOMISCHE<br />
UNTERSUCHUNGEN der Synthesegruppe WASSERHAUS<br />
HALT). Mit der differenzierten Beschreibung der<br />
Komponenten des Wasserhaushaltes wird in solider<br />
Form auf umweltingenieurwissenschaftliches Wissen zurückgegriffen<br />
und die Steuerungselemente des Wasserhaushaltes<br />
werden in ein Gesamtmodell integriert.<br />
Dabei reichen die betracbteten Elemente von<br />
Rückhaltebecken bis zu möglicherweise exotisch erscheinenden<br />
Massnahmen zur Urinseparietung. Aus<br />
diesen Betrachtungen resultieren mittels derdifferentialgleichungsbasierten<br />
Methode der Dynamischen<br />
Systemanalyse reliabel und valide erscheinende quan- .<br />
titative Aussagen. Die vierVarianten werden mittels<br />
eines hierarchischen Kriteriensystems bezüglich der<br />
umweltbezogenen Wirkungen und der Wirtschaftlichkeit<br />
bewertet.<br />
Als wesen~liche<br />
Resultate sind festzuhalten:<br />
• Gewisse Massnahmenbündel, wie z.B. Grauwassernutzung<br />
sind niCht nur ökologisch sinnvoll,<br />
sondern auch heute schon wirtschaftlich lohnend.<br />
• Einrichtungen wie Gründächer sind zwar ökologisch<br />
wirksam, jedoch wirtschaftlich noch nicht<br />
attraktiv. .<br />
• Die Verrechnung der Abwassergebühren anh<strong>and</strong><br />
des Trinkwasserbezugs sowie die pauschale Berechnung<br />
des Meteorwassers bilden unangemessene<br />
Voraussetzungen für eine ökologisch wirksame<br />
Wassernutzung.<br />
Insgesamt sind schon erfreuliche Korrelationen zwischen<br />
wirtschaftlichen und umweltbezogenen Bewertungen<br />
festzustellen, bei geeigneter Korrektur<br />
durch den Gesetzgeber könnte die ökologische Wirksamkeit<br />
noch wesentlich verstärkt werden.<br />
2.2 für die Lernenden<br />
, Die Fallstudie ist in erster Linie eine Lehrveranstaltung,<br />
die sich in Vielem von dem an Hochschulen<br />
gewohnten Lehrbetrieb unterscheidet, Die Lernenden<br />
sind hier mit einem für sie neuen Typ akademischen<br />
Arbeitens konfrontiert, bei dem sie innerhalb<br />
eines Rahmens Inhalt sowie A~t und Weise der Bear~<br />
beitungweitgehend selbst best<strong>im</strong>men. Der Rahmen<br />
beinhaltet die Vorgabe, dass<br />
a)die Arbeit für den Fall und seine Akteure .von<br />
Nutzen sein soll und dass<br />
b)die Arbeit dazu beitragen möge, ihre ökologische<br />
Problemlösefähigkeit zu entwickeln.<br />
Die Tätigkeit der Studierenden unterscheidet sich<br />
somit von der klassischen Projektbearbeitung (etwa<br />
<strong>im</strong> beruflichen Praktikum), bei der Gegenst<strong>and</strong> und<br />
Produkt vorgegeben sindl Die' den Studierenden<br />
gestellte Aufgabe entspricht eher der Tätigkeit in<br />
einem innovativen Kleinbetrieb, der darauf angewiesen<br />
ist, durch neue Produkte Marktnischen zu finden<br />
und Marktpotentiale zu nutzen. Die Verantwortung<br />
der Studierenden ist real, da sie sowohl in der Vorbereitung<br />
als auch während der Fallstudie <strong>im</strong> Leitungsorgan<br />
der Fallstudie, der Fallstudienkommission, die<br />
st<strong>im</strong>mliche Mehrheit besitzen (vgI. Kap. ORGANISA<br />
TION). Damit ist die Fallstudie unter dem Gesichtspunkt<br />
der Berufsvorbereitung vongrosser Bedeutung.<br />
Eine derart ungewohnte und anspruchsvolle Bearbeitung<br />
wird nicht von allen Studierenden vorbehaltlos<br />
gewünscht und der Prozess der Fallstudie,<br />
an eiern in diesem Jahr 126 Studierende beteiligt<br />
waren, verläuft kaum ohne Reibungen. So finden<br />
sich unter den Studierenden bezüglich der Fallstu~<br />
die sehr unterschiedliche Erwartungen, Leistungsbereitschaften<br />
und Fähigkeiten. Diese führten in<br />
den letzten Jahren zu dynamischen Prozessen, in<br />
welchen sich das Verhältnis der Studierenden zur<br />
Fallstudie laufend veränderte. Da sich best<strong>im</strong>mte<br />
Zyklen in der Beziehungsdynamik der Studierenden<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
33
Einleitung -:-:- -'--'- _<br />
Euphorisch<br />
Gut FS '95<br />
MässigFS '96<br />
Schlecht<br />
St<strong>im</strong>mung<br />
,~----l---_+_----t___=__-_+~<br />
Vorlauf<br />
1:: 1. 2. werden dann<br />
die Berichte und <strong>and</strong>ere Produkte (z.B. Veranstaltungen)<br />
der Synthesegruppen erzeugt.<br />
Die Schwingungsdynamikzeichnet die Nöte und<br />
Befindlichkeiten, so wie sie in den Fallstudien der<br />
vergangenen Jahre sichtbar wurden: Phase 1: Die<br />
Fallstudie wird mit falschen oder zu hohen Erwartungen<br />
begonnen. Die Studierenden erkennen, dass<br />
sich die Fallstudienarbeit sowohl von der Tätigkeit<br />
<strong>im</strong> beruflichen Praktikum als auch vom normalen<br />
Lehrbetrieb unterscheidet. Die Erwartungen und<br />
persönlichen Ziele müssen in den ersten Tagen teilweise<br />
erheblich korrigiert werden. Die Studierenden<br />
müssen unter <strong>and</strong>erem erfahren, dass<br />
• <strong>im</strong> Gegensatz zum Praktikum keine klare Aufgabe<br />
in Form eines «$achbearbeitermenues» vorgegeben<br />
ist; ,<br />
• naturwissenschaftliche Kenntnisse und Inhalte nur<br />
einen Teil des Arbeitsinhaltes darstellen;<br />
• bei der Definition eines offen zu bearbeitenden<br />
Problems sowohl inhaltlich (z.B. durch Fallbezug)<br />
als auch methodisch (z.B. durch Wissensintegration)<br />
nicht beliebige Freiheiten gegeben sind;<br />
• eine,erfolgreiche Arbeit 'nur unter hohem EinSatz<br />
möglich ist und sich nicht gut mit weiteren Tätig~<br />
keiten während der Fallstudienzeit (Mittwoch bis<br />
Freitag) verträgt;<br />
• die Fallstudienarbeit keine Individualtätigkeit ist,<br />
sondern die eigenen Vorstellungen mit den <strong>and</strong>eren<br />
Studierenden in einem argumentativen Aush<strong>and</strong>lungsprozess<br />
gefunden werden müssen.<br />
Dies führte, in den ersten Wochen zu einem Abfallen<br />
der subjektiven Befindlichkeit. Dies war bei jenen<br />
Personen am stärksten, die es' nicht gewohnt waren<br />
oder es nicht für sinnvoll hielten, Arbeitsgegenst<strong>and</strong><br />
und Arbeitsprozess in einem offenen, nur schwach<br />
gerahmten Gruppenprozess zu gestalten.<br />
Aufgefangen wurde der St<strong>im</strong>mungsabfall in der<br />
Vergangenheit durch den Übergang in die zweite<br />
Phase, die Arbeit in den Teilprojekten. In kleineren<br />
Gruppen mit vier bis fünf Personen und engeren,<br />
fachlich determinierten «Spezialfragestellungen»,<br />
Abb. 2.2.2 In den Erfahrungstagen sollte ein .Seitenwechsel. vorgenommen<br />
werden. Die Studierenden bekommen einen zusätzlichen Einblick in<br />
das zu untersuchende System/eld aus einer meist eher ungewöhnlichen Perspektive.<br />
Die Reinigung von Griinanlagen' und Spielplätzen lieferte vertieften<br />
EInblick in die multiple Nutzung der Flächen (Bild: Michael Meier).<br />
34 UNS-Fallstudie '96
---~---------------'--~----------,-- ---: Einleitung<br />
werden gewohntere Lernumgebungen<br />
vorgefunden,<br />
welche Freiräume für eigene<br />
Interessen und Neigungen<br />
lassen. Dies führte dann <strong>im</strong><br />
Mittel zu einem Ansteigen<br />
von St<strong>im</strong>mungen und Hoffnung<br />
auf einen «individuellen<br />
Erfolg» <strong>im</strong> Teilprojekt.<br />
Phase 3: Ist in der ersten<br />
Synthesephase jedoch keine<br />
gute Fallstudienarbeit geleistet<br />
worden, so ist es wahrscheinlich,<br />
dass in der zwei-<br />
. ten Synthesephase nicht alles<br />
rechtzeitig verfügbar ist, was<br />
zum Erreichen des Syntheseziels<br />
wünschenswert und notwendig<br />
ist. Dies kann zu<br />
weiteren «Erschütterungen»<br />
führen. Unter Rückgriff auf<br />
die Synthesemethoden und<br />
mit leichter Nach(t)arbdt<br />
lassen sich aber bei gegebenenfalls<br />
notwendiger Zielkorrektur<br />
Wege finden, die<br />
zu ein~m erfolgreichen Ergebnis führen. So konnten<br />
in den letzten J?hren ca. vier von fünf Synthesegruppen<br />
das gesetzte Ziel erreichen.<br />
Für einzelne Studierende ist es am Ende des<br />
Semesters schwierig, einen Überblick Über den<br />
Gesamtprozess der Arbeit in der Synthesegruppe<br />
oder gar in der gesamten Fallstudie zu erhalten. Dies<br />
kann durch eine gute Schlussveranstaltung am Projektende<br />
gelingen und das «fallstudienspezifische<br />
subjektive Wohlbefinden» wesentlich verbessern.<br />
Obwohl noch keine validen Daten erhoben wurden<br />
und die folgenden Äusserungen vornehmlich auf.<br />
mündlichen Ge·sprächen basieren, vermuten wir,<br />
dass sich die Wertschätzung der Fallstudie retrospektiv<br />
verbessert. Dies gilt insbesondere für die 20 bis<br />
30 Studierenden, die aktiv in den Prozess der Gestaltung<br />
des Schlussb<strong>and</strong>es und der Schlussveranstaltung<br />
eingebunden sind.<br />
Die Fallstudie ist in diesem Jahr mit gedämpften<br />
Schwingungen verlaufen. Auch wurde sichtbar, dass<br />
sich die St<strong>im</strong>mungskurve .<strong>im</strong> Vergleich zur letztjährigen<br />
Fallstudie auf höherem Niveau bewegte.<br />
Versucht man die Bedingungen zu reflektieren, die<br />
für eine erfolgreiche Fallstudienarbeit massgeblich<br />
waren, so sind folgende Komponenten entscheidend:<br />
1. Es müssen Methoden zur Verfügung stehen (siehe<br />
Kap.. 2.3.1 FALLSTUDIENM<strong>ETH</strong>ODIK), die gleiehermassen<br />
für eine Wissensintegration <strong>im</strong> Rahmen einer<br />
fallbezogenen Problemlösung wie auch für eine<br />
Organisation derProjektarbeit geeignet sirid.<br />
Abb. 2.2.3 Die Annäherong von Hochschule und Praxis ist Best<strong>and</strong>teil der Fallstudienarbeit. Vor dem<br />
Ententeich-Gebäudeerklären Planer ihr Vorgehen, Studierende und Tutoren versuchen zu verstehen unddie<br />
Planung zu hinterfragen (Bild: Michael Meier).<br />
2. Die Studierenden müssen eine grosse Fallnähe<br />
gewinnen. Eine Bearbeitung darf nicht (ausschliesslich)<br />
aus der Distanz erfolgen. Die Studierenden<br />
und TutorInnen sollten sich intensiv mit<br />
den örtlichen Gegebenheiten und den für das Areal<br />
und seine Entwicklung einschlägigen Tätigkeiten<br />
vertraut machen. Eine wichtige Funktion besitzen<br />
hier die sogenannten Erfahrungstage. Es erfolgt ein<br />
«Seitenwechsel», indem durch enaktive Tätigkeiten<br />
zusätzliche Systemqualitäten erfahren werden<br />
(vgI. Abb. 2.2.2).<br />
3.Als Resultate der Fallstudie dürfen nicht ausschliesslich<br />
die schriftlichen Produkte betrachtet<br />
werden. Die Prozesse, insbesondere das kooperative<br />
Bearbeiten von Fragen mit den verschiedenen<br />
TrägerInnen der Fallstudie, den Gesprächen und<br />
Gruppendiskussionen (siehe Abb. 2.2.3) kommt<br />
eine gleichermassen grosse Bedeutung zu.<br />
4.Die Projektorganisation darf die sozialen Fähigkeiten<br />
des Menschen nicht überfordern. Gruppen mit<br />
mehr als fünf bis sieben Personen sind zu unterteilen<br />
und eignen sich (ohne Strukturierung) nicht<br />
für längere Arbeitsprozesse. In diesem Bereich<br />
sollte durch die Synthese-Moderation (vgI. Scholz et<br />
aI., 1996, S. 66) gesichert werden, dass eine den<br />
(sozialen) Bedürfnissen und Fähigkeiten der Beteiligten<br />
gerecht werdende Organisationsstruktur<br />
geschaffen wird.<br />
s. Die Fallstudie sollte von allen wichtigen Akteuren<br />
«begrüsst» werden. Dazu sind von Seiten der<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
35
Einleitung --- -'- _<br />
Studierenden und Lehrenden der Fallstudie geeignete<br />
Massnahmen zu ergreifen, dass die Interessen<br />
des Falls und seiner Akteure respektiert und nicht<br />
geschädigt werden.<br />
2.3 Für die (Umweltnatur· und<br />
Umweltsozial·)Wissenschaften<br />
Am Departement Umweltnaturwissenschaften wird<br />
zwischen umweltbezogener naturwissenschaftlicher<br />
Forschung und Lehre und eigentlicher umwelt(-natur-)wissenschaftlicher<br />
Arbeit unterschieden. Letztere<br />
kann als eine in Entstehung begriffene, neue<br />
Wissenschaftsdisziplin aufgefasst werden. Ihr Ziel<br />
ist die Entwicklung einer ökologischen Problemlösefahigkeit,<br />
eines ihrer konstituierenden Elemente ist<br />
die Fallstudie. Essentiell für sie ist<br />
• die durch die Fallstudienmethodik geleistete Synthese,<br />
• der Fallbezug, d.h. das Ausgehen von einem realen,<br />
gesellschaftlich relevanten Probiem<br />
und<br />
• die anwendungsorientierte Kooperotivitöt, d.h. das<br />
Zusammenwirken von Hochschule und Praxis,<br />
welches <strong>im</strong> Prozess der Fallstudie gesichert wird.<br />
2.3.1. fllllst"dienmethodik<br />
Die Fallstudienmethodik wurde bereits in Kap. 1.3<br />
WISSENSINTEGRATION beschrieben. Für eine erfolgreiche<br />
Fallstudienarbeitsind somit drei verschiedene<br />
Typen von Methoden zu beherrschen:<br />
• naturwissenschaftliche Methoden,<br />
• sozialwissenschaftliche Methoden und'<br />
• die Fallstudienmethoden.<br />
Fallstudienmethoden<br />
Die vier Integrationsebenen<br />
D~r1Sie ii n il~<br />
Synthesegruppen, in<br />
denen die Methode<br />
eingesetzt wurde<br />
f---~-____,---t-.::.....>:....:::..--;----:::===:...--;-----+---'=:...--t----'-----__l<br />
Eine gute Fallstudien-<br />
.~~~;~~----.. --~--+-~---+--~--i-------. _~;g~~~L_ metho:rblndet,<br />
Raum-Nutzungs-!<br />
Verh<strong>and</strong>lung (einseh!. X' X! XX Grünraum<br />
Explorationspareours) i . ,<br />
......................................................................... .. ·••· •·•·•·..·•·•..·..··•..····.1 · ' .<br />
ODO<br />
verschiedene' sozial- und<br />
naturwissenschaftliche<br />
Disziplinen.<br />
Sie ist interdisziplinär.<br />
ÖkOO'anz X I XX i ' Gebäude<br />
·~:~~~::-----------l----T-----T---- -=~~~~-- -~<br />
Entseheidungstheorie X X! X Wasserhaushalt verschiedene Systeme<br />
~~~~;;~~~~-~~~=r=;=;~==[=~~~~.~~~:~:~==~~~~:n,u*,<br />
·:~::h~::~:9~~c:,·--;---I--;--T----r------~:~:::;-----~~€<br />
·;d~:::.:a~-----------l---~-T-;;--r-~--------------- -SM;&...., in~g"_<br />
::,~:~:~~~~:~------r---~l-~----l---;-- -~;~=r~- ~~t~~<br />
Abb. 2.3.1 Die Störken der Synthesemethoden in den vier D<strong>im</strong>ensionen der Verknüpjung. X bedeutet geeignet, XX bedeutet sehr geeignet. Eine gute Fallstudienmethode<br />
vermittelt mehrere Integrationsebenen: Disziplinen, Systeme, Wissen undInteressen (nach Baeriswylet al., 1996). In der letzten Spaltefinden<br />
sich die Synthesegroppen, in denen entsprechende Methoden in elaborierter Form oder in Ansötzen (in Klammern) eingesetzt wurden.<br />
36 UNS-Fallstudie '96
-..:. Einleitung<br />
Darüber hinaus wird der Zugriff auf den Bereich<br />
Umwelttechnik oder (wie z:B. bei der Synthesegruppe<br />
VERKEHR) ingenieurmässiges Arbeiten gefordert.<br />
Mit dem vorliegenden B<strong>and</strong> ist ein wesentlicher<br />
Durchbruch erzielt worden. In der UNScFallstudie '94<br />
sind mit der Szenarioanalyse (Scholz et al., 1995,<br />
S. 153ft), der Ideenwerkstiltt sowie mit den Synthese<br />
Moderations-Methoden erste Bausteine gefunden worden.<br />
In der ONS-Fal/studie '95 waren Raum-Nutzungs<br />
Verh<strong>and</strong>lungen mit dem Methodenbaustein Explorationsparcours<br />
sowie die Multiattributive Nutzentheorie<br />
Gegenst<strong>and</strong> der Modellentwicklung (Scholz et al.,<br />
1996, S. 253ft). Der Beitrag zur Fallstudienmethodik<br />
in der diesjährigen Fallstudie lag in der innovativen,<br />
variantenreichen Verknüpfung von Methoden. Alle<br />
Synthesegruppen haben eine oder mehrere der<br />
spezifischen Fallstudienmethoden mit unterschiedlichem<br />
Schwerpunkt angew<strong>and</strong>t, wie dies aus Abb.<br />
2.3.1 ersichtlich ist. Da der Gesichtspunkt der integralen<br />
Bewertung (siehe Abb. 1.3.2) in der diesjährigen<br />
Fallstudie <strong>im</strong> Vordergrund st<strong>and</strong>,'wurden<br />
Methoden der Multikriteriellen Entscheidungstheorie in<br />
allen Synthesegruppen verwendet.<br />
2.3.2 «Mode 2,,·Forschung<br />
Die Fallstudienarbeit setzt an einem realen gesellschaftlichen<br />
Problem an, sie ist genuin interdisziplinär<br />
und sie wird durch einen<br />
kooperativen Prozess von<br />
Hochschule und Praxis reali-'<br />
siert. Damit unterscheidet<br />
sich die <strong>im</strong> Rahmen der Fallstudie<br />
b.etriebene Forschung<br />
von der traditionellen disziplinären<br />
Forschung. Wie bereits<br />
erwähnt, haben die Wissenschaftsforscher<br />
Gibbons<br />
et al. (1994) den in der Fallstlldie<br />
geprägten Typ von<br />
Wissenschaftsarbeit «Mode 2»<br />
genannt, während die traditionelle<br />
wissenschaftliche Tätigkeit<br />
mit «Mode i»-Forschung<br />
bezeichnet wurde.<br />
Mode 2-Forschung ist hochkontextualisiert;<br />
dynamisch,<br />
abhängig von sozialen und<br />
ökonomischen· Realitäten, besitzt<br />
eigene Methoden und<br />
ist gezeichnet durch einen<br />
neuen Typ von Verantwortlichkeit<br />
und Reflexivität (i.e.,<br />
accountability <strong>and</strong> reflexivity,<br />
Gibbons et al., 1994, S. 7).<br />
Mode 2-Forschung besitzt eigene St<strong>and</strong>ards und<br />
<strong>and</strong>ere Qualitätskriterien als traditionelle Forschung<br />
und wird auch transdisziplinäre Forschung benannt.<br />
'Wenn unter Transdisziplinarität der in der UNS<br />
Fallstudie realisierte spezifische Typ falldefinierter<br />
und gesellschaftlich relevanter interdisziplinärer<br />
Forschung gemeint ist, so wäre gegen eine solche<br />
Kennzeichnung prinzipiell nichts einzuwenden.<br />
Ich möchte aber an dieser Stelle festhalten, dass<br />
ich einige Bedenken gegen den teilweise inflationären<br />
Gebrauch des Begriffs Transdisziplinariiät<br />
habe. Ich erlaube mir einige Gesichtspunkte 'anzuführen,<br />
die gegen eine Verwendung dieses Begriffs<br />
. sprechen.<br />
• Transdisziplinarität wird häufig verwendet, um<br />
darüber hinwegzutäuschen, dass eine gegenst<strong>and</strong>sund<br />
problemangemessene Integration von Wissen<br />
aus verschiedenen Disziplinen erfolgen müsste,<br />
dafür jedoch keine geeignete Methodik vorh<strong>and</strong>en<br />
ist. In der Fallstudie wird dieses Problem durch die<br />
problemorientierte Synthese und die disziplinäre<br />
Teilprojektarbeit unter Einsatz der Fallstudienmethoden<br />
gezielt angegangen.<br />
• Unter Transdisziplinarität wird häufig eine Art von<br />
«Totalwissenschaft» verst<strong>and</strong>en. Es besteht dabei<br />
die grosse Gefahr, dass eine wissenschaftliche Beliebigkeit<br />
zugelassen wird.<br />
• Transdisziplinarität lässt das Problem der Verbindung<br />
von Mode 1- zu Mode 2-Forschungungelöst.<br />
Abb.2.3.3 Die «Aufrichte» als ein Teil des sozialen Prozesses ZZN: «Am 18.9.95f<strong>and</strong>en sich Vertreter des<br />
Bauamts Zürich, der ABB-Schweiz, des ABB-Konzems, Investoren, .Medienvertreter sowie der Architekt<br />
und verschiedene am Projekt beteiligte Personen aufdem Stierenried-Areal ein.» (V.I.n.r.: F. Hugentobler,<br />
SBC; J.A. Dün; ABB; U. Koch, <strong>Stadt</strong>rätin; E. Somm, ABB; T. Hotz, Architekt; Bild: Peter Mori);<br />
UNS-Fallstudie '96 \<br />
37
Einleitung -'- _<br />
Eine nachhaltige umweltnaturwissenschaftliche<br />
Forschung bedarf aber beider Typen von Wissenschaft,<br />
sowie eines Konzeptes und geeigneter<br />
Methoden, um eine Verbindung zwischen ihnen<br />
herzustellen.<br />
2.3.3 Prozessforschullg<br />
Die gegenwärtige gesellschaftliche Wissensorganisation<br />
zeichnet sich dadurch aus, dass sich dasWissen<br />
<strong>im</strong>mer stärker differenziert ,und beispielsweise<br />
Wissenschaftsdisziplinen und Lehrstühle mit horizontal<br />
geradezu mikroskopischen Aussagebereichen<br />
entstehen. Dem versucht die Fallstudie mit entsprechenden<br />
Methoden zu begegnen. Nun ist aber<br />
die Integration von Wissen aus verschiedenen Disziplinen<br />
oder Kreisen der Gesellschaft ohne einen<br />
sozialen Prozess nicht möglich.<br />
Wie man jedoch einen solchen Prozess organisiert,<br />
wie etwa in dem «Grossprojekt» Gruppenarbeit,<br />
Recherche oder kooperatives Projektmanagement<br />
für eine Wissensintegration opt<strong>im</strong>al zu gestalten ist,<br />
ist weitgehend unbekannt. Wissenschaften, die für<br />
dieses Problem Hilfe leistenkö<strong>im</strong>ten, wären grundsätzlich<br />
Wissenschajtssoziologie, Mikrosoziologie, Sozialpsychologie<br />
und WissenschaJtsdidaktik, Aus verschiedenen<br />
Gründen können sie aber keine unmittelbare'<br />
Problemlösung liefern. Somit ist die UNS-Fallstudie<br />
gezwungen, ihre eigene Prozessforschung zu entwickeln.<br />
Sie wird sich dabei best<strong>im</strong>mter Erkenntnisse<br />
aus der Wissenssoziologie (z.B. zur Gestaltung<br />
von Interdisziplinarität, Gibbons et al., 1994), der<br />
Mikrosoziologie (zur Gestaltung der Schnittstelle zwischen<br />
Hochschule und Praxis, vgl. Warnecke, 1995;<br />
Mieg et al., 1996; Mieg, 1996), der Sozialpsychologie<br />
(zur Gestaltung von Gruppenprozessen und Moderation,<br />
vgl. Beck & Diehl, 1996; Forgas, 1995) sowie<br />
der Wissenschajtsdidaktik und Epistemologie (zum Verständnis<br />
des Aussagegehaltes des neuen Typs von<br />
Wissenschaft, vgl. Nowotny, 1990) bedienen.<br />
3. Perspektiven<br />
Die UNS-Fallstudie '96 konnte einen Beitrag zur .<br />
Regionalentwicklung aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />
Perspektive leisten. Als bisherige Stärken<br />
lassen sich die Integration verschiedener Typen von<br />
Wissen sowie .die Gestaltung des Prozesses identifizieren.<br />
Hervorzuheben ist die Zusammenarbeit mit<br />
TrägerInnen der Fallstudie aus der Praxis, insbesondere<br />
der ABB Immobilien AG und den Departemetiten<br />
der <strong>Stadt</strong> Zürich, die sich in allen Phasen der Fallstudie<br />
als wirkliche, effiziente und vertrauensvolle<br />
Kooperation gestaltete.<br />
Fragt man nach den nächsten Schritten der Fallstudienkonzeption,<br />
so sehen wir drei Schwerpunkte:<br />
a) Evaluatioll der Wirkullg der fallstudie<br />
Ein Kriterium für den Erfolgder Fallstudie ist der<br />
Nutzen für den Fall. Die UNSc.Fallstudie soll, <strong>im</strong><br />
Sinne einer umfassenden Definition von Nachhaltigkeit,<br />
eine likologische Opt<strong>im</strong>ierung unterstützen und<br />
zu einer verstärkten ZukunJtsJähigkeit des Falls beitragen.Subjektive<br />
qualitative Eindrücke und eine<br />
Reihe von mündlichen und schriftlichen Stelhingnahmen<br />
von Akteuren des Falls haben in den letzten<br />
drei Jahren wiederholt einschlägig positive Rückmeldung<br />
ergeben. Auch lässt sich zeigen, dass die in<br />
der Fallstudie entwickelten Ideen, Konzepte und<br />
Produkte bei den TrägerInnen des Falls langfristig<br />
«präsent» sind und sich «offenbar» in' Argumenten<br />
und H<strong>and</strong>lungen wiederfinden lassen.<br />
Zu führen ist hier jedoch zunächst ein genauerer<br />
Wirkungsnachweis. Um.Wirkung und Wert der Fallstudie<br />
zuverlässig abschätzen zu können, bedarf<br />
es einer fundierten, spezifischen Evaluation. Diese<br />
stellt besondere methodische Anforderungen, kann<br />
doch aufgrund der «Einmaligkeit des Falls» nur<br />
bedingt auf statistische Untersuchungen zurückgegriffen<br />
werden.<br />
b) Op~<strong>im</strong>ierullg de"r Kooperatiolls·, Kommullikatiolls·<br />
ulld Koordillatiollsprozesse<br />
Kooperation, Kommunikation und Koordination sind<br />
Schlüssel für den Erfolg einer systemorientierten,<br />
angew<strong>and</strong>ten wissenschaftlichen Tätigkeit. Eine<br />
UNS-Fallstudie kann nur dann gelingen, wenn die<br />
TrägerInnen in zusammenhängenden Arbeitsprozessen<br />
neben- und mitein<strong>and</strong>er tätig sind und die Einzelnen<br />
ihr H<strong>and</strong>eln auf die kooperative Aufgabe<br />
ausrichten. Zur Gestaltung der Kooperation bedarf<br />
es neben einer geeigneten Zielsetzung u.a. eines<br />
Gefüges und best<strong>im</strong>mter Strukturen, in denen die<br />
Arbeit vollzogen wird. Eine wichtige Struktur in<br />
der Fallstudie ist die Teamarbeit. Sie besitzt viele<br />
38<br />
UNS-Fallstudie '96
____________--'-- ~ ~----~-------------Einleitung<br />
r<br />
Stärken, ohne sie wären best<strong>im</strong>mte fallstudienspezifische<br />
Prozesse und Produkte nicht denkbar.<br />
Nun hab,en wir in den letzten Jahren die Erfahrung<br />
gemacht, dass die Prozesse der Teamarbeit zu verbessern<br />
sind. Dabei vermuten wir, dass die an einigen<br />
SteIlen zu beobachtende begrenzte Effektivität<br />
und Effizienz von Gruppenarbeit nicht nur auf<br />
die (vielfach anzutreffende) mangelnde Gruppenerfahrung<br />
und Teamunfähigkeit des/der Einzelnen<br />
zurückzuführen sind. Vielmehr können, wie aus der<br />
Psychologie und den Arbeitswissenschaften seit langem<br />
bekannt ist, Gruppen bei best<strong>im</strong>mten Aufgaben<br />
weniger effizient sein als Einzelpersonen. In diesem<br />
Falle übersteigt eine Summe von Einzelleistungen<br />
diejenige einer Gruppe.<br />
Es gilt afso, die UNS~Fallstudie zu opt<strong>im</strong>ieren,<br />
indem der Prozess so gestaltet wird, dass für jede<br />
Aufgabe die richtige Form der Bearbeitung gefunden<br />
wird. Dies ist ein wichtiges Entwicklungsanliegen<br />
der UNS-Fallstudie in den nächsten Jahren. Eine<br />
besondere Rolle kommt hier der Kommunikation und<br />
der Synthese-Moderation zu. Der/die Leserin findet<br />
hierzu Beiträge <strong>im</strong> Kap. KOMMUNIKATION, welche die<br />
Bedeutung der Fallstudienzeitung sowie die Rolle der<br />
EDV-Systeme diskutieren. Bei der Synthese-Moderation<br />
sind zwei Richtungen zu unterscheiden, einerseits<br />
die aufgabenspezifische Moderation der studentischen<br />
Gruppen, <strong>and</strong>ererseits die Gestaltung des<br />
Austausches mit den TrägerInnen aus Wissenschaft<br />
und Praxis.<br />
Schliesslich sei noch die Koordination angesprochen.<br />
Aus didaktischen Gründen und um die Stu-<br />
Abb. 3 Dos Richtfestfür TORO I ging om 5.7.96 mit Pomp über die Bühne. Der hiergezeigte<br />
Gleichschritt dorf nicht dOrfiber hinwegtäuschen, dass sich dos Votgehen der Reihe der Grundeigentümerlnnen<br />
<strong>im</strong> ZZN nur noch begrenzt <strong>im</strong> Gleichtakt befindet (Bild: Peter Morf).<br />
dierenden nicht in ihrer Kommunikationsfähigkeit<br />
zu überfordern, ist die Fallstudienarbeit modularisiert<br />
worden. Die vier bis sechs Arbeitseinheiten,<br />
welche als Synthesegruppen bezeichnet werden,<br />
bestehen je aus 15-20 Studierenden und 4-5 TutorInnen.<br />
An die Koordination, d.h. an. das sinnvolle,.<br />
ökonomische und harmonische Abst<strong>im</strong>men, Bei- und<br />
Zusammenfügen der Arbeitsprozesse und Ergeb-<br />
. nisse, sind hier höchste Anforderungen gestellt. Die<br />
Fallstudienkommission (vgl. Kap. ORGANISATION) und<br />
die Fallstudienzeitung(vgl. Kap. KOMMUNIKATION)<br />
spielen eine grosse Rolle. Es soll hier eine koordinierende<br />
Funktion auch zur Unterstützung einer<br />
Gesamtsynthese ausgebaut werden.<br />
c) Gegenst<strong>and</strong> der UNS-Fallstudie<br />
Die UNS-Fallstudien haben ihre Leistungsfähigkeit<br />
bezogen auf die Entwicklung ökologischer Problemlösung<br />
bei komplexen realen Fällen zeigen können<br />
an den Beispielen<br />
• l<strong>and</strong>wirtschaftliche Regionalsysteme (siehe UNS-Fallstudie<br />
'94 «Perspektive Grosses Moos»),<br />
• Umnutzung ehemaliger Industrjeareale (siehe UNS<br />
Fallstudie '95 «Industrieare~l Sulzer-Escher Wyss»)<br />
sowie<br />
• <strong>Stadt</strong>entwicklutJg <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>. Als wesentlicher<br />
Gegenst<strong>and</strong> und Grundlage der Ergebnisse<br />
sind die <strong>im</strong> diesem B<strong>and</strong> vorliegenden Syntheseberichte<br />
und die Prozesse anzusehen.<br />
Eiß interessanter Vorschlag wurde <strong>im</strong> Vorfeld der<br />
Fallstudie '96 vom Programmleiter des Schwerpunktprogramms<br />
Umwelt (SPPU) des<br />
Schweizerischen Nationalfonds eingebracht.<br />
Eine Fallstudie über die hier<br />
geförderten rund 50 umweltbezogenen<br />
Forschungsprojekte hätte zwar in<br />
erster Linie ein soziales System zum<br />
Gegenst<strong>and</strong> gehabt. Ihre Legit<strong>im</strong>ation<br />
wäre jedoch insofern gegeben, als<br />
dass die Beziehungen dieses sozialen<br />
Systems zu Wissen und H<strong>and</strong>eln in<br />
bezug auf natürliche Systeme, d.h. auf<br />
die Lebensgrundlagen von Mensch,<br />
Tier und Pflanzen, ein zentral umweltnaturwissenschaftliches<br />
Themenfeld<br />
darstellt.<br />
Wir vermuten, dass sich .der entwickelte<br />
Typ von Lehrforschung und<br />
Interaktion auch für <strong>and</strong>ere Systeme<br />
bzw. Falltypen. fruchtbar anwenden<br />
lässt. Es wäre reizvoll, das nachhaltige<br />
H<strong>and</strong>eln von und in Firmen, Verbänden,<br />
Administrationen oder Institutionen<br />
zum «Gegenst<strong>and</strong>» einer Fallstudie<br />
zu machen.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
39
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Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.<br />
Scholz, R.W. & Frischknecht, P. (1995). The natural <strong>and</strong> social<br />
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& I. Dahlberg (Hrsg.), Environmental Knowledge Organization<br />
<strong>and</strong> Information Management, 1, (S. 156-163), Frankfurt am<br />
Main: INDEKS Verlag.<br />
40<br />
UNS-Fallstudie '96
________~---------------------'---------------Einleitung<br />
Scholz, R.W. (1995). Theorie der Fallstudie. In R.W. Schol:i:, T.<br />
Koller, M. H.A., C. Schmidlin (Hrsg.), Perspektive Grosses Moos:<br />
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vdf Hochschulverlag AG.<br />
Scholz, R.W., Bösch, S., Koller, T., Mieg, HA, Stünzi, ]. (Hrsg.).<br />
(1996). Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen:<br />
Wertschöpfung durch Umnutzung. Zürich: vdf Hochschulverlag<br />
AG.<br />
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R.W. Scholz, S. Bösch, T. Ko'ller, HA Mieg, ]. Stünzi (Hrsg.),<br />
Industrieareal Sulzer-Escher. Wyss.Umwelt und Bauen: Wertschöpfung<br />
durch Umnutzung, (S. 31-70), Zürich: vdf HochschulverlagAG.<br />
Scholz, R.W. (1996). Integrale Bewertung neuer Nutzungen.<br />
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CH: Mönitoring 1994. Zürich: W. & P.<br />
Somm (1996). Begrüssung.Baden: ABB Kundentagung 08.9.96).<br />
<strong>Stadt</strong> Zürich (1994). Sonderbauvorschriften für das Gebiet <strong>Zentrum</strong><br />
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Stöckli, A. (1954). Die <strong>Stadt</strong> - Ihr Wesen und ihre Problematik.<br />
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Stren, R., White, R., Whitney, ]. (Hrsg.). (1992). Sustainable<br />
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zürifüfz~!<br />
Vester, F. (1988).'Ballungsgebiete in der Krise. München: dtv.<br />
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Vier. München: Droemer Knaur. .<br />
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Cities Papers). FADL, Kopenhagen.<br />
UNS·Fallstudie '96 41
Kommunikation<br />
in der Fallstudie<br />
Inhalt<br />
1. Einführung 45<br />
2. Wissenschaftliche Zugänge<br />
zum Kommunikationsbegriff 46<br />
3. Medienarbeit in der Fallstudie 51<br />
4•. Computereinsatz und<br />
Kommunikation 58<br />
AlItorInnen<br />
S<strong>and</strong>ro lösch (Fallstudienbüro)<br />
Jennifer Oswald (Medien)<br />
Rol<strong>and</strong> W. Scholz
Kommunikation ---' ---' _<br />
44 UNS-Fallstudie '96
____________~ '__ Kommunikation<br />
1. Einführung<br />
Neue Inhalte und Gegenstände wissenschaftlicher Tätigkeit<br />
werden von neuen theoretischen Annahmen und<br />
Methoden, aber auch von veränderten Formen der<br />
Problembearbeitung und des Informationsaustausches<br />
begleitet. Dies gilt in besonderer Weise für die<br />
ökologische Problemlösefähigkeit in den UNS-Fallstudi-en.<br />
Eine ökologische Problemlösung wird in<br />
diesen Fallstudien in einem kooperativen Prozess<br />
zwischen Hochschule und Praxis realisiert. Benötigt<br />
werden Kommunikationsformen und Kommunikationsinstrumente,<br />
die eine Zielerreichung für ca. 100 Studierende,<br />
25 Lehrende, 50 ExpertInnen und eine<br />
dreisteIlige Zahl von «Akteuren des Falls» stützen,<br />
koordinieren und organisieren. Kooperation, Kommunikation<br />
und .Koordination. Wir ergänzen nun die<br />
Beiträge zur<br />
• Theorie der Fal/studie (Scholz, 1995) und·zu den<br />
• Methoden der Fallstudie (Scholz & Tietje, 1996)<br />
mit einem Kapitel zur<br />
• Kommunikation in der Fallstudie.<br />
unterschiedlichen gedanklichen und sozialen Welten<br />
für die Synthesearbeit grundlegend ist.<br />
Somit lässt sich eine Betrachtung und eine Opti- .<br />
mierung von Kommunikation nie aufeine technische<br />
Seite verkürzen, sondern ist <strong>im</strong>mer begleitet von<br />
begrifflichen und ontologischen (d.h. Kategorien des<br />
Seins betreffende) Komplementaritäten. Somit verwundert<br />
es nicht, dass der Kommunikationsbegriff<br />
in vielen Wissenschaften von fundamentaler Bedeutung<br />
ist und ~ine Analyse der Kommunikation einen<br />
Schlüssel darstellt, um technische, natürliche und<br />
soziale Systeme zu verstehen.<br />
«Die EI~mente<br />
eines Systems müssen mitein<strong>and</strong>er<br />
kommunizieren, sie müssen gesetzmässige<br />
Bezi~hungenzuein<strong>and</strong>er entwickeln - und diese<br />
Notwendigkeit der Kommunikation ist' eine<br />
fundamentale, gleich wichtig für physikalische,<br />
qiologische oder soziologische Systeme. Ohne<br />
Kommunikation keine Ordnung, ohne Ordnung<br />
keine Ganzheit.» (Brön<strong>im</strong>ann, 1970, S. 26).<br />
Dabei beschäftigen wir uns vornehmlich mit zwei<br />
Instrumenten, die den Arbeitsprozess und insbesondere<br />
die Wissensintegration und Synthesearbeit unterstützen,<br />
der Fallstudienzeitung und Computersystemen<br />
als Kommunikationsmittel.<br />
Diejenigen LeserInnen, die sich nur für die «technischen»<br />
Aspekte interessieren, können die Lektüre<br />
direkt mit dem entsprechenden Kapitel fortführen.<br />
Kommunikation ist jedoch für die Fallstudie ein<br />
essentieller Begriff, da die Verständigung zwischen<br />
Abb. 1 Die «Experten-Round-Table. oder «Expertenpanel. ist eine Form der Kommunikation, um Positionen und<br />
St<strong>and</strong>punkte zu formulieren undzu diskutieren. Diese Methode kann <strong>im</strong> kooperativen Prozess zwischen Hochschule<br />
und Praxis gezielt eingesetzt werden (Bild: Michael Meier).<br />
UNS-Fallstudie'96 45
Kommunikation ~ ~------------------<br />
2. Wissenschaftliche Zugiinge zum<br />
Kommunikationsbegriffl<br />
Die Basis für ein Verständnis der Bedeutung von<br />
Kommunikation liefert, wie bei vielen wissenschaftlichen<br />
Fragen, die Philosophie, die Mutter der<br />
Wissenschaften. Als eigenständiger Begriff wurde<br />
der Kommunikationsbegriff von Nikolaus von Kues<br />
(1514, vgl. Schnelle, 1976, S. 898) definiert: Er unterschied<br />
zwischen einer. communicatio idiomatum, mit<br />
der er die ontologischen Gemeinsamkeiten der<br />
beiden Naturen Christi bezeichnete unddetr com-<br />
. municatio in sancris. Mit letzterer wird die «Grenzüberschreitung»<br />
in Form der Teilnahme an den<br />
gottesdienstlichen H<strong>and</strong>lungen Andersgläubiger benannt.<br />
Auch wenn der Kommunikationsbegriff <strong>im</strong><br />
Rahmen der Fallstudie in wahrlich profaneren Konnotationen<br />
verwendet wird, ist der Austausch von<br />
Informationen zwischen Personen und Gruppen<br />
mit unterschiedlichen Meinungen (bzw. qualitativ<br />
verschiedellern Wissen) für die Fallstudie von zentraler<br />
Bedeutung. Im Sinne des sakralen Wortursprungs<br />
exkommunizieren sich somit diejenigen<br />
innerhalb der Fallstudie, die sich aus dem Prozess<br />
des Informationsaustauschs und der Verständigung<br />
ausschliessen.<br />
Der Kommunikationsbegriff wird heute nahezu<br />
inflationär und in sehr verschiedenen Bedeutungen<br />
benutzt. Um einer BegrijJsverwilderung entgegenzuwirken<br />
und um aufzuzeigen, auf welche Aspekte bei<br />
einer Opt<strong>im</strong>ierung der kooperativen Problemlösung<br />
in Fallstudien rekurriert werden kann, möchten wir<br />
<strong>im</strong> folgenden die verschiedene Interpretationen und<br />
Zugänge skizzieren. Die Darstellung ist grobentlang<br />
disziplinärer Bezüge organisiert. Dabei ist es<br />
bezeichnend für den Kommunikationsbegriff, dass<br />
es geistes-, sozial-, natur- und technikwissensckaJtliche<br />
Zugänge zum Kommunikationsbegriff gibt, der Begriff<br />
kaum monodisziplinär beh<strong>and</strong>elt wird. In allen<br />
Abschnitten werden nur exemplarische Bezüge<br />
hergestellt, um den LeserInnen den Einstieg zu ermöglichen.<br />
Um den LeserInnen den Zugang zur erleichtern,<br />
wurde jeder Passage eine sog. W-Frage (in den Kästchen)<br />
vorangestellt, mit der beleuchtet wird, was<br />
Gegenst<strong>and</strong> der Beh<strong>and</strong>lung ist. In den Text eingestellt<br />
wird jeweils eine Aussage. Mit ihr wird ein<br />
spezifischer Aspekt angesprochen~der für die Entwicklung<br />
der Theorie und Meth
_____________________---,-<br />
Kommunikation<br />
Gleic~ermassen, wenn auch aus einer <strong>and</strong>eren<br />
Grundhaltung, wird die gesellschaftliche Bedeutung<br />
der Kommunikation von Habermas hervorgehoben<br />
(z.B. Habermas, 1988). In dem in den Umwelt<br />
(natur)wissenschaften vielgenutzten Konzept der<br />
Kommunikativen Kompetenz<br />
.......................................................<br />
Durch eine verbesserte werden eine kooperative<br />
Kommunikation lässt sich Konfliktlösung und der kooperative<br />
Diskurs als ein<br />
eine ökologische Problem- Zeichen einer entwickelten<br />
lösung verbessern.<br />
....................................................... (d.h. kommunikationsfähigen)<br />
Gesellschaft und Kultur<br />
betrachtet. In den Fallstudien greifen die<br />
Mediationskonzepte, insbesondere die' Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen<br />
(vgI. Scholz et aI., 1996, S. 253ff)<br />
an dieser Konzeption an.<br />
2.3 Piidagogisch-soziolinguistischer<br />
Zugang<br />
De'r englische Pädagoge und Soziologe Bernstein<br />
(1965; 1977) widmete sich den Verständigungsgrenzen,<br />
die zwischen Individuen oder kulturellen<br />
Systemen bestehen. Für einen Theorie-Praxis Aus-,<br />
tausch erachten wir' insbeson-<br />
...............................................<br />
dere Bernsteins Theorien der<br />
Die Sprachbarrieren<br />
zwischen Wissenschaft sprachlichen und der pädagogischen<br />
Codes als bedeutungsvoll.<br />
und Praxis sind zu In der Fallstudie treffen Periiberwinden.<br />
.........................................,..... sonen und Erfahrungshorizonte<br />
aufein<strong>and</strong>er, die in unterschiedlicher<br />
Form Beschränkungen aufweisen. Damit können<br />
Probleme undProblembezug in unterschiedlicher<br />
Form zu Ausdrllck gebracht<br />
werden. Wesentlich ist hier der<br />
Übergang von der Mundatt zur<br />
Schriftsprache, sowie die Nutzung<br />
vollkommen unterschiedlicher Begriffssysteme<br />
(Theorie der sprachlichen<br />
Codes; vgI. Bernstein,<br />
1965). Die pädagogischen Codes<br />
hingegen, unterscheiden zwei verschiedene<br />
Typen wissenschaftlicher<br />
Arbeit, den sog. additiven<br />
Code, der die disziplipäre Arbeitsweise<br />
bezeichnet und innerwissenschaftliche<br />
Erfolgskriterien besitzt<br />
und dem integrativen Gode, welcher<br />
ein Verständnis des Problems<br />
und eine Verständigung zwischen<br />
den Disziplinen erfordert.<br />
Sender<br />
Bedeutungsvorrat<br />
Bedeutungsvorrat<br />
~ I~ ßedeutungs ßedeutungs 11\ ~<br />
::><br />
c.<br />
c: sequenz<br />
sequenz<br />
CD<br />
"E c:<br />
0 2"<br />
::> , ::><br />
I':J<br />
11\<br />
co<br />
c:<br />
~<br />
Q)<br />
J: CD<br />
0 er<br />
'ij)<br />
:::T<br />
CD<br />
r;,:<br />
::><br />
Cl<br />
N<br />
"<br />
c: c:<br />
::> 0<br />
"5 a.<br />
CD<br />
Zeichen- .... INachrichtl .... Zeichen-<br />
::><br />
c:<br />
~ \11<br />
,. I' '1 .,.<br />
. sequenz<br />
sequenz \11 eS<br />
Zeichenvorrat<br />
2.4 Sprachwissenschaftlichpsycholinguistischer<br />
Zugang<br />
Ein eigentlicher sprachwissenschaftlicher Zugang<br />
zum ,Kommunikationsbegriff wurde vom Schweizer<br />
Sprachwissenschafter Saussure (1857-1913) begründet,<br />
der als Begründer der modernen Linguistik gilt<br />
(Lenke et aI., 1995, S. 36). Wesentlich ist die Zweiteilung<br />
des Zeichenmodells in ein Lautbild (<strong>im</strong>age<br />
acoustique) und eine Vorstellung, d.h. eine begriffliche<br />
Seite (frz. concept). Das Modell (vgI.Abb. 2.4)<br />
wird auch als klassisches Kommunikationsmodell bezeichnet.(vgI.<br />
Herrmann, 1985, S.8). Die Forschung<br />
zu ,diesem Modell beschränkt<br />
sich in der<br />
Regel aufeine dyadische<br />
Kommunikation und ist<br />
dadurch für die Falb<br />
studie von beschränktem<br />
Wert. Wesentlieh ist<br />
jedoch die Betrachtung<br />
Abb. 2.4 Das «klassische» Kommunikationsmode// (vereinfacht; nach Herrmann, 1985, S.8).<br />
t<br />
(Störung)<br />
............................................................,....<br />
Die Vermittlung von Umweltinformationen<br />
setzt ein<br />
Eindenlcen in die Wissensstrukturen<br />
des Empfängers<br />
bzw. der Empfängerin voraus.<br />
des Bedeutungsaspekts von kommunizierter Information.<br />
Ein Wort oder eine Aussage kann in «individuellen<br />
Bedeutungsvorräten» einen Sinn bekommen.<br />
Aus der Sicht der Kognitionspsychologie gibt'<br />
es nun verschiedene mitein<strong>and</strong>er konkurrierende<br />
Modelle, die Bedeutungsvorräte, d.h. die kognitiven<br />
Strukturen', die für eine menschliche IMormationsverarbeitung<br />
wichtig sind (vgI. Hörmann, 1991,<br />
S. 62ff). Wesentlich sind hier die Modelle vom bild~<br />
lich-ikonischen; ,propositional-merkmalsorientierten<br />
und assoziativ-netzstrukturhaften Gedächtnis.<br />
Es ist nun zu vermuten, dass all diese Modelle<br />
best<strong>im</strong>mte Aspekte der Kommunikation 'und indi-<br />
Empfänger<br />
Zeichenvorrat<br />
UNS-Fallstudie '96 47
Kommunikation<br />
_<br />
vidueller Bedeutungsrekonstruktion ansprechen. Jedoch<br />
sind ganz offensichtlich der sprachlichen (propositionalen)<br />
Darstellung (und Rekonstruktion) von<br />
Informationen best<strong>im</strong>mte Grenzen gesetzt. So wurde<br />
in dem Kap. GRÜNRAUM auf der Grundlage einer<br />
quasi-exper<strong>im</strong>entellen Untersuchung geschlossen,<br />
dass Information über Grünräume erst dann entfaltet<br />
vermittelt werden können, wenn die sprachliche<br />
Ebene verlassen wird und in Bildern kommuniziert<br />
wird.<br />
der umfangreichen sozialpsychologischen Forschung<br />
stellt hier eine Möglichkeit zur Verbesserung der<br />
Fallstudienarbeit dar (vgl. Unterkap. 3 PERSPEKTIVEN<br />
.<strong>im</strong> Kap. EINLEITUNG).<br />
2.6 Medien- und Publikationswissenschaftliche<br />
Zugänge<br />
2.5 Sozialpsychologische Zugänge<br />
'Für die Fallstudie von eher praktischer Bedeutung<br />
sind die sozialpsychologischen Arbeiten zur Interaktion<br />
zwischen Gruppenmitgliedern. Die Bildung<br />
von stabilen, über einen längeren Zeitraum motivier-<br />
.......................................................... ten, auf die Zielsetzungen<br />
Wann werden die sozillien der Fallstudie ausgerichte<br />
Kompetenzen der Studieren-' ten Gruppen ist eine Vorden<br />
überfordert?<br />
aussetzung für eine erfolg<br />
.......................................................... reiche Fallstudienarbeit.<br />
Dabei kommt der Kommunikationsform<br />
für Entscheidungen eine grosse Rolle<br />
zu. So entscheiden Mitglieder in Gruppen, nachdem<br />
sie kommuniziert haben (Crott, 1979; Forgas, 1987;<br />
Gehm, 1996) <strong>and</strong>ers als das «durchschnittliche Individuum».<br />
Dabei ist es von Bedeutung, welche Information<br />
sie von wem in welcher Form (schriftlich,<br />
mündlich, graphisch, etc.) erhalten. Der Einbezug<br />
Erwähnung finden sollte auch die Publizistik und<br />
Medienwissenschaft. Die Grösse der Fallstudie<br />
macht ein eigenes Informationsorgan sinnvolL Dies<br />
gilt für die interne Kommunikation wie auch die<br />
Kommunikation nach aussen. Erfahrungen aus dem<br />
Bereich der Publizistik (z.B. Schlapp, 1991) helfen<br />
die Arbeit der MEDIENGRUPPE zu unterstützen, die für<br />
die Zeitung zuständig ist.<br />
In den letzten Jahren hat sich - ausgehend von<br />
einer neuen'Walter-Benjamin Rezeption (Benjamin,<br />
1991) - eine Diskussion um die gesellschaftlichen<br />
Aspekte der Medien<br />
................................................................<br />
und eine neue Medien~<br />
theorie entwickelt. Die Grösse und Anliegen der filII-<br />
Wirkung von Medien ist studie milchen ein eigenes<br />
zudem ein zentraler Informlltionsorglln - die<br />
Gegenst<strong>and</strong> der Markt- ~~~~~~~~~~.~~~.~~~~~.~..~~~~.~~~~: ...<br />
forschung und Ausgangspunkt<br />
einer eigenständigen Methodenentwicklung<br />
(Merten et al., 1992). Davon kann auch die Fallstudie<br />
profitieren. Die Bewertung der Wi{kung der Fall~<br />
studie als einem neuen öffentlichen Medium -<br />
einschliesslich der Fallstudienzeitung<br />
- ist eine Aufgabe, mit der sich die<br />
Fallstudie in den kommenden Jahren<br />
noch intensiver beschäftigen wird.<br />
2.7 Mathematisch-technischer<br />
Kommunikationsbegriff<br />
Abb. 2.5 Posterdemonstrationen mit offenem Dialog sindein geeignetes Mittel zur Darstellung<br />
undDiskussion von Zwischenresultaten (Bild: Michael Meier).<br />
Am bekanntesten ist vermutlich der<br />
mathematisch-kybernetische 2 Kommunikationsbegriff.<br />
Unter Nutzung<br />
des nachrichtentechnischen Vokabulars<br />
wurde von Shannon & Weaver<br />
(1949) die Informationstheorie be-<br />
, 48 UNS-Fallstudie '96
______________-'- .,- Kommunikation<br />
gründet, die anfänglich auf eine detaillierte Beschreibung<br />
der Kommunikation zwischen wenigen<br />
informationsverarbeitenden Einheiten focussierte.<br />
Dieser Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass der<br />
Bedeutungsaspekt der Kommunikation weitgehend<br />
ausklammert wird. Pr<strong>im</strong>ärer Gegenst<strong>and</strong> des informationstheoretischen<br />
Ansat-<br />
............................................-.. .<br />
zes ist die Konstruktion eines<br />
Welche Kommunikationsopt<strong>im</strong>alen<br />
Codes, der es ertechnologie<br />
verwende ich laubt, die Information eines<br />
für die Fallstudie?<br />
..................................................... bedeutungstragenden Satzes,<br />
die ein Sender als Nachricht<br />
übermittelt, an einem <strong>and</strong>erem Ort in kürzester Zeit<br />
fehlerfrei zu reproduzieren und sie gegenüber<br />
Störungen von aussen abzusichern.<br />
Obwohl die Probleme einer technisch~fehlerfreien<br />
Nachrichtenübermittlungden Fallstudienalltag praktisch<br />
stören können, steht dieser Aspekt <strong>im</strong> Kap. 4<br />
COMPUTEREINSATZ UND KOMMUNIKATION nicht <strong>im</strong> Vordergrund,<br />
sondern es werden neue Kommunikationsformen<br />
und -möglichkeiten aufgezeigt, die potentiell<br />
eine neue Qualität der Problembearbeitung ermöglichen.<br />
2.8 Kommunikation und Kooperation mit<br />
dem Computer<br />
Der Computer ist innerhalb kürzester Zeit zu einem<br />
Hauptinstrument menschlicher Kommunikation geworden.<br />
Seine Verwendung ermöglicht <strong>and</strong>ere Formen<br />
der Kommunikation und Zusammenarbeit.<br />
Durch weltweite Ver-<br />
Können wir Gruppenprozesse . netzungen . ist eine<br />
mitHilfe von EDV-Systemen Kooperation grösserer<br />
besser nachvollziehbar machen? Gruppen an verschie-<br />
.................................................................... denen Orten möglich..<br />
Rechenleistungen von<br />
Computern, Visualisierungen von komplexen Differentialgleichungssystemen<br />
oder stochastischen Prozessen<br />
eröffnen gleichermassen neue Bearbeitungsformen<br />
wie die computergestützte Gruppenarbeit<br />
(Computer Supported Cooperative Work) oder die<br />
sogenannte «Groupware» (vgI. Oberquelle, 1991).<br />
Mit letzteren können beispielsweise Mitglieder ver-<br />
Z<br />
Es sei angemerkt, dass der Begriff Kybemetics in dem bahntirechenden<br />
Buch von N. Wiener -Control <strong>and</strong> Communication in the An<strong>im</strong>al <strong>and</strong> the<br />
Machine» (Wiener, 1948) nicht nur auf natur- und ingenieurwissenschaftliche<br />
Aspekte rekurriert wird, sondern die vom frühen Wittgen<br />
. stein (Tractatus logico-philosophicus) induzierte Sicht der formalen<br />
Sprachen dominiert.<br />
schiedener Gruppen <strong>im</strong> Laufe einer offenen Diskussion<br />
Schätzungen abgeben. Die unterschiedlichen<br />
Schätzungen können dann unmittelbar auf einer<br />
Leinw<strong>and</strong> visualisiert und als weitere Informationen<br />
in Diskussionen, Abst<strong>im</strong>mungsprozessen oder einer<br />
kooperativen Modellbildung verwendet ~erden.<br />
2.9 Biologisch~naturwissenschaftliche<br />
.Zugänge<br />
Obwohl der Begriff der Kommunikation in bioiogisehen<br />
Büchern expressis verbis eher selten beh<strong>and</strong>elt<br />
wird, ist der Informationsaustausch zwischen organismischen<br />
Einheiten für die biologischen Wissenschaften<br />
ein äusserst<br />
zentraler Begriff. Ohne .<br />
eine Berücksichtigung Ganzheitliche Betrachtungen<br />
von Kommunikations- und Prozesse nicht ausser Acht<br />
lassen.<br />
prozessen lassen sich or- ..<br />
ganische Systeme nicht<br />
verstehen. Dabei ist bemerkenswert, dass der Begriff<br />
auf sehr verschiedenen Ebenen verwendet wird. So<br />
kann man zwischen Kommunikation in und zwischen<br />
Arten, einzelnen Lebewesen, Organen, Zellen und<br />
subzellulären.Einheiten unterscheiden.<br />
Auf der Ebene der Arten dienen von Umfeldinformationen<br />
sich abhebende Signale (z.B. Farben)<br />
dazu, best<strong>im</strong>mte H<strong>and</strong>lungen auszulösen oder zu<br />
vermeiden. Einzelne Spezies (z.B. Ameisen) besitzen<br />
artspezifische (Sozio-}HQrmone und/oder hochentwickelte<br />
Signalsprachen (z.B. die Bienen) die<br />
best<strong>im</strong>mte H<strong>and</strong>lungen oder gar Organveränderungen<br />
auslösen können. Im Körper gibt es eine Vielzahl<br />
neurophysiologischer und chemisch-physikalischer<br />
Prozesse, die das Zusammenspiel der Organe regeln.<br />
Auf zellul~rer Ebene, z.B. dem Immunsystem, finden<br />
wir erstaunliche Abst<strong>im</strong>mungsprozesse. Zur<br />
Abwehr von «fremd»-Partikeln (wie z.B. Viren, Bakterien<br />
und Krebszellen) müssen weisse Blutzellen<br />
mitein<strong>and</strong>er kommunizieren, um die Dauer, die<br />
Stärke und die Art der Immunreaktion auf die Beschaffenheit<br />
und die Dosierung des Antigens<br />
abzl!St<strong>im</strong>men.<br />
Diese komplexen Leistungen vollbringen mehrere<br />
Millionen, äusserlich kaum unterscheidbare weisse<br />
Blutzellen, offenbar unabhängig von einer zentralen<br />
Steuerstelle (wie z.B. das zentrale Nervensystem).<br />
Ein wichtiger Forschungsbereich der Immunologie<br />
versucht die Kommunikationswege der weissen<br />
Blutzellen zu entschlüsseln, um die Ursache für die<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
49
Kommunikation_~ ~ _<br />
unterschiedlichen Reaktionen z.B. gegen Viren oder<br />
vergleichsweise ungefährliche Protein-Antigene zu<br />
verstehen (Paul, 1993). Dabei erfolgt die Kommunikation<br />
der weissen Blutzellen über Rezeptoren auf<br />
der Zelloberfläche und/oder über lösliche Botenstoffe.<br />
Immunologen reden dabei sogar davon, dass<br />
Zellen mitein<strong>and</strong>er sprechen (Clark & Ledbetter,<br />
1994). Bemerkenswert ist, dass spezialisierte Zellpopulationen<br />
ihre «Leistungen» über mehrere Jahre<br />
in einem «<strong>im</strong>munologischen Gedächtnis» speichern<br />
können.<br />
Für die Fallstudie ist der biologisch-naturwissenschaftliche<br />
Kommunikationsbegriff auf ganz verschiedenen<br />
Ebenen von Bedeutung. Die <strong>im</strong> letzten<br />
Abschnitt skizzierte zelluläre Sicht ist etwa für ein<br />
Verständnis der Umweltsysteme von Bedeutung. So<br />
attributiert man auch dem Boden ein Gedächtnis,<br />
welches seine Grundlage in den skizzierten zellulären<br />
Kommunikationsprozessen besitzt<br />
Das Studium der biologischen Systeme zeigt, dass<br />
die Analyse einer einzelnen Zelle nicht hinreichend<br />
ist, um Reaktionen eines Gesamtsystems zu verstehen.<br />
Inwieweit dies auch für die Mensch-Umwelt<br />
Beziehungen gilt und Bedeutung besitzt, ist umstritten.<br />
Dies gilt auch für die Konzeption der<br />
kollektiven Rationalität, die von Shulman & Carey<br />
(1984) für lernende gesellschaftliche Systeme diskutiert<br />
wird und die für die Fallstudie in multipler<br />
Hinsicht von Bedeutung sein dürfte. Neben dem<br />
kollektiven Gedächtnis von 'Umweltsystemen (z:B.<br />
dem Boden) und Fragen der Mensch-Umwelt-Bezie-<br />
Abb.2.10 Mitjedem/jederStudierenden n<strong>im</strong>mt die AnzahlpotentiellerSchnittstellen massiv zu. Die Diskussion<br />
<strong>im</strong> Plenum isteine Form der Kommunikation der Fallstudie, sie wirdnicht von ollen Studierenden<br />
gleichermassen geschätzt. Eine wichtige Au/gabe in den kommenden Jahren wirddarin bestehen, diejenigen<br />
Themenbereiche besserherauszufiltern, die sich effizient <strong>im</strong> Plenum bearbeiten lassen (Bild: Michael Meier).<br />
hung (z.B. der Frage, ob es eine typische schöne<br />
L<strong>and</strong>schaft gibt), ist zu hinterfragen, ob die von einer<br />
organisierten Gruppe wie der Gemeinschaft der FallstudienträgerInnen<br />
erbrachte Leistung und gewonnene<br />
Erkenntnis prinzipiell und qualitativ über die<br />
von Einzelnen erbrachte. Leistung und gewonnene<br />
Erkenntnis hinausgeht.<br />
2.10 Das SchnittstellenparadoJlon<br />
Schnittstellen können allgemein als Verbindungen<br />
zwischen informationsaustauschenden Systemen<br />
aufgefasst werden. Sie sind als solche störanfällig. In<br />
der Organisationspsychologie werden Sie zum Gegenst<strong>and</strong><br />
gemacht. Man spricht von der Opt<strong>im</strong>ierung<br />
von Schnittstellen (vgI. Mc Grath; 1976). Gelegentlich<br />
hört man sogar, dass ein gutes System sich dadurch<br />
auszeichnet, dass keine (oder nur wenige)<br />
Schnittstellen vorh<strong>and</strong>en sind.<br />
Die Fallstudie stellt nun ein hochdifferenziertes<br />
und komplex' organisiertes Grossprojekt dar, in.der<br />
sich eine grosse Anzahl von höchst unterschiedlichen<br />
Personen rriit verschiedenen Fragen. beschäftigen.<br />
Dadurch werden eine Vielzahl von Schnittstellen'<br />
definiert, die stören können und in eine ineffiziente<br />
Arbeit münden können. Grossorganisationen führen<br />
zu unpersönlichen Vorgaben (z.B.Terminierungen,<br />
Anforderungen). Die EDV-Kommunikation .bietet<br />
zudem die Möglichkeit· zu einer zentralistischen<br />
Kontrolle. Damit ist die Gefahr gegeben, dass die<br />
FallstUdie zu einer Generalstabsübung<br />
verkommt. Obwohl<br />
diese Gefahr in den gros-<br />
.sen Fallstudien der letzten<br />
drei Jahre zu Teilen sichtbar<br />
wurde, gibt es deutliche Hinweise,<br />
dass sie umgehbar ist.<br />
Wesentlich erscheint uns zweierlei.<br />
• Zum einen muss eine klare<br />
Ausrichtung der Arbeit gegeben<br />
sein. Diese ist durch den<br />
Fall und seine Probleme gegeben.<br />
Besteht über das zu<br />
untersuchende System, die<br />
Untersuchungsfragestellung<br />
(i.e. die Ziele der Fallstudie)<br />
und über die Organisation<br />
kein Einvernehmen, so sind<br />
die Chancen zu einer effektiven<br />
und effizienten Kooperation,<br />
Kommunikation<br />
und Koordination gering.<br />
Die Fallstudienzeitung, über<br />
die <strong>im</strong> folgenden Kap. 3<br />
50<br />
UNS-Fallstudie '96
_____________-,-'-<br />
Kommuriikation<br />
MEDIENARBEIT IN DER FALLSTUDIE berichtet wird,<br />
besitzt hier eine wesentliche Funktion.<br />
• Zum zweiten muss das System so flexibel sein,<br />
dass die Schnittstellen problemangemessen und<br />
den individuellen Bedürfnissen und Grenzen der<br />
FallstudienträgerInnen angepasst sind. Dies setzt<br />
an die Organisation der Fallstudie grosse Anforderungen<br />
und verlangt .einen angemessenen «Kommunikations-Cocktail»<br />
zwischen elektronischer<br />
Kommunikation und den verschiedenen Formen<br />
interpersoneller Interäktion. Das Kap. 4 COMPUTER"<br />
EINSATZ UND KOMMUNIKATION ist auch unter diesem<br />
Blickwinkel zu lesen.<br />
3. Medienarbeit in der Fallstudie<br />
3.1 Zum Begriff der Zeitung<br />
Der Begriff Zeitung taucht als «zidunge» (Nachricht,<br />
Botschaft) erstmals um 1300 <strong>im</strong> Raum Köln auf. Er<br />
leitet sich vom mittelniederdeutschen «tidinge»<br />
(Nachricht) her, das seine Wurzel <strong>im</strong> Verb «tiden»<br />
(streben, gehen) hat. Bis <strong>im</strong> 19. Jahrhundert wurde<br />
der Begriff Zeitung noch <strong>im</strong> Sinn von «Nachricht<br />
von einer Begebenheit» gebraucht (Drosdowski,<br />
1989). Ab dem 16. Jahrhundert taucht der Begriff<br />
<strong>im</strong>mer häufiger in Titeln von Flugschriften auf. Die<br />
«newen Zeytungen» waren für einzelne EmpHinger<br />
best<strong>im</strong>mte Beilagen zu Briefen, die wegen ihres allgemein<br />
interessanten Inhaltes vervielfältigt wurden<br />
(Pfeifer, 1993). Die eigentliche Geburtsstunde der<br />
Zeitung ist an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert<br />
zu sehen. Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks<br />
mit beweglichen Lettern (ca. 1440) war die<br />
entscheidende Voraussetzung zur schnellen Massenverbreitung<br />
von Druckerzeugnissen. 1609 erschienen<br />
in Wolfenbütte1 und Strassburgdie zwei ersten<br />
Wochenzeitungen, 1650 folgte in Leipzig die erste<br />
Tageszeitung.. Heute erscheinen weltweit· rund<br />
38'000 Zeitungen, davon 6000 Tageszeitunge.n. In<br />
Westeuropa sind es rund 1750, davon in. der Schweiz<br />
. 123 (Br<strong>and</strong> & Schulze, 1993).<br />
Eine allgemein anerkannte Definition des aktuellen<br />
Zeitungsbegriffes existiert nicht. Vier Kriterien<br />
werden aber von fast allen Wissenschafterlnnen betont:<br />
• Aktualität, d.h. Neuwertigkeit, Gegenwartsbezogenheit<br />
• Publizität, d.h. grundsätzliche Zugänglichkeit<br />
• Universalität, d.h. die grundsätzliche Offenheit<br />
nach allen Lebensbereichen hin,<br />
• Periodizität, d.h. regelmässiges Erscheinen.<br />
Zusammengefasst lässt sich die Zeitung also definieren<br />
als ein «in regelmässiger Folge erscheinendes,<br />
grundsätzlich allen zugängliches Medium, das aktuelle<br />
Informationen aus allen Lebensbereichen<br />
verbreitet» (Br<strong>and</strong> & Schulze, 1993, S. 7). Von der<br />
Zeitschrift unterscheidet sich die Zeitung vor allem<br />
durch die Universalität ihres Inhalts, aber auch durch<br />
in der Regel kürzere Erscheinungsintervalle.<br />
3.2 Charakter der Fallstudienzeitung<br />
Das <strong>im</strong> Rahmen der UNS-Fallstudie an der Abteilung<br />
für Umweltnaturwissenschaften der <strong>ETH</strong><br />
regelmässig publizierte Informationsorgan, in der.<br />
Folge Pallstudienzeitung genannt, kommt gemäss.<br />
obiger. Kriterien einer Betriebszeitung am nächsten.<br />
Von Studierenden für die Studierendenals wichtige<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
51
Kommunikation ~ ~---~----<br />
Zielgruppe verfasst, trotzdem aber den Anliegen der<br />
Fallstudie verpflichtet, bewegt sie sich in einem ähnlichen<br />
Spannungsfeld: In d~r Fallstudienzeitung<br />
werden St<strong>im</strong>mungen oder Kritik der Basis wiedergegeben.<br />
Dadurch, dass eine finanzielle und zum Teil<br />
ideelle Abhängigkeit zur Projektleitung (Geschäftsleitung)<br />
besteht, werden allerdings Äusserungen, die<br />
dem Gesamtprojekt(Betrieb) schaden würden, nicht<br />
gedruckt. In der Fallstudienzeitung ist somit (wie<br />
auch in einer Betriebszeitung) Platz für konstruktive<br />
Diskussion 'über strukturelle Mängel oder Vorschläge,<br />
nicht aber für Polemik oder Meinungsmache.<br />
Analog zur Betriebszeitung übern<strong>im</strong>mt sie wichtige<br />
Funktionen bei der Identifikation der Studierenden<br />
mit ihrer Arbeit.<br />
3.3 Aufgaben der Fallstudienzeitung in<br />
der Fallstudie<br />
Die Fallstudienzeitung erscheint regelmässig in gedruckter<br />
Form und ist als Produkt der Fallstudie<br />
gekennzeichnet. Verfasst wird sie von einer Gruppe<br />
von Studierenden, genannt Mediengruppe. Die Fallstudienzeitung<br />
ist das einzige schriftliche Produkt,<br />
das bereits während der Fallstudie nach aussen gelangt.<br />
Neben dem direkten Gespräch mit Studierenden,<br />
TutorInnen und dem verantwortlichen<br />
Hochschulprofessor ist die Fallstudienzeitung<br />
somit die einzige Möglichkeit für die<br />
TrägerInnen der Fallstudie (vgl. Abb. 1.2<br />
<strong>im</strong> Kap. ORGANISATION), sich über den Fortgang<br />
der Arbeiten ein Bild zu machen.<br />
nen dämpfen: unsachgemässe Berichterstattung, ungenügender<br />
Einbezug von vorh<strong>and</strong>enem Expertenwissen<br />
oder die Veröffentlichung von Interviews,<br />
die von den Befragten nicht autorisiert worden sind,<br />
werfen ein schlechtes Licht aufdie ganze Fallstudie.<br />
1996 wurden verbindliche «Spielregeln» zur Qualitätssicherung<br />
aufgestellt. Fallstudienleitung und<br />
Mediengruppe legten gemeinsam in einem Konzept<br />
einen durch «Netze» abgesicherten H<strong>and</strong>lungsraum<br />
fest, in dein die Mitglieder der Mediengruppe auch<br />
exper<strong>im</strong>entieren und Fehler machen durften.<br />
.Kommunikation nach innen<br />
Die Fallstudienzeitung dient nicht nur als Informationsquelle<br />
für die TrägerInnen der Fallstudie, die<br />
zweite grosse Zielgruppe sind die Studierenden. Die<br />
Fallstudienzeitung liefert ihnen allgemeine Informationen<br />
aus verschiedenen Perspektiven und Wissenshorizonten:<br />
Wo sehen interviewte BewohnerInnen<br />
Hauptproblerne des betrachteten Quartiers? Wo<br />
sieht einEPolitikerIn, wo einE WirtschaftsvertreterIn<br />
dengrössten H<strong>and</strong>lungsbedarf? Die Fallstudienzeitung<br />
unterstützt somit das Fallstudienziel, Wissen<br />
aus verschiedenen Quellen und Horizonten zu verknüpfen<br />
(z.B. das Erfahrurigswissen von ArbeiterInnen<br />
und das Fachwissen von Wissenschafterlnnen).<br />
Kommunikation nach aussen<br />
Die Fallstudie interessiert sich nicht nur<br />
für das objektive Wissen der FallstudienträgerInnen<br />
sondern auch für ihre Interessen<br />
und Meinungen, welche die Entwicklung<br />
des Falles entscheidend beeinflussen.<br />
Die Resultate der Fallstudie sollen zur<br />
Lösung der aktuellen Probleme des Falls<br />
beitragen. Die Fallstudienzeitung lässt<br />
deshalb alle Interessengruppen mit gleichem<br />
Recht zu Wort kommen. Eine seriöse<br />
und alle relevanten Gruppen einbeziehende<br />
Berichterstattung gibt dabei den<br />
TrägerInnen der Fallstudie die Bestätigung<br />
dafür, dass ihre Anliegen von den Studierenden<br />
der Umweltnaturwissenschaften<br />
ernstgenommen und in ihre Arbeiteinbezogen<br />
werden.<br />
Umgekehrt können schlechte Erfahrungen<br />
mit der Mediengruppe die Kooperationsbereitschaft<br />
der FallstudienträgerIn-<br />
Abb.3.3 Die <strong>Nord</strong>Seiten wurden VO" den Studiere"den, den TutorI""en u"dVO" ei"em<br />
Kreis VO" ousserholb der Follstudie i"tensiv gelesen. Dies ko""te ouch o"ho"d ei"er<br />
umfossende" Evoluotio" bestätigt werden (Bild: Michoel Meier).<br />
52 UNS-Fallstudie '96
_______--------------~-----------'--------'- __Kommunikation<br />
Die Fallstudienzeitung pflegt die Kontakte zu den<br />
verschiedenen TrägerInnen des Falls kontinuierlich<br />
auch während den Phasen, in denen sich die Studierenden<br />
auf die Arbeit in den Gruppen konzentrieren.<br />
Wenn in der Fallstudienzeitung wichtige Persönlichkeiten<br />
aus Politik und Wirtschaft zu Wort kommen<br />
und sich für die Fallstudie interessieren und engagieren,<br />
bekommt die eigene Arbeit ein grösseres<br />
Gewicht.<br />
Die Fallstudienzeitung dient zudem als «studentisches<br />
Gefäss», um fallstudieninterne Informationen<br />
weiterzugeben. Die studentische Perspektive, aus<br />
der heraus die einzelnen Beiträge verfasst sind, ist<br />
dabei von besonderer Wichtigkeit. Eine Diskussion<br />
über die Ziele Und den Sinn der Synthese in der Fallstudienzeitung<br />
beispielsweise, in der auch Studierende<br />
zu Wort kommen, hat eine <strong>and</strong>ere Qualität als<br />
die Beschreibung verschiedener Synthesemethoden<br />
<strong>im</strong> Fallstudiendossier. Durch diese Betrachtung wird<br />
deutlich, dass sich informationsvermittelnde und<br />
soziale Funktion der Fallstudie innerhalb der Fallstudie<br />
nur schwer trennen lassen. Die Fallstudienzeitung<br />
versucht, den Studierenden die Antwort auf<br />
die Frage: «Wofür mache ich das jetzt eigentlich?» zu<br />
liefern.<br />
Neben der Motivationsförderung kann die Zeitung<br />
auch die Konfliktlösung unterstützen. Im wesentlichen<br />
stehen dafür zwei Mittel zur Verfügung. Erstens<br />
dient die Fallstudienzeitung der Fallstudienlei'tung<br />
als «Frühdetektor» für Unzufriedenheit<br />
unter den Studierenden: studentischen ReporterInnen<br />
gegenüber werden kritische Bemerkungen<br />
früher und ehrlicher geäussert als beispielsweise<br />
gegenüber dem verantwortlichen Hochschuldozenten.<br />
Dieser bekommt so durch die Zeitung die<br />
Meinung von Studierenden weitgehend ungefiltert<br />
mit und hat die Chance, schon früh auf Missst<strong>im</strong>-<br />
,mungen zu reagieren. Zweitens können in der Fallstudienzeitung<br />
Konflikte offen ausgetragen werden:<br />
Es ist möglich, die Meinung verschiedener Parteien<br />
nebenein<strong>and</strong>er gleichwertig darzustellen und die<br />
Leserschaft zur Stellungnahme aufzufordern. Die<br />
Fallstudienzeitung kann so zur Meinungsplattform<br />
für die Studierenden der Fallstudie werden.<br />
3.4 Medienarbeit als umweltnaturwissenschaftliche<br />
Arbeit<br />
Die F~lbtudienzeitungerfüllt sowohl gegen innen<br />
wie auch gegen aussen wichtige Funktionen <strong>im</strong><br />
sozialen und wissensbezogenen Bereich. Es stellt<br />
sich die Frage, ob es sich bei dieser Arbeit auch<br />
um umweltnaturwissenschaftliche Fallstudienarbeit<br />
h<strong>and</strong>elt. Ein Vergleich der wichtigsten Lernziele der<br />
Fallstudie mit den durch die Medienarbeit erlangten<br />
Qualifikationen zeigt, wie nahtlos siGh die Arbeit der<br />
Mediengruppe in die umweltnaturwissenschaftliche<br />
Fallstudienarbeit fügt:<br />
Der Gegenst<strong>and</strong> der Fal/studie ist die Bearbeitung eines<br />
komplexen, realen, gesellschaftlich relevanten Problems.<br />
Angestrebtwirdeine Synthese von Wissen aus verschiedenen<br />
Horizonten. Voraussetzungen für eine ganzheitliche Sicht<br />
des Problems sind eine gute Failkenntnis und ein umfassendes<br />
Systemverstiindnis. Die Mitglieder der Mediengruppe<br />
sammeln und verarbeiten Informationen zum<br />
Fall aus den verschiedensten Quellen. Die fortlaufende<br />
Beschäftigung mit dem ganzen Themenspektrum<br />
rund um das gewählte Fallstudienthema<br />
von Grümaumgestaltung über A1tlasten bis zur Zersiedlungsproblematik<br />
ermöglicht den Mitgliedern<br />
der Mediengruppe, eine, breitere allgemeine Fallkenntnis<br />
zu entwickeln, als dies für Studierende in<br />
den Synthesegruppen der Fall ist. Der Versuch einer<br />
Gesamtsynthese während der Fallstudie ist somit<br />
fortlaufender Gegenst<strong>and</strong> der Mediengruppe.<br />
Die Fallstudie, zielt neben der Lehre auch aufForschung<br />
und Anwendung. Die Mediengruppe bewegt sich an der<br />
Schnittstelle zwischen Hochschule und Praxis. Die Mitglieder<br />
der Mediengruppe erhalten nicht nur Gelegenheit<br />
zu persönlichem Kontakt zu VertreterInnen<br />
aus Politik und Wirtschaft, sondern knüpfen auch<br />
Verbindungen, die von <strong>and</strong>eren Gruppen in der Fallstudie<br />
genutzt werden. Der Einfluss von rechtlichen<br />
und ökonomischen Rahmenbedingungen auf die<br />
Realisierungschancen von Projekten wird den Mitgliedern<br />
der Mediengruppe be<strong>im</strong> Kontakt mit den<br />
Betroffenen stark bewusst.<br />
3.5 «Fallstricke» der Medienarbeit<br />
Die. Medienarbeit unterliegt wie die übrige Fallstudienarbeit<br />
einem steten Entwicklungsprozess. In<br />
den vergangenen zwei Jahren wurden verschiedene<br />
«Kinderkrankheiten» durchgemacht. Die bis jetzt<br />
erkannten «Fallstricke» der Medienarbeit und die<br />
aus ihnen abgeleitetenVerfahrensregeln sind:<br />
• Umfassende Dokumentation der Fallstudie. Alle von<br />
den TrägerInnen der Fallstudie als wichtig eingestuften<br />
Termine, insbesondere interne oder externe<br />
Präsentationen von Resultaten, werden von,<br />
der Mediengruppe wahrgenommen. Indet Folge<br />
wird in der Fallstudienzeitung darüber berichtet.<br />
• Information statt Polemik. Die Mediengruppeist<br />
Teil der Fallstudie. und unterstützt ihre Ziele<br />
konstruktiv. Kritische Meinungen ,haben ihren<br />
Platz in der Fallstudienzeitung. Äusserungen, die<br />
polemisieren und den Fallstudienprozess gefährden,<br />
werden dagegen ni.cht abgedruckt. Die Fallstudienleitung<br />
erhält die Fallstudienzeitung vor<br />
Drucklegung zur Lektüre und behält sich vor,<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
53
Kommunikation<br />
--'-____:_-----~-------'----'----____:_-----------------<br />
solche Äusserungen zu bezeichnen und ihre Änderung<br />
zu verlangen resp. deren Druck zu verbieten.<br />
• Saubere Recherche. Wichtige InformantInnen erhalten<br />
fertige Artikel vor Drucklegung vorgelegt. Sie<br />
haben Gelegenheit, sachliche Fehler zu korrigieren.<br />
Dies gilt speziell für InterviewpartnerInnen<br />
und alle Personen, die wörtlich zitiert werden.<br />
Diese VerfahreIJ.sregel gilt gleichermassen für<br />
InformantInnen von inner- und ausserhalb der<br />
Fallstudie.<br />
Zensur?<br />
Dank des gemeinsamen Konzeptentwurfes war die<br />
Zusammenarbeit zwischen Mediengruppe und Fallstudienleitung<br />
1996 sehr gut. Unter den Studierenden<br />
der Synthesegruppen kamen aber bald Gerüchte<br />
auf, die Fallstudienzeitung werde zensiert und diene<br />
nur mehr als Sprachrohr des Hochschulprofessors.<br />
Einzelne Studierende fühlten sich durch die Mediengruppe<br />
in ihren Interessen zu wenig vertreten.<br />
Der Zensurvorwurf schadet der Glaubwürdigkeit der<br />
Fallstudienzeitung bei den Studierenden.<br />
Verfahrensvorsch/{Jg: Transparenz. Das Konzept der<br />
Mediengruppe wird ,all,en Studierenden zugänglich<br />
gemacht. Der Sinn der verschiedenen «Reviews»<br />
durch ausgewählte TrägerInnen der Fallstudie und<br />
der Fallstudienleitung muss transparent dargestellt<br />
und das Zensurthema bei Bedarfinder Fallstudienzeitung<br />
thematisiert werden.<br />
falsche Erwartungen?<br />
Ein Grossteil der Konflikte, die 1995 zwischen<br />
Mediengruppe und Fallstudienleitung entst<strong>and</strong>en,<br />
hatte seinen Ursprung in unterschiedlichen Vorstellungen<br />
über die Arbeit in der Mediengruppe. Die<br />
Fallstudienzeitung ist nicht wie eine Tageszeitung<br />
unabhängig, sondern dem Fallstudienziel verpflichtet.<br />
Die Berichterstattung beschränkt sich auf die<br />
Fallstudie. In der Hauptsache h<strong>and</strong>elt es sich dabei<br />
um objektive Informationsvermittlung. Eine Stellungnahme<br />
der Schreibenden ist allenfalls separat als<br />
Kommentar möglich. Die Fallstudienzeitung steht<br />
aber grundsätzlich allen «Parteien», d.h. den unterschiedlichen<br />
Interessengruppen, neutral gegenüber.<br />
Dies steht <strong>im</strong> Gegensatz zur mehr oder weniger stark<br />
ausgeprägten politischen Ausrichtung professioneller<br />
Zeitungen.<br />
Verfahrensvorsch/ag:' Vonnformation über Mediengruppenarbeit.<br />
Schon vor Beginn der Fallstudie müssen<br />
die Studierenden über Charakter und Voraussetzungen<br />
der Medienarbeit informiert werden. Wichtige<br />
Punkte einer solchen Vorinformation wären:<br />
• Inhalt des Konzepts der Mediengruppe '96<br />
• Hinweis auf die zeitliche Belastung<br />
• Die Arbeit in der Mediengruppe gibt einen ersten<br />
Einblick in den Journalismus. Ein gutes Sprachgefühl<br />
ist von Vorteil.<br />
• Die Arbeit für die Fallstudienzeitung lässt sich<br />
nicht mit der Mitarbeit· in einer unabhängigen<br />
Tageszeitung vergleichen. Die Mediengruppe unterstützt<br />
die Fallstudienziele konstruktiv. Es geht<br />
nicht wie in der freien Presse darum, mit Sensationen<br />
und Aufdecken von Sk<strong>and</strong>alen LeserInnen zu<br />
ködern. '«Positiv-Berichterstattung» und Information<br />
stehen <strong>im</strong> Vordergrund.<br />
~.6 Mediengrllppe '~6: Konzept<br />
Schon vor Beginn ,der Fallstudie erstellten Studierende,<br />
die Fallstudienleitung und der Tutor gemeinsam<br />
ein Konzept für die Arbeit der Mediengruppe.<br />
Darin wurden die Stellung der Mediengruppe innerhalb<br />
der Fallstudie, die Funktionen der Zeitung<br />
sowie' ihre Zielgruppen und Hauptinhalte umrissen<br />
(siehe Kasten 3.6.2).<br />
Besondere Aufmerksamkeit wurde in den Abma- '<br />
chungen zwischen Mediengruppe und Fallstudienleitung<br />
dem Umgang mit sensiblen Informationen<br />
und Zitaten resp. Interviews geschenkt. Als Grundregel<br />
wurde festgehalten, dassInformantInnen einen<br />
fertigen Artikel vor Drucklegung zum Gegenlesen<br />
vorgelegt erhalten. Sie haben dann die Möglichkeit,<br />
sachliche Fehler zu korrigieren; dies gilt ganz speziell<br />
für Zitate und Aussagen in Interviews. Dieses<br />
Vorgehen entspricht dem Vorgehen in der «seriösen»<br />
Presse (siehe Kasten 3.6.1).<br />
Weiter erhielten sowohl das Fallstudienbüro und<br />
der verantwortliche Hochschuldozent als auch die<br />
Kosten 3.6.1 Pressekodex des Deutschen Presserotes (Auszug aus der<br />
Fassung vom 14. Februar 1990).<br />
54<br />
UNS-Fallstudie '96
__________________---,- -:-- :..-_Kommunikation<br />
Kasten 3.6.2 Das Konzept der Mediengruppe 1996 (Auszug).<br />
ABB als Fallexpertin und «Fallstudienpatronin» die<br />
. ganze Ausgabe vor Drucklegung zur Stellungnahme.<br />
Es wurde vereinbart, auf sachliche Fehler hinzuweisen<br />
(die verpflichtend korrigiert werden mussten),<br />
und es wurde Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.Rückmeldungen<br />
von Seiten der Fallstudienleitung<br />
beschrankten sich meist auf Vorschläge und<br />
waren keine verbindlichen Weisungen. Während der<br />
ganzen Fallstudie wurden lediglich die Titel zweier<br />
Beiträge nach Diskussion mit der Fallstudienleitung<br />
neu formuliert; be<strong>im</strong> einen h<strong>and</strong>elte es sich um ein<br />
Editorial, be<strong>im</strong> <strong>and</strong>eren um einen Artikel eines<br />
Fremdautors.<br />
3.7 Inhaltliche Ausrichtung der<br />
<strong>Nord</strong>Seiten<br />
Da die Fallsttidienzeitung verschiedenen Zielgruppen<br />
mit eigenen Ansprüchen genügen soll, lässt sie<br />
sich in ihrem Stil nicht eindeutig einem der Typen<br />
(Tages-)Zeitung, Magazin oder Wissenschaftliche Publikation<br />
zuordnen.<br />
Um möglichst allen LeserInnen Interessantes bieten<br />
zu können, beh<strong>and</strong>elte die Fallstudienzeitung<br />
ein breites Themenspektrum. Abb. 3.7 zeigt, wieviele<br />
Artikel zu den einzelnen Themenkreisen in den<br />
<strong>Nord</strong>Seiten erschienen sind.<br />
• Zur Rubrik «Fall» wurden dabei Informationen<br />
über das Projekt ZZN und seine direkten Auswirkungen<br />
in Oerlikon gezählt.<br />
• Als «Hintergrundberichte» galten Beiträge zu<br />
Themenkreisen wie «Umgang mit Altlasten» oder<br />
«Verkehrin derSchweiz», die Facetten des Falles<br />
in grösserem Rahmen beh<strong>and</strong>elten.<br />
• In die Kategorie «FSArbeit» fielen· Artikel zur<br />
Arbeit der Synthese- und Teilprojektgruppen.<br />
• Unter «Interna/Unterhaltung» fallen Comics, Terniinankündigungen,<br />
Leserbriefe, etc.<br />
• «FSTheorie» umfasst sämtliche Artikel, die sich<br />
mit der Theorie der Fallstudie beschäftigten (Fallstudienmethoden,<br />
Organisation,.etc.).<br />
IntemaJUnterhaltung<br />
27%<br />
FSTheorie<br />
7%<br />
Hintergründe<br />
34%<br />
Abb. 3.7 Die relative Verteilung der Artikelanzaltl in den <strong>Nord</strong>Seiten für<br />
die einzelnen Tltemenbereiche. Die Berichte zur Fallstudientheorie, zur<br />
Arbeit der einzelnen Gruppen sowie die Interna richteten sich insbesondere<br />
an die Studierenden. Hintergründe undArtikel zum Fall sollten alle Zielgruppen<br />
ansprechen.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
55
Kommunikation -------------,....-----'----------~- _<br />
Wie häufig die einzelnen Beiträge effektiv von den<br />
einzelnen Zielgruppen gelesen wurden, kann allerdings<br />
nicht festgestellt- werden, da eine derart detaillierte<br />
Abschlussbefragung der LeserInnen nicht<br />
erfolgte.<br />
Ein direktes Feedback von aussen erhielt die<br />
Mediengruppe nur be<strong>im</strong> Kontakt mit der ABB-Pressestelle.<br />
Während der Fallstudie gingen verschiedene<br />
«AI;>onnementsbestellungen» von nicht an der Fallstudie<br />
beteiligten Personen ein, die zufällig ein<br />
Exemplar der <strong>Nord</strong>Seiten in die Hände bekoinmen<br />
hatten. Die Studierenden wurden am Ende der Fallstudie<br />
zu ihrem Leseverhalten sowie zu Form und<br />
Inhalt der Fallstudienzeitung befragt. Das Resultat<br />
war für die Mediengruppe sehr erfreulich: Die Lesehäufigkeit<br />
wurde auf einer Skala von 1 (nie) bis 7<br />
(<strong>im</strong>mer) <strong>im</strong> Schnitt mit 5.2 angegeben..79% der<br />
LeserInnen empf<strong>and</strong>en den Umfang der Zeitung als<br />
gerade richtig. Auch das zweiwöchentliche Erscheinen<br />
wurde von 75% als genau richtig empfunden.<br />
Das Verhältnis zwischen Hintergrundberichten und<br />
Artikeln zur Fallstudie selber wurde von 56% als<br />
genau richtig eingeschätzt.<br />
Aus den verschiedenen Rückmeldungen zur Fallstudienzeitung<br />
kann der Schluss gezogen werden,<br />
dass das Inhaltskonzept «Für jeden Etwas» erfolgreich<br />
war. Die Mediengruppe selbst empf<strong>and</strong> allerdings<br />
den Bereich der eigentlichen Fallstudienberichterstattung<br />
als zu wenig abgedeckt. Sie vermisste<br />
ein wenig den direkten Kontakt zu den Studierenden.<br />
Für die folgenden Fallstudien müsste ein<br />
Weg gefunden werden, von einer einseitigen Informationsübertragung<br />
von der Zeitung zu den LeserInnen<br />
vermehrt zu einem Dialog zu gelangen. Das<br />
Potential der Fallstudienzeitung als Ort für Diskussionen<br />
(Meinungsplattform, siehe Kap. 3.3 AUFGABEN<br />
DER F'ALLSTUDIENZEITUNG IN DER FALLSTUDIE) müsste<br />
besser ausgeschöpft werden.<br />
3.8 Mediengruppe '96: Arbeitsmethode<br />
Die Mediengruppe '96 brachte wenig bis keine praktische<br />
Erfahrung in Medienarbeit mit, Ihre fachliche<br />
Kompetenz erreichte sie <strong>im</strong> wesentlichen durch<br />
eine «Schreibwerkstatt;> unter Anleitung des Tutors<br />
zu Beginn der Fallstudie. Als einführende Literatur<br />
erwiesen sich unter <strong>and</strong>erem Schlapp (1991) und<br />
Schneider (1986) sehr nützlich. Das Prinzip «learning<br />
by doing» st<strong>and</strong> notgedrungen <strong>im</strong> Vordergrund.<br />
Der Mediengruppe '96 gehörten acht Studierende<br />
verschiedener Fachvertiefungen an. Von ihnen Übernahmen<br />
fünf Studierende vorwiegend redaktionelle<br />
Arbeiten, zwei Studenten spezialisierten sich auf<br />
Grafik und Layout. Der Photograph als achtes Mitglied<br />
der l'y1ediengruppe übernahm zusätzlich zu sei-<br />
nerMitarbeit bei der Fallstudienzeitung die photographisehe<br />
Dokumentation der gesamten Fallstudie<br />
- dies auch in Hinblick auf die Iyustration des vorliegenden<br />
Fallstudienb<strong>and</strong>es. Jm folgenden seien<br />
die wichtigsien Teilbereiche der Mediengruppenarbeit<br />
erläutert<br />
Redaktion<br />
An der Redaktionssitzung nahmen alle Mitglieder<br />
der Mediengruppe sowie der betreuende Tutor teil.<br />
Der erste Teil diente jeweils der inhaltlichen und<br />
formalen Besprechung der eben c::rschienenen Nummer.<br />
Im zweiten Teil erfolgte die Planung der nächstenAusgabe.<br />
Die Auswahl der Beiträge erfolgte <strong>im</strong><br />
wesentlichen nach folgenden Gesichtspunkten:<br />
• Wichtige Ereignisse <strong>im</strong> Rahmen der Fallstudie wie<br />
Plena, Beginn einer neuen Arbeitsphase oder die Erfahrungstage<br />
gehörenin die FaUstudienzeitung.<br />
• Das ganze von der Fallstudie aufgenommene<br />
Themenspektrum respektive alle Synthesegruppen<br />
sollen auch in der Fallstudienzeitung vertreten<br />
sem.<br />
• Möglichst alle am Fall interessierten Gruppen<br />
(<strong>Stadt</strong>, Bevölkerung, ABB, etc.) sollen in der<br />
Zeitung Gelegenheit bekommen, ihre Ansichten<br />
darzulegen.<br />
• Die Ausgabe soll eine ausgewogene Mischung<br />
zwischen Unterhaltung undInformation bieten.<br />
• Verschiedene Stilformen (Interview, Photoreportage,<br />
Hintergrundbericht, etc.) erscheinen injeder<br />
Ausgabe in ausgewogenem Verhältnis.<br />
• Beiträge verschiedener Länge kommen dem unterschiedlichen<br />
Leseverhalten verschiedener Lese-<br />
. rInnen entgegen. Eine Ausgabe mit ausschliesslich<br />
zwei- und mehrseitigen Berichten schreckt Lesemuffel<br />
ab; ausreichend «Kurzfutter», das auch<br />
Kreuz- und Querlesen der Zeitung erlaubt, ist<br />
deshalb sehr erwüIischt.<br />
• Pro Ausgabe konzentriert sich die Zeitung auf ein<br />
Schwerpunktthema, dessen verschiedene Aspekte<br />
ausgeleuchtet werden. Schwerpunktthemender<br />
<strong>Nord</strong>Seiten waren: Fallstudienbeginn, Verein zürifüfzgl,<br />
Altlasten, Rückblick auf die erste Fallstudienhälfte,<br />
Raumplanung in der Schweiz, Verkehr, Grünraum<br />
in der <strong>Stadt</strong> sowie Bilanz zur Fallstudie.<br />
Recherche<br />
Als Quellen für di~ Informationen wurden telefonische<br />
Erkundigungen, das persönliche Gespräch,<br />
Literatur aus der fallstudieneigenen Bibliothek oder<br />
<strong>ETH</strong>-Bibliothek sowie das Internet genutzt. Das<br />
WWW (World Wide Web) half vor allem bei dei Su-<br />
- ehe nach innovativen Projekten in <strong>and</strong>eren Ländern,<br />
die sich mit dem ZZN vergleichen lassen, beispiels-<br />
56<br />
UNS-Fallstudie '96
_____~~-----------<br />
Kommunikation<br />
welse <strong>im</strong> Bereich Verkehr.<br />
Die Informationsbeschaf<br />
(ung innerhalb der Gruppen<br />
war speziell organisiert:<br />
In jeder Synthesegruppe<br />
gab es eineN InformationsverantwortlicheN,<br />
der/die<br />
als «PressesprecherIn» fungierte.<br />
Diese Verantwortlichen<br />
hatten den Auftrag,<br />
sich laufend (auch während<br />
der Teiiprojektphase) über<br />
die Arbeiten in der Synthesegruppe.<br />
zu informieren<br />
und der Mediengruppe für l<br />
Anfragen zur Verfügung zu<br />
stehen. Dieses Vorgehen<br />
sollte verhindern, dass veraltete<br />
Informationen in die<br />
Zeitung gelangen oder die<br />
Arbeit der Gruppen falsch<br />
dargestellt wird.<br />
Die Recherche nahm meist<br />
den Rest. der Fallstudienwoche<br />
und auch noch einen .<br />
Teil des folgenden Montags und Dienstags in Anspruch.<br />
Diese Belastung der Mitglieder der Mediengruppe<br />
ausserhalb der für die Fallstudie reservierten<br />
Zeit liess sich aus terrriinlichen Gründen kaum vermeiden:<br />
Innerhalb von zwei Tagen lassen sich nur<br />
schwer kurzfristige Gesprächstermine mit PolitikerInnen<br />
oder Geschäftsleuten vereinbaren, der Freitagnachmittag<br />
ist zudem eine ungünstige Zeit ,für<br />
Nachfragen auf Ämtern oder in BÜros.<br />
Abb. 3.9 Die besten Präsentationen wurden an der Schlussveranstaltung prämiert. Das Redaktionsteam der<br />
<strong>Nord</strong>Seiten erhielt einen speziellen Preis, da die Zeitung die Fallstudie in besonderer Weise unterstützte (Bild:<br />
Michael Meier).<br />
Zeitungsredaktion. Fehlendes Feedback liess die<br />
Mediengruppe '96 bis zur Evaluation <strong>im</strong> Dunkeln<br />
tappen, ob ihr Produkt ihrerLeserschaft überhaupt<br />
gefiel.<br />
.3.9 Fazit der Mediengruppe '96<br />
In der Arbei.tsmethodik der Mediengruppe kann<br />
eine Übereipst<strong>im</strong>mung mit derjenigen der Synthesegruppen<br />
gesehen werden. Grundsätzlich verschieden<br />
ist dabei der Zeitmassstab: Jede Ausgabe<br />
der Fallstudienzeitung entspricht dem Produkt einer<br />
«Synthese <strong>im</strong> Kleinen» (Begriffsiehe Editorial <strong>Nord</strong><br />
Seiten Nr. 7).<br />
Das Grundkonzept der FaHstudienzeitung '96, den<br />
<strong>Nord</strong>Sei(en, scheint gelungen: Im Vergleich zu den<br />
Vorjahren war das Verhältnis der Mediengruppe zur<br />
Fallstudienleitung sehr entspannt, die Arbeit wurde<br />
von der Mediengruppe als interessant empfunden.<br />
Die LeserInnen von inner- und ausserhalb der Fallstudie<br />
waren mit dem Inhalt der Fallstudienzeitung<br />
zufrieden und lasen sie häufig. Bewährt hat sich auch<br />
der Zweiwochenrhythmus des Erscheinens. Verbesserungswürdig<br />
erscheint der Kontakt zwischen den<br />
Studierenden in den Synthesegruppen und der<br />
•<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
57
Kommunikation<br />
~-----------------------___,.------____,-<br />
4. Computereinsatz und<br />
Kommunikation<br />
4.1 Grundlagen<br />
Computer werden zur Kommunikation zwischen den<br />
.Beteiligten, zur Informationsbeschaffung (Datenbanken)<br />
und als allgemeines Arbeitsmittel (Anwenderprogramme)<br />
eingesetzt. Grundsätzlich gilt es<br />
be<strong>im</strong> Thema Computerkommunikation zu unterscheiden<br />
zwischen der Kommunikation zwischen<br />
Mensch und Maschine 3 (Computer) und der Kommunikation<br />
zwischen Menschen via Computer. Wir<br />
beschränken uns aufden zweiten Teil, die computerunterstützte<br />
Kommunikation zwischen den verschiedenen<br />
inden Fallstudien beteiligten Personen und<br />
Gruppen.<br />
Die computerunterstützte Gruppenarbeit (Computer<br />
Supported Cooperative Work, CSCW) als Forschungsgebiet<br />
ist relativ jung, eine allgemein anerkannte<br />
wissenschaftliche Definition von CSCW steht<br />
noch aus (Clausen, 1992; Teufel et al., 1995). Wir<br />
verstehen CSCWals allgemeine Bezeichnung für die<br />
computertechnische Unterstützung mehrerer Personen,<br />
die eine gemeinsame Aufgabe bearbeiten 4 • Die<br />
dabei eingesetzten Kommunikationsmittel können<br />
.sich in folgenden Charakteristika unterscheiden:<br />
.• Medium: Die Kommunikation kann über Texte,<br />
Bilder (Grafiken, Video) oder Töne erfolgen<br />
• Räumliche Verteilung: Die Anwendungen sind<br />
räumlich benachbart (lokal) oder entfernt (verteilt)<br />
Zeit r--------,------:------,<br />
asynchron<br />
syncliron<br />
MAUD<br />
Logicat Decisions<br />
Groupware (TU Defft)<br />
• Zeitliche Verteilung: Die Kommunikation erfolgt<br />
zeitgleich (synchron) oder zeitverschieden (asynchron)<br />
• Anzahl KommunikationspartnerInnen<br />
• Art der Kommunikation: Explizite (aktiver Informationsaustausch,<br />
z.B. via elektr()nische Post) und<br />
<strong>im</strong>plizite Kommunikation (Austausch über gemeinsame<br />
Medien, z.B. zentrale Adressdiltenbank)<br />
CSCW-Applikationen lassen sich bezüglich ihrer zeitlichen<br />
und räumlichen Unterschiede in einer Raum<br />
Zeit·Matrix (Abb. 4.1.1) darstellen.<br />
Bulletin Board Systeme (BBS)<br />
Im Prinzip h<strong>and</strong>elt es sich bei BBS um spezielle<br />
Datenbanken, in denen Meldungen verschiedener<br />
AutorInnen gegliedert abgespeichert werden. Zentrales<br />
Merkmal von BBS ist, dass' die Informationen<br />
von Einzelnen einer Vielzahl von Personen zur Verfügung<br />
stehen. Clausen (1992) spricht in diesem<br />
Zusammenhang von «person-to-group cummulative<br />
message files». Ursprünglich waren BBS vor allem<br />
für die Veröffentlichung und den Austausch von<br />
binären Dateien durch räumlich und zeitlich verteilte<br />
Gruppen gedacht. Inzwischen haben sich auf<br />
verschiedenen BBS die sogenannten Diskussionsgruppen<br />
als ebenso wichtiges Forum des Informationsaustausches<br />
etabliert.<br />
Die Kommunikation in BBS ist <strong>im</strong>plizit, d.h.eine<br />
Meldung wird grundsätzlich allen angeschlossenen<br />
TeilnehmerInnen zur Verfügung gestellt O:n Kommunikationsbeziehung).<br />
Einer der Hauptvorteile ist<br />
dabei, dass Fragen und Antworten nicht mehrfach<br />
gestellt bzw. gegeben werden müssen.<br />
Verteilte Hypertext Systeme<br />
.Bei Hyper,text Systemen sind einzelne Dokumente<br />
nicht in Form von zusammenhängenden, linearen<br />
Teilen (z.B. Kapitel in einem Buch) verfügbar,<br />
sondern bestehen aus vonein<strong>and</strong>er unabhängigen<br />
. Informationseinheiten oder Knoten (knots), die mitein<strong>and</strong>er<br />
über aktive Verbindungen (links) verknüpft<br />
sind. Die einzelnen' Stellen, an denen die Verknüpfung<br />
definiert ist, heissen Ankerpunkte (anchors).<br />
Abb. 4.1.2 illustriert ein einfachstes Hypertext System.<br />
Die einzelnen Knoten können dabei verschiedene<br />
Medien (Text, Bild, etc.) enthalten. Um be<strong>im</strong> Beispiel<br />
des Buches zu bleiben, können die Knoten als<br />
einzelne, lose Buchseiten verst<strong>and</strong>en werden. Die<br />
benachbart<br />
entfernt<br />
Raum<br />
Abb.4.1.1 Raum-Zeit-Matrix. Die einzelnen CSCW-Applikationen unterscheiden<br />
sich bezüglich ihrer räumlichen und zeitlichen Verteilung. Kursiv<br />
(grau) bezeichnetsinddie in der Fal/studie eingesetzten Systeme (nach Teufel<br />
etaI., 1995).<br />
3 Statt Kommunikotion wird häufig auch der Begriff 1nteroktion für die<br />
Mensch-Computer-Beziehung verwendet (Herczeg, 1994).<br />
4 Die Begriffe Computer Medioted Communicotion (CMC) und· Computer<br />
Medioted Cooperotive Work (CMCW) werden <strong>im</strong> Zusammenhang mit computerunterstützter<br />
Gruppenarbeit ebenfalls verwendet (Rapaport, 1991;<br />
Walters, 1995).<br />
58 UNS-Fallstudie '96
_-'-- ~_~__-;- ~ ___,_---------Kommunikation<br />
In den beiden letzten Jahren hat sich<br />
gezeigt, dass der Einsatz von EDV als<br />
Kommunikationsmittel in der Fallstudie<br />
eine zunehmende Rolle spielt. Wir haben auf<br />
der einen Seite die grosse Zahl der Studierenden (ca.<br />
'100), die. an einem gemeinsamen Problem arbeiten<br />
(siehe auch Kap. ORGANISATION) und <strong>and</strong>ererseits die<br />
räumliche Trennung der einzelnen Arbeitsgruppen.<br />
Gerade weil die eigentliche ~allstudienarbeitin Synhjg(Ivhl;m.~vItlvvtlsjhlMlpdv<br />
vdnschuepevIeY MMc. sttvk JQFIYO v<br />
hjgdf vhjjvh. -eiE~-""'F-.~ lc$Og9ga gasOIkvpOrgkbkc8sDFAg<br />
vmsdhauepElllillYiwMl:<br />
. ~ 'lhj)'dl .asdlvtll'N'~<br />
k$Ogega ~rg<br />
vttJsdlauepevleYlYdvk ~kjjv6v<br />
hjgdf vhj jvh. asdJ vhhv k$Ogega~ rg kllkc8sbFA 9<br />
vdIsdhauep.QVievivdvk<br />
tV:J vtlljvh.asdl\Mv~<br />
k$(lgega gasöIkvpO IV<br />
vdn9lIIauep evIeY iYdYk s4'k lijdvO y<br />
hjgdf vtl1Vh . asd'I \If1hv kSOgBga gasllIIwpO rg kbkc8sDFA 9<br />
Ymsd1auepElllillYiwMl:<br />
hfgdfWJJvh.as
Kommunikation ---------<br />
Abb. 4.2.1 Die Fallstudie '96 bediente sich verschiedener Computerzentren (vg/' Abb. 4.2.2). Ein Teil eines<br />
opt<strong>im</strong>alen Kommunikationsmodells wirddarin bestehen, Arbeitsgroppen von ca. 20 Personen mit 4-5 Computern<br />
auszustatten und zu vernetzen (Bild: Michael Meier).<br />
thesegruppen von ca. 20 Studierenden stattfindet,<br />
ist eine gruppenübergreifende Kommunikation beispielsweise<br />
für das Fallverständnis nötig. Plenumsveranstaltungen<br />
sind zwar wichtig' für einen Austausch<br />
zwischen allen Beteiligten, müssen jedoch<br />
frühzeitig festgelegt werden und sind für eine Steuerung<br />
des Arbeitsprozesses zu schwerfällig.<br />
Aus der Abb. 1.2 <strong>im</strong> Kap. ORGANISATION lässt sich<br />
ersehen, wie umfangreich die Anzahl der an der Fallstudie<br />
ZZN beteiligten Personen und Gruppen ist.<br />
Insgesamt sind an einer Fallstudie, je nachdem, wie<br />
scharf die Grenze bzw; der Begriff «TrägerInnen»<br />
definiert wird, zwischen 160 und 300 Personen beteiligt<br />
(siehe Tab. 4.2.1). Ein zentrales Problem<br />
innerhalb der Fallstudie mit der grossen Anzahl der<br />
Beteiligten ist die Gefahr einer «Übernutzung» des<br />
Tutorinnen<br />
(Einwahl via Modem)<br />
Trägerfeldes. Mit der Einführung<br />
einer Kontaktedatenbank<br />
wurde diesem speziellen<br />
Punkt Rechnung<br />
getragen (siehe Abschnitt<br />
SPEZIELLE DATENBANKEN).<br />
CSCW-Applikationen in der<br />
Fallstudie werden vor allem<br />
für die ersten drei Gruppen<br />
(Studierende, TutorInnen,<br />
Fallstudienbüro) eingesetzt.<br />
Die Computerunterstützung<br />
innerhalb der Fallstudie verfolgt<br />
verschiedenen Ziele:<br />
• Schaffung von Transparenz:<br />
«So viele Beteiligte<br />
wie möglich sollen so viele<br />
Informationen wie möglich<br />
erhalten, aber nicht<br />
jeder muss alles wissen.»<br />
• Die kollektive Erzeugung<br />
des Fallverständnisses, der<br />
Problemkonstruktion und<br />
der Problemlösung mit allen Wechseln der Repräsentationsformen<br />
(numerisch, digital, graphisch,<br />
verbal, etc.) sollen reproduzierbar sein.<br />
• Der Computer schafft ein Ordnungssystem (Struktur)<br />
für Informationen und Kommunikation.<br />
Alle erfassten Daten sind hierzu auf einem zentralen<br />
Computer, einem sogenannten File Server, <strong>im</strong> Fallstudienbürogebäude<br />
gespeichert und' sind von den<br />
verschiedenen Arbeitsplätzen aus abrufbar (Abb.<br />
4.2.2).<br />
Arbeitsplätze<br />
auf dem ZZN Areal<br />
(Einwahl via Modem)<br />
Beteiligte<br />
Studierende <strong>im</strong> 8. Semester<br />
Tutorinnen und ExpertInnen<br />
Fallstudienbüro<br />
<strong>ETH</strong>-Institute/Professuren<br />
Externe (Eignerinnen, Ämter, Verbände, etc.)<br />
Total<br />
Anzahl<br />
80-130<br />
20-30<br />
5<br />
5-15<br />
50-120<br />
160-300<br />
, Tab. 4.2.1 Anzahl der an einer Fallstudie beteiligten Personen (TrägerInnen).<br />
Computerarbeitsraum<br />
<strong>ETH</strong> <strong>Zentrum</strong><br />
Fallstudienbürogebäude<br />
Voltastrasse CAD/GIS Gruppe<br />
Professur UNS<br />
Hochstrasse<br />
Mediengruppe<br />
Computerarbeitsplätze<br />
Computerarbeitsplätze<br />
Fallstudienbüro<br />
Sekretariat<br />
Abb. 4.2.2 Die räumliche Verteilung der Computereinrichtungen inder<br />
Fallstudie ZZN.<br />
60 UNS-Fallstudie '96
_____________~__~<br />
____._------------------Kommunikation<br />
Der File Server als Bulletin Board<br />
System<br />
16 Objekte<br />
S6 Altlasten<br />
856.1 MB belegt<br />
36.9 MB frei<br />
In Anlehnung an die Einteilung<br />
in den Abb. 4.1.1 und 4.1.3 verstehen<br />
wir den File Server als<br />
. eine Art Bulletin BoardSystem in<br />
seinem ursprünglichen Sinn.<br />
Für jede Arbeitsgruppe (Synthesegruppen,<br />
Fallstudienbüro,<br />
EDV-Administration, Mediengruppe,<br />
etc.) ist ein Ordner des<br />
File Servers eingerichtet, in<br />
welchem sie ihre EDV-Daten<br />
ablegt. Dieser Ordner ist für alle<br />
an der Fallstudie Beteiligten<br />
einsehbar; Schreibberechtigung<br />
innerhalb des Ordners hat jedoch<br />
nur die entsprechende<br />
Arbeitsgruppe (Passwortschutz).<br />
Eine menr oder weniger einheitliche<br />
Struktur innerhalb des<br />
E-Mail<br />
Attachments<br />
Texte<br />
Ordners erleichtert das Auffinden der Informationen<br />
für alle Beteiligten. Verantwortlich dafür ist eine<br />
für jede Arbeitsgruppe best<strong>im</strong>mte Person. Abb. 4.2.3<br />
zeigt ein Beispiel des Ordneraufbaus inder Synthesegruppe<br />
ALTLASTEN.<br />
In der Fallstudie '96 wurde zur besseren Übersicht<br />
und zum Abgleich zwischen den Arbeitsgruppen<br />
erstmals ein Ordner «Computerfenster» eingeführt.<br />
Darin sollen in tabellarischer Form die wichtigsten<br />
Informationen und ihre Lokation <strong>im</strong> Gruppenordner<br />
angegeben sein. In Tab. 4.2.2 sind die min<strong>im</strong>alen<br />
Anforderungen aufgezeichnet, die ans Computerfenster<br />
gestellt werqen.<br />
Schlussbericht<br />
Literatur<br />
Poster<br />
Teilprojekte<br />
GIS96Altiasten<br />
Termine & Kontakte Präsentation<br />
Nachhaltigkeit<br />
--<br />
Computerfenster<br />
Abb. 4.2.3 Aufbau des Arbeitsordners der Synthesegruppe ALTLASTEN.<br />
Kriterien<br />
Synthesethema<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Teilprojekte<br />
Vorgaben<br />
Kriterien<br />
Planspiel<br />
Szenarien<br />
5-Phase<br />
5-Phase<br />
Logical Decisions<br />
• einfüllen, sobald vorh<strong>and</strong>en<br />
• wünschbar: erwartetes Ziel<br />
formulieren<br />
• Ungefähre Angaben zum<br />
Schlussberichtskapitel der<br />
Synthesegruppe<br />
• hier Namen und wenige<br />
Stichworte angeben<br />
• genaue Inhalte in <strong>and</strong>eren<br />
Arbeitsdokumenten: Namen<br />
nennen und Pfad angeben<br />
Software in der Fallstudie<br />
Für den Zugriff auf den Server stehen die in Tab.<br />
4.2.3 aufgeführten St<strong>and</strong>ardprogramme für Macintoshzur<br />
Verfügung. Für spezielle Arbeitsgruppen<br />
Microsoft Word 5.1<br />
...............<br />
Microsoft Exce14.0<br />
.....................<br />
Mac DrawPro<br />
......................<br />
FileMaker Pro 2.1<br />
.................<br />
EndNote Plus<br />
StatView<br />
..................<br />
Eudora<br />
Netscape<br />
Textverarbeitung<br />
.. .<br />
Tabellenkalkulation<br />
......................................................<br />
Grafiken/Zeichnungen<br />
. .<br />
Datenbanken<br />
. .<br />
Bibliotheksverwaltung<br />
...................<br />
Statistik<br />
............ . .<br />
E-mail<br />
..........................<br />
Hilfsprogramm für das<br />
«Durchforsten» <strong>im</strong> Internet<br />
(WWW)<br />
mögliche gemeinsame Teilprojekte<br />
Überblick über Dokumente,<br />
die Interessierten <strong>and</strong>erer<br />
Synthesegruppen Informationen<br />
über folgende synthesespezifische<br />
Stichworte liefern<br />
können:<br />
,; Protokolle der Synthesetreffen<br />
• Studierende der Synthesegruppe<br />
• Ämter<br />
• etc.<br />
• bevor man wirklich eine<br />
<strong>and</strong>ere Synthesegruppe<br />
anfragt, zur Information für<br />
<strong>and</strong>ere Synthesegruppen<br />
• hier Pfad, Namen und evtI.<br />
Stichworte angeben<br />
• Uste, Pfad angeben<br />
• Liste, Pfad angeben<br />
Tab. 4.2.3 Verwendete St<strong>and</strong>ardprogrammefürMacintosh.<br />
Tab. 4.2.2 Vorlagefürdie min<strong>im</strong>alen Anforderungen ans Computeifenster.<br />
UNS-Fallstudie '96 61
Kommunikaiion -- ,.--,.-- -:- ---'- ,.-- ,.-----,-<br />
den die einzelnen Kontakte<br />
mit Angaben zu den beteiligten<br />
Personen, Inhalten und<br />
Zeitpunkten der Kontakte<br />
sowie möglicher Folgekontakte<br />
aufgelistet. Wichtigster<br />
Punkt war die Festlegung verantwortlicher<br />
Personen, die<br />
die einzelnen Kontakte zu<br />
koordinieren hatten. Die verschiedenen<br />
Arbeitsgruppen<br />
füllten jeweils wöchentlich<br />
ihre Excel Datei aus und das<br />
Fallstudienbüro ergänzte ent~<br />
sprechend auf dem.Server die<br />
Gesamtdatei.<br />
Ebenfalls auf dem Server für<br />
alle einsehbar ist die Adressdatei<br />
der Professur, eine File<br />
Maker Datei mit diversen Ab<br />
Abb. 4.2.4 Auch an den Computern ist die direkte, interpersonelle Kommunikation wesentlich (Bild:. fragemöglichkeiten. Für die<br />
Michael Meier).' . Fallstudie wichtige Pe~sonen<br />
und Methoden (Medien, GIS, Raum-Nutzungs<br />
Verh<strong>and</strong>lungen, Ökobilanzen, etc.) sind zusätzliche<br />
Programme (siehe Tab. 4.2.4) auf einzelnen Rechnern<br />
installiert.<br />
Verteilte Hypertext Systeme<br />
In der UNS-Fallstudie '95 wurde das WWW für die<br />
Bereitstellung von allgemeinen Informationen zur<br />
Fallstudie (Termine, Räume, Personen, etc.) einge-'<br />
setzt. Zur Abfrage diente der Web Browser Netscape..<br />
Da das WWW für lokale Informationen jedoch nicht<br />
unbedingt das ideale Medium ist, haben wir 1996 nur<br />
noch allgemeine Informationen zur Fallstudie und<br />
zur Professur eingerichtet.<br />
Spezielle Datenbanken<br />
Mit der Einführung einer Kontaktedatenbank wurde<br />
versucht, die verschiedenen möglichen Kontakte<br />
zu koordinieren und damit der «Übernutzung» des<br />
Trägerfeldes vorzubeugen. In einer Excel Datei wur-<br />
Mini CAD<br />
PageMaker<br />
Photoshop .<br />
Oköbii~~~i~~~~g~~öi~are<br />
Stella "<br />
Computer Aided Design/GIS'<br />
Desktop Publishing<br />
Bildbearbeitung<br />
Üä~it ~'~t~~MS~ÖOS)<br />
......................... . .<br />
...........................................<br />
........................................... - .<br />
MAUD<br />
Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>·<br />
lungen<br />
Modellierungen<br />
Tab. 4.2.4 Verwendete Spezialprogramme aufeinzelnen Rechnern.<br />
wie TutorInnen, ExpertInnen<br />
und allgemeine Ansprechpartnerlnnen sind darin<br />
alle aufgelistet.<br />
Für die Literatursuche stehen allen Beteiligten<br />
verschiedene BibliothekSdatenbanken zur Verfügung.<br />
Neben Zentralbibliothek, <strong>ETH</strong>- und Uni-Bibliotheken<br />
mit ihren entsprechenden Abfragesystemen ist<br />
auf demServer eine EndNote Datei mit allen in der<br />
professureigenen Bibliothek verfügbaren Werken<br />
eingerichtet.<br />
Die vorh<strong>and</strong>enen räumlichen Daten wurden für<br />
die Fallstudie von einer CAD/GIS-Gruppe digitalisiert<br />
und aufbereitet. Die entst<strong>and</strong>ene Datenbank<br />
st<strong>and</strong> allen Gruppen zur Verfügung.<br />
Elektronische PQstsysteme (E-mail)<br />
E-mail hat sich inden letzten Jahren zum wichtigsten<br />
Instrument der fallstudieninternen computergestützten<br />
Kommunikation entwickelt. Jede Gruppe<br />
verfügt über ein eigenes E-mail Konto, das zum<br />
Informationsaustausch zwischen Arbeitsgruppen,<br />
TutorInnen, dem Fallstudienbüro, der Professur und<br />
der Falls1:udienkommission eingesetzt wird. Zum<br />
Vergleich: Wurden 1995 während der Dauer der Fallstudie<br />
von jeder Synthesegruppe noch durchschnittlich<br />
31 Mails verschickt, waren es 1996 bereits 99.<br />
SitZlings- lind Entscheidllngsllnterstützllngssysteme<br />
Die in der Fallstudie in diesem Sinn eingesetzten<br />
Programme betrafen vor allem die Raum-Nutzungs<br />
Verh<strong>and</strong>lungen (MAUD, siehe Kasten 2.2 <strong>im</strong> Kap.<br />
GRÜNRA UM).<br />
62 UNS-Fallstudie '96
____________--:- ~__~ Kommunikation<br />
4.3 Schwächen, Grenzen und<br />
Entwicklungsmöglichkeiten<br />
Der Einsatz von EDV als Kommunikationsmittel in<br />
Gruppenprozessen hat neben seinen unbestrittenen<br />
Vorteilen auch Schwächen. Für die einzelnen, in der<br />
Fallstudie eingesetzten Applikationen, lassen sich<br />
folgende Punkte hervorheben: .<br />
• Die Struktur innerhalb der einzelnen Arbeitsgruppenordner<br />
auf dem File, Server unterscheidet sich<br />
z.T. stark zwischen den einzelnen Gruppen und<br />
fÜhrt dadurch zu einer gewissen Unübersichtlich~<br />
keit. Die Strukturierung sollte klar, einfach und vor<br />
allem für alle Gruppen einheitlich sein.<br />
Die Benutzung des Computerfensters wurde<br />
(auch wegen der räumlichen Distanzen zwischen<br />
den Arbeitsgruppen) dem ebenfalls eingerichteten<br />
Syntheseaustauschraum mit Postern vorgezogen.<br />
Für einen aktiveren Austausch von Informationen<br />
sollte für zukünftige, Fallstudien die Einrichtung<br />
von Diskussionsgruppen auf dem File Server geprüft<br />
werden.<br />
• Das World Wide Web (WyYW) wurde wie erwähnt in<br />
der Fallstudie'96 als fallstudieninternes Kommunikationsmittel<br />
nicht mehr eingesetzt.<br />
Für die Präsentation der Fallstudie als Best<strong>and</strong>teil<br />
des Studienganges Umweltnaturwissenschaften<br />
sollte es jedoch wieder stärker eingesetzt<br />
werden. Mit der Vorstellung des jeweiligen Fallstudienthemas<br />
und Hintergrundinformationen kann<br />
beispielsweise der Kreis der externen InteressentInnen<br />
vergrössert werden.<br />
Bei der Kommunikation über den File Server ist<br />
zu beachten, dass sich die PartnerInnen über den<br />
Typus des Austausches (Hol- oder Bring-Prinzip)<br />
verständigen.<br />
• Das Problem der «Überweidung» des Feldes von<br />
externen InformationsträgerInnen trat in dieser<br />
Fallstudie nicht so stark aufwie in den beiden letzten<br />
Jahren. Wir glauben, dass die Idee einer für<br />
alle einsehbaren Datenbank mit Kontaktpersonen<br />
sinnvoll ist.<br />
• Eine der zentralsten CSCW-Einrichtungen in der<br />
Fallstudie ist zweifellos E-mail, Gerade der häufige<br />
und rasche Einsatz dieses Mediums führt jedoch,<br />
oft auch zu Problemen. Es hat sich gezeigt, dass<br />
das Kommunikationsverhalten enthemmter (engl.<br />
uninhibited) ist und auch teilweise soziale Normen<br />
überschritten werden (Clausen, 1992). Frese &<br />
Brodbeck (1989) erwähnen auch die gesteigerte<br />
Bereitschaft, schlechte Nachrichten und negative<br />
Informationen mitzuteilen. Das Fehlen jeglicher<br />
sicht- oder hörbarer Hinweise auf die St<strong>im</strong>mung<br />
der beteiligten KommunikationspartnerInnen und<br />
- <strong>im</strong> Gegensatz zu Briefen - das oftmals rasche<br />
und spontane Abfassen von Mitteilungen haben<br />
auch in der Fallstudie schon zu Missst<strong>im</strong>mungen<br />
geführt. Wir erachten es deshalb als wichtig, dass<br />
bei E-mail unterschieden wird zwischen MeldUngen<br />
an Einzelpersonen und Mitteilungen an ganze<br />
Gruppen. Eine weitere Schwierigkeit von E-mail<br />
Kommunikation besteht in der unzureichenden<br />
Bezeichnung von Dringlichkeit und/oder Wichtigkf!it<br />
der Mitteilungen. .<br />
• Das Einrichten einer, zentralen, intelligenten<br />
Agendadatenbank könnte äusserst hilfreich sein.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
63
Kommunikation-'-<br />
_<br />
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64<br />
UNS-Fallstudie '96
Fallstudien-Organisation<br />
Inhalt<br />
I. Zielsetzung<br />
2. Aufbau und Ablauf der<br />
Fallstudie 1996<br />
3. W<strong>and</strong>el und Best<strong>and</strong> der<br />
Fallstudienorganisation<br />
4. Die Zukunft der Fallstudienorganisation<br />
67<br />
69<br />
74 .<br />
78<br />
AutorInnen<br />
Harald A. Mieg<br />
S<strong>and</strong>ro Bösch<br />
Jürg Stünzi<br />
Katharina Zwicker
Organisation'-- ~ _<br />
66 UNS-Fallstudie '96
_________________________________________Organisation<br />
1ir<br />
Zielsetzung<br />
Die Fallstudie der Abteilung Umweltnaturwissenschaften<br />
stellt zugleich eine Lehrvera~staltungund<br />
ein Grossprojektdar. In ihr sollen Lehre, Forschung<br />
und Anwendung zu einer sinnvollen Einheit finden.<br />
Die Fallstudie 1996 «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>»<br />
(ZZN) ist die sechste Fallstudie der Abteilung Umweltnaturwissenschaften.<br />
Ihre Organisation konnte<br />
wesentlich auf den Erfahrungen der Fallstudie 1994<br />
«Perspektive Grosses Moos» (Scholz et al., 1995) und<br />
der Fallstudie 1995 «Industrieareal Sulzer-Escher<br />
Wyss» (Scholz et al., 1996) aufbauen. Die Grunde<br />
prinzipien der Fallstudienarbeit blieben bestehen<br />
(vgl. auch Kap. EINLEITUNG):<br />
Die Beschäftigung miteinem gesellschaftlich undökologisch<br />
relevanten Fall- einem «ill-definedproblem»:<br />
ZZN stellt dasgrösste städtische Planungsvorhaben<br />
in der Schweiz dar. Nach Willen von <strong>Stadt</strong> und Investoren<br />
soll hier ein neuer <strong>Stadt</strong>teil mit <strong>Zentrum</strong>s-'<br />
funktion und urbaner Qualität entstehen. Eine neue<br />
städtische Umwelt wird realisiert. Fragen der Altlastenbearbeitung,<br />
Fragen nachdem Verhältnis von<br />
Natur und <strong>Stadt</strong> sowie Fragen der Planbarkeit eines<br />
ganzen städtischen «Systems» tauchen auf, zu deren<br />
Bearbeitung gerade die Umweltnaturwissenschaften<br />
beitragen können.<br />
Die starke studentische Beteiligung in der Planung<br />
undLeitung der Faitstudie:<br />
Es ist ein Grundprinzip der Abteilung Umweltnaturwissenschaften,<br />
die Studierenden in wesentliche<br />
Entscheidungen einzubeziehen. Die StucJierenden<br />
haben auch <strong>im</strong> Leitungs- .<br />
gremium der Fallstudie - der<br />
Fallstudienkommission die<br />
Mehrheit. Die Kommission besteht<br />
aus 10-15 Studierenden,<br />
den Professoren Scholz und Kol~<br />
ler sowie FallstudientutorInnen<br />
und Mitgliedern des Fallstudienbüros.<br />
In ihren Händen liegt die<br />
Gesamtleitung der Fallstudie von<br />
der Auswahl des Falls bis hin zur<br />
Steuerung der Projektgruppen.<br />
Kasten 1.1 Die Einbettung der Fallstudie <strong>im</strong> Studiengang Umweltnaturwissenschaften.<br />
Das Prinzip des forschenden Lernens:<br />
Die Fallstudie bietet die Gelegenheit,<br />
das Wissen aus einer<br />
mehrjährigen, umfassenden Aus- .<br />
bildung (siehe Kasten 1.1) an<br />
einem realen Problem zur Anwendung<br />
zu .bringen. Ein Problem,<br />
das «ill-defined» ist und die<br />
Grösse eines Falles wie das ZZN<br />
Abb. 1.1 Die Fallstudienkommission ist das Leitungsgremium der Fallstudie. Zur Einführungsveranstaltung<br />
spielte die Fallstudienkommission eine ihrer Sitzungen nach (Bild: Michael Meier).<br />
UNS-Fallstudie '96 67
Organisation ,---- ,---- ,---- ,---- _<br />
aufweist, lässt sich jedoch nicht als eine «Textbuch<br />
Aufgabe» bearbeiten. Vielmehr erfordert die Fallstudie<br />
auch die Entwicklung der Grundsätze der<br />
Fallbearbeitung: die Studierenden müssen die<br />
Grundlagen ihrer Arbeit - die Kriterien und Methoden<br />
- <strong>im</strong>mer wieder überdenken und bearbeiten.<br />
Einige Methoden (z.B. Szenarioanalyse) wurdenvoil<br />
den Fallstudien aufgegriffen und weiterentwickelt,<br />
<strong>and</strong>ere sind Neuentwicklungen (z.B. weitgehende<br />
Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen). Forschendes Ler-<br />
.nen in der Fallstudie verbindet sich grundsätzlich<br />
mit Teamarbeit. Nur in einem strukturierten Team<br />
lässt sich ein «gesellschaftlich und ökologisch relevanter»<br />
Fall methodisch und effizient angehen.<br />
Wissensintegration (Synthese) als Forschungsziel:<br />
Über einen Fall wie das ZZN gibt es Wissen auf verschiedenen<br />
Seiten: bei den EntscheidungsträgerInnen,<br />
den involvierten Fachleuten, den «betroffenen»<br />
MitarbeiterInnen sowie den AnwohnerI~nen. Daneben<br />
gibt es die wissenschaftlichen Disziplinen,<br />
die etwas zum Fall beitragen können. Diese reichen<br />
von der Bauphysik bis hin zur Ökonomie. Ziel der<br />
Fallstudie ist die Integration dieses Wissens zu<br />
einem gesamthaften, umfassenden Fallverständnis.<br />
Die Fallstudie muss also «Interdisziplinarität» und<br />
«Ganzheitlichkeit»Wirklichkeit werden lassen. Hierzu<br />
prüft und entwickelt die Fallstudie Methoden der<br />
Wissensintegration.<br />
Die Kooperation mitIndustrie, Ämtern, Forschungsinstituten<br />
undsonstigen «Triigerlnnen der Fallstudie»:<br />
Die Fallstudienarbeit basiert wesentlich auf der<br />
Kooperation mit Forschungsinstituten und allen,<br />
die in den Fall involviert sind. Es wäre sonst nicht<br />
möglich, alles fallrelevante Wissen in kurzer Zeit<br />
zusammenzufügen. Zwei weitere Gründe sind:<br />
Erstens sollen die Studierenden die Kommunikation<br />
mit unterschiedlichen ProjektpartnerInnen und InteressensvertreterInnen<br />
einüben. Zweitens gehört<br />
die Verbesserung und Verbreiterung der Kommunikation<br />
zwischen den Interessengruppen zu den<br />
fall bezogenen Zielen der Fallstudie. Die Fallstudie<br />
1996 st<strong>and</strong> von Anfang an in enger Kooperation mit<br />
Professur für Umweltnatur- und<br />
Umweltsozialwissenschaften<br />
Prof. .R.W. Scholzr-----<br />
Fallstudienbüro<br />
S. Bösch<br />
A.Mieg<br />
R.W.Scholz<br />
J. Stünzi<br />
K.Zwicker<br />
Fallstudienkommission<br />
S. Blau, S. Bösch,<br />
M. Classen, B. Eggmann,<br />
P. Gähwiller, J. Hunziker,<br />
Th. Koller, C. Mäschli,<br />
S. Mayer, A. Mieg,<br />
M. Niederer, J. Oswald,<br />
N. Patzei, J. Ranke,<br />
R.W. schoiz, T. Siegfried,<br />
B. Sintzel, R. Steinmann,<br />
J. Stünzi, S. Ulbrich,<br />
O. Zenklusen, K. Zwicker<br />
Studierende<br />
Tutorinnen und Tutoren<br />
M. Berli, A. Berwert, L Carlucci, A. Eisinger, P. Frischknecht,<br />
A. Heitzer, J. Heeb, A. Hofer, T. Hulliger, M. Koucky, M. Lebküchner,<br />
E. Meyrat-Schlee, H.A. Mieg, S. Mischke, M. Schärli, C. Schmid, C. Schmidlin,<br />
J. Schmill, J.W. Schregenberger, R. Schwarzenbach, M. S<strong>im</strong>on, W. S<strong>im</strong>on,<br />
M. Stauffacher, J. Stäuble, R. Steiner, J. Stünzi, O. Tietje, OWeber<br />
Abb. 1.2 Aufbauorganigramm der Fallstudie 1996 «<strong>Zentrum</strong> Zünch<strong>Nord</strong>». Die Gesamtleitung der Fallstudie liegt in den Händen der Fallstudienkommission,<br />
die in der Mehrheit aus Studierenden besteht. Das Fallstudienbüro (sowie die Professurfür Umweltnatur" und Umweltsozialwissenscltaften)<br />
unterstütztdos Projektmanagement. Das Fallstudienkuratonum sichertdie «Schnittstelle» zu den externen TrägerInnen der Fallstudie wie ABB und<strong>Stadt</strong>.<br />
68 UN5-Fallstudie '96
_______________________________________Organisation<br />
der ABB Immobilien AG und dem Bauamt lIder<br />
<strong>Stadt</strong> Zürich.<br />
Die Zielsetzungen spiegeln sich in der personellen<br />
Grundstruktur der Fallstudie. Wie man dem Organigramm<br />
der Fallstudie 1996 «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>»<br />
(Abb. 1.2) entnehmen kann, sind <strong>im</strong> wesentlichen<br />
5 Gruppen von Personen beteiligt:<br />
l.Die Studierenden. Für alle Studierenden <strong>im</strong> achten<br />
Semester Umweltnaturwissenschaften ist die Fallstudie<br />
obligatorisch:<br />
2.Die Tutorlnnen. Die Tutorinnen und Tutoren unterstützen<br />
die Studierendengruppen fachlich bzw.<br />
didaktisch. Sie kommen aus der Praxis wie aus der<br />
Forschung.<br />
3.Das Fallstudienbüro. Das Fallstudienbüro hat einen<br />
festen Mitarbeiterstamm. Es unterstützt die Pro<br />
. jektorganislaion der Fallstudie.<br />
4. Wissenschafterlnnen. Die Fallstudie steht <strong>im</strong> Austausch<br />
mit den umweltnaturwissenschaftlichen<br />
Instituten sowie <strong>and</strong>eren Forschungseinrichtungen<br />
innerhalb und ausserhalb der <strong>ETH</strong>. Die Zusammenarbeit<br />
erfolgt über Vorträge, Tutorate oder<br />
Diplomarbeiten, die sich an die Fallstudie anschliessen.<br />
.<br />
5.Externe Triigerlnnen der Fallstudie. Einige Kooperationen<br />
wurden aus der Fallstudie 1995 zum Thema<br />
«Umwelt und Bauen» übernommen, etwa der<br />
Kontakt zur <strong>Stadt</strong> oder zum SBV (Schweizerischer<br />
Baumeisterverb<strong>and</strong>). Neu hinzugekommen sind<br />
der Vereiri zürijüfzgf, der Quartiersinteressen vertritt,<br />
sowie die ABB Immobilien AG als wichtigste<br />
externe Trägerin der Fallstudie. Über das Fallstudienkuratorium<br />
haben die externen TrägerInnen<br />
der Fallstudie eine Steuetungsmöglichkeit.<br />
Die UNS-Fallstudie wird von der Professur für Umweltnatur-<br />
und Umweltsozialwissenschaften durchgeführt.<br />
Professor Scholz ist als Hochschullehrer für<br />
die Fallstudie verantwortlich. Die Professur betreibt<br />
interdisziplinäre Forschung zu Schlüsselbereichen<br />
(Risiko, Entschei~ungsprozesse, Altlasten, etc.) und<br />
stellt ein professionelles Projektmanagement zur<br />
Verfügung.<br />
2. Aufbau und Ablauf<br />
der Fallstudie 1996<br />
Die UNS-Fallstudie unterscheidet sich vontraditionellen<br />
Projekt- und Ausbildungsformen insbesondere<br />
durch das Prinzip der Synthese. Synthese<br />
bedeutet in der Fallstudie vor allem Wissensintegration.<br />
Alles Wissen, das für einen best<strong>im</strong>mten Fall<br />
relevant ist, soll zu einem Gesamtbild zusammengeführt<br />
werden. Ziel ist ein «ganzheitliches» Fallverständnis.<br />
Alle, die in den Fall involviert sind, sollen<br />
von dem neuen, gesamthaften Fallverständnis profitieren<br />
können.<br />
2.1 Synthese als Prinzip<br />
Die Synthese macht die Stärke der Fallstudie aus.<br />
Voraussetzung hierfür ist die grosse Zahl der Beteiligten.<br />
In der Fallstudie 1996 arbeiteten 126<br />
Studierende, betreut von 28 TutorInnen und dem<br />
Fallstudienbüro. Weitere 30 bis 40 Personen und<br />
EntscheidungsträgerInnen <strong>im</strong> Umkreis des Planungsvorhabens<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> st<strong>and</strong>en mit<br />
Rat und Tat zur Seite. Alles in allem waren an der<br />
Fallstudie 1996 gut 200 Personen mehr oder weniger<br />
direkt beteiligt.<br />
Die Organisation von Synthese basiert in der Fallstudie<br />
1996 auf drei Elementen: den Synthesegruppen,<br />
den Synthesemethoden und dem Syntheseziel.<br />
Synthesegruppen<br />
Die Synthesegruppen sind Projektgruppen von 15<br />
bis 20 Studierenden. Ihre Aufgabe besteht darin,<br />
bei Wahrung einer ganzheitlichen Fallbetrachtung<br />
relevante Gesichtspunkte zu beh<strong>and</strong>eln. Es gab 6<br />
Synthesegruppen, unterschieden nach den Gesichtspunkten:<br />
• Altlasten<br />
• Gebäude<br />
• Grünraum<br />
• <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
• Verkehr<br />
• Wasserhaushalt<br />
Die Synthesegruppe GEBÄUDE z.B. hat das Planungsvorhaben<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> unter dem Aspekt<br />
der Gebäudeplanung untersucht. Es wurden nicht<br />
nur Bauvorhaben, sondern auch konkrete Gebäude<br />
.mit ihrer Stellung <strong>im</strong> Fall ZZN einbezogen.<br />
Synthesegruppen sind ein wichtiges organisatorisches<br />
und didaktisches Element~ Jede Synthesegruppe<br />
muss sich ihre Zielsetzungen selbst erarbeiten.<br />
Da..s Arbeiten in Synthesegruppen n<strong>im</strong>mt die<br />
Bedingungen vorweg, die sich vermehrt auch bei Pla-<br />
UNS-FaIlstudie '96<br />
69
Orgailisation ~ ~----'------------------ _ _:...; _<br />
nungs- und Entscheidungsgremien<br />
<strong>im</strong> öffentlichen Raum. finden lassen<br />
(z.B. bei der Quartierplanung,<br />
«Energie-Tischen», etc.): Eine solche<br />
Gruppe setzt sich aus etwa<br />
20 Teilnehmern verschiedener Interessenverbände<br />
mit gemeinsamem<br />
Fallbezug (z.B. Quartier) zusammen.<br />
Sie muss sich ihre konkrete Zielsetzung<br />
selber formulieren.<br />
Bewertungen<br />
Prozesse<br />
r&<br />
~ ...<br />
§//rfi<br />
~//~<br />
S//'ff<br />
§ .... >::<br />
~//~<br />
//::,.0<br />
Synthesemethoden .<br />
Synthese braucht in der Regel<br />
Methoden. Man kann sich nicht<br />
darauf verlassen, dass Gruppen mit<br />
einem Syntheseauftrag auch tatsächlich<br />
zu einer Wissensintegration<br />
gelangen. Synthesemethoden sollen<br />
die Wiederholbarkeit und Verfügbarkeit<br />
der Syntheseleistung garantieren.<br />
Nur wenige starke Methoden zur<br />
WIssensintegration sind bekannt<br />
bzw. praxistauglich. Deswegen beschäftigen<br />
sich die Fallstudien mit<br />
der Weiter- und Neuentwicklung von<br />
Synthesemethoden. Die wichtigsten<br />
Methoden sind (Scholz & Tietje,<br />
1996): .<br />
• FormativeSzenarioanalyse<br />
• Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen<br />
• Ökobilanzierung<br />
• muItikriterielle Bewertungsmodelle<br />
• Synthese-Moderation<br />
Jede Synthesegruppe der Fallstudie<br />
1996 musste deutlich machen, welche<br />
Methode"n sie benötigte'.<br />
Syntheseziel<br />
Die Idee der Synthese trägt nicht,<br />
wenn sie nicht zumindest die Vision<br />
von einer Gesamtsynthese begleitet.<br />
Auch wenn die Synthesegruppen<br />
verschiedenen Aspekten verpflichtet<br />
sind, so ist doch die Zielrichtung<br />
stets, unter dem Aspekt der Synthese<br />
den Fall als Ganzes zu erfassen. ~n<br />
der Fallstudie<br />
1996 wurde aus organisatorischen-- Gründen darauf<br />
verzichtet, eine Gesamtsynthese durchzuführen.<br />
Statt dessen wurde die Idee der Nachhaltigkeit zum<br />
«Leitstern» der Fallstudie gemacht; gemeinsames<br />
Syntheseziel war, Lösungen bzw. Anstösse für eine<br />
nachhaltige Entwicklung des ZZN zu finden.<br />
Abb. 2.1 Skizze zum Aufbau der Fallstudie, die in der Fallstudienkommission entst<strong>and</strong>. Das<br />
Hauptelement sind die Synthesegruppen (VERKEHR, WASSERHAUSHAU; etc.), die das Planungsvorhaben<br />
ZZNunter derjeweiligen Fragestellung beh<strong>and</strong>eln. Hierzu benötigtjede Synthesegruppe<br />
Methoden (zur Fallbewertung bzw. um den Entscheidungprozess zu fördern). Jede Synthesegruppe<br />
untersucht in Teilprojekten D.etailfragen (hier am Beispiel der Gruppe ALTLASTEN skizziert).<br />
Dasgemeinsame ZielallerSynthesegruppen istdieNachhaltigkeit, d.h.: eine nachhaltige, dauerhafte<br />
Entwicklung des ZZN soll unterstützt werden. Für die Synthesegruppen bedeutet dies, dass best<strong>im</strong>mte<br />
-Potentiale. (z.B. ~rkehr, Grünflächen) opt<strong>im</strong>iert werden sollten. Hierzu wer:den in den<br />
Teilprojekten u.a. die Kosten undder Nutzen best<strong>im</strong>mterMassnahmen bemessen.<br />
Abb. 2.1 skizziert das Zusammenspiel von Synthesegruppe,<br />
Synthesemethoden und Syntheseziel in.<br />
der Fallstudie <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>. Auf der mittleren<br />
Ebene. stehen die Synthesegruppen (ALT<br />
LASTEN, VERKEHR, etc.). Ihr Auftrag ist es, den Fall<br />
gesamthaft zu bewerten und die (Verh<strong>and</strong>lungs-)<br />
Prozesse zu fördern. Hierzu dienen die Synthese-.<br />
70 UNS-Fallstudie '96
------'-----------'------------- ~ Organisation<br />
methoden (Szenarioanalyse, Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen,etc.).<br />
Über allem steht der «Leitstern»<br />
Nachhaltigkeit.<br />
2.2 Phasen, -Produkte und Prozesse<br />
Die Fallstudie besteht prinzipiell aus drei Phasen<br />
unterschiedlicher Länge: Vorbereitungs-, Projektund<br />
Nachbearbeitungsphase:<br />
Vorbereitung (etwa ein Jahr)<br />
Die Fallstudienkommission 1996 nahm ihre Arbeit<br />
<strong>im</strong> Januar 1995 auf und tagte in zweiwöchentlichem<br />
Abst<strong>and</strong>. Die Kommission beleuchtete drei Fälle:<br />
• Klettgau (u.a. Grundwasserfragen)<br />
• Thurkorrektion<br />
• <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong><br />
Abordnungen der Fallstudienkorn:mission loteten<br />
die Fälle und den H<strong>and</strong>lungsspielraum aus und<br />
schlossen erste Kooperationen. Die Entscheidung<br />
für das ZZN fiel nicht leicht, war jedoch eindeutig.<br />
Studentische Plenumsveranstaltungen und eine<br />
Zeitung (FaZ - Fallstudienzeitung) sorgten für die<br />
Diffusion des Wissens und der Entscheidungen der<br />
Fallstudienkommission unter den Studierenden.<br />
Zur Vorbereitung für alle Studierende gehört<br />
wesentlich -eine Einführung in die Methoden der<br />
Fallstudie. Für die -Fallstudie 1996 gab es hierzu<br />
eine einsemestrige Vorlesung (l Semesterwochenstunde).<br />
Von 1997 an wird die Methodeneinführung<br />
in einem zweitägigen<br />
«Crash-Kurs» vor Fallstudienoeginn<br />
durchgeführt.<br />
Beginn der Projektphase in den Syrithesegruppen<br />
auf.<br />
In der Projektphase w<strong>and</strong>elte sich a"Uch die Zusammensetzung<br />
der Fallstudienkommission. Neben dem<br />
Fallstudienbüro war nun jede Synthesegruppe mit<br />
einem/r Studierenden und einem/r Tutorln (dem/<br />
der sog. Didaktiktutorln) vertreten.<br />
Begle,tet wurde die Arbeit in der Fallstudie vQn<br />
einer Fallstudienzeitung (<strong>Nord</strong>Seiten), die sich an<br />
alle TrägerInnen der Fallstudie richtet. Produziert<br />
wurde sie von der Mediengruppe (8 Mitglieder) .<br />
Nachbearbeitung (bis zu einem Jahr und länger)<br />
Mit Ende der Projektphase - zum Semesterende <br />
beendet auch die Fallstudienkommission ihre<br />
Arbeit. Die Nachbearbeitung (bis zu einem Jahr)<br />
wird vom Fallstudienbüro und studentischen Redaktionsteams<br />
geleitet. Sie beinhaltet<br />
• Redaktion des Schlussberichts (in der hier vorliegenden<br />
Form)<br />
.. weitere Öffentlichkeitsarbeit (u.a. Schlussveranstaltung<br />
mit Pressekonferenz)<br />
• Diplom- und Semesterarbeiten<br />
• <strong>and</strong>ere Folgeprojekte<br />
Im Anschluss an die Fallstudie 1994 «Perspektive<br />
Grosses Moos» ergaben sich sieben Diplomarbeiten<br />
mit anwendungsorientierten Fragestellungen. Zwei<br />
Diplomarbeiten - ausgeführt von Kulturtechnikern<br />
unter Prof. Fritsch, die in der Fallstudie mitgearbeitet<br />
hatten - schufen die Planung für die Sanierung des<br />
Hauptkanals <strong>im</strong> Grossen Moos. Zwei <strong>and</strong>ere, um-<br />
Projektarbeit<br />
(<strong>im</strong> Sommersemester,<br />
April bis Juli 1996)<br />
Die Fallstudie umfasst als<br />
Lehrveranstaltung 18 Semesterwochenstunden,<br />
von<br />
Mittwoch Mittag bis und<br />
mit Freitag Nachmittag.<br />
Die Studierenden in der<br />
Fallstudie 1996 arbeiteten<br />
. in Synthesegruppen von<br />
19 bis 20 TeilnehmerInnen.<br />
.Um den Start zu erleichtern,<br />
hatte die Fallstudien~<br />
kommission· für jede zu<br />
bildende Synthesegruppe<br />
zuvor eine Arbeitsgruppe<br />
ins Leben gerufen. Die<br />
Arbeitsgruppen gingen mit<br />
Abb. 2.2 Szene aus dem preisgekrönten Film -<strong>Stadt</strong>BrachL<strong>and</strong>. (Beta-Video, 5 Min). Der Film entst<strong>and</strong> in<br />
der Fallstudie J995 -Industrieareal Sulzer-Escher Wyss•. Erwirbtfür nachhaltige Gestaltung undrichtet sich<br />
in ersterLinie an Architekturstudenten. -<strong>Stadt</strong>BrachL<strong>and</strong>. wurde J996 in Neuenburgaufdem 2. Europöischen<br />
Video-Clip-Festivalfür die Umwelt mit dem ersten Preis ausgezeichnet.<br />
UNS-FaIlstudie '96 71
Organisation<br />
_<br />
Einführung<br />
--' Fallstudie allgemein<br />
- Fallbegegnung Postenlauf & Vorträge<br />
- Expertenbildung Steilkurse & Vorträge<br />
Synthesephase I<br />
- Zielsetzung<br />
Teilprojektphase<br />
- Einzelprojekte<br />
inkl. Erlahrungstage<br />
Synthesephase 11<br />
-Synthese<br />
- Schlussveranstaltung<br />
April<br />
3-5 10-12: 17-19 24-26 l--s<br />
Mai Juni Juli<br />
Abb.2.3.1 Der Terminkalender der Fallstudie 1996 .Zentrom Zürich <strong>Nord</strong>» (X = Plenums-Veranstaltungen).<br />
weltnaturwissenschaftliche Diplomarbeiten legten<br />
die Grundlagen für eine Ausscheidung von ökologi<br />
.sehen Ausgleichsflächen der Strafanstalt Witzwil.<br />
Die Fallstudien sollen zu einer Verbesserung· des<br />
Entscheidungsprozesses beitragen. Im Gefolge der<br />
Fallstudie 1995 «Industrieareal Sulzer-Escher Wyss»<br />
wurde am 20. November 1995 der Workshop «Raum<br />
Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen» mit Interessenvertretern<br />
aus Wirtschaft und Politik durchgeführt. Die Raum<br />
Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen erbrachten eine Neubelebung<br />
kommunaler Kooperationsprozesse, nunmehr<br />
unter Einbezug von engagierten Architekten. In diesem<br />
Sinne sind nicht nur Bericht und Planungsmassnahmen<br />
Resultate der Fallstudie, vielmehr gilt:<br />
Resultate der Fallstudie sind Produkte (<strong>im</strong> engeren<br />
Sinn) und Prozesse.<br />
2.3 Fallstudiell-Projektarbeit<br />
(April bis Juli 1996)<br />
Das Hauptaugenmerk der Organisation der Fall~<br />
studie gilt der Synthese. Dem unterliegt.auch die<br />
Ablauforganisation. Die Fallstudien-Projektarbeit,<br />
an der alle 126 Studierenden teilnahmen, gliedert<br />
sich ---' grob gesprochen - In vier Phasen, welche die<br />
gesamten 14 Wochen des Sommersemesters 1996<br />
ausfüllten:<br />
Einfiihrllngsphase<br />
In der Einführungsphase gilt es, möglichst effizient<br />
die Grundlagen für die Arbeit der Synthesegruppen<br />
zu schaffen. Zu vermitteln sind:<br />
• Die Ziele der Fallstudie (1. Tag). Die Fallstudienkommission<br />
und Vertreter von <strong>Stadt</strong> und ABB<br />
erläutern für die Studierenden die Probleme des<br />
Falls 'und die Ziele der Fallstudie 1996.<br />
• Der Fall «Zentrun'l Zürich <strong>Nord</strong>» (2. Woche). Auf<br />
dem Areal findet ein «Postenlauf» statt. An verschiedenen<br />
Posten (Bahnhof Oerlikon, ABB<br />
Produktion, Rundweg etc.) gewinnen die Studierenden<br />
Einblick inden Fall.<br />
• Spezialwissen (
--~----,--------------__,-- ~~ -,--_~_Organisation<br />
Synthesephllse 1<br />
Die Synthesegruppen müssen ihre<br />
Zielsetzungen erarbeiten und ihre<br />
Untersuchungen planen. Jede Synthesegruppe<br />
wird unterstützt von<br />
einem Tutoren-Team:<br />
• 1 Didaktiktutorln. Er/sie übern<strong>im</strong>mt<br />
die Hauptbetreuung der<br />
Synthesegruppe.<br />
• Mehrere FachtutorInnen. Sie<br />
stehen der Gruppe für fachliche<br />
Fragen zur Verfügung.<br />
• 1 Methodentutorln. Er/sie berät<br />
die Gruppe insbesondere hinsichtlich<br />
der Synthesemethoden.<br />
Die Synthesegruppen müssen in<br />
dieser Phase den Fall soweit<br />
erfassen, dass sie die nötigen<br />
Detailuntersuchungen durchführen<br />
können. Die Spezialfragen und<br />
Detailuntersuchungen werden in<br />
Teilprojekten durchgeführt. Jede<br />
Synthesegruppe definiert ihre eigenen<br />
Teilprojekte.<br />
Teilprojektphllse<br />
Für fünf Wochen unterteilte sich<br />
die Synthesegruppe in einzelne<br />
Teilprojekte (siehe Tab. 2.3.2). In<br />
dieser Zeit musste jede Arbeitsgruppe<br />
einen Erfahrungstag durchführen.<br />
So hat beispielsweise die<br />
Gruppe GRÜNRAUM dem Gartenbau-<br />
Kasten 2.3 Gekürzter Bericht in den <strong>Nord</strong>Seiten über einen Erfahrungstag in der Gruppe GRON<br />
RAuM.·lli'r ein System nicht bloss von aussen beurteilen will, braucht neben den Zahlen, Fakten<br />
und Beobachtungen auch Erfahrungen und Erlebnisse. Die Erfahrungstage dienen dem besseren<br />
Systemverständnis und dem Perspektivenwechsel. Sie wurden 1996 von den Teilprojekten bzw.<br />
Synthesegruppen selber organisiert.<br />
Altlasten Gebäude Grünraum <strong>Stadt</strong>entwicklung Verkehr Wasserhaushalt<br />
Stoffliche<br />
Vergangenheit<br />
Stoffflussanalyse<br />
am Ententeich<br />
Ökologie Nachhaltigkeit Bewertungskriterien Wasserhaushalt<br />
Areal<br />
Sanierungs- und Umweltmanagement Umwelthygiene<br />
Sicherungsvarianten in der Bauplanung<br />
<strong>im</strong>ZZN<br />
Soziales Umfeld Verkehrsbedürfnisse Wassermanagement<br />
Areal<br />
Gesetze und ihre<br />
Wirkung auf die<br />
Altlasten <strong>im</strong> ZZN<br />
Umweltmanagement<br />
in der Bauausführung<br />
Soziales<br />
Planung Strassengestaltung Wassermanagement<br />
Gebäude<br />
Entscheidungs- Nutzungsmischung<br />
management in der und Umgang mit<br />
Altlastenbearbeitung Altbausubstanz<br />
Moderation für<br />
MAUD-Abfrage<br />
St<strong>and</strong>ortqualität<br />
Personenverkehr<br />
eolitik, Recht,<br />
Okonomie<br />
Perspektiven<br />
Güterverkehr<br />
Meta-Gruppe<br />
Modellierung mit<br />
Stella<br />
Tab. 2.3.2 .Die Synthesegruppen der Fallstudie <strong>Zentrum</strong> Zürich und ihre Teilprojekte. Jede Synthesegruppe bildet Teilprojekte, in denen währendderfünfwöchigen<br />
Teilprojektphase Spezialfrogen bearbeitet werden.<br />
UNS-Fallstudie '96 73
Organisation.:....·~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~'--~~~~~~~-'---~~----,~~-<br />
Abb.2.3.2 Die Erfahrongstagedienen dem Follverständnis und sind ein<br />
wichtiges Organisationselement der Fallstudie. Aufdem Bildsieht mon die<br />
SynthesegroppeGRONRAU~ beidertatkräftigen Hilfefürdos Gartenbauamt<br />
(vgl. Kosten 2.3; Bild: Michael Meier).<br />
3. W<strong>and</strong>el und Best<strong>and</strong> der<br />
Fallstudienorganisation<br />
3.1 DieHerausforderung<br />
Die UNS-Fallstudie '96 «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» ist,<br />
wie erwähnt, die sechste Fallstudie der Abteilung<br />
Umweltnaturwissenschaften. Mit der UNS-Fallstudie<br />
'94 "Perspektive Grosses Moos» wurde ein Neuanfang<br />
gewagt, insbesondere wurde die Professur<br />
für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften<br />
mit der Durchführung derProjektorganisation beauftragt.<br />
Seither konnten einige wichtige Erfahrungen<br />
gesammelt werden, die nicht nur für Fallstudien von<br />
Bedeutung sind. Auf zwei organisatorische Herausforderungen<br />
soll hier gesondert eingegangen werden:<br />
die Organisation der Schnittstellen und (las Verhältnis<br />
zwischen Fachwissen und Fallverständnis.<br />
.amt bei der Pflege von öffentlichen Flächen <strong>im</strong><br />
Raum Zürich <strong>Nord</strong> geholfen (siehe Kasten 2.3).<br />
Die Unterscheidung zwischen Teilprojekten und<br />
Synthesegruppe ist vor allem eine organisatorische.<br />
Die Teilprojekte sind Teil der jeweiligen Synthesegruppe.<br />
Sie waren in der Fallstudie 1996 an der über- .<br />
geordneten Zielsetzung. der Synthesegruppe auszurichten.<br />
Weil selbst für Spezialfragennicht <strong>im</strong>mer<br />
geeignete wissenschaftliche Fachmethoden zur Verfügung<br />
stehen, kommt in den Teilprojekten oftmals<br />
eine Mischung von klassischen, fachlichen Methoden<br />
und Synthesemethoden zum Einsatz.<br />
Synthesephase 11<br />
Nach der Teilprojektphase beginnt .die kritische<br />
Phase der Fallstudie. Nun gilt es, die Ergebnisse der<br />
Teilprojekte zu integrieren. Hier zeigt sich, wie gut<br />
die Synthesegruppe vor der Teilprojektphase ihre<br />
Zielsetzungen best<strong>im</strong>mt hat. Hilfreich ist es, ein<br />
Modell zu haben, das die Wissensintegration leitet.<br />
Zum Beispiel das Modell vom Lebenszyklus eines<br />
Gebäudes in der Synthesegruppe GEBÄUDE (vgl. Kasten<br />
1.2 <strong>im</strong> Kap. GEBÄUDE). Zum Einsatz gelangen in<br />
der Synthesephase II Synthesemethoden und moderierte<br />
Gruppendiskussionen.<br />
Jede Synthesegruppe erstellte einen Schlussbericht.<br />
Dieser wurde nach Ende der Projektarbeit<br />
von einzelnen Mitgliedern der Synthesegruppe<br />
redaktionell bearbeitet.<br />
Das Ende der Projektarbeit der Fallstudie wurde<br />
durch die interne Schlussveranstaltung <strong>im</strong> Juli gesetzt.<br />
Die offizielle Schl,usspräsentation erfolgt erst<br />
nach Fertigstellung des Schlussberichts und Rücksprache<br />
mit den Trägerlnnen der Fallstudie.<br />
Die Organisation der Schnittstellen<br />
Die Fallstudie beschäftigt sehr viele Personen zur<br />
gleichen Zeit. Dies liegt an ihrem Selbstanspruch<br />
. hinsichtlich Interdisziplinarität, Mitwirkung der Studierenden,<br />
Kooperation mit Industrie, Ämtern und<br />
Bürgern etc. Mit jeder hinzukommenden Gruppe,<br />
seien es externe KooperationspartnerInnen oder interne<br />
Projektgruppen, vergrössert sich die Zahl der<br />
(potentiellen) Schnittstellen.<br />
Die allgemeine Erfahrung mit Projektmanagement<br />
zeigt, dass mit jeder Schnittstelle ein potentieller<br />
Krisenherd hinzukommt.. Für die Organisation der<br />
Schnittstellen in einer Fallstudie gibt es kein Patentrezept.<br />
Im Gegenteil, jede Schnittstelle bedarf<br />
eigener Beachtung. Manchmal liegt die Lösung auf<br />
der H<strong>and</strong>: z.B. dass jede Synthesegruppe durch<br />
einen Studierenden und einen Tutor in der FilIIstudienkommission<br />
vertreten ist. Häufig ist das Fall-<br />
,studienbüro damit beschäftigt, die Belastung zu<br />
steuern, die auf die Kooperationspartner (z.B. die<br />
ABB) durch Untersuchungs- und Befragungsvorhaben<br />
der Projektgruppen zukommt.<br />
Transparenz und Information allein sind nicht<br />
<strong>im</strong>mer hilfreich. Werden die Studierenden mit<br />
Regelungs-Informationen überladen, hemmt dies<br />
entschieden die Projektarbeit. Die Kurist besteht<br />
in der vereinfachenden Transparenz: nur dort Information.<br />
und Übersicht geben, wo sie auch wirklich<br />
gebraucht wird. Für die Projektorganisation bedeutet<br />
das vor allem, sich der Schnittstellen, sofern sie<br />
unvermeidbar sind, bewusst zu bleiben.<br />
Ein Effekt der grossen Zahl von Schnittstellen sei<br />
noch erwähnt. Es steigt der Anteil an Kommunikation<br />
bzgl. Häufigkeit sowie Schnelligkeit, Aufgaben<br />
werden über Schnittstellen hinweg verteilt und es<br />
verflachen die (internen) Hierarchien. Dies ist ein<br />
74<br />
UNS-Fallstudie '96
.,____------~---------.,____-.,____----------.,____----------Organisation<br />
Effekt, der sich gerade in - wohl-vernetzten - Computerfirmen<br />
von alleine einstellt (vgI. 'UIich, 1992).<br />
Fachdisziplinäre Phase<br />
(Teilprojekte)<br />
Synthesephase<br />
(Synthesegruppen)<br />
Das Verhältnis zwischen fachwissen<br />
"nd fallverständnis<br />
Die Fallstudie steht <strong>im</strong> Spannungsverhältnis von<br />
Wissenschaft und Praxis. Aus Sicht der Fachdisziplinen<br />
mangelt es der Fallstudienarbeit an Tiefe oder<br />
Genauigkeit. Entscheidend in komplexen Projekten<br />
,oder bei der komplexen Problemlösung ist jedoch,<br />
dass es verschiedene Ebenen von Komplexität und<br />
Problemtiefe gibt, die deutlich unterschieden werden,<br />
und dass auf jeder Ebene ein angemessener<br />
Aufw<strong>and</strong> betrieben wird. Fachdisziplinäre Tiefe<br />
und Genauigkeit best<strong>im</strong>mt sich zudem «von oben»,<br />
d.h. durch die Fallstudienmethoden (natur- wie<br />
sozialwissenschaftliche Methoden) bzw. durch die<br />
gewählte Synthesemethode (Methoden der Wissensintegration),<br />
Aus Sicht der Praxis ist es der Nutzen von Fallstudienarb,eit,<br />
der sich erweisen muss. Die Fallstudie<br />
leistet jedoch keine Projektarbdt, wie etwa ein<br />
Ingenieurbüro sie anbieten kann. Vielmehr leistet<br />
die Fallstudie - so ihr Anspruch - ein erweitertes<br />
und durch Fallstudienmethoden gestütztes Fallverständnis.Dessen<br />
Nutzen stellt sich für jede «Partei»<br />
<strong>and</strong>ers dar. Das städtische Bauamt II und die ABB<br />
Immobilien AG haben nicht unbedingt dasselbe Interesse<br />
am <strong>Zentrum</strong> Zürich ·<strong>Nord</strong>. Der gemeinsame<br />
Fallbezug ist die motivierende Basis für die Zusammenarbeit.<br />
.Vor der Schwierigkeit, die Fallstudie zwischen<br />
Wissenschaft und Praxis einzuordnen, stehen auch<br />
manche Studierende. Die einen, für die sich die<br />
Fallstudie als eine Art Forschungsprojekt darstellt,<br />
zeigen Unverständnis für qrösse und Aufw<strong>and</strong> der<br />
Fallstudie. Die <strong>and</strong>eren, die die praktische Umsetzung<br />
suchen, sind manchmal enttäuscht darüber,<br />
dass die Fallstudie nicht zU einer raschen Ökologisierung<br />
der Praxis führt. Das schwierige Verhältnis<br />
zwischen Fachwissen und Fal/verständnis zeigt gerade<br />
die Schwierigkeit und Notwendigkeit von Synthese<br />
- dem Herzstück der Fallstudie.<br />
,3.2 Von'den Disziplinen zur Synthesevom<br />
Individuum zum Team<br />
Von den Disziplinen z"r Synthese<br />
In der Fallstudie 1994 entsprach die Idee von der,<br />
Organisation der Synthese dem klassischen Bild<br />
(Abb. 3.2 ob'en): Die Ergebnisse fachdisziplinärer<br />
Forschung werden zu einem gemeinsamen Ergebnis<br />
vereint. Demgemäss gab es zuerst die fach-<br />
1=··~===========:.~: ~<br />
L- ----'-'A:::bl:::au:::.f-,ode:::r,-:-F-,oa:::lIs:.::tu:::d:::ie ---,:=>,'<br />
Synthesephase I<br />
'----<br />
Fachdisziplinäre Phase<br />
(Teilprojekte)<br />
Gesamtsynthese?<br />
I' Ablauf der Fallstudie' S><br />
Synthesephase I Fachdisziplinäre Phase Synthesephase 11<br />
(Synthesegruppen) (Teilprojekte) (Synthesegruppen)<br />
Synthesephase 11<br />
1 ~<br />
~~. I~<br />
---'-'Ab::..:la:::u:::.f.=.de=-:.r-'-F.=al=ls.:.:tu:=di:=e__----,><br />
~<br />
Cf)<br />
LL<br />
Abb.3.2 Die Organisation der Synthese inden Fallstudien 1994 (oben),<br />
1995 (Mitte) und 1996 (unten). 1994 ergibt sich die Synthese aus der<br />
Zusammenfiihrung disziplinörer Forschung (Projektliniensynthese). 1995<br />
'beginnt (und endet) die Fallstudie mit den Synthesegruppen, deren Arbeit<br />
von den disziplinören Teilprojekten unterbrochen wird. In der Fallstudie<br />
1996 werden die Teilprojekte in den Synthesegruppen selbstgebildet.<br />
orientierten Teilprojekte und daran anschliessend<br />
die Synthesegruppen.<br />
Die Fallstudie 1995 brachte die entscheidende<br />
Neuerung. Sie begann bereits mit den Synthesegruppen<br />
(Abb. 3.2 Mitte). Der Vorteil davon ist, dass<br />
die Synthesegruppen durch ihre Zielsetzung rechtzeitig<br />
die Arbeit in den Teilprojekten beeinflussen<br />
können. In der Fallstudie 1995 wurden nach der<br />
Synthesephase alle Studierenden auf die - von<br />
Anfangan festgelegten Teilprojekte - verteilt. Nach<br />
der Teilprojektphase kehrten sie in ihre Synthesegruppen<br />
zurück,<br />
Die Fallstudie 1996 steht nun ganz <strong>im</strong> Zeichen<br />
der Synthese (Abb. 3.2 unten, vgI.auch das «Brunswiksche<br />
Linsenmodell», Scholz & Tietje, 1996). Die<br />
Teilprojekte werden ganz nach den Bedürfnissen<br />
der jeweiligen Synthesegruppe gebildet. Die kom-<br />
UNS-Fallstudie '96 75
Organisation - _<br />
plizierte Aufteilung zwischen Teilprojekten und<br />
Synthesegruppen aus der Fallstudie 1995 ist gewichen.<br />
Fachdisziplinäre Forschung dient nun ganz<br />
den Zwecken der Synthese.<br />
Vom Individuum zum Team<br />
Parallel zu dieser Schwerpunktverlagerung von den<br />
Disziplinen zur Synthese ergab sich eine <strong>and</strong>ere<br />
Entwicklung: vom Individuum zum Team. In der<br />
Fallstudie 1994 erhielten jede Studentin und jeder<br />
Student eine eigene «Expertenbildung». Mit dieser<br />
Ausbildung' ausgestattet durchliefen sie die Teilprojektphase<br />
und arbeiteten anschliessend in einer<br />
Synthesegruppe mit. In der Fallstudie 1995 lief<br />
die «Expertenbildung» parallel zur ersten Synthesephase,<br />
was diese deutlich störte. Nach der ersten<br />
Synthesephase verteilten sich die Studieienden der<br />
einzelnen Synthesegruppen gleichmässig· auf alle<br />
Teilprojekte (Abb. 3.2 Mitte).<br />
In der Fallstudie 1996 sind die Synthesegruppen<br />
das zentrale organisatorische Element. Sie blieben<br />
vom Anfang bis zum Ende der Projektphase bestehen.<br />
Die «Expertenbildung» ist auf das Not-.<br />
wendigste reduziert und hat sich auch inhaltlich<br />
gew<strong>and</strong>elt. Während in der Fallstudie 1994 die fachlichen<br />
Spezialausbildungen dominierten (z.B. Agronomie,<br />
Geologie, Pedologie), war die «Expertenbildung»<br />
1996 von team-unterstützenden Techniken<br />
best<strong>im</strong>mt (z.B. Moderation, Projektmanagement,<br />
Krisenmanagement). Teams - und nicht einzelne<br />
Studierende - sind· die Grundelemente der Fallstudie<br />
1996. Die Syntheseteams erhielten 1996<br />
klare eigene Definitionen der Syntheseziele wie<br />
«Altlasten» oder «Grünraum». Dadurch sollte die<br />
Synthesegruppe zur «He<strong>im</strong>at» der Studierenden in<br />
der FallstudIe werden.<br />
Kosten 3.3.1 Dos 2-Phasen-Schwungrad-Modell.<br />
arbeiten. Mehr noch: Best<strong>im</strong>mte soziale Fähigkeiten<br />
wie Gruppenleitung, Projektorganisation und Kooperation<br />
sollen gefördert werden. Es ist nicht vorgesehen,<br />
dass die TutorInnen als Projektleiter tätig<br />
werden, vielmehr soll er die Verantwortung - soweit<br />
möglich - aus den Händen geben. Hierzu wurde<br />
in der Fallstudie 1995 das «2-Phasen-Schwungrad<br />
Modell» propagiert, das in manchen Gruppen realisiert<br />
wurde. (siehe Kasten 3.3.1).<br />
Hinzu kamen 1996 Spezialausbildungen in .teamunterstützenden<br />
Fertigkeiten. Die Spezialausbildungen<br />
wurden in der Expertenbildungsphase vermittelt<br />
und dienten dazu, für die Gruppen Wissen und<br />
Methoden zur Selbstorganisation bereitzustellen.<br />
3.3 OrganisationsinstrRmente<br />
Die Projektorganisation der Fallstudie befindet sich<br />
fortwährend in Weiterentwicklung. Einige Organisationsinstrumente<br />
haben sich in der Fallstudie<br />
bewährt. Den Kommunikationsmitteln (Plenum, EDV,<br />
Zeitung etc.), bedeutsam aufgrund der Schnittstellenproblematik,<br />
wird ein eigenes Kapitel gewidmet<br />
(siehe Kap. KOMMUNIKATION). Hier geht es<br />
einzig um Organisationsinstrumente, die zur Selbst~<br />
organisation innerhalb der Fallstudie und zur Projekt-Prozess-Steuerung<br />
beitragen.<br />
Hilfe zur Selbstorganisation<br />
Die Teams in der Fallstudie sollen - <strong>im</strong> Rahmen<br />
ihres Syntheseauftrages - möglichst selbständig<br />
Kosten 3.3.2 Spezialausbildungen in der Fallstudie (vielfach mit teamunterstützendem<br />
Charakter). Je Synthesegruppe erhält ein Mitglied (oder<br />
einige wenige) eine Einführung in der «Expertenbildungsphase».<br />
Prozesskontrolle<br />
In Projekten, in denen so unterschiedliche Projektpartner<br />
beteiligt werden wie in der Fallstudie, gewinnt<br />
die Projekt-Prozess-Steuerung gegenÜber der<br />
Projektplanung an Bedeutung (Wischnewski, 1993).<br />
Eindeutige Funktionszuweisung<br />
Eine Voraussetzung zur Fallstudienorganisation ist<br />
die klare' Funktionsaufteilung. Dies betrifft Studierende,<br />
TutoreInnen wie auch die Mitglieder des<br />
76<br />
UNS-Fallstudie '96
--_--------.,.-------------------_----------Organisation<br />
Fallstudienbüros. Um einige Beispiele zu nennen:<br />
Es gab Gemeinschaftsfunktionen in jeder Synthesegruppe<br />
(vgl. Kasten 3.3.3), Prof. Scholz übernahm<br />
eine klar abgegrenzte «Supervisions- und Coachingfunktion»,<br />
<strong>im</strong> Fallstudienbüro gab es einen Verantwortlichen<br />
für alle Befragungskontakte, etc.<br />
Die Funktionszuweisung gehört zu den schwierigsten<br />
Aufgaben. Die individuelle Kompetenz und die<br />
Stellung in der Fallstudie (siehe Abb. 1.2) müssen<br />
auf einfache und effiziente Weise mit einem Auftrag<br />
in der Fallstudieverbunden werden, ohne dass eine<br />
ungebührliche Zusatzbelastung erwächst.<br />
Transparenter Zeitplan<br />
Ein Zeitplan ist für die Fallstudie deswegen von so<br />
grosser Bedeutung, weil er auf einfache Weise<br />
zugleich die Projektorganisation steuert und zur<br />
Kommunikation beiträgt. Zum einen hilft die<br />
schlichte Tatsache: Was auf einem Zeitplan steht,<br />
kann nicht so leicht vergessen werden. Ein.<br />
festgelegter Termin fordert dazu heraus,<br />
sich mit ihm zu beschäftigen. Ebenso<br />
wichtig ist eine <strong>and</strong>ere Charakteristik des<br />
Zeitplans: Er verhilft zu zielorientiertem<br />
Projektmanagement. Da in der Fallstudie<br />
die Zeit knapp ist, hilft es, «von hinten»<br />
d.h. vom Ziel aus rückblickend zu organisieren<br />
- vielfach zeigt sich dann, dass das<br />
Ziel realistischer zu definieren ist.<br />
Kasten 3.3.3 Gemeinschaftsfunktionen in den Synthesegruppen.<br />
Auftrag der Methodenentwicklung in de.r Fallstudie<br />
1995 oder ein Gremium zu den «Bewertungskriterien»in<br />
der Fallstudie 1996 (siehe Abb. 2.1). Die<br />
Komplexität des Falls provoziert einen ebenso<br />
komplexen Aufbau der Fallstudie. Die Projektorganisatiönmuss<br />
die Fallstudie <strong>im</strong>mer wieder zur<br />
Einfachheit zurückführen.<br />
OIE ZEITUNG ZUR FALLSTUDIE ZENTRUM ZüRICH NORD DER UMWELTNATURWISSENSCHAFTEN, <strong>ETH</strong> ZüRICH<br />
Evaluation<br />
.Jede Fallstudie wird umfänglich evaluiert.<br />
Dazu gehört eine Befragung der Studierenden<br />
zu Anfang und Ende der Fallstudie,<br />
1996 ergänzt durch eine weitere Befragung<br />
während der Fallstudie. Diese Befragungen<br />
liefern ein Bild von der studentischen<br />
Wahrnehmung der Fallstudie und bieten<br />
Indikatoren für die Güte der Projektorganisation.<br />
Eine solche Zielgrösse wird durch<br />
die <strong>im</strong>mer wieder gestellte Frage «Ist die<br />
Fallstudie eine sinnvolle Veranstaltung?»<br />
best<strong>im</strong>mt. In der Fallstudie 1995 zeigte<br />
sich, dass der Sinn der Fallstudie in Zusammenhang<br />
mit dem Sinn der Synthese und<br />
der Effektivität der Synthesearbeit gesehen<br />
wurde «
Organisation ~ _<br />
4. Die Zukunft der<br />
Fallstudienorganisation<br />
4.1 Entwicklung der UNS-Fallstudien<br />
1994-1998<br />
Die UNS-Fallstudien bilden einen jahrgangsübergreifenden<br />
Prozess - auch wenn dies den Studierendennicht<br />
<strong>im</strong>mer bewusst wird. Die Fallstudie 1994,<br />
die einen neuen Anfang setzte, klärte die Prinzipien<br />
der Fallstudienarbeit (vgl: auch Scholz, 1995). Die<br />
Fallstudie 1995 schuf eine Inventarisierung von<br />
Methoden und Fällen (vgl. auch Scholz & Tietje,<br />
1996). Jedesmal, wenn eine neue Phase der Konsolidierung<br />
der Fallstudien-Struktur erreicht ist, bietet<br />
sich Raum für weitere Neuerungen. So bot sich in<br />
der Fallstudie 1996 die Möglichkeit, sozialpsychologische<br />
Exper<strong>im</strong>ental-Forschung zur Meinungsbildung<br />
.in Gruppen (Crott & Werner, 1994) sinnvoll und mit<br />
allseitigem Gewinn in die Fallstudie einzubauen. In<br />
der zweiten Woche, der Fallwoche auf dem Areal,<br />
diskutierten die Studierenden in Kleingruppen über<br />
die R<strong>and</strong>bedingung des Areals. Sozialpsychologische<br />
Forschung half hier, den Fall näher kennenzulernen<br />
und zugleich die Fall-Diskussion zu starten (vgl.<br />
Kap. KOMMUNIKATION).<br />
Fal/studie 1994: Die Prinzipien<br />
• Prinzipien der Fallstudie<br />
• Pr<strong>im</strong>at derSynthese<br />
• Erste Synthesemethoden<br />
Fal/studie 1995: Inventarisierung<br />
• Kriterienkatalog «Was ist eine Fallstudie?»<br />
• Fall-Inventar<br />
• Methoden-Inventar<br />
Fal/studie 1996: Konsolidierung<br />
• Organisation der externen Kooperationen<br />
• Organisation der Synthesegruppen<br />
,. Integration sozialwissenschaftlicher Forschung<br />
Fal/studie 1997/98<br />
• semesterübergreifende, partizipative Organisation?<br />
• Integration umweltnaturwissenschaftlicher Spezialforschung?<br />
• Opt<strong>im</strong>ierung von Gruppen- und Moderationsprozessen?<br />
Fast alle Neuerungen entspringen den Diskussionen<br />
und Planungsentscheiden der jeweiligen Fallstudienkommission.<br />
Die Akzente der Fallstudien<br />
1997/98 sind noch nicht ausdiskutiert. Zwei Neue:'<br />
rungen der nächsten Fallstudie 1997/98 sind jedoch<br />
bereits absehbar:<br />
l.Der Fall - Klettgau - wird zweijährig bearbeitet.<br />
Die Fallstudie gewinnt dadurch an Tiefe und<br />
Umsetzungskraft. Nebenbei bemerkt: Bereits die<br />
Fallstudien -1995 «Industrieareal Sulzer,.Escher<br />
Wyss» und 1996 «<strong>Zentrum</strong> Zürich<strong>Nord</strong>» st<strong>and</strong>en <br />
nicht zufällig - in räumlichem und thematischem<br />
Zusammenhang.<br />
2. Die Studierenden werden frühzeitig einbezogen.<br />
DieVorprojekte setzten bereits ein Jahr vor Beginn<br />
der Fallstudie 1997 ein und erfassen alle Studierende<br />
des Jahrgangs.<br />
Aus Sicht der Projektorganisation ist es interessant<br />
zu verfolgen, wie sich. modulare Integration in den<br />
kommenden Fallstudien darstellt. Modulare Integration<br />
bedeutet, Wissen und Personen in ein Projekt<br />
so einzubinden, dass möglichst Selbständigkeit<br />
gewahrt bleibt (Mieg et al., 1996b). Modulare Integration<br />
ist eine organisatorische Umsetzung der<br />
Fallstudienprinzipien der Kooperation, der studentisc,hen<br />
Beteiligung und der Wissensintegration.<br />
Nachdem 1996 die Kooperation mit den wissenschafts-externen<br />
PartnerInnen - allen voran der ABB<br />
Immobilien AG und dem BauamtlI der <strong>Stadt</strong> Zürich <br />
hervorragend und ium wechselseitigen Nutzen<br />
funkti~ni~m hat, wird sich zeigen müssen, wie gut<br />
die Fallstudie auch den umweltnaturwissenschaftlichen<br />
Forschungsbedürfnissen Genüge tun kann.<br />
Ein Hindernis ist bereits aus dem Weggeräumt:<br />
Forschungsprojekte haben grössere Zeithorizonte<br />
als eine einjährige Fallstudie. Mit der zweijährigen<br />
Fallstudie «Klettgau» lässt sich längerfristige Forschungskooperation<br />
besser planen.<br />
4.2 Ausblick<br />
Die Zukunft der Fallstudie entscheidet sich an der<br />
Frage, wie sich die Professur für Umweltnatur- und<br />
Umweltsozialwissenschaften als institutionalisiertes<br />
Interface bewährt. Die' Professur ist Schnittstelle<br />
(Interface) nicht nur zwischen Natur- und Sozialwissenschaften,<br />
sondern auch zwischen Wissenschaft,<br />
Industrie und Öffentlichkeit. Ähnliche Projekte wie<br />
die Fallstudie finden sich auch <strong>and</strong>erswo (z.B. die<br />
Da<strong>im</strong>ler Benz-Gruppe «Forschung Technik und Gesellschaft»<br />
oder die «Chaos-Piloten» in Dänemark).<br />
Von diesen Projekten unterscheidet sich die Fallstudie<br />
durch ihre Grösse und die wissenschafts-'<br />
gestützte Wissensintegration. Insofern gewinnt die<br />
Fallstudien-Professur Modellcharakter für wissenschaftsgestützte<br />
Schnittstellen <strong>im</strong> Bereich Umwelt<br />
und öffentliche Planung, auch auf internationaler<br />
Ebene (Mieg, 1996).<br />
78<br />
UNS-Fallstudie '96
_________________________~-------------------Organisa:tion<br />
Literatur<br />
Crott, H. W. & Werner, ]. (1994). The norm-information-distance<br />
model: A stochastic approach to preference change in group int~raction.<br />
Journal of Exper<strong>im</strong>ental Sodal Psychology, 30, 68-95.<br />
Mieg, H.A. (1996). Managing the Interface between Science,<br />
Industry, <strong>and</strong> Society:· Case Studies for Environment,. Education,<br />
<strong>and</strong> Knowledge Integration at the Swiss Federal Institute ofTechnology.<br />
In UNESCO (Ed.),Proceedings of the World Congress of<br />
Engineering Educators <strong>and</strong> Industry Leaders (pp. 529...:533).<br />
Mieg, HA, Bösch, S., Bächtiger, C.(1996). Die Organisation<br />
der Fallstudie. In R.W. Scholz, S. Bösch, T. Koller, HA Mieg,<br />
J. Stünzi (Hrsg.), Industrieareal Sulzer-Escher Wyss (S. 71-82).<br />
Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />
Mieg, H. A., Scholz, R. w., Stünzi, J. (1996). Das Prinzip der<br />
modularen Integration: Neue Wege von Führung und Wissensintegration<br />
<strong>im</strong> Management von Umweltprojekten. Organisationsentwicklung,<br />
15 (2), 4-15.<br />
Scholz, R.W., Koller, T., Mieg, HA, Schmidlin, C. (Hrsg.). (1995).<br />
Perspektive Grosses Moos. Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />
Scholz, R.W. (1995). Zur Theorie der Fallstudie. In R.W. Scholz,<br />
T. Koller, HA Mieg, C. Schmidlin (Hrsg.), Perspektive Grosses<br />
Moos (S. 39-46). Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />
Scholz, R.W., Koller, T., Mieg, HA, Schmidlin, C. (1995). Die<br />
Organisation der Fallstudie. In R.w. Scholz, T. Koller, H.A. Mieg,<br />
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R.w. Scholz, S. Bösch, T. Koller, H.A. Mieg, J. Stünzi (Hrsg.),<br />
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Wischnewski, E. (1993). Modernes Projektmanagement (4. Aufl:).<br />
Wiesbaden: Vieweg.<br />
UNS"Fallstudie '96 79
Der Fall:<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN)<br />
Inhilit<br />
1. Einleitung 83<br />
2. Industrialisierung in der<br />
Grossregion Zürich 84<br />
3. Zürich <strong>Nord</strong> in den «Goldenen<br />
Fünfzigern.l 88<br />
4. Die Finanzmetropole und<br />
ihre Satellitenstädte 91<br />
S. Von der «Chance» zum<br />
«<strong>Zentrum</strong>.l 94<br />
6. ziirifiifzg! ",nd die Zukunft 97<br />
Alltorlnnen<br />
Corinne Maeschli (Medien)<br />
Marcel Niederer (Gebäude)<br />
Andreas Bofer (Tutor)
Der Fall ----' _<br />
82 UNS-Fallstudie '96
___________-.,------- ~ ~ Der Fall<br />
1. Einführung<br />
Im Jahre 1917 gab der Schweizerische Wasserwirtschaftsverb<strong>and</strong><br />
mit Unterstützung der Kantonsregierungen<br />
von Zürich und St. Gallen umfangreiche Studien<br />
für die wirtschaftliche Nutzung der Wasserkraft<br />
von Thur, Töss und Glatt in Auftrag. Der <strong>im</strong> Jahr<br />
1920 erschienene, von Ingenieur K. Ganz bearbeitete<br />
Wasserwirtschaftsplan der Glatt sah· für das Gebiet<br />
Oerlikon Grosses vor. Es war vorgesehen, von Wettingen<br />
aus, nachdem Hochrhein und L<strong>im</strong>mat schiffbar<br />
gemacht worden wären, einen über 26 Kilometer<br />
langen Kanal durchs Furttal hinauf zum Greifensee<br />
zu graben. Zur Überwindung der knapp 60 Meter<br />
Höhendifferenz zWIschen Wettingen und dem Katzensee,<br />
dem Scheitelpunkt, wäre der Bau eines<br />
Hebewerkes für Schiffe und drei weiterer Schleusen<br />
notwendig gewesen. Für die Weiterfahrt zum Hafen<br />
bei Oerlikon und von dort bis zum Greifensee hätten<br />
die Lastkähne nochmals vier Schleusentore passieren<br />
müssen (nach Illi, 1990, S. 67). Ein Riesenprojekt,<br />
das jedoch für jene Zeit charakteristisch ist:<br />
Die wichtigsten und leistungsfähigsten Transportwege<br />
führten übers Wasser. Der Anschluss an die<br />
internationale Schiffahrt hätte einiges an Veränderung<br />
für die Region gebracht.<br />
Mit dem «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» (ZZN) wird nun,<br />
rund achtzig Jahre später, ein Projekt in einer ähnlichen<br />
Grössenordnung geplant. Auch von diesem<br />
erhofft man sich internationale Ausstrahlung und<br />
einen verbesserten Anschluss an die wirtschaftliche<br />
Entwicklung. Ähnlich wie das Hafenprojekt h'ätte<br />
oder vielmehr hat das ZZN eine überregionale<br />
Bedeutung. Rund eine Million Menschen sind von<br />
, den Veränderungen, die das Grossproj~kt in Oerlikon<br />
mit sich bringt, betroffen. Es stellt sich hier die<br />
Frage, welche Veränderungen die Realisierung des<br />
ZZN verursachen wird und mittels welcher Massnahmen<br />
sich diese Veränderungen allenfalls beeinflussen<br />
lassen.<br />
Abb. 1 Ein ,Projekt<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» <strong>im</strong> Jahre 1920: DerschiffahrtsmässigeAnschluss Zürichs an Rlzein und<strong>Nord</strong>see<br />
erfordert umfangreiche Hafenanlagen in der Gegend von Oerlikon (Bild: <strong>Stadt</strong>archiv Zürich; aus IIIi, 1990).<br />
UNS-Fallstudie '96 83
Der Fall_---'-<br />
2. Industrialisierung in der<br />
Grossregion Zürich<br />
2.1 Frühe Industrie in der Schweiz<br />
Im Laufe der Zeit waren auch <strong>im</strong> Raume Zürich viele<br />
Bauernwesen durch Erbteilung in kleine Bauerngüter<br />
zerstückelt worden. Diese vermochten die vielköpfigen<br />
Familien teilweise kaum mehr zu ernähren~<br />
Nachdem die Bevölkerung des Kantons Zürichjahrhundertelang<br />
fast ausschliesslich von der L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
gelebt hatte, fasste <strong>im</strong> 17. Jahrhundert die<br />
Baumwollverarbeitung Fuss. Mit ihr kam die He<strong>im</strong>arbeit<br />
auf, die es verarmten Bauernfamilien ermöglichte,<br />
zu einem dringend benötigten zusätzlichen<br />
Einkommen zu kommen, ohne dass sie ihre gewohnte<br />
Umgebung verlassen mussten. Um die<br />
Wende des 18. Jahrhunderts erlebte die He<strong>im</strong>arbeit<br />
ihre Blütezeit.<br />
Mit den durch Wasserkraft, später durch Dampf<br />
,maschinen betriebenenSpinnere<strong>im</strong>aschinen erwuchs<br />
der He<strong>im</strong>arbeit übermächtige Konkurrenz. Mit staatlicher<br />
Hilfe wurde 1801 in St. Gallen die erste<br />
~__<br />
mechanische Spinnerei der Schweiz eingerichtet. Es<br />
folgten Fabriken in Wülflingen bei Winterthur und<br />
in Zürich. Einige Jahre später wurden auf der L<strong>and</strong>schaft,<br />
entlang der grösseren Wasserläufe, zahlreiche<br />
Spinnereien gegründet. Es entst<strong>and</strong>en an der Aa, der<br />
Kempt, der Jona, der Töss, der Glatt, der Sihl und<br />
der L<strong>im</strong>materstmals eigentliche Fabriken. Diese<br />
Flussläufe entwickelten sich <strong>im</strong> Laufe der folgenden<br />
fünfzig Jahre zu markanten Industrieachsen mit<br />
einer ganzen Kette von Fabriksiedlungen. In der<br />
Folge brach die H<strong>and</strong>spinneiei, die nach der Aufhebung<br />
der Kontinentalsperre <strong>im</strong> Jahr 1820 noch<br />
zusätzlichem Konkurrenzdruck ausgesetzt war, endgültig<br />
zusammen.<br />
Die Baumwollindustrie und die direkt mit ihr verbundene<br />
Baumwollwebere,i bildeten bis 1870 die<br />
moderne Wachstumsbranche. Darüber hinaus verlieh<br />
diese technologisch führende Industrie <strong>and</strong>eren<br />
Bereichen der gewerblichen Produktion, namentlich<br />
dem H<strong>and</strong>werk und der Maschinenindustrie, wichtige<br />
Wachstums<strong>im</strong>pulse. Die industrielle Revolution<br />
war ein ländliches Phänomen, das sich in enger<br />
Anlehnung an die traditionellen He<strong>im</strong>indus'triegebiete<br />
und entlang der regionalen Wasserläufe vollzog.<br />
Oerlikon war, mangels verfügbarer Wasserkraft,<br />
als St<strong>and</strong>ort für diese Art von Industrie unattraktiv<br />
und blieb bis weit ins 19. Jahrhundert ein bescheidenes<br />
Bauerndorf in der Nähe von Zürich.<br />
Zahl der Fabrikarbeiter inder Baumwollindustrie (vorwiegend Spinnereienl<br />
.S-SO .Sl-200 .201...,SOO .S01-1000<br />
Abb. 2.1 Die erste Phase der Industrialisierung verlief, basierend auf<br />
Wasserkraft, entlang der regionalen Flussläufe. Oerlikon war damit als .<br />
St<strong>and</strong>ort ungeeignet undwurde vorerst nicht in .den Prozess miteinbezogen<br />
(Graphik: Heinz Schnieper; aus Fritzsche & Lemmenmeier, 1994).<br />
2.2 Eisenbahnschlachten<br />
«Mit einem Vierteljahrhundert Verspätung gegenüber<br />
<strong>and</strong>eren Ländern revolutionierte die Eisenbahn<br />
die Verkehrsverhältnisse der Schweiz." (Fritzsche &<br />
Lemmenmeier, 1994, S. 109). Die welterste kommerzielle<br />
Bahnstrecke wurde 1834 in Engl<strong>and</strong> eröffnet.<br />
In der Schweiz begann der Eisenbahribau, mit einer<br />
Ausnahme, erst um 1855: Wohl hatten sich die topographischen<br />
Verhältnisse als schwierig erwiesen, der<br />
wahre Grund für die Verzögerung waren allerdings<br />
politische Hindernisse, die lange unüberwindbar<br />
schienen. Diese konnten erst mit der Gründung des<br />
Bundesstaates, dem neue Kompetenzen zur Förderung<br />
öffentlicher Bauten übertragen wurden, gelöst<br />
werden.<br />
Als der rechtliche Rahmen endlich geschaffen war,<br />
setzte der Eisenbahnbau dafür um so rascher ein. In<br />
einer ersten, rund zehn Jahre dauernden Phase<br />
wurden 1300 km gebaut, in der sämtliche Städte<br />
auf der Alpennordseite, mit Ausnahme von Herisau,<br />
unterein<strong>and</strong>er verknüpft wurden, Nach der Eröffnung<br />
der Strecke Romanshorn-Winterthur 1855<br />
folgte <strong>im</strong> selben Jahr auch der Abschnitt Winterthur-Oerlikon.<br />
Im kommenden Jahr wurden die<br />
schwierigsten viereinhalb .Kilometer - die Strecke<br />
84<br />
UNS-Fallstudie '96
------~----------- Der Fall<br />
Abb. 2.2 Sein H<strong>and</strong>eln wurde von liberalen Visionen geleitet: Der<br />
Unternehmer und Politiker Alfred Escher machte Zürich zur Schweizer<br />
Wittschajtsstadt und nebenbei Oerlikon zu einem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt<br />
(Bild: Die/er Kaufmann).<br />
nach Zürich - erstellt. Später kamen die Verbindungen<br />
nach Uster und Bülach hinzu.<br />
Der Anschluss Oerlikons ans neue Verkehrsmittel<br />
Eisenbahn besiegelte das Ende der Doppelgemeinde<br />
Schwamendingen-Oerlikon, was vor allem von Oerlikoner<br />
Seite her schon lange herbeigesehnt worden'<br />
war. Da sich die Schwamendinger weigerten, das für<br />
den Bahnbau nötige L<strong>and</strong> abzutreten, musste das<br />
Projekt der Bahnlinie Zürich-Winterthur-Romanshorn·<br />
abgeändert werden, und der Bahnhof kam<br />
nach Oerlikon. Durch die innerhalb eines JahrJ:ehntes<br />
errichteten.Bahnverbindungen wurde Oerlikon<br />
zu einem schweizerischen Eisenbahnknotenpunkt,<br />
während Schwamendingen rasch an Bedeutung verlor.<br />
Diese Konstellation war entscheidend für die<br />
Entwicklung der aktuellen Mobilitätsstrukture'n <strong>im</strong><br />
Raume Oerlikon.<br />
Der Zürcher Politiker und Unternehmer Alfred<br />
Escher verkörperte die gesellschaftlichen Visionen<br />
in dieser Zeit. Er verst<strong>and</strong> es, durch geschicktes<br />
politisches Agieren auch auf nationaler Ebene,<br />
Zürich <strong>im</strong> Eisenbahnbau ein paar wenige aber entscheidende<br />
Jahre Vorsprung gegenüber den <strong>and</strong>eren<br />
Schweizer Städten zu verschaffen. Dies reichte aus,<br />
um Zürich zum Wirtschaftszentrum der Schweiz zu<br />
machen und dürfte mit ein Grund sein, dass Zürich<br />
heute bevölkerungsmässig die grösste Schweizer<br />
<strong>Stadt</strong> ist. «Mit einigem Recht haben darum die ZÜrcher<br />
1889 Alfred Escher mitten <strong>im</strong> neuen <strong>Zentrum</strong><br />
der <strong>Stadt</strong>, das durch den Bahnhof geschaffen wurde,<br />
ein Denkmal gesetzt. Symbolträchtig auch, dass er<br />
nach dem Paradeplatz, dem Ort seiner Finanzmacht,<br />
blickt und dem Gebiet hinter dem Bahnhof, wo sich<br />
die sozialen Probleme häuften, den Rücken zukehrt.»<br />
(Fritzsche & Lemmenmeier, 1994, S. 171).<br />
In dieser ersten Phase des Eisenbahnbaus' hatte<br />
der Materialbedarfwenig Einfluss aufdie Wirtschaft.<br />
Die Schienen, praktisch alle Lokomotiven und das<br />
meiste Rollmaterial wurden von technisch weit fortschrittlicheren<br />
ausländischen Unternehmen bezogen.<br />
Wichtiger als die direkten Einflüsse waren die<br />
von den Eisenbahnen bewirkten Veränderungen <strong>im</strong><br />
wirtschaftlichen Raumgefüge. Sie wurden allerdings<br />
eher grossräumig und langfristig wirksam. In der<br />
.Frühzeit waren die Eisenbahnlinien noch lange nicht<br />
ausgelastet - selbst die Hauptlinien nicht. Nebenlinien<br />
gerieten wegen mangelnder Frequenzen sogar<br />
in finanzielle Schwierigkeiten. Über die tatsächlichen<br />
Verkehrsleistungen der Eisenbahn gibt es bisher<br />
kaum Untersuchungen. Generell lässt sich aber<br />
feststellen: «Die Eisenbahnen stellten Entwick~<br />
lungsmöglichkeiten zur Verfügung, die erst noch<br />
realisiert werden mussten.» (Fritzsehe & Lemmen~<br />
meier, 1994, S. 112). Dass diese Möglichkeiten in<br />
Oerlikon tatsächlich realisiert wurden, manifestiert<br />
sich in der heutigen Struktur der Raum- und Bodennutzung,<br />
die in jenen Jahren ihren Ursprung hat.<br />
2.3 Oerlikon wird zum Industriezentrum<br />
Durch die Bundesverfassung von 1849 wurde das<br />
Zollwesen Sache des Bundes. Die von den Kantonen<br />
erhobenen Gebühren und Wegzölle, die gerade<br />
schwere Industrieerzeugnisse stark verteuert hatten,<br />
fielen dahin. Zusammen mit den in der Verfassung<br />
garantierfenFreiheiten für H<strong>and</strong>el und Gewerbe<br />
sowie der Niederlassungsfreiheit der Bürger erlaubte<br />
dies das Aufkommen grösserer Industriezweige~ Diese<br />
neue Verfassungsbest<strong>im</strong>mung, der neue Eisenbahnanschluss<br />
sowie die Erfindung der Dampfmaschine<br />
bedeuteten für Oerlikon, wo sich die<br />
Nutzung der Wasserkraft nicht anbot, notwendige<br />
Voraussetzungen für die Etablierung von, H<strong>and</strong>el und<br />
Gewerbe. Mit dem neuen Verkehrsmittel konnten<br />
auch schwergewichtige Güter problemlos transpor~<br />
tiert werden. Zudem war Oerlikon nun direkt mit der<br />
<strong>Stadt</strong> Zürich verbunden, die schon damals das<br />
schweizerische H<strong>and</strong>elszentrum darstellte. Damit<br />
waren die Voraussetzungen zur Industrialisierung<br />
Oerlikons geschaffen.<br />
Die erste Fabrik in Oerlikon war eine Hammerschmiede<br />
nordwestlich des Bahnhofs, die vor allem<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
85
Der Fall ~ ~__<br />
die Maschinenfabrik Escher Wyss & Co. mitSchmiedestücken<br />
belieferte. Sie war gleiChzeitig die erste<br />
schweizerische Werkzeugmaschinenfabrik, verlegte<br />
ihren Schwerpunkt später .aber auf den Bau elektrischer<br />
Maschinen und hiess ab 1886 Maschinen/abrik<br />
Oerlikon(MFO). In den ersten Jahrzehnten der industriellen<br />
Entwicklung in Oerlikon spielte die MFO<br />
die wichtigste Rolle. Das Unternehmen beschäftigte<br />
etwa 60% aller in Oerlikon erwerbstätigen Personen<br />
und übte auch einen grossen Einfluss auf das Leben<br />
in der Gemeinde aus. Daneben fassten auch zahlreiche<br />
mittlere und kleine Betriebe in Oerlikon Fuss.<br />
Die Betriebe nördlich des Bahnhofs nutzten das<br />
Gebiet des Stierenrieds als Abfalldeponie für allerlei<br />
kontaminiertes Erdreich. Offenbar brachten die<br />
Arbeiter das zu deponierende Material in Schubkarre~,<br />
also in kleinen Portionen auf die freie Fläche<br />
hinter dem Areal. So entst<strong>and</strong> dort, wo heute das<br />
Projekt «Toro" realisiert wird; ein äl1sserst heterogenes<br />
Altlasten/eid(vgl. Kap. ALTLASTEN).<br />
2.4 Vergrossstiidterung und<br />
soziale Probleme<br />
Die «Gründerzeit" gegen Ende des 19. Jahrhunderts<br />
war geprägt von einer grossen Begeisterung für Industrie<br />
und Technik. Den Schattenseiten des rasanten<br />
<strong>Stadt</strong>wachstums setzte eine libera]e Grundhaltung<br />
nur wenige Schranken. Man war zufrieden, wenn die<br />
Schorn~teine rauchten und die Wirtschaft prosperierte~<br />
Die Kehrseite der Medaille, die sich u.a. in<br />
den überfüllten Arbeiterquartieren manifestierte,<br />
wurde diskret ausgeblendet.<br />
.Das Wachstum und der strukturelle W<strong>and</strong>el der<br />
Wirtschaft führten zu tiefgreifenden gesellschaftlichen<br />
Veränderungen. Am deutlichsten sichtbar<br />
wurde dies in der massiven Verstädterung. Dieses<br />
Wachstum äusserte sich sowohl <strong>im</strong> Bauvolumen als<br />
auch in der Bevölkerungszahl. Man beobachtete eine<br />
zunehmende soziale Segregation, d.h. verschiedene<br />
soziale Schichten siedelten sich in spezifischen<br />
Quartieren an. In Zürich entst<strong>and</strong>en Armenquartiere,<br />
Arbeiterquartiere und Quartiere der Wohlhabenden.<br />
In Oerlikori siedelte sich ein grosser Teil der Fabrikarbeiter<br />
an. Die Gemeinden Affoltern, Seebach<br />
und Schwamendingen wurden zu eigentlichen Arbeitervororten<br />
von Oerlikon.<br />
Auch in Oe..likon nahm die Bevölkerung gewaltig<br />
zu. Von' der 1872 erlangten politischen" Selbständigkeit<br />
bis zur Jahrhundertwende vervierfachte sich die<br />
Bevölkerung der Gemeinde auf fast 4000 EinwohnerInnen.<br />
Bis <strong>im</strong> Jahr 1917 stieg die Bevölkerungszahl<br />
auf 7360 und zählte 1929 gar !i'soo EinwohnerIn-<br />
Abb. 2.4 Maschinenjdbrik Oer/ilon um die Jahrhundertwende. Die rauchenden Schornsteine brachten Wachstum undHoffnung, aberauch soziale Probleme<br />
mitsich. (Quelle: Baugeschichtliches Archiv der <strong>Stadt</strong> Zürich).<br />
86 UNS-Fallstudie '96
______________.,..- .,..- Der Fall<br />
nen.. Oerlikon war damit bevölkerungsmässig das<br />
drittgrösste Gemeinwesen des Kantons, unmittelbar<br />
hinter den Städten Zürich und Winterthur. Eine<br />
Reaktion auf das sich abzeichnende Städtewachs-·<br />
turn war die erste Eingemeindung <strong>im</strong> Jahre 1893,<br />
an der Oerlikon aber noch nicht beteiligt war. Durch<br />
die Angliederung der zwölf Gemeinden an die<br />
<strong>Stadt</strong> Zürich solltendie räumlichen Ungle~chheiten,<br />
welche das Wachstum mit sich brachten, ausgeglichen<br />
und die neu entst<strong>and</strong>enen Strukturen rechtlich<br />
fixiert werden.<br />
Es folgten weitere politische Reaktionen, insbesondere<br />
auf der nicht-institutionellen Ebene. Die<br />
Zeit um die Jahrhundertwende war <strong>im</strong>mer wieder<br />
geprägt von sozialen Protesten, Tumulten, Krawallen<br />
und Streiks, einerseits wegen zu hoher Mieten,<br />
<strong>and</strong>erseits wegen zu niedriger Löhne und <strong>and</strong>erer<br />
schlechter Arbeitsbedingungen. Sie traten interessanterweise<br />
besonder·s häufig gegen Ende längerer<br />
Wachstumsphasen auf und wurden von jenen getragen,<br />
die von den Früchten des Wachstums kaum<br />
profitierten, sondern ausschliesslich die negativen<br />
Folgen zu spüren bekamen (Fritzsche & Lemmenmeier,<br />
1994, S. 181ft).<br />
Beispielhaft sei der «Italienerkrawall»<br />
von 1896 in<br />
Zürich erwähnt. Er war nicht<br />
ein Krawall von protestierenden<br />
Italienern, sondern ein<br />
Protest gegen die italienischen<br />
Gastarbeiter. Er eskalierte<br />
derart, dass der Regierungsrat<br />
beschloss,. kantonale<br />
Truppen aufzubieten, da sich<br />
nicht mehr abschätzen Iiess;<br />
«ob sich die Bewegung, indem<br />
sie angefangen hatte,<br />
sich gegen das Militär zu richten,<br />
nicht auf dem Wege sei,<br />
von der bIossen Demonstration<br />
zur Aggression. gegen<br />
die Staatsgewalt überzugehen<br />
oder sich auf <strong>and</strong>ere Gebiete<br />
der <strong>Stadt</strong> auszudehnen»<br />
(Fritzsche & Lemmenmeier,<br />
1994, S. 195).<br />
Ungeachtet der Proteste,<br />
die sich auch gegen die<br />
Modernisierung Im allge-<br />
uno<br />
1932<br />
meinen. richteten, gab es eine Reihe von städtebaulichen<br />
Innovationen. Unter Anleitung Von <strong>Stadt</strong>ingenieur<br />
Arnold Bürkli wurde in Zürich die Kanalisation<br />
realisiert. Entlang der Seefront ~ntst<strong>and</strong> eine<br />
ganze Reihe repräsentativer Bauten, unter <strong>and</strong>erem<br />
das <strong>Stadt</strong>theater. Um die Jahrhundertwende wurden<br />
das <strong>Stadt</strong>haus und die Amtshäuser, das L<strong>and</strong>esmuseum,<br />
das Kunsthaus und die Universität erbaut.<br />
.Aus dem Jahr 1920 stammt das beschriebene Projekt<br />
einer Hafenanlage Im Raum Oerlikon (siehe Kap.<br />
1. EINFÜHRUNG). Dieses steht exemplarisch für eine<br />
Vielzahl von Plänen aus jener Zeit, von denen 11ur<br />
wenige tatsächlich realisiert wurden.<br />
z.s<br />
Eingemeindung Oerlikons<br />
Nach dem ersten Weltkrieg begannen sich die<br />
Bemühungen zur Verbesserung der Situation der<br />
sozial schwächsten Schichten zu institutionalisieren.<br />
Es etablierten sich die Gewerkschaften, welche die<br />
Forderungen der Arbeiterschaft besser zu artikulieren<br />
vermochten, später, setzte der genossenschaft-<br />
OERLIKöN<br />
I1l90<br />
19&0<br />
Abb. 2.5 Darstellung des· Wachstums von<br />
Oerlikon zwischen den Jahren 1810 und<br />
1980. Eindrücklich zeigtsich der Wondel<br />
vom Bauemdoif über das Industriegebiet<br />
zum <strong>Stadt</strong>quartier (Quelle: Bougeschichtliches<br />
Archiv der<strong>Stadt</strong> Zürich).<br />
UNS-Fallstudie '96 87
Der Fall_-,--- -,---_~ ~__<br />
liche Wohnungsbau ein. Diese neuen sozialen Einrichtungen<br />
basierten zum Teil auf grossem Engagement<br />
von Betroffenen und trugen dazu bei, dass die<br />
<strong>Stadt</strong> weiter wachsen konnte und die Bevölkerung<br />
noch weiter anstieg. Die sich ausdehnende <strong>Stadt</strong><br />
verschlang die umliegenden Gemeinden. Oerlikon<br />
wurde vom ländlichen Industriest<strong>and</strong>ort zum <strong>Stadt</strong>quartier.<br />
Zum zweiten Mal begann sich die Notwendigkeit<br />
einer Eingemeindung abzuzeichnen.<br />
Die Gemeinden Affoltern, Seebach und Schwamendingen,<br />
de facto «Arbeitervororte» des Industriezentrums<br />
Oerlikon, wollten politisch zu Oerlikon<br />
gehören. Neben städtebaulichen Vorteilen und dem<br />
verlockenden Anschluss an die Dienstleistungen in<br />
den Sektoren Gas, Wasser und Elektrizität strebten<br />
die Gemeinden Affoltern, Seebach und Schwamendingen<br />
die Eingemeindung vor allem aus finanziellen<br />
Überlegungen an.<br />
Trotz vorläufigem Widerst<strong>and</strong> durch die Gemeinde<br />
Oerlikon wurde die Eingemeindung am S. Juli 1931<br />
<strong>im</strong> zweiten Anlauf angenommen. Die neue Gemeindeordnung<br />
umfasste die vier Glattalgemeinden<br />
Oerlikon, Seebach, Schwamendingensowie Affoltern<br />
und schuf damit neu den <strong>Stadt</strong>keis 11. Am<br />
1. Januar 1934 verlor Oerlikon nach 61 Jahren Selbständigkeit<br />
seine Gemeindeautonomie.<br />
3. Zürich <strong>Nord</strong> in den<br />
((Goldenen Fünfzigern"<br />
Mit voller Wirtschaftskraft voraus in den Wohlst<strong>and</strong> <br />
so die St<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Europa der fünfziger Jahre. Die<br />
kriegsgeschädigte Welt" rüstete zum Wiederaufbau.<br />
Für die kriegsverschonte Schweizer Wirtschaft zahlte<br />
sich nun aus, dass sie während der Kriegsjahre geschäftliche<br />
Beziehungen zu den sich bekämpfenden<br />
Parteien gepflegt hatte: Die Kapitalreserven ermöglichten<br />
es, den Aussenh<strong>and</strong>el mit den kriegsgeschädigten<br />
Ländern anzukurbeln (Fritzsche & Lemmenmeier,<br />
1994)!<br />
Der Wirtschaftsboom nach dem zweiten Weltkrieg<br />
war für die weitere Entwicklung von Zürich <strong>Nord</strong><br />
entscheidend. In jener Wachstumsphase entst<strong>and</strong><br />
die urbane Grossregion Zürich, in der heute rund<br />
eine Million Menschen leben.<br />
3.1 Schlafstädte entstehen<br />
In Zürich und seinen nördlichen Vororten ballten<br />
sich zu jener Zeit die Arbeitsplätze. Namentlich die<br />
Industrie inOerlikön dehnte sich beträchtlich aus<br />
AM. 3.1 Feierabend bei der Maschinenfabrik Oerlikon, 1950: Aufdem schnellsten Weg nach Hause zu Frau undKindern! (Bild: Jakob Tuggener).<br />
88 UNS-Fallstudie '96
_--'-__-'-<br />
~----------------'-------------~--Der Fall<br />
und litt unter einem chronischen Mangel an Arbeitskräften.<br />
Das grosse Überangebot an Arbeitsplätzen<br />
hatte einen explosionsartigen Bevölkerungsanstieg<br />
in den Agglomerationsgemeinden zur Folge. Ströme<br />
von NeuzuzügerInnen aus allen Teilen der Schweiz<br />
und dem nahen Ausl<strong>and</strong> überschwemmten die städtischen<br />
Vororte. Doch nicht nur NeuzuzügerInnen,<br />
sondern auch <strong>Stadt</strong>bewohnerInnen zog es an den<br />
noch grünen <strong>Stadt</strong>r<strong>and</strong>. Der aufkommende Verkehr<br />
und die exp<strong>and</strong>ierende City machten die <strong>Stadt</strong><br />
unwirtlich und teuer. Zürich <strong>Nord</strong> indes versprach<br />
Wohnen <strong>im</strong> Grünen, <strong>Stadt</strong>nähe und günstigen Wohnraum.<br />
Mit der boomenden Wirtschaft stieg der allgemeine<br />
Wohlst<strong>and</strong>, und damit änderten sich auch die<br />
Ansprüche der Wohnbevölkerung: Die Mehrgenerationen-Familie,<br />
die gemeinsam in einer Wohnung<br />
oder einem Haus lebte, gehorte schon· bald der<br />
Vergangenheit an. Wer heiratete, suchte sich auch<br />
sogleich eine eigene, nicht allzu<br />
teure Wohnung. Der Traum von<br />
den eigenen vier Wänden erfüllte<br />
sich für viele junge Familien <strong>im</strong><br />
<strong>Nord</strong>en von <strong>Zurich</strong>. Da Ghitt- und<br />
L<strong>im</strong>mattal über grosse L<strong>and</strong>reserven<br />
verfügten, konnten Bauwillige,<br />
wie etwa Wohngenossenschaften,<br />
günstig Baul<strong>and</strong> erwerben und<br />
neue Siedlungen erstellen. So<br />
machte beispielsweise Schwamendingen.<br />
zwischen 1940 und 1960<br />
eine stürmische Entwicklung<br />
vom Bauerndorf zur eigentlichen<br />
Schlafstadt durch. «Schwamendingen<br />
und Wohnen bedeuten beinahe<br />
das Gleiche», schreibt etwa<br />
Niklaus Wyss <strong>im</strong> Schwamendinger<br />
Buch (1981, in Bollinger, 1983).<br />
Tagsüber arbeitet die - vorwiegend<br />
männliche - werktätige Bevölkerung<br />
ausserhalb des Quartiers,<br />
abends kehrt >sie nach Schwamendingen<br />
zurück, um sich auszuruhen,<br />
fernzusehen, zu eSsen und<br />
zu schlafen.<br />
Ende der fünfziger Jahre galt es <strong>im</strong> Bürgertum direkt<br />
als «hinterwäldlerisch», kein Auto zu besitzen. In<br />
den etwas schlechter gestellten Arbeiterfamilien<br />
folgte der eigene Wagen nach Kühlschrank,-Waschmaschine,<br />
Küchenmaschinen und Fernseher an<br />
fünfter Stelle auf der Dringlichkeitsliste (Fritzsche<br />
& Lemmenmeier, 1994). Die neue Mobilität verringerte<br />
räumliche Distanzen und ermöglichte es,<br />
<strong>im</strong>mer weiter weg vom Arbeitsort zu wohnen. Langsam<br />
wurde der Pendlerverkehr auch in den Vororten<br />
unerträglich. Dies führte wiederum dazu, dass die<br />
BewohnerInnen der stadtnahen Agglomerationsgemeinden<br />
ihr Wohnglück in weiter entfernten<br />
Gemeinden suchten und die Pendlerströme dadurch<br />
noch verstärkten (Fritzsche& Lemmenmeier, 1994).<br />
Gegen die zunehmende Dominanz des privaten<br />
Verkehrs regte sich lange kein Widerst<strong>and</strong>. In Zürich<br />
wurden gar St<strong>im</strong>men laut, die eine Abschaffungdes<br />
3.2 Segen für das moderne<br />
Leben: Das Auto<br />
Die Trennung von Arbeits- und<br />
Wohnort schritt mit der zunehmenden<br />
Motorisierung rasch voran.<br />
Abb. 3.2 Die Kleinfamilie derfünfziger!(Ihre und<br />
ihr Auto - Sinnbildfür Modernität, Freiheit und<br />
Unabhängigkeit (Bild:ous GKtZH, S. 407).<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
89
Der Fall --,- --'------,- '-- _<br />
Trams verlangten, damit mehr Platz<br />
für die Autos bleibe. Das Privatauto<br />
versprach Ungebundenheit und<br />
Freiheit - wichtige Aspekte des<br />
modernen Lebens. Und Modernität<br />
.war das Credo der Hochkonjunktur.<br />
Modern war die Kleinfamilie, die<br />
etwas· ausserhalb der <strong>Stadt</strong> - zum<br />
Beispiel in Oerlikon oder Schwamendingen<br />
- wohnte. Modern War<br />
der Familienvater, der mit dem<br />
Auto zur Arbeit in die <strong>Stadt</strong> fuhr.<br />
Modern war die Mutter, die mit den<br />
zahlreichen neuen modernen Haushaltshilfen<br />
spielend die Hausarbeit<br />
erledigte und die Wohnung in zeitgemässem<br />
Stil herrichtete. Zum<br />
modernen Leben gehörte auch die<br />
sonntägliche Spazierfahrt in die<br />
Natur (Andersen, 1994).<br />
Abb.3.3 Laboranlage der Mu.nitionsfabrik, Werkzeugmaschinen/abrik Oerlikon, um 1956 (Bild:<br />
aus Wolfensberger & Stahel, 1994, S. 259).<br />
3.3 City o( Oerlikon<br />
Schon vor Einsetzen der Hochkonjunktur hatte Oerlikon<br />
dank seinem Industriegebiet eine <strong>Zentrum</strong>sfunktion<br />
eingenommen. Während. der fünfziger<br />
Jahre entwickelte sich «ennet dem Milchbuck»eine<br />
«<strong>Stadt</strong> am R<strong>and</strong>e der <strong>Stadt</strong>», wie es in einer Radiosendung<br />
(Bollinger, 1983) um 1960 hiess. Ähnlich<br />
wie <strong>im</strong> <strong>Stadt</strong>zentrum vonZürich bildete sich auch in<br />
Kasten 3.3 Die Firmen in den 50erJahren aufdem heutigen Areal des geplantenZZN.<br />
90 UNS-Fallstudie'96
___,.__---:---...:....--,.__-------~---------,.--------------Der Fall<br />
Oerlikon eine City, deren Geschäfts- und Büroräume<br />
. die Wohnbevölkerung vertrieben (Bollinger, 1983).<br />
Verstärkt wurde die Funktion Oerlikons als<br />
Nebenzentrum durch seinen St<strong>and</strong>ort an der Bahnlinie<br />
Zürich-Flughafen Kloten. Das technik- und<br />
fortschrittbegeisterte St<strong>im</strong>mvolk st<strong>im</strong>mte dem Flughafenbau<br />
1947 enthusiastisch zu (Fritzsche & Lemmenmeier,<br />
1994). Seither wurde er mehrmals erweitert<br />
und ist heute der wichtigste Passagierflughafen<br />
der Schweiz. Die guten Verkehrsverbindungen nach<br />
Kloten machten Oerlikon zu einem attraktiven<br />
St<strong>and</strong>ort für international tätige Firmen.<br />
Doch trotz aller Zentralität und Citybildung kann<br />
Oerlikon ·seine Vergangenheit als Vorort von Zürich<br />
nicht leugnen. Einfamilienhäuschen mit Vorgärten<br />
und Wohnsiedlungen sind Zeugen einer Zeit, in der<br />
sich viele Arbeiterfamilien in Zürich <strong>Nord</strong> nieder"<br />
liessen, weil hier Wohnen billiger war als in d.er <strong>Stadt</strong><br />
oder beispielsweise in Zollikon. Das He<strong>im</strong> war zwar<br />
bescheiden, dafür eigen. Trotz des steigenden Wohlst<strong>and</strong>es<br />
klaffte ein Lücke zwischen Konsumwunsch<br />
und finanziellen Möglichkeiten. Für Neuanschaffungen<br />
musste hart gespart werden. Doch das Sparen<br />
betraf nun nicht mehr, wie während der Kriegsjahre,<br />
das Lebensnotwendige, sondern Lebenserleichteril.<br />
des (Andersen, 1994).<br />
4. Die Finanzmetropole und ihre<br />
Satellitenstädte<br />
Das Ende der «goldenen Fünfziger» kam schleichend,<br />
und es war mit einschneidendenVeränderungen<br />
in der Wirtschaft verbunden. Ende der sechziger<br />
Jahre bekam die schweizerische Industrie langsam<br />
den steifer·werdenden Wind der Konkurrenz auf<br />
dem Weltmarkt zu spüren. Lange Zeit hatte man auf<br />
das «Schweizer Qualitätsprodukt» und die quantitative<br />
Ausdehnung der Produktion gesetzt. Begriffe<br />
wie Rationalisierung oder Mechanisierung der Produktionsabläufe<br />
waren kein Thema. Dieses Versäumnis<br />
wurde Anfang der siebziger Jahre überdeutlich. Umund<br />
Restrukturierungen prägten das Geschehen in<br />
Zürich <strong>Nord</strong> <strong>im</strong> Kampf um die Konkurrenzfahigkeit.<br />
4.1 Ziirich wird Finanzmetropole<br />
Zur gleichen' Zeit erlebte die Dienstleistungsbranche<br />
in Zürich ein stürmisches Wachstum. Schon<br />
während der Hochkonjunktur hatten sich zahlreiche<br />
neue Betriebe aus dem Dienstleistungssektor<br />
etabliert. Dazu gehörten Beratungs-, Werbe- und<br />
Planungsbüros, Bildungs- und Forschungsinstitut~,<br />
Betriebe der Immobilienbranche und Finanzdienst~<br />
leistungsbetriebe, aber auch Reisebüros und Fitnesscenter.<br />
Als Finanzplatz erlangte Zürich <strong>im</strong> Verlaufe der<br />
siebziger und achtziger Jahre <strong>im</strong>mer mehr an Bedeutung.<br />
Hinzu kam, dass mit Einsetzen der Wirtschaftskrise<br />
anfangs siebziger Jahren viele führende<br />
Industriekonzerne einen Teil der Produktion ins<br />
kostengünstige Ausl<strong>and</strong> verlagerten. Die Unternehmensfunktionen<br />
wie Management, Marketing, Forschung<br />
und Entwicklung, die hochqualifiziertes Personal<br />
voraussetzen, blieben jedoch in der Schweiz,<br />
als Firmenhauptsitz wurde meist Zürich gewählt<br />
(Hitz et al., 1995).<br />
Warum aber ausgerechnet Zürich? Ein Grund für<br />
die· Attraktivität Zürichs als St<strong>and</strong>ort für Firmenhauptsitze<br />
und Banken liegt unter <strong>and</strong>erem in der<br />
historischen Verbindung von Exportindustrie und<br />
Finanzdienstleistungen. Eine solche Verbindung ist<br />
alles <strong>and</strong>ere als selbstverständlich, laufen doch die<br />
Interessen der Exporteure den Interessen der Finanziers<br />
entgegen: Fälltdie L<strong>and</strong>eswährung, steigen die<br />
Exporte und die Attraktivität des Finanzplatzes sinkt<br />
und umgekehrt. Dessen ungeachtet sind in Zürich<br />
Exportindustrie und Finanzdienstleistungsbranche<br />
gemeinsam gross geworden (Dürrenberger et aL,<br />
1992). Verkörpert wird diese Verbindung durch den<br />
bereits erwähnten Politiker und Unternehmer Alfred<br />
Escher, der sowohl Chef der Escher Wyss-Werke als<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
91
Der Fall --'-__--'---'- --------- :--__<br />
auch Mitbegründer der Schweizerischen Kreditanstalt<br />
war. Erst in den siebziger Jahren; als die Exportwirtschaft<br />
mehr und mehr an Bedeutung verlor - währenddem<br />
die Finanzdienstleistungsbranche weiter<br />
exp<strong>and</strong>ierte - entwickelte sich Zürich zum eigentlichen·<br />
Finanzzentrum. So konkurriert denn der<br />
Finanzplatz Zürich heute nicht mehr mit Basel oder<br />
Genf, sondern mit europäischen Metropolen wie<br />
London, Frankfurt, Paris, Amsterdam oder Brüssel<br />
(Hitz et aL, 1995).<br />
4.2 Satellitenstädte in Zürich <strong>Nord</strong><br />
Die Entwicklung Zürichs zum Finanzplatz oder zum<br />
«Wirtschaftswasserkopf», wie Zürich von Neidern<br />
aus <strong>and</strong>eren Regionen der Schweiz bisweilen genannt<br />
wird, führte zu grundlegenden Veränderungen<br />
in Zürich <strong>Nord</strong>. Schon Mitte der sechziger Jahre<br />
herrschte <strong>im</strong> Zürcher <strong>Stadt</strong>zentrum chronische Platzknappheit.<br />
Im Verlaufe· der siebziger und achtziger<br />
Jahre begannen <strong>im</strong>mer mehr Unternehmen<br />
Teilbereiche, die nicht kundenorientiert sind,<br />
auszulagern. Der Gedanke dahinter: die Verwaltung<br />
einer Grossbank braucht nicht unbedingt<br />
eine prestigeträchtige Adresse an der Bahnhofstrasse<br />
und kann <strong>im</strong> Zeitalter der Telekommunikation<br />
gut an einen billigeren St<strong>and</strong>ort verlagert<br />
werden.<br />
Zürich <strong>Nord</strong> bot sich als St<strong>and</strong>ort geradezu<br />
an. An attraktiver Lage zwischen Zürcher City<br />
und Flughafen gab es preiswerte Baul<strong>and</strong>reserven<br />
und leerstehende Industrieareale. In der<br />
Hochkonjunktur der achtziger Jahre entst<strong>and</strong>en<br />
dort auf bislang laridwittschaftlich genutzten<br />
Flächen riesige Büro- und Verwaltungsgebäude<br />
- Satellitenstädte der Wirtschaftsmetropole<br />
Zürich.<br />
In der Folge wuchs und wächst auch der<br />
Verkehr. Da die «Nebencities» über die ganze<br />
Grossregion verstreut sind, verlaufen die Verkehrströme<br />
in alle Richtungen und können<br />
schlecht kanalisiert werden. Staus sind an der<br />
Tagesordnung. Längst haben die Wohnquartiere<br />
in Zürich <strong>Nord</strong> ihre Anziehungskraft auf<br />
«<strong>Stadt</strong>flüchtlinge» verloren. Ihre BewohnerInnen<br />
sehen sich mit dem Lärm und der Luftverschmutzung<br />
von drei Autobahnkreuzen, dem<br />
Flughafen Kloten und dem Militärflugplatz<br />
Dübendorfkonfrontiert. Zürich <strong>Nord</strong> ist «heute<br />
eine komplexe Anhäufung von Citysatelliten,<br />
Shopping Centers, alten und neuen Industriezonen,<br />
noch l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutztem,<br />
potentiellem Baul<strong>and</strong>, einem internationalen Flughafen,<br />
Einfamilienhaus-Siedlungen, historischen<br />
Dorfkernen, Blocksiedlungen und einigen Überresten<br />
von Naherholungszonen» (Hitz et aL, 1995).<br />
Der Grund für die Entstehung dieser Situation in<br />
Zürich <strong>Nord</strong> liegt in der schweizerischen Planungspolitik.<br />
Die vorh<strong>and</strong>enen Planungsinstrumente, wie<br />
etwa der kantonale Richtplan, reichten nicht aus,<br />
um eine überregionale Planung zu gewährleisten.<br />
Für Bauvorhaben wurden bis in die achtziger Jahre<br />
von' den Gemeinden viel Grünl<strong>and</strong> als Bauzone<br />
ausgeschieden. In den Gemeinden von Zürich <strong>Nord</strong><br />
sah man lange vor allem die Vorteile, die mit einer<br />
Ansiedlung von Dienstleistungsunternehmen verbunden<br />
waren. Mit tiefen Steuerfüssen versuchten<br />
die Gemeindebehörden ihre Gemeinde für Unternehmen<br />
möglichst attraktiv zu machen (Hitz et aL,<br />
1995), schliesslich versprach jeder neue Bürokomplex<br />
Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Für<br />
Neubauten bot sich meist die «grüne Wiese» an <br />
es entst<strong>and</strong>en die oben erwähnten Citysatelliten.<br />
Abb.4.2 Zürich <strong>Nord</strong> (Bild: Showdown in Züri-North, ous Hitz<br />
clol., 1995, S. 257).<br />
92<br />
UNS-Fallstudie '96
--------'--------_---'---' ~ ___' Der Fall<br />
4.3 Streit um die städtische Bau-und<br />
Ionenordnung (BIO)<br />
Produktionsauslagerungen und Umstrukturierungen<br />
in der Industrie führten <strong>im</strong> Laufe der achtziger Jahre<br />
dazu, dass nach und nach <strong>im</strong>mer mehr Industrieareale<br />
brach lagen. Für GrundeigentümerInnen mit<br />
L<strong>and</strong> in der Industriezone stellte sich die Frage, wie<br />
sich ihr Areal weiterhin gewinnbringend nutzen<br />
liesse. Die starke Nachfrage nach Raum für Dienstleistungsbetriebe<br />
schien die Antwort zu sein: Wo<br />
früher geschweisst wurde, sollten neu B.üros entstehen.<br />
Vor allem bürgerliche Kreise begannen sich<br />
Gedanken über eine vollständige Öffnung der Industriezonen<br />
für Dienstleistungsnutzung zu machen.<br />
In der Folge ging die <strong>Stadt</strong>regierung in zwei Vorschlägen<br />
zur BZO (Bau- und Zonenordnung) - seit<br />
1975 in Revision - auf.die Frage nach der zukünftige<br />
Nutzung von Industriearealen ein. Ein erster BZO<br />
Entwurf vom bürgerlichen <strong>Stadt</strong>rat Thomas Wagner<br />
(<strong>Stadt</strong>präsident 1982-1990) sah eine Öffnung der<br />
Industriezonenvor, scheiterte aber. Ein zweiter Vorschlag<br />
von <strong>Stadt</strong>rätin Ursula Koch, Vorsteherin des<br />
Bauamtes 11 seit 1986, ging in eine <strong>and</strong>ere Richtung.<br />
In der von ihr ausgearbeiteten BZO blieb Industriezone<br />
zum grössten TeilIndustriezone. Abweichende<br />
Nutzungen wollte sie mittels Gestaltungsplänen<br />
und Sonderbauvorschriften ermöglichen. Mit dieser<br />
Regelung wollte Ursula Koch weitere unkpntrollierte<br />
Bautätigkeiten. verhindern. Gestaltungspläne<br />
und Sonderbauvorschriften müssen von den GrundbesitzerInnen<br />
mit der <strong>Stadt</strong>verwaltung ausgeh<strong>and</strong>elt<br />
werden und unterliegen dem fakultativen Referendum.<br />
Sie ermöglichen der <strong>Stadt</strong> eine «Mehrwertabschöpfung».<br />
Dies bedeutet, dass GrundeigentümerInnen<br />
für den Gewinn, den' sie durch Umnutzung<br />
ihrer Industriefläche erzielen, best<strong>im</strong>mten Forderungen<br />
der <strong>Stadt</strong> nachkommen müssen. In einem<br />
Aush<strong>and</strong>lungsprozess zwischen GrundeigentümerInnen<br />
und <strong>Stadt</strong>behörde können städtische Anliegen,<br />
die der Allgemeinheit zu gute kommen, in das Bauvorhaben<br />
einfliessen.<br />
1992 wurde die städtische BZO zwar vom St<strong>im</strong>mvolkgutgeheissen,<br />
konnte jedoch aufgrund von über<br />
400 Rekursen nicht in Kraft gesetzt werden. Seit Juni<br />
1996 gilt in Zürich eine vom Kanton aufgezwungene<br />
Ersatz-BZO, die Dienstleistungsnutzungen in Industriezonen<br />
zulässt. Zum jetzigen Zeitpunkt interessiert das<br />
jedoch kaum jem<strong>and</strong>en: Im Kanton Zürich stehen<br />
rund 920'000 Quadratmeter Büroflächen leer!<br />
Der jahrelange Streit um die Industriegebiete<br />
in der BZO zeigt, dass die vorh<strong>and</strong>enen Planungsinstrumente<br />
für aktuelle Raumplanungsfragen ungeeignet<br />
sind. Die Trennungvon Wohn-, Industrie- und<br />
Dienstleistungszone erscheint nicht mehr zeitgernäss.<br />
Gefordert werden vermehrt Mischnutzungen,<br />
die eine lebendige Siedlungsentwicklung ermöglichen.<br />
Bei der Planung des Projektes <strong>Zentrum</strong> Zürich<br />
<strong>Nord</strong> (ZZN) versuchen die Grundeigentümerschaft<br />
und die <strong>Stadt</strong>j mittels Sonderhauvorschriften eine<br />
solche Entwicklung in die Wege zu leiten.<br />
Abb. 4.3.1 Ein organisch gewachsenes <strong>Stadt</strong>quartier in Amsterdam. Mit der Hilfe von Gestaltungsplänen undSonderlJauvorschriften<br />
werden in Zürich neue <strong>Stadt</strong>quartiere geplant (Bild: Francesco Lo Verdi).<br />
UNS-Fallstudie '96 93
Der Fall<br />
~_,____--------------------<br />
S. Von der «Chance" zum<br />
«<strong>Zentrum</strong>"<br />
Als in den achtziger Jahren die Diskussion um die<br />
Industriezonen voll <strong>im</strong> Gange war, begann man sich<br />
über eine zukünftige Nutzung des. Industrieareals<br />
.hinter dem Bahnhof Oerlikoh Gedanken zu machen.<br />
Es war abzusehen, dass in Zukunft ein grosser<br />
Teil der Produktionsgebäude der beiden Grosskonzerne<br />
Oerlikon Bührle Holding AG (nachfolgend Oerlikon<br />
Bührle) und Asea Brown Bowen AG (nachfolgend<br />
ABB) leer stehen würden. Es lag <strong>im</strong> Interesse der<br />
beiden Firmen, die freiwerdende Fläche umzunutzen.<br />
Da der Grundbesitz von ABB und Oerlikon<br />
Biihrle kein einheitliches Gebiet ausmacht, mussten<br />
einige kleine GrundeigentümerInnen miteinbezogen<br />
werden. Auf Initiative der Oerlikon Bührle<br />
schlossen deshalb diese, dieABB sowie die Accu AG,<br />
die Marti AG, die Lamprecht AG und die Xamax AG<br />
1988unter sich und mit den SBB einen Planungsvertrag<br />
ab..Dies geschah in der Absicht, neue Nutzungsmäglichkeiten,<br />
das heisst Dienstleistungs- und<br />
, Wohngebäude, für das Industrieareal zu planen.<br />
Um in der Industriezone Dienstleistungs- und<br />
Wohnbauten zu erstellen, müssen die GrundeigentümerInnen<br />
entweder eine Umzonung beantragen<br />
oder Sonderbauvorschriften mit der <strong>Stadt</strong> aush<strong>and</strong>eln;<br />
Die VertragspartnerInnen entschlossen sich für<br />
den Weg über die Sonderbauvorschriften. Bei deren<br />
Aush<strong>and</strong>lung können sowohl die <strong>Stadt</strong> als auch die<br />
Grundeigent'ümerschaft ihre Bedürfnisse auf best<strong>im</strong>mten<br />
Baufeldern einfliessen lassen. Ausserdem<br />
sind die Sonderbauvorschriften von der Bau- und<br />
Zonenordnung unabhängig; das Planungsvorhaben<br />
blieb folglich von den Wirren um die Zürcher BZO<br />
verschont.<br />
5.1 Chance Oerlikon 2011<br />
Das Oerlikoner Industrieareal umfasst ein Gebiet<br />
von 62 Hektaren, ist also flächenmässigetwa so gross<br />
wie die Zürcher City vom Hauptbahnhof bis zum<br />
Bellevue. Es geht somit darum, einen neuen <strong>Stadt</strong>teil<br />
zu planen! Den Auftrag dazu erhielt der Architektund<br />
Raumplaner Ue/i Roth. Im Januar 1989<br />
präsentierten die GrundeigentümerInnen·der <strong>Stadt</strong><br />
unter dem klangvollen Namen «Chance Oerlikon<br />
201l» ein erstes Konzept. Das Konzept sah einen<br />
Rückzug der verbleibenden Industrie in die nordwestliche<br />
Ecke des Gebietes vor. In der Nähe des<br />
Abq. 5.1 Das Planungsgebiet nördlich des Bahnhofs Oerlikon (Bild: Michael Meier).<br />
94 UNS-Fallstudie '96
________.:..-<br />
----'Der Fall<br />
Bahnhofs sollten Dienstleistungsbetriebe und· <strong>im</strong><br />
Zwischenbereich Mischzonen mit Wohn- und Gewerbenutzungen<br />
entstehen. Noch <strong>im</strong> seIben Jahr<br />
antwortete die <strong>Stadt</strong> auf das Konzept «Chance Oerlikon<br />
2011» mit einem Strukturkonzept. Dieses sah<br />
für je einen Viertel der Arealfläche Dienstleistungsund<br />
Wohnzonen vor, die restlichen 50% sollten in der<br />
Industrie- und Gewerbezone bleiben.<br />
Ende der achtziger Jahre war der Boom <strong>im</strong> Dienstieistungsbereich<br />
noch in vollem Gange. An einer<br />
möglichst gewinnbringenden Nutzung interessiert,<br />
wünschte sich die Grundeigentümerschaft einen<br />
hohen Anteil an Dienstleistungszonen. Eine nur<br />
fünfzigprozentige Öffnung der Industriezone erachtete<br />
sie als völlig ungenügend und verlangte einen<br />
Dienstleistungsanteil an der BruttogeSChossfläche<br />
von 60% und nur einen Sechstel für Wohnbauten.<br />
Ein zähes Ringen um Ausnützung und Brutto":<br />
geschossflächen begann. Endlich, <strong>im</strong> Oktober 1990,<br />
wurden sich die beiden Parteien einig. Gemäss dem<br />
bereinigten Strukturkonzept sollte in dem neuen<br />
<strong>Stadt</strong>teil Platz für 5000 EinwohnerInnen sowie rund<br />
12'000 Arbeitsplätze entstehen (die Sonderbauvorschriften<br />
1996 sehen einen Wohnanteil von 29% und<br />
einen Dienstleistungsanteil von 37% bei insgesamt<br />
840'000 Quadratmeter Bruttogesc~ossflächevor).<br />
5.2 Ideen für einen nellen <strong>Stadt</strong>teil<br />
Über die Struktur des künftigen <strong>Stadt</strong>teils war man<br />
.sich nun also einig. Doch wie sollte das neue Quartier<br />
aussehen? Manhattan oder Gartenstadt, Montmartre<br />
oder Quartier Latin?Ideen für ein Entwicklungsleitbild<br />
waren gesucht. Auf Anregung der stadträtlichen<br />
Delegation schrieben die <strong>Stadt</strong>, die Grundeigentümerschaft<br />
«Chance Oerlikon 2011» und die SEE<br />
<strong>im</strong> Februar 1991 einen städtebaulichen Ideenwettbewerb<br />
aus. Ziel des Wettbewerbes sei «die Erlangung<br />
eineS Gesamtkonzeptes, das Aussagen liefert<br />
zur Gestaltungvon Baustruktur und Freiräumen, zur<br />
Nutzung der weiter verwendbaren, bestehenden<br />
sowie der vorzuschlagenden, neuen Bausubstanz,<br />
zur Verkehrserschliessung und zu den in dieser<br />
Stufe relevanten Umweltaspekten», so der Wortlaut<br />
der Wettbewerbsausschreibung (<strong>Stadt</strong> Zürich et al.,<br />
1991).<br />
Annähernd 40 Architektenteams beteiligten sich<br />
an dem Wettbewerb. Knapp ein Jahr nach der<br />
Lancierung wurden die eingegangenen Vorschläge<br />
beurteilt. Doch zu einer endgültigen Entscheidung<br />
kam es erst <strong>im</strong> Oktober 1992, nachdem die vier<br />
bestklassierten Projekte noch einmal überarbeitet<br />
wordenwaren. Die Jury war sich einig: Der weiteren<br />
Planung wurde das Projekt «HaI» des Architektenteams<br />
Ruoss/Siress/Schrader zugrunde gelegt. Ent-<br />
scheidender Pluspunkt des Siegerprojektes war die<br />
Verflechtung von Bestehendem und Neuem und die<br />
Respektierung des vorh<strong>and</strong>enen Gebäude- und<br />
Erschliessungsrasters. Dadurch wurde eine Realisierung.des<br />
Projektes in beliebigen Etappen ermöglicht.<br />
Das Siegerteam wurde mit der Weiterbearbeitung<br />
seines Projektes zu einem Entwicklungsleitbild<br />
beauftragt.<br />
5.3 Das Leitbild<br />
In räumlicher Konkretisierung des «Strukturkonzeptes»<br />
von «Chance Oerlikon 201l» entst<strong>and</strong> aufgrund<br />
des Wettbewerbsergebnisses das Entwicklungsleitbild<br />
für das Projekt «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» (ZZN;<br />
Ruoss & Siress, 1994). Es diente als Grundlage für<br />
die weiteren Schritte und Entscheide wie Sonderbauvorschriften<br />
oder L<strong>and</strong>abtretungen. Im September<br />
1994 stellten die Grundeigentümerschaft, die<br />
<strong>Stadt</strong> und die SEE das Leitbild für ihr gemeinschaftliches<br />
Planungsvorhaben der Öffentlichkeit vor.<br />
Das Leitbild ist in sechs Teile gegliedert:<br />
1. Nutzungskonzept<br />
2. Bebauungskonzept<br />
3. Freiraumkonzept<br />
4. Verkehrskonzept<br />
5. Ver- und Entsorgung<br />
6. Etappierung<br />
Mit den verschiedenen Konzepten des Leitbildes<br />
verfolgen die PlanerInnen <strong>im</strong> wesentlichen ein<br />
Hauptziel: Die Entstehung eines lebendigen neuen<br />
und integrierten <strong>Stadt</strong>teils. Im ZZN sollen sowohl<br />
Industrie und Dienstleistungsbetriebe als auch die<br />
Wohnbevölkerung möglichst ideale Verhältnisse<br />
vorfinden. Das Leitbild sieht daher eine Durchmischung<br />
von Arbeit, Kultur und Wohnen sowie<br />
Teilgebiete mit vorwiegend industrieller Nutzung<br />
vor. Flächige, lineare und punktförmige Frei- und<br />
Grünraumelemente sollen zur Wohnlichkeit beitragen.<br />
Eine weitere Steigerung der ökologischen und<br />
städtebaulichen Qualität versprechen sich die PlanerInnen<br />
vom Ausbau des öffentlichen Verkehrs und<br />
der Stabilisierung des motorisierten Individualverkehrs<br />
auf dem heutigen St<strong>and</strong>. Ausserdem sieht das<br />
Leitbild eine Opt<strong>im</strong>ierung der Bauten und Anlagen /<br />
in bezug auf den ökologischen Ausgleich und den<br />
Ausbau des Fernwärme-Versorgungsnetzes vor. .<br />
Ein wichtiger Aspekt innerhalb des Teils
Der Fall.<br />
_<br />
Abb. 5.3 Dos Bebouungskonzept des ZZN.<br />
Kosten 5.3 Zonenuntetteilung des Bebouungskonzepts.<br />
96 UNS-Fallstudie '96
____________________~<br />
bereits erwähnt - die verschiedensten Industriebetriebe<br />
aufdem Planungsgebiet produziert. Da sich<br />
bis in jüngster Zeit niem<strong>and</strong> Gedanken um eine<br />
umweltgerechte Entsorgung von Abfällen oder das<br />
Vermeiden von kleineren Unfällen machte, finden<br />
sich auf dem Gebiet heute Verunreinigungen der<br />
Bausubstanz, des Untergrundes und des Grundwassers.<br />
Der Umgang mit dieser Problematik ist für<br />
den Planungsablauf relativ wichtig, dennoch wurde<br />
<strong>im</strong> Entwicklungsleitbild lediglich auf die Existenz<br />
von Altlasten hingewiesen.<br />
Aufgrund des Leitbildes erarbeiteten die <strong>Stadt</strong><br />
und die Grundeigentümerschaft die Sonderbauvorschriften.<br />
Diese ersetzen für das Planungsgebiet die<br />
. Bau- und Zonenordnung der <strong>Stadt</strong> Zürich. Was die<br />
Sonderbauvorschriften für die fünf Teilgebiete des<br />
ZZN festhalten, ist Gesetz! Es ist daher kaum<br />
verwunderlich, dass es um manchen Artikel zwischen<br />
<strong>Stadt</strong>behörden, kantonaler Genehmigungsinstanz<br />
und Grundeigentümerlnnen einschliesslich der SBB<br />
intensive Diskussionen gab. Sowohl die <strong>Stadt</strong> als<br />
auch die GrundeigentümerInnen versuchten auf<br />
jedem einzelnen Baufeld möglichst ihre Interessen<br />
durchzusetzen. Daher dauerte es, nachdem ein erster<br />
Entwurfder Sonderbauvorschriften bereits <strong>im</strong> Januar<br />
1995 ein erstes Mal öffentlich aufgelegen hatte, noch<br />
mehr als ein Jahr, bis eine Einigung in Sicht war.<br />
Zum jetzigen Zeitpunkt stehen die Zeichen gut: Die<br />
Sonderbauvorschriften sollen 1997·in Kraft treten.<br />
Das Entwicklungsleitbild findet in Form von zehn<br />
Anhang-Plänen zu den Sonderbauvorschriften (<strong>Stadt</strong><br />
Zürich, 1994) Eingang in das Planungswerk..<br />
6. zürifüfzg! und die Zukunft<br />
Der Fall<br />
Ein Projekt vom Ausrnass des ZZN hat Auswirkungen<br />
auf die' ganze Region. Besonders betroffen ist<br />
natürlich die Bevölkerung in Zürich <strong>Nord</strong>, die in<br />
Zukunft mit einem neuen <strong>Stadt</strong>teil leben wird. Ja<br />
mehr noch: Wenn es nach dem Willen der PlanerInnen<br />
ginge, sollten die BewohnerInnen von Zürich<br />
<strong>Nord</strong> das neue Quartier als zweites <strong>Stadt</strong>zentrum<br />
akzeptieren!<br />
Die sparsame Informationspolitik rund um das geplante<br />
Grossprojekt ist deshalb wenig verständlich.<br />
Zwar f<strong>and</strong> <strong>im</strong> Mai 1991 eine Medienorientierung<br />
seitens der Grundeigentümerschaft, der <strong>Stadt</strong> und<br />
den SBB statt, die gesamte Planung verlief jedoch<br />
ohne Mitbest<strong>im</strong>mung derÖffentlichkeit. Erste Kontaktaufnahmen<br />
einer Gruppe von interessierten<br />
AnwohnerInnen, die an der Entstehung eines breit<br />
abgestützten Leitbildes mitarbeiten wollten, wurde<br />
1992von der <strong>Stadt</strong> abgeblockt (Waser, 1994). Die<br />
Verh<strong>and</strong>lungen seien zu heikel, als dass man die<br />
Öffentlichkeit mit einbeziehen könne, hiess es vom<br />
BauamtII. Dies führte 1993 zur Gründung des vereins<br />
zürifüfzg!.<br />
Neue Ideen willkommen<br />
In zanlreichen öffentlichen Sta.dtwerkstätten erarbeitete<br />
der verein zürifüfzg! zusammen mit interessierten<br />
Kreisen ein eigenes Leitbild und stellte es <strong>im</strong> April<br />
1994, vier Monate vor dem offiziellen Entwicklungsleitbild,<br />
vor. Die Mitglieder von zürifüfzg! versuchten<br />
den Behörden und der Grundeigentümerschaft klar<br />
zumachen, dass sie das Projekt ZZN keinesfalls<br />
ablehnen. Es schien ihnen jedoch äusserst wichtig,<br />
dass auf die Bedürfnisse der Bevölkerung eingegangen<br />
werde.<br />
Inzwischen klappt die Zusammenarbeit zwischen<br />
,dem Verein und den Planungsverantwortlichen recht<br />
gut. Vor allem die ABB - Grundeigentümerin des<br />
grössten Gebietes auf dem zukünftigen ZZN - zeigt<br />
sich sehr interessiert an den Ideen des Vereins. Um<br />
in der heutigen Konjunktur,lage zu bestehen, muss<br />
ein Umnutzungsprojekt von dieser Grösse Vorteile<br />
gegenüber <strong>and</strong>eren Projekten aufweisen. Unter<br />
diesen Voraussetzungen sind nichtalltägliche Vorschläge,<br />
die die Attraktivität des St<strong>and</strong>ortes erhöhen<br />
könnten, äusserst willkommen. Man bedenke, dass<br />
die Investorlnnen für das Projekt den GrundeigentümerInnen<br />
in der -heutigen Wirtschaftslage die<br />
Türen nicht gerade einrennen!<br />
Eine neue Perspektive für den geplanten <strong>Stadt</strong>teil<br />
ergibt sich unter Einbezug der Umweltpolitik der<br />
ABB. Die ABB n<strong>im</strong>mt auf Konzernebene ihre<br />
Umweltverantwortlichkeit wahr. Ihre Umweltpolitik<br />
steht unter dem «Leitstern" der «Ökoeffizienz»,<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
97
Der Fall -:--:-- ----,. --,- _<br />
unmissverständlich vorgetragen vom Konzernchef<br />
Percy Barnevik (1995):<br />
«Conditions for a sustainable development in<br />
the world are ecoefficient~national, regional <strong>and</strong><br />
. global policies <strong>and</strong> setting the stage for an ecoefficient<br />
infrastructure. We musthave ecoefficient<br />
industries <strong>and</strong> adapt ecoefficientindividual<br />
lifestyles.,><br />
Die «ökoeffizieilte" Umweltpolitik der ABB findet<br />
ihren Ausdruck <strong>im</strong> Environmental management<br />
report (ABB, 1995) derABB und dem Umweltbericht<br />
der ABB Schweiz (ABB, 1996). Die Geschäftsleitung<br />
der ABB Immobilien AG - Bauherrentreuhänderin <strong>im</strong><br />
ZZN - hat am 10.9.1996 entschieden, ein Umweltmanagement<br />
einzuführen.<br />
Eine ökologische Umnutzung des ZZN-Areals ist<br />
auch <strong>im</strong> Sinne der lokalenAgenda 21 (<strong>Stadt</strong> Zürich,<br />
1995), welche in Anlehnung an die UN-Konferenz<br />
über Umwelt und Entwicklung von Rio de Janeiro<br />
(UNCED, 1992) von der <strong>Stadt</strong> ausgearbeitet wurde.<br />
Darin ist speziell ein Abschnitt über die Umnutzung<br />
von Industrfearealen enthalten:<br />
«Inthe course ofthe change in business structure<br />
large areas of industrial l<strong>and</strong> are becoming available<br />
for reuse. For <strong>im</strong>portantareas special use<br />
plans havealready been passed, which also take<br />
accOunt of ecological requirements through better<br />
mixed use with a considerable proportion of<br />
accommodation,more green areas, l<strong>im</strong>ited parking<br />
spaces <strong>and</strong> the provision of bicycle st<strong>and</strong>s<br />
etc... The costs of c1eaning up old industrial<br />
waste playa large part in this; in old industrial<br />
areas they are high<strong>and</strong> lie in the rangeof the<br />
price of l<strong>and</strong> in the affected areas.»<br />
(<strong>Stadt</strong> Zürich, 1995, S. 10).<br />
Alles in allem hat das ZZN gute Karten. Die St<strong>and</strong>ortfaktoren<br />
könnten besser fast nicht sein, und das<br />
Konzept der «wirtschaftiichen Ökostadt», das von<br />
der ABB proklamiert wird, könnte die ökonomische<br />
Attraktivität des St<strong>and</strong>or.tes noch steigern. Auch die<br />
St<strong>im</strong>men aus Raumplanerkreisen sind durch~egs<br />
positiv. So ist etwa die Art der Projektierung <br />
nämlich eine partnerschaftliche Planung zwischen<br />
<strong>Stadt</strong>behörden und Grundeigentümerschaft - bis<br />
anhin relativ selten in der Schweizer Raumplanung<br />
anzutreffen. Zusammen mit den Anregungen aus<br />
der Bevölkerung könnte in Oerlikon tatsächlich ein<br />
vielseitiger neuer <strong>Stadt</strong>teil entstehen.<br />
Literatur<br />
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Schweden: ABB Environmental Affairs.<br />
ABB (1996). Umweltbericht 1995. Forum - die Zeitschrift der<br />
ABB Schweiz, (Sondernummer).<br />
Andersen, A. (Hrsg.). (1994). Perlon, Petticoats und Pestizide <br />
Mensch-Umwelt-Beziehung in den 50er Jahren. AusteIlungskatalog.<br />
Basel/Berlin: F. Reinhardt Verlag.<br />
Baeriswyl, M., Muncke, J., Spiegel, A. (1996). <strong>Zentrum</strong> Zürich<br />
<strong>Nord</strong> - Fallstudiendossier 1996. Zürich: Professur für Umweltnatur-<br />
und Umweltsozialwissenschaften (UNS), <strong>ETH</strong> Zürich.<br />
Barnevik, P. (1995). Ecoefficient Leadership. ENS 95, Stavanger/Norwegen<br />
23.-25.8.<br />
Bollinger, A. (1983). Oerlikon ~ Geschichte einer Zürcher Gemeinde.<br />
Zürich: Quartierverein Oerlikon.<br />
Dürrenberger, G., Ernste, H., Furger, F., Jaeger, C., Steiner; D.,<br />
Truffer, B. (1992). Das Dilemma der modernen <strong>Stadt</strong>. Berlin:<br />
Springer.<br />
Fritzsche, B. & Lemmenmeier, M. (994). Die revolutionäre Umgestaltung<br />
von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat 1780-1870.In<br />
Geschichte des Kantons Zürich, Bd. 3 (So 20-157), Zürich: Werd<br />
Verlag. .<br />
Geschichte des Kantons Zürich (GKtZH), Bd. 3 (1994). Zürich:<br />
Werd Verlag.<br />
Hitz, H., Keil, R., Lehrer, U., Ronneberger, K., Schmid, C., Wolff,<br />
R. (Hrsg.). (1995). Capitales Fatales - Urbanisierung und Politik in<br />
den Finanzmetropolen Frankfurt und Zürich. Zürich: Rotpunkt.<br />
IIIi, M. (990). Das Oberhauserriet - Die Geschichte einer L<strong>and</strong>schaft.<br />
In Separatdruck aus dem Zürcher Taschenbuch aufdas Jahr<br />
1990., Zürich: Orell Füssli.<br />
Koch, M. (1993). Städtebau in der Schweiz 1800-1990. (ORL<br />
Bericht Nr. 81). Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />
Roth, U. (1995). <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>, Planungsst<strong>and</strong> 1995.<br />
Baden: ABB Immobilien AG.<br />
Ruoss, S. & Siress, C. (1994). Entwicklungsleitbild <strong>Zentrum</strong><br />
Zürich <strong>Nord</strong>.<br />
<strong>Stadt</strong> Zürich, Grundeigentümer «Chance Oerlikon 201 h, SBB<br />
(Hrsg.). (1991). Städtebaulicher Ideenwettbewerb Oerlikon; Wettbewerbsprogramm.<br />
Zürich: <strong>Stadt</strong> Zürich.<br />
<strong>Stadt</strong> Zürich (1994). Sonderbauvorschriften für das Gebiet <strong>Zentrum</strong><br />
Zürich <strong>Nord</strong>. (EntwurO. Zürich: <strong>Stadt</strong> Zürich.<br />
<strong>Stadt</strong> Zürich (Hrsg.). (1995). Environmental Policy of the City of<br />
<strong>Zurich</strong> - Local Agenda 21. Zürich: City of <strong>Zurich</strong> Environmental<br />
Protection Unit. .<br />
UNCED (1992). Agenda 21, Programme of action for sustainable<br />
development; Rio declaration on environment <strong>and</strong> development.<br />
New York: United Nations, Department of Public Information.<br />
Waser, M. (1994). Leitbild zum Areal Oerlikon 2011. Zürich:<br />
Verein zürifüfzg!<br />
Wolfensberger, G. & Stahel, U. (1994). Industriebild. Der Wirtschaftsraum<br />
Ostschweiz in Fotografien von 1870 bis heute. Zürich:<br />
Werd Verlag.<br />
98<br />
UNS-Fallstudie '96
<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
Inhalt<br />
1. Gegenst<strong>and</strong> und Fragestellung 101<br />
I<br />
2. Vorgehen und Methoden 104<br />
3. Analyse Ist·Zust<strong>and</strong> 107 I I<br />
4. Szenarien und zukünftige<br />
Entwicklungen 118<br />
5. Thesen 131<br />
I<br />
AutorInnen<br />
Bettina Baumgartner<br />
Monika Kurath<br />
Johannes Ranke<br />
MichaelStauffacher (Tutor)<br />
Aufbauend auf den Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeitsgl1lppe (Synthesegl1lppe STADTENTWICKLUNG)<br />
Bettina Baumgartner Rebekka Herzog Johannes Ranke Catherine Wyler<br />
Martin Binder Rol<strong>and</strong> Hüsler Franziska Ricklin Andreas Berwert (Tutor)<br />
Heinrich Dohna Kajsa Knecht Brigitte Schubnell Angelus Eisinger (Tutor)<br />
Andreina Gerster Monika Kurath Thomas Schwab Thomas Hulliger (Tutor)<br />
Nicole Gysin Michael Lehmann Manfred Sennhauser Christian Schmid(Tutor)<br />
Catherine Heinzer Yvan. Maillard Andi Wolfensberger Michael Stauffacher (Tutor)
<strong>Stadt</strong>entwicklung ~ _<br />
100 UNS-Fallstudie '96
___~ ~~ <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
um 1850<br />
.um 1900<br />
um 1940<br />
1. Gegenst<strong>and</strong> allid fragestellung<br />
1.1 Ein <strong>Stadt</strong>teil eigener Prägung und<br />
mit gemischter Nutzung<br />
Das «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» stellt zur .Zeit «das<br />
grösste <strong>Stadt</strong>entwicklungsvorhaben der Schweiz»<br />
dar (Roth, 1994). Dieser neue <strong>Stadt</strong>teil liegt an<br />
einer städtebaulichen ScharniersteIle von Zijrich<br />
<strong>Nord</strong>, der <strong>Stadt</strong><strong>im</strong>Glattal, die sich aus nördlichen<br />
Quartieren der <strong>Stadt</strong> Zürich und der Planungsregion<br />
Glattal zusammensetzt und rund 195'000<br />
EinwohnerInnen sowie 106'000 Arbeitsplätze<br />
zählt (Hitz et al., 1995). Um einer weiteren Zersiedlung<br />
des Siedlungsraums Zürich <strong>Nord</strong> entlang der<br />
Glatt entgegenzuwirken (Willi, 1992), bestehen von<br />
verschiedenen Seiten Bestrebungen in Richtung<br />
einer städtebaulichen Verdichtung. Die freiwerdenden<br />
Industrieareale bieten an besterschlossener<br />
Lage Raum, um die Verdichtungsabsichten<br />
umzusetzen. Eine «Public-Private-Partnership»<br />
zwischen <strong>Stadt</strong>verwaltung und GrundeigentümerInnen<br />
lieferte den Rahmen, um Sonderbau-<br />
<strong>Stadt</strong>ökologie Zürich <strong>Nord</strong><br />
Bauliche Nutzung<br />
Per<strong>im</strong>eter UNS-Fallstudie<br />
l<br />
I<br />
I<br />
o<br />
um 1990<br />
B<br />
BB<br />
rmP.<br />
ruz.J<br />
~<br />
• mr:J<br />
L2J<br />
Bahnlinie<br />
Gewässer<br />
Wohnbebauung<br />
Industrie- und<br />
Gewerbebebauung<br />
Bebauung mit<br />
Dienstleistungs- und<br />
<strong>Zentrum</strong>sfunktion<br />
Grün- und Freifläche<br />
(Waldgrenze gepunktet)<br />
Abb. 1.1 <strong>Stadt</strong>ökologie Zürich <strong>Nord</strong>: Entwicklung der baulichen Nutzung in den letzten 150 Jahren (aus: Rein/ried. & R<strong>im</strong>atM, 1995).<br />
um 1970<br />
Gebietsgrenze<br />
Strasse<br />
UNS-Fallstudie '96 101
<strong>Stadt</strong>entwicklung ---'- ~ _:... _<br />
vorschriften inkl. Leitbild zu entwickeln. Aufgebaut<br />
wurde dabei auf dem städtebaulichen Ideenwettbewerb<br />
von 1992.<br />
Betrachtet' man die Zielvorstellungen genauer,<br />
die <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild vom September 1994<br />
für das ZZN (Ruoss & Siress, 1994) festgelegt worden<br />
sind, so kommen hier über das reine «Verdichten»<br />
hinausgehende Vorstellungen hinzu: Neben dem<br />
Raum für die Neuorganisation der zukunftsorientierten<br />
Industriebetriebe soll Platz für eine urbane Nutzungsdurchmischung<br />
entstehen, die von der starken räumlichen<br />
Trennung von Wohnen und Arbeiten der Städteplanung<br />
aus der Zeit der Industrialisierung Abschied n<strong>im</strong>mt. Auch<br />
Dienstleistungen mit intensivem· Kundenkontakt<br />
sowie öffentliche Einrichtungen sollen ihren Platz<br />
finden (Ruoss & Siress, 1994).<br />
Der Name «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>», der dem Pro-<br />
'jekt 1995 verliehen wurde, drückt den folgenden<br />
Anspruch aus, der vermutlich durch die unmittelbare<br />
Nachbarschaft zum Bahnhof Oerlikon und damit<br />
an die City von Zürich und den Flughafen Zürich<br />
Kloten ins Gespräch gekommen ist:. die Bildung eines<br />
neuen urbanen <strong>Zentrum</strong>s mit übergreifender Funktion für<br />
das Gebiet Zürich <strong>Nord</strong>.<br />
1.2 Möglichkeiten und Grenzen einer .<br />
nachhaltigen <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
Um dieser Problemstellung gerecht zu werden, wurden<br />
inden Teilprojekten (vgl. Kap. ORGANISATION)<br />
verschiedene Arbeitsbereiche herausgearbeitet.<br />
Durch eine Aufarbeitung des Planungsprozesses<br />
wurden Stärken und Schwächen des bisherigen<br />
Vorgehens geklärt. Die Erhebung des Informationss~<strong>and</strong>s,<br />
der Bedürfnisse und der Interessen der<br />
Bevölkerung sowie der sozialen Struktur in den<br />
angrenzenden Quartieren und Gemeinden diente<br />
zur Klärung der Einbettung des Projektes ZZN in<br />
das soziale Umfeld. Die Untersuchung der St<strong>and</strong>ortqualität<br />
des ZZN, verbunden mit dner Abschätzung<br />
Ist-Analyse<br />
Planungsprozess<br />
Soziales Umfeld<br />
St<strong>and</strong>ortqualität<br />
Abschätzung der<br />
zukünftigen Entwicklung<br />
Abb. 1.2 SynthesegroppeSTADTEN1WICKLUNG <strong>im</strong> Überblick.<br />
der bestehenden sowie der potentiellen Nachfrage<br />
von Investorlnnen und NutzerInnen, ermöglicht<br />
erste Aussagen zur Realisierungschance aus wirtschaftlicher<br />
Sicht.<br />
Parallel dazu wurde untersucht, wie eine Überprüfung<br />
des ZZN aufNachhaltigkeit erreicht werden<br />
könnte. Ausblicke in die Zukunft wurden schliesslieh<br />
einerseits durch die Entwicklung von Vorstellungen<br />
über mögliche Rahmenbedingungen <strong>im</strong><br />
Grossraum Zürich <strong>im</strong> Jahr 2011 ermöglicht. Andererseits<br />
wurden in einem Syntheseprozess «ZZN-Ent-<br />
,wicklungsvarianten» entwickelt, wozu die Ergebnisse<br />
der verschiedenen Teilprojekte zum Entwurf<br />
konkreter Bilder von Zukunftsmöglichkeiten des<br />
Projektes «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» verwendet wurden.<br />
Dadurch sollten die mittelfristigen Chancen<br />
und Risiken für das ZZN beurteilt werden.<br />
Die Fragen, die die Synthesegruppe STADT<br />
ENTWICKLUNG bearbeitete, können auf zwei verschiedenen<br />
Ebenen angesiedelt werden (vgl. Abb. 1.2):<br />
• Analyse des Ist-Zust<strong>and</strong>s in den für die Realisierung<br />
wichtigen Bereichen<br />
• Erarbeiten von Vorstellungen über zukünftige<br />
Entwicklungen<br />
'Die angeführten Ebenen wurden in verschiedenen<br />
Teilprojekten unterschiedlich stark gewichtet und<br />
in h<strong>and</strong>habbare Teilbereiche aufgeteilt.<br />
Die vorliegende Studie hatte ZlJm Ziel, in einer Art<br />
Pilotprojekt aufzuzeigen, wie ein solch komplexes<br />
Thema angepackt werden kann und welche Art von<br />
Resultaten erwartet werden können. Die erzielten<br />
Ergebnisse müssen dabei <strong>im</strong>mer vor dem Hintergrund<br />
der beschränkt zur Verfügung stehenden<br />
Ressourcen (Zeit und sozialwissenschaftlich wenig<br />
erfahrene Studierende).gesehen werdep.<br />
1.2.1 Plllnungsprozess<br />
Der Planungsprozess für das grösste innerstädtische<br />
Industrieareal-Umnutzungsvorhaben der Schweiz<br />
(für eine gute Übersicht über weitere Vorhaben und<br />
Projekte in der Schweiz vgl. Hochparterre/Cash,<br />
1996) begann 1988 durch die Zusammenarbeit der<br />
GrundeigentümerInnen unter dem Namen «Chance<br />
Oerlikon 201 h. Im gleichen Jahr wurde in Zusammenarbeit<br />
mit der <strong>Stadt</strong>verwaltung von Zürich<br />
die Planung vorangetrieben, welche zu den heute<br />
kurz vor der Inkraftsetzung stehenden Sonderbauvorschriften<br />
geführt hat. Da <strong>im</strong> Frühling 1996 die<br />
Verh<strong>and</strong>lungen zwischen <strong>Stadt</strong> und Grundeigentümerlnnen'sowie<br />
diejenigen innerhalb der Gruppe<br />
der GrundeigentümerInnen über die L<strong>and</strong>umlegung<br />
noch nicht abgeschlossen waren, informierte sich die<br />
Teilprojektgruppe PLANUNG über den momentanen<br />
St<strong>and</strong> der noch laufenden Planung (vgl. Kap. DER<br />
FALL).<br />
l<br />
102 UNS-Fallstudie '96
-------------~---------- <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
Im Artikel «Das Ganze ist ein Fragment» (Loderer,<br />
1992) wird das Projekt mit einigen Vorbehalten betrachtet.<br />
Der Autor führt aus, dass die Grundeigentümerlnnen<br />
und die <strong>Stadt</strong> sich mit dem Ziel der<br />
Erlangung eines Gesamtkonzeptes für das Gebiet<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> eine fast unlösbare Aufgabe<br />
gestellt hätten. Seiner Meinung nach könne ein Endzust<strong>and</strong><br />
eines solchen Vorhabens nicht vorausbest<strong>im</strong>mt<br />
werden. Mit einem Projekt sei dem Problem<br />
nicht beizukommen. Nie werde ein Endzust<strong>and</strong> erreicht<br />
werden, von dem die Planer stolz behaupten<br />
dürften: Jetzt sei alles fertig.<br />
Aufgrund dieser These beschäftigte sich die Gruppe<br />
PLANUNG unter dem Stichwort «Von der Planung<br />
zurRealisierung» mit den Möglichkeiten und Chancen<br />
der Entstehung des geplanten <strong>Stadt</strong>teils.<br />
1.2.2 Das soziale Umfeld<br />
Zur nachhaltigen <strong>Stadt</strong>entwicklung gehören einerseits<br />
der schonende Umgang mit knappen Ressourcen<br />
wie· Boden, Wasser, Luft, Energieträgern und<br />
Baustoffen, aber auch die Berücksichtigung der<br />
Bedürfnisse der Menschen. Diese Bedürfnisse bilden<br />
u.a. die soziale Nachhaltigkeit, die Best<strong>and</strong>teil einer<br />
soll, die Erwartungen, Hoffnungen und Ängste, die<br />
das ZZN bei den AnwohnerInnen auslöst, müssen<br />
schon bei der Planung berücksichtigt werden.<br />
1.2.3 St<strong>and</strong>ortqllalitiit<br />
Aus ökonomischer Perspektive müssen die Rahmenbedingungen<br />
für eine Nutzung <strong>im</strong> ZZN charakterisiert<br />
und untersucht werden. Zudem muss abgeklärt<br />
werden, wie attraktiv der St<strong>and</strong>ort für künftige<br />
NutzerInnen und Investorlnnen ist.<br />
Einerseits galt es, die aktuelle und zukünftige<br />
Nachfrage nach Nutzfläche sowie die Investitionsbereitschaft<br />
auf dem Immobilienmarkt zu erheben,<br />
<strong>and</strong>ererseits war es wichtig, in Zeiten verschärfter<br />
St<strong>and</strong>ortkonkurrenz . die spezifischen Vor- und Nach-<br />
.<br />
teile des ZZN gegenüber Konkurrenzarealen herauszuschälen.<br />
Schwerpunkt der Betrachtungen bildete .<br />
dabei der Grossraum Zürich (für internationale<br />
St<strong>and</strong>ortkonkurrenz vgl. z.B. Rossi, 1995).<br />
Da für $t<strong>and</strong>ortentscheide die Bedeutung weicher<br />
St<strong>and</strong>ortfaktoren zun<strong>im</strong>mt (Grabow et al.,1994), war<br />
deren Qualität <strong>im</strong> ZZN festzustellen, insbesondere<br />
auch um abzuschätzen, ob die angestrebte <strong>Zentrum</strong>sfunktion<br />
mit belebter Mischnutzung angemessen<br />
und realisierbar ist.<br />
.<br />
,I<br />
l<br />
jeden Planung sein sollte (vgl. Arend, 1993). So<br />
bringt z.B. eine hohe Frequenz des Mieterwechsels<br />
grosse Mengen an Gütertransporten mit sich; Mit<br />
einer kurzen Verweilzeit der Menschen sinkt auch<br />
die soziale Kontrolle sowie die für einen verantwortungsvollen<br />
Umgang mit der Umgebung notwendige<br />
Verbundenheit.<br />
Im ZZN wohnt heute noch niem<strong>and</strong>, es fehlt also<br />
eine ansässige Quartierbevölkerung, die ihre Anliegen<br />
in die Planung einbringen könnte. Das ZZN<br />
entsteht aber auch nicht auf einer Insel, sondern in<br />
einem bereits vielfältigen, lebendigen Umfeld. Es<br />
soll sich in dieses einpassen, mit diesem «kommunizieren».<br />
Das ZZN ist vom Umfeld abhängig und übt<br />
seinerseits einen grossen Einfluss auf dieses aus. Die<br />
sozialen Strukturen, in.die sich das ZZN einpassen<br />
1.2.4 Nachhaltigkeirsindikatoren<br />
Angeregt durch die Arbeit des <strong>ETH</strong>-Wohnforums,<br />
das sich seit einiger Zeit mit dem Problem der<br />
Operationalisierung von Nachhaltigkeit ausein<strong>and</strong>ersetzt<br />
(Henz, 1996), setzte sich die Teilprojektgruppe<br />
Nachhaltigkeitsindikatoren zum Ziel, ein<br />
Instrumentarium bereitzustellen, mit dem die Entwicklung<br />
<strong>im</strong> <strong>Stadt</strong>teil ZZN vom St<strong>and</strong>punkt des<br />
Nachhal~igkeitsprinzipsaus überprüft werden kann.<br />
Dabei st<strong>and</strong> das Teilprojekt vor dem Problem, Nachhaltigkeit<br />
als dynamisches Problem der «Aufrechterhaltbarkeit»<br />
(vgl. Scholz etal., 1996), mit Indikatoren<br />
aus einer statischen Sicht zu bearbeiten..<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
103
<strong>Stadt</strong>entwicklung ~ __:_---'---------_---~--<br />
1.2.5 Zukunfrsperspektiven 2. Vorgehen und Methoden<br />
Städte sind dynamische Systeme. Bei der Planung<br />
von Städten und <strong>Stadt</strong>teilen ist es deshalb wichtig,<br />
dass den dynamischen und exogenen Aspekten Rechnung<br />
getragen wird, d.h. man sollte sich eine Vorstellung<br />
darüber machen, wie sich ein betrachtetes<br />
System in seinem Umfeld entwickeln könnte.<br />
Ein Blick in die Zukunft ist auch bei der UNS<br />
Fallstudie 1996 «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» angebracht.<br />
Allerdings macht es wenig Sinn, den geplanten<br />
<strong>Stadt</strong>teil isoliert zu betrachten: es muss der Grossraum<br />
Zürich beachtet werden, dessen Entwicklung<br />
jene des ZZN massgeblich beeinflusst.<br />
1.2.6 Entwicklungsvarianten ZZN<br />
Um die mittelfristigen Entwicklungen des ZZN<br />
abschät~en zu können, mussten zusätzlich konkrete<br />
Vorstellungen erarbeitet werden, wie das Areal in<br />
15 Jahren aussehen könnte, welche Tendenzen<br />
gemäss oder entgegen den Zielen des Leitbildes<br />
<strong>im</strong> ZZN ihre Auswirkungen zeitigen können. Weder<br />
für .die Frage nach einer nachhaltigep Entwicklung<br />
noch für die Beurteilung einer zukünftigen <strong>Zentrum</strong>sfunktion<br />
des ZZN war die von Entwicklungsleitbild<br />
und Sonderbauvorschriften sowie von den<br />
ModeIIbildern der verschiedenen Realisierungsetappen<br />
genährte Vorstellung detailliert genug.<br />
Verschiedene Wunschvorstellungen und Befürchtungen<br />
über die Zukunft des ZZN wurden aufgegriffen:<br />
von den ansässigen Firmen, der <strong>Stadt</strong>verwaltung,<br />
dem Sozialdepartement, dem Verein zürijüjzg!<br />
und den Teilprojekten. Die Chancen für die Realisierung<br />
des EntwicklungsIeitbildes sollten ebenso<br />
wie dessen Schwachstellen sichtbar gemacht werden.<br />
Der methodische Zugang der Synthesegruppe<br />
STADTENTWICKLUNG war mehrd<strong>im</strong>ensional. Es erfolgte<br />
eine Triangulation verschiedener sozialwissenschaftlicher<br />
Zugänge und eine Wissensintegration von<br />
Erfahrungs- und Wissenschaftswissen (Scholz &<br />
Tietje, 1996): direkte, sinnliche Erfahrungen (teilnehmende<br />
Beobachtung), Dokumentenanalyse, Sekundäranalyse<br />
statistischer Daten und verschiedene<br />
Techniken der Befragung (Experteninterviews, halbund<br />
vollst<strong>and</strong>ardisierte Befragungen). Für die Synthese<br />
wurde die Methode der formativen Szenarioanalyse<br />
(Götze, 1993; Missler-Behr, 1993; Scholz et<br />
al., 1995; Scholz et al., 1996; vgl. auch Kap. FORMATIVE<br />
SZENARIOANALYSE) angew<strong>and</strong>t. Im folgenden sollen<br />
die eingesetzten Verfahren und deren Anwendung<br />
<strong>im</strong> zeitlichen Ablauf der Fallstudie (4 Wochen Synthesephase<br />
I, 5 Wochen Teilprojektphase, 4 Wochen<br />
Synthesephase 11,· vgl. Kap. ORGANISATION) beschrieben<br />
werden. Begleitet wurde der ganze Prozess<br />
durch laufende Kontakte mit den verschiedensten<br />
Akteuren vor Ort und die dauernde Betreuung durch<br />
mehrere, sowohl mit dem Gebiet Zürich <strong>Nord</strong> wie<br />
mit dem Thema <strong>Stadt</strong>entwicklung langjährig vertraute<br />
Fachtutorlnnen(vgl. Kap. ORGANISATION).<br />
2.1 Synthesephase I<br />
Die erste Synthesephase führte an das Thema<br />
<strong>Stadt</strong>entwicklung heran und machte mit den wichtigsten<br />
Grundlagen relevanter Forschungsrichtungen<br />
(<strong>Stadt</strong>geogr~phie, Regionalökonomie, Nachhaltigkeit,<br />
etc.) bekannt. Dadurch wurden die Voraussetzungen<br />
geschaffen, damit die Fragestellungen<br />
erarbeitet und die Wahl der Teilprojekte vorgenommen<br />
werden konnten. Um einen ersten, sinnlichen<br />
Zugang zum Gebiet und zum Thema zu erhalten,<br />
wurde das Gebiet Zürich <strong>Nord</strong> (mit dem Fahrrad)<br />
«erfahren», es wurde eine·<strong>Stadt</strong>safari (Schmid &<br />
Wolff, 1996) durchgeführt. Ergänzend wurde in<br />
Gruppendiskussionen (Klein- und Grossgruppen)<br />
mit verschiedenen Techniken zur Generierung und<br />
Strukturierung von Ideen (Mind-Maps, Brainstorm- .<br />
ing, Strukturlegetechnik: Bortz & Doering, 1995)<br />
gearbeitet. Für das Literaturstudium st<strong>and</strong>en vorbereitete<br />
«Reader» zur Verfügung (ausgesucht und<br />
zusammengestellt von FachexpertInnen und TutorInnen,<br />
bestehend aus vier Teilen aje ca. 100 Seiten<br />
zu den Themen Nachhaltigkeit, <strong>Stadt</strong>entwicklung,<br />
Ökonomie und <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> (vgl. Berwert et<br />
al., 1996)). Diese Texte wurden gelesen, zusammengefasst<br />
und· bearbeitet. Bei der Bearbeitupg der<br />
Literatur wurde u.a. geklärt, welches die Bezüge der<br />
Texte zum Fall ZZN sind und welche konkreten<br />
104<br />
UNS-Fallstudie '96
__________________________~--__:_--------<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
Abb. 2.1 Mind-Mflp zum Thema «<strong>Stadt</strong>» (Bild: Michael Meier).<br />
Fragestellungen sich daraus ableiten lassen. Zum<br />
Schluss der ersten Synthesephase wurden die konkreten<br />
Fragestellungen in einem gemeinsamen,<br />
moderierten Gruppenprozess (vgl. Scholz & Tietje,<br />
1996) erarbeitet, die verschiedenen Teilprojekte<br />
formuliert, die einzusetzenden Methoden festgelegt<br />
und das weitere Vorgehen <strong>im</strong> Detail geplant.<br />
2.2 Teilprojektphase<br />
In der Teilprojektphase erfolgte die Analyse des Ist<br />
Zust<strong>and</strong>s und gleichzeitig wurden die Grundlagen<br />
für die darauffolgende Synthese bereitgestellt. Jedes<br />
Teilprojekt lieferte einerseits einen vollständigen<br />
Schlussbericht mit Fragestellung, Methoden, Resultaten<br />
und <strong>and</strong>ererseits ein Thesenpapier zu möglichen<br />
(wünschbaren und nicht wünschbaren) Zukunftszuständen<br />
für das ZZN aus der Sicht ihres<br />
Schwerpunktes.<br />
Das Teilprojekt SOZIALES UMFELD arbeitete mit<br />
.zwei Methoden: Sekundiiranalyse statistischer Daten<br />
(Jahrbücher der <strong>Stadt</strong> und des Kantons Zürich) und<br />
Befragungen. Für die Befragungen wurden zwei<br />
halbst<strong>and</strong>ardisierte Fragebogen für MeinungstriigerInnen<br />
und für AnwohnerInnen eingesetzt. Die Auswahl<br />
der Gesprächspartnerlnnen erfolgte «bewusst»<br />
(Friedrichs, 1990) und sollte ein möglichst breites<br />
Spektrum der Bevölkerung abdecken. Fünf Anwohnergespriiche<br />
erfolgten mit zwei Männern (22 und<br />
66 Jahre) und drei Frauen (39, 56 und 70 Jahre)<br />
aus Affoltern, Seebach und Unterstrass. Die neun<br />
MeinungstrilgerInnen waren Vertreter vom Gemeinschaftszentrum,<br />
vom Mütterzentrum, vom Eltern-<br />
verein, von den Naturfreunden, vom<br />
Quartierverein, aktive BewohnerInnen<br />
einer Siedlung, VertreterInnen von der<br />
katholischen und reformierten Kirchgemeinde<br />
und dem Jugendsekretariat<br />
des Sozialdepartementes der <strong>Stadt</strong>. Aufgrund<br />
der Art der Stichprobenziehung<br />
lassen sich keine Schlüsse auf die Grundg~samtheitaller<br />
AnwohnerInnen ziehen.<br />
Es wurden dagegen Alltagstheorien (vgl.<br />
Meyrat-Schlee, 1993) <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit dem Projekt ZZN ermittelt und<br />
Trends aufgespürt. Die Befragung ist<br />
somit als explorativ und deskriptiv zu<br />
verstehen.<br />
Das Teilprojekt STANDORTQUALITÄT erarbeitete<br />
sich zuerst mit Hilfe von LiteratUr<br />
einen Überblick über die Bedeutung<br />
der verschiedenen St<strong>and</strong>oi:tfaktoren<br />
und die St<strong>and</strong>ortsituation in der Schweiz<br />
und insbesondere des Wirtschaftsraumes<br />
Zürich. Hinzu kamen leitJadengestützte Expertengespriiche<br />
(Lamnek, 1993) mit ExpertInnen und<br />
GrundeigentümerInnen. Sechs PersoQen wurden dazu<br />
interviewt: ein ortskundiger Wirtschaftsgeograph,<br />
eine Immobilien- und Promotionsexpertin, ein Professor<br />
für Regionalökonomie und zwei VertreterInnen<br />
der Grundeigentümerschaft. Als letztes wurden<br />
vollst<strong>and</strong>ardisierte Fragebogen (Friedrichs, 1990) an<br />
total 14 potentielle NutzerInnen und Investorlnnen<br />
für das ZZN verschickt. Der Rücklauf war mit sechs<br />
(eine Beantwo~tung erfolgte mündlich am Telefon)<br />
knapp zufriedenstellend. Die Befragung kann somit<br />
nur Tendenzen und erste Hinweise liefern, erhebt<br />
aber keinen Anspruch auf Repräsentativität.<br />
Das Teilprojekt PLANUNG analysierte vorliegende<br />
Dokumente (Dokumentenanalyse diverser Leitbilder,<br />
Zeitungsartikel, Entwurf Sonderbauvorschriften,<br />
etc.) und führte fünf Expertengespriiche mit dem<br />
<strong>Stadt</strong>planungsamt, Grundeigentümerlnnen, PlanerInnen<br />
und VertreterInnen des Vereins zürifüfzgl.<br />
Das Teilprojekt NACHHALTIGKElTSINDIKATOREN basierte<br />
seine Arbeit ebenfalls .auf einem Literaturstudium<br />
und einer Dokumentenanalyse (u.a. Arend,<br />
1993; Europäisches Komitee zukunftsfähiger Städte<br />
und Gemeinden, 1994; Henz, 1996; IDARio, 1995;<br />
Kastenholz et al., 1996; Minsch, 1993; Morris, 1995;<br />
Ninck, 1994; Pinter, 1995; Thierstein & Walser,<br />
1996). Im folgenden wurde in verschiedenen und<br />
wechselseitigen Phasen von Einzelarbeit und Gruppendiskussionen<br />
Indikatoren gesammelt, in verschiedene<br />
Themenbereiche/D<strong>im</strong>ensionen zusammengefasst<br />
und aufein<strong>and</strong>er abgest<strong>im</strong>mt (vgl. Kap.<br />
NACHHALTIGKElT).<br />
Die formative Szenarioanalyse (Scholz & Tietje<br />
1996; vgl. Kap. FORMATIVE SZENARIOANALYSE) bildete<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
105
<strong>Stadt</strong>entwicklung ~ _<br />
den Rahmen für die Arbeit der Teilprojektgruppe<br />
ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN. Die Best<strong>im</strong>mung der Einflussfaktoren<br />
erfolgte dabei in drei Stufen: in einem ersten<br />
Schritt wurden eine grosse Anzahl relevanter Faktoren<br />
aus der Literatur gesammelt, die dann <strong>im</strong><br />
zweiten Schritt durch Zusammenfassungen reduziert<br />
wurden. Der dritte Schritt bildete die exakte Definition<br />
der einzelnen Faktoren.<br />
Die Einflussmatrix wurde zuerst einze'ln ausgefüllt,<br />
anschliessend wurde in der Gruppe diskutiert und<br />
eine gemeinsame Entscheidung getroffen. Die Reduktion<br />
der Einflussfaktoren für die Konsistenzanalyse<br />
stützte sich auf folgende zwei Kriterien: aktive Faktoren<br />
(wenig beeinflussbare Grössen, welche einen<br />
starken Einfluss auf <strong>and</strong>ere Grössen ausüben) wurden<br />
passiven Faktoren (Grössen, welche durch <strong>and</strong>ere<br />
Einflussgrössen beeinflusst werden,· ohne selbst<br />
einen starken ,Einfluss auszuüben) vorgezogen. In<br />
jedem der Bereiche Wirtschaft, Gesellschaft, Staat und<br />
Politik sowie Umwelt sollten zwei bis drei Faktoren<br />
belassen werden, von denen angenommen, wurde,<br />
dass sie den Bereich möglichst umfassend repräsentieren.<br />
Faktoren, welche in <strong>and</strong>eren Synthesegruppen<br />
eine entscheidende Rolle spielen, wurden gestrichen,<br />
um Überschneidungen zu vermeiden. Falls<br />
möglich, wurden mehrere Faktoren unter einem<br />
Überbegriff zusammengefasst. Für jeden Einflussfaktor<br />
wurden mindestens zwei, möglichst gegensätzliche,<br />
Ausprägungen erarbeitet. Die Best<strong>im</strong>mung<br />
der gegenseitigen Beeinflussung der Ausprägungen<br />
in der Konsistenzmatrix wurde wiederum zuerst<br />
einzeln ausgeführt und dann in einer Gruppendiskussion<br />
aufein<strong>and</strong>er abgest<strong>im</strong>mt. Die Summe<br />
aller möglichen Verknüpfungen der Ausprägungen<br />
ergab 4096 Kombinationen, d.h. Szenarien. In einer<br />
computergestützten Konsistenzanalyse waren davon<br />
aber lediglich 120 konsistent, d.h. widerspruchsfreL<br />
Parallel zur formativen Szenarioanalyse wurden<br />
vier unterschiedliche Zukunftsbilder (Leitbilder) intuitiv<br />
erarbeitet: ein möglichst positives mithoher,<br />
ein negatives mit tiefer Lebensqualität, eines mit<br />
einem extrem polarisierten Arbeitsmarkt und ein<br />
letztes mit wirtschaftlicher Stagnation. Für jedes<br />
dieser Zukunftsbilder.wurde nun das Szenario ausgewählt,<br />
welches der Beschreibung entsprach und<br />
gleichzeitig eine möglichst hohe Konsistenz aufwies.<br />
ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN) und den TutorInnen, die<br />
zusammen an der eigentlichen Synthese arbeiteten.<br />
Alle <strong>and</strong>eren vervollständigten die Arbeit an den<br />
Teilprojekten, belieferten die Kerngruppe mit ihren<br />
Ergebnissen in Form von Daten und Thesen und<br />
erstellten schliesslich die Schlussberichte.<br />
Grundlage der Arbeit der Kerngruppe bildeten die<br />
Thesenpapiere zu wünschbaren Zukunftsentwicklungen<br />
lind die era~beiteten Szenarien für den Grossraum<br />
Zürich. Daraus galt es, konkrete Entwicklungsvarianten<br />
für das ZZN abzuleiten. Dazu wurde eine stark<br />
strukturierte und moderierte Gruppendiskussion<br />
durchgeführt (Synthese-Moderation, vgl. Scholz.&<br />
Tietje, 1996). In einem ersten Schritt wurde geklärt,<br />
welche Parameter zur Beschreibung der Varianten<br />
relevant sind. Analog zum Vorgehen bei der Szenarioanalyse<br />
wurd,en wiederum möglichst viele Parameter<br />
gesammelt, die Liste durch Zusammenfassen<br />
. ähnlicher und Streichen unwesentlicher Parameter<br />
reduziert, und schliesslich wurden alle Parameter<br />
sauber definiert. Die Parameter bildeten als Zeilen<br />
zusammen mit den zu erarbeitenden Varianten (je<br />
eine Spalte für die vier Rahmenbedingungsszenarien)<br />
die sog. Variantenmatrix (vgI. Kap. 4 SZENARIEN<br />
UND ZUKÜNFTIGE ENTWICKLUNGEN). Jede Zeile wurde<br />
einzeln ausdiskutiert, wobei die Varianten bezüglich<br />
des Parameters zumindest in eine Rangreihenfolge<br />
gebracht werden mussten (z.B. Variante 1 hat den<br />
grössten Anteil an öffentlichem Verkehr, Variante 2<br />
den kleinsten). Grundlage bei diesem WertuIigsprozess<br />
bildeten einerseits die Rahmenbedingungen<br />
der Szenarien und <strong>and</strong>erseits das Wissen aus den<br />
Teilprojekten und der beteiligten ExpertInnen. In<br />
einem parallel zur Diskussion erstellten Protokoll<br />
wurden Begründungen für die Bewertungen erfasst.<br />
Damit kann die Nachvollziehbarkeit.und der Einbezug<br />
des Wissen aus den verschiedenen Teilprojekten<br />
überprüft werden. Die so erstellten Entwicklungsvarianten<br />
wurden zum Schluss in einem zweiten<br />
Durchgang auf interne Konsistenz geprüft und sprachlich<br />
ausformuliert.<br />
2.3 Synthesephase 11<br />
Inder zweiten Synthesephase wurden die Resultate<br />
der einzelnen Teilprojekte zusammengetragen und<br />
Folgerungen gezogen. Dazu wurde die folgende<br />
Organisationsform gewählt: Es bildete sich eine<br />
Kerngruppe, 'bestehend aus je einer Person der<br />
einzelnen Teilprojekte (zwei aus dem Teilprojekt<br />
106<br />
UNS-Fallstudie '96
______-,-<br />
3. Analyse Ist-Zust<strong>and</strong><br />
3.1 Zum PlaDuDgsprozess des ZZN<br />
3.1.1 Aktueller St<strong>and</strong> der Planung<br />
Enger Spielraum far Gebäudegestaltung<br />
<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
Das Bauen <strong>im</strong> ZZN wird durch die Sonderbauvorschriften<br />
(SBV, <strong>Stadt</strong> Zürich, 1994) bzw. das Entwicklungsleitbild<br />
(Ruoss & Siress, 1994) geregelt(vgl. Kap.<br />
DER FALL). Für jedes Baufeld sind Bau- und Nutzungsvors.chriften<br />
(Art. 5-22 SBV) gegeben, nämlich<br />
Industrie- und Gewerbeanteil bzw. min<strong>im</strong>aler<br />
Wohnanteil, max<strong>im</strong>al anrechenbare Geschossfläche,<br />
min<strong>im</strong>ale Freiflächenziffer, max<strong>im</strong>ale Bauhähe und<br />
Baubegrenzungslinien. Die Sonderbauvorschriften<br />
enthalten Vorschriften für die Gestaltung der Bauten<br />
(z.B. sind Flachdächer resp. Pultdächer vorgeschrieben).<br />
Zur Gestaltung von Bauten, Anlagen und Umschwung<br />
schreiben die Vorschriften das Erreichen<br />
einer guten Gesamtwirkung vor (vgl. Kap. GEBÄUDE).<br />
In Art. 4 wird das Entwickh.ingsleitbild als Richtlinie<br />
verbindlich erklärt, und es. wird unter <strong>and</strong>erem die<br />
Baustruktur gemäss dem Bebauungskonzept als<br />
massgeblich bezeichnet. Letztere sind vorgegeben,<br />
Abb. 3.1.1 Houptnutzungen gemiiss Sonderbouvorscltriften undEinteilungder Teilgebiete (veriindert nom ABB, 1996).<br />
UNS-Fallstudie '96 107
<strong>Stadt</strong>entwicklung -'- -------:--_~ _<br />
so sind z.B. die Mä<strong>and</strong>er- oder Blockr<strong>and</strong>strukturen<br />
beizubehalten. Dies ist für gewisse Nutzungen hinderlich.<br />
Die Festlegung der Gebäudegestaltung durch die<br />
. Sonderbauvorschriften und die dazugehörenden Pläne<br />
stellt somit ein Problem dar.<br />
flächelfmässiger Lalfdabtaflsch geregelt<br />
Die Verh<strong>and</strong>lungen um die Sonderbauvorschriften<br />
sowie um einen an die Sonderbauvorschriften gebundenen<br />
Rahmenvertrag über die neuen Grundeigentumsverhältnisse<br />
und ü~er die Infrastruktur-Kostenteilung<br />
zwischen den Behörden der <strong>Stadt</strong> Zürich und<br />
den GrundeigentümerInhen sind noch nicht vollständig<br />
abgeschlossen. Das Abtreten von Freiflächen<br />
an die <strong>Stadt</strong> bedingt auch einen L<strong>and</strong>abtausch zwischen<br />
den GrundeigentümerInnen selbst, da sonst<br />
die Eigentumsverluste nicht auf allen beteiligten<br />
GrundeigentümerInnen gleich stark lasten würden.<br />
Der flächenmiissige L<strong>and</strong>abtausch und das Abtreten der<br />
Freiflächen sind weitgehend geregelt, aber die entsprechenden<br />
Verträge noch nicht unterschrieben (Beck, 1996;<br />
He<strong>im</strong>, 1996; Roth, 1996).<br />
Kostelfübernahme bei Altlastelfbereilfigflng fllfd<br />
Verkehrserschliessflng fllfgeklärt<br />
Anlass zu Uneinigkeiten bieten folgende Fragen.<br />
Die L<strong>and</strong>abtretungen an die <strong>Stadt</strong> müssen laut<br />
Sonderbauvorschriften altlastenbereinigt sein (vgI.<br />
Kap. ALTLASTEN). Die Begrünung übern<strong>im</strong>mt die<br />
<strong>Stadt</strong> Zürich selber (He<strong>im</strong>, 1996). Laut Art. 24 der<br />
Sonderbauvorschrifteri muss die Erstellung der<br />
Verkehrsanlagen, welche danach in das Eigentum<br />
der <strong>Stadt</strong> übergehen, auf Kosten der beteiligten<br />
EigentümerInnen erfolgen. Wann welche Erschliessung<br />
zu realisieren ist, wird durch ein Etappierungskonzept<br />
festgelegt, welches von der <strong>Stadt</strong> und den<br />
GrundeigentümerInnen ausgearbeitet wurde und<br />
einerseits <strong>im</strong> Anhang der Sonderbauvorschriften,<br />
<strong>and</strong>ererseits <strong>im</strong> Rahmenvertrag geregelt ist (He<strong>im</strong>,<br />
1996). Die eben genannten Bedingungen der <strong>Stadt</strong><br />
an die GrundeigentümerInnen werfen aus unserer<br />
Sicht einige ZuständigkeitsprobIeme - vor allem<br />
finanzieller Art - auf. Im Rahmen der Fallstudie<br />
hatten wir den Eindruck, dass bis heute nicht ganz<br />
geklärt ist, wer welche Kosten und Arbeiten übernehmen<br />
wird. Dies muss noch unter den GrundeigentümerInnen<br />
ausgeh<strong>and</strong>elt und in elf bilateralen<br />
Verträgen festgeha:Iten werden (Beck, 1996; Roth,<br />
1996).<br />
Mischnfltzflng lokal sichern<br />
Dass die Sonderbauvorschriften und der Rahmenvertrag,<br />
welche von den PlanungspartnerInnen als<br />
zusammengehöriges Paket verst<strong>and</strong>en werden, noch<br />
nicht unterschriftsreif sind, liegt aber nicht alleine<br />
bei den noch offenen Fragen <strong>im</strong> Rahmenvertrag.<br />
Auch der En.twurf der Sonderbauvorschriften aus<br />
dem Jahre 1994 hat Änderungen erfahren und wird<br />
weiter diskutiert (He<strong>im</strong>, 1996). So wünschte zum<br />
Beispiel die ABB neue Best<strong>im</strong>mungen für einige<br />
Bauflächen <strong>im</strong> Teilgebiet D. Sie forderte mehr Flexibilität,<br />
da ihrer Meinung nach gerade für Dienstleistungen<br />
<strong>im</strong> grossen Rahmen die Blockr<strong>and</strong>bebauungen<br />
des Leitbildes nicht geeignet und die<br />
Auflagen in den Sonderbauvorschriften zu einschränkend<br />
sind (Beck, 1996). Obwohl der Entwurf der<br />
Sonderbauvorschriften <strong>im</strong> Art. 4 Abs. 3 ein Abweichen<br />
vom Entwicklungsleitbild zulässt, möchte die<br />
Grundeigentümerin ABB ihre Abweichungen bereits<br />
in den Sonderbauvorschriften festlegen. Die GrundeigentümerInnen<br />
wollten mögliche AbweiChungen<br />
von derbereits festgelegten Struktur und Anordnung<br />
der Bauten in einer Liste von Beispielen in die<br />
Sonderbauvorschriften aufnehmen. So könnten langwierige<br />
Ausnahmebewilligungsverfahren (siehe Kap.<br />
3.1.2 SPIELRAUM DER PLANUNG) umgangen werden.<br />
Die <strong>Stadt</strong> erachtet dies aber nicht als notwendig,<br />
denn sie vertritt die Meinung, dass die Sonderbauvorschriften<br />
flexibel genug sind (He<strong>im</strong>, 1996). Um<br />
eine grössere Realisierungsflexibilität der Wohnanteile<br />
zu erreichen, sind die Baufeiderfestlegungen<br />
wieder verändert worden. Im Baufeld 0 wurden aus<br />
ursprünglich sechs Baufeldern deren zwölf. Vorgeschlagen<br />
'hat diese Änderung die <strong>Stadt</strong> (Bauamt II).<br />
Die Mischnutzung in einem Baufeldwurde dabei mehrheitlich<br />
abgelöst durch nutzungsmässig klar zugeteilte kleinere<br />
Baufelder. Mit dieser Auftrennung wirddie Verpflichtung,<br />
Gewerbe- und Wohnräume gleichzeitig zu realisieren, in<br />
gewisser Weise aufgehoben. Ausunserer Sicht wird damit<br />
Sinn und Geist der Abmachungen verletzt. Diese Auftrennung<br />
birgt eine gewisse Gefahr für das gewünschte<br />
Mischkonzept, da je nach Konjunkturlage das Baufeld D<br />
nurteilweise bebaut werden könnte.<br />
Beschlefllfigter Ablaflt attraktiv für Ilfvestorlnnen<br />
Für die aktivsten GrundeigentümerInnen ABB und<br />
Oerlikon-Bührle ist die heutige Situation mit der<br />
verzögerten Inkraftsetzung der Sonderbauvorschriften<br />
unbefriedigend (Beck, 1996). Sie müssen nach geeigneten<br />
L<strong>and</strong>käuferInnen und InvestorInnen suchen,<br />
obwohl die rechtlichen Grundlagen· noch nicht<br />
gesichert sind. Die InteressentInnen wollen sich<br />
deshalb verständlicherweise noch nicht definitiv verpflichten,<br />
weshalb von Seiten der EigentümerInnen<br />
noch nichts über konkrete Projekte (mit Ausnahme<br />
des «Toro h) veröffentlicht worden ist (vgI. Kap.<br />
GEBÄUDE). Die heutigen GrundeigentümerInnen<br />
mussten und müssen hingegen erhebliche Vor-<br />
108<br />
UNS-Fallstudie '96
___________________________________---'__<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
investitionen tätigen (Beck, 1996). Es liegt also <strong>im</strong><br />
Interesse der GrundeigentümerInnen, das Projekt<br />
voranzutreiben und eine baldige Einigung mit der<br />
<strong>Stadt</strong> zu erzielen. Weiter möchten die GrundeigentümerInnen<br />
ihre Interessen möglichst gut in den<br />
Sonderbauvorschriften und den Verträgen abgesichert<br />
haben, damit die bis dann gefundenen InvestorInnen<br />
oder L<strong>and</strong>käuferInnen umgehend mit der<br />
Real~sierungihrer Pläne beginnen können. Konkret<br />
geplant ist bis zum heutigen Zeitpunkt nur der<br />
Werkhof der <strong>Stadt</strong> (He<strong>im</strong>, 1996). Im Entwicklungsleitbild<br />
ist zwar auch die Erstellung einer Volksschule<br />
geplant, doch die Realisierung ist heute noch<br />
nicht absehbar und von der Finanzlage der <strong>Stadt</strong> und<br />
des Kantons Zürich abhängig. In Vorbereitung sind<br />
jedoch eine ganze Reihe privater Projekte.<br />
Austritt verschiedener Grundeigenti<strong>im</strong>erlnnen<br />
aus dem Projekt<br />
Die SBB traten sehr früh schon aus dem Projekt aus,<br />
<strong>and</strong>ere GrundeigentümerInnen sind nicht mehr so<br />
aktiv wie zu Beginn. Bei allfälligen H<strong>and</strong>änderungen<br />
gelten für nachfolgende GrundeigentümerInnen<br />
die zu diesem Zeitpunkt gültigen (Sonder-)Bauvorschriften<br />
(He<strong>im</strong>, 1996).<br />
Mit einem Abschluss des Gesamtvertragswerks<br />
und der definitiven Sonderbauvorschriften wird<br />
nicht vor April 1997 gerechnet. Sind die Sonderbauvorschriften<br />
einmal ausgeh<strong>and</strong>elt, so müssen sie<br />
vom Gemeinderat der <strong>Stadt</strong> Zürich verabschiedet<br />
und vom Regierungsrat (Exekutive des Kantons)<br />
genehmigt werden. Nach nun bald zehnjähriger<br />
Planungsarbeit erhoffen sich die beteiligten GrundeigentümerInnen<br />
wie auch die <strong>Stadt</strong>, da'ss die Verabschiedung<br />
der Sonderbauv0rschriften ohne grosse<br />
Debatten ablaufen wird (Beck, 1996; He<strong>im</strong>, 1996).<br />
3.1.2 Spielraum der Planung<br />
Die SonderbauvOfschriften bieten die Möglichkeit,<br />
in einem gewissen Rahmen vom Leitbild abzuweichen<br />
(vgl. Art. 4 Abs. 3 des Entwurfs der Sonderbauvorschriften,<br />
<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994):<br />
«Von den massgeblichen Elementen des Entwicklungsleitbildes<br />
darf aus wichtigen Gründen<br />
abgewichen werden, soweit es sich nicht zugleich<br />
um Festlegungen der Sonderbauvorschriften .<br />
h<strong>and</strong>elt. Die baurechtliche Bewilligung solcher<br />
Abweichungen setzt voraus, dass die Baueingabe<br />
mindestens ein ganzes Baufeld erfasst und dass<br />
insgesamt eine zumindest gleichwertige Lösung.<br />
erzielt wird.»<br />
Die städtischen Behörden halten hier ein wichtiges<br />
und in Zukunft vielleicht sehr entscheidendes Werk-<br />
zeug zur Steuerung der Realisierung des ZZN in den<br />
Händen. Ob ein geplantes Projekt, das dem Entwicklungsleitbild<br />
in einigen Punkten widerspricht,<br />
auch realisiert werden kann, liegt in der Kompetenz<br />
des Bauamtes II der <strong>Stadt</strong> Zürich.<br />
Einen bedeutenden Spielraum bietet auch die<br />
Möglichkeit, jedes Baufeld unabhängig von den<br />
<strong>and</strong>eren bebauen zu können.' Vor allem mit der<br />
Auftrennung der ursprünglichen Mischnutzungsbaufelder<br />
<strong>im</strong> Teilgebiet 0 in kleinere Baufelder mit<br />
klar best<strong>im</strong>mter Nutzung wird es möglich sein, z.B.<br />
nur Dienstleistungsgebäude zu erstellen und die<br />
<strong>and</strong>eren Baufelder nicht zu bebauen. Wie und was<br />
<strong>im</strong> Teilgebiet 0 realisiert wird, ist abhängig von der<br />
Konjunktur und der Nachfrage nach den unterschiedlichen<br />
Nutzungen.<br />
Die in den Sonderbauvorschriften festgelegte<br />
Pflicht, mit Baubeginn in einem Baufeld dieses auch<br />
mit Strassen und Leitungen zu erschliessen, fördert<br />
aber das Bebauen anliegender Baufelder und damit<br />
die angestrebte Mischnutzung.<br />
3.1.3 Fazit<br />
Die Sonderbauvorschriften setzen der Realisierung<br />
der Planung einen Rahmen. Die Pläne der Sonderbauvorschriften<br />
geben Bebauungsstruktur und<br />
Nutzungsart detailliert vor. Abweichungen können<br />
nur durch eine Bewilligung der <strong>Stadt</strong> (Bauamt II)<br />
erreicht werden. Die GrundeigentümerInnen versuchen<br />
deshalb noch' vor der Inkraftsetzung der<br />
Sonderbauvorschriften einerseits Änderungen auszuh<strong>and</strong>eln<br />
und <strong>and</strong>ererseits opt<strong>im</strong>alere Voraussetzungen<br />
für schon gefundene bzw. in Aussicht stehende<br />
InvestorInnen in den Plänen festzuhalten. Damit<br />
können die Wünsche der InvestorInnen ohne Ausnahmebewilligungen<br />
erreicht werden. Aus der Sicht<br />
der GrundeigentümerInnen wird die Ausnahmebewilligungspraxis<br />
der <strong>Stadt</strong> von grosser Bedeutung<br />
für die Flexibilität und somit für die zukünftige<br />
Entwicklung des ZZN sein.<br />
Von Seiten der GrundeigentümerInnen bestehen<br />
Bedenken, dass eine restriktive Haltung der <strong>Stadt</strong><br />
bezügiich Ausnahmebewilligungen die Suche nach<br />
InvestorInnen erschweren wird. Das Projekt hängt<br />
sehr stark vom Interesse der InvestorInnen ab. weder<br />
die angestrebte <strong>Zentrum</strong>sfunktion, noch die geplante Mischnutzung<br />
können ohne eine relativ schnelle Umsetzung der<br />
Planung in einem Grossteil des Gebietes erreicht werden.<br />
Diese beiden Ziele stellen aber wiederum einen<br />
wichtigen St<strong>and</strong>ortvorteil des ZZN gegenüber <strong>and</strong>eren<br />
Projekten dar. Es Ist anzunehmen, dass zwar die<br />
Projekte, für die bereits heute potentielle InvestorInnen<br />
vorh<strong>and</strong>en sind, in Einklang mit den Zielen<br />
des Leitbildes realisiert werden, aber für spätere<br />
Projekte die Ziele des Leitbildes wieder verworfen<br />
r-<br />
f<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
109
<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
_<br />
werden und neue Verh<strong>and</strong>lungen über Sonderbauvorschriften<br />
zu Resultaten führen, die dem gegen-.<br />
wärtigen Leitbild ~idersprechen.<br />
Bei verschiedenen Gesprächen mit der <strong>Stadt</strong>, der<br />
ABB, wie auch mit dem zuständigen Planer ergaben<br />
sich unterschiedliche und sehr vage Zukunftsprognosen.<br />
Während die <strong>Stadt</strong> behauptet, grosszügig<br />
Bewilligungen für Abweichungen zu erteilen, und<br />
somit der Realisierung des ZZN mit den jetzigen<br />
Sonderbauvorschriften eine gute Chance gibt, besteht<br />
auf der Seite <strong>and</strong>erer Akteure eine gewisse<br />
Skepsis, ob die Sonderbauvorschriften auch in späterer<br />
Zukunft Best<strong>and</strong> haben werden. Die Asea Brown<br />
Boveri AG als Grundeigentümerin - vertreten durch<br />
die ABB Immobilien AG - scheint sich auf die Realisierung<br />
einzelner Projekte zu konzentrieren, für die<br />
bereits potentielle InvestorInnen vorh<strong>and</strong>en sind.<br />
Dabei drohen längere Zeithorizonte und der Blick<br />
für das Ganze verloren zu gehen.<br />
Im Rahmen der Fallstudie war eine Zusammenarbeit<br />
unter den GrundeigentümerInnen nicht mehr<br />
erkennbar. Dies gilt, abgesehen von Verkehrsfragen<br />
wie z.B. dem Schienenanschluss, auch für die<br />
Zusammenarbeit der ABB mit der Oerlikon-Bührle.<br />
Nach einer intensiven Verh<strong>and</strong>lungsphaseversuchen<br />
die EigentümerInnen nun für ihre Grundstücke<br />
InvestorInnen zu finden, stehen somit in einer<br />
Konkurrenzsituation. Ausserdem werden mit dem<br />
Inkrafttreten der Sonderbauvorschriften wohl auch<br />
die Gespräche zwischen <strong>Stadt</strong> und GrundeigentümerInnen<br />
abgebrochen. Aus unserer Sicht besteht ohne<br />
weitere konstruktive Zusammenarbeit die Gefahr,<br />
dass die gemeinsame Zielverfolgung für das ZZN<br />
ausein<strong>and</strong>erbricht.<br />
Die <strong>Stadt</strong> verliert an Bevölkerung,<br />
die Agglomeration legt zu<br />
. Die Bevölkerung der <strong>Stadt</strong> Zürich hat seit 1962<br />
(Höchstst<strong>and</strong> der Bevölkerungszahl) um ca. 80'000<br />
EinwohnerInnen bzw. 18% abgenommen. Zürich ist<br />
dabei kein Einzelfall; viele Städte des In- und<br />
Ausl<strong>and</strong>es zeigen eine ähnliche Entwicklung (vgl.<br />
a. Friedrichs, 1995).<br />
Innerhalb der <strong>Stadt</strong> wurden die Quartiere vom<br />
Bevölkerungsverlust verschieden stark und auch<br />
zu verschiedenen Zeiten betroffen. Am meisten BewohnerInnen<br />
hat das ZentrÜmsquartier Kreis 1 eingebüsst<br />
(Rückgang um 66% seit 1950 von 17'600 auf<br />
5800 <strong>im</strong> Jahre 1994), wobei diese Entwicklung schon<br />
um die Jahrhundertwende einsetzte. Als nächste<br />
Quartiere folgten Ober- und Unterstrass, die seit den<br />
fünfziger Jahren je ca. einen Drittel der Bevölkerung<br />
verloren haben. In Oerlikon erfolgte die Trendumkehr<br />
in den frühen sechziger Jahren (siehe Abb.<br />
3.2.1.1). Seit 1960machte der Rückgang in Oerlikon<br />
dabei mehr als einen Viertel aus. Auch die <strong>and</strong>eren<br />
Quartiere der Analyse erlebten einen Stillst<strong>and</strong> ihres<br />
Bevölkerungswachstums. Hier erfolgte der Rückgang<br />
(bzw. die Stagnation <strong>im</strong> Falle von Affoltern)<br />
aber erst in den siebziger Jahren und war deutlich<br />
schwächer: <strong>im</strong> Kreis 12 z.B. von 34'300 <strong>im</strong> Jahre 1970<br />
auf 27'500 1994. Auch Agglomerationsgemeinden<br />
wie Opfikon, Wallisellen und Rümlang zeigen bis<br />
in die 70er Jahre einen starken Bevölkerungszuwachs,<br />
nachdem sie bis in die 50er Jahre eigentliche<br />
Bauerndörfer gewesen waren, gefolgt von einer<br />
Stagnation. Opfikon wuchs dabei am stärksten: von·<br />
gut 2600 EinwohnerInnen <strong>im</strong> Jahre 1950 auf über<br />
11 '000 in den neunziger Jahren.<br />
3.2 Das soziale Umfeld des ZZN<br />
Das soziale Umfeld des ZZN wird einerseits<br />
über eine sozioökonomische Analyse der<br />
benachbarten <strong>Stadt</strong>quartiere und Agglomerationsgemeinden.aufgrund<br />
statistischer<br />
Daten untersucht. Andererseits wird ein<br />
St<strong>im</strong>mungsbild der Bevölkerung skizziert.<br />
3.2.1 Sozioökonomische Struktur der<br />
benachbarten <strong>Stadt</strong>quartiere und<br />
Agglomerationsgemeinden<br />
Da <strong>im</strong> ZZN heute noch niem<strong>and</strong> wohnt, also<br />
eine ansässige Quartierbevölkerung fehlt,<br />
werden die benachbarten <strong>Stadt</strong>quartiere<br />
Oerlikon, Affoltern, Seebach, Ober- und<br />
Unterstrass und die Agglomerationsgemeinden<br />
Rümlang, Wallisellen und Opfikon .für<br />
diese Analyse beigezogen.<br />
500<br />
..Ji}- Opflkon<br />
450<br />
...... Affoltem<br />
400<br />
-0- Kreis 12<br />
350<br />
...<br />
..0- Seebach<br />
300 Oerlikon<br />
250 ~ UnIersIrass<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0+---+---1----1----+----1<br />
1950 1960 1970 1980 1990 1994<br />
Abb. 3.2.1.1 Bevölkerongsentwicklung 1950 bis 1994 (1950= 100). Die Abb. illustriert<br />
die Bevölkerongsverlagerong von den zentromsnahen <strong>Stadt</strong>quartieren zu den<br />
<strong>Stadt</strong>r<strong>and</strong>gebieten undden Agglomerationsgemeinden hin.<br />
110<br />
UNS-Fallstudie '96
---,----~--------:----------~--~--___:---------<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
Zusammengenommen deutet dies auf die eine<br />
Bevölkerungsverlagerung innerhalb der Städte zu den<br />
Aussenquartieren, aus den . Städten in die umliegenden<br />
Agglomerationsgemeinden undanschliessend die ländlichen<br />
Gemeinden ausserhalb der Agglomeration hin «
<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
oerlikon Affoltern 5eebach Kreis 12 Ober- Unter- <strong>Stadt</strong> Opfikon Walli- Rümlang<br />
strass strass Zürich seilen<br />
Emwohnerlnnen<br />
(1994) 16'771 18'061 17'642 27'565 10'266 20'477 360'848 11'512 11'151 5'255<br />
Wohnungsbest<strong>and</strong><br />
(1994)<br />
1-2 Zi. 38%<br />
3-4 Zi. 55%<br />
....................................<br />
5 Zi. und mehr 7%<br />
Total 9'031<br />
29%<br />
63%<br />
8%<br />
8'478<br />
35%<br />
59%<br />
5%<br />
8'767<br />
31%<br />
65%<br />
4%<br />
13'387<br />
33% 27% 32% 34% 21% 17%<br />
.~ 19.~.. .. 66% 60% 56% ?~~ ~.6.%.<br />
18% '7% 8% 10% 19% 17%<br />
...........................................................................•...<br />
5'080 10'658 182'013 6'127 5'270 2'439<br />
Arbeitsplätze je<br />
Sektor (1991)<br />
Sekundärer S.<br />
Tertiärer S.<br />
Total<br />
Arbeitsplätze je<br />
Einw. (1991)<br />
Wegpendler (1990)<br />
Total<br />
je Einwohnerln<br />
38% 36% 34% 30% 13% 10% 19% 20% 34% 43%<br />
......... ...... ..... ........... ...... .................. .. ...... ...... .. ....... ........... ................<br />
62% 64% 66% 70% 87% 90% 81% 80% 66% 57%<br />
............. .. .......... .................. ................... ............... .. ......... .............<br />
18'903 3'376 14'659 5'099 4'279 11'913 357'291 10'734 11'716 4'454<br />
1.13 0.18 0.83 0.18 0.41 0.57 0.98 0.90 1.04 0.85<br />
2'612 2'728 3'229 4'420 1'230 2'560 49'481 5'798 4'065 2'174<br />
. ................... .................. ... ........•....... . ...................<br />
0.16 0.15 0.18 0.16 0.12 0.12 0.14 0.49 0.36 0.42<br />
Tab. 3.2.1 Einwohnerzahl, Wohnungsgrosse, Sektorielle Au/teilung der Arbeitsplätze, Anzahl Arbeitsplätze pro Einwohner/n, Wegpendler/nnen (aus der<br />
<strong>Stadt</strong>/Gemeinde) und Wegpendler/nnen pro Einwohner/n. Die Tabelle zeigt einenfliessenden Übergang von einem typischen Wohnquartier (Kreis 12) über<br />
ein Wohnquartier mithöherem AnteilArbeiten (Affoltern), übereiq Arbeitsquartiermithöherem Anteil Wohnen (Seebach) zu einem typischen Arbeitsquartier<br />
(Oerlikon).<br />
diesen: es hat hier zwar auch viele Einpersonenhaushalte<br />
und einen grossen Anteil alter Leute, die<br />
Wohnungen sind aber <strong>im</strong> Durchschnitt eher kleiner.<br />
In Affoltern, Seebachund <strong>im</strong> Kreis 12 wohnen viele<br />
junge Leute, in durchschnittlich grösseren Haushalten,<br />
aber eher kleinen Wohnungen. Wallisellen<br />
und Rümlang haben einen deutlich kleinerenAnteil<br />
an älteren Leuten und die Wohnungen und Haushalte<br />
sind deutlich grösser. Opfikon stellt unter den<br />
Agglomerationsgemeinden insofern einen Sonderfall<br />
dar, als es zwar eine ähnliche Altersstruktur aufweist,<br />
die Wohnungen und vor allem ,die Haushalte aber<br />
kleiner sind.<br />
Quartiere/Gemeinden mit hohem Wohnbzw.<br />
Arbeitsanteil<br />
Oerlikon wuchs früher als die <strong>and</strong>eren Quartiere<br />
und Gemeinden <strong>im</strong> betrac\:.1teten Gebiet (von 7300<br />
<strong>im</strong> Jahre 1920 auf fast 17'000 <strong>im</strong> Jahre 1940 [vgl.<br />
Stat. Amt der <strong>Stadt</strong> Zürich, 1995]). Dies hängt damit<br />
zusammen, dass Oerlikon schon am Ende des<br />
19. Jahrhunderts ein bedeutender Industriest<strong>and</strong>ort<br />
war, der Arbeiter mitsamt Familie anzog (Bollinger,<br />
1983). Auch heute noch ist Oerlikon einQuartier mit<br />
hohem Anteil an Arbeitsplätzen: 1.13 Arbeitsplätze<br />
kommen hier <strong>im</strong> Durchschnitt aufjede Einwohnerln<br />
(vgl. Tab. 3.2.1). Ähnlich hoch ist dieser Quotient<br />
auch noch für Wallisellen (1.04) und die <strong>Stadt</strong> insgesamt<br />
(0.98). Man kann von einemfliessenden Übergang<br />
von einem typischen Wohnquartier(Kreis 12) über ein<br />
Wohnquartier mit höherem Anteil Arbeiten (Affoltern),<br />
über ein Arbeitsquartier mit höherem Anteil Wohnen<br />
(Seebach) zu einem typischen Arbeitsquartier (Oer/ilon)<br />
sprechen. Affriltern und der Kreis 12 sind aufgrund<br />
einer gezieltenWohnbaupolitik in den 40er und'SOer<br />
Jahren aus ehemaligen Dörfern entst<strong>and</strong>en.<br />
Eine hohe Anzahl Arbeitsplätze pro Einwohnerln<br />
bedeutet .aber noch nicht wenig Verkehr. Betrachtet<br />
man als einen Indikator für den Pendlerverkehr die<br />
Anzahl der Wegpeildierlnnen pro Einwohnerln (d.h.<br />
Anteil der Personen, die in einem Quartier bzw. einer<br />
Gemeinde wohnen, aber in einer <strong>and</strong>eren Gemeinde<br />
arbeiten, vgl. Tab. 3.2.1), so zeigt sich, dass dieser,<br />
Anteil in den Agglomerationsgemeinden deutlich<br />
höher liegt. So beträgt der Anteil an WegpendlerInnen<br />
z.B. in Opfikon durchschnittlich 0.49, in Ober~<br />
und Unterstrass 0.12 pro Einwohnerln, Die Agglomerationsgemeinden<br />
sind somit zwar Gemeinden<br />
mit hohem Arbeitsanteil, aber nur zum Teil für<br />
112<br />
UNS-Fallstudie '96
-~~~~~~~~~~~~~~,--~~~~~_~~~~,--~~~~~~~~~~_<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
die dort ansässige Bevölkerung. Das bedeutet, dass<br />
in den meisten Gemeinden und Quartieren zwar<br />
Arbeits- und Wohnplätze vorh<strong>and</strong>en sind und somit<br />
das Pendeln eigentlich nicht nötig wäre. Inwieweit<br />
dabei aber das Arbeitsplatzangebot den Wünschen<br />
und Bedürfnissen bzw. Möglichkeiten der dort<br />
wohnhaften Bevölkerung entspricht, bleibt natürlich<br />
durch diese Aussage ungeklärt.<br />
, Der Anteil des sekundären Sektors (vgI. Tab. 3.2.1) .<br />
ist sowohl in Oerlikon (38%) und Affoltern (36%),<br />
wie auch in WalJisellen (34%) und Rümlang (43%)<br />
relativ hoch. Das Erwerbsleben in Oerlikon ist noch<br />
stark geprägt von den traditionellen Unternehmen,<br />
gegründet in der Zeit der Industrialisierung. Dahingegen<br />
dominiert in Ober- und Unterstrass der tertiäre<br />
Sektor mit 87% bzw. 90%, hier haben sich Betriebe<br />
und Unternehmen <strong>im</strong> Bereich Unterricht und<br />
Forschung angesiedelt (z.B. Universität und <strong>ETH</strong>).<br />
Oerlikon spielte somit schon früh eine Nebenzentrumsfunktion<br />
für Zürich <strong>Nord</strong> (vgI. Kap: DER<br />
FALL). Unter- und Oberstrass sind hingegen noch<br />
eindeutig städtische Quartiere, der Kreis 12, Seebach<br />
und Affoltern <strong>Stadt</strong>r<strong>and</strong>quartiere und WalliseIlen,<br />
Rümlang und Regensdorf Agglomerationsgemeinden.<br />
Im gesamten Grossraum Zürich wird<br />
kreuz und quer gependelt, wobei die S-Bahn den<br />
Rahmen des Gebietes absteckt («postfordistische<br />
urbane Region», vgI. Hitz et aI., 1995).<br />
3.2.2 Wissen und Einstellungen bei der Bevölkerung<br />
der umliegenden Quartiere<br />
Die folgenden Ausführungen basieren a)lf den<br />
Gesprächen mit fünf AnwohnerInnen und neun<br />
MeinungsträgerInnen (vgI. Kap. 2 VORGEHEN UND<br />
M<strong>ETH</strong>ODEN). Sie dienen zur Illustration, wie das<br />
Projekt «ZZN» in den umliegenden Quartieren aufgenommen<br />
worden ist und welche Befürchtungen<br />
und Hoffnungen daran geknüpft werden. Aufgrund<br />
der beschränkten Anzahl der Interviews erheben<br />
diese Aussagen keinen Anspruch auf Repräsentativität<br />
und bleiben explorativ.<br />
Angebot an Informationen genügend, Bevölkerung fühlt<br />
sich aber nicht betroffen<br />
Die meisten der befragten Personen kennen das<br />
Planungsvorhaben nur in groben Zügen. Sie wissen,<br />
dass auf dem heutigen Industrieareal Wohnungen<br />
entstehen sollen. Daneben ist auch bekannt, dass<br />
eine Mischnutzung mit Industrie, Dienstleistungen<br />
und Wohnen geplant ist.<br />
Ein Anwohner. und ein Meinungsträger kamen<br />
beruflich in Kontakt mit dem Projekt. Die <strong>and</strong>ern<br />
. wurden mehrheitlich über die Zeitungen informiert.<br />
Einige der MeinungsträgerInnen hatten die Aus-<br />
stellung der Pläne am Bahnhof Oerlikon besucht,<br />
manche haben auch über Kollegen, Freunde oder<br />
Bekannte Informationen erhalten. Nur zwei der<br />
neun Meinungsträgednnen waren an einer Informationsveranstaltung.<br />
Erstaunlicherweise fühlt sich<br />
die Bevölkerung durch das Projekt nicht stark betroffen.<br />
«Die Zeitungen haben eigentlich genügend über<br />
das Projekt informiert. Die Betroffenheit der<br />
Bevölkerung scheint aber zu fehlen, da es sich<br />
um ein IQdustriegebiet h<strong>and</strong>elt und somit wenig<br />
Auswirkungen auf das alte Quartier hat.»<br />
(Meinungsträger)<br />
Hoffnung auf soziale Durchmischung, Ökologie<br />
und Vereinsräumlichkeiten<br />
Im allgemeinen sehen die Befragten·<strong>im</strong> Projekt eine<br />
Chance,etwas Neues realisieren zu können und gewisse<br />
Dinge wie z.B. Ökologie und soziale Aspekte,<br />
die bis jetzt lläufig vernachlässigt wurden, schon bei<br />
der Planung miteinzubeziehen.<br />
Die MeinungsträgerInnen haben sich über Platzmangel<br />
für Vereine beklagt und hoffen, durch das<br />
ZZNein grösseres Angebot an Räumlichkeiten zu<br />
erhalten.<br />
«Meine Hoffnungen sind, dass es eine soziale<br />
Durchmischung und Freizeitangebote für Kinder<br />
geben wird.» (Anwohnerin, 39)<br />
«Ich hoffe, dass viel Grün eingeplant wird,<br />
erschwingliChe Wohnungen, viele Spielplätze,<br />
autofreie Zonen entstehen werden und allgemein<br />
abwechslungsreich gebaut wird.»<br />
(Anwohnerin, 56)<br />
«Jetzt ist das Gebiet tot, ein Industriefriedhof.<br />
Es wäre schön, wenn es in etwas Lebendiges<br />
umgew<strong>and</strong>elt werden könnte. Grünflächen und<br />
Oemeinschaftsplätze sollten von Anfang an miteinbezogen<br />
werden, so ebenfalls die Kirche,<br />
wenn möglich in einer multikulturellen Form.>~<br />
(Meinungsträger)<br />
«Belebung des Quartiers, eine Vergrösserung des<br />
Angebots <strong>im</strong>kulturellen wie <strong>im</strong> gastronomischen<br />
Bereich und ein grässeres Gemeinschaftszentrum.<br />
Das GZ <strong>im</strong> ZZN ist für uns eigentlich zu<br />
weit weg. Auf jeden Fall ist das Angebot eines<br />
GZ dringend notwendig.» (Meinungsträger).<br />
Mehr Befürchtungen bei den AnwohnerInnen<br />
als bei den Meinungsträgerlnnen<br />
Die meisten der befragten AnwohnerInnen äusserten<br />
Befürchtungen in wirtschaftlicher Hinsicht.
<strong>Stadt</strong>entwicklung ----' _<br />
bezahlt die schönen Ideen? Wird man genügend<br />
Investorlnnen finden? Ist die Nachfrage nach dem<br />
ZZN 'genügend gross?», sind oft geäusserte Fragen.<br />
Ausserdern' wurden häufig Befürchtungen und auch<br />
Ängste <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Verkehr erwähnt.<br />
Die MeinungsträgerInnen 'äusserten dabei<br />
weniger Befürchtungen als die AnwohnerInnen.<br />
«Wir schätzen das Projekt <strong>im</strong> Gesamten sehr<br />
positiv ein, haben jedoch Befürchtungen in<br />
wirtschaftlicher Hinsicht. Wir sehen finanzielle<br />
Probleme, eventuell wird es schwer, Investoren<br />
zu finden.»<br />
(Meinungsträger)<br />
«Der Verkehr macht mir Angst. Ich glaube, dass<br />
die Planer in dieser Beziehung nicht ganz<br />
realistisch sind. Ausserdem sehe ich eine Diskrepanz<br />
in der Schaffung von neuen Parkanlagen<br />
Und dem Verschwinden von Grünflächen, was<br />
durch die Bebauung des Gebietes stattfinden<br />
wird.» (Anwohnerin, 39)<br />
«Man sollte den zusätzlichen Verkehr nicht<br />
durch die Quartiere lassen, d.h~ es ist eine gute<br />
Planung nötig. (...) Ganz allgemein sollte man<br />
stark auf den öffentlichen Verkehr setzen!»<br />
(Meinungsträger)<br />
«Bei uns ist <strong>im</strong> Bereich Verkehr vor allem die<br />
Kombination Verkehr und Kinder ein Thema. Es<br />
sind Ängste <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Binzmühlestrasse<br />
vorh<strong>and</strong>en. Während der Bauzeit<br />
(was länger dauert) werden dort viele LKW<br />
verkehren. Das bedeutet mehr Lärm und mehr<br />
Gefahren für die Kinder.» (Meinungsträger)<br />
Mischnutzung gewünscht<br />
Im grossen und ganzen sahen alle die Mischnutzung<br />
als etwas Sinnvolles. Durch diese' könnte mehr<br />
Leben und Atmosphäre entstehen. Die meisten<br />
empf<strong>and</strong>en die geplante Aufteilung der Nutzungen<br />
als gut. Angst hatten sie in ersterLinie vor den Im~<br />
missionen der dort angesiedelten Industriebetriebe.<br />
Weiter hatten sie den Eindruck, dass der Wohnanteil<br />
grössersein sollte als geplant, eventuell sogar am<br />
meisten Gewicht erhalten sollte.<br />
Alle MeinungsträgerInnen äusserten Zweifel daran,<br />
dass der geplante Anteil der öffentlichen Einrichtungen<br />
ausreicht, um die dringend nötigen sozialen<br />
Dienstleistungen gewährleisten zu können.<br />
«Der Verkehr kÖnnte theoretisch durch die Nähe<br />
des Arbeitsplatzes, der Wohnungen und der<br />
Einkaufsmöglichkeiten reduziert werden. Wenn<br />
die Leute jedoch nicht in der Nähe wohnhaft<br />
sind, so wird der Verkehr zunehmen. Ich sehe<br />
die Durchmischung nicht ganz unproblematisch.<br />
boch denke ich, dass dadurch mehr Atmosphäre<br />
entstehen kann.» (Anwohner, 66)<br />
«Ich finde es eine gute Lösung, wenn die Industriebereiche<br />
nicht zu lärmig und die Emissionen<br />
eingeschränkt sind.» (Anwohnerin, 39)<br />
«Die Zahlen sagen nicht viel aus. Öffentliche<br />
Einrichtungen, oder sogar eher Treffpunkte,<br />
braucht es jedoch eher mehr. Es ist aber nicht<br />
nur die Quantität, sondern auch deren Qualität<br />
entscheidend.»' (Meinungsträger)<br />
«Wir haben den Eindruck, dass der Anteil der<br />
öffentlichen Einrichtungen zu klein ist. Es ist<br />
auffallend, dass in Oerlikon sehr wenig Gemeinschaftsräume,<br />
He<strong>im</strong>e,etc. vorh<strong>and</strong>en sind. Oerlikon<br />
sollte unbedingt mehr Gemeinschaftsräume<br />
haben. Ebenfalls scheint der Anteil der Wohngeschossflächen<br />
<strong>im</strong> Vergleich zum Industrie- und<br />
Dienstleistungsanteil eher zu klein.»<br />
(Meinungsträger)<br />
3.2.3 Fazit<br />
Das Umfeld des ZZN präsentiert sich sehr vielgestaltig,da<br />
zwischen und innerhalb der einzelnen<br />
Quartiere bzw. Gemeinden grosse Unterschiede<br />
bestehen. Die. erfassten statistischen Kennzahlen<br />
sind nur Gesamtwerte der ganzen Quartiere bzw. Gemeinden.<br />
Eine detailliertere Untersuchung müsste<br />
sich auf die direkt angrenzenden Teile der Quartiere<br />
konzentrieren und die Übergänge zwischen dem<br />
ZZN und diesenTeilen genauer ins Auge fassen.<br />
Die sozioökonomischen Brüche lassen sich dabei<br />
nicht an der <strong>Stadt</strong>grenze festmachen, sie verlaufen<br />
vielmehr zwischen den Quartieren (oder sogar innerhalb)<br />
sowie zwischen den einzelnen Agglomerationsgemeinden<br />
(vgI. Hitzet aI., 1995). Dem Projekt ZZN<br />
kommt eine wichtige Funktion an dieser ScharniersteIle<br />
zwischen verschiedenen sozioökonomischen<br />
Strukturen zu: es muss entst<strong>and</strong>ene Lücken schliessen,<br />
und vor allem neue verhindern. Dazu sind<br />
gezielte Massnahmen nötig, die eine soziale Durchmischung<br />
entstehen lassen können, die z.B. die<br />
Ansiedlung von Familien erlauben. Anzustreben ist<br />
daneben eine Nutzungsdurchmischung, die ermöglicht,<br />
dass die <strong>im</strong> ZZN Arbeitenden auch dort wohnen<br />
können. Auffallend ist, dass Oerlikon als Quartier<br />
mit hohem Arbeitsanteilnicht nur aus Industrie<br />
und Gewerbe besteht, sondern jetzt schon einen<br />
Wohnanteil von 33% aufweist (864 ha der gesamten<br />
Bruttogeschossfläche von 2527 ha wurden 1994 für<br />
Wohnen gebraucht, vgI. Stat. Jahrbuch der <strong>Stadt</strong><br />
Zürich, 1995). Dies ist mehr, als <strong>im</strong> ZZNgeplant ist.<br />
Um den Bedürfnissen und Erwartungen der<br />
BewohnerInnen der umliegenden Quartiere gerecht<br />
114<br />
UNS-Fallstudie '96
_______--'-<br />
<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
zu werden, empfiehlt sich eine detaillierte, repräsentative<br />
Umfrage. Neben der Information über das<br />
Projekt sollte auch die Betroffenheit der Bevölkerung<br />
bewusst gemacht bzw. gezielt gefördert werden,<br />
indem sie z.B. durch Partizipation in die Planung<br />
miteinbezogen wird.<br />
, Die von uns befragten Personen haben mehrfach<br />
geäussert;dass die Bahnlinie mit den drei heute<br />
vorh<strong>and</strong>enen Unterführungen eine stark trennende<br />
Funktion hat. Folglich wird es notwendig sein, für<br />
weitere, «menschenfreundlichere» Durchgänge zu<br />
sorgen. Die Anbindung an Oerlikon erfordert dabei<br />
auch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs (vgL<br />
Kap. VERKEHR).<br />
3.3 Die St<strong>and</strong>ortqualität des ZZN<br />
3.3.1 St<strong>and</strong>ortfaktoren<br />
Unter St<strong>and</strong>ortfaktoren versteht man die st<strong>and</strong>ort~<br />
spezifischen Einflussgrössen, die die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der an diesem St<strong>and</strong>ort angesiedelten<br />
Unternehmen best<strong>im</strong>men. Daher führen sowohl<br />
Unternehmen zur Variantenbeurteilung von st<strong>and</strong>ortrelevanten<br />
Entscheidungen als auch InvestorInnen<br />
für die Nachfrageabschätzung bei Jmmobilieninvestitionen<br />
zur Entscheidungsfindung eine<br />
Analyse der St<strong>and</strong>ortfaktoren durch. Die hier dargestellte<br />
Charakterisierung von St<strong>and</strong>ortfaktoren<br />
basiert vorwiegend auf der Arbeit von Grabow et<br />
aL (1994).<br />
Harte St<strong>and</strong>ortfaktoren<br />
Die St<strong>and</strong>ortfaktoren lassen sich in harte und weiche<br />
unterteilen, wobei man unter der ersten Kategorie<br />
diejenigen Faktoren versteht, die sich direkt und gut<br />
messbar auf die Unternehmenstätigkeit auswirken.<br />
Dazu gehören z.B. die Steuerbelastung und Mietpreise.<br />
Für ein Unternehmen, das eine St<strong>and</strong>ortentscheidung<br />
treffen muss, spielen diese Faktoren<br />
in der Phase der vergleichenden Analyse mehrerer<br />
potentieller St<strong>and</strong>orte die wichtigste Rolle.<br />
Weiche St<strong>and</strong>ortfaktoren<br />
Die St<strong>and</strong>ortfaktoren, die oben genannte Kriterien<br />
nicht erfüllen, zählt man zu den weichen St<strong>and</strong>ortfaktoren.<br />
Sie lassen sich nochmals unterteilen in solche,<br />
die sich direkt auf die Unternehmenstätigkeit<br />
auswirken, aber nur schwe~ messbar sind, wie z.B.<br />
die Unternehmensfreundlichkeit der Behörden, und<br />
solche die nur eine indirekte Wirkung auf die Unternehmen<br />
haben. Dazu gehört u.a. die Lebensqualität<br />
einer Region, da dadurch die Bereitschaft von<br />
Arbeitskräften, in diese Region zu ziehen beeinflusst<br />
wird, was wiederum Rückwirkungen auf die Unternehmen<br />
hat.<br />
Die Entscheidungsrelevanz vOn weichen St<strong>and</strong>ortfaktoren<br />
für Unternehmen lässt sich folgendermassen<br />
charakterisieren:<br />
• weiche St<strong>and</strong>ortfaktoren sind eher Pull- als Push<br />
Faktoren (Einfluss durch hohe Qualität ist stärker<br />
als durch tiefe),<br />
• weiche St<strong>and</strong>ortfaktoren spielen für St<strong>and</strong>ortentscheidungen<br />
in den Phasen der Vorauswahlund<br />
der endgültigen Entscheidung eine stärkere Rolle<br />
als bei der vergleichenden Analyse,<br />
• die Bedeutung der weichen St<strong>and</strong>ortfaktoren ist<br />
branchenspezifisch. Bsp.: Wohnen und Freizeit<br />
sind wichtiger für Unternehmen aus Wissenschaft,<br />
Unterricht, Kultur, Unterhaltung, etc., da sie auf<br />
hochqualifiziertes Personal angewiesen sind,<br />
• weiche St<strong>and</strong>ortfaktoren spielen fürEntscheidungen<br />
am St<strong>and</strong>ort (Ausbau, Schrumpfung, Bleibeentscheidung)<br />
eint< überdurchschnittliche Rolle.<br />
Eine ,Bedeutungszunahme der weichen St<strong>and</strong>ortfaktoren<br />
ist zu erwarten, aufgrund:<br />
• zunehmender Tertiärisierung,<br />
• wachsender Qualifikation der Beschäftigten,<br />
• neuer Produktionstechniken,<br />
• der Ausweitung der Arbeitsteilung und<br />
• des veränderten Verhältnisses Arbeit zu Freizeit.<br />
3.3.2 Ergebnisse zum ZZN<br />
Die St<strong>and</strong>ortsituation<br />
Um die ökonomische Situation des ZZN beurteilen<br />
zu können, ist es zunächst wichtig, die St<strong>and</strong>ortvoraussetzungen<br />
- oder <strong>and</strong>ers gesagt - die Angebotsseite<br />
näher zu beschreiben. Die Angaben in diesen<br />
Kapiteln orieritieren sich an einer Studie der Zürcher<br />
Kmitonalbank und des RegierQngsrates des Kantons<br />
Zürich (Bretschger et aL, 1995) sowie der Konjunkturforschung<br />
BaselAG (Koellreuter et ai., 1995).<br />
Nationale undregionale St<strong>and</strong>ortcharakteristika<br />
Die wichtigsten St<strong>and</strong>ortvorteile der Schweiz sind:<br />
• die politisch stabile Lage,<br />
• die' Vielsprachigkeit,<br />
• die gut ausgebaute Telekommunikation,<br />
• die hohe Lebensqualität und<br />
• diereladv niedrigen Steuern.<br />
Zudengravieren4sten Nachteilen zählen:<br />
• die hohen Lohnkosten,<br />
• der kleine Markt,<br />
• die Abschottung von der EU und<br />
• die strenge Immigrationspolitik.<br />
Der Nachteil der hohen Lohnkosten wird jedoch<br />
von der hohen Effizienz und Produktivität in der<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
115
<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
---- --------~-----------__<br />
Schweiz relativiert, die zu tieferen Lohnstückkosten<br />
führt. Die Schweiz eignet sich heute aus unternehmerischer<br />
Sicht vor allem als St<strong>and</strong>ort für Unternehmen<br />
mit hoher Wertschöpfung.<br />
Zürich zeichnet sich gegenüber der Schweiz durch<br />
eine Konzentration von Headquarterfunktionen und<br />
Unternehmensdienstleistungen, besonders <strong>im</strong> Finanzbereich<br />
aus (vgL Muggli & Schulz, 1992). In der<br />
Studie der Zürcher Kantonalbank (Bretschger et aL,<br />
1995) wurde der St<strong>and</strong>ortfaktor «Nähe zu anspruchsvollen<br />
Kunden» für den Zürcher Wirtschaftsraum<br />
besonders gut beurteilt.<br />
Der St<strong>and</strong>ort ZZN <strong>im</strong> Vergleich mit Konkurrenzarealen<br />
Im Rahmen der Investoren- und Nutzerbefragung<br />
wurde auch nach den Vor- und Nachteilen der folgenden<br />
vergleichbaren Areale <strong>im</strong> Grossraum Zürich<br />
gefragt: HB-Südwest (Eurogate), Baden <strong>Nord</strong>,<br />
Sulzer-Escher Wyss-Areal, Glattbrugg/Opfikon und<br />
Dübendorf.<br />
Zu den wiChtigsten Vorteilen des ZZN zählen<br />
seine Nähe zum Flughafen und die gute Anbindung<br />
an das öffentliche Verkehrsnetz.<br />
Gegenüber dem St<strong>and</strong>ort HB-Südwest, der durch<br />
seine gute Lage hervorsticht, hatte das ZZN zum<br />
Zeitpunkt der Fallstudie den Vorteil der geringeren<br />
Kosten und der höheren Planungssicherheit. Der<br />
Hauptkonkurrent für das ZZN dürfte das Sulzer<br />
Escher Wyss-Areal sein, das sich durch seine zentrale<br />
Lage, Infrastruktur und fortgeschrittenen Planungsst<strong>and</strong><br />
auszeichnet. Diese Vorteile werden etwas<br />
relativiert durch die hohen Immissionen in diesem<br />
Gebiet. Damit sich das ZZN als St<strong>and</strong>ort gegenüber<br />
dem Sulzer-Escher Wyss-Areal behaupten kann, ist<br />
es wichtig, mit einer intelligenten Verkehrsplanung<br />
<strong>im</strong> ZZN übermässige Immissionen zu vermeiden.<br />
Opfikon ist wegen der schlechteren öffentlichen<br />
Verkehrserschliessung deutlich weniger attraktiv.<br />
Perspektiven der AktelIre<br />
Nachdem <strong>im</strong> vorhergehenden Kapitel versucht<br />
wurde, die St<strong>and</strong>ortbedingungen des ZZN zu umreissen,<br />
soll in diesem Kapitel das Interessengefüge<br />
zwischen den Grundeigentümerlnnen, InvestorInnen<br />
und späteren NutzerInnen dargestellt werden.<br />
Grundeigentümer!nnen<br />
Unter industriellen Grundeigentümerlnnen ist weltweitdie<br />
Tendenz zu beobachten, dass Produktionsst<strong>and</strong>ort<br />
und Büros gemietet und nicht selbst erstellt<br />
werden. Als wesentliche Gründe sind zum einen die<br />
Konzentration auf höhere· Rendite versprechende<br />
Kerngeschäfte und zum <strong>and</strong>eren der Verkauf von<br />
Grundstücken, was die Liquidität für diese Kerngeschäfte<br />
erhöht. Bei den Kerngeschäften werden<br />
dabei Renditen von bis zu 13% angestrebt, während<br />
der Immobilienmarkt nur ein «return of investment»<br />
von 6-7% einbringt.<br />
Die Interessen der Grundeigentümerlnnen wurden<br />
in informellen Gesprächen abgeklärt. Da diese<br />
Interessen bei allen befragten Eigentümerlnnen<br />
ähnlich gelagert sind, werden sie <strong>im</strong> weiteren Text<br />
zusammengefasst und als Ganzes beh<strong>and</strong>elt.<br />
Im allgemeinen besteht bei den befragten Grundeigentümerlnnen<br />
des ZZN die Bereitschaft zu verkaufen.<br />
Am günstigsten wäre für die Grundeigen·<br />
tümerlnnen ein direkter Verkauf von Grundstücken.<br />
Da jedoch Investorlnnen weniger in den Bau von<br />
Immobilien investieren, müssen die Grundeigentümerlnnen<br />
die Projektplanung und Suche nach<br />
möglichen NutzerInnen selbst durchführen, um<br />
dann den Investorlnnen ein fertiges Paket mit einigermassen<br />
sicherer Rendite verkaufen zu können.<br />
Bauinvestor!nnen<br />
Investorlnnen kaufen Grundstücke und finanzieren<br />
den Bau von Gebäuden. Entscheidend ist dabei, dass<br />
NutzerInnen gefunden werden, da man davon ausgehen<br />
kann, dass in der Schweiz genügend Geld und<br />
Investorlnnen vorh<strong>and</strong>en sind. Die meisten GeldgeberInnen,<br />
die in den Immobilienbau investieren,<br />
sehen dies als eine mögliche Form der langfristigen<br />
Geldanlage. Bei höherer Sicherheit und unter<br />
Berücksichtigung hoher Inflationsraten werden <strong>im</strong><br />
Immobilienbereich auch Investitionen attraktiv,<br />
durch die eine etwas tiefere Rendite erzielt wird.<br />
Alle Investorlnnen nannten als notwendige Bedingung,<br />
um eine Investition in den Bau von Dienstleistungsgebäuden<br />
vorzunehmen, dass. ihnen bereits<br />
NutzerInnen bekannt sein müssten. Als weitere notwendige<br />
Bedingung wurde eine min<strong>im</strong>ale gesicherte<br />
Bruttorendite von 6.5% auf die Gesamtinvestition<br />
angegeben. Für Wohnungsbau wurden 800.- Fr. pro<br />
m Z als max<strong>im</strong>aler Bodenpreis genannt.<br />
Folgende Bedingungen wurden mindestens einmal<br />
als für. eine Investition notwendig bezeichnet:<br />
• Die Sonderbauvorschriften für das ZZN enthalten<br />
Best<strong>im</strong>mungen, die spätere Baubewilligungsverfahren<br />
erleichtern und beschleunigen. Im weiteren<br />
sollen sie auch keine verbindlichen Vorgaben für<br />
Gebäudeformen enthalten.<br />
• Der öffentliche Nahverkehr <strong>im</strong> ZZN wird soweit<br />
ausgebaut, dass keine Verkehrsengpässe entstehen<br />
und dennoch.übermässige Emissionen vermieden<br />
werden.<br />
• Das ZZN muss eine'hohe ökologische Qualität<br />
aufweisen.<br />
Grundsätzlich sind für die Investorlnnen alle Massnahmen<br />
positiv, die in ihren Augen die Attraktivität<br />
des ZZN für spätere NutzerInnen erhöhen. Dabei<br />
wurden von den Investorlnnen <strong>im</strong> Wohnbereich die<br />
116<br />
UNS-Fallstudie '96
------- ------,...---- <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
weichen St<strong>and</strong>ortfaktoren wie Lebensqualität und<br />
ökologische Qualität des Gebietes höher eingestuft<br />
als von den übrigen Investorlnnen. Dafür spielt<br />
für die letzteren das überregionale Image dieses<br />
<strong>Stadt</strong>teils eine grössere Rolle. Im allgemeinen kann<br />
man davon ausgehen, dass sich diese Präferenzen<br />
an denen der anvisierten NutzerInnen orientieren.<br />
Völlig unabhängig von den Wünschen der NutzerInnen<br />
sind jedoch die Anforderungen der Bauinvestorlnnen<br />
aß' die Sonderbauvorschriften. Die Dauer<br />
von Baubewilligungsverfahren ist ein entscheidender<br />
Faktor für die Attraktivität einer Investition.<br />
Hier gibt es insbesondere die Befürchtung, dass eine<br />
Abweichung von den in den Sonderbauvorschriften<br />
vorgesehenen Gebäudeformen das Bewilligungsverfahren<br />
verzögern kann.<br />
Nachfrage durch NutzerInnen<br />
Die entscheidende Grösse für das Markrgeschehen<br />
ist das Vorh<strong>and</strong>ensein potentieller NutzerInnen.<br />
Diese NutzerInnen kann man grob unterteilen in<br />
Private als Mieter von Wohnungen .und Unternehmen<br />
als Mieter von Dienstleistungs- und Produktionsflächen.<br />
Unternehmen sind bereit, höhere<br />
Mietzinsen .zu zahlen, wenn sie eine genügende<br />
Rendite erzielen können und auf dem Markt keine<br />
vergleichbaren und günstigeren Angebote vorh<strong>and</strong>en<br />
sind. Dennoch wird heute eher in den Wohnungsbau<br />
investiert, denn hier lassen sich zur Zeit<br />
leichter AbnehmerInnen finden als <strong>im</strong> gesättigten<br />
Büromarkt (vgl. Wüest und Partner, 1996). Die Nachfrage<br />
nach den neu <strong>im</strong> ZZN entstehenden Gebäuden<br />
ist die entscheidende GrösSe für die Entwicklung<br />
dieses Gebietes und gleichzeitig am schwierigsten<br />
zu erfassen.<br />
Die zukünftigen NutzerInnen von Wohngebäuden<br />
<strong>im</strong> ZZN sind noch nicht <strong>im</strong> einzelnen bekannt.<br />
ProjektplanerInnen versuchen mit Analysen des<br />
Wohnungsmarktes den künftigen Bedarf abzuschätzen.<br />
Man orientiert sich dabei am Wohnangebot der<br />
Umgebung. Voraussichtlich werden <strong>im</strong> ZZN grösstenteils<br />
Wohnungen der unteren bis mittleren Preisklasse<br />
entstehen. Die Belastung durch den Fluglärm<br />
und das schlechte Image des <strong>Stadt</strong>teils schmälern die<br />
Attraktivität des Gebietes als Wohnst<strong>and</strong>ort.<br />
Es ist zur Zeit schwierig, AbnehmerInnen für<br />
Büroflächen zu finden (vgl. Abb. 1.1.4 <strong>im</strong> Kap. EIN.<br />
LEITUNG). Daher wird versucht, besonders für die<br />
Toplagen in Bahnhofnähe Unternehmen als Mieter<br />
zu gewinnen, die an neuen Büroflächen interessiert<br />
sind. Es laufen bereits Gespräche mit' einzelnen<br />
InteressentInnen aus dem Bereich Finanzdienst~<br />
leistung, doch sind bislang nur Citybank und Mövenpick<br />
Hote/bekannt gegeben worden.<br />
Die Industrieflä,chen <strong>im</strong> ZZN werden auch in Zukunft<br />
nur von den jetzigen Grundeigentümerlnnen<br />
genutzt. Ein Zuzug neuer grossindustrieller NutzerInnen<br />
erscheint bei der heutigen Situation wenig<br />
wahrscheinlich, da der Platzbedarf der Industrie zur<br />
Zeit generell zurückgeht (wirtschaftlicher Strukturw<strong>and</strong>el<br />
und schlanke Produktion, vgl. Abb. 1.1.3.1<br />
<strong>im</strong> Kap. EINLEITUNG).<br />
Eine <strong>and</strong>ere Form der Nutzung stellt die Zwischennutzungdar.<br />
Unter Zwischennutzungen versteht man<br />
die vorübergehende Nutzung leerstehender Industriegebäude<br />
und ~flächen, die ohne grössere Inve-<br />
, stitionen möglich sind. Diese NutzerInnen stammen<br />
meistens aus dem Kultur- und Unterhaltungsbereich<br />
(Freiräume für Kunst, Sport, Theater, Musik,<br />
Ateliers, etc.) und dem (Klein-) Gewerbe. Da von<br />
solchen NutzerInnen <strong>im</strong> Normalfall keine hohen<br />
Mieteinnahmen zu, erwarten sind, werden sie von<br />
den Grundeigentümerlnnen meist als Übergangslösung<br />
geduldet, bis zahlungskräftigere MieterInnen<br />
gefunden sind. Diese NutzerInnen werden daher mit<br />
kurzfristigen Mietverträgen Vorlieb nehmen müssen.<br />
Als Eigentümerin von leerstehenden Industriegebäuden<br />
und benachbarter grosser Wohnflächen,<br />
bevorzugt die Oerlikon-Bührle Zwischennutzungen,<br />
die die Attraktivitätdes Wohngebietes steigern, ohne<br />
dass sie sich nach eigener Angabe aktiv um solche<br />
NutzerInnen bemüht. Absprachen von Oerlikon<br />
Bührle mit <strong>and</strong>erep Grundeigentümerlnnen existieren<br />
nicht. Auch <strong>and</strong>ere GrundstückbesitzerInnen<br />
stehen Zwischennutzungen nicht grundsätzlich ,ablehnend<br />
gegenüber, es bestehen jedoch noch keine<br />
konkreten Verträge;<br />
3.3.3 fazit<br />
Aufgrund der Marktsituation gibt es <strong>im</strong> ZZN gegenwärtig<br />
die konkretesten Bauvorhaben be<strong>im</strong>Wohnungsbau.<br />
Gleichzeitig spielen für die Wohnbauinvestorlnnen<br />
Lebensqualität und ökologische Qualität<br />
eine grössere Rolle. Somit ist es auch aus unternehmenspolitischen<br />
Gründen geboten, besondere<br />
Anstrengungen zur Verbesserung dieser Faktoren zu<br />
unternehmen.<br />
Wenn in Zukunft bei verändertem Freizeitverhalten<br />
und flexiblen Arbeitszeiten die Lebensqualität<br />
<strong>im</strong> Umfeld des Arbeitsplatzes als wichtiger Wert<br />
erkannt wird (vgl. Grabow et al., 1994), könnte die<br />
Tatsache, dass sich das ZZN als attraktiver (Wohn-)<br />
Ort etabliert hat, auch seinen Marktwert für NutzerInnen<br />
<strong>im</strong> Dienstleistungsbereich steigern. So hat<br />
dieStudie der IG Zürcher Unternehhler (IZU, 1996)<br />
gezeigt, dass es in den attraktiven Kreisen 6 und<br />
7 auch bei hohen Mietpreisen keine hohen Büroleerstände<br />
gibt.<br />
Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang<br />
auch innovative Massnahmen in der Verkehrsplanung.<br />
Sie könnten auf der einen Seite die Wohn-<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
117
<strong>Stadt</strong>entwicklung__~ --:- ---,-_----, -,- _<br />
qualität des ZZN verbessern und <strong>and</strong>ererseits ein<br />
überregionales positives Image eines fortschrittlichen<br />
<strong>Stadt</strong>teiles schaffen. Dies begünstigt die Ansiedlung<br />
innovativer Unternehmen. Die Beteiligung<br />
von Unternehmen an solchen Projekten bietet auch<br />
eine Profilierungsmöglichkeit.<br />
Zudem lässt das Überangebot auf dem ImmobilienIilarkt<br />
Freiräume für Zwischennutzungen und<br />
kann so zu einem vielseitigen Bild des ZZN beitragen.Es<br />
besteht allerdings die Gefahr, dass durch<br />
die Zwischennutzungen die Nutzungsziele des Entwicklungsleitbildes<br />
aus den Augen verloren werden.<br />
In einem Nachfragemarkt muss jeder St<strong>and</strong>ort<br />
innerhalb einer Region seine Nische finden. Daher<br />
sollten Massnahmen, die darauf abzielen, die St<strong>and</strong>ortqualität<br />
des ZZN zu erhöhen, auf die spezifischen<br />
Stärken und Schwächen des ZZN zugeschnitten<br />
sein. Gegenüber St<strong>and</strong>orten in der Innenstadt kann<br />
sich das ZZN durch niedrigere Bodenpreise und eine<br />
. hohe ökologische Qualität auszeichnen. Letzteres<br />
betrifft die Verkehrsplanung (vgL Kap. VERKEHR)und<br />
vor allem die Gestaltung der Grünflächen (vgL Kap.<br />
GRÜNRAUM).<br />
Die Chancen des ZZN hängen von der generellen<br />
Situation des St<strong>and</strong>ortes Grossraum Zürich ab. Wie<br />
aus verschiedenen Analysen (z.B. Rossi & Steiger,<br />
1995) ersichtlich wird, befindet sioch Zürich als europäischer<br />
Wirtschaftsst<strong>and</strong>ort gegenwärtig eher in<br />
absteigender Tendenz. Wesentlich wären hier Massnahmen<br />
zur Verbesserung der St<strong>and</strong>ortqualität (vgL<br />
Bretschger et aL, 1995), die von der Erleichterung<br />
der Vergabe von Arbeitsbewilligungen für ausländische<br />
Fachkräfte über Erleichterung von Investitionen<br />
für ausländische Unternehmen (Lex Friedrich)<br />
bis zu einem aktiven St<strong>and</strong>ortmarketing reichen<br />
können.<br />
4. Szenarien und zukünftige<br />
Entwicklungen<br />
Die zukünftige Entwicklung für das ZZN wurde in<br />
zwei Stufen erarbeitet: zuerst wurden mittels einer<br />
formativen Szenanoanalyse (Scholz et aL, 1995; Scholz<br />
et aL, 1996) Szenarien für die Entwicklung des<br />
Grossraumes Zürich bis zum Jahre 2011 entwickelt·<br />
(Rahmenbedingungen, vgL Tab. 4.1.1 und 4.1.2).<br />
Dazu mussten die Systemeigenschaften abgeschätzt<br />
und die wichtigsten exogenen Einflussfaktoren und<br />
deren gegenseitige Beeinflussung best<strong>im</strong>mt werden.<br />
Die daraus entstehende Einflussmatnx wurde anschliessend<br />
mit System Grids und gerichteten Graphen<br />
visualisiert und mittels der MIC-MAC-Analyse dyna<br />
!!lisiert, d.h. die indirekten Einflüsse best<strong>im</strong>mt. Mit<br />
einer Trendprojektion wurden theoretisch mögliche<br />
Zukunftszustände ermittelt, die, durch eine detaillierte<br />
Konsistenzanalyse auf interne Widersprüche<br />
üntersucht wurden. Der ganze Prozess bis 'zur Best<strong>im</strong>mung<br />
der endgültigen Szenarien dauerte über<br />
fünf Wochen. Die Bearbeitung erforderte vier<br />
Studierende und die Unterstützung durch einen<br />
erfahrenen MethodentiItor und mehrere FachexpertInnen.<br />
(vgL Kap. 2 VORGEHEN UND M<strong>ETH</strong>ODEN und<br />
Kap. FORMATIVE SZENARIOANALYSE).<br />
Aus die,sen Rahmenbedingungen und den Resultaten<br />
der Teilprojekte (Schlussberichte und Thesenpapiere<br />
zu möglichen Zukunftszuständen) wurden<br />
dann konkrete Entwicklungsvarianten für das ZZN<br />
abgeleitet. Als Hilfsmittel für die Konstruktion<br />
diente die Vanantenmatnx (siehe Tab. 4.1.3 und<br />
4.1.4). Die erstellten Varianten wurden anschliessend<br />
ebenfalls bezüglich interner Konsistenz geprüft. Die<br />
Best<strong>im</strong>mung dieser Variariten erforderte einen Aufw<strong>and</strong><br />
von mehr als zwei Wochen unter Mitarbeit<br />
von sechs Studierenden, allen fünf Tutoren und weiteren<br />
FachexpertInnen.<br />
Es konnten somit konkrete Vorstellungen erarbeitet<br />
werden, wie das Areal in 15 Jahren aussehen<br />
könnte, welche Auswirkungen (positive wie negative,<br />
intendierte und nicht-intendierte) das Entwicklungsleitbild<br />
des ZZN zeitigen kann. Diese Szenarien<br />
und Entwicklungsvarianten stellen hypothetische<br />
Zukunftsbilder dar, sie beschreiben verschiedene<br />
neue Zustände in allen möglichen Schattierurigen.<br />
Im Gegensatz zur Prognose entstehen diese Zukunftsbilder<br />
bewusst losgelöst von der Gegenwart,<br />
d.h. es werden auch Szenarien in Betracht gezogen,<br />
die aus heutiger Sicht unwahrscheinlich erscheinen.<br />
Die 'Wahrscheinlichkeit, mit der ein best<strong>im</strong>mtes·<br />
Szenario eintreffen wird, ist weniger wichtig (diese<br />
könnten mit einer Cross-Impact Analyse ermittelt werden,<br />
vgL Götze, 1993). Szenarien sind ein Werkzeug,<br />
um exogene Rahmenbedingungen und den eigenen<br />
118<br />
UNS-Fallstudie '96
------------------'-------<br />
--'-__<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
Szenario 1<br />
«Wirtschaftlicher<br />
<strong>Aufbruch</strong>»<br />
Szenario 2<br />
«Orientiel1lngslosigkeit<br />
und Krise»<br />
Szenario 3<br />
«Polarisierung"<br />
Szenario 4<br />
«Neue gesellschaftliche<br />
Werte»<br />
Bevölkerungszahl<br />
zunehmend<br />
abnehmend<br />
zunehmend<br />
leicht zunehmend<br />
Lebensqualität<br />
hoch<br />
tief<br />
tief<br />
hoch<br />
Arbeitsmarktstruktur<br />
Diversifizierung hoch<br />
Polarisierung schwach<br />
Diversifizierung tief<br />
Polarisierung stark<br />
Diversifizierung hoch<br />
Polarisierung stark<br />
Diversifizierung hoch<br />
Polarisierung schwach<br />
Branchenspezifische<br />
Konjunkturlage<br />
Dienstleistung Boom<br />
Industrie Boom<br />
Dienstleistung Krise<br />
Industrie Krise<br />
Dienstleistung Boom<br />
Industrie Krise<br />
Dienstleistung.Stagnation<br />
Industrie Krise<br />
Räumliche<br />
Konzentration<br />
schwach<br />
stark<br />
schwach<br />
schwach<br />
EU-CH<br />
Integration<br />
Alleingang<br />
Integration<br />
Integration<br />
Umweltgesetzgebung<br />
Verschärfung<br />
Lockerung<br />
Lockerung<br />
Verschärfung<br />
Raumplanung . interventionistisch liberalistisch 'liberalistisch<br />
interventionistisch<br />
....................:.<br />
Umgang mit Ressourcen nachhaltig verschwenderisch verschwenderisch nachhaltig<br />
Umweltbelastung schwach stark stark schwach<br />
Tob. 4.1.1 Überblick der erstellten Szenarien für den Grossraum Zürich <strong>im</strong> Jahre 2011. Die Tabelle zeigt Szenario 1 mit hoherLebensqualität, Szenario<br />
2 mit tiefer Lebensqualität, Szenario 3 mit einem extrem polarisierten Arbeitsmarkt undSzenario 4 mit wirtschaftlicher Stagnation.<br />
Bevölkerungszahl<br />
Lebensqualität<br />
Struktur des<br />
Arbeitsmarktes<br />
• abnehmende Bevölkerungszahl<br />
. • zunehmende Bevölkerungszahl<br />
• hohe Lebensqualität: weitgehende<br />
Befriedigung der Bedürfnisse und ein<br />
hohes Wohlbefinden<br />
'. tiefe Lebensqualität: teilweise<br />
. Befriedigung der Bedürfnisse und<br />
tiefes Wohlbefinden<br />
• hohe Diversifizierung: starke Spezialisierung<br />
der Arbeitskräfte<br />
• tiefe Diversifizierung: geringe Spezialisierung<br />
der Arbeitskräfte<br />
• starke Polarisierung: Gegensatz von gut<br />
und schlecht entlöhnten Arbeiten (Lohn-.<br />
gefälle), schlechte Arbeitsbedingungen,<br />
viele ungesicherte Arbeitsplätze<br />
• schwache Polarisierung: Arbeitsmarkt<br />
durchmischt, alle Lohnklassen vertreten,<br />
Arbeitsplätze gesichert<br />
Räumliche<br />
Konzentrationstendenzen<br />
Umweltgesetzgebung<br />
EU-CH<br />
Raumplanung<br />
• schwache räumliche Konzentrationstendenz:<br />
Unternehmen investieren eher<br />
an peripheren Lagen, esbesteht also<br />
die Tendenz zur räumlichen Dekonzentration<br />
• starke räumliche<br />
Konzentrationstendenz: Unternehmen<br />
investieren vorwiegend <strong>im</strong> <strong>Zentrum</strong><br />
• Verschärfung der Gesetzgebung: viele<br />
Auflagen sowie Lenkungsmassnahmen<br />
• Lockerung der Gesetzgebung: wenige<br />
Auflagen und grosse Freiheiten<br />
• Integration: die Schweiz ist in die EU<br />
integriert<br />
• Alleingang: die Schweiz ist nicht in die<br />
EU integriert<br />
• interventionistisch: viele Auflage'n<br />
• liberalistisch: viele Freiheiten gewährend<br />
BranchensPezifische<br />
Konjunkturlage<br />
• Boom unternehmensorientierte Dienstleistungen:<br />
wirtschaftlicher Aufschwung<br />
<strong>im</strong> Bereich Dienstleistungen<br />
• Krise unternehmensorientierte Dienstleistungen:<br />
Stagnation oder Krise <strong>im</strong><br />
Bereich.Dienstleistungen<br />
• Boom Industrie: wirtschaftlicher Aufschwung<br />
<strong>im</strong> Bereich Industrie<br />
• Krise Industrie: Stagnation oder Krise<br />
<strong>im</strong> Bereich Industrie .<br />
Umweltbelastung<br />
Umgang mit<br />
Ressourcen<br />
• stark: die Umv.:eltbelastung n<strong>im</strong>mt zu<br />
• schwach: die Umweltbelastung n<strong>im</strong>mt ab<br />
• nachhaltig:·schonender Umgang mit<br />
Ressourcen unter Berücksichtigung der<br />
Bedürfnisse kommender Generationen<br />
• verschwenderisch: keine Bemühungen,<br />
wenig Ressourcen zu verbrauchen<br />
Tob. 4.1.2 Definitionen der Ausprägungen in der Tabelle 4.1.1.<br />
UNS-Fallstudie '96 119
<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
_<br />
Arbeitsflächenanteil<br />
.....................<br />
in~ernat. Headquarter<br />
..........................<br />
Grosse Dienstleistungsbetriebe<br />
Grosse Industriebetriebe<br />
Kleine und mittlere<br />
Unternehmen<br />
...........................<br />
Gesamtfläche<br />
Szenario ((Wirtschaft·<br />
Iicher <strong>Aufbruch</strong>»<br />
ZZN Variante 1<br />
2<br />
3<br />
2<br />
4<br />
4<br />
Szenario «Orientierungs· Szenario «Polarisierung» Szenario «Neue gesell·<br />
losigkeit und Krise»<br />
schaftliehe Werte»<br />
ZZN Variante 2 ZZN Variante 3 ZZN Variante 4<br />
o<br />
o<br />
o ......................<br />
3<br />
1<br />
. .<br />
2<br />
1<br />
4<br />
2<br />
2<br />
4<br />
1<br />
. ..<br />
4<br />
3<br />
Realisierte Wohnfläche<br />
.................<br />
Gesamtfläche hoher<br />
St<strong>and</strong>ard .<br />
Gesamtfläche mittlerer<br />
St<strong>and</strong>ard<br />
Gesamtanteil 0<br />
4<br />
4<br />
4<br />
o<br />
o<br />
2 0<br />
3<br />
3 2<br />
Soz. Durchmischung<br />
.............................................<br />
Anteil Kinder<br />
Gesamte Durchmischung<br />
3<br />
1<br />
o<br />
o<br />
4<br />
4<br />
................<br />
1<br />
2<br />
Preis<br />
Bodenpreis<br />
4<br />
o<br />
3<br />
<strong>Zentrum</strong>sfunktion<br />
Anteil soi. Dienstleistungen<br />
Raum füröff. und<br />
kulturelle Nutzung<br />
Gesamtanteil<br />
2<br />
1<br />
o<br />
1<br />
o<br />
2<br />
2<br />
Verkehr<br />
Anzahl Parkplätze<br />
.......... .<br />
Anteil Langsamverkehr<br />
Realisierungsgrad ÖV (%)<br />
....... ............................•..................<br />
Durchgangsverkehr<br />
3<br />
1<br />
4<br />
3<br />
1<br />
- .<br />
o<br />
o<br />
2<br />
2<br />
1<br />
3<br />
2<br />
4·<br />
o<br />
1<br />
. .<br />
4<br />
Zupendlerlnnen<br />
Anteil Langsamverkehr<br />
................ .. .<br />
2<br />
Anteil ÖV 3<br />
Gesamtanteil 4<br />
o<br />
o<br />
2<br />
. ... ..... .<br />
3<br />
3<br />
2<br />
1<br />
1<br />
.. .<br />
4<br />
Realisierungsgrad<br />
.............................<br />
Anteil Zwischennutzung<br />
.............................. .<br />
Konzentration<br />
1<br />
4<br />
3<br />
. ..<br />
1<br />
4<br />
1<br />
2<br />
<strong>Stadt</strong>qualität<br />
Qualität der öff. Aussenräume<br />
Architektonische Qualität .<br />
Partizipation<br />
................ .<br />
Ökologische Qualität<br />
3<br />
3<br />
. ..<br />
1<br />
3<br />
o·<br />
?<br />
1<br />
4<br />
..............<br />
4<br />
2<br />
3<br />
. .<br />
2 .................... .<br />
4<br />
2<br />
ọ ......................<br />
1<br />
120<br />
UNS-Fallstudie '96
________________--'- --'- '-- <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
H<strong>and</strong>lungsspielraum zu identifizieren und um Leitbilder<br />
und ihre Auswirkungen unter verschiedenen<br />
Rahmenbedingungen kritisch zu überprüfen.<br />
4.1 Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong><br />
4.1.1 Szellllrio«Wirtschllftlicher <strong>Aufbruch</strong>"<br />
Stllllt ulld Politik<br />
Nach langem Zögern tritt die Schweiz der Europäischen<br />
Union bei. Die positiven Konsequenzen<br />
dieses Beitritts überwiegen - insbesondere die<br />
Schweizer Wirtschaft erlebt einen Boom. Der Transitverkehr<br />
n<strong>im</strong>mt allerdings enorm zu, und die<br />
ohnehin schon strapazierte Umwelt wird noch stärker<br />
belastet. Als Reaktion darauf schliesst sich die<br />
Schweiz mit Schweden, Holl<strong>and</strong> und Deutschl<strong>and</strong><br />
zusammen, damit sie gemeinsam Druck auf Brüssel<br />
ausüben können. Und tatsächlich: Innert relativ<br />
kurzer Zeit verabschiedet die EU ein völlig neues<br />
Umweltschutzgesetz. Mit Lenkungsmassnahmen<br />
und strengen Vorschriften, um das Verursacherprinzip<br />
und die Internalisierung der externen Kosten<br />
voll durchzusetzen. Auch die Raumplanung wird<br />
interventionistischer; das Raumplanungsgesetz wird<br />
revidiert und enthält neu ul1~.fassendeMassnahmen,<br />
um die Siedlungsentwicklung zu steuern.<br />
Wirtschl1ft<br />
Die weitgehende Verwirklichung wirtschaftlicher<br />
Freiheiten <strong>im</strong> GÜter-, Dienstleistungs-, Kapital- und<br />
Personenverkehr trägt zum wirtschaftlichen Auf·<br />
schwung bei. Die Branchen «Unternehmensorientierte<br />
Dienstleistungen» sowie «Maschinen und<br />
Apparate» boomen, und das Arbeitsplatzangebotist .<br />
vielfältig. Die kritische Lage auf dem Arbeitsmarkt<br />
hat sich entschärft. Wegen den hohen Bodenpreisen<br />
in der Innenstadt investieren Unternehmen vermehrt<br />
an peripheren Lagen. Jedoch nicht verstreut<br />
<strong>im</strong> L<strong>im</strong>mat- und Glattal, sondern in der Nähe von<br />
S-Bahnstationen, wie es das geänderte Raumplanungsgesetz<br />
vorschreibt.<br />
Tob. 4.1.3 Variantenmatrix: ZZN-Entwicklungsvarianten für dos Jahr<br />
2011 <strong>im</strong> Überblick (Zohlenwette entsprechen einer ordinalen Rangreihenfolge<br />
der verschiedenen Varianten: z.B. Variante 3 hot, die beste ökologische<br />
Qualität, Varianten 2 und4 die schlechteste; ein Fragezeichen bedeutet, dass<br />
zu dieser Variante keine Aussage möglich war).<br />
Die Tabelle zeigt Variante 1 als verdichteten <strong>Stadt</strong>teil mit vielfältigen<br />
Arbeitsplätzen und geringer sozial,!r Durchmischung, Variante 2 ohne<br />
Umsetzung des Leitbildes undmit wenigen, isolietten Neubauten, Variante<br />
3 als Dienstleistungszentrum mit min<strong>im</strong>alem Wohnanteil und räumlicher<br />
Polarisierung und Variante 4 als vielfältiges, lebendiges Wohnquartier mit<br />
wenig Kleingewerbe.<br />
Eine Vielzahl innovativer Kleinunternehmen entsteht<br />
- vor allem <strong>im</strong> Grossraum Zürich. Ein zunehmender<br />
Anteil der Arbeitnehmerlnnen führt<br />
qualifizierte und befriedigende Arbeiten durch,<br />
die Diversifizierung des Arbeitsmarkts n<strong>im</strong>mt zu.<br />
Gleichzeitig n<strong>im</strong>mt die Polarisierung ab: Es etablieren<br />
sich Teilzeitarbeitsmodelle (mit Gesamtarbeits-<br />
Block<br />
Afbeitsfläche<br />
Block Wohnfläche<br />
Block Soziale<br />
Durchmischung<br />
• Raum für persönliche Dienstleistun-<br />
gen: privat angebotene Einrichtungen<br />
wie Gastgewerbe, Reparaturen,<br />
Reinigung und sonstige Dienste<br />
• Raum für kulturelle/soziale Dienstleistungen:·<br />
öffentlich-kulturelle<br />
Einrichtungen wie Theater- und Musikbühnen<br />
sowie öffentliche Verwaltung,<br />
Gesundheit und Unterricht<br />
• Geamtbeurteilung: unter <strong>Zentrum</strong>sfunktionen<br />
fallen alle möglichen<br />
Beweggründe für Menschen, die ausserhalb<br />
wohnen und arbeiten, das ZZN<br />
für kulturelle Veranstaltungen,<br />
Einkauf, Freizeit oder als Treffpunkt<br />
aufzusuchen.<br />
Block <strong>Zentrum</strong>s·<br />
funktionen<br />
• europäische oder schweizerische<br />
Haupt- und Leitungssitze: vor allem<br />
.hochqualifizierte Arbeitsplätze<br />
..grosse kommerzielle und distributive<br />
Dienstleistungsunternehmen wie<br />
Banken, Versicherungen, Immobilien,<br />
Beratung sowi~ Grossh<strong>and</strong>el: Routinejobs<br />
bis hochqualifizierte Arbeitsplätze<br />
• grosse Industrieunternehmen:<br />
Produktion, Entwicklung und Verwaltung<br />
industrieller Produkte<br />
• kleine und mittlere Unternehmen:<br />
Gewerbe und Dienstleistungsbetriebe,<br />
auch· High Tech-Betriebe<br />
• Gesamtbeurteilung: gesamte Bruttogeschossfläche<br />
für Arbeiten, in %der<br />
Strukturdaten der Sonderbauvorschriften,<br />
März 1995<br />
• Wohnfläche hoher St<strong>and</strong>ard:<br />
realisierte BruttGgeschossfläche<br />
• Wohnfläche mittlerer St<strong>and</strong>ard:<br />
realisierte.Bruttogeschossfläche<br />
• Gesamtbeurteilung: gesamte realisierte<br />
Bruttogeschossfläche für<br />
Wohnen in %der Strukturdaten<br />
(Sonderbauvorschriften)<br />
• Bodenpreise: durchschnittlicher<br />
H<strong>and</strong>elspreis für Baul<strong>and</strong> <strong>im</strong> ZZN,<br />
unabhängig von der Nutzungsart<br />
• Anteil Kinder: Anteil Kinder an der<br />
ständigen Wohnbevölkerung <strong>im</strong> ZZN<br />
• Gesamtbeurteilung: Durchmischung<br />
bezüglich Alter und Einkommen<br />
Tob. 4.1.4 Parameterdefinitionen der Variantenmatrix (Tob. 4.1.3).<br />
Fottsetzung Tob. 4.1.4 siehe nächste Seite-7<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
121
<strong>Stadt</strong>entwicklung -'- ~--------------------<br />
vertrag und hohen Sozialleistungen), wodurch sich<br />
die Lohnunterschiede vermindern.<br />
Umwelt<br />
Die Umweltkrise des ausgehenden 20. Jahrhunderts<br />
bewirkte eine tiefgreifende Bewusstseinsänderung<br />
Block Verkehr<br />
Block<br />
Zupendlerlnnen<br />
Block<br />
Realisierungsgrad<br />
Block <strong>Stadt</strong>qualität<br />
• Anzahl Parkplätze: Gesamtzahl der<br />
Parkplätze für Arbeiten und Wohnen<br />
<strong>im</strong>ZZN.<br />
• Anbindung an Oerlikon für Fahrradfahrer<br />
und Fussgänger: Qualität und<br />
Benutzung der Anbindung zum<br />
Geschäftszentrum von Oerlikon<br />
(Über- bzw. Unterführungen, etc.)<br />
•.Realisierungsgrad öffentlicher ..<br />
Verkehr: Anteil des realisierten OV<br />
Netzes am geplanten Netz gemäss<br />
Verkehrskonzept und Ausführungen<br />
• Durchgangsverkehr: Verkehrsaufkommen<br />
ohne Anfangs- bzw. Zielpunkt<strong>im</strong><br />
Gebiet<br />
• Anteil Langsamverkehr:Anteif von<br />
Velofahrern und Fussgängern an<br />
Zupendlern<br />
• Anteil ÖV:Anteii ÖV am Schnellverkehr<br />
bei Zupendlern<br />
• Gesamtbeurteilung: Gesamtzahl der<br />
Zupendler ins ZZN, d.h. Langsamverkehr,<br />
individueller und öffentlicher<br />
Schnellverkehr<br />
• Realisierung: Prozentsatz der realisierten<br />
Bruttogeschossfläche <strong>im</strong> Jahre<br />
2011 in bezug auf die Strukturdaten<br />
Sonderbauvorschriften (100% Realisierung<br />
= 680'000 m 2 )<br />
• Zwischennutzung: Fläche der<br />
Zwischennutzungen in bereits bestehenden<br />
Gebäuden (Zwischennutzurigspotential<br />
250'000 m 2 )<br />
• Verteilung: Ort der Neubauten nach<br />
Teilgebieten<br />
• Qualität der öffentlichen Aussenräume:<br />
Qualität der öffentlichen<br />
Aussenräume vor allem als Nah'<br />
erholungsraum<br />
• Architektonische Qualität: gestalterischer<br />
Wille und finanzieller Aufw<strong>and</strong>,<br />
der geleistet wird um eine hohe architektonische<br />
Qualität zu erreichen<br />
• Partizipation: Mitbest<strong>im</strong>mung und<br />
Engagement der <strong>im</strong> Gebiet wohnenden<br />
Personen für das ZZN<br />
• Ökologische Qualität: Bauökologie,<br />
Emissionen, Energieverbrauch, aber<br />
auch Verkehr<br />
Fortsetzung Tab. 4.1.4 Parameterdeftnitionen der Variantenmatrix (Tab.<br />
4I3).<br />
der Bevölkerung. Der nachhaltige Umgang mit Ressourcen<br />
ist zur Selbstverständlichkeit geworden, und<br />
man ist zum H<strong>and</strong>eln motiviert; so kann das neue<br />
Umweltschutzgesetz durchgesetzt werden und -die<br />
Umweltbelastung verringert sich merklich.<br />
Gesellschaft<br />
Das befriedigende Arbeitsplatzangebot und die<br />
geringe Umweltbelastung machen die <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
zu einem attraktiven St<strong>and</strong>ort. Die Lebensqualität<br />
ist hoch und der Druck zum Wohnen <strong>im</strong> Grünen lässt<br />
nach. Die Einwohnerzahl in der <strong>Stadt</strong> n<strong>im</strong>mt daher<br />
zu. Gesamthaft gesehen bleibt die Bevölkerungszahl<br />
in der Schweiz allerdings konstant,"denn <strong>im</strong>mer mehr<br />
Meqschen nehmen die Gelegenheit wahr, Wohnund<br />
Arbeitsplatz über Länder hinweg frei zu wählen.<br />
So ziehen auch zahlreiche Schweizer in <strong>and</strong>ere<br />
Staaten der Europäischen Union (Reinhardt et al.,<br />
1989; Frey et al., 1993).<br />
4.1.2 ZZN-Entwicldungsvariantezum Szenario<br />
«Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong>»<br />
Nutzung<br />
Arbeitsfliichenanteil<br />
Aufgrund des hohen Investitionsdruckes ist bis zum<br />
Jahr 2011 zusätzlich zu den bestehenden Arbeitsflächen<br />
ein erheblicher Zuwachs realisiert worden.<br />
Es konnten einige "amerikanische Firmen dafür<br />
gewonnen werden, ihre «European Headquarters»<br />
mit insgesamt ca. 1000 Arbeitsplätzen <strong>im</strong> ZZN anzusiedeln.<br />
Die für grosse Dienstleistungsunternehmen<br />
(Hotels, Banken; Versicherungen) geplanten Flächen<br />
sind etwa zu zwei Dritteln realisiert worden. Diese<br />
Investitionen werden durch einen Dominoeffekt<br />
verstärkt.<br />
Der Produktionsst<strong>and</strong>ort ZZN wird von der ABB<br />
und Oerlikon-Bührle weiterhin genutzt. Die Bedeutung<br />
der traditionellen industriellen Produktionsprozesse<br />
hat allerdings zugunsten neuartiger, produk~<br />
tionsnaher Engineering-Arbeitsplätze abgenommen,<br />
"wobei die Gesamtzahl an Arbeitsplätzen ungefähr<br />
gleichgeblieben ist. Von den 46 ha, die als Baufelder<br />
möglich sind, sind etwa 20 ha vom Industriesektor<br />
genutzt.<br />
Durch die realisierten und bezogenen Wohnüberbauungen<br />
sowie durch die zentrale Verkehrslage sind<br />
viele kleine und mittlere Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe<br />
auf das ZZN gelockt worden, die<br />
das Quartier beleben.<br />
Realisierte Wohnfliiche<br />
Wegen der" günstigen wirtschaftlichen Entwicklung<br />
waren von der Investorenseite genügend Mittel<br />
122 UNS-Fallstudie '96
___'___----:- ~ _'_ __:_-------------<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
vorh<strong>and</strong>en, um die geplantenWohnüberbauungen<br />
zu verwirklichen und die NutzerInnen können<br />
die Mieten auch bezahlen. Wohnungen höheren<br />
St<strong>and</strong>ards <strong>im</strong> Bahnhofbereichsowie Wohnungen<br />
mittleren St<strong>and</strong>ards ergeben zusammen eine Bruttogeschossfläche<br />
(BGF) von ca. 200'000 m 2 • Dies entspricht<br />
etwa 80% des 1991 <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild<br />
geplanten Umfangs.<br />
Zwischennutzungen<br />
Wegen des hohen Nutzungsdrucks und der weiter<br />
angestiegenen Bodenpreise bleibt kein Platz für<br />
Zwischennutzungen.<br />
Verteilung<br />
Da das Gesamtareal fast flächendeckend überbaut<br />
ist, wirkt das ZZN relativ homogen. Um die Vermarktung<br />
zu vereinfachen, sind die Wohn- und<br />
Arbeitsteilareale klarer vonein<strong>and</strong>er abgegrenzt worden,<br />
so dass die geplante kleinräumige Nutzungsdurchmischung<br />
nicht erreicht wurde.<br />
Mobilität<br />
Die geplante Beschränkung auf 4000 Parkplätze<br />
konnte trotz der interventionistischen Raumplanungspolitik<br />
nicht ganz eingehalten werden.<br />
Fahrrad undFussgängerlnnen - Anbindung an Oerlikon<br />
Wegen Schwierigkeiten bei der Realisierung bleiben<br />
die Anbindungen für Fussgängerlnnen und VelofahrerInnen<br />
ungenügend. Der Bahnhof stellt eine<br />
. Schranke dar, die den sozialen Austausch zwischen<br />
den Quartieren hemmt.<br />
Realisierungsgrad der Öffentlichen Verkehrsmittel (ÖVj<br />
Zusätzlich zu den 1996 geplanten Verkehrsanbindu~gen<br />
wurde ein neues Feinverteilersystem<br />
erstellt, das auch für die hinteren Teile<br />
des ZZN die Anbindung an den Bahnhof<br />
Oerlikon sicherstellt.<br />
Durchgangsverkehr<br />
Die strenge Umweltschutz- und Raumplanungsgesetzgebung<br />
verhindern ein Ansteigen des motorisierten<br />
individuellen Durchgangsverkehrs.<br />
sozialen Status des Fahrradfahrens und vermehrtes<br />
Wohnen. in der nahen Umgebung einen relativ<br />
hohen Anteil des Langsamverk~hrs.<br />
• Anteil ÖV am Schnellverkehr:<br />
Durch den hohen Ausbaugrad und die Effizienz<br />
der öffentlichen Verkehrsmittel ergibt sich ein relativ<br />
hoher Anteil von ca. 75%. Diese Tendenz wird<br />
durch die restriktive Parkplatzpolitik ~nterstützi:.<br />
<strong>Zentrum</strong>sfunktionen<br />
Die Versorgungsfunktionen für die lokale Wohnbevölkerung<br />
entwickeln nur eine geringe Attraktivität<br />
für die umliegenden Quartiere. In der Umgebung<br />
besteht bereits ein Angebot.<br />
Raum für öffentlich-kulturelle Nutzung ist mit den<br />
realisierten 2% der BGF sehr niedrig, so dass weder<br />
. grosse Schulen noch ein attraktives kulturelles Angebot<br />
verwirklicht wurden. Durch den hohen Nutzungsdruck<br />
und die hohen Bodenpreise sowie durch<br />
die starke Konkurrenz der bereits bestehenden Einrichtungen<br />
in Zürich konnten keine grösseren kom<br />
,merziellen Unterhaltungseinrichtungen wie etwa<br />
eine Musicalhalle oder ein Kinopalast Fuss fassen.<br />
Soziale Unterschichten finden auf dem ZZN<br />
keinen Platz. Wenige Familien mit Kindern siedeln<br />
sich an. Die Lebensform DINK (Double Income<br />
No Kids) dominiert hingegen eindeutig.<br />
Stlldtqulllität<br />
Durch die zur Verfügung stehenden finanziellen<br />
Mittel und die Umweltgesetzgebung sind eine hohe<br />
Qualität der öffentlichen Aussenräume erreicht<br />
sowie <strong>im</strong> architektonischen Bereich innovative Projekte<br />
gefördert worden.<br />
Die Partizipation der Bevölkerung ist recht gering,<br />
da die Planung und Realisierung schnell erfolgte und<br />
[<br />
PendlerInnen<br />
Obwohl <strong>im</strong>merhin' ein gewichtiger Teil der<br />
arbeitenden Bevölkerung (ca. 1500) auch auf<br />
dem ZZN wohnt, gibt es dennoch ca. 8000 ZupendlerInnen.<br />
• Anteil Langsamverkehr:<br />
Trotz der mangelhaften Anbindungdes ZZN<br />
für Langsamverkehr an die umliegenden<br />
Quartiere in Zürich gibt es durch den hohen<br />
Abb. 4.1.2 Im SZet1Of70 «Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong>. ist kein Platz für ein<br />
Musicaltheater (Bild: Michael Meier).<br />
UNS-Fallstudie '96 123
<strong>Stadt</strong>entwlcklung_---' ~ ~~- _<br />
die Wohnbevölkerung vor vollendete Tatsachen<br />
gestellt wurde. Zu dieser Entwicklung hat auch die<br />
restriktive und durch die öffentliche H<strong>and</strong> dominierte<br />
Raumplanung beigetragen.<br />
Die ökologische Qualität ist relativ hoch, weil die<br />
Gesetzgebung und die finanziellen Möglichkeiten<br />
hohe St<strong>and</strong>ards in bezug auf die Bauökologie, den<br />
Energieverbrauch von Haushalten und Industrie<br />
sowie die Emissionen ermöglichen.<br />
4.1.3 Fazit<br />
Die Schweiz tritt der Europäischen Union bei. Die<br />
Wirtschaft boomt und das Arbeitsplatzangebot ist<br />
vielfältig. Gleichzeitig etablieren sich Teilzeitarbeitsmodelle.<br />
Umweltbewu.sstsein ist in der Bevölkerung<br />
stark verankert, und so stossen strenge·<br />
Vorschriften und Massnahmen <strong>im</strong> Umweltschutz auf<br />
Akzeptanz. Die Umweltbelastung sinkt zusehends.<br />
Die Lebensqualitätin der <strong>Stadt</strong> Zürich ist hoch. Das<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> wird gebaut, und zwar in seiner<br />
ursprünglich geplanten Form.<br />
Das ZZN lässt sich <strong>im</strong> Jahr 2011 als funktionierender,<br />
verdichteter <strong>Stadt</strong>teil charakterisieren, der auf<br />
einer prosperierenden Wirtschaft mit vielfaltigen<br />
Arbeitsplätzen vor allem <strong>im</strong> Bereich «unternehmensorientierte<br />
Dienstleistungen» aufbaut. Im ZZN<br />
konnten aufgrund der starken Nachfrage nach Wohnund<br />
Gewerbebauten die <strong>Zentrum</strong>sfunktionen für<br />
das öffentliche Leben und die Freizeitgestaltung in<br />
Zürich nicht verwirklicht werden. Die geringe soziale<br />
Durchmischung kontrastiert mit einem Nebenein<strong>and</strong>er<br />
von Wohn- und Arbettsnutzungen.<br />
4.2 Orientierungslosigkeit und Krise<br />
4.2.1 Szenario «Orientierllngslosigkeit lind Krise»<br />
Staat lind Politik<br />
Die Schweiz hat ihre politische Meinung· nicht<br />
geändert; sie ist der EU nicht beigetreten und fahrt<br />
«<strong>im</strong> Alleingang» weiter; Um dennoch nicht ganz<br />
abgekapselt zu sein, geht sie viele Kompromisse ein,<br />
zum Beispiel lockert sie die Umweltgesetzgebung<br />
<strong>im</strong> Bereich Verkehr. Auch in der Raumplanung<br />
macht ·sie viele Eingeständnisse, so gibt es zum<br />
Beispiel nur noch wenige Regelungen bezüglich der<br />
Umnutzung von Industriearealen.<br />
Wirtschaft<br />
Zwar hat die Öffnung nach Zentral- und Osteuropa<br />
die Attraktivität des St<strong>and</strong>ortes El1ropa erhöht, dies<br />
wiederum hat· jedqch die Konkurre~z der Städte<br />
unterein<strong>and</strong>er verschärft. Durch den Nicht-EU<br />
Beitritt kapseit sich die Schweiz zunehmend ab und<br />
ist somit <strong>im</strong> internationalen Markt nur schlecht<br />
konkurrenzfahig. Industrie und Dienstleistungssektor<br />
sind in einer Krise. Die Folgen davon sind<br />
eine hohe Arbeitslosigkeit und wachsende Unzufriedenheit<br />
in der Bevölkerung.<br />
. Durch die Wirtschaftskrise werden Forschungsund<br />
Ausbildungsgelder gekürzt, was innovationshemmende<br />
Konsequenzen hat. Lokale Technikzentren<br />
werden geschlossen, und es werden Schulgelder<br />
in Mittelschulen eingeführt. Damit nehmen<br />
Bildungsst<strong>and</strong> und Know-how der Bevölkerung ab.<br />
Immer weniger Leute können sich eine teure Ausbildung<br />
leisten und damit steigt die Polarisierung<br />
des Arbeitsmarktes. Gleichzeitig n<strong>im</strong>mt die Diversifizierung<br />
des Arbeitsmarkts ab, da sich nur wenige<br />
zukunftsträchtige, innovative Branchen entwickeln<br />
können.<br />
Umwelt<br />
Durch die lockere Umweltgesetzgebung und die<br />
liberalistische Raumplanungsgesetzgebung entstehen<br />
hoheUmweltbelastungen. Es gibt keine Umweltzertifikate<br />
oder Lenkungsabgaben, wodurch<br />
Umweltgüter viel zu billig geh<strong>and</strong>elt werden, was<br />
einen verschwenderischen Umgang mit den Ressourcen<br />
zur Folge hat. Zum Beispiel steigt der<br />
Energiepreis nicht, und der private Verkehr n<strong>im</strong>mt<br />
prozentual zum öffentlichen Verkehr zu. Damit wiederum<br />
steigen auch die Luft- und Lärmbelastungen.<br />
Der Nulltarif für das GUt Umwelt führt zu einer<br />
Übernutzung der Umwelt, wodurch die Regenerationskraft<br />
derNatur überfordert wird.<br />
Gesellschaft<br />
Die LebensquaIität der Bevölkerung ist auf einem<br />
tiefen Niveau, sind doch die Umweltbelastung, die<br />
Arbeitslosigkeit und die Polarisierung in diesem<br />
Szenario sehr hoch. Bei einem grossen Teil der<br />
Bevölkerung führt dies zu Passivität und zu einer<br />
gewissen Gleichgültigkeit gegenüber der Gesellschaft<br />
und der Umwelt.<br />
Niem<strong>and</strong> will verantwortlich sein für die jetzige<br />
Misere, jeder ist nur auf sein eigenes Wohl fixiert.<br />
Anstatt nach neuen Werten zu suchen, hofft man<br />
<strong>im</strong>mer noch verzweifelt auf eine neues Wirtschaftswachsturn.<br />
Obwohl die Bevölkerungszahl ohne EU-Beitritt<br />
nicht zun<strong>im</strong>mt, ist man generell. dem Ausl<strong>and</strong> gegenüber<br />
skeptisch eingestellt. Die Angst vor dem<br />
Riesenstaat EU lässt die Ausländerfeindlichkeit<br />
noch mehr wachsen (Frey et aI., 1993; Brugger &<br />
Kärcher, 1992). .<br />
124<br />
UNS-Fallstudie '96
__~_~ ~ ~ <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
4.2.2 ZZN·Elltwicklllllgsvariallte zlIm Szellario<br />
ftOrielltierllllgslosigkeit IIl1d Krise»<br />
NlltZllllg<br />
Arbeitsflächenanteil<br />
Infolge der anhaltenden Wirtschaftskrise gibt es <strong>im</strong><br />
ZZN weniger Arbeitsplätze als <strong>im</strong> Jahr 1996. Die<br />
Zahlen aus dem Leitbild, dass nach Umsetzung des<br />
Entwicklungskonzeptes ca. 12'500 Arbeitsplätze vorh<strong>and</strong>en<br />
wären, hören sich geradezu utopisch an. Dies<br />
ist. darauf zurückzuführen, dass bei den ansässigen<br />
Industrieunternehmen der anhaltend schlechte<br />
Geschäftsgang dazu geführt hat, dass viele Arbeitsplätze<br />
verschwunden oder ins Ausl<strong>and</strong> verlagert<br />
worden sind. Ferner konnten die Pläne für die Ansiedlung<br />
von internationalen Headquarters und grossen<br />
Dienstleistungsunternehmen nicht verwirklicht<br />
werden. In den ersten Jahren nach 1996 wurden noch<br />
einige Neubauten realisiert, diese werden heute aber<br />
kaum genutzt und stehen isoliert in der Umgebung.<br />
Nur das Kleingewerbe hat das entstehende Vakuum<br />
ein wenig ausgefüllt.<br />
Realisierte Wohnfläche<br />
Die geplanten Wohnüberbauungen wurden infolge<br />
der düsteren Konjunkturlage nur zu· einem sehr<br />
kleinen Teil realisiert. In den ehemaligen Industriebauten<br />
wird der Versuch unternommen, alternative<br />
Wohnformen zu realisieren.<br />
Zwischennutzungen<br />
Die Bodenpreise <strong>im</strong> ZZN fallen infolge der fehlenden<br />
Nachfrage weiter und es ist viel Raum für<br />
Zwischennutzungen vorh<strong>and</strong>en.<br />
Verteilung<br />
Die wenigen fertiggestellten Neubauten<br />
in Bahnhofnähe bilden Inseln in einem<br />
weitgehend brachliegenden ZZN.<br />
gestellt, weil das Bebauungskonzept nicht verwirklicht<br />
werden konnte. 'Lediglich die Anbindung des<br />
TORO-Geländes ist durch einen Ausbau des Bus<br />
.systems geringfügig verbessert worden, wird aber<br />
unternutzt, da nicht so viele Arbeitsplätze existieren<br />
wie geplant waren.<br />
Der Durchgangsverkehr hat abgeno~men,da sich<br />
die . wirtschaftlichen Tätigkeiten <strong>im</strong> Grossraum<br />
Zürich verringerten. . ,<br />
Im Vergleich zu 1996 gibt es auch weniger Pendlerlnnen,<br />
weil sich die Zahl der Arbeitsplätze reduzierte.<br />
Zelltrllmsfllllktioll<br />
Das Entwicklungskonzept für das ZZN konnte nicht<br />
umgesetzt werden. Für mögliche soziale Dienstleistungen<br />
fehlt die Laufkundschaft aus der unmittelbaren<br />
Umgebung; Öffentliche' Einrichtungen sind<br />
grösstenteils der angespannten Finanzlage der <strong>Stadt</strong><br />
zum Opfer gefallen.<br />
Mangels einer lokalen Wohnbevölkerung ist das<br />
ZZN für kleine Dienstleistungsunternehmen wenig<br />
attraktiv. Auch Dienstleistungsbetriebe, für die eine<br />
repräsentative Umgebung wichtig ist - wie Anwaltskanzleien<br />
oder Arztpraxen - sind aufdem ZZN-Areal<br />
nicht zu finden.<br />
Die leerstehenden Lagerhallen werden zum Teil<br />
durch eine alternative Kulturszene genutzt; die<br />
einen Anziehungspunkt für die Jugend <strong>im</strong> Grossraum<br />
Zürich bilden. Neben Künstlerateliers und<br />
Übungsräumen sowie Kleinkunstbühnen werden<br />
leerstehende Industriegebäude für Disco und Parties<br />
.genutzt. Daneben wird aber auch die Lage~ung von<br />
Industrieabfällen teilweise geduldet.<br />
Mobilität<br />
Das ZZN ist für die wirtschaftliche<br />
Nutzung uninteressant, so dass kein Bedarf<br />
nach neuen Parkplätzen vorh<strong>and</strong>en<br />
ist. Die bestehenden Parkplätze werden<br />
nicht voll ausgenutzt. Die Anbindung<br />
für Fuss- und Fahrradverkehr an das<br />
<strong>Zentrum</strong> von Oerlikon und die umliegenden<br />
Quartiere ist nach wie vor bedeutungslos.<br />
Zudem sind <strong>im</strong> ZZN kaum<br />
<strong>Zentrum</strong>sfunktionen realisiert worden,<br />
die eine Anbindung gefordert hätten.<br />
Für den Ausbau des öffentlichen<br />
Verkehrs wurden seit fünfzehn Jahren<br />
keine öffentlichen Mittel zur Verfügung<br />
Abb. 4.2.2 Im Szenario .Orientierungslosigkeit und Krise- not es Platz für Kleingewerbe<br />
(Bild: Micnael Meier).<br />
UNS-Fallstudie '96 125
<strong>Stadt</strong>entwicklung ...,.... ~ ,...._---<br />
Wegen,den fehlenden Wohnungen und Dienstleistungsbetrieben<br />
kann sich das ZZN nicht als<br />
<strong>Zentrum</strong> -etablieren. Die bestehenden, für die verarmende<br />
Mittelschicht zu teuren Wohnungen, werden<br />
von verschiedenen Personenkreisen genützt,<br />
die noch über genügend Zahlungskraft verfügen.<br />
<strong>Stadt</strong>qualitiit<br />
Die ursprüngliche Planung ist gescheitert. Es wurden<br />
keine neuen öffentlichen Grün- und Freiflächen<br />
geschaffen. Die bestehenden Grünflächen konnten<br />
erhalten werden und werden für verschiedene<br />
Zwecke genutzt. Das Nebenein<strong>and</strong>er von unterschiedlich<br />
zwischengenutzten Industriegebäuden<br />
und wenigen Neubauten mit Arbeits- und Wohnfunktion<br />
erzeugt eine eigentümliche Atmosphäre.<br />
Diese ist attraktiv für einige Bevölkerungsschichten,<br />
die auf dem polarisierten Arbeitsmarkt nicht an der<br />
Wirtschaft teilhaben wollen/können.<br />
Die ökologische Qualität wird nicht gezielt gefördert.<br />
4.2.3 Fazit<br />
Die Schweiz steckt in einer wirtschaftlichen und<br />
politischen Krise. Anstatt nach neuen Werten zu<br />
suchen, hofft die Schweiz weiterhin auf ein neues<br />
Wirtschaftswachstum. Der EU wird nicht beigetreten.<br />
Die Umwelt- und Raumplanungsgesetzgebung<br />
wird nicht verschärft. Damit nehmen auch die Umweltbelastungen<br />
zu.<br />
Der Nachfragedruck auf das <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong><br />
bleibt aus und es wird nur ein kleiner Teil der<br />
Bebauungspläne realisiert. Von einem «<strong>Zentrum</strong>"<br />
Zürich <strong>Nord</strong> kann <strong>im</strong> Jahre 2011 nicht gesprochen<br />
werden, da das Leitbild aus dem Jahre 1996 praktisch<br />
nicht umgesetzt wurde. In Bahnhofsnähe stehen<br />
wenige isolierteNeubauten. Aufgrund der fehl~nden<br />
Nachfrage nach Wohn- und Arbeitsfläche konnte<br />
sich jedoch in den ehemaligen Fabrikhallen eine<br />
vielseitige Alternativkultur etablieren.<br />
4.3 Polarisierung<br />
4.3.1 Szenario «Polarisierung»<br />
Staat und Politik<br />
Die Schweiz ist in die Europäische Union integriert.<br />
Die schlecht bezahlten Arbeiten werden wie bis<br />
anhin vor allem von Frauen und ImmigranteMamilien<br />
ausgeführt. Die Anstellungsverhältnisse für<br />
Immigrantlnnen haben sich aber geändert. Das<br />
«Saisonnier-Statut» wurde aufgehoben, und auslän-<br />
disehe Arbeiter dürfen ihre Familien in die Schweiz<br />
nachkommen lassen. Bei den gut bezahlten Jobs, die<br />
eine hohe Qualifikation erfordern, ist es schwierig,<br />
eine Aussage zu machen. Wie der Mangel an qualifizierten<br />
Arbeitskräften gelöst wird, hängt von der<br />
Freizügigkeit <strong>im</strong> Personenverkehr und der Bereitschaft<br />
der Fachkräfte zur Mobilität ab.<br />
Die Raumplanung <strong>im</strong> Grossraum Zürich ist in dem<br />
Sinne liberal, dass Umzonungen - <strong>im</strong> speziellen von<br />
Industriezonen in Mischzonen mit Dienstleistungsbetrieben<br />
und Wohnanteilen - vermehrt genehmigt<br />
werden. Im ZZN gelten dagegen weiterhin die ausgeh<strong>and</strong>elten<br />
Sonderbauvorschriften. '<br />
Die Umweltgesetzgebung wird nicht verschärft.<br />
Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die<br />
Umweltfrage an Brisanz verliert. Die Menschen<br />
haben infolge der starken Umstrukturierungen in der<br />
Wirtschaft und den damit verbundenen unsicheren<br />
Bedingungen am Arbeitsplatz <strong>and</strong>ere, kurzfristigere<br />
Sorgen.<br />
Wirtschaft<br />
Die branchenspezifische Konjunkturlage befindet<br />
sich vor allem für die unternehmensorientierten<br />
Dienstleistungen in einem Boom ,und die'Struktur<br />
des Arbeitsmarktes ist stark polarisiert.<br />
Die starke Polarisierung, die sich<strong>im</strong> Lohn und der<br />
Arbeitssicherheit äussert, setzt die - Mittelschicht<br />
unter Druck. Die hochentwickelten, unternehmensorientierten<br />
Dienstleistungsbetriebe befinden sich<br />
in einem Aufschwung, sie benötigen neben den<br />
hochqualifizierten auch viele <strong>and</strong>ere ArbeitnehmerInnen,<br />
die Arbeiten wie Reinigen, Sekretariatsdienste,<br />
Sicherheitsüberwachungen, etc. ausführen.<br />
Viele eher schlecht entlöhnte Arbeitsplätze basieren<br />
aufTeilzeitarbeit. Flexible Arbeitszeiten werden von<br />
den Unternehmen vorzugsweise eingeführt, um die<br />
ArbeiterInnen. punktuell einsetzen zu können und<br />
Sozialleistungen zu sparen. DieAngestellten arbeiten<br />
auf Abruf und sind oft gezwungen, mehrere Teilzeitstellen<br />
anzunehmen. Die grosse Unsicherheit dieser<br />
Arbeitsplätze und die mangelnden Sozialleistungen<br />
führen zu unbefriedigenden Arbeitsplatzsituationen.<br />
Die räumlichen Konzentrationstendenzen sind<br />
schwach und die territoriale Streuung der wirtschaftlichen<br />
Unternehmen <strong>im</strong> Grossraum Zürich n<strong>im</strong>mt<br />
zu. Dies bedeutet, dass die Peripherie an Bedeutung<br />
gewinnt. So lagern viele Unternehmen Teilbereiche<br />
vom <strong>Stadt</strong>zentrum aus und ziehen an periphere<br />
Lagen.<br />
Umwelt<br />
. Die ·Umweltbelastungen sind eher, gross. Dies liegt<br />
einerseits an der nicht verschärften Umweltgesetz-<br />
126<br />
UNS-Fallstudie '96
_______________________.:.-~<br />
__'___<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
gebung und <strong>and</strong>ererseits daran, dass die sich in<br />
Aufschwung befindlichen Unternehmen - trotz des<br />
vorh<strong>and</strong>enen Geldes - wen~g in umweltschonende<br />
Technologien investieren. Die unternehmensorientierten<br />
Dienstleistungsbetriebe sind sehr energieintensiv<br />
und wechseln ihre Computer und sonstigen<br />
Geräte dem Trend entsprechend aus.<br />
Gesellschaft<br />
Die Lebensqualität <strong>im</strong> Grossraum. Zürich ist tief.<br />
Zum einen liegt dies an der durch starke Pendlerströme<br />
verursachten Lärmemission und Luftverschmutzung.<br />
Zum <strong>and</strong>eren ist das Arbeitsplatzangebot<br />
unbefriedigend. Da sich die unternehmensorientierten<br />
Dienstleistungsbetriebe in einem<br />
Boom befinden, wäre anzunehmen; dass genügend<br />
Arbeitsplätze vorh<strong>and</strong>en sind. Infolge der starken<br />
Polarisierung werden nur wenige «Top-Jobs» und<br />
viele sehr schlecht bezahlte, praktisch keine Ausbildung<br />
erfordernden «Jobs» angeboten. Diese prekäre<br />
Situation am Arbeitsplatz (starkes Lohngefälle<br />
und unsichere Anstellungsverhältnisse) wirkt sich<br />
stark auf die Lebensqualität aus. Die sozio-kulturellen<br />
Unterschiede zwischen den verschiedenen<br />
<strong>Stadt</strong>kreisen vergrässern sich. Infolge des starken<br />
Lohngefalles durchrnischen sich die Schichten<br />
<strong>im</strong>mer weniger. In der Nähe der Unternehmen<br />
entstehen wenige Wohnungen in der unteren Preisklasse,<br />
in denen eher schlecht bezahlte ArbeiterInnen<br />
wohnen.<br />
Die Bevölkerungszahl <strong>im</strong> Grossraum Zürich ist<br />
.leicht ansteigend, da in Zürich <strong>im</strong> Verglei~h zu <strong>and</strong>eren<br />
Regionen das Arbeitsplatzangebot <strong>im</strong>mer noch<br />
hoch ist (Dürrenberger et al., 1992; Hitz et al., 1995).<br />
4.3.2 ZZN·Entwicldungsvariante zum Szenario<br />
«Polarisierung))<br />
Nutzung<br />
Arbeitsfliichenanteil<br />
Die unternehmensorientierten Dienstleistungsbetriebe<br />
boomen. Das ZZN entwickelt sich unter<br />
<strong>and</strong>erem wegen der Flughafennähe zu einem Gebiet<br />
mit einer hohen St<strong>and</strong>ortgunst. Die Nachfrage von<br />
Dienstleistungsbetrieben ist hoch, und viele Unternehmensiedeln<br />
sich an. Sie tun dies mit erster<br />
Priorität in Bahnhofnähe. Im Kernbereich des ZZN<br />
entstehen ebenfalls wenige neue Dienstleistungsbauten.<br />
Die grossen Betriebe ziehen auch unternehmensorientierte,<br />
kleine Dienstleistungsunternehmen<br />
an. Die Bedeutung der grossen Industriebetriebe<br />
ist rückläufig. Es geht der Industrie <strong>im</strong><br />
Vergleich zu den finanzkräftigen unternehmensorientierten<br />
Dienstleistungsbetrieben wirtschaftlich<br />
viel schlechter, weil deren internationale Konkurrenzfahigkeit<br />
abgenommen hat. Hinzu kommt, dass<br />
die St<strong>and</strong>orte in <strong>Stadt</strong>nähe mit ihren hohen Bodenpreisen<br />
für die Industriebetriebe uninteres~antsind.<br />
Deshalb ist eine Abw<strong>and</strong>erung der Industrie <strong>im</strong><br />
Gange. Infolge der grossen Dienstleistungsnachfrage<br />
ist das ZZN, was den Arbeitsflächenanteil betrifft,<br />
grösstenteils <strong>im</strong> geplanten Rahmen realisiert.<br />
Realisierte Wohnfliiche<br />
Grossvei'dienerlnnen kommen kaum ins ZZN, denn<br />
esentstehen nur wenige Luxuswohnungen in unmittelbarer<br />
Bahnhofsnähe. Oerlikon bleibt unattraktiv<br />
für Wohnungen der oberen Prdsklasse. Wohnungen<br />
miteinem mittleren Wohnkomfort werden mit einer<br />
starken Ausrichtung nach Seebach gebaut. Der<br />
Druck der finanzkräftigen Dienstleistungsbetriebe<br />
auf das Gebiet ist gross, und es wird bevorzugt in<br />
Baufeldern mit einem geringen Wohnungsanteil<br />
investiert. Zudem wurden die Sonderbauvorschriften<br />
1996 <strong>im</strong> Hinblick auf die Bedürfnisse der Inve-<br />
. storlnnen geändert und bis ins Jahr 2011 noch mehr<br />
zu Ungunsten der Wohnflächenanteile abgeändert.<br />
Deshalb werden <strong>im</strong> ZZN nur ca. lf3 der geplanten<br />
Wohnungen realisiert.<br />
Zwischennutzungen.<br />
Der Raum für Zwischennutzungen ist wegen des<br />
Drucks der Wirtschaft auf das Gebiet und den damit<br />
zusammenhängenden ansteigenden Bodenpreisen<br />
klein. Zwischennutzungen werden kaum zugelassen<br />
und sind bei den potentiellen Investorlnnen nicht<br />
gern gesehen, da sie bei der Realisierung von Projekten<br />
zu Verzögerung führen können.·<br />
Verteilung<br />
Die Verteilung von verschiedenen Nutzungsformen<br />
ist polarisiert. In Bahnhofnähe entsteht ein neues<br />
Dienstleistungszentrum (Business-Center) mit wenigen<br />
Luxuswohnungen und einem Hotel. Die<br />
Wohnungen <strong>im</strong> nordöstlichen Teil des Areals sind<br />
billiger. Im Kern des ZZN entsteht eine unstrukturierte<br />
Zone. Hier wären Zwischennutzungen denkbar,<br />
doch sie haben eine geringe Chance.<br />
Mobilität<br />
Das Bedürfnis nach Parkplätzen ist derart hoch, dass<br />
die gesetzlichen Vorschriften (liberalistische Raumplanung)<br />
aufgeweicht werden und mehr Parkplätze<br />
realisiert werden als geplant. Dem Wunsch der Bevölkerung,<br />
das Gebiet für den Langsamverkehr an<br />
Oerlikon anzubinden, wird keine Rechnung getra~<br />
gen,und der öffentliche Verkehr wird nicht weiter<br />
gefördert. Das Wachstum des Durchgangsverkehrs<br />
ist gross, da die <strong>Stadt</strong> weiterhin ein wichtiger Arbeits-<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
127
<strong>Stadt</strong>entwicklung. ---'-'-_--: _<br />
ort ist und die gelockerte Umweltgesetzgebung<br />
dieser Entwicklung keinen Riegel vorschiebt.<br />
Von den PendlerInnen be.nutzen sehr wenige<br />
den Langsamverkehr. Dies liegt einerseits am knappen<br />
Wohnraum <strong>im</strong> Gebiet und den damit verbundenen<br />
weiten Arbeitswegen, <strong>and</strong>ererseits an der<br />
schlechten Anbindung an das umliegende Gebiet.<br />
Im öffentlichen Verkehr wurden zudem einzelne<br />
Linien aufgegeben. Diese schlechten Bedingungen<br />
<strong>im</strong> öffentlichen Verkehr führen zu einem grossen<br />
Individualverkehrsaufkommen.<br />
<strong>Zentrum</strong>sfunktion<br />
Der Anteil an sozialen, öffentlichen und kulturellen<br />
Nutzungenist tief. Die Leute, die in den wenigen<br />
zur Verfügung stehenden Wohnungen leben, haben<br />
aus unterschiedlichen Gründen kein Interesse, sich<br />
am Quartierleben zu beteiligen. Diejenigen, die in<br />
den teuren Wohnungen in Bahnhofnähe wohnen,<br />
sind junge, mobile Menschen, die nur für kurze Zeit<br />
in Oerlikon wohnen und sich deshalb nicht aktiv einsetzen.<br />
Die BewohnerInnen der nordöstlichen Gebiete<br />
orientieren sich nach Seebach hin und haben<br />
kein Interesse innerhalb des Areals noch etwas aufzubauen.<br />
Das ZZN hat folglich, <strong>im</strong> Vergleich zum<br />
bestehenden <strong>Zentrum</strong> von Oerlikon, nichts Spezielles<br />
oder Neues zu bieten und kann keine übergreifende<br />
<strong>Zentrum</strong>sfunktion wahrnehmen. Das Gebiet<br />
ist nicht kinderfreundlich und die soziale Durchmischung<br />
ist gering.<br />
<strong>Stadt</strong>qualität<br />
Die wirtschaftlichen und politischen Kräfteverhältnisse<br />
verhindern die Durchsetzung von Forderungen<br />
nach hoher Aussenraumqualität und der Aufwertung<br />
von Naherhohlungsgebieten. Die architektonische<br />
Qualität leidet unter den gegebenen Bedingungen.<br />
Es wird schnell und billig gebaut.<br />
Die Partizipation der Bevölkerung ist auf einem<br />
Tiefpunkt angelangt, die Wohnbevölkerung engagiert<br />
sich nicht für ihr Quartier. Es fehlt die Motivation;<br />
obwohl die lockere Umweltgesetzgebung<br />
und Raumplanung Freiräume offen lassen.<br />
Die ökologische Qualität <strong>im</strong> Gebiet ist sehr tief.<br />
Die Gesetze greifen nicht, das Verkehrsaufkommen<br />
ist enorm und die Leute sind nicht sensibilisiert,<br />
etwas dagegen zu unternehmen.<br />
4.3.3 Fazit<br />
Die Schweiz ist in die Europäische Union integriert.<br />
Die Raumplanung <strong>im</strong> Grossraum Zürich ist in dem<br />
Sinne liberal, dass Umzonungen, <strong>im</strong> speziellen von<br />
Industriezonen in Mischzonen mit Dienstleistungs-<br />
betrieben und Wohnanteilen, vermehrt genehmigt<br />
werden. Im ZZN gelten die ausgeh<strong>and</strong>elten Sonderbauvorschriften.<br />
Die Umweltgesetzgebung wird<br />
nicht verschärft. Die starke Polarisierung, die sich in<br />
einem starken Lohngefälle und der tiefen Arbeitssicherheit<br />
äussert, n<strong>im</strong>mt zu. Die räumlichen Konzentrationstendenzen<br />
sind schwach und die territoriale<br />
Streuung der wirtschaftlichen Unternehmen <strong>im</strong><br />
Grossraum Zürich n<strong>im</strong>mt zu. Die Lebensqualität <strong>im</strong><br />
Grossraum Zürich ist tief und die Umweltbelastungen<br />
sind eher hoch.<br />
Das ZZN präsentiert sich <strong>im</strong> Jahre 2011 vorwiegend<br />
als Dienstleistungszentrum. Der boomende<br />
- Dienstleistungssektor übt einseitigen Druck auf das<br />
ZZN aus.- Das Gebiet weist mit einem min<strong>im</strong>alen<br />
Wohnanteil und nur wenigen kulturellen oder ähnlichen<br />
Einrichtungen keine hohe Durchmischung<br />
auf. Dem entst<strong>and</strong>enen <strong>Stadt</strong>teil fehlt das Besondere,<br />
denn Innovation und Eigeninitiative sind kaum<br />
vorh<strong>and</strong>en. Das ZZN kann keine übergeordnete, allgemeine<br />
<strong>Zentrum</strong>sfunktion übernehmen.<br />
4.4 Neue gesellschaftliche Werte<br />
4.4.1 Szenario «Neue gesellschaftliche Werte»<br />
Staat und Politik<br />
In der Schweiz ist allmählich eine neue Generation<br />
von PolitikerInnen herangereift, welche parteiinternem<br />
«Geplänkel» und dem Kampf um die Gunst<br />
der Wählenden das Entwickeln von Perspektiven<br />
und das Fällen von kompetenten Entscheiden von<br />
staatspolitischer Bedeutung vorzieht. Die Politik ist<br />
wieder vermehrt von Visionen geprägt und hat<br />
einiges an Schwerfälligkeit verloren. Unter diesen<br />
Bedingungen wurde der Beitritt zur EU ohne grössere<br />
innenpolitische Dramen vollzogen. Angesichts<br />
der neuen Perspektive von Mitarbeit und Mitbest<strong>im</strong>mung<br />
<strong>im</strong> gemeinsamen Europa hat die Bevölkerung<br />
eine positivere Einstellung zur Politik gefunden,<br />
und das Interesse an Engagement hat zugenommen.<br />
Das Verharren in bestehenden Strukturen ist einem<br />
kollektiven Willen zum <strong>Aufbruch</strong> und zur Veränderung<br />
gewichen.<br />
Innerhalb der EU ist ein neues, interventionisti-<br />
_sches Raumplanungsgesetz eingeführt worden. Dieses<br />
ist griffig, gut überschaubar und gewährleistet die<br />
Rechtssicherheit. Damit steht ein wirkungsvolles<br />
Instrument zu einer nachhaltigen, umweltschonenden<br />
Planung zur Verfügung. DerSpekulationsdruck<br />
auf den Bodenmarkt wird vermindert.<br />
Ebenso verfügt die Umweltschutzgesetzgebung<br />
der EU über griffige Instrumente, um wirkungsvolle<br />
Massnahmen durchzuset~en..Die GesetzgebUng ist<br />
128<br />
UNS-Fallstudie '96
______________________-,-~ ~ ~----<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
streng, interventionistisch, mit vielen Auflagen. Die<br />
Bevölkerung ist bereit, die Umwelt zu schonen und<br />
konkret in diese Richtung zu h<strong>and</strong>eln. Lenkungsmassnahmen<br />
werden zügig und wirksam umgesetzt.<br />
Wirtschaft<br />
Die branchenspezifische Konjunkturlage ist ausgeglichen.<br />
Sowohl unternehmensorientierte Dienstleistungen<br />
wie auch die Industrie stagnieren, wobei<br />
die Industrie in einer leichten Krisenphase steckt.<br />
Der Arbeitsmarkt ist diversifiziert, so dass die<br />
Arbeitskräfte eher spezialisiert sind und ein Stellenwechsel<br />
oftmals mit Umschulung verbunden ist. Die<br />
Polarisierung ist tief, d.h. die Einkommens- und<br />
Qualifikationsstruktur ist ausgeglichen. Die Arbeits-<br />
.zufriedenheit ist relativ hoch. Eine breite Mittelschicht<br />
kann sich halten. Es bestehtdie Tendenz zur<br />
räumlichen Dezentralisierung. Unternehmen investieren<br />
eher in der Peripherie, der Investitionsdruck<br />
weicht weitgehend von den Zentren, ist aber wegen<br />
der stagnierenden Wirtschaftslage auch in der Peri-.<br />
pherie nicht sehr stark.<br />
Umwelt<br />
Mit den neuen Umweltschutz- und Raumplanungsgesetzen<br />
sind griffige Massnahmenzur Verbesserung<br />
der Umweltqualität möglich geworden. Nicht zuletzt<br />
dank dem Druck der Städte wird eine griffige Umweltschutzgesetzgebung<br />
erlassen. Lärmbelastungen<br />
und Luftverunreinigungen gehen zurück. Die <strong>Stadt</strong><br />
wird bewohnbarer, der Druck zum Wohnen <strong>im</strong> Grünen<br />
lässt nach. Dank den attraktiveren Angeboten<br />
des öffentlichen Verkehrs ist die <strong>Stadt</strong> auf einem<br />
konstruktiven Weg, autofrei zu werden. Wohn- und<br />
Arbeitsplätze rücken wieder näher zuein<strong>and</strong>er, nicht<br />
zuletzt dank eines vielfaltigen Angebots an attraktiven<br />
Wohnungen in stark verdichteten Bauformen.<br />
Die vormaligen Industriezonen werden zum Teil als<br />
Gewerbe- undWohnzonen umgenutzt. Sie sind<br />
durch den öffentlichen Verkehr gut erschlossen.<br />
Die neue, griffige Umwelt- und Raumplanungsgesetzgebung<br />
und die stagnierende Wirtschaftslage<br />
haben zur Folge, dass mit Ressourcen nachhaltiger<br />
umgegangen wird. Seitdem die Kosten der Entsorgung<br />
auf Produzierende und Konsumierende<br />
überwälzt werden, wird mehr Recycling betrieben<br />
und sorgfaltiger mit Rohstoffen und Energie umgegangen.<br />
Gesellschaft<br />
Die Bevölkerungszahl <strong>im</strong> Grossraum Zürich n<strong>im</strong>mt<br />
nach wie vor leicht zu, doch weicht durch das Vor~<br />
h<strong>and</strong>ensein von attraktiven, dichten Wohnangeboten<br />
der Druck auf das. <strong>Stadt</strong>gebiet. Durch die Entschärfung<br />
der Luft- und Lärmbelastung in der <strong>Stadt</strong><br />
und die weitgehende Verkehrsberuhigung ist die<br />
Lebensqualität in der <strong>Stadt</strong> stark angestiegen. Die<br />
<strong>Stadt</strong> als kulturelles und geistiges <strong>Zentrum</strong> wird<br />
attraktiv und lockt initiative, talentierte Leute mit<br />
Ideen an. Eine neue Urbanität ist entst<strong>and</strong>en (Reinhardt<br />
et al., 1989).<br />
4.4.2 ZZN-Entwicldungsvariante zum Szenario<br />
«Nelle gesellschaftliche Werte»<br />
Nutzung<br />
Arbeitsfliichenanteil<br />
Wegen der stagnierendenWirtschaftslage und dem<br />
daraus folgenden schwachen Druck auf· den Wirtschaftsst<strong>and</strong>ort<br />
ZZN, haben sich kaum Headquarters<br />
internationaler Unternehmungen angesiedelt. Es ist<br />
vor allem Wohnraum entst<strong>and</strong>en. Dennoch haben<br />
sich einige grosse auch international tätige Dienstleistungsunternehmen<br />
angesiedelt. Die St<strong>and</strong>ortbedingungen<br />
in Zürich <strong>Nord</strong> sind für die Schweiz<br />
und besonders für den Grossraum Zürich günstig.<br />
Grosse Industriebetriebe haben sich hingegen keine<br />
neuen angesiedelt, es hat sogar einen Rückgang der<br />
Beschäftigten <strong>im</strong> Vergleich zu 1996 gegeben, da die<br />
Industrie in einer Krisenphase steckt und <strong>im</strong> Produktionssektor<br />
weitere Arbeitsplätze abgebaut worden<br />
sind. Hingegen ermöglicht der schwache Druck<br />
von Grossunternehmen eine Ansiedlung von kleinen<br />
und mittleren Unternehmen. Die Situation bietet<br />
Platz für kleine, innovative Betriebe. Gesamthaft<br />
gesehen- ist nur ein kleiner Flächenanteil des Areals,<br />
ungefahr V3 als Arbeitsfläche genutzt.<br />
Realisierte Wohnfliiche<br />
Oerlikon zählt nicht zu den privilegierten Wohnst<strong>and</strong>orten.<br />
Deshalb sind <strong>im</strong> ZZN kaum Wohnungen<br />
mit hohem St<strong>and</strong>ard entst<strong>and</strong>en. Ort für Luxuswohnungen<br />
ist höchstens in unmittelbarer Bahnhofnähe<br />
gegeben. Durch die neue urbane Wohnqualität<br />
<strong>im</strong> ZZN (vergleiche auch <strong>Stadt</strong>qualität) sind viele<br />
neue Wohnungen mittleren St<strong>and</strong>ards' entst<strong>and</strong>en.<br />
Doch ist das Gelänge nur örtlich - teilweise aber<br />
dicht -überbaut worden, da wegen der stagnieren~<br />
den Wirtschaftslage nur beschränkte MIttel für den<br />
Wohnungsbau vorh<strong>and</strong>en sind. Die Gesamtwohnfläche<br />
ist hoch, bleibt aber unter den geplanten<br />
Werten und beläuft sich auf ungefahr'Z;3 der Gesamtfläche.<br />
Zwischennutzungen<br />
Wegen der eher schlechten Wirtschaftslage besteht<br />
keine grosse Nachfrage nach Baul<strong>and</strong> und neuen<br />
Bürobauten. Die Bodenpreise stagnieren, so dass viel<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
129
<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
_<br />
Wohnlage dadurch auch attraktiv geworden<br />
ist. Die Pendlerströme sind trotzdem erheblich,<br />
obwohl viele ArbeitnehmerInnnen auf<br />
dem Areal und in der Region wohnen.<br />
Abb. 4.4.2 Im SZeI1ano .Neuegesellschaftliche ffi,rte» entsteht ~bensraum von hoher<br />
Qualität (Bild: Thomos Frey}.<br />
. Raum für Zwischennutzung angeboten wird. Von<br />
den AnwohnerInnen wie auch von Aussenstehenden<br />
ist ein grosser Bedarf nach RauIll für Ateliers,<br />
Proberäume, Konzerte; etc. vorh<strong>and</strong>en.<br />
ZelJtrumsflllJlctiolJ<br />
Es gibt viele soziale Dienstleistungen und es<br />
ist Raum für öffentlich-kulturelle Nutzung<br />
entst<strong>and</strong>en. Der Bedarfdanach ist gross. Für<br />
Eigeninitiative und Partizipation bleibt viel<br />
Raum. Trotzdem behält das ZZN Quartiercharakter<br />
und erlangt kaum quartierübergreifende,<br />
regionale Bedeutung,<br />
Durch den fehlenden Druck' der Wirtschaft<br />
und die knappen finanziellen Ressourcen<br />
Ende der 90er Jahre ist die Über~<br />
bauung des' Areals in Etappen erfolgt. Dies<br />
hat zu einer hohen sozialen Durchmischung<br />
insbesondere bzgl. des Alters, aber auch<br />
bzgl. der Einkommensstruktur geführt. Die<br />
urbane Wohnqualität mit neuen Werten und der<br />
attraktive Wohnraum mittlerer Preisklasse <strong>im</strong> ZZN<br />
hat viele Familien mit Kindern angezogen.<br />
Verteilung<br />
DieNeubautensind dicht gebaut und gliedern sich<br />
in die bereits bestehenden Altbauten ein. Dazwischen<br />
finden sich kleinere Freiräume.<br />
.Mobilitiit<br />
Wegen' der interventionistischen Raumplanungsgesetzgebung<br />
und der breiten Sensibilisierung für<br />
die Umweltbelastung in der Bevölkerung ist kein<br />
grosser Bedarf nach Parkplätzen vorh<strong>and</strong>en. Die<br />
Parkplatzzahl bewegt sich <strong>im</strong> geplanten' Rahmen.<br />
Zu einem grossen Teil sind Leute ins ZZN gezogen,<br />
denen es wichtig ist, zu Fuss oder mit dem Fahrrad<br />
zur Arbeit zu gehen. Dieses Um,jenken in der Bevölkerung<br />
und die strenge Umweltschutzgesetzgebung<br />
haben eine weitgehende Veränderung des Verkehrsverhaltens<br />
bewirkt. Fahrrad- und Fussgängerverbindungen<br />
nach Oerlikon werden zWar gewünscht, doch<br />
hat bisher das fehlende Geld eine Realisierung der<br />
Pläne verhindert. Der öffentliche Verkehr wird trotz<br />
der prekären Finanzlage gefördert, ist weitgehend<br />
ausgebaut und wird rege benutzt. Wegen der<br />
schlechten Konjunkturlage und'der strengen Umweltschutzgesetzgebung<br />
ist der Durchgangsverkehr<br />
gegenüber 1996 leicht zurückgegangen und wird in<br />
absehbarer Zeit auch niCht wieder zunehmen.<br />
Der Langsamverkehr ist durch die neue Werthaltung<br />
in der Bevölkerung sehr beliebt geworden.<br />
Es wohnen nicht zuletzt viele Leute hier,. weil die<br />
<strong>Stadt</strong>qlliditiit·<br />
Es besteht viel Naherholungsraum hoher Qualität.<br />
Als Folge der aktiven Beteiligung der Bevölkerung<br />
an Gestaltungsentscheiden <strong>im</strong> Aussenraum ist die<br />
Sicherheit <strong>im</strong> öffentlichen Raum hoch. Der Druck<br />
der BewohnerInnen, den Aussenraum angenehm<br />
zu gestalten ist gewachsen. Die Möglichkeiten zur<br />
Partizipation werden ausgeschöpft, weil die Leute<br />
mitdenken und -entscheiden wollen. Die interventionistisGhe<br />
Raumplanung setzt hier jedoch Grenzen.<br />
Die ökologische Qualität - nachhaltiger Umgang mit<br />
Ressourcen und Energie, sowie ein griffiges Abfallwesen<br />
- ist wegen der strengen Gesetze und dem<br />
starken Umweltbewusstsein hoch.<br />
4.4.3 Fazit<br />
Die Bevölkerungszahl n<strong>im</strong>mt leicht zu; eine neue,<br />
griffige Umwelt- .und Raumplanungsgesetzgebung,<br />
eine stagnierende Wirtschaftslage .und ein nachhaltiger<br />
Umgang mit Ressourcen entschärfen die<br />
ökologische Krise. Die Bevölkerung ist von neuen<br />
Ideen erfUIIt, engagierter in politischer Mitsprache<br />
und Mitarbeit, was eine politische Entspannung und<br />
visionäre St<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> L<strong>and</strong> bewirkt. Die Schweiz<br />
tritt der EU bei, die positiven Aspekte überwiegen.<br />
Wirtschaftlich steckt das L<strong>and</strong> in einer Stagnation.<br />
Die Arbeitsplätze sind eher hoch diversifiziert, aber<br />
nicht polarisiert. Die Lebensqualität in der <strong>Stadt</strong> ist<br />
angestiegen, eine neue Urbanität entsteht.<br />
130<br />
UNS-Fallstudie '96
__________________--'-....,... ---------- <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
Das ZZN wird gebaut, aber in bescheidenerem<br />
Rahmen als ursprünglich geplant, denn wegen der<br />
stagnierenden Wirtschaftslage finden sich nur wenige<br />
InvestorInnen. Es entsteht ein Wohnquartier<br />
mit neuen Perspektiven (nach dem Vorbild von<br />
Kraftwerk I, vgI. Blum & Hofer, 1993) und mit Kleingewerbe.<br />
Es finden sich ein beachtliches kulturelles<br />
und soziales Angebot, zahlreiche Grünflächen und<br />
vor allem viele - auch familienfreundliche - Wohnungen.<br />
Innovation, Partizipation und Eigeninitiative<br />
prägen den Zeitgeist, was ermöglicht, mit beschränkten<br />
Mitteln viel zu erreichen. So weist das<br />
Gebiet eine recht hohe architektonische Qualität auf.<br />
Das ZZN zeichnet sich durch Quartiercharakter aus,<br />
kann aber kaum übergeordnete <strong>Zentrum</strong>sfunktionen<br />
wahrnehmen.<br />
5. Thesen<br />
Die <strong>im</strong> folgenden vorgestellten Thesen stammen<br />
zum Teil direkt aus den Teilprojekten, zum Teil aus<br />
den Diskussionen, die <strong>im</strong> Zusammenhang mit den<br />
Entwicklungsvarianten geführt worden sind. Die<br />
Entwicklungsvarianten (vgI. Kap. 4 SZENARIEN UND<br />
ZUKÜNFTIGE ENTWICKLUNGEN) selbst sind bildhaft zu<br />
verstehen und theoretisch konstruiert, wurden aber<br />
auf ihre Konsistenz Überprüft. Die Thesen bilden<br />
die Synthese aller <strong>im</strong> Verlauf der Teilprojekt- und<br />
Synthesegruppenarbeit angestellten Überlegungen<br />
zur Zukunft des ZZN. Es werden dabei unsere Einschätzungendargelegt<br />
wie auch Empfehlungen und<br />
Vorschläge für das weitere Vorgehen skizziert. -<br />
Nur in der Entwicklungsvariante zum Szenario<br />
«Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong>» (vgI. Kap. 4 SZENARIEN<br />
UND ZUKÜNFTIGE ENTWICKLUNGEN) wird das ZZN <strong>im</strong><br />
wesentlichen so realisiert, wie es <strong>im</strong> Leitbild vorgesehen<br />
ist. Unter diesen Bedingungen lässt es sich <strong>im</strong><br />
Jahr 2011 als lebendiger, verdichtet bebauter <strong>Stadt</strong>teilcharakterisieren,<br />
der auf einer prosperierenden<br />
Wirtschaft mit vielfältigen Arbeitsplätzen vor-allem<br />
<strong>im</strong> Bereich «unternehmensorientierte Dienstleistungen»<br />
aufbaut. Der Raum für öffentliches Leben und<br />
die Freizeitgestaltung in Zürich ist grösstenteils der<br />
starken Nachfrage nach Wohn- und Gewerbebauten<br />
<strong>im</strong> ZZN zum Opfer gefallen. Eine geringe soziale<br />
Durchmischung kontrastiert mit einem Nebenein<strong>and</strong>er<br />
von Wohn- und Arbeitsnutzungen.<br />
Die Rahmenbedingungen für diese Entwicklung sind<br />
eine wirtschaftliChe Boomphase und eine strenge<br />
Umweltschutz- und Raumplanungsgesetzgebung.<br />
Das Eintreten dieser Rahmenbedingungen erscheint<br />
zur Zeit unwahrscheinlich.<br />
Alle <strong>and</strong>eren Entwicklungsvarianten beinhalten klare<br />
Abweichungen zu den Zielvorstellungen aus dem Entwicklungsleitbild.<br />
In der Variante «Orientierungslosigkeit und Krise»<br />
kann von einem <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> <strong>im</strong> Jahre 2011<br />
nicht gesprochen werden. In Bahnhofsnähe stehen<br />
wenige isolierte Neubauten. Aufgrund der fehJenden _<br />
Nachfrage nach Wohn- und Arbeitsfläche konnte<br />
sich jedoch in den ehemaligen Fabrikhallen ein<br />
vielseitiges Sport- und/oder Alternativkulturangebot<br />
etablieren. Voraussetzungen für diese Entwicklung<br />
sind eine wirtschaftliche Krisenphase und lockere<br />
Raumplanungs- und Umweltschutzgesetzgebung.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
131
<strong>Stadt</strong>entwicklung --'- --'---'- --.,..__<br />
In der Variante «Neue gesellschaftliche Werte»<br />
präsentiert sich das ZZNvorwiegend als vielfältiges,<br />
lebendiges Wohnquartier. Es finden sich viele Kleinbetriebe,<br />
ein beachtliches kulturelles und soziales<br />
Angebot, zahlreiche Grünflächen und vor allem<br />
viele familienfreundliche Wohnungen. Der Zeitgeist<br />
ist von Innovation, Partizipation und Eigeninitiative<br />
geprägt, so dass mit beschränkten Mitteln viel<br />
. erreicht wird. Voraussetzung für diese Entwicklung<br />
sind eine stagnierende Wirtschaftslage, Umdenken<br />
in der Bevölkerung und wiederum eine strenge<br />
Umweltschutz- und Raumplanungsgesetzgebung.<br />
Bei dieser Variante ist anzunehmen, dass <strong>im</strong>Wohnungsbau<br />
das Bebauungskonzept aus dem Leitbild<br />
umgesetzt wird. Wegen der fehlenden Nachfrage<br />
• nach Geschäftssitzen (vgl. Kap. 3.3 DIE STANDORT<br />
QUAL/TAT DES ZZN) gibt es viele Freiflächen.<br />
In der Entwicklungsvariante zum Szenario «Polarisierung»,<br />
welches aus unserer Sicht die wahrscheinlichste<br />
Entwicklung der Rahmenbedingungen<br />
beschreibt, präsentiert sich das Z~N <strong>im</strong> Jahre 2011<br />
vorwiegend als Dienstleistungszentrum. Der Aufwärtstrend<br />
in gewissen' Bereichen des Dienstleistungs~ektors<br />
übt einseitigen Druck auf das Areal<br />
aus. Das Gebiet weist mit einem kleinen Wohnanteil<br />
.und nur wenigen kulturellen oder öffentlichen Einrichtungen<br />
keine hohe Nutzungsdurchmischung auf.<br />
Die soziale Polarisierung findet ihr Gegenstück in<br />
der räumlichen Verteilung, die von intensiver Neubautätigkeit<br />
für ein Business-Center in der Nähe<br />
zum Bahnhof Oerlikon, einer zügigen Realisierung<br />
der gegen Seebach gelegenen Wohnüberbauungen<br />
und einem Beibehalten des Status quo auf den<br />
dazwischenliegenden Flächen best<strong>im</strong>mt wird. Es<br />
entsteht kein <strong>Stadt</strong>teil eigener Identität, da kaum<br />
gemeinsame Interessen bestehen und die Teilnahme<br />
der Bevölkerung an der Gestaltung min<strong>im</strong>al ist.<br />
Die Sonderbauvorschriften setzen der Realisierung<br />
der Planung einen Rahmen (vgl. Kap. 3.1.2 SPIEL<br />
RAUM DER PLANUNG). Die Pläne der Sonderbauvorschriften<br />
geben Bebauungsstruktur und Nutzungsart<br />
vor. Es erscheint wahrscheinlich, dass die GrundeigentümerInnen<br />
versuchen, vor der Inkraftsetzung<br />
der·Sonderbauvorschriften Änderungen und opt<strong>im</strong>ale<br />
Voraussetzungen für schon gefundene InvestorInnen<br />
in den Plänen festzuschreiben. Eine Abweichung<br />
von den Vorgaben ist in Zukunft nur<br />
noch nach Art. 4 Abs. 3. der Sonderbauvorschriften .<br />
möglich. Während Abweichungen jetzt noch durch<br />
Verh<strong>and</strong>lung der Sonderbauvorschriften zwischen<br />
<strong>Stadt</strong> und GrundeigentümerInnen durchgesetzt werden<br />
können, wird in Zukunft die <strong>Stadt</strong> (Bauamt II)<br />
einen grösseren Einfluss auf eventuelle Abweichungenhaben.<br />
.<br />
Die Entwicklung vom Projekt hängt aber sehr stark<br />
vom Interesse der InvestorInnen ab (vgl. Kap. 3.3.1<br />
STANDORTFAKTOREN). Wünschenswert wäre eine relativ,<br />
schnelle Umsetzung der Planung, vor allem <strong>im</strong><br />
Teilgebiet 0 (vgl. Abb. 3.1.1). Die baldige Verlegung<br />
der Berufsschule scheint aber derzeit unrealistisch<br />
bzw. nicht gesichert, so dass auch die «Schaffung des.<br />
Bahnhofplatzes <strong>Nord</strong> als räumlicher Auftakt und als<br />
funktionelles und ideelles Tor zum <strong>Zentrum</strong> Zürich<br />
<strong>Nord</strong>» (Ruoss & Siress, 1994, S. 29) verhindert ist.<br />
Es ist aus planerischer Sicht zu befürchten, dass<br />
zwar die Projekte, für die bereits heute potentielle<br />
InvestorInnen vorh<strong>and</strong>en sind, in Einklang mit den<br />
Zielen des Leitbildes realisiert werden, aber für<br />
spätere Projekte die Ziele des Leitbildes wieder<br />
verworfen werden, da neue Verh<strong>and</strong>lungen über<br />
Sonderbauvorschriften geführt werden.<br />
Während der Fallstudie war eine Zusammenarbeit<br />
unter den GrundeigentümerInnen nicht mehr erkennbar<br />
(vgl. Kap. 3.1 ZUM PLANUNGSPROZESS DES<br />
ZZN). Dafür ist sicher auch die Konkurrenzsituation<br />
bei der Suche nach InvestorInnen verantwortlich. Es<br />
ist zu befürchten, dass der rege Austausch zwischen<br />
<strong>Stadt</strong> und GrundeigentümerInnen mit Inkrafttreten<br />
der Sonderbauvorschriften seinen formalen Rahmen<br />
und damit vermutlich stark an Intensität verlieren<br />
wird.<br />
Damit die gemeinsam erarbeiteten Ziele des Leitbildes<br />
auch in Zukunft nicht aus den Augen verloren<br />
werden, muss ein begleitendes Gremium eingesetzt<br />
werden, das sich aus Vertret:erInnen der Grundeigentümerschaft<br />
.und der städtischen Behörden<br />
zusammensetzt. Es könnte das Geschehen auf dem<br />
Gebiet des ZZN begleiten. Neue Projekte sollen<br />
in diesem Gremium diskutiert und kommentiert<br />
werden. Durch den Einbezug der <strong>Stadt</strong> ist auch<br />
gewährleistet, dass Bewilligungen für Abweichungen<br />
zwischen <strong>Stadt</strong> und EigentümerInnenausgeh<strong>and</strong>elt<br />
werden können. Das Gremium könnte so den erfolgversprechenden<br />
Prozess der gemeinsamen <strong>Stadt</strong>planung<br />
zwischen <strong>Stadt</strong> und GrundeigentümerInnen<br />
unter Beiziehung interessierter' Kreise der Bevölkerung<br />
(vgl. These 6) weiterführen.<br />
UNS-Fallstudie '96
---------------------------~ ___..,---<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
Das Hauptziel der Neustrukturierung ist die Überführung<br />
der heutigen Industriezone in ein Gebiet<br />
mit Mischnutzung. Anh<strong>and</strong> der Entwicklungsvarianten<br />
ist abzuleiten, dass die Sonderbauvorschriften<br />
und die festgehaltenen Prozentanteile nicht genügen,<br />
um das gewünschte Ziel der urbanen Nutzungsdurchmischung<br />
zu erreichen. Es sind nicht nur<br />
Anteil für Wohn-, Dienstleistungs'" und Industrienutzungen<br />
festzulegen, sondern ein vielfältig gemischtes<br />
Angebot innerhalb dieser drei Hauptbeieiche<br />
ist anzustreben.<br />
Sinnvoll könnte sein, Dienstleistungen nach verschiedenen<br />
Bereichen untergliedert zu betrachten.<br />
Kommerzielle, persönliche, soziale und kulturelle Dienste<br />
sindzu unterschieden, damit eine differenzierte Förderung<br />
·von Dienstleistungsbetrieben aus ollen Bereichen angestrebt<br />
werden kann. Eine rein prozentual festgelegte Anforderung<br />
für die gesamte Dienstleistungsbranche<br />
führt noch nicht zu einer ausgewogenen Durchmischung"die<br />
einen lebendigen <strong>Stadt</strong>teil ermöglicht.<br />
Die Umsetzung dieser Idee sollte eine Aufgabe für<br />
das Begleitgremium darstellen (vgI. These 2).<br />
Unter dem Industrieanteil wird <strong>im</strong> Leitbild nur<br />
auf die zwei ansässigen Industriebetriebe Asea Brow1J<br />
Boveri AG und Oerlikon-Bührle Holding AG als zukunftsorientierte<br />
Industriebetriebe eingegangen.<br />
Ihnen sollen geeignete Gebiete für eine Neuorganisation<br />
mit genügend Raum für unvorhersehbare<br />
Entwicklungen zugewiesen werden. Von einer Neuansiedelung<br />
wird nicht ausgegangen. Aus den Entwicklungsvarianten<br />
«Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong>» und<br />
«Polarisierung» geht hervor, dass auch die Ansiedlung<br />
von kleinen und mittleren produktionsorientierten<br />
Unternehmen, vor allem aus dem High Tech<br />
Bereich, denkbar wär~. Das Entwicklungsleitbild ist<br />
stark auf die zwei bestehenden Industriebetriebe<br />
ausgerichtet (vgI. Kap. 3.1.1 AKTUELLER STAND DER<br />
PLANUNG) und unterschätzt das Entwicklungspotential<br />
von neuen, auch kleineren Unternehmen. Die<br />
Erhaltung des Industriest<strong>and</strong>ortes hängt grundsätzlich<br />
von der wirtschaftlichen Entwicklung und weniger<br />
von der Planung ab. Die Planung steuert aber<br />
bei einer günstigen wirtschaftlichen Situation die<br />
Ansiedlung von neuenUnternehmen, indem sie<br />
Anreize schaffen kann. Solche Anreize für High<br />
Tech-Betriebe sollten auch <strong>im</strong> Bereich der industriellen<br />
Nutzung eine grössere Vielfalt anstreben.<br />
Um eine Integration der Wohnanteile mit den<br />
übrigen Nutzungsformen zu erreichen, muss neben<br />
einem vielseitigen Angebot an Wohnungen, das sich<br />
an verschiedenen Bedürfnissen unterschiedlicher,<br />
zukünftiger ZZN-Bewohnerlnnen orientiert, auch<br />
eine Kleinversorgerstruktur geschaffen werden, die<br />
durch die gleichzeitige Ausrichtung auf Arbeitsund<br />
Wohnbevölkerung ein verbindendes Element<br />
darstellt.<br />
Im Leitbild ~ird nur eine urbane Nutzungsdurchmischung,<br />
jedoch keine soziale Durchmischung<br />
angesprochen. Diese bildet aber eine Voraussetzung<br />
für eine sozial nachhaltige Entwicklung des ZZN<br />
(vgI. Arend, 1993).<br />
Etappenweises Bauen über einen grösseren Zeitraum<br />
hinweg fördert die Entstehung von unterschiedlichen<br />
Wohnungen unter gleichzeitigem Bau<br />
von Schulen und Läden. Familien und «Pioniersiedler»<br />
ziehen zu verschiedenen Zeitpunkten in<br />
das <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>. ein und die Kinder <strong>im</strong><br />
ZZN wachsen «gestaffelt» auf. Die Etappierung der<br />
Wohnüberbauungen kann also eine soziale oder<br />
zumindest altersstrukturelle Durchmischung fördern<br />
(Wehrli-Schindler, 1994). Das Gebiet kann durch<br />
eine solche, kontrollierte Entwicklung auch eher<br />
urbanen <strong>Zentrum</strong>scharakter erhalten.<br />
Aufgrund der Immobilienkrise der frühen 90er<br />
Jahre und des daraus ~esultierenden Überangebots<br />
von Gewerbeflächen gewinnt die Wohnüberbauung<br />
für das ZZN eine besondere Bedeutung (vgI. Kap.<br />
J.3 DIE STANDORTQUALITÄT DES ZZN). Da die Bevölkerungsstruktur<br />
über das Wohnungsangebot gesteuert<br />
wird, ist ein vielfältiges Wohnungsangebot zwingend,<br />
wenn ein lebendiger <strong>Stadt</strong>teil geschaffen werden<br />
soll. Indem dort auch preisgünstige Wohnungen<br />
angeboten werden, übern<strong>im</strong>r.nt das ZZN eine für<br />
Zürich wichtige Funktion. Die Schaffung attraktiven<br />
Wohnraums (z.B. Ententeich, vgI. Kap. GEBÄUDE)<br />
oder spezieller Attraktionen <strong>im</strong> kulturellen Bereich<br />
können bei der günstigen Verkehrslage auch <strong>and</strong>ere<br />
Kreise·anziehen. Für eine solche Realisierung ist<br />
aber wiederum eine passende Etappierung wichtig.<br />
Ohne zusätzliche Attraktionspunkte ist Oerliko~ als<br />
Wohnlage <strong>im</strong> Moment wenig populär. Als Belastung<br />
sind dabei der Fluglärm und das negative Image zu<br />
sehen.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
133
<strong>Stadt</strong>entwicklung_'-- '-- ~ __'____'__,__-------~--<br />
Im Leitbild ist nicht detailliert dargelegt, was unter<br />
einem <strong>Zentrum</strong> verst<strong>and</strong>en werden soll. Nach Auffassung<br />
des Vereins zürifüfzg! soll ein pulsierend lebendiges,<br />
urbanes, kulturelles und soziales <strong>Zentrum</strong><br />
angestrebt werden. Dies wird in ähnlicher Weise<br />
auch vom Planer Roth so verst<strong>and</strong>en (vgl. Roth, 1996;<br />
Kap. EINLEiTUNG). Ein Werbebild am BahnhofOerlikon<br />
(vgl. Abb. 5.1) legt die Vermutung nahe, dass<br />
von gewissen GrundeigentümerInnen «<strong>Zentrum</strong>» in<br />
erster Linie als Business-Center verst<strong>and</strong>en wird.<br />
Diese Auffassung vom Begriff <strong>Zentrum</strong> steht in krassem<br />
Gegensatz zu der des Vereins zürifüfzg!.<br />
Bei keiner Entwicklungsvariante entsteht auf dem<br />
Areal ein kulturelles, soziales und wirtschaftliches .<br />
<strong>Zentrum</strong> mit überregionaler Bedeutung. In zwei<br />
Entwicklungsvarianten entsteht nicht einmal ein<br />
Business-Center (vgl. Kap. 3,3.1 STANDORTFAKTQREN).<br />
Entscheidend hierfür ist die Entwicklung derjenigen<br />
Wirtschaftssektoren, aus denen Betriebe zur Nutzung<br />
des ZZN vorgesehen sind.' Bei einem Wirtschaftsboom<br />
können vor allem Zwischennutzungen<br />
und kulturelle Nutzungen (siehe These 7) ihre<br />
Ansprüche nicht geltend machen. Diese würden aber<br />
zu einer vielfältigen Nutzung führen, die Voraussetzung<br />
dafür ist, dass in einem Gebiet Leben entstehen<br />
kann. Ein Quartier mit lokalem <strong>Zentrum</strong>, z.B.<br />
um einen Laden und <strong>and</strong>ere öffentliche Einrichtungen<br />
herum, kann dabei sehr wohl entstehen. Fraglich<br />
bleibt einzig die überregionale Bedeutung, die mit dem<br />
Begriff «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» ja auch angesprochen<br />
wird.<br />
Abb.S.i Dos <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> ols Business-Center? (Bild: Michael Meier).<br />
Für das Erreichen einer <strong>Zentrum</strong>sfunktion mit<br />
grösserem Einzugsgebiet ist die attraktive Verbindung<br />
des ZZN mitden umliegenden Quartieren<br />
zentral. In diesem Fall ist dies ein kritischer Punkt.<br />
Für die Anbindung des Langsamverkehrs aus dem<br />
ZZN an die umliegenden Quartiere sind noch keine<br />
konkreten Lösungsvorschläge vorh<strong>and</strong>en (vgl. Kap.<br />
VERKEHR). Diese müssten aber geplant und in einer<br />
frühen Phase realisiert werden, um das Gebiet für die<br />
Öffentlichkeit gut und sicher erreichbar zu machen.<br />
Vor allem zum Geschäftsgebiet von Oerlikon, welches<br />
durch die Eisenbahnlinie klar. vom ZZN abgetrennt<br />
ist, müssen bessere Verbindungen als die<br />
engen Unterführungen bereitgestellt werden (vgl.<br />
Kap. 3.2 DAS SOZiALE UMFELD DES ZZN). Eine, wenn<br />
auch etwas utopisch klingende, Möglichkeit wäre die .<br />
unterirdische Führung der Bahnlinien <strong>im</strong> Bereich<br />
des Bahnhofs Oerlikon.<br />
In Oerlikon ist der Bedarf an Räumlichkeiten für<br />
öffentliche Nutzungen grösser als das Angebot (vgl.<br />
Verein zürifüfzgl, 1994; Kap. 3.2.2 WiSSEN UND EiN<br />
STELLUNGEN BEi DER BEVÖLKERUNG DER UMLiEGENDEN<br />
QUARTiERE). Der Wunsch nach öffentlichen Treffpunkten<br />
wurde verschiedentlich geäussert, vor allem<br />
von Jugendlichen, für die in Oerlikon nur ein spärliches<br />
Angebot an öffentlichen Einrichtungen bereit<br />
steht. Erwünscht sind Infrastrukturen wie Gemeinschaftszentren,<br />
Spielplätze, Parks sowie<br />
nicht zweckbest<strong>im</strong>mte Freiräume und<br />
Nischen. Dieses Defizit an öffentlichen<br />
Räumen, das auch für Gemeinden des<br />
Zürcher Unterl<strong>and</strong>es gilt, sollte beseitigt<br />
werden. Ein Bruttogeschossflächenanteil<br />
von 2% für öffentliche<br />
Einrichtungen ist zuwenig, um dergrossen<br />
Nachfrage gerecht werden zu<br />
können. Dieser Anteil wurde von 1991<br />
bis 1995 von 10% auf.2% gekürzt (vgl.<br />
Kap. 3.1 ZUM PLANUNGSPROZESS DES<br />
ZZN). Die Angebote müssen attraktiv<br />
sein und eine eigene Spezifität aufweisen,<br />
da sonst weiterhin das breite<br />
Angebot <strong>im</strong> <strong>Stadt</strong>zentrum bzw. in der<br />
Aggtomeration vorgezogen wird. Es ist<br />
wünschbar, dass ein Teil des Bedarfes<br />
über mittelfristig gesicherte Zwischen-<br />
134<br />
UNS-Fallstudie '96
-'------'-- --'- .,-- <strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
nutzungen (vgl. These 7) gedeckt wird.<br />
Öffentliche Einrichtungen fördern die<br />
Durchmischung und die Vielgestaltigkeit<br />
des Ortes und können dem<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> Identität und<br />
Lebensqualität verleihen (vgl. These 5).<br />
Damit dem Bedarf der umliegenden<br />
Bevölkerung nach einem besseren Angebot<br />
an kulturellen, sozialen und persönlichen<br />
Diensten Rechnu,ng getragen<br />
werden kann, müssen InvestorInnen<br />
angesprochen u'nd die Bevölkerungpartizipativ<br />
miteinbezogen werden. Durch<br />
die Beachtung und Realisierung der Bedürfnisse<br />
und Interessen der anliegendenBevölkerung<br />
erhofft man sich, auch<br />
den Anliegen ,der zukünftigen BewohnerInnen<br />
des ZZN gerecht zu werden<br />
und damit auch die Attraktivität des<br />
Gebietes zu steigern. Bis jetzt hat der<br />
konstruktive Miteinbezug der Bevölkerung,<br />
an einem Entscheidungs- und Gestaltungsprozess<br />
aktiv mitzuformen, nicht stattgefunden (vgl.<br />
Kap. 3.2.2 WISSEN UND EINSTELLUNGEN BEI DER BE<br />
VÖLKERUNG DER UMLIEGENDEN QUARTIERE). Die Beteiligten<br />
müssen periodisch zusammentreffen und die<br />
Entwicklungen besprechen. Ein Forum für solche<br />
Gespräche wäre das oben skizzierte Begleitgre'mium<br />
(vgL These 2). Damit die realisierten Angebote auch<br />
genutzt werden, müssen die Anbindungen an das<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> weitgehend realisiert sein und<br />
das Verkehrsnetz innerhalb des Areals des ZZN muss<br />
so weit.ausgebaut sein, dass auch zentrale Bereiche<br />
des Areals bequem erreichbar sind (vgl. These 5).<br />
Allein in der Entwicklungsvariante «Neue gesellschaftliche<br />
Werte» wird auf dem ZZN~Areal genügend<br />
Raum für Zwischennutzung zur Verfügung<br />
gestellt (vgl. Kap. 4 SZENARIEN UND ZUKÜNFTIGE ENT<br />
WICKLUNGEN). Entwickelt sich das ZZN hingegen<br />
nach einer <strong>and</strong>eren Variante, wird es kaum Raum für<br />
Zwischennutzung geben. Vom heutigen St<strong>and</strong>punkt<br />
aus stellt sich die Situation so dar, dass in der aktuellen<br />
Immobilienkrise wenig Geld für Büro- und auch<br />
Wohnungsbau vorh<strong>and</strong>en ist (vgl. Kap. 3.3 DIE<br />
STANDORTQUALITÄT DES ZZN) und deshalb die Altbau~<br />
substanz für Zwischennutzung vorh<strong>and</strong>en wäre. Dabei<br />
spielen diese bei einer Umnutzung eine zentrale<br />
AM. 5.2 Hat es .auf dem ZZN Platz für alternative Kultur oder schrecken diese Bilder<br />
potentielle NutzerInnen ab? (Bild: RDB/Key Color).<br />
Rolle. Mittels Zwischennutzungen kann der Isolierung<br />
einzelner Baufelder entgegengewirkt werden.<br />
Sie beleben und prägen durch die Vielfalt ihrer<br />
NutzerInnen das Wohn- und Arbeitsviertel entscheidend.<br />
Voraussetzungen dafür, dass Zwischennutzungen<br />
realisiert werden können, ist einerseits,<br />
dass Räumlichkeiten günstig zur Verfügung gestellt<br />
werden, damit sich auch ertragsschwächere NutzerInnen<br />
einmieten können. Zum <strong>and</strong>ern muss der<br />
St<strong>and</strong>ort attraktiv, zentral und gut an das öffentliche<br />
Verkehrsnetz angebunden sein. Da GrundeigentümerInnen<br />
befürchten, dass Zwischennutzungen<br />
die Realisierung von späteren Projekten verzögern<br />
können, haben sie und die InvestorInnen.oftmals<br />
wenig Interesse daran.<br />
Um vielseitige und belebend wirkende Zwischennutzungen<br />
zu fördern, müssen gezielt und aktiv<br />
Nischen verfügbar gemacht werden. Den GrundeigentümerInnen<br />
müssen die Vorteile von Zwischennutzungen<br />
wie garantierte Mindesteinnahmen,<br />
welche einem Leerst<strong>and</strong> vorzuziehen sind oder<br />
Attraktivitätssteigerung für weitere NutzerInnen<br />
(Dominoeffekt), dargelegt und unterschiedliche,<br />
potentielle NutzerInnen angesprochen werden. Das<br />
«Produktmanagement» für das ZZN darf sich nicht<br />
nur auf InvestorInnen beschränken, sondern muss<br />
sich auch bewusst an die Bevölkerung richten.<br />
Damit diesen Forderungen Rechnung getragen<br />
werden kann, müssen wie oben envähnt, unterschiedliche<br />
NutzerInnen aktiv angesprochen werden.<br />
Einerseits muss sich die <strong>Stadt</strong> darum bemühen<br />
und <strong>and</strong>erseits sollten sich auch die EigentümerInnen<br />
tolerant zeigen und an einer Zwischennutzung<br />
interessiert sein. Zwischennutzung auf rein gesetzlicher<br />
Ebene vorzuschreiben, reicht nicht aus.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
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<strong>Stadt</strong>entwicklung ---:- -'-_<br />
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Gabler.<br />
Wehrli-Schindler, B. (1994). Nutzungsmischung: Nicht alles, -was<br />
gewachsen ist, kann geplant werden. DISP, (118), 27-33.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
137
<strong>Stadt</strong>entwicklung<br />
~__<br />
Willi, E. (1992). Zürich <strong>Nord</strong>: Lebensraum/Wirtschaftsraum. Ein<br />
Entwicklungsieltbild für die Wachsrums- und Belasrungsregion<br />
Zürich <strong>Nord</strong>, Überparteiliche Arbeitsgruppe Zürich-<strong>Nord</strong>.<br />
Wüest, H. (Hrsg.). (1987). Siedlungsentwicklung nach innen:<br />
Ausrnass, Inhalt und Bedeutung von Erneuerung und Recycling<br />
<strong>im</strong> Siedlungs- und Städtebau. Vorträge, gehalten an der Fachtagung<br />
vom 3. April 1987. Rapperswil: Ingenieurschule Interkantonales<br />
Technikum.<br />
Wüest und Partner (1996). Bau- und Immobilienmarkt Schweiz:<br />
Monitoring 1996. Zürich: W&P.<br />
Zwicker, K. & Schärli, M. (1996). Szenarioanalyse. In R.W. Scholz,<br />
S. Bösch, T. Koller, HA Mieg, J. StÜnzi (Hrsg.), Industrieareal<br />
Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen: Wertschöpfung durch<br />
Umnutzung, (S. 207m, Zürich: vdf HochschulverlagAG.<br />
138 UNS-Fallstudie '96
Verkehr <strong>im</strong> ZZN<br />
Inhalt<br />
1. Die Synthesegruppe VERKEHR<br />
2. Ausgangslage<br />
3. Vorgehen, Methode<br />
4. Ergebnisse<br />
5. Schlussfolgerungen<br />
6•. Berechnungs· und<br />
Bewertungsgrundlagen<br />
141<br />
142<br />
149<br />
156<br />
169<br />
171<br />
Autoren<br />
Oaniel Achermann<br />
Christoph Kehl<br />
Ludo Carlucci (Tutor)<br />
Andreas Hofer (Tutor)<br />
Matthias Lebküchller (Tutor)<br />
Marc A. Schärli (Tutor)<br />
Aufbauend aufden Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe(Synthesegruppe VERKEHR)<br />
Oaniel Achermann Adrian Bürgi Beatrix Koch Bonnet<br />
Rainer B<strong>and</strong>ei Eva Egli S<strong>and</strong>ra Kündig<br />
Enrico Bellini Bruno Gremion Silvia Lafranchi<br />
Sarm Blau Oani Hammer Caroline Portmann<br />
Oaniel Bose Christoph Kehl Sabine Reichen<br />
Christoph Buholzer Jan Kleinn Philipp Rütsche<br />
Ladina Saluz<br />
Barbara Suter<br />
Lucio Carlucd (Tutor)<br />
Andreas Hofer (Tutor)<br />
Matthias Lebküchner (Tutor)<br />
Marc A. Schärli (Tutor)
Verkehr..,..- ~ _<br />
140 UNS-Fallstudie '96
___________--------------------------<br />
Verkehr<br />
1. Die Synthesegruppe VERKEHR<br />
1.1 Einführung<br />
Das <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> (ZZN) soll vom Industriegebiet<br />
zu einem dicht besiedelten neuen <strong>Stadt</strong>teil<br />
werden. Diese neuen Nutzungen (geplant sind Wohnungen<br />
für5000 Personen und 8000 Dienstleistungsarbeitsplätze<br />
zusätzlich) werden, in einem jetzt<br />
schon bis an die Grenze belasteten Strassennetz<br />
in Zürich <strong>Nord</strong>, zu weiterem Verkehr führen. Die<br />
Synthesegruppe VERKEHR ging von den vorh<strong>and</strong>enen<br />
Konzepten zur Bewältigung des Mehrverkehrs aus<br />
und entwickelte weitere Vorschläge um den Verkehr<br />
<strong>im</strong> ZZN zu opt<strong>im</strong>ieren und die negativen Auswirkungen<br />
auf die Umwelt möglichst tief zu halten. In<br />
der Planung ZZN soll ein Grossteil des Mehrverkehrs<br />
'durch den öffentlichen Verkehr aufgenommen<br />
werden. Um
Verkehr '__ '__ ~'__ _<br />
liehe Betrachtungsweisen, indem em Indikatorensystem<br />
entwickelt wird, welches auf soziales,<br />
ökonomisches und naturwissenschaftliches Wissen<br />
zurückgreift. Es beschreibt die massgeblichen Beeinflussungen<br />
der Nachhaltigkeit durch den Verkehr.<br />
2. ARsgangslage<br />
2.1 Der Verkehr in Oerlikon heute<br />
Die Pendlerstatistik der Verkehrsbetriebe der <strong>Stadt</strong><br />
Zürich (VB~, basierend auf der Volkszählung 1990<br />
[Bundesamt für Statistik, 1996]) liefert die notwendigen<br />
Daten - aufgeteilt nach Ziel- (Verkehr nach<br />
Oerlikon) und Quellverkehr (Verkehr von Oerlikon)<br />
sowie öffentlichem, Langsam- und motorisiertem Verkehr<br />
- aus denen die heutigen Pendlerströme best<strong>im</strong>mt<br />
werden können. Darin wurden die verschiedenen<br />
Marktzonen der VBZ innerhalb der <strong>Stadt</strong> und der<br />
Region Zürich, sowie die ausserhalb der von den VBZ<br />
belieferten Marktzonen gelegenen Regionen· (inkl.<br />
Fernzonen) unterschieden. Es stellte sich heraus,<br />
dass 55% der Pendlerfahrten Quartiere der <strong>Stadt</strong><br />
Zürich als Ziel oder Quelle haben.<br />
2.1.1 Pendlerverkehr von lind nach aussenstehenden<br />
Gemeinden<br />
Die meisten PendlerInnen kommen aus den Regionen<br />
Winterthur, Glattal (ohne die Markzonen,<br />
welche von der VBZ bedient werden) und aus der<br />
übrigen Schweiz (Fernverkehr), sowie aus den direkt<br />
Oerlikon anliegenden Gemeinden «Region Unteres<br />
Glattah>, «Region Mittleres Glattal" und «Region<br />
L<strong>im</strong>mattah>. Der Quellverkehr ist dabei fast um den<br />
Faktor 2.5 kleiner als der entsprechende Zielverkehr<br />
AbO. 2.1 Dos ZZNistgut erschlossen - auch mitdem öffentlichen Verkehr (rund 450 Zugholte pro Tag). Dafür zerschneidetder<br />
Bahnhofdos Quartier Oerlikon in zweiTeile (Bild: Michael Meier).<br />
142<br />
UNS-Fallstudie '96
__________________________",,<br />
Verkehr<br />
nach Oerlikön. Die gute Erschliessung<br />
Oerlikons von <strong>Nord</strong>en und Westen hat<br />
dabei auf die Verteilung und Stärke der<br />
Pendlerströme den massgebli~hsten<br />
Einfluss. Die PendlerInnen aus den<br />
Regionen Z<strong>im</strong>merberg sowie vom linken<br />
und rechten Zürichseeufer müssen<br />
zuerst die ganze <strong>Stadt</strong> durchqueren, um<br />
nach Oerlikon zu gelangen;<br />
Zielverkehr<br />
Quellverkehr<br />
.............................<br />
Total<br />
Öffentlicher<br />
Verkehr<br />
52%<br />
54%<br />
...- .<br />
53%<br />
Langsamverkehr<br />
motorisierter<br />
Individualverkehr<br />
Tab. 2.1.3 Heutiger Modal-Split der Pendlerfahrten in Oerlikon (aus Pendlerstatistik VBZ,<br />
basierend aufder VolksZählung 1990 (Bundesamt für Statistik, 1996)).<br />
7%<br />
25% .•..............•.........<br />
13%<br />
41%<br />
21%<br />
34%<br />
2.1.2 Pendlerverkehr von und nach der <strong>Stadt</strong> Zürich<br />
Auffallend grossist der Zielverkehr von Oerlikon<br />
in die Innensstadt, währenddem die meisten ZupendlerInnen<br />
- wie zu erwarten - aus den direkt <strong>im</strong><br />
<strong>Nord</strong>en, Osten und Westen anschliessenden Quartieren<br />
Affoltern, Seebach und Schwamendingen nach<br />
Oerlikon kommen. Auch hier ist der Quellverkehr..<br />
dem Zielverkehr mengenmässig unterlegen. Die<br />
Situation zeigt sich hier aber wesentlich ausgeglichener:<br />
der Unterschied beträgt lediglich 25%.<br />
. Allerdings hat der Binnenverkehr innerhalb Oerlikons<br />
selbst den grössten Anteil am gesamten Pendlerverkehr.<br />
verkehr zuzurechnen (55-70%). Ziele und Quellen<br />
des Durchgangsverkehrs liegen pr<strong>im</strong>är <strong>im</strong> Industriegebiet<br />
Zürich <strong>Nord</strong>, Bereich Thurgau'erstrasse, in<br />
Hagenholz, <strong>im</strong> Glattal, in Seebach sowie in Affoltern,<br />
Höngg und dem L<strong>im</strong>mattal. Grundsätzlich kann gesagt<br />
werden, dass das Strassennetz bereits heute<br />
,weitgehend ausgelastet ist. Am stärksten belastet ist<br />
2.1.3 Heutiger Modal·Split<br />
Der hohe Anteil des Langsamverkehrs (LV, in erster<br />
Linie RadfahrerInnen und Fussgängerlnnen) und<br />
der entsprechend tiefe des motorisierten Individualverkehrs<br />
(MIV) be<strong>im</strong> Quellverkehr ist auffallend und<br />
hält auch den prozentualen Anteil des MIV am Gesamtverkehr<br />
vergleichsweise tief (siehe Tab. 2.1.3).<br />
Ob dieser Modal-Split (prozentuale Verteilung des<br />
Verkehrs auf MIV, 6v und Langsamverkehr) mit fortschreitender<br />
Entwicklung des ZZN aufrechterhalten<br />
werden kann, hängt auch davon ab, ob bei den SBB .<br />
und VBZ die entsprechenden Kapazitäten bereitgestellt<br />
werden können. .<br />
Die zuständigen Stellen bei den VBZ und SBB<br />
müssten noch nach Daten über Auslastungen und<br />
Kapazitäten ihrer Linien von und nach Oerlikon<br />
angefragt werden, 'um die Verkehrskonzepte auch<br />
<strong>im</strong> Bereich des·öffentlichen Verkehrs auf eine solide<br />
Datenbasis zu stellen. Es muss beurteilt werden<br />
können, was für Transportkapazitäten unter Berücksichtigung<br />
des z~sätzlichenVerkehrs und des Modal"<br />
Splits wo bereitgestellt werden müssen.<br />
2.1.4 Verkehrsbelastung <strong>im</strong> ZZN heute<br />
Die Verkehrsbelastung der wichtigsten Kreuzungen<br />
und Strassenachsen (Abb. 2.1.4) wurde <strong>im</strong> Sommer<br />
1993 erhoben. Ein hoher Anteil des <strong>im</strong> Planungs~<br />
gebiet zirkulierenden Verkehrs ist dem Durchgangs-<br />
Abb. 2.1.3 Die Strassengestaltung ist eine wichtige Voraussetzung für ein<br />
sicheres Mitein<strong>and</strong>er von Langsamverkehr und motorisiertem Individualverkehr<br />
(Bild; Michael Meier).<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
143
Verkehr_,....- --'- '-- _<br />
Binzmüh/estrasse<br />
brUnnensIrasse<br />
Abb. 2.1.4 Verkehrsbelastung 1993 zu Abendspitzenstunden <strong>im</strong> ZZN (aus Hasler und Partner, 1993).<br />
Schon vorder Realisierong des ZZNsinddie Strossen stark ausgelastet.<br />
• Im ganzen Planungsgebiet<br />
sind zu jedem Realisierungszeitpunkt<br />
max<strong>im</strong>al<br />
4000 Autoabstellplätze zulässig<br />
(Art. 27/1).<br />
• Die Pflichtparkplatzzahl<br />
für Nichtwohnnutzungen<br />
<strong>im</strong> ganzen Planungsgebiet<br />
wird auf 60% herabgesetzt.<br />
Freiwillige Parkplätze dürfen<br />
nur für Wohnbauten<br />
erstellt werden, wobei pro<br />
Bauvorhaben max<strong>im</strong>al ein<br />
Abstellplatz pro Familienwohnung<br />
erlaubt ist (Art.<br />
27/2).<br />
• Die Abstellplätze sind mit<br />
Ausnahme der Besucherparkplätze<br />
grundsätzlich unterirdisch<br />
oder in Parkhäusern<br />
anzuordnen (Art. 27/6).<br />
die als Umfahrung des <strong>Zentrum</strong>s Oerlikon ausgeschiedene<br />
Durchgangsachse Binzmühlestrasse Ost<br />
Birchstrasse Süd (Hasler und Partner, 1993).<br />
2.2 Verkehr <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild des<br />
ZZN: Planung und Prognosen<br />
2.2.1 Sonderballvorschriften<br />
Gemäss Art. 1 des Entwurfs vom 9. Dezember 1994<br />
(<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994) bezwecken die Sonderbauvorschriften<br />
(SBV) für das Gebiet <strong>Zentrum</strong> Zürich<br />
<strong>Nord</strong> die «Voraussetzungen für eine städtebaulich<br />
und wirtschaftlich tragfahige sowie umweltgerechte<br />
Umstrukturierung und Umnutzung des Gebietes<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> zu schaffen». Speziell ist unter<br />
Artikel 1 erwähnt:<br />
.es sollen die Voraussetzungen für eine gute Erschliessung<br />
des Gebietes durch.öffentliche Verkehrsmittel<br />
geschaffen werden,<br />
• der private Motorfahrzeugverkehr soll innerhalb<br />
des Gebietes begrenzt werden, .<br />
• das Gebiet soll mit einem dichten Netz von Fussund<br />
Radwegen ausgestattet werden.<br />
In Abschnitt 3 «Verkehrserschliessung und Parkierung»<br />
sind folgende Erlasse von grundlegender<br />
Wichtigkeit:<br />
• Die einzelnen geplanten Erschliessungsstrassen<br />
sind spätestens dann zu erstellen, wenn dies<br />
aufgrund baulicher Massnahmen oder Nutzungsänderungen<br />
in den einzelnen Teilgebieten erforderlich<br />
ist (Art. 24/2).<br />
2.2.2 Entwicklllilgsleitbild<br />
. Sinn des geplanten Verkehrskonzepts ist, die <strong>im</strong><br />
Gebiet ZZN geschaffene zusätzliche Verkehrsnachfrage<br />
so zu bewältigen, dass ihre Auswirkungen auf<br />
die Umwelt möglichst gering sind und die städtebaulichen<br />
Qualitäten des Gebietes und seiner Umgebung<br />
verbessert werden.<br />
Der Verkehrsanteil des öffentlichen Verkehrs ist<br />
von heute rund 35% auf 45% anzuheben, der Anteil<br />
der FussgängerInnen und der Veloanteil von 10% auf<br />
ca. 25%. Der MIV-Anteil soll mengenmässig auf dem<br />
heutigen St<strong>and</strong> stabilisiert werden, Was dnerrelativen<br />
Reduktion von 55% auf 30% entspricht. Die<br />
Anzahl der Parkplätze <strong>im</strong> Planungsgebiet wird auf<br />
privatem und öffentlichem Grund auf 4000 beschränkt.<br />
Im ZZN ist geplant, Wohnungen für 5000<br />
BewohnerInnen und 12'000 Arbeitsplätze zu schaffen.<br />
Den BewohnerInnen werden 1500 Parkplätze<br />
zugewiesen, den Arbeitenden 1800 und den BesucherInnen<br />
700. Die Parkplätze werden dabei vorwiegend<br />
in dezentralen Sammelparkierungsanlagen<br />
untergebracht, die ArbeitgeberInnen übernehmen<br />
die Kosten für die ·Arbeitsparkplätze,die übrigen<br />
Parkplätze sind gebührenpflichtig.<br />
Für den Güterverkehr werden keine speziellen<br />
Massnahmen formuliert. Als Anforderung gilt, dass<br />
die Industriegebiete für den Schwerverkehr gut<br />
erreichbar sein müssen (Ruoss & Siress, 1994).<br />
Konzept für den öffentlichen Verkehr<br />
Es sind drei Erschliessungslinien vorgesehen, die<br />
etappenweise realisiert werden. Wie die Etappierung<br />
144<br />
. UNS-Fallstudie '96
________________~<br />
~-------Verkehr<br />
zur Zeit geplant ist, kann Tab. 2.2.2.1 entnommen<br />
werden.<br />
Der geplante hohe ÖV-Antei/ kann nur erreicht<br />
werden, wenn die nötigen ÖV-Linien rechtzeitig zur<br />
Verfügung stehen. Das bedingt, dass in der mittelfristigen<br />
Realisierungsphase allenfalls Anpassungen<br />
des geplanten Netzes notwendig werden. Eventuell<br />
ist auch der Einsatz eines Ortsbusses zu prüfen, falls<br />
z.B. in naher ZukuIift nur die nordwestlichen Gebiete<br />
entlang der Neunbrunnenstrasse überbaut<br />
werden (Hasler und Partner, 1993).<br />
Strassenverkehrsnetzkonzept<br />
Das Basisnetz für die Erschliessung des Planungsgebiets<br />
entspricht dem <strong>im</strong> kommunalen Gesamtplan<br />
der <strong>Stadt</strong> Zürich en,thaltenen regionalen Hauptverkehrsstrassen:<br />
• bestehende Durchgangsachse Binzmühlestrasse<br />
Ost-Birchstrasse Süd,<br />
• geplante unterirdische Birchstrassenverlängerung<br />
zum Anschluss Seebach der A20,<br />
• geplante Verbindung Glaubtenstrasse-Birchstrasse.<br />
Gemäss den Sonderbauvorschriften, Art. 23 Abs. 2<br />
(<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994) sind die westliche Binzmühlestrasse<br />
und die westliche Neunbrunnenstrasse so<br />
zu gestalten, dass sie nicht mehr als Zufahrt ins<br />
Industriegebiet dienen können.<br />
Die Realisierung der unterirdischen Birchstrassenverlängerung<br />
und der Verbindung Glaubtenstrasse<br />
-Birchstrasse ist fraglich, zumindest wird sie erst zu<br />
einem späteren Zeitpunkt erfolgen.<br />
Die sich daraus ableitenden drei Realisierungsphasen<br />
sind Tab. 2.2.2.2 zu entnehmen.<br />
Es ist weiter geplan, das ganze Gebiet mit einem<br />
feinmaschigen Netz an Fuss-, Radwegen sowie<br />
Quartierstrassen zu überziehen, die für den motorisierten<br />
Individualverkehr (MIV) nicht befahrbar<br />
sein sollen (Hasler und Partner, 1993).<br />
kurzfristig:<br />
mittelfristig:<br />
langfristig:<br />
Buslinie 80, allenfalls mit <strong>and</strong>erer Linienführung<br />
<strong>im</strong> Bereich Bahnhof<strong>Nord</strong>.<br />
Buslinie 80 bis Bahnhof <strong>Nord</strong>.<br />
Buslinie von/nach Seebach mit Linienführung<br />
über Birchstrasse <strong>Nord</strong>-Binzmühlestrasse<br />
Dynamostrasse Süd-Bahnhof <strong>Nord</strong>. Falls die<br />
Dynamostrasse noch nicht durchgehend<br />
zur Verfügung steht, wird der Bus wie heute<br />
geführt.<br />
Buswendeschlaufe am Bahnhof <strong>Nord</strong>.<br />
Tramlinie auf der Binzmühlestrasse mit der<br />
Verlängerung nach Schwamendingen.<br />
Buslinie von/nach Seebach mit Linienführung<br />
analog zur mittelfristigen Etappe.<br />
Buslinie von/nach Affoltern mit Linienführung<br />
über Neunbrunnenstrasse-Birchstrasse<br />
<strong>Nord</strong>- Binzmühlestrasse~Dynamostrasse<br />
Süd.<br />
Buswendeschlaufe am Bahnhof <strong>Nord</strong>.<br />
Tob. 2.2.2.1 Etappierung der geplanten Erschliessung des ZZN mit dem<br />
öffentlichen Verkehr{ÖV)..<br />
kurzfristig<br />
mittelfristig<br />
bestehendes Strassennetz.<br />
"<br />
Erweiterung des Netzes über die ringförmige<br />
Sammelstrasse, mit Sperrung der Neunbrunnensti'asse<br />
und Binzmühlestrasse West,<br />
jedoch ohne unterirdische Birchstrassenverlängerung.<br />
langfristig<br />
Gesamtnetz mit geplanter Unterirdischer<br />
Birchstrassenverlängerung, allenfalls auch<br />
mit der geplanten kommunalen Verbindung<br />
Glaubtenstrasse-Birchstrasse, parallel zur<br />
S-Bahn als Umfahrung des Gebiets ZZN.<br />
Tob. 2.2.2.2 Etappierung des geplanten Strossenverkehrsnetzes.<br />
Abb. 2.2.2 Eine behindertengerechte Gestaltung der Gehsteige und Haltestellen<br />
sowie der Verkehrsmittel selbst erfordert gesonderte Überlegungen<br />
(Bild: Michael Meier).<br />
UNS-Fallstudie '96 145
Verkehr ------ -'-- _<br />
sVpmin<br />
sVpmax<br />
Verkehrmin<br />
Verkehrmax<br />
Persönenbewegungen/<br />
Tag·Kategorie<br />
Personenbewegungen/<br />
Tag·Kategorie<br />
Personenbewegungen/<br />
Tag<br />
Personenbewegungen/<br />
Tag<br />
EinwohnerInnen 5000 1.5 2.5 7500 12'500<br />
Arbeitsplätze in:<br />
Dienstleistung 8000 6.0 8.0 48'000 64'000<br />
Industrie' 4000 3.0 4.0 12'000 16'000<br />
öffentliche<br />
Einrichtungen 500 3.0 4.0 1500 2000<br />
Total 69'000 94'500<br />
Tab. 2.2.3.1 Au/grunddes Entwicklungsleitbildes zu erwartender Gesamtverkehr ins ZZN (sVp = spezifisches Verke'hrspotential).<br />
2.2.3 Gesamtverkehr<br />
Der Gesamtverkehr, der durch das ZZN verursacht<br />
wird, lässt sich anh<strong>and</strong> der <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild<br />
'vorgesehenen Anzahl BewohnerInnen und Arbeitsplätze<br />
sowie über das den EinwohnerInnen und<br />
den in den einzelnen DienstzweigenBeschäftigten<br />
verkehrstbeoretisch (Hidber eta!., 1995) zugeordnete<br />
spezifische Verkehrspotential (sVp) abschätzen. Ein<br />
spezifisches Verkehrspotential mit dem Wert von z.B. 2<br />
bedeutet, dass die entsprechende Kategorie (z.B.<br />
best<strong>im</strong>mte Parkplatznutzung), der dieses sVp zugewiesen<br />
wurde, zwei Personenbewegungen prö Tag<br />
induziert oder ausführt. Eine Abschätzung des aufgrund<br />
der geplanten Nutzung zu erwartenden Verkehrs<br />
ist Tab. 2.2.3.1 zu entnehmen.<br />
Der ges~mte, durch das ZZN verursachte Verkehr<br />
wird zwischen 69'000 uQd 94'500 Personenbewegungen<br />
pro Tag betragen. Nach Hasler und·partner<br />
(1993) beträgt das heutige Verkehrsaufkommen <strong>im</strong><br />
ZZN ca. 25'000 Personenbewegungen prö Tag; die<br />
Anzahl der Personenbewegungen wird demzufolge<br />
also aufetwa das dreifache ansteigen. Die Aufteilung<br />
.öffentlicher Verkehr<br />
motorisierter<br />
Individualverkehr<br />
Langsamverkehr<br />
Modal-SpUr laut<br />
Entwicklungsleitbild<br />
45%<br />
30%<br />
25%<br />
Tab. 2.2.3.2 Modal-Split des Gesamtverkehrs.<br />
Verkehrmin<br />
. 31'050<br />
20700<br />
17'250<br />
dieses Verkehrs des mit dem <strong>im</strong> Entwicklungsleit~<br />
bild angestrebten Modal-Split lässt sich Tab. 2.2.3.2<br />
entnehmen.<br />
2.3<br />
Personenbewegungen/<br />
Tag<br />
Widersprüche lind Konflikte des<br />
Entwicklllngsleitbilds<br />
2.3.1 Modal'Split, Allzahl Parkplätze lIach<br />
Elltwicklllllgsleitbild<br />
Laut Sonderbauvorschriften (<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994)<br />
sind <strong>im</strong> Gebiet des ZZN höchstens 4000 Parkplätze<br />
zulässig. Aufgrund der geplanten Bewirtschaftung<br />
dieser Parkplätze kann abgeschätzt werden, wie hoch<br />
der motorisierte Individualverkehr (MIV)<strong>im</strong> ZZN sc;:in<br />
wird. Durch unterschiedliche Bewirtschaftung der<br />
Parkplätze (Zuordnung zu EinwohnerInnen, ArbeitnehmerInnen<br />
oder KundInnen) kann der MIV erhebliche<br />
Unterschiede aufweisen. Die in der Literatur<br />
gefundenen·Werte von spezifischen Verkehrspotentialen<br />
(sVp) für die einzelnen Parkplatzbewirtschaftungen<br />
sind Tab.2.3.1.1 zu<br />
entnehmen.<br />
pie 4000 Parkplätze<br />
Verkehrmax<br />
werden nach Entwicklungsleitbild<br />
auf<br />
die Kategorien Beschäftigte<br />
(1800 Parkplätze),<br />
BewohnerIn-<br />
42'525<br />
............ . nen (1500 Parkplä~ze)<br />
Personenbewegungen!<br />
Tag<br />
28'350<br />
23'625<br />
und BesucherInnen<br />
(700 Parkplätze) aufgeteilt.<br />
Anh<strong>and</strong> der<br />
obigen Literaturwerte<br />
setzten wir für die<br />
146 UNS-Fallstudie '96
________~ ~<br />
Verkehr<br />
einzelnen Kategorien folgende spezifischen.<br />
Verkehrspotentiale:<br />
Beschäftigte und<br />
BewohnerInnen<br />
BesucherInnen<br />
sVp = 2.5<br />
sVp = 19<br />
Die ,Kategorie «BesucherInnen»<br />
schliesst KundInnen sowohl von Einkaufszentren<br />
wie auch von Dienstleistungsbetrieben<br />
mit ein. Ein spezifisches<br />
Verkehrspotential von 20 entspricht<br />
10 Parkplatzbenutzungen pro<br />
Tag; dieser Wert liegt für einen Besucherparkplatz<br />
. sicher am unteren<br />
Ende des Spektrums. Da wirja aber<br />
den durch die Parkplätze entstehenden<br />
Verkehr keinesfalls zu hoch<br />
einschätzen wollen, wählten wir die<br />
jeweiligen sVp am unteren Ende ihres<br />
Wertbereichs.<br />
Derin Tab. 2.3.1.2 berechnete Werl<br />
von 21 '550 Personenwagenbewegungen<br />
pro Tag kann mit einem Wert<br />
für den mittleren. Besetzungsgrad<br />
(1.4 Personen/Wagen; Hidber et al.,<br />
1995) eines PKWs in Personenbewegungen<br />
umgerechnet und damit mit<br />
dem Wert aus Kapitel 2.2.3 GESAMT-<br />
. VERKEHR für den MIV verglichen werden.<br />
Man erhält also 30'110 Personenbewegungenpro<br />
Tag mit MIV,<br />
die 28'350 über den Modal-Split berechneten<br />
Bewegungen gegenüberstehen;<br />
Das Entwicklungsleitbild birgt<br />
hier ein Konfliktpotential, indem es einen<br />
Modal-Splitfordert, der mit 4000 Parkplälzen<br />
schwierig einzuhalten sein wird.<br />
Die einfachste Möglichkeit zur<br />
Einhaltung des Moda/~Splitwäreeine<br />
Reduktion der Parkplatzzahl auf dem<br />
Areal. Durch eine einfache Rechnung<br />
kann gezeigt werden, dass ohne<br />
das Parkplatzverhältnis (BewohnerInnen<br />
37.5%, Beschäftigte 45%,<br />
BesucherInnen 17.5%)·zu verändern,<br />
die Anzahl Parkplätze auf 3750 beschränkt<br />
werden muss, um den motorisierten<br />
Individualverkehr nicht über<br />
2s"'350 Personenbewegungen pro Tag<br />
(entspricht 30% des Gesamtverkehrs)<br />
ansteigen zu lassen.<br />
Es gibt weitere Massnahmen, die<br />
den Anteil des MIV reduzieren und<br />
den öffentlichen Verkehr fördern: ein<br />
Beispiel wäre die Einführung von<br />
Car-Sharing; sie würde einerseits den<br />
Parkplatzzuteüung<br />
BewohDerlnnen<br />
Industrie<br />
Dienstleistung<br />
Einkaufszentrum<br />
sVpmin<br />
2.9<br />
sVpmu<br />
Personenwagenbewegungenffag<br />
Personenwagenbewegungenffag<br />
Tab. 2.3.1.1 Spezifische Verkehrspotenliale (sVp) für unterschiedliche Parkplatznutzungen (Glaser,<br />
Saxer + 'Partner, 1983).<br />
Abb. 2.3.1 Das ZZNproduziert «Verkehr.: Aufdem Areal des ZZN werden heute wie auch in<br />
Zukunft Schienenfahrzeuge hergestellt (Bild: Michael Meier).<br />
Beschäftigte<br />
BewohDerlnnen<br />
Besucherinnen<br />
Total<br />
Arbeitnehmerinnen<br />
Arbeitnehmerinnen<br />
Kundinnen<br />
Anzahl Parkplätze<br />
1'800<br />
1'500<br />
700<br />
4'000<br />
3'750<br />
sV,<br />
2.0<br />
2.5<br />
22A<br />
19A<br />
19<br />
2.5<br />
2.5<br />
2.9<br />
2.2<br />
8.6<br />
25.5<br />
Verkehr<br />
Tab. 2.3.1.2 Durch Parkplätze verursachtes Verkehrsaufkommen <strong>im</strong> ZZN. Mit 4000 Parkplätzen<br />
.dürfte es schwierig sein, den <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild angestrebten Modal-Split einzuhalten.<br />
Personenwagenbewegungenffag<br />
4'500<br />
13'300<br />
21'550<br />
22A<br />
UNS-Fallstudie '96 . 147
Verkehr - _<br />
Modal-SpÜt zugunsten des öffentlichen<br />
lit'rkehrs verschieben, und <strong>and</strong>rerseits<br />
könnte dadurch auch mit weniger Parkplätzen<br />
der gleiche Verkehr bewältigt<br />
werden.<br />
2.3.2 Bedürfnisse der Akteure<br />
Im Rahmen der Fallstudie, wurden<br />
strukturierte Interviews mit 2 VerkehrsplanerInnen,<br />
2 GrundeigentümerInnen<br />
und 2 DienstleistungsanbieterInnen<br />
durchgeführt.<br />
Ein wichtiges Thema um den motorisierten Individualverkehr<br />
sind die Parkplätze. Dass eine ausreichende<br />
Anzahl von ihnen vorh<strong>and</strong>en ist, wird als<br />
wichtiges. Kriterium für eine Investition erachtet. Ausserdem<br />
.zeigt sich aus best<strong>im</strong>mten Antworten aber auch, dass<br />
sich Einige des <strong>im</strong> Kap. 2.3.1 MODAL-SPLIT, ANZAHL<br />
PARKPLÄTZE NACH ENlWICKLUNGSLEITBILD dargelegten<br />
Widerspruchs (Parkplatzzahl-MIV-Menge) noch nicht<br />
bewusst sind. Die St<strong>im</strong>mung, wie sie sich aus den<br />
Antworten ableiten lässt, präsentiert sich v'orsichtig,<br />
konservativ. Die schlechte<br />
Wirtschaftslage ist wohl der<br />
Hauptgrund dafür, dass lieber<br />
an Altemfestgehalten al~ auf<br />
Neues eingegangen wird (z.B.<br />
ablehnende St<strong>im</strong>mung gegenüber<br />
Car-Sharing). In diesem<br />
Sinne ist es zumindest zum<br />
heutigen Zeitpunkt schwierig, die<br />
Investorenbedürfnisse mit der<br />
geplanten Beschränkung auf<br />
4000 Parkplätze zu verein7<br />
baren. Dieser Konflikt wird<br />
die GrundeigentümerInnen<br />
und das Entwicklungsleitbild<br />
aber wahrscheinlich in, einigen<br />
Jahren ernsthaft auf die<br />
Probe stellen, sollte sich die<br />
Wirtschaftslage und/oder die<br />
Risikobereitschaft der InvestorInnen<br />
in Zukunft nicht<br />
entscheidend ändern.<br />
Kapazität Durchgangsverkehr Gesamtverkehr<br />
in Fz./h heute in FZ'/h zur heute in FZ'/h zur<br />
Abendspitzenstd. Abendspitzenstd.<br />
Birchstrasse 1300 700 (70%) 1000<br />
..................... .. ..............<br />
Binzmühlestrasse 1200 940 (70%) 1350<br />
Tab. 2.3.3 Verkehrsaufkommen der Binzmülzle- und Birchstrosse heute. Der Anteil des<br />
Durchgangsverkehrs am Gesamtverkehr beträgtfür beide Strassen 70%.<br />
2.3.3 Strassenverkehrsnetz nach ElItwicklungsleitbild,<br />
zusätzlicher motorisierter Individualverkehr<br />
Als wichtigste Änderungen gemäss den Sonderbauvorschriften,<br />
Art. 23 Abs. 2 (<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994) ist<br />
geplant, die Binzmühlestrasse West so zu gestalten,<br />
dass sie nicht mehr als Zufahrt ins Industriegebiet<br />
dient (vgI. Kap. 2.2.2 ENlWICKLUNGSLEITBILlJ) und die<br />
l3irchstrasse unterirdisch an die N20 zu verlängern.<br />
Esgilt abzuschätzen, wie sich die geplanten ~Ände<br />
-rungen zusammen mit dem durch die Umnutzung<br />
des ZZN entstehenden Mehrverkehr auf die Verkehrssituation<br />
auswirken werden.<br />
Wie schon <strong>im</strong> Kap. 2.1.4 VERKEHRSBELASTUNG IM<br />
ZZN HEUTE angesprochen, ist das Strassennetz<br />
bereits heute weitgehend ausgelastet. Es ist damit<br />
zu rechnen, dass es durch den Neuverkehr, durch<br />
die unterirdische Birchstrassenverlängerung und<br />
durch geplante Verkehrsumlagerungen in Oerlikon<br />
(z.B. Sperrung Hofwiesenstrasse) weit über seine<br />
Leistungsfähigkeit belastet wird.<br />
Gemäss den Berechnungen aus Kapitel 2.2.3<br />
GESAMTVERKEHR wird der durch das ZZN verursachte<br />
Abb. 2.3.3 Prognostizierte Verkehrsbelastung zu Abendspitzenstunden <strong>im</strong> ZZN(Hasler undPartner, 1993).<br />
Ohne zusätzliche Massnahmen durfte das zukünftige Verkehrsaufkommen schwierig zu bewältigen sein.<br />
148 UNS-Fallstudie '96
---~--------- Verkehr<br />
motorisierte Individualverkehr mit Modal-Split (Ruoss<br />
& Siress, 1994) <strong>im</strong> besten Fall ca. 20'000 Personenbewegungen/Tag<br />
betragen, was mit einem mittleren<br />
Besetzungsgrad von 1.4 Personen/Wagen ungefähr<br />
14'500 Personenwagenbewegungen/Tag entspricht.<br />
Dies ergibt durchschnittlich auf die Stunde einen<br />
zusätzlichen Ziel-/Quellverkehr von ca. 600 Fz./h.<br />
Durch Überlagerung dieser Verkehrsmenge mit dem ,<br />
heutigen Durchgangsverkehr kann die zukünftige<br />
Belastung grob abgeschätzt werden. Die dazu nötigen<br />
Zahlen wurden Hasler und Partner (1993, S, 8)<br />
entnommen.<br />
Die 600 zusätzlichen Fz./h werden die Kapazitäten<br />
also bis an die absolute Grenze belasten (neu: Birchstrasse<br />
1300 Fz./h, Biilzmühlestrasse 1540 Fz./h).<br />
Dabei ist noch anzumerken, dass der zusätzliche MIV '<br />
mit 20'700 Personenbewegungen/Tag sehr ~ief angesetzt<br />
wurde und dies,e Verkehrsmenge sich natürlich<br />
nicht gleichmässig über 24 Stunden verteilt, sondern<br />
überproportional zu den Spitzenstunden (Abb~ 2.3.3)<br />
anfallen wird. Es ist also damit zu rechnen, dass diese<br />
Strassen auch ohne zusätzliche Massnahmen (beispielsweise<br />
Strassenschliessungen in Oerlikon) überlastet<br />
sein werden.<br />
Eine Sperrung d~r Binzmühlestrasse West führt<br />
noch zu einer Mehrbelastung dieser Strassen, da der<br />
davon betroffene Durchgangsverkehr von 540 Fz./h<br />
auf die Achse Regensbergstrasse-Birchstrasse ausweichen<br />
und die Birchstrasse damit noch zusätzlich<br />
belasten wird.<br />
Eine unterirdische Verlängerung der Birchstrasse<br />
an die A20 hätte eine drastische Erhöhung des<br />
Durchgangsverkehrs auf der Birchstrasse <strong>im</strong> besonderen,<br />
aber auch <strong>im</strong> gesamten ZZN zur Folge. Es<br />
könnten dadurch aber Strassen in Oerlikon vom<br />
Durchgangsverkehr entlastet werden; die Gefahr besteht<br />
jedoch darin, dass durch eine solche Leistungsund<br />
Attraktivitätssteigerung des Strassennetzes die<br />
Gesamtverk~hrsmengestark erhöht würde.<br />
Der durch das ZZN verursachte Mehrverkehr muss<br />
also so tief wie möglich gehalten werden. Gleichzeitig<br />
sollen Massnahmen zur Eindämmung und<br />
Umleitung des Durchgangsverkehrs getroffen werden,<br />
um das Strassenverkehrsnetz nicht übermässig<br />
zu belasten und damit eine akzeptable Lebensqualität<br />
<strong>im</strong> ZZN gewahrleisten zu können.<br />
3. Vorgehen, Methode<br />
3.1 Bildung der Verkehrsmodelle mit<br />
formativer Szenarioanalyse<br />
Die Teilprojektphase der Synthesegruppe VERKEHR<br />
befasste sich vor allem mit qualitativen und quantitativen<br />
Massnahmen zur Verkehrsbeeinflussung. In<br />
der Schlussphase wurden mit diesem Massnahmenkatalog<br />
Verkehrsmodelle entwickelt, wobei als Ausgangspunkt<br />
das Entwicklungsleitbild diente. Die<br />
verschiedenen Verkehrsmodelle sollen jedoch unterschiedliche<br />
Massnahmen beinhalten, die auch eine<br />
Veränderung zur <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild vorgesehenen<br />
Planung bedeuten. Um zu den unterschiedlichen<br />
Verkehrsmodellen zu gelangen, wurde die<br />
Methode derformativen Szenarioanalyse (Scholz et al.,<br />
1996; Schärli & Hassler, 1996) angew<strong>and</strong>t. Dabei ging<br />
es darum, aus der Sicht des Verkehrs widerspruchs-<br />
. freie Verkehrsmodelle (in der Szenarioanalyse spricht<br />
man gewöhnlich von Szenarien) für das ZZN zu entwickeln<br />
(eine Beschreibung der formativen Szenarioanalyse<br />
findet sich <strong>im</strong> Kap. FORMATIVE SZENARIOANA<br />
LYSE). Globale Einflussfaktoren wie «Verfügbarkeit<br />
von Ressourcen» oder
Verkehr _,..__--~----------_,..__---------- _<br />
• Citylogistik mit flankierenden Massnahmen:. Die Benutzung<br />
der Citylogistik bleibt weiterhin freiwillig,<br />
durch flankierende Massnahmen wird aber deren<br />
Konkurrenzfähigkeit erhöht: Citylogistik-Fahrzeuge<br />
werden bevorzugt, da für sie keine Lieferzeitfenster<br />
gelten und sie keine Einfahrlizenzen<br />
benötigen; das Schienennetz wird opt<strong>im</strong>al ausgelastet;<br />
die Strassen weisen enge Kurvenradien auf<br />
und mittels Steuererleichterungen 'und Subventionen<br />
wird die Beteiligung an der Citylogistik<br />
gefördert.<br />
Die Darstellung aller Einfluss/aktoren mit den dazugehörenden<br />
Ausprägungen finden sich <strong>im</strong> Kap. 6.1<br />
EWFLUSSFAKTOREN.<br />
Da bei einer Szenarioanalyse die theoretische<br />
Anzahl konsistenter Szenarien jeweils gross sein<br />
kann,wurden parallel zur Konsistenzanalyse vier mögliche<br />
Rahmenbedingungen für die Verkehrsmodelle<br />
definiert. ,<br />
• Modell Entwicklungsleitbild: Dieses Modell widerspiegelt<br />
den heutigen St<strong>and</strong> der Planung und<br />
basiert vor allem auf den Sonderbauvorschriften.<br />
• Modell Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert: Dieses Modell<br />
basiert auf dem Modell EntwicklungsIeitbild,<br />
versucht aber durch zusätzliche Massnahmen die<br />
in Kap. 2.3 WIDERSPRÜCHE UND KONFLIKTE DES ENT<br />
WJCKLUNGSLEITBILDES beschriebenen Schwierigkeiten<br />
zu verringern.<br />
• Modell ÖV-LV max: DiesesModell sieht Massnahmen<br />
vor, die den öffentlichen und den Langsamverkehr<br />
fördern und den motorisierten Individualverkehr<br />
reduzieren: In diesem Modell sollen insbesondere<br />
auch die Anliegen der schwächeren VerkehrsteilnehmerInnen<br />
besonderes Gewicht erhalten.<br />
• Modell MIV max: Bei diesem Modell soll das zu<br />
. erwartende Verkehrsaufkommen <strong>im</strong> ZZN vor allem<br />
durch den motorisierten Individualverkehr (MIV) bt
-------------'--------------<br />
Verkehr<br />
ermittelt. Die aus der Parkplatznutzung . Industrie<br />
berechnetet MIV-Menge wird vom Mittelwert<br />
des Gesamtverkehrs subtrahiert.<br />
Man erhält so die Restverkehrmenge.<br />
Diese wird <strong>im</strong> Verhältnis 45 zu 25, dem<br />
<strong>im</strong> Entwicklungsleitbild angestrebten<br />
Modal-Split entsprechend (30% MIV,<br />
Dienstleistung<br />
45% Öv, 25% LV), in zwei neue Bereiche<br />
öffentlicher Verkehr (ÖV) und Langsamverkehr<br />
(LV) aufgeteilt. Die Menge an ÖV Wohnen<br />
und LV wird durch die Massnahmen, aus<br />
denen sich die einzelnen Verkehrskonzepte<br />
zusammensetzen, unterschiedlich<br />
beeinflusst. Bei max<strong>im</strong>aler Förderung<br />
wird vom jew~iligen Bereich der Max<strong>im</strong>alwertgenommen,<br />
bei min<strong>im</strong>aler Förderung<br />
entsprechend der kleinste.<br />
Bei Verkehrsmodellen mit starker Fördenlng von<br />
ÖV und LV wird nicht davon ausgegangen, dass der<br />
Verkehr von MIV auf ÖV und LV umgelagert wird.<br />
Die Gesamtverkehrsmenge wird jedoch erhöht;<br />
dieses Phänomen wurde auch nach Einführung der<br />
S-Bahn in Zürich beobachtet (Jenni + Gottardi AG,<br />
1988).<br />
Für die Umrechnung von Personenbewegungen<br />
in Personenkilometer wurde jeweils eine mittlere<br />
Distanz von 500 Metern angenommen, wasungefahr<br />
dem halben Durchmesser des ZZN entspricht.<br />
3.2.2. Güterverkthrabschiitzungen<br />
Zur Berechnung der Güterverkehrflüsse, welche <strong>im</strong><br />
ZZN entstehen werden, wurde ein einfaches Modell<br />
entwickelt:<br />
Das ZZN hat nach Entwicklungsrichtplan eine<br />
best<strong>im</strong>mte, vorgegebene Nutzung, welche in den<br />
Sonderbauvorschriften festgehalten wurde. Diese<br />
Nutzung teilt sich auf in Wohnen, Dienstleistung<br />
und Industrie (die öffentliche Nutzung wurde <strong>im</strong><br />
Modell je nach Nutzungsart entweder zur Dienstleistung<br />
oder Industrie dazugezählt).<br />
Zur Berechnung werden die Bruttogeschossfläche<br />
der Sonderbauvorschriften (<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994) sowie<br />
die Arbeitsplatzintensität (Arbeitsplatzzahl pro<br />
Hektare Bruttogeschossfläche) benötigt..<br />
Mittels Umrechnungsformeln, welche den Zusammenhang<br />
zwischen Arbeitsplatzzahl, Bruttogeschossfläche<br />
und Arbeitsplatzintensität sowie dem<br />
Güterverkehrpotential wiedergeben, wurden die<br />
<strong>im</strong> ZZN induzierten Lastwageneinheiten berechnet.<br />
In einem zweiten Schritt wurden diese dann in<br />
LKW-, Lieferwagen- und SBB-Güterwageneinheiten·umgerechnet.<br />
Die Umrechnungsfonnein, die zur Berechnung des<br />
Güterverkehrpotentials angewendet worden sind,<br />
lassen sich Tab; 3.2.2 entnehmen.<br />
LWE(fag= 0.1 *A-4.24 *BGF+0.003 *NBGF<br />
Man beachte, dass anstelle der Bruttogeschossfläche<br />
eigentlich die effektiv nutzbare Fläche benutzt werden<br />
sollte. Dies ist aufgrund der Datengrundlage nicht<br />
möglich (Schirato & Hidber, 1991).<br />
Es resultiert ein Verkehrspotential von 0.32 LWE pro Tag·<br />
und Angestellte (lnfras & Buser +Finger, 1995; Cargonet<br />
AG,1996).<br />
Es resultiert ein Verkehrspotential von 0.00016 LWE pro<br />
Bewohnerln (lnfras & Buser+ Finger, 1995).<br />
Tob. 3.2.2 Umrechnungsformeln zur Berechnung des Güterverkehrpotentiols in Lostwogeneinheiten<br />
(A = Arbeitsplotzzohl, BGF = Bruttogeschossfläche in ho, A/BGF =<br />
Arbeitsplatzintensität, LWE = Lastwageneinheiten..<br />
Es ist zu beachten, dass die Güterverkehrsströme<br />
der Entsorgung (z.B. Kehrichtabfuhr) nicht berücksichtigt<br />
wurden. Dei' dabei entstehende Fehler ist<br />
aber gering, da das Entsorgungspotential viel kleiner<br />
ist als das Versorgungspotential.<br />
Die Güterverkehrpotentiale werden in Lastwageneinheiten<br />
(LWE) pro Tag angegeben. Die Umrechnung<br />
von LWE in LKW (Lastwagen >3.5 t) und<br />
Lieferwagen (Lastwagen
Verkehr ---'- _<br />
heute durch den Verkehr verursachte Indikatorwert<br />
als min<strong>im</strong>aler Nutzen definiert und eine<br />
nachhaltige Belastung als max<strong>im</strong>aler Nutzen. Die<br />
Best<strong>im</strong>mung einer nachhaltigen Belastung basierte<br />
auf den Methoden des Umweltraumes und der<br />
criticalloads (Infras, 1995a).<br />
• Anschliessend galt es, die eigentliche Bewertung<br />
durchzuführen. Dazu musste der Indikatorwert<br />
für die einzelnen Modelle auf quantitative oder<br />
qualitative Art best<strong>im</strong>mt werden.<br />
• Mit der Nutzenfunktion konnte der dem Indikatorwert<br />
entsprechende Nutzen best<strong>im</strong>mt werden.<br />
• Durch die Aggregation der einzelnen Nutzen<br />
wurde der Gesamtnutzen berechnet, der eine Rangfolge<br />
der Verkehrsmodelle angibt und eine grobe<br />
Abschätzung bzgl. Nachhaltigkeit ermöglicht.<br />
3.3.2 Indikatorenset<br />
Die Auswahl der Indikatoren wurde aufgrund von<br />
Literaturstudium und Expertengesprächen getroffen.<br />
Dabei wurden folgende Kriterien angew<strong>and</strong>t:<br />
• Der Indikator musste für die gewählte Definition<br />
von Nachhaltigkeit (vgl.<br />
Kap. NACHHALTIGKElT) von<br />
Bedeutung sein.<br />
• Der Verkehrsanteil an der<br />
gesamten Belastung für. den<br />
Indikator musste relevant<br />
sein, z.B. hat der Eintrag<br />
von Schwermetallen in Böden<br />
sehr langfristige. Auswirkungen<br />
und widerspricht<br />
einem nachhaltigen Verhalten.<br />
Mit der mehrheitlichen<br />
VerWendung von bleifreiem<br />
Benzin· führt der Verkehr<br />
aber nur noch zu geringen<br />
Schwermetallemissionen.·<br />
• Indikatoren, die bereits in<br />
einem <strong>and</strong>eren Indikator<br />
berücksichtigt wurden, sind<br />
weggelassen worden. Beispiel:<br />
der Indikator Verbrauch<br />
fossiler Treibstoffe, der<br />
für eine beschränkte Ressource<br />
steht, wird bereits<br />
<strong>im</strong> Indikator COz berücksichtigt,<br />
der in diesem Sinn<br />
sowohl für den Treibhauseffekt<br />
wie auch. für die beschränkte<br />
Ressource steht.<br />
Tab. 3.3.2 zeigt eine Übersicht<br />
über das Indikatorensystem.<br />
Das Problem bezeichnet die<br />
durch den Verkehr verursach-<br />
Bereich<br />
klassische Umweltindikatoren<br />
Aktivitäten der<br />
AJithroposphäre<br />
Humantoxizität<br />
ten Auswirkungen, welche die Nachhaltigkeit beeinflussen.<br />
Der Indikator istdiejenige Grö'sse, welche<br />
die Auswirkungen qualitativ oder quantitativ beschreibt.<br />
Das in Tab. 3.3.2 beschriebene Indikatorensystem<br />
ist das vollständige. Lücken enthält es evtl. noch <strong>im</strong><br />
BereiCh der sozialen Indikatoren. Ansonsten sind die<br />
wichtigstenAuswirkungen des Verkehrs erfasst, welche<br />
eine nachhaltige Nutzung des ZZN beeinflussen.<br />
Die in Kap. 3,1 BILDUNG DER VERKEHRSMODELLE<br />
MITFORMATIVER SZENARIOANALYSE beschriebenen Verkehrsmodelle<br />
ermöglichen aber nicht in allen Fällen<br />
die Best<strong>im</strong>mung des Indikatorwertes, weshalb die<br />
Indikatoren AnteilEnergie aus KKW, Materialverbrauch<br />
<strong>im</strong> Strassenbelag, Abriss von Verkehrsanlagen, Kostendeckungsgrad,<br />
Betriebskosten und Infrastrukturkosten für<br />
die weitere Bearbeitung weggelassen wurden (siehe<br />
Spalte best<strong>im</strong>mbar in Tab. 3.3.2). Dadurch fällt der<br />
Bereich Wirtschaft aus der Bewertung. Die Gesamtbeurteilung<br />
lässt daher keine abschliessende Aussage<br />
in bezug auf die Nachhaltigkeit zu. Gewisse<br />
wirtschaftliche Überlegungen finden sich jedoch <strong>im</strong><br />
Kap. 5.3 BEWERTUNG DER WIRTSCHAFTLICHEN FOLGEN.<br />
Problemkreis<br />
Treibhauseffekt<br />
Versauerung.<br />
Ozonierung<br />
Versauerung<br />
.............................<br />
Bodenversiegelung<br />
Energieverbrauch<br />
Materialverbrauch<br />
Entsorgung<br />
Soziale Indikatoren Strassengestalturig<br />
Wirtschaft<br />
...........<br />
Sicherheit<br />
Rendite<br />
Indikator<br />
CO~ , .<br />
NO x<br />
S02<br />
. .<br />
Versiegelte Fläche<br />
Pr<strong>im</strong>ärenergieverbrauch<br />
Anteil Energie aus KKW<br />
Materialverbrauch <strong>im</strong><br />
Strassenbelag<br />
.......................................<br />
Materialverbrauch durch<br />
Fahrzeuge<br />
Abriss von Verkehrsanlagen<br />
Deponieabfälle<br />
Luftbelastung Smogindex<br />
..............................<br />
durch Schadstoffe<br />
. .<br />
~~rl.zer~~~rlit~t ......... ~~I1.zer~~~rl.e..S~~f~e.....<br />
Lärmbelastung Schallpegel<br />
Behindertengerechtigkeit<br />
........................................................<br />
Langsamverkehrsgerechtigkeit<br />
...............................................<br />
Unfallrate<br />
Kostendeckungsgrad<br />
.........................<br />
Betriebskosten<br />
Infrastrukturkosten<br />
Tob. 3.3.2 Indikatorensystem ~ur Bewertung eines Verkehrssystems in bezug aufNachhaltigkeit.<br />
best<strong>im</strong>mbar<br />
j<br />
j<br />
j<br />
j<br />
. 1..<br />
j<br />
j<br />
j<br />
j<br />
j<br />
j<br />
j<br />
j<br />
152 UNS·Fallstudie '96
____________~------__,-----------------~-----Verkehr<br />
3.3.3 Systemgrellzell 3.3.4 Defillitioll der Nltzellflllktiollell<br />
Für die Berechnung der Indikatorwerte ist die Festlegung<br />
der Systemgrenzen von grosser Bedeutung.<br />
Die Grenzen des ZZN bieten sich dafür an. Dies<br />
führt aber zu folgenden Verzerrungen:·<br />
• Massnahmen, die nur den Verkehr aus dem ZZN in<br />
umliegende Gebiete verlagern (z.B. Sperrung des<br />
. ZZN für den Durchgangsverkehr), werden positiv<br />
bewertet, was aU$ der Gesamtsicht nicht zutrifft.<br />
• Massnahmen, die vor allem zur Reduktion langer<br />
Fahrten beitragen, werden nicht besser bewertet,<br />
als Massnahmen zur Vermeidung von Kurzfahrten.<br />
Die Wahl <strong>and</strong>erer Systemgrenzen wäre aber mit noch<br />
grösseren Nachteilen verbunden, da sie dann für<br />
jeden Indikator <strong>and</strong>ers definiert werden müssten: Bei<br />
Indikatoren, wo die Immissionen die entscheidende<br />
Grösse sind (z.B. Smogindex, kanzerogene Stoffe),<br />
wären <strong>im</strong>mer noch die Grenzen des ZZN die sinnvollen<br />
Systemgrenzen, bei Emissionsindikatoren<br />
(z.B. COz) müssten die Grenzen so gewählt werden,<br />
dass der grösste Teil der Fahrten enthalten wäre<br />
(Kanton ZH, Schweiz). Auch wären Daten ausserhalb<br />
des ZZN (z.B. bezüglich Fahrtdistahzen) nur<br />
teilweise verfügbar. Daher wurden trotzdem die<br />
Grenzen des ZZN als Systemgrenzen gewählt. Um<br />
die oben dargestellten Verzerrunge-n zu min<strong>im</strong>ieren,<br />
wurdeabe~ der Durchgangsverkehr bei der Bewertung<br />
nicht berücksichtigt.<br />
Für die Bewertung wurden also nur jene Fahrten<br />
berücksichtigt, die <strong>im</strong> ZZNstattfinden. Das gilt<br />
sowohl für deren Zahl wie auch<br />
für deren Länge. Für die einzelne<br />
Fahrt wurde jedoch die ganze<br />
Prozesskette berücksichtigt: Der grösster<br />
gesamte Prozess «Fahrt eines Nutzen 1<br />
Verkehrsmittels» setzt sich aus<br />
den Unterprozessen «Herstellung»,<br />
«Unterhalt», «Entsorgung<br />
des Verkehrsmittels», «Betrieb<br />
direkt», «Betrieb Precombus;..<br />
tion» und «Infrastruktur» zusammen<br />
(Infras, 1995b). «Precombustion»<br />
bezeichnet jene<br />
Belastungen, die vor der Verbrennung<br />
entstehen, d.h. Umweltbelastungen<br />
der Prospektion (Erkundung<br />
der Rohstoffquelle),<br />
Rohstofförderung und Transport<br />
der Pr<strong>im</strong>ärenergieträger. Von'<br />
diesem Gesamtprozess . fallen<br />
normalerweise nur die Emissionen<br />
aus dem «Betrieb direkt»<br />
<strong>im</strong> ZZN an, für die <strong>and</strong>eren Teilprozesse<br />
ist das ZZN nur der<br />
«Verursacher des Prozesses».<br />
0.9<br />
0.8<br />
0.7<br />
. 0.6<br />
c:<br />
CD<br />
.g 0.5<br />
z<br />
0.4<br />
0.3<br />
0.2<br />
\<br />
\<br />
Die multikriterielle Nutzentheorie verlangt für jeden<br />
Indikator.die Definition einer Nutzenfunktion, die sich<br />
aus einer Vorgabe für die Skalierung und die Form der<br />
Funktion zusammensetzt. Die Skalierung wird durch<br />
die Festlegung des am meisten gewünschten (= max<strong>im</strong>aler<br />
Nutzen) und des am wenigsten gewünschten<br />
(= min<strong>im</strong>aler Nutzen) Indikatorwertes definiert (siehe<br />
Abb.3.3.4).<br />
Mit der Form der Funktion kann berücksichtigt<br />
werden, dass eine Veränderung des Indikatorwertes<br />
nicht <strong>im</strong>mer die gleiche Änderung des Nutzens<br />
zur Folge hat. Weist beispielsweise ein toxischer<br />
Stoffeinen Schwellenwert auf, oberhalb dem er akut<br />
toxisch wirkt, n<strong>im</strong>mt der Nutzen um diesen Wert<br />
bedeutend mehr ab als unterhalb. Diesen Zusammenhang<br />
zwischen Indikator und Nutzen liesse sich durch<br />
umfangreiches Literaturstudium oder durch Expertenbefragungen<br />
herleiten. Dies sprengte den Rahmen<br />
dieser Fallstudie, weshalb für alle Indikatoren<br />
eine lineare Nutzenfunktion gewählt wurde.<br />
Die Verkehrsmodelle sollten in bezug auf Nachhaltigkeit<br />
bewertet werden, was' bei der Skalierung<br />
berücksichtigt wurde: Der am meisten gewünschte Indikatorwert<br />
wurde auf dem Niveau einer nachhaltigen.<br />
Belastung für das ZZN definiert. Für den am wenigsten<br />
gewünschten Indikatorwert nahmen wir eine Belastung<br />
an, die ein voll ausgebautes ZZN bei heutigem<br />
Verkehrsverhalten verursachen würde. Die für den<br />
Bereich des Indikators nachhaltige Belastung wurde<br />
Beispiel für Nutzenfunktionen<br />
-----.-- - ........<br />
konkave Funktion<br />
\ ,<br />
\ \<br />
\ \<br />
\ lineare Funktion \<br />
----------~---------------------------------- ------------------------------------~-----------<br />
\ \<br />
, \<br />
, \<br />
konvexe Funktion \<br />
..... .... . \<br />
.... .... \<br />
........ \<br />
....<br />
0.1<br />
kleinster<br />
............<br />
\<br />
Nutzen 0<br />
2.1 7.1<br />
am meisten gewünschter<br />
am wenigsten gewünschter<br />
Indikatorwert CO 2 -Emission (tld) Indikatorwert Indikatorwert<br />
Abb. 3.3.4 Mögliche Nutzenfunktion für die Indikatoren am Beispiel des COz. Gewühlt wurde jeweils<br />
die lineare Funktion.<br />
UNS:Fallstudie '96 153
Verkehr ----:.__..:......: _<br />
Skalierungsmethode<br />
Skala basiert auf heutiger und nachhaltiger<br />
Belastung<br />
Skala durch Wert des besten und<br />
schlechtesten Modells best<strong>im</strong>mt.<br />
Qualitative Best<strong>im</strong>mung: Der Nutzen<br />
wurde direkt aus den gewählten Ausprägungen<br />
best<strong>im</strong>mt<br />
Indikatoren<br />
auf Basis der Umweltraum- und der critical-Ievels- bzw.<br />
-loads-Methode best<strong>im</strong>mt. Bei der Umweltroummethode<br />
wurden aus der weltweit zulässigen Belastung bzw.<br />
einem nachhaltigen Ressourcenabbau über die Bevölkerungszahl<br />
die für ein Gebiet zulässigen Werte<br />
berechnet. Grundlage dafür ist das Gleichverteilungsprinzip,<br />
d.h. jeder Mensch hat das gleiche<br />
Anrecht auf Ressourcenverbrauch. Bei den criticallevels<br />
bzw. -loads wurden die Emissionsziele, ausgehend<br />
von kritischen Konzentrationen bzw. Einträgen<br />
in die verschiedenen Umweltkompart<strong>im</strong>ente, festgelegt.<br />
Kritisch ist eine Menge, falls sie schädliche<br />
Auswirkungen für Mensch, Tier, Pflanzen oder<br />
'Lebensräume verursacht. Für die Schweiz wurden<br />
diese Untersuchungen in einer Studie von Infras '<br />
(l995a) getätigt. Diese Studie enthält auch detaillierte<br />
Angaben zur Methodik.<br />
Die in Infras (1995a) definierten Werte für die<br />
Schweiz mussten auf das ZZN «umgelegt» werden.<br />
Das Flächenverhältnis eignete sich nicht als Umrechnungsfaktor,<br />
da das ZZN als ein dichtbesiedeltes<br />
Gebiet geplant ist, welchem eine höhere, flächenmässige<br />
Umweltbelastung zusteht als weniger dicht<br />
besiedelten Gebieten. Die Umrechnung wurde daher<br />
über den zu erwartenden Verkehr <strong>im</strong> ZZN<br />
<strong>im</strong> Verhältnis zum Gesamtverkehr in der Schweiz<br />
durchgeführt: Gemäss den Verkehrsabschätzungen<br />
dieser Studie werden <strong>im</strong> ZZN pro Tag 69'000 bis<br />
94'500 Verkehrsbewegungen stattfinden, was bei<br />
einer durchschnittlichen Distanz <strong>im</strong> ZZN von 500 m<br />
(halber Durchmesser) zu 34'000 bis 47'000 km pro<br />
Tag führt. Aus der Verkehrsstatistik 1993 (Bundesamt<br />
für Statistik, 1995a) lä,sst sich entnehmen, dass in<br />
der Schweiz in den Bereichen motorisierter Individualverkehr<br />
(MIV) und öffentlicher Verkehr (ÖV) 99'914<br />
Mio. Personenkilometer pro Jahr (ohne Luftverkehr)<br />
zurückgelegt wurden. Die für die Schweiz 1994<br />
ermittelten Verkehrsanteile betragen be<strong>im</strong> MIV 71 %,<br />
be<strong>im</strong> ÖV 20% und be<strong>im</strong> Langsamverkehr (LV) 9%<br />
(Bunqesamt für Statistik, 1995b). Somit beträgt der<br />
verkehrsspezifische Anteil des ZZN an der gesamtco<br />
2 ; NO.; S02; Betriebsenergie<br />
Material fahrzeuge; Deponieabfälle; Smogindex;<br />
k<strong>im</strong>ze'rogene Stoffe; Schallpegel<br />
Versiegelte Flächen; Unfallrate; langsam<br />
. verkehrsgerechte Strassengestaltung;<br />
Behindertengerechte Strassengestaltung<br />
Tab, 3.3.4 Die drei verwendeten Methoden zurSkalierungder Indikatoren. Nurbei vierIndikatoren<br />
konnte Nachhaltigkeit quantitativ berocksichtigt werden.<br />
schweizerisch zurückgelegten Personenkilometerzahl<br />
rund 0.13%0. Diese Art der Umrechnung vergleicht<br />
nur die Zahl der zurückgelegten Kilometer<br />
und nicht die Art und Weise wie sie zurückgelegt<br />
werden. Dicht besiedelten Gebieten wie Städten<br />
fallt es jedoch einfacher, den Verkehr effizient abzuwickeln,<br />
da stark gebündelte Verkehrsströme entstehen.<br />
Somit wird der Verkehr in Städten mit dieser<br />
Methode bereits heute dem Ziel der Nachhaltigkeit<br />
näherkommen als Verkehr auf dem L<strong>and</strong>. Wieweit<br />
dies erwünscht ist oder eher als Mangel der Methode<br />
betrachtet werden muss, bleibt offen. .<br />
Die Skalierung der Indikatoren ~onnte nicht in jedem<br />
Fall nach obiger Methode durchgeführt werden.<br />
Teilweise waren Referenzwerte für eine nachhaltige<br />
Belastung der Schweiz nicht bekannt. Bei <strong>and</strong>eren<br />
Indikatoren erlaubten die Verkehrsmodelle nur qualitative<br />
Aussagen. Letzteres betrifft insbesondere jene<br />
Indikatoren, die nur schwach mit dem Verkehrsaufkommen<br />
korrelieren. Daher musste bei einigen<br />
Indikatoren die Skalierung mit <strong>and</strong>eren Methoden<br />
erfolgen. Folgende zwei weitere Methoden wurden<br />
angew<strong>and</strong>t:<br />
• Bei quantitativ best<strong>im</strong>mbaren Indikatoren dienten die<br />
,berechneten Werte der Verkehrsmodelle als<br />
Grundlage für die Skalierung. Der Wert des besten<br />
Verkehrsmodells wurde als der am mtJisten gewünschte<br />
Indikatorwert festgelegt, derjenige des<br />
am schlechtesten abschneidenden Modells als der<br />
am wenigsten gewünschte.<br />
• Bei qualitativ best<strong>im</strong>mbaren Indikatorwerten wurde<br />
jeweils direkt aus den gewählten Ausprägungen<br />
ein Nutzen festgelegt.<br />
Tab. 3.3.4 gibt eine Übersicht über die Skalierungsmethode<br />
für die einzelnen Indikatoren. .<br />
Die so definierten Nutzen/unktionen beruhen einerseits<br />
auf Abschätzungen. Andererseits sind verschiedene<br />
Skalierungsmethoden verwendet worden, was<br />
jedoch nur geringe Auswirkungen hat, da nur die<br />
Gewichtung und nicht die Rangfolge derModelle für .<br />
die einzelnen Indikatoren beeinflusst wird. Hingegen<br />
muss bei der Interpretation<br />
in bezug auf Nachhaltigkeit berücksichtigt<br />
werden, dass die Definition<br />
eines nachhaltigen Wertes<br />
nur bei wenigen Indikatoren gelang<br />
(vgl. Kap. 5.2 SIND DIE MODELLE<br />
NACHHALTIG?).<br />
3.3.5 Gewichtung der Indikatoren<br />
Nebst der Definition der Nutzenfunktionen<br />
musste auch jedem<br />
Indikator eine Gewichtung zugewiesen<br />
werden. Die Nutzen der Verkehrsmodelle<br />
für die einzelnen Indi-<br />
154 UNS-Fallstudie '96
.:,-__.:,-<br />
katoren wurden jeweils mit den Gewichten multipliziert,<br />
bevor sie zum Gesamtnutzen zusammengezählt<br />
wurden.<br />
Die Gewichtungen wurden in einer Gruppendiskussion<br />
unter Beteiligten der Fallstudie ermittelt. Dabei<br />
wurden folgende Kriterien berücksichtigt:<br />
• Falls der Verkehrsanteil an der gesamten Belastung<br />
des Indikators hoch ist, erhält dieser Indikator ein<br />
hohes Gewicht.<br />
• Falls der Indikator ein bedeutendes Problem misst,<br />
erhält er ein hohes Gewicht.<br />
• Falls der Indikatorwert nur mit grosser Unsicherheit<br />
best<strong>im</strong>mt werden kann, wird das GeWicht reduziert.<br />
Die genauenGEwIcHTUNGEN FOR DIE EINZELNEN INDI<br />
KAToRENfindeJ;l sich <strong>im</strong> Kap. 6.2.<br />
3.3.6 Best<strong>im</strong>mung der Indikatorwerte<br />
Quantitativ best<strong>im</strong>mbare Indikatoren<br />
Die Grundlagen für die Berechnung des Wertes<br />
der quantitativ best<strong>im</strong>mbaren Indikatoren bilden die<br />
Verkehrsabschätzungen für die Modelle und der<br />
dazugehörende Modal-Split. Aus der Zahl der Fahrten<br />
und unter der Annahme einer durchschnittlichen<br />
Länge einer Fahrt von 500 Metern (halber Durchmesser<br />
des ZZN) konnten die Fahrzeugkilometer für<br />
die einzelnen Verkehrsmittel berechnet werden. Mit<br />
Angaben über Emissionen, Ressourcenverbrauch,<br />
Auslastungen und Lebensdauer, die wir der Studie<br />
von Infras (l995b) entnahmen, konnten die Werte<br />
berechnet werden. Genauere Angaben über die<br />
Emissionsfaktoren fin
Verkehr<br />
~_~_~---------__,,____---~----------<br />
• Bei der Anwendung der multikriteriellen Nutzentheorie<br />
wurde für die Nutzenfunktion jeweils ein<br />
linearer Zusammenhang angenommen. Bei der<br />
Skalierung war es nicht möglich, eine einheitliche<br />
Methode anzuwenden.<br />
• Bei der Best<strong>im</strong>mung der Indikatorwefte konnten nur<br />
Emissionen berücksichtigt werden; obschon teilweise<br />
die Immissionen wichtiger wären. Ebenso<br />
wurde bei Indikatoren, die auf mehreren Stoffen<br />
basieren (z.B. Smogi'ndex) jeweils nur ein Stoff <strong>im</strong><br />
Sinne einer Leitsubstanz berücksichtigt.<br />
• Durch die Wahl der Systemgrenze konnten nur Auswirkungen<br />
<strong>im</strong> ZZN berücksichtigt werqen.<br />
• Die auf Basis der Umweltraummethode definierten<br />
Nachhaltigkeitswerte sind teilweise umstritten.<br />
Insbesondere werden die geographische Lage des<br />
L<strong>and</strong>es und das clamit verbundene Kl<strong>im</strong>a (Breitengrad)<br />
nicht berücksichtigt. Unseres Erachtens ist<br />
aber der Ansatz des Umweltraumes und der criticallevels,<br />
bzw; 40ads geeignet, um Nachhaltigkeit zu<br />
quantifizieren, und die zur Verfügung stehenden<br />
Daten genügen den Ansprüchen dieserStudie.<br />
Die oben beschriebenen Vereinfachungenschränken<br />
die Resultate teilweise ein. Keiner dieser Einwände<br />
stellt aber die angew<strong>and</strong>ten Methoden grundsätzlich<br />
in Frage. Für sensitivere Resultate wäre in erster<br />
Linie eine weitere Verfeinerung der Methode notwendig.<br />
Somit muss festgehalten werden, dass es<br />
mit dieser Methode gelungen ist, Nachhaltigkeit,<br />
definiert über ein Indikatorensystem aus verschiedenen<br />
Wissenschaftsbereichen (Naturwissenschaften,<br />
Sozialwissenschaften und Ökonomie), für einen kleinen<br />
Raum (ZZN) und dessen Teilsystem Verkehr zu<br />
quantifizieren.<br />
4. Ergebnisse<br />
4.1 Massnahmen<br />
4.1.1 Car-Sharing und autofreies Wohnen<br />
Besitzt nur ein kleiner Teil der Bevölkerung ein<br />
Auto, so ist der Anteil des motorisierten Individualverkehrs<br />
(MIV) relativ gering. Der Verzicht auf das<br />
eigene Auto fällt leichter, wenn einerseits die störenden<br />
Auswirkungen des motorisierten Verkehrs wegfallen,<br />
wie dies in einem autofreien Wohnquartier<br />
der Fall ist und <strong>and</strong>ererseits trotzdem zu angemessenem<br />
Aufw<strong>and</strong>ein Auto verfügbar ist (z.B. durch die<br />
Mitgliedschaft bei einer Car-Sharing-Genossenschaft).<br />
Autofreies Wohnen wird über das VerhältniS von<br />
Parkplatzzahl und der Anzahl Wohnungen eines<br />
Quartiers definiert. Die <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild für<br />
das ZZN (Ruoss & Siress, 1994) geplanten 0.6 Parkplätze'pro<br />
Wohnung entsprechen einem autoarmen<br />
Wohngebiet. Für ein autofreies Quartier muss die<br />
Parkplatzzahl weiter reduziert werden (auf weniger<br />
.als 0.5 Parkplätze pro Wohnung), was <strong>im</strong> Modell<br />
ÖV-LV max mit den vorgesehenen 518 Wohnparkplätzen<br />
der Fall ist (vgI. Kap. 3.1 BILDUNG DER VER<br />
KEHRSMODELLE MIT FORMATIVER SZENARIOANALYSE).<br />
Um die positiven Möglichkeiten einer autofreien<br />
Siedlung auf Gestaltungs- und Kostenseite voll auszuschöpfen,<br />
müssen diese schon frühzeitig in die<br />
Planung einbezogen werden: Bei der Strassengestaltung<br />
kann das äusserst min<strong>im</strong>ale motorisierte<br />
Verkehrsaufkommen berücksichtigt und die nicht<br />
durch Parkplätze genutzte Fläche sinnvoll umgenutzt<br />
werden.<br />
Zur Zeit sind in verschiedenen europäischen<br />
Städten autofreie Siedlungen geplant oder teilweise<br />
bereits realisiert. Viel diskutiert wird das «Hollerl<strong>and</strong>-Projekt»<br />
in Bremen. Viel Gewicht wurde dabei<br />
auf juristische Fragen gelegt: Inwiefern lassen die<br />
geltenden Bauvorschriften autofreie Siedlungen zu<br />
(Regdungen über Pflichtparkplätze) und wie kann<br />
sichergestellt werden, dass die BewohnerInnen wirklich<br />
auf den Autobesitz verzichten? Der zweite<br />
Aspekt wurde mit Verzichtsklauseln in Miet- bzw.<br />
Kaufverträgen sichergestellt. Dies schreckte aber<br />
künftige BewohnerInnen eher ab, wie sich bei der<br />
Vermarktung der ersten 22 erstellten Reihenhäuser<br />
zeigte.<br />
In Amsterdam wurde das Problem, wie der Autoverzicht<br />
sichergestellt werden kann, eleganter gelöst:<br />
Auf zwingende Vertragsklauseln wurde verzichtet.<br />
Hingegen wird der Besitz eines Autos durch eine<br />
min<strong>im</strong>ale Parkplatzzahl (30 Parkplätze pro 100 Wehnungtm)<br />
unattraktiv gemacht. Auch wird es für<br />
BewohnerInnen des Amsterdamer «Westerparks»<br />
unmöglich sein, ihr Auto auf benachbarten Strassen<br />
156<br />
UNS-Fallstudie '96
- ~ __'_ ~------~----- Verkehr<br />
<strong>Stadt</strong> und PrQjektname<br />
Anz. Wohnungen/<br />
Arealgrösse<br />
Aktueller St<strong>and</strong><br />
Bemerkungen<br />
Anz.<br />
Parkplätze<br />
Amsterdam:<br />
Paviljoen 1+2<br />
bestehend<br />
Wien:<br />
Alte Sargfabrik<br />
73/0.47 ha<br />
bestehend<br />
Nähe zum <strong>Stadt</strong>zentrum<br />
Bremen:<br />
Hollerl<strong>and</strong> Projekt<br />
210-220/2.6 ha<br />
1. BauabschnittMitte<br />
1996 geplant<br />
<strong>Stadt</strong>r<strong>and</strong>, mot. Verkehr nur in Notfällen,<br />
gute ÖV-Verbindungen und gutes<br />
Fahrwegnetz<br />
30<br />
Hamburg:<br />
Siedlung am Barmbeker<br />
Stichkanal<br />
230/3 ha<br />
Baubeginn voraussichtlich<br />
1996 '<br />
recht zentrale Lage, Mischzone<br />
Wohnen/Gewerbe geplant.<br />
Amsterdam:'<br />
Siedlung am Westerpark<br />
600/7.5 ha<br />
bezugsbereit Sommer<br />
1996<br />
Mot. Verkehr nur in Notfällen<br />
180<br />
Tab. 4.1.1.1 Einige ausgewählte Projekte autofreier Siedlungen in europäischen Städten (Planungsbüro JudAG, 1996).<br />
abzustellen, da dazu eine Anwohnerparkgenehmigung<br />
notwendig ist. Für AutobesitzerInnen bleibt<br />
nur ein weit entfernter St<strong>and</strong>platz oder die Miete<br />
eines tetieren Hochgaragenparkplatzes.<br />
Damit unterscheidet sich das Amsterdamer Modell<br />
kaum mehr von autoarmen Altstädten, wo das Parkplatzangebot<br />
in den meisten Fällen auch sehr begrenzt<br />
ist (vgI. Tab. 4.1.1.1).<br />
Die Attraktivität autofreier Siedlungen kann mit<br />
einem gut integriertenCar-Sharil1g-Angebot gesteigert<br />
werden. Be<strong>im</strong> Car-Sharing besitzen mehrere Personen<br />
gemeinsam ein Auto. Dadurch sinkt die Verfügbarkeit<br />
des Personenwagens, was bei vormaligen<br />
AutobesitzerInnen zu einer Reduktion von rund<br />
50% der Fahrkilometer und zu einer Erhöhung der<br />
Ausgaben für den öffentlichen Verkehr (ÖV) -'- in jedoch<br />
geringerem Ausma~se- führt (vgI.Tab.4.1.1.2).<br />
In der Schweiz gibt es zwei grössere Car-Sharing<br />
Genossenschaften: Die ATG (Autoteilet~Genossen<br />
, schaft, 2932 Mitglieder, 171 Fahrzeuge, St<strong>and</strong> 1995)<br />
Distanzen MIV<br />
pro Person<br />
AusgabenÖV<br />
pro Person<br />
km/a % Fr./a %<br />
vorher 7500 100 975 100<br />
nachher 3400 44 1006 103<br />
Tab. 4.1.1.2 Auswirkungen von Gar-Sharing auf das persönliche Verkehrsverhalten.<br />
'Die mit motorisierten Individualverkehrsmitteln (MIV)<br />
zurückgelegte Distanz n<strong>im</strong>mt deutlich ab, während die Ausgaben für den<br />
öffentlichen Verkehr (ÖV) nurleicht steigen (ShareGom, 1995).<br />
unä die ShareCom (2963 Mitglieder, 154 Fahrzeuge,<br />
St<strong>and</strong> 1995), wobei bei der ShareCom neben Autos<br />
auch <strong>and</strong>ere Güter geteilt werden. Bei beiden Genossenschaften<br />
bezahlen die BenutzerInnen die<br />
gefahrenen Kilometer sowie die Benutzungszeit. Bei<br />
kurzen Fahrten sind deshalb die Preise attraktiver als<br />
bei herkömmlichen Mietwagenfirmen, da dort die<br />
Fahrzeuge meistens nur tageweise gemietet werden<br />
können. Die Wartung der Fahrzeuge ist bei den<br />
beiden Organisationen unters'chiedlich geregelt: Bei<br />
ShareCom wird sie ehrenamtlich durch die Mitglieder<br />
durchgeführt, während bei der ATG Garagen diesen<br />
Service übernehmen.<br />
Nebst den Nachteilen, dass die Benutzung des<br />
Autos eingeschränkt ist, der Einsatz besser geplant<br />
werden muss und man ein «fremdes» Auto benutzen<br />
muss, bietet die Mitgliedschaft bei den beiden Car<br />
Sharing-Genossenschaften auch verschiedene Vorteile:<br />
• Durch die Abrechnung auf Zeit- und Kilometer-<br />
-basis, fallen die hohen Fixkosten weg, was die<br />
Kosten vor allem für Personen mit kleinen jährlichen<br />
Fahrdistanzen spürbar senkt.<br />
• Sind eine grössere Anzahl Personen an der örtlichen<br />
Genossenschaft beteiligt, stehen verschiedene<br />
Fahrzeugtypenzur Auswahl.<br />
• Es wird möglich', ÖV und MIV zu kombinieren: Der<br />
mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erschlossene Teil<br />
des Weges wird mit Bus und Bahn zurückgelegt<br />
während für den schlecht erschlossenen Teil des<br />
Weges an der nächstgelegenen Car-Sharing-Basis<br />
ein Auto abgeholt werden kann.<br />
Nicht genossenschaftlich organisiert ist die CSC<br />
(Car-Sharing Company), die 1995 von der ShareCom<br />
ins Leben gerufen wurde. Diese Aktiengesellschaft<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
157
Verkehr -'--__-:-- --,. _<br />
erfüllt werden. Die Ansprüche·der einzelnen VerkehrsteilnehmerInnen<br />
sind nachfolgend näher dargestellt.<br />
Ansprüche von Sihbehinderten<br />
Sehbehinderte benötigen in erster Linie taktile·Leitsysteme<br />
(Strukturen <strong>im</strong> Belag, Mulden, Rinnen,<br />
Borde, usw.) als Orientierungshilfen. Ebenso trägt<br />
eine kontrastreiche Gestaltung und eine gute, blendfreie<br />
Beleuchtung zu einer besseren Erkennbarkeit<br />
auch bei geringen Sehresten bei. Hindernisse in den<br />
Gehachsen und niveaugleiche Radwege sind zu<br />
vermeiden. Lichtsignale sollten mit akustischen oder<br />
vibrierenden Signalen ergänzt werden. Haltestellen<br />
des öffentlichen Verkehrs sind zusätzlich mit Blindenschrift<br />
zu markieren.<br />
Ansprüche von Gehbehinderten<br />
Für Gehbehinderte sind stufenlose Übergänge von<br />
grosser Bedeutung, was mit der Absenkung von Trottoirs<br />
<strong>im</strong> Bereich von Fussgängerstreifen und mit<br />
Rampen anstelle von Stufen erreicht werden kann.<br />
Treppen sollten mindestens mit einem starken<br />
Geländer versehen werden. Bei der Belagswahl ist<br />
auf eine angemessene Rauhigkeit zu achten, so dass<br />
der Belag einerseits rutschfest ist (keine Steinplatten)<br />
und <strong>and</strong>rerseits nicht zu Vibrationen (Kopfsteinpflaster)<br />
.und Blockierungen (Kieswege) bei<br />
RollstuhlfahrerInnen führt. Als Natursteinbelag eignet<br />
sich beispielsweise Jurakalk.<br />
KOSfC114.1.1 (;or-Shon"l1g-Kol1zepfjürdos ZZN<br />
Ansprüche von Fussgiingerlnnen<br />
Die Gehfläche ist nicht nur Verkehrsfläche, sondern<br />
erfüllt auch wichtige Funktionen als öffentlicher<br />
Raum. Sie wird benutzt zum kommunizieren, flanieren,<br />
musizieren, verweilen, etc. Daher muss sie<br />
recht breit sein. Ebenso bevorzugen Fussgiingerlnnen<br />
direkte, umwegfreie Verbindungen, was durch ein<br />
dichtes Wegnetz sichergestellt werden kann.<br />
ist stärker dienstleistungsorientiert; die Wartung<br />
wird professionell durchgeführt. Die CSC ist insb.<br />
auch eine Alternative für Firmen.<br />
4.1.2 Strassengestaltung<br />
An eine Strasse werden vielfältige und konfliktträchtige<br />
Ansprüche gestellt: So erWarten AutofahrerInnen<br />
beispielsweise ein flüssiges Verkehrsreg<strong>im</strong>e,<br />
VelofahrerInnen benötigen Sicherheit, die öffintliehen<br />
Verkehrsmittel Fahrspuren unabhängig vom Individualverkehr,<br />
Fussgängerlnnen wünschen ruhige ,<br />
Strassen und behinderte Verkehrsteiinehmerlnnen<br />
hiiidernisfreie und mit einem guten Orientierungssystem<br />
ausgestaltete Strassen. Gleichzeitig sollen<br />
all diese Bedürfnisse auf möglichst engem Raum<br />
Ansprüche von Rodfahrerlnnen<br />
Auch RadfahrerInnen brauchen direkte und durchgehende<br />
Verbindungen. Den Verkehr auf Nebenstrassen<br />
zu verlagern ist nur sinnvoll, wenn keine<br />
grossen Umwege entstehen. Die Velostreifen sollten<br />
eindeutig von der Fahrbahn abgehoben'werden, z.B.<br />
durch roten Gussasphalt oder Betonverbundsteine.<br />
Dies gilt insbesondere <strong>im</strong> Bereich von Kreuzungen,<br />
wo die Sicherheit durch vorgezogene Haltebalken<br />
und separat gesteuerte Verkehrsampdn zusätzlich<br />
erhöht werden kann.<br />
Ansprüche des öffentlichen Verkehrs<br />
Damit der öffentliche Verkehr leistungsfähig ist, müssen<br />
Behinderungen durch den motorisierten Individualverkehr<br />
vermieden werden. Dies bedingt ein eigenes<br />
158<br />
UNS-Fallstudie '96
__________~<br />
-----------------------'-----Verkehr<br />
Kosten 4.1.2 Mossnohmenkotologfiir die StrosseTigestoltung <strong>im</strong> <strong>Zentrum</strong> Ziirich <strong>Nord</strong>.<br />
UNS-Fallstudie '96 159
Verkehr<br />
-'-__~-------------~----------<br />
Verkehrsleitsystem und - wo<br />
nötig - separate Fahrspuren.<br />
Ansprüche des motortsterten<br />
Individualverkehrs<br />
Be<strong>im</strong> motortsterten Individualverkehr<br />
innerorts ist in<br />
erster Linie die Leistungsfähigkeit<br />
der angrenzenden<br />
Verkehrsknoten für die<br />
Kapazität der Strasse ausschlaggebend<br />
und nicht die'<br />
Geschwindigkeit. Ein stetiger<br />
Verkehrsfluss wird bei<br />
Geschwindigkeiten <strong>im</strong> Bereich<br />
von 30km/h erreicht.<br />
Diese Geschwindigkeit ist<br />
vor allem durch bauliche<br />
Massnahmen anzustreben,<br />
wie enge Fahrbahnen, fehlende<br />
Mittelstreifen, etc.<br />
Gefährliche Verkehrssituationen<br />
entstehen besonders<br />
dort, wo sich verschiedene<br />
VerkehrsteilnehmerInnen.<br />
den Raum teilen müssen, wie bei Fussgängerstreifen,<br />
Haltestellen des öffentlichen Verkehrs, Kreuzungen<br />
von Fahrradspuren mit Spuren des motorisierten<br />
Verkehrs usw. Tendenziell soll dabei der/die<br />
schnellere Verkehrsteilnehmerln seine Geschwindigkeit<br />
dem langsameren anpassen. Durch bauliche<br />
Massnahmen kann dies <strong>im</strong> Bereich von Fussgängerstreifen<br />
beispielsweise durch Belagsaufrauhungen<br />
oder der Anpassung des restlichen Strassenniveaus<br />
auf die Höhe der Fussgängerbereiche geschehen.<br />
Durch eine Fahrbahnverengung kann gleichzeitig<br />
die Aufenthaltszeit der Fussgängerlnnen <strong>im</strong> Gefahrenbereich<br />
verkürzt werden.<br />
4.1.3 Citylogistik<br />
Eine Citylogistik baut auf folgender Idee auf: die<br />
Warenströme werden in einem günstig gelegenen<br />
Verteilzentrum an der Peripherie gesammelt und<br />
nachfolge~d gebündelt verteilt. So wird Transportvolumen<br />
effizienter genutzt und es entsteht gesamthaft<br />
weniger Güterverkehr.<br />
Eine'Citylogistik beschränkt sich aber nicht nur<br />
auf die Versorgung mit Gütern, sondern kann auch<br />
die Entsorgung wirtschaftlicher machen; zu Entsorgungsgütern<br />
werden Produkte, Postsendungen und<br />
Abfälle eingerechnet.<br />
Grundsätzlich sind alle Güterverkehrströme Gegenst<strong>and</strong><br />
einer Citylogistik. Das Bündeln der Transporte<br />
setzt jedoch eine gewisse Homogenität der<br />
beförderten Waren vorauS. Aus diesem Grunde wird<br />
Abb. 4.1.2.3 Bahnhof Oerlikon auf der Seite von .Alt-Oerlikon». Für ein lebendiges Quartier wird die<br />
Verbindli~g des alten und neuen Teiles von Oerlikon von grosser Bedeutung sein (Bild: Michael Meier).<br />
sie oft auf unproblematische, nicht zeitkritische<br />
Güter des gewerblichen Lieferverkehrs (Stückgut-,<br />
Kleingut- und Paketsendungen) beschränkt. Montage-,<br />
Baustellen-, Dienstleistungs-, Gefahrengutund<br />
Branchenverkehr werden oft weggelassen.<br />
Vor-lInd Nachteile einer Citylogistik<br />
Vorteile einer Citylogistik :<br />
• geringere Umweltbelastung: Eine Verminderung des<br />
Güterverkehrs hat eine proportionale Reduktion<br />
der Lärmbelästigung und der Erschütterungen zur<br />
Folge. Ausserdem ermöglicht eine Citylogistik den<br />
sinnvollen und wirtschaftlichen Einsatz schadstoffarmer<br />
Fahrzeuge (Elektrofahrzeuge) mit geringem<br />
Energieverbrauch.<br />
• Innenstadtentlastungvom Güterverkehr: Dadurch werden<br />
die Stauhäufigkeit und das Unfallrisiko herabgesetzt<br />
und neue Möglichkeiten der Strassengestaltung<br />
in der Innenstadt bieten sich an (z.B.<br />
engere Kurvenradien)<br />
• finanzielle Einsparungen: Die externen Kosten des<br />
Güterverkehrs für Staat und Gesellschaft werden,<br />
z.B. durch reduzierte Strassenbelastungen, verringert.<br />
Die für die aufwendige Innenstadtbelieferung<br />
aufgewendete Zeit kann von den Spediteuren<br />
wirtschaftlicher genutzt werden.<br />
Nachteile der Citylogistik:<br />
• Das zusätzliche Umladen erhöht<br />
Risiken für die Spediteure.<br />
die Kosten und<br />
160 UNS-Fallstudie '96
_________________________________________Verkehr<br />
Pilotprojekte zurCitylogistik<br />
In der Schweiz wurden bereits verschiedene Pilotprojekte<br />
zur Citylogistik durchgeführt. Sie setzten alle<br />
auf die Freiwilligkeitder TeilnehmerInnen und die<br />
Rahmenbedingungen wurden nicht zugunsten der<br />
Projekte beeinflusst:<br />
• Cargo Ödike fasste die Waren von sieben Geschäften<br />
zusammen.<br />
• Basel Citylogistik bündelte den Lieferverkehr von<br />
zehn Spediteuren inklusive der Post.<br />
• Regiologistic Biel-Bienne sammelte den Güterverkehr<br />
der Region Arc Jurassien auf einer Logistikplattform.<br />
Durch das Studium dieser Projekte lassen sich wichtige<br />
Erkenntnisse in bezug aufeine mögliche Realisierung<br />
einer Citylogistik <strong>im</strong> ZZN ziehen. Sie sind <strong>im</strong><br />
folgenden aufgeführt:<br />
Schlussfolgerungen für eine Realisierung <strong>im</strong> ZZN<br />
Das ZZN ist als Gebiet zu klein, um eine sinnvolle Citylogistik<br />
hier allein au/ziehen zu können. Eine mögliche<br />
Realisierung müsste auch das übrige <strong>Stadt</strong>gebiet mit einbeziehen.<br />
Die Citylogistik darf nicht durch den Staat (<strong>Stadt</strong><br />
und Kanton) aufdoktriniert werden, sondern die<br />
Initiative muss aus der Privatwirtschaft kommen.<br />
Das Güterverkehrszentrum muss als Dienstleistung<br />
angeboten werden und Marktkräfte müssen<br />
zur· Zusammenarbeit wirtschaftlicher Konkurrenten<br />
führen und garantieren die erfolgreiche Durchführung:<br />
Das Festlegen der Rahmenbedingungen und flankierenden<br />
Massnahmen ist eine wichtige Aufgabe<br />
der <strong>Stadt</strong> und des Kantons und kann für den Erfolg<br />
von entscheidender Bedeutung sein. Die in Tab.<br />
Bereich<br />
Anreizsysteme und<br />
Benutzervorteile<br />
Bauleitplanung<br />
Verkehrsplanung<br />
Massnahmen<br />
• Road-Pricing für Nicht-Benutzerlnnen der Citylogistik<br />
• Einfahrlizenzen für Nicht-Benutzerlnnen<br />
• Restriktive Auflagen für Nicht-Benutzerlnnen<br />
• Infrastrukturplanung<br />
• Flächennutzungsplanung<br />
• Klassifizierung der Verkehrsflächen<br />
• Gestaltung der Verkehrsflächen (z.B. engere Kurvenradien)<br />
• Verkehrssystem-Management (opt<strong>im</strong>ale Auslastung des<br />
Schienennetzes)<br />
• Verkehrsleitsysteme<br />
• Routenkonzepte<br />
Tab. 4.1.3 Flankierende Massnalzmen zu einerCitylogistik.<br />
4.1.3 aufgeführten Massnahmen können zum Erfolg<br />
einer Citylogistik beitragen.<br />
Ein Güterverkehrszentrumkann nur erfolgreich<br />
betrieben werden, wenn neben der reinen Anlieferungnoch<br />
weitere Dienstleistungen angeboten<br />
werden, wie z.B. Zwischenlagerung, Stockwerklieferung,<br />
Abfallrücknahme und -entsorgung, Kommissionierung<br />
oder Mehrweggebinde.<br />
Massnahmen <strong>im</strong> öffentlichen Verkehr<br />
Der öffentliche Verkehr wird in unseren Modellen<br />
grösstenteils mit konventionellen Fahrzeugen (Tram<br />
und Bus) bewältigt. Nicht besprochen wurde bisher<br />
die Möglichkeit einer Feinerschliessun'g, die z.B.<br />
schienengebunden durch ein Monorail oder strassengebundene<br />
Leichtfahrzeuge erfolgen könnte.<br />
Eine Feinerschliessung könnte zur Attraktivitätssteigerung<br />
des öffentlichen Verkehrs einiges beitragen: einerseits<br />
würde damit der Personentransport verfeinert und<br />
flexibler gestaltet werden. Insbesondere die wichtige<br />
Verbindung mit «Alt-Oerlikon» könnte vergleichsweise<br />
ohne grossen Aufw<strong>and</strong> hergestellt werden.<br />
Andererseits bestände die Möglichkeit, diese Fahrzeuge<br />
in den verkehrsarmen Zwischenzeiten <strong>and</strong>eren<br />
Nutzungen - wie z.B. der Citylogistik - zur<br />
Verfügung zu stellen und die Effizienz und Renta~<br />
bilitätdes öffentlichen Verkehrs zu steigern.<br />
Aufgrund einer Diskussion mit Herrn Rüegger<br />
von den VBZ schlagen wir eine einfache Lösung vor:<br />
ein kleines Elektrofahrzeug mit Anhänger (Typ<br />
Expositionsfahrzeug). Die max<strong>im</strong>ale Fahrzeughöhe<br />
würde 2.20 m betragen und mit einer leicht überhöhten<br />
Fussgängerunterführung könnte diese Feinerschliessung<br />
strassenverkehrsunabhängig gestaltet<br />
werden. Damit würde eine <strong>im</strong> Vergleich billige<br />
Verbindung durch das ZZN zu «Alt<br />
Oerlikon» realisiert und der langfristigen<br />
Etappierung angepasst.<br />
In den verkehrsarmen Stunden<br />
kann das Fahrzeug durch eine s<strong>im</strong>ple<br />
Auswechslung des Anhängers<br />
als Gütertransportmittel <strong>im</strong> Sinne<br />
einer Citylogistik benutzt werden.<br />
Möglich wäre z.B. in den Spitzenzeiten<br />
(7-9 Uhr, 17--19 Uhr) der<br />
Personentransport . in den Teilgebieten<br />
D und B und während<br />
der übrigen Zeit der Gütertransport<br />
. in den Teilgebieten A und C (für<br />
eine allg. Übersicht der Teilgebiete<br />
siehe Abb. 3.1.1 <strong>im</strong> Kap. STADTENT<br />
WICKLUNG). Die VBZ erachten eine<br />
solche Mischnutzung als positiv und<br />
würde auch die Betreibung übernehmen.<br />
UNS-Fallstudie '96 161
Verkehr<br />
4.2 Verkehrsmodelle .<br />
Ausgehend vom Enrwicklungsleitbild wurden vier<br />
Verkehrsmodelle gebildet. Dazu wurden Leitbilder<br />
definiert, aufgrund derer anschliessend dieentsprechenden<br />
Ausprägungen der einzelnen Einflussfaktoren<br />
ausgewählt wurden (Tab. 4.2). Die Leitbilder für die<br />
einzelnen Modelle lauteten:<br />
• Modell Entwicklungsleitbild: Dieses Modell widerspiegelt<br />
den heutigen St<strong>and</strong> der Planung und<br />
basiert vor allem auf den Sonderbauvorschriften.<br />
• Modell Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert: Dieses Modell<br />
basiert auf dem Modell Entwicklungsleitbild,<br />
versucht aber durch zusätzliche Massnahmen die<br />
in Kap. 2.3 WIDERSPRÜCHE UND KONFLIKTE DES ENT<br />
WICKLUNGSLEITBILDES beschriebenen Schwierigkeiten<br />
ZU verringern.<br />
• Modell ÖV-LV mox: Dieses Modell sieht Massnahmen<br />
vor, die den öffentlichen undden Langsamverkehr<br />
fördern und den motorisierten Verkehr reduzieren. In<br />
diesem Modell sollen insbesondere auch die An-·<br />
liegen der schwächeren Verkehrsteilnehmerlnnen<br />
besonderes Gewicht erhalten.<br />
• Modell MIV mox: Bei diesem Modell soll das zu<br />
erwartende Verkehrsaufkommen <strong>im</strong> ZZN vor allem<br />
durch den motorisiert~nVerkehr hewältigt werden.<br />
Öffentlicher Verkehr und Langsamverkehr werden<br />
nicht gefördert.<br />
Nachfolgend sind dje Verkehrsmodelle mit ihren<br />
Massnahmen kurz beschrieben.<br />
4.2.1 Modell Elltwicklullgsleitbild<br />
Ausgehend von den Sonderbauvorschriften, dem<br />
Entwicklungsleitbild und weiteren Planungsgrundlagen<br />
wurde auch ein Modell Entwicklungsleitbild<br />
gebildet, welches auf Ausprägungen der Einflussfaktoren<br />
aufbaut. Die bestehenden Planungsgrundlagen<br />
erlaubten nicht, vollständige, vergleichbare Verkehrsmodelle<br />
zu bilden. Es mussten zusätzliche<br />
Annahmen getroffen werden. Sie sind <strong>im</strong> nachfolgenden<br />
Text bezeichnet.<br />
Mossnohmen:<br />
Die Zahl der Besucherparkplätze beträgt 700,. wobei<br />
sie in Parkhäusern zur Verfügung stehen. Zusätzlich<br />
_<br />
Einflussfaktor<br />
Entwicklungsleitbüd<br />
Entwicklungsleitbüd<br />
opt<strong>im</strong>iert<br />
.. ÖV·LVmax<br />
.MIVmax<br />
Bewirtschaftung<br />
Besucherparkplätze<br />
durchschnittliches<br />
Verkehrspotential<br />
durchschnittliches<br />
Verkehrspotential<br />
min<strong>im</strong>ales Verkehrspotential<br />
max<strong>im</strong>ales Verkehrspotential<br />
Anordnung<br />
Besucherparkplätze<br />
nur Parkhäuser<br />
nur Parkhäuser<br />
nur Parkhäuser<br />
am Strassenr<strong>and</strong><br />
Art des Dienstleistungs·<br />
angebotes<br />
durchschnittlich·<br />
durchschnittlich<br />
besucherextensiv<br />
.besucherintensiv<br />
Bewirtschaftung<br />
Arbeitsparkplätze<br />
HerkömmlicheNutzung<br />
Arbeitgeberln fördert<br />
ÖV<br />
Arbeitgeberln fördert<br />
OV<br />
Freigabe ungenutzter<br />
Arbeitsparkplätze<br />
Wohnparkplätze<br />
autoarme Wohnzone<br />
kleines autofreies<br />
Quartier<br />
grosses autofreies<br />
Quartier<br />
autoorientierte Wohnsiedlung<br />
Behindertengerechte<br />
Strassengestaltung<br />
nicht behindertengerecht<br />
min<strong>im</strong>al behindertengerecht<br />
max<strong>im</strong>al behindertengerecht<br />
nicht<br />
behindertengerecht<br />
Langsamverkehrsgerechte<br />
Strassengestaltung<br />
Durchschnittsstrasse<br />
Durchschnittsstrasse Koexistenz Durchschnittsstrasse<br />
Öffentlicher Verkehr<br />
Realisierung Entwicklungsleitbild<br />
EntwickIungsleitplan<br />
mit Feinerschliessung<br />
Entwicklungsleitplan<br />
mit Feinerschliessung<br />
Teilrealisierung des<br />
Entwicklungsleitplans<br />
Güterverkehr<br />
keine lenkenden Massnahmen<br />
'<br />
Citylogistik mit flankie- Citylogistik mit flankie- keine lenkenden Massrenden<br />
Massnahmen renden Massnahmen nahmen<br />
Durchgangsverkehr<br />
durchschnittliche<br />
Attraktivität<br />
durchschnittliche<br />
Attraktivität<br />
min<strong>im</strong>ale Attraktivität<br />
max<strong>im</strong>ale Attraktivität<br />
Tab. 4.2 Wahl der Ausprägungen der Einflussfaktoren fiir die einzelnen Verkehrsmodelle rÖV = öffentlicher Verkehr, LV = Langsamverkehr, MIV,;, motorisierter<br />
Individualverkehr). Die genauen Definitionen zu den einzelnen Ausprägungen finden sich <strong>im</strong> Kap, 6.1 EINFLUSSFAKTOREN.<br />
162 UNS-Fallstudie '96
_________________-'-'-_~<br />
Verkehr<br />
wurde angenommen, dass durch<br />
ein Verkehrsleitsystem frühzeitig<br />
die St<strong>and</strong>orte der freien<br />
Parkplätze angezeigt werden,<br />
was zu einer Reduktion des<br />
Suchverkehrs führt. Die Parkplatzbewirtschaftung<br />
stellt sicher,<br />
dass jeder Besucherparkplatz<br />
ein durchschnittliches,<br />
spezifisches Verkehrspotential (sVp)<br />
von J9 hat (Abschätzung aus<br />
Glaser, Saxer + Partner,.1983).<br />
In den Wohngebieten sind keine<br />
speziellen verkehrsreduzierenden<br />
Massnahmen vorgesehen.<br />
Die Zahl der Bewohnerparkplätze<br />
beträgt 1500.<br />
Die ArbeitgeberInnen stellen<br />
den ArbeitnehmerInnen die<br />
1800 Parkplätze gratis zur Verfügung.•Eine<br />
Förderung zur<br />
Benutzung des öffentlichen Verkehrs,<br />
beispielsweise durch<br />
Abgabe verbilligter Abonnemente,<br />
findet nicht generell statt und bleibt einzelnen<br />
Firmen überlassen (z.B. <strong>im</strong> Rahmen «Bonus<br />
Regenbogenkarte» des Zürcher Verkehrsverbundes; die<br />
eine verbilligte Abgabe eines Abonnement für den<br />
Zürcher Verkehrsverbund ermöglicht). Das durchschnittliche<br />
spezifische Verkehrspotential der 1800<br />
Arbeitsparkplätze beträgt 2.5. Die Art der Parkplatzbewirtschaftung<br />
beruht auf Annahmen.<br />
Zur Strassengestaltung machen die bestehenden<br />
Konzepte keine Aussagen. Für die Modellbildung<br />
wurde daher angenommen, dass bei der Strassengestaltung<br />
seh- und gehbehindertengerechte Massnahmen<br />
nicht berÜcksichtigt werden. Für die Langsamverkehrsteilnehmerlnnen<br />
werden nur wenige Massnahmen<br />
ergriffen. Die Trottoirs sind schmal, teilweiseltat<br />
es Velostreifen. Ansonsten entspricht die Strassengestaltung<br />
dem vorherrschenden Muster: breite<br />
Fahrbahnen mit Abbiegespuren und schnurgerade<br />
Linienführung.<br />
Im Bereich des öffentlichen Verkehrs werden drei<br />
Erschliessungslinien realisiert (Binzmühlestrasse [als<br />
Tramlinie]; Seebach- Birchstrasse-Bahnhof Oerlikon;<br />
von <strong>Nord</strong>westen her entlang der Neunbrunnenstrasse).<br />
Eine Feinerschliessung mittels eines Elektrofahrzeuges<br />
ist nicht geplant.<br />
Zur Beeinflussung des Güterverkehrs werden keine<br />
Massnahmen ergriffen. Das Speditionszentrum<br />
.bleibt fakultativ.<br />
Be<strong>im</strong> Durchgangsverkehr sind die Planungsgrundlagen<br />
unseres Erachtens nicht konsistent (einerseits<br />
projektierter Autobahnanschluss, <strong>and</strong>ererseits Sperrung<br />
der Binzmühlestrasse). Unser Modell weicht<br />
Abb. 4.2.1 Die Parkplatzbewirtschaftung ist ein wichtiger Einflussfaktor in bezug aufden motorisierten<br />
Individualverkehr (Bild: Michael Meier).<br />
daher von den Planungsgrundlagen ab: Der Durchgangsverkehr<br />
wird nicht vom ZZN ferngehalten. Es<br />
findet weder eine Sperrung der Binzmühlestrasse<br />
statt noch wird Tempo 30 ergriffen. Dafür wird der<br />
<strong>im</strong> regionalen Richtplan vorgesehene Autobahnanschluss<br />
nicht realisiert.<br />
4.2.2 Modell Elltwicklullgsleitbild opt<strong>im</strong>iert<br />
In Kap. 2.3 WIDERSPRÜCHE UND KONFLIKTE DES ENT<br />
WICKLUNGSLEITBILDS wurden verschiedene Konflikte<br />
des Entwicklungsleitbildesbeschrieben. Im Modell<br />
Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert soll versucht werden,<br />
mit ausgewählten Massnahmen diese Konflikte zu<br />
min<strong>im</strong>iere~. Es werden in erster Linie jene Massnahmen<br />
berücksichtigt, deren Realisierungschancen<br />
recht· hoch sind. Damit sollen best<strong>im</strong>mte Akzente<br />
in Richtung Nachhaltigkeit gesetzt werden. Ein<br />
Schwergewicht liegt bei der Citylogistik.<br />
Massnahmen:<br />
Das Dienstleistungsangebot entspricht einem durchschnittlichen<br />
Mix, analog dem Entwicklungsleitbild.<br />
Daher wird die Zahl der Besucherparkpllitze bei 700<br />
belassen, wobei sie (wie <strong>im</strong> Modell ÖV-LV max) in<br />
. Parkhäusern zur Verfügung stehen. Ein Verkehrsleitsystem<br />
zeigt die freien Parkplätze frühzeitig an<br />
und vermindert somit den Suchverkehr. Die Besucherparkplätze<br />
werden mit Gebühren belastet und<br />
die Parkzeit auf 60 bis 240 Minuten beschränkt;<br />
daraus resultiert ein spezifisches Verkehrspotential von.<br />
rund 19 FahrzeugbewegungenfTag (Abschätzung aus<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
163
Verkehr ---.,.. - _<br />
Glaser, Saxer + Paruier, 1983). Dieser hohe Verkehrsumsatz<br />
dürfte besonders dem Kleingewerbe entgegenkommen.<br />
Nur Teile der Wohngebiete bestehen aus autofreien<br />
Siedlungen: 50 Wohnparkplätze werden für das Car<br />
Sharing reserviert. Damit werden ungefähr die Bedürfnisse<br />
von 1000 BenutzerInnen befriedigt und<br />
256 Parkplätzewerden nicht benötigt. Dadurch wird<br />
die Lebensqualität in den Wohngebieten gesteigert.<br />
Die ArbeitgeberInnen fördern die Benutzung der<br />
öffentlichen Verkehrsmittel seitens der MitarbeiterInnen,<br />
indem sie z.B. die bei diesen erhobenen<br />
Parkplatzgebühren zum Kauf von ÖV-Abonnementen<br />
einsetzen. Die Parkplatzgebühren sind vergleichsweise<br />
hoch angesetzt. Die ArbeitgeberInnen fördern<br />
. <strong>im</strong> weiteren «Autopooling» und Alternativmöglichkeiten<br />
mit Veloabstellplätzen, Duschkabinen <strong>im</strong><br />
Büro, Wohnen <strong>im</strong> Quartier. Darum stehen <strong>im</strong> Durchschnitt<br />
20% der vorgesehenen Arbeitsparkplätze<br />
leer, das durchschnittliche spezifische Verkehrspotential<br />
pro Parkplatz sinkt auf 2 Fahrzeugbewegungen/Tag.<br />
Der öffentliche Verkehr wird hiermit ohne Kosten für<br />
die ArbeitgeberInnen gefördert.<br />
Die Strassengestaltung ist nur min<strong>im</strong>al behindertenund<br />
langsamverkeht1gerecht, d.h. es werden keine<br />
Massnahmen, die heute nicht schon Norm sind,<br />
durchgesetzt. Die Strassen entsprechen Durchschnitt,sstrassen<br />
heutigem Muster: breite Fahrbahnen,<br />
gerade Linienführung, schmales Trottoir, evtl.<br />
Velostreifen und die Autos fahren mit normaler<br />
Innerortsgeschwindigkeit. Als einzige Massnahme<br />
zugunsten der Behinderten werden Bürgersteigabsenkungen<br />
vorgenommen.<br />
Be<strong>im</strong> öffentlichen Verkehr werden die drei Erschliessungslinien<br />
des Leitbildes realisiert, ergänzt durch<br />
eine Feinerschliessung mit einem Elektrofahrzeug,<br />
welches das ZZN durchfährt und eine Verbindung<br />
zum alten <strong>Zentrum</strong> Oerlikon sicherstellt. Diese<br />
Feinerschliessung reduziert das Verkehrsaufkommen<br />
lind kann auch für die Citylogistik von Nutzen<br />
sem.<br />
Die Güterversorgung des ZZN ist in diesem Modell<br />
innovativ: Es soll analog dem Modell ÖV-LV maxeine<br />
Citylogistik aufgebaut werden, die mit flankierenden<br />
Massnahmen wie der Bevorzugung von Citylogistik<br />
Fahrzeugen (kein Lieferzeitfenster und keine Einfahrlizenzen<br />
für diese Fahrzeuge), engen Kurvenradien,<br />
Steuererleichterungen, bzw. Subventionen<br />
für Beteiligte geföIdert wird. Die Citylogistik-Fahrzeuge<br />
sind in erster Linie umweltfreundliche Ökodiesel-<br />
und Elektrofahrzeuge. Ebenso wird das bestehende<br />
Schienennetz opt<strong>im</strong>al ausgelastet, wie es<br />
bereits das Entwicklungsleitbild vorsieht. All diese<br />
Massnahmen führen zu einer ungefähren Reduktion<br />
des Lieferverkehrs um 10% und der Emissionen<br />
um 30%.<br />
Zur Beeinflussung des Durchgangsverkehrs werden<br />
keine spezielle Massnahmen (Strassenschliessungen,<br />
Temporeduktionen) ergriffen. Der Autobahnanschluss<br />
wird nicht realisiert.<br />
4.2;3 Modell öffentlicher Verkehr-Langsamverkehr inax<br />
(ÖV·LV max) .<br />
Be<strong>im</strong> Modell ÖV-LV max werden vor allem der öffentliche<br />
und der Langsamverkehr gefördert; der Anteil des<br />
motorisierten Individualverkehrs soll möglichst gering<br />
gehalten werden. In diesem Modell sollen insbesondere<br />
auch die Bedürfnisse von schwächeren Verkehrsteilnehmerlnnen<br />
(VelofahrerInnen, FussgängerInnen,<br />
Kinder, ältere Menschen und Behinderte)<br />
soweit als möglich berücksichtigt werden.<br />
Die Umsetzung dieses Modells bedingt die Realisierung<br />
unkonventioneller Massnahmen und verlangt<br />
daher Offenheit und Mut für innovative Ideen<br />
und deren konsequente Umsetzung in der Verkehrsgestaltung<br />
von Seiten der Behörden, Investorlnnen<br />
und Planerlnnep.<br />
Massnahmen:<br />
Das Dienstleistungsangebot zieht wenig motorisierte<br />
BesucherInnen an. Die Zahl der Besucherparkplätze<br />
wird darum um 15% auf 595 reduziert, wobei<br />
sie in Parkhäusern zur Verfügung stehen. Durch ein<br />
Verkehrsleitsystern werden frühzeitig die St<strong>and</strong>orte<br />
der freien Parkplätze angezeigt, was zu einer Reduktion<br />
des Suchverkehrs führt. Der grösste Teil der Besucherparkplätze<br />
besteht aus zeitlich unbeschränkten<br />
Parkplätzen mit Gebühren oder aus blauer Zone.<br />
Dadurch reduziert sich das spezifische Verkehrspotential<br />
eines Besucherparkplatzes von durchschnittlich 19<br />
auf 15 (Glaser, Saxer + Partner, 1983). Die nicht<br />
benötigten 105 Besucherparkplätze werden je zur<br />
Hälfte auf Arbeiter- und Bewohnerparkplätze verteilt.<br />
Die Wohngebiete bestehen ausschliesslich aus<br />
autofreien Siedlungen kombiniert mit einem Angebot<br />
für Car-Sharing. Dadurch wird nur ein Drittel<br />
der Wohnparkplätze benötigt; die restlichen werden<br />
aufgehoben. Somit stehen 518 Parkplätze als St<strong>and</strong>orte<br />
für Car-Sharing-Fahrzeuge und für BesucherInnen<br />
zur Verfügung.<br />
Die ArbeitgeberInnen fördern die Benutzung der<br />
öffentlichen Verkehrsmittel seitens der MitarbeiterInnen<br />
durch eine Vergünstigung der ÖV-Abonnemente<br />
(bzw.durch eine Prämie für Fussgängerlnnen und<br />
VelofahrerInnen), durch Parkplatzgebühren, die<br />
mindestens den effektiven Parkplatzkosten entsprechen,<br />
und durch die Bereitstellung einer guten<br />
Infrastruktur für VelofahrerInnen (Abstellplätze,<br />
Duschmöglichkeiten). Die ArbeitgeberInnen fördern<br />
<strong>im</strong> weiteren «Autopooling». Dadurch reduziert<br />
164<br />
UNS-Fallstudie '96
____:-- '-- -----------:---Verkehr<br />
sich das durchschnittliche spezifische Verkehrspotential<br />
der zur Verfügung stehenden 1852 Arbeitsparkplätze<br />
von 2.5 auf 2:<br />
DieStrassengestaltung ist max<strong>im</strong>al behinderten- und<br />
langsamverkehrsgerechtkonzipiert. Dies bedeutet, dass<br />
auf den Hauptachsen Binzmühle- und Birchstrasse<br />
den Fussgängerlnnen breite Trottoirs und den VelofahrerInnen<br />
abgegrenzte Velostreifen zur Verfügung<br />
stehen. Auf den Nebenstrassen findet kein Durchgangsverkehr<br />
statt. Für Seh- und Gehbehinderte<br />
werden alle möglichen baulichen Massnahmen ergriffen,<br />
.wie abgesenkte, bzw. überall durchgezogene<br />
Trottoirs, Orientierungshilfen für Sehbehinderte mit<br />
blindengerechten Signalen und rollstuhlgerechten<br />
Belägen.<br />
Im Bereich des öffentlichen Verkehrs werden die <strong>im</strong><br />
Entwicklungsleitbild vorgesehenen drei Erschliessungslinien<br />
realisiert (Binzmühlestrasse [als Tramlinie];<br />
Seebach-BircMtrasse-Bahnhof Oerlikon; von<br />
<strong>Nord</strong>westen her entlang der Neunbrunnenstrasse).<br />
Zusätzlich wird die Feinerschliess<strong>im</strong>g mit einem<br />
Elektrofahrzeug sichergestellt, welches das ZZN<br />
durchfährt und eine Verbindung zum alten <strong>Zentrum</strong><br />
von Oerlikon sicherstellt..<br />
Für die Güterversorgung des ZZN steht eine Citylogistik<br />
zur Verfügung, die mit flankierenden Massnahmen<br />
wie der Bevorzugung von Citylogistik-Fahrzeugen<br />
(kein Lieferzeitfenster und Einfahrlizenzen),<br />
engen Kurvenr;ldien und Steuererleichterungen bzw.<br />
Subventionen für Beteiligte, gefördert wird. Ebenso<br />
wird das bestehende Schienennetz opt<strong>im</strong>al aus~<br />
gelastet, wie es bereits das Entwicklungsleitbild<br />
vorsieht. All diese Massnahmen führen zu einer<br />
ungefähren Reduktion des Lieferverkehrs um 10%<br />
und der Emissionen um 30%. _<br />
Der Durchgangsverkehr wird vom ZZN fernge-·<br />
halten: Der Autobahnanschlusswird nicht realisiert,<br />
hingegen wird die Binzmühlestrasse West wie vorgesehen<br />
gesperrt. Als begleitende Massnahme wird<br />
Tempo 30 eingeführt.<br />
plätzen. Bei der Bewirtschaftung werden kurzzeitige,<br />
gebührenpflichtige Parkplätze am Strassenr<strong>and</strong> bevorzugt,<br />
was ein grosses spezifisches Verkehrspotential<br />
(sVp) von 23 (Glaser, Saxer + Partner, 1983) zur Folge<br />
hat. Ein Verkehrsleitsystem, das freie Parkplätze<br />
anzeigt, wird nicht realisiert, was einen erhöhten<br />
Suchverkehr zur Folge hat.<br />
Bei der etappenweisen Realisierung des ZZN<br />
werden anfangs zu viele Wohnparkplätze vergeben, so<br />
dass für die nachfolgenden Wohnbauten zuwenig<br />
Parkplätze zur Verfügung stehen würden. Auf Druck<br />
der Investorlnnen werden die Sonderbauvorschriften<br />
abgeändert, so dass <strong>im</strong> Endausbau den BewohnerInnen<br />
2300 Parkplätze zur Verfügung stehen, entsprechend<br />
der Ptlichtparkplatzzahl der kommunalen<br />
Bau- und Zonenordnung von Zürich.<br />
Arbeitsparkplätze werden abends und an Wochenenden<br />
für BesucherInnen freigegeben, was deren sVp<br />
um 4 Bewegungen pro Tag auf 6.5 erhöht. Die Zahl<br />
der Arbeitsparkplätze wird aber zugunsten der Besucherparkplätze<br />
um 52 auf 1742 reduziert.<br />
Für die Langsamverkehrsteilnehmerlnnen werden nur<br />
wenige- Massnahmen ergriffen: schmale Trottoirs,<br />
4.2.4 Modell motorisierter Individualverkehr max<br />
(MIVmax)<br />
Das Modell MIV max beinhaltet ein Verkehrssystem,<br />
das eine möglichst effiziente Gestaltung des motorisierten<br />
Individualverkehrs (MIV) erlaubt. Massnahmen,<br />
die diesen einschränken, werden kaum ergriffen.<br />
Wenig gefördert werden dagegen der öffentliche<br />
und der Langsamverkehr.<br />
Massnahmen:<br />
Das Dienstleistungsangebot bewirkt hohe Besucherfrequenzen.<br />
Daher wird die Zahl'der Besucherparkplätze<br />
um 15% auf 805 erhöht, je zur Hälfte auf<br />
Kosten von Arbeitsparkplätzen und Wohnpark-<br />
Abb. 4.2.4 Durch den grossen Anteilan Wohnstrossen <strong>im</strong> ZZN könnte das<br />
neue Quartier einegünstige Umgebung/iir den Fahrradverkehr bieten (Bild:<br />
Michael Meier).<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
165
Verkehr -'- _<br />
teilweise Velostreifen. Ansonsten entspricht<br />
die Strassengestaltung dem vorherrschenden<br />
Muster: breite Fahrbahnen<br />
mit .Abbiegespuren und schnurgerade<br />
Linienführung.<br />
Von den <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild vorgesehen<br />
drei Verbindungen des öffentlichen<br />
Verkehrs werden nur zwei realisiert, dafür<br />
wird der Autobahnanschluss realisiert. Nicht<br />
berücksichtigt werden folgende Anliegen:<br />
• behindertengerechte Strassengestaltung,<br />
• flankierende Massnahmen be<strong>im</strong> Güterverkehr,<br />
das Speditionszentrum bleibt<br />
fakÜltativ,<br />
• Massnahmen zur Beschränkung des<br />
Durchgangsverkehrs und Sperrung de'r<br />
Binzmühlestrasse West.<br />
Modell Wohnpark Arbeits- Besucher- Total<br />
plätze parkplätze parkplätze<br />
Entwicklungsleitbild 1500 1800 700 4000<br />
.......................................... .. ................. ............ ...................<br />
Entwicklungsleitbild<br />
opt<strong>im</strong>iert<br />
1300 1800 700 3800<br />
................... .. ......................<br />
ÖV-LVmax 518 1852 595 2965<br />
MlVmax 2300 1742 805 4847<br />
Tab. 4.3.1.1 Parkplatzverteilung der einzelnen Modelle. DerEinfluss der unterschiedlichen<br />
Zahl der Wohnparkpliitze (da diese Zahl grosse Unterschiede aufweist) und der<br />
Besuche11Jarkplätze (da diese Parkplätze ein hohes spezifisches Verkehrspotential besitzen)<br />
aufdie Gesamroerkehrsmenge ist etwa gleich gross; die unterschiedliche Zahl der Arbeitsparkplätze<br />
verursachen hingegen nur vernachlässigbar kleine Änderungen der Verkehrsmengen.<br />
4.3<br />
Resultate der Verkehrsabschätzung<br />
für die einzelnen Modelle<br />
4.3.1 Resultate der Personenverkehrsabschätzungen<br />
Eine wichtige Grösse zur Abschätzung der Verkehrsmenge<br />
ist die Parkplatzverteilung. Sie lässt sich aus<br />
den gewählten Ausprägungen der Einflussfaktoren berechnen.<br />
Oie Definition der verschiedenen Ausprägungen<br />
beeinflusstdie Zahl der Arbeitsparkplätze nur<br />
schwach (rund 5% Unterschiede) und wäre eigentlich<br />
vernachlässigbar. Um aber die Ausprägungen<br />
trotzdem korrekt anzuwenden, wird mit den genauen<br />
Zahlen gerechnet. Die Verteilung der Parkplätze auf<br />
die einzelnen Modelle ist in Tab. 4.3.1.1 zusammenfassend<br />
dargestellt.<br />
Jedes der vier Moddle weist einen <strong>and</strong>eren Modal<br />
Split auf, Den Vorgaben des Entwicklungsleitbildes<br />
am nächsten kommt das<br />
Modell Entwicklungsleitbild<br />
opt<strong>im</strong>iert, wobei der<br />
Anteil des motorisierten<br />
Individualverkehrs (MIV)<br />
noch <strong>im</strong>mer leicht zu<br />
h~ch ist. Im Modell ÖV<br />
LVmax ist der MIV-Anteil<br />
hingegen bereits 7%<br />
kleinerals das Entwicklungsleitbild<br />
vorsieht.<br />
Die grösste Verkehrsmenge<br />
wird durch das<br />
Modell ÖV-LV max verursacht,<br />
am wenigsten durch<br />
das .Modell MIV max,<br />
wobei die Differenz rund<br />
15% beträgt. Diegetroffenen<br />
Massnahmen führen<br />
Verkehrsmodell<br />
Entwicklungsleitbild<br />
Entwicklungsieltbild<br />
opt<strong>im</strong>iert<br />
ÖV-LVmax<br />
MIVmax .<br />
Grösse<br />
somit nicht in erster Linie zu einer Mobilitätseinschränkung,<br />
sondern zu einer Verlagerung zwischen den Verkehrsmitteln.<br />
Die in Tab. 4.3.1.2 dargestellten Resultate basieren<br />
auf der in Kap. 3.2.1 PERSONENVERKEHRSABSCHÄTZUN<br />
GEN beschriebenen Berechnungsmethode.<br />
Die Unterschiede der Verkehrsmengen für die<br />
einzelnen Verkehrsarten betragen knapp 10% bis<br />
rund 250%. Auch bei einer Annahme eines Fehlers<br />
für die Verkehrsabschätzung von rund 20% sind die<br />
Resultate signifikant verschieden.<br />
4.3.2 Resultate der Güterverkehrabschätzungen<br />
Eine Beschreibung des zugrundeliegenden Güterverkehrmodells<br />
befindet sich in Kap. 3.2.2 GOTER<br />
VERKEHRABSCHÄTZUNGEN. Im folgendensoll die durch<br />
die Massnahmen gemäss Ausprägungen veränderte<br />
Kilometerleistung für den Güterverkehr berechnet<br />
Zurückgelegte Wege (Pkm/Tag)<br />
Modal-Split<br />
Zurückgelegte Wege (Pkm/Tag)<br />
Modai-Split<br />
Zurückgelegte Wege (Pkm/Tag)<br />
Modal-Split<br />
Zurückgelegte Wege (Pkm/Tag)<br />
Modai-Split<br />
Total<br />
Tob. 4.3.1.2 Resultate der Verkehrsabschlitzungen für die vier Modelle. Die grösste Gesamtmobilität weist dos<br />
ModelIÖV-LV max auf(MIV = motorisierter Individualverkehr, ÖV = öffentlicher Verkehr, LV= Langsamverkehr,<br />
Pkm = Personenkilometer). . .<br />
MIV<br />
24'900<br />
63%<br />
ÖV<br />
15'100 16'600<br />
37% 41%<br />
14'150 19'800<br />
33% 46%<br />
8'750<br />
22%<br />
LV<br />
9'200 40'900<br />
22%<br />
9'550 43'500<br />
22%<br />
10'300 22'600 12'550 45~450<br />
23% 50% 28%<br />
5'700 39'350<br />
14%<br />
166 UNS-Fallstudie '96
~ Verkehr<br />
werden. Dabei ist zu beachten,<br />
dass für die Modelle Entwicklungsleitbild<br />
und MIV max<br />
sowie für Entwicklungsleitbild<br />
opt<strong>im</strong>iert und ÖV-LV max je-<br />
•<br />
weHs die gleiche Ausprägung<br />
gewählt wurde.<br />
Mode/le Entwicklungsleitbild<br />
und MIV max (keine lenkenden<br />
Massnahmen)<br />
• Keine Einsparungen durch<br />
Logistikzentrum<br />
• Keine Bevorzugung von<br />
Lieferwagen<br />
• 65% der Anlieferungen geschehen<br />
per Lieferwagen,<br />
35% per LKW. Di~ vorh<strong>and</strong>enen<br />
Geleise werden<br />
für 5% der Transporte verwendet.<br />
Dies bringt eine<br />
Reduktion der LKW Transporte<br />
um 5% (min<strong>im</strong>ale Ausnutzung<br />
der Bahngeleise).<br />
Mode/le 'Entwicklungsleitbild<br />
opt<strong>im</strong>iert und ÖV-LV max (City~<br />
logistik mit flankierenden Massnahmen)<br />
• Einsparung (auf sämtliche<br />
Gütertransportmittelgleichmässig<br />
verteilt) durch Logi~<br />
stikzentrum <strong>im</strong> Bereich von<br />
5-10% in der Industrie und<br />
15-20% <strong>im</strong> Dienstleistungssektor.<br />
• 65% der Anliefeiungen finden per Lieferwagen<br />
und 35%per LKW statt. Bei den Baufeldern A und<br />
ewerden 15% der Transporte per Bahn getätigt,<br />
dadurch resultiert eine Einsparung von 10% bei<br />
LKW- und 5% bei Lieferwagentransporten (opt<strong>im</strong>ale<br />
Ausnutzung von Bahngeleisen).<br />
• Bevorzugung von Lieferwagen durch engere Kurvenradien.<br />
(LKW minus 10% der Transportmenge,<br />
Lieferwagen plus 10% der Transportmenge).<br />
Vergleich dl!r Mode/le<br />
In dieser Abschätzung wurde der Einfluss der einzelnen<br />
Ausprägungen nur auf die Kilometerleistung als<br />
einzigen Einflussfaktor hin betrachtet. Auch wenn<br />
sich bei den einzelnen Szenarien wenig Unterschiede<br />
in bezug auf die Gesamtkilometerleistung zu<br />
erkennen sind, so muss dennoch der Einfluss der<br />
Ausprägungen auf zeitliche und räumliche Variabilität<br />
der Verkehi:sflüsse beachtet werden. Insbesondere<br />
dieJlankierenden Massnahmen haben Auswirkungen,<br />
Abb. 4.3.2 Die heute noch bestehenden Anschlussgeleisefallen durch die Realisierungdes ZZNweitgehend weg<br />
(Bild: Michael Meier).<br />
Verkehrsmodelle Fahrzeug Potential Kilometerleistung<br />
Entwicklungsleitbild, LKW 1565-2348LKW(Tag 374-561 km(Tag<br />
MlVmax<br />
LW 2618-3928 LW(Tag 1458-2187 km(Tag<br />
--. ..... .............. ...................... ...................... ....... .......... " ...•..••.••.•..•..•......... . ......<br />
EntwicklunBsleitbild LKW 1187-1890 LKW(Tag 203-322 km(Tag<br />
opt<strong>im</strong>iert, OV·LV max<br />
LW 2418-3845 LW(Tag 1450-2147 km(Tag<br />
Tab. 4.3.2 Resultate der Verkehrsabschätzungen für den Güterverkehr. Da die Kilometerleistung des Güterverkehrs<br />
der einzige Einflussfaktor ist undfürjeweils zwei Modelle die gleiche Ausprägunggewählt wurde,<br />
sinddie Resultatefürjeweils zwei Modelle identisch.<br />
welche sich nicht in einer Reduktion der Kilometer-<br />
_leistung, sondern einer zeitlichen und räumlichen<br />
Kanalisierung der Verkehrsströme niederschlagen. Diese<br />
Kanalisierung - z.B. weg von Wohngebieten - hat<br />
eine, vergleichsweise grosse Auswirkung auf die<br />
Wohnqualität.<br />
4..4 Bewertung_der Modelle<br />
Die Gesamtbewertung bezüglich der Rangfolge<br />
ergibt recht klare Resultate, wie Abb. 4.4.1 zeigt: Das<br />
Modell ÖV-LV max schneidet am besten ab; das<br />
Modell Entwicklungsleitbild liegt etwa gleich auf wie<br />
das Modell Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert; das Mödell<br />
MIV max wird deutlich schlechter eingestuft. Diese<br />
Rangfolge findet sich <strong>im</strong> Grossen und Ganzen auch<br />
für dieeinzelnen Teilbereiche der Bewertung. Nur<br />
<strong>im</strong> Bereich Humantoxizität wird das Modell Entwicklungsleitbildvor<br />
ÖV-LV max eingestuft; <strong>im</strong> Bereich<br />
UNS-Fallstudie '96 167
.<br />
Verkehr ~ _<br />
Verkehrsmodell<br />
Nutzen<br />
ÖV-LV max<br />
Entwicklungsleitbild<br />
Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert<br />
MIVmax<br />
0.656<br />
0.547'<br />
0.546<br />
0.297<br />
0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7<br />
111 Umweltindikatoren<br />
111 Aktivitäten der Anthroposphäre<br />
• Humantoxizität<br />
• Soziale Indikatoren<br />
Bewertung für den Bereich «Umweltindikator»<br />
Bewertung fürden Bereich «Aktivitäten der Anthroposphäre»<br />
ÖV·LV""" Entwicklungsleitbild<br />
~<br />
H'""".'..,<br />
E_",,"'1>11d opti""'.i •<br />
ÖV-LV max<br />
Iml:~I'I'}':::I::::::::If.h~I~~':::i::I'~~·:;::~~~·::..-
__________________:-- ~ ____,_----Verkehr<br />
Wie <strong>im</strong> Kap. 3.3.4 DEFINITION DER NUTZENFUNKTIO<br />
NEN beschrieben wurde, konnten die Nutzenfunktionen<br />
nicht nach einer einheitlichen Methode<br />
definiert werden, was zu unkorrekten Resultaten bei<br />
der Bewertung führen könnte. Darum sind in Abb.<br />
4.4.2 die Resultate einer Bewertung dargestellt, die<br />
nur jene Indikatoren berücksichtigt, für die ein Wert<br />
definiert werden konnte, der auf ein nachhaltiges<br />
Verhalten schliessen lässt.<br />
Da nur sehr wenige Indikatoren eine Bewertung<br />
bzgl. Nachhaltigkeit zulassen, kann die Frage, ob<br />
eines der Modelle dem Anspruch der Nachhaltigkeit<br />
gerecht wird, nicht schlüssig beantwortet werden.<br />
Gewisse Überlegungen zu diesem Punkt finden sich<br />
aber <strong>im</strong> Kap. 5.2 SIND DIE MODELLE NACHHALTIG.~<br />
5. Schlussfolgerungen<br />
5.1 LösJlngsllnsiitze für den Verkehr <strong>im</strong><br />
ZZN<br />
Das Strassennetz in Oerlikon ist bereits heute<br />
weitgehend bis an die obere Kapazitätsgrenz.e ausgelastet.<br />
Hauptverantwortlich dafür ist der hohe<br />
Durchgangsverkehr. Nach der Umnutzung wird die<br />
Anzahl der Personenbewegungen <strong>im</strong> ZZN auf etwa<br />
das dreifache der heutigen Menge ansteigen.<br />
Bei der IJewertung auf Nachhaltigkeit schnitt das<br />
Modell ÖV-LV max, welches die meisten der untersuchten<br />
Massnahmen enthielt, am besten ab. Dahin~<br />
teefolgen gleichauf die Modelle Entwicklungsleitbild<br />
und Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert.<br />
Die Modelle enthalten aber verschiedene innere<br />
Konflikte, die be<strong>im</strong> Modell Entwicklungsleitbild am<br />
stärksten hervortreten und be<strong>im</strong> Modell ÖV-LV max<br />
am schwächsten ausgeprägt sind:<br />
So kann der angestrebte Modal-Split mit der <strong>im</strong><br />
Entwicklungsleitbild vorgesehenen Anzahl und Nutzung<br />
der Parkplätze kaum eingehalten werden. Bei<br />
gleichbleibender Nutzung müsste die Parkplatzzahl<br />
von 4000 auf 3750 reduziert werden. Bei den Modellen<br />
ÖV-LV max und Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert wird<br />
der geforderte Modal-Split über eine Reduktion der<br />
Parkplatzzahl erreicht, die durch die effizientere<br />
Nutzung der einzelnen Parkplätze durch Car-Sharing<br />
notwendig wird.<br />
Die zusätzlich zu erwartende MIV-Menge wird die<br />
Verkehrskapazität in Oerlikon aller Voraussicht nach<br />
überlasten. Dies kann nur vermieden werden, wenn<br />
der Durchgangsverkehr reduziert wird. Das Modell<br />
Entwicklungsleitbild weist den höchsten Anteil an<br />
motorisiertem Individualverkehr aufund dieser Konflikt<br />
dürfte bei ihm somit am stärksten hervortreten.<br />
Die in·den Modellen ÖV-LV max und Entwicklungsleitbild<br />
opt<strong>im</strong>iert verwirklichten Massnahinen Citylogistik<br />
und Car-Sharing reduzieren die Gesamtverkehrsbelastung<br />
<strong>im</strong> Gebiet.<br />
Die Investorenbed;jrfnisse können zum heutigen<br />
Zeitpunkt nur schwer mit der geplanten Beschränkung<br />
auf 4000 Parkplätze vereinbart werden. Dieser<br />
Konflikt wird durch keines der drei Modelle gelöst,<br />
ist aber be<strong>im</strong> Modell ÖV-LV max durch die weitgehendste<br />
Reduktion der Parkplätze am stärksten<br />
ausgeprägt. Das Modell ÖV-LV max, das von uns als<br />
nachhaltigstes Modell bewertet wird, weist aber die<br />
höchste Mobilität und damit auch die meisten potentiellen<br />
KundInnen auf. Neue Lösungenbi6ten auch<br />
Chancen, können die Attraktivität des ZZN erhöhen<br />
und schaffen St<strong>and</strong>ortvorteile. Die zentrumsnahe Lage<br />
und die gute Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr<br />
sind opt<strong>im</strong>ale Voraussetzungenfür innovative Verkehrskonzepte.<br />
Aufder Basis von vertieften Studien, die insbe-<br />
UNS·Fallstudie '96<br />
169
Verkehr ~_~ ,.-- _<br />
sondere auch die Nachfrage besser abklören undsomit eine<br />
bessere D<strong>im</strong>ensionierung der Verkehrskonzepte erlauben,<br />
empfehlen wir,dieMassnahmen des Modells ÖV-LVmax zu<br />
verwirklichen.<br />
Entwicklungsleitbild<br />
Entwicklungsleitbild opt<strong>im</strong>iert<br />
Indikatorwert (kg/d)<br />
39<br />
36<br />
5.2 Sind die Modelle nachhaltig?<br />
Betrachtet man jene Indikatoren gesondert, bei der<br />
eine Bewertung in bezug auf die Nachhaltigkeit<br />
gelungen ist, fallt folgendes auf: Die Indikatorwerte<br />
für die einzelnen Verkehrsmodelle lieg~n in einem<br />
kleinen Bereich der möglichen B<strong>and</strong>breite. Die mögliche<br />
B<strong>and</strong>breite ist durch die heutige Belastung und<br />
die nachhaltige Belastung gegeben. Ein Beispiel findet<br />
sich für NO x in Tab. 5.2 Die Werte für die vier<br />
Modelle bewegen sich nur zwischen 34 und 42 kg/d,<br />
während die mögliche B<strong>and</strong>breite 16-69 kg/d beträgt.<br />
Die Best<strong>im</strong>mung der möglichen B<strong>and</strong>breite erfolgte<br />
durch die Abschätzung des Verkehrsanteils<br />
vom ZZN an der Gesamtschweiz (vgl.Kap. 3.3.3<br />
SYSTEMGRENZEN). Diese Abschätzung ist mit einigen<br />
Ungenauigkeiten verbunden. Diese Ungenauigkeiten<br />
führen aber höchsten zu einer Verschiebung dieses<br />
Intervalls und nicht zu einer Verkleinerung. Aus<br />
diesen Überlegungen lässt sich folgender Schluss<br />
ziehen: Die inden Modellen beschriebenen Massnahmen<br />
reichen für die betrachteten Indikatoren nicht aus, um den<br />
Verkehr so stark zu beeinflussen, damit eine nachhaltige<br />
'Verkehrsgestaltung möglich wöre.<br />
Bei dieser Betrachtung nicht b'erücksichtigtwurde<br />
die zeitliche Entwicklung, die Massnahmen wurden<br />
so bewertet, wie wenn sie<br />
auf die heutige Situation<br />
angew<strong>and</strong>t worden wären.<br />
Mitberücksichtigt werden<br />
müsste aber, dass<br />
• zukünftige technische<br />
Entwicklungen umweltfreundlichere<br />
Fahrzeuge<br />
auf den Markt brin- .<br />
gen werden und<br />
• europäische und schweizerische<br />
Verkehrsprognosen<br />
mit einer weiteren<br />
Zunahme der<br />
Mobilität rechnen.<br />
Während der erste Punkt<br />
zu einer Verbesserung der<br />
Situation führt, bewirkt<br />
der zweite das Gegenteil.<br />
Da sie beide von einer<br />
ähnlichen Grössenordnung<br />
sind, dürften sich<br />
die beiden Effekte unge-<br />
ÖV-LVmu<br />
MlVmu<br />
Heutige Belastung<br />
Nachhaltige Belastung<br />
Tab. 5.2 Indikatorwerte für NO.. Die l*rtefür die heutige unddie nachhaitige·<br />
Belastung wurden gemiiss der .Methode, die in Kapitel 3.3.4<br />
DEFINITION DER NUTZENFUNKTIONEN beschrieben ist, berechnet. Referenzwertefür<br />
die Schweiz wurden Infras (J9950) entnommen.<br />
fahr aufheben. Der dadurch gemachte Fehler ist<br />
gering.<br />
Die gebildeten Verkehrsmodelle führen somit<br />
kaum zu ~iner nachhaltigen Verkehrsgestaltung.<br />
Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich in erster<br />
Linie auf planerische Massnahmen auf dem Gebiet<br />
des ZZN -beschränken. Um den Verkehr nachhaltig<br />
zu gestalten, sind somit weitere Massnahmen notwendig,<br />
wie<br />
• planerische Massnahmen in einem grässeren<br />
Raum,<br />
• rechtlich~politische Massnahmen (z.B. Preisgestaltung),um<br />
das Verkehrsverhalten grundsätzlich zu<br />
beeinflussen.<br />
Abb. 5.2 l*m wollen wirin Zukunft wiliViel Raum zugestehen? Auch für Verkehrskonzepte eine Schlüsselfrage<br />
(Bild: Michael Meier).<br />
34<br />
42<br />
69<br />
16<br />
170 UNS-Fallstudie '96
--_--'- --'- Verkehr<br />
5.3 Bewertung der wirtschaftlichen Folgen<br />
Bei der Bewertung der wirtschaftlichen Aspekte der<br />
Verkehrsmodelle müssen zwei Bereiche unterschieden<br />
werden: Einerseits die betriebs- und volkswirtschaftlichen<br />
Kosten für das eigentliche Verkehrssystem<br />
und <strong>and</strong>ererseits die Auswirkungen auf die<br />
Attraktivität des ZZN und das damit verbundene<br />
Verhalten von InvestorInnen und NutzerInnen.<br />
Zum ersten Aspekt sind in letzter Zeit einige<br />
Studien erstellt worden, insbesondere auch <strong>im</strong><br />
Zusammenhang mit Untersuchungen über externe'<br />
Kosten und Nutzen, die <strong>im</strong> Rahmen des NFP <strong>Stadt</strong><br />
und Verkehr (Ecoplan, 1992; Infras, 1992) erstellt<br />
wurden. Dabei zeigte sich, dass die Kosten für den<br />
öffentlichen Verkehr und den motorisierten Individualverkehr<br />
pro Personenkilometer in ähnlichen Grössenordnungen<br />
liegen. Öffentlicher l-erkehr ist besonders<br />
in dicht besiedelten Gebieten wie Agglomerationen<br />
effizient, da dort grosse Auslastungen erreicht werden<br />
können. Der MIV besitzt hingegen in ländlichen<br />
Gebieten Vorteile. Eine Förderung des öffentlichen<br />
. Verkehrs <strong>im</strong> ZZN sollte sich somit auf wirtschaftlicher<br />
Ebene lohnen. Damit aber auch die betriebswirtschaftliche<br />
Rechnung st<strong>im</strong>mt, muss das «Prinzip der·<br />
Kostenwahrheit» umgesetzt werden.<br />
Eine Analyse der Auswirkungen des Verkehrssystems<br />
auf die Attraktivität ist bedeutend schwieriger.<br />
Nebst harten Fakten hängt sie auch sehr stark<br />
von gesellschaftlichen und persönlichen Werthaltungen<br />
(von InvestorInnen, BewohnerInnen, etc.) ab.<br />
Aus Befragungen von Personen verschiedener N utzergruppen<br />
(siehe Kapitel 2.3.2 BEDÜRFNISSE DER<br />
AKTEURE) zeigt sich, dass insbesondere der Parkplatzzahl<br />
eine hohe Bedeutung zugewiesen wird.<br />
Einige der betrachteten Verkehrsrnassnahmen sind<br />
ip.novativ und dementsprechend wenig untersucht.<br />
Dies gilt insbesondere auch für das autofreie Wohnen,<br />
verbunden mit einem Car-Sharing-Konzept. Daher<br />
müsste abgeklärt werden, wie gross die Nachfrage<br />
nach dieser Massnahme ist. Ein autofreies Wohngebiet<br />
<strong>im</strong> Umfang des ganzen ZZN wäre in Europa<br />
aufjeden Fall einmalig.<br />
6. Berechnungs- und Bewertungsgrundlagen<br />
6.1 EinfIussfaktoren<br />
Die Beschreibung der Einfluss/aktoren mit den dazugehörigen Ausprägungen findet sich In Tab. 6.1; die<br />
Zuordnung der Ausprägungen auf die l-erkehrsmodelle lässt sich Tab. 4.2 entnehmen;<br />
Einflussfaktor Nr. Ausprägung<br />
Bewirtschaftung der<br />
Besucherparkplätze<br />
(Abschätzung aus Glaser,<br />
Saxer +Partner, 1983)<br />
Anordnung der Besucherparkplätze<br />
Al<br />
A2<br />
A3<br />
Al<br />
A2<br />
Min<strong>im</strong>ales Verkehrspotential: Der grösste Teil der Besucherparkplätze besteht aus zeitlich<br />
unbeschränkten Parkplätzen mit Gebühren und blauer Zone. Dadurch weisen die Besucher'<br />
parkplätze ein durchschnittliches sVp von ca. 15 auf. .<br />
Durchschnittliches Verkehrspotential: Viele Besucherparkplätze werden mit Gebühren und<br />
zeitlicher Beschränkung von 60 bis 240 Minuten belastet. Das sVp eines Besucherparkplatzes<br />
beträgt ca. 19.<br />
Max<strong>im</strong>ales Verkehrspotential: Da die meisten Besucherparkplätze mit Gebühren und zeitlicher<br />
Beschränkung von 30 bis 60 Minuten vorgesehen sind, weisen sie ein sVp von ca. 23 auf.<br />
Besucherparkplätze nur in Parkhäusern: Alle Besucherparkplätze sind in Parkhäusern ange·<br />
ordnet. Ein Verkehrsleitsystem zeigt frühzeitig an, wo noch freie Parkplätzesind.<br />
Besucherparkplätze grundsätzlich am Strassenr<strong>and</strong>: Die Anordnung der Besucherparkplätze am<br />
Strassenr<strong>and</strong> führt zuSuchverkehr in den Erschliessungsstrassen.<br />
Tab. 6.1 Beschreibung der Einflussfaktoren mitihren Ausprägungen (sVp = spezifisches Verkehrspotential, ÖV.; öffentlicher Venchr, MIV= motorisietter<br />
Individualverkehr). Fottsetzung Tab. 6.1 siehe nächste Seite ~<br />
UNS-Fallstudie '96 171
Verkehr ~ _'_<br />
Einflussfaktor<br />
Art des Dienstleistungsangebotes<br />
Bewirtschaftung der<br />
Arbeitsparkplätze<br />
Nr.<br />
Al<br />
A2<br />
A3<br />
Al<br />
A2<br />
A3<br />
Ausprägung<br />
Besucherintensives Dienstleistungsangebot: Das Dienstleistungsangebot zieht viele motorisierte<br />
Besucherlpnen an. Die Zahl der Besucherparkplätze wird um 15% erhöht, wobei die Erhöhung<br />
je zur Hälfte auf Kosten der Arbeits- und Wohnparkplätze geht. -<br />
Durchschnittliches Dienstleistungsangebot: Das Dienstleistungsangebot entspricht einem<br />
durchschnittlichen Mix, so dass die Zahl der Besucherparkplätze entsprechend dem heutigen<br />
Konzept ausreichen.<br />
Besucherextensives Dienstleistungsangebot: Das Dienstleistungsa.ngebot zieht wenig motorisierte<br />
Besucherinnen an. Die Zahl der Besucherparkplätze wird um 15% reduziert, wobei die<br />
Parkplätze je zur Hälfte auf Arbeits- und Wohnparkplätze verteilt wird.<br />
ArbeitgeberInnen fördern Ö~ Die Arbeitgeberinnen fördern die BenuJzung der öffentlichen<br />
Verkehrsmittel durch die Mitarbeiterinnen, indem sie den Kauf von O\l-Abonnementen verbilligen.<br />
Für die Arbeitsparkplatz erheben sie kostendeckeride Gebühren. Die Arbeitgeberinnen<br />
fördern <strong>im</strong> weiteren «Autopooling» und Alternativmöglichkeiten mit Veloabstellplätzen,<br />
Duschkabinen <strong>im</strong> Büro, Wohnen <strong>im</strong> Quartier. Dadurch stehen <strong>im</strong> Durchschnitt 20% der vorgesehenen<br />
Arbeitsparkplätze leer, das durchschnittliche sVp pro Parkplatz sinkt auf 2.<br />
ArbeitnehmerInnen übernehmen die Parkkosten: Von seiten der Arbeitgeberinnen werden keine<br />
zusätzlichen Massnahmen ergriffen. Das sVp der Arbeitsparkplätze beträgt 2.3.<br />
Herkömmliche Nutzung der Arbeitsparkplätze: Den Angestellten werden kostenlos Parkplätze<br />
zur Verfügung gestellt. Die Benützung des öffentlichen Verkehrs wird nicht gefördert. Dadurch<br />
weist ein Arbeitsparkplatz ein durchschnittliches sVp von 2.5 auf.<br />
A4 . Freigabe ungenutzter Arbeitsparkplätze für BesucherInnen: Arbeitsparkplätze werden, sofern<br />
sie nicht gebraucht werden, für BesucherInnen freigegeben (z.B. abends, am Wochenende).<br />
Zum durchschnittlichen sVp von 2.5 durch Angestellte, benufzen die Besucherinnen den Parkplatz<br />
mit einem durchschnittlichen sVp von 4, d.h. das sVp der Arbeitsparkplätze beträgt 6.5.<br />
.<br />
Wohnparkplätze Al Grosses autofreies Quartier mit Car-Sharing: Alle Wohnzonendes ZZN werden autofrei geplant.<br />
So können zwei Drittel der Wohnparkplätze gestrichen werden. Die restlichen Parkplätze sind<br />
für Besucherinnen und Car-Sharing-Fahrzeuge reserviert. .<br />
Behindertengerechte<br />
Strassengestaltung<br />
A2<br />
A3<br />
A4<br />
Al<br />
A2<br />
A3<br />
Kleines autofreies Quartier mit Car-Sharing: Nur ein Teil der Wohnzonen wird autofrei geplant.<br />
So kann ein Sechstel der Wohnparkplätze gestrichen werden. Ein Dreissigstel der Wohnparkplätze<br />
wird für das Car-Sharing reserviert.<br />
Autoarme Wohnzonen: Es wird wie geplant eine autoarme Wohnzone mit 1500 Wohnparkplätzen<br />
gebaut.<br />
Autoorientierte Wohnsiedlung: Es werden anfänglich zu viele Parkplätze vergeben. Auf Druck<br />
der Investorinnen werden die Sonderbauvorschriften geändert. So stehen nach Vollrealisierung<br />
des ZZN 2300 Wohnparkplätze entsprechend der heutigen Pflichtparkplatzzahl zur Verfügung.<br />
Max<strong>im</strong>al behindertengerecht: Den Seh- und Gehbehinderten werden alle möglichen baulichen<br />
und technischen Massnahmen zur Verfügung gestellt. Dies beinhaltet u.a. die Absenkung<br />
von Trottoirs, blindengerechte Signale, rollstuhlgerechte Beläge, Orientierungshilfen für Sehbehinderte.<br />
Min<strong>im</strong>al behindertengerecht: Nur Bürgersteigabsenkungen werden berücksichtigt.<br />
Nicht behindertengerecht: seh- und gehbehindertengerechte Massnahmen werden in der<br />
Planung nicht berücksichtigt:<br />
Fortsetzung Tab. 6.1· Beschreibung der Einflussfaktoren mit ihren Ausprägungen (sVp = spezifisches Verkehrspotential, ÖV = öffentlicher Verkehr,<br />
MIV = motorisierter Individualverkehr).<br />
Fortsetzung Tab. 6.1 siehe nächste Seite-7<br />
172 UNS-Fallstudie '96
_~ ---,- ~ Verkehr<br />
EiDflussfaktor<br />
Langsamverkehrsgerechte<br />
Strassengestaltung<br />
Nr.<br />
Al<br />
A2<br />
A3<br />
Ausprägung<br />
Koexistenz aller VerkehrsteilnehmerI~nen:Neben Langsamverkehr gibt es auf der Binzmühleund<br />
der Birchstrasse auch Platz für OVund MIv. Die Fahrzeuge fahren langsam und gleichmässig.<br />
Durchschnittsstrasse nach gängigem Muster: Breite Fahrbahnen, Abbiegespuren, sch!:lurgerade<br />
Linienführung, schmales Trottoir am R<strong>and</strong>, evtl. Velostreifen, Autos fahren schnell, Uberqueren<br />
der Strasse riskant..<br />
Mehrspurige Strasse: Binzmühle- und Birchstrasse sind nur durch Unterführungen zu queren,<br />
für den Veloverkehr werden keine Massnahmen ergriffen. .<br />
Öffentlicher Verkehr Al Entwicklungsleitbild mit Feinerschliessung: Die <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild vorgesehenen drei<br />
Linien des öffentlichen Verkehrs werden realisiert (Tramlinie auf der Binzmühlestrasse; Buslinie<br />
Birchstrasse-Bahnhof Oerlikon; Buslinie entlang der Neunbrunnenstrasse), Zusätzlich wird die<br />
Feinerschliessung durch ein kleines Elektrofahrzeug sichergestellt. Es durchfährt das ZZN und<br />
verbindet das neue Quartier mit dem südlichen Bahnhofteil Oerlikons (<strong>Zentrum</strong> Oerlikon).<br />
A2<br />
A3<br />
Realisierung des Entwicklungsleitbilds: Die drei Linien des Entwicklungsleitbildes werden<br />
realisiert. Eine Feinerschliessung ist nicht vorgesehen.<br />
Teilrealisierung des Entwicklungsleitbilds: Eine der beiden <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild vorgesehenen<br />
Buslinien wird nicht realisiert.<br />
Güterverkehr<br />
Al . Keine lenkenden Massnahmen: Der Güterverkehr wird gemäss dem Entwicklungsleitbild ausgestaltet.<br />
Das Speditionszentrum bleibt fakultativ.<br />
Güterverkehrreduzierende Massnahmen: Wiederum Wird der Verkehr gemäss dem Entwicklungsleitbild<br />
ausgestaltet, wobei einSpeditionszentrum aber keine Citylogistik errichtet wird.<br />
Gleichzeitig wird mit einer opt<strong>im</strong>alen Auslastung des Schienennetzes <strong>im</strong> ZZN, der Sperrung<br />
gewisser Strassen für den Güterverkehr und engeren Kurvenradien der Güterverkehr reduziert.<br />
A2<br />
A3<br />
A4<br />
Güterverkehrreduzierende und die Politik betreffende Massnahmen: Zusätzlich zu den Massnahmen<br />
der Ausprägung Güterverkehrredu~.ierende Massnahmen werden mittels einer Einfahrvignette<br />
umweltfreundliche Fahrzeuge wie Okodiesel und Elektrofahrzeuge bevorzugt.<br />
Citylogistik: Es wird eine Citylogistik errichtet, deren Benutzung freiwillig bleibt.<br />
Citylogistik mit flankierenden Massnahmen,' Die Benutzung der Citylogistik bleibt weiterhin<br />
freiwillig, durch flankierende Massnahmen wird aber deren Konkurrenzfähigkeit erhöht: Citylogistik-Fahrzeuge<br />
werqen bevorzugt, da für sie keine Lieferzeitfenster gelten und sie keine<br />
Einfahrlizenzen benötigen; das Schienellnetz wird opt<strong>im</strong>al ausgelastet; die Strassen weisen<br />
enge Kurvenradien auf und mittels Steuererleichterungen und Subventionen wird die Beteiligung<br />
an der Citylogistik gefördert.<br />
Durchgangsverkehr· Al Max<strong>im</strong>ale Attraktivität: Der Autobahnanschluss wirdrealisiert, die Strassen sind gut ausgebaut,<br />
der Durchgangsverkehr wird nicht behindert durch Temporeduktion und Strassenschliessung.<br />
A2<br />
A3<br />
Durchschnittliche Attraktivität: Der Autobahnanschluss wird zwar nichtrealisiert, ebenso<br />
werden aber keine Strassenschliessungen und keine Temporeduktionen eingeführt.<br />
Min<strong>im</strong>ale Attraktivität: Der Autobahnanschluss wird nicht realisiert, dafür die vorgesehene<br />
Strassenschliessung. Auf Binzmühle- und Birchstrasse wird Tempo 30 signalisiert. Ein Kreisel<br />
sorgt für eine flüssige Verkehrsabfolge.<br />
Fortsetzung Tab. 6.1 Beschreibung der Einfluss/aktaren mit ihren Ausprägungen (sVp = spezifisches Verkehrspotential, ÖV = öffentlicher Verkehr,<br />
MIV = motorisierter Individualverkehr). .<br />
UNS-Fallstudie '96 173
Verkehr --,- -'- -'- _<br />
6.2 Beschreibung der Indikatoren und<br />
deren Gewichtung<br />
Die Beschreibung jener Indikatoren, die bei der<br />
Bewertung berücksichtigt worden sind, findet sich<br />
i.n Tab. 6.2.1 Die Gewichtung erfolgte in zwei Stufen:<br />
Zuerst wurde die Gewichtung innerhalb eines Indikatarbereichs<br />
festgelegt, anschliessend wurden die<br />
einzelnen Bereiche unterein<strong>and</strong>er gewichtet. Es<br />
wurden jeweils Werte zwischen 1 und 5 zugewiesen<br />
(siehe Tab. 6.2.2).<br />
Indikator<br />
S02<br />
Bodenversiegelung<br />
Pr<strong>im</strong>ärenergieverbraucl)<br />
Materialverbrauch<br />
Fahrzeuge<br />
Abfälle Reaktordeponie<br />
Smogindex<br />
Kanzerogene Stoffe<br />
Schallpegel<br />
Wirkung<br />
Treibhausgas, Erwärmung<br />
der Erdatmosphäre<br />
Versauerung der Böden<br />
und Bildung von bodennahemOzon<br />
Versauerung der Böden,<br />
Schädigung des Chlorophylls<br />
bei Pflanzen.<br />
Verlust an Nutzungsraum,<br />
Beeinträchtigung<br />
der Biodiversität<br />
Beschränkte Ressourcen<br />
Beschränkte Ressourcen,<br />
'Umweltverschmutzungen<br />
be<strong>im</strong> Abbau.<br />
Entsorgungsproblem<br />
Luftverschmutzung,<br />
Atemwegserkrankungen<br />
Erhöhtes Krebsrisiko<br />
Schlaf-, Kommunikationsund<br />
Leistungsstörungen<br />
Bemerkung und Best<strong>im</strong>mung<br />
Die Gesamtemission von Kohlendioxid wird über die Vorabschätzungen<br />
und den Emissionsfaktoren für die einzelnen Ye'rkehrsmittel berechnet.<br />
.................. ···v········<br />
Die Gesamtemission von Stickoxiden wird analog dem Kohlendioxid<br />
berechnet.<br />
sieheC~.,<br />
Die Best<strong>im</strong>mung erfolgt qualitativ: Bei Einflussfaktoren, die diesen Indikator<br />
beeinflussen wird jeder Ausprägung ein Wert zugewiesen wobei 1eine<br />
max<strong>im</strong>ale und 0 eine min<strong>im</strong>ale Bodenversiegelung bedeutet (Anordnung<br />
Besucherparkplät?e: Al = 004, A2 = 0.8; Wohnparkplätze: Al = 0.3, A2 = 0.6,<br />
A3 =' 0.8, A4 = 1; Offentlicher Verkehr: Al = 0.8, A2 = 0.8, A3 = 0.6). Der<br />
Gesamtwert wird über das arithmetische Mittel berechnet.<br />
Der Pr<strong>im</strong>ärenergieverbrauch wird analog dem CO2berechnet, wobei<br />
anstelle von Emissionswerten Energieverbrauchswerte treten.<br />
Be<strong>im</strong> Materialverbrauch wurde der Verbrauch von Metallen (Aluminium,<br />
Gusseisen, Stahl, Kupfer) sowie von Kunststoffen (bilanziert für Pp, Verbrauch<br />
fossiler Brennstoffe) berücksichtigt. Aus der totalen, täglichen<br />
Fahrdistanz für die einzelnen Verkehrsmittel und deren Lebensdauer<br />
wurde der tägliche «Verbrauch» an Fahrzeugen berechnet. Aus Angaben<br />
über Materialverbrauch für ein Fahrzeug konnte somit der totale Materialverbrauch<br />
berechnet werden.<br />
Analog dem Indikator «Materialverbrauch Fahrzeuge» wurde die täglich<br />
anfallende Menge an Abfall für die Reaktordeponie berechnet.<br />
·In der Uteratur (Karl et al., 1988) wird der PSI (Pollutant-St<strong>and</strong>ard-Index)<br />
definiert: Für die Schadstoff<strong>im</strong>missionen von CO, 0 3 , N02, S02 und Staub<br />
wird jeweils ein Indexwert auf einer vorgegebenen Skala best<strong>im</strong>mt.]ener<br />
Schadstoff mit dem höchsten Indexwert gibt die Gesamtgüte der Luft an.<br />
Die einfachen Verkehrsmodelle, die wir betrachtet haben, verunmöglichen<br />
eine Immissionsberechnung und somit eine korrekte Best<strong>im</strong>mung eies<br />
Smogindexes. Daher wurden als Vereinfachung nur die Partikel-Emissionen<br />
be<strong>im</strong> Smogindex berücksichtigt. Die Berechnung erfolgte analog demC02.<br />
Kanzerogene Stoffe sind in erster Linie Dieselruss, PAK und Reifenabrieb<br />
(Wieben et al., 1994). Wiederum müssten die Immissionen best<strong>im</strong>mt<br />
werden. Als notwendige Vereinfachung wurden daher nur die Benzol<br />
Emissionen berücksichtigt und die Berechnung erfolgte analog zum CO 2 •<br />
Anstelle der Lärm<strong>im</strong>missionen wurde·n die -emissionen bere'chnet analog<br />
dem C02.Lälmemissionen werden als Flächengrösse angegeben, wobei sje<br />
jene Flächen bezeichnen, deren Lärmpegel über 60 dB liegen (Infras,<br />
1995b).<br />
Tab. 6.2.1 Beschreibunider für die Bewertung berücksichtigten Indikatoren räv = öffentlicher ß'rkehr, MIV = motorisierter Individualverkehr, GV =,<br />
Güterverkehr).<br />
Fortsetzung Tab. 6.2.1 siehe nlichste Seite-7<br />
174 UNS-Fallstudie '96
______~--~---------------------------------Verkehr<br />
Indikator<br />
Be4indertengerechtigkeit<br />
Langsamverkehrsgerechtigkeit<br />
Sicherheit<br />
Wirkung<br />
Diskr<strong>im</strong>inierung von<br />
Behinderten <strong>im</strong> Verkehr<br />
Gleiche Beh<strong>and</strong>lung aller<br />
VerkehrsteiinehmerInrten<br />
Reduktion der Verkehrsunfälle<br />
Bemerkung und Best<strong>im</strong>mung<br />
Dieser Indikator wird wiederum rein qualitativaufgrund der gewählten<br />
Ausprägungen best<strong>im</strong>mt (siehe BodenversiegeIung). Berücksichtigt werden<br />
die Einflussfaktoren Behindertengerechte Strassengestaltung (Al = 0.2, A2 =<br />
0.6, A3 = 0.8) und Langsamverkehrsgerechte Strassengestaltung (Al = 0.3,<br />
A2= 0.6, A3 =0.8), wobei der Wert 0 hohe Behindertengerechtigkeit und I<br />
niedrige bedeutet. .<br />
Dieser Indikator wird wiederum rein qualitativ best<strong>im</strong>mt (siehe Bodenversiegelung).<br />
Berücksichtigt wird der Einflussfaktor Langsamverkehrsgerechte<br />
Strassengestaltung (Al =.p.3, A2 = 0.6, A3 = 0.8) und die totale<br />
Verkehrsmenge von MlV, GVund OY, wobei die' Zuordnung eines Wertes<br />
analog dem Indikator Sicherheit erfolgt. .<br />
Zur Best<strong>im</strong>mung dieses Indikators wird nur die Verkehrsmenge von MIY, ÖV<br />
und GVberücksichtigt, wobei jenem Verkehrsmodell mit der höchsten<br />
Verkehrsmenge der Wert 0.8 und jenem mit der niedrigsten 0.2 zugewiesen<br />
wird. Die Werte der <strong>and</strong>eren Verkehrsmodelle werden durch lineare Interpolation<br />
best<strong>im</strong>mt. I bedeutet min<strong>im</strong>ale Sicherheit, 0 max<strong>im</strong>ale.<br />
Fortseizung Tab.' 6.2.1 Beschreibung derfür die Bewertung berücksichtigten Indikatoren (OV = Uttentlicher Verkehr, MflT = motorisierter Individualverkehr,<br />
GV = Güterverkehr).<br />
Bereich Gewichtung Indikator<br />
Bereich<br />
Gewichtung<br />
Indikator<br />
Umweltindikatoren 5 C0 2<br />
NO.<br />
S02<br />
........................................<br />
Versiegelte Fläche<br />
5<br />
5<br />
I<br />
3<br />
Aktivitäten der<br />
Anthroposphäre'<br />
2<br />
Pr<strong>im</strong>ärenergieverbrauch<br />
................ .<br />
Material Fahrzeuge<br />
Äbiä'ii~i~ Reaktordeponie<br />
5<br />
.•................<br />
2<br />
2<br />
Humantoxizität<br />
3<br />
Smogindex<br />
k.a.n.~~r.o.ge.n.~ Stoffe .<br />
Schallpegel<br />
3<br />
2<br />
5<br />
Soziale Indikatoren<br />
3<br />
Unfallrate<br />
......................-.<br />
Behindertengerechtigkeit<br />
Langsamverkehrsgerechtigkeit<br />
4<br />
I<br />
3<br />
Tab. '6.2.2 Gewichtung der Bereiche undIndikatoren.<br />
6.3 Skalierllng der Nlltzenfllnktionen.<br />
Im Kapitel 3.3.4 DEFINITION DER NUTZENFUNKTIONEN<br />
wurden einige Indikatoren mit der Berechnung eines<br />
nachhaltigen, bzw. heutigen Wertes skaliert. Zu<br />
diesem Zweck musste die gesamtschweizerische<br />
Belastung auf den Verkehr des ZZN umgelegt<br />
werden. Dazu mussten der Anteil des ZZN am<br />
Gesamtverkehr Schweiz (0.13%0) und der Anteil des<br />
Verkehrs an der Gesamtemission des Indikators<br />
abgeschätzt werden. Für den zweiten Anteil sind<br />
Werte aus demUmweltbericht (Kanton Zürich, 1992)<br />
zu entnehmen. Diese Werte beziehen sich aber nur<br />
auf den Prozess «Betrieb direkt". Zusätzlich musste<br />
also der Anteil des Prozesses «Betrieb direkt» am<br />
Gesamtprozess abgeschätzt werden. Als .Grundlage<br />
dazu dienten die Emissionsfaktoren für die Einzelprozesse<br />
für verschiedene Fahrzeuge und der Modal-<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
175
Verkehr -:- _<br />
Indikator CH heute CH Einheit Verkehrs- AnteU ZZN heute ZZN Einheit<br />
nachhaltig anteU Prozess nachhaltig<br />
«Betrieb<br />
direkt))<br />
CO2 4.05*107 1.07 * 10 7 t/a 31% 56% 7.9 2.1 t/d<br />
. .......-. ... .. ...... .............<br />
NO. 1.83 * 10 5 4.27 * 10 4 t/a 67% 63% 69 16 kg/d<br />
.......... ...... ............ .... ........... ..... .......... .. ......... . . ....... ............ ......... ..'.n .... ..... ..........<br />
S02 6.26*10 4 2.58 * 10 4 t/a 9% 5% 41.1 16.9 kg/d<br />
. ........... ............ .........<br />
Pr<strong>im</strong>är- 1.05 * 10 9 2.03 * 10 8 Gj. 31% 54% 215 42 GJ./d<br />
energie<br />
Tab. 6.3 Skalierong der Indikatoren (Spalten ZZNnachhaltig, bzw. ZZNheute). Die WeTte von GH heute undGH nachhaltigstammen aus Infras (1995a),<br />
die Angaben zum Verkehrsanteil aus Kanton Zürich (1992) unddie Spalte Anteil Prozess «Betrieb direkt» sindAbschätzungen aufGrondlagevon Infras<br />
(J995b).<br />
Split, der den Anteil der Fahrzeuge am Gesamtverkehr<br />
angibt. Die Resultate dieser Abschätzungen<br />
sind in Tab. 6.3 zu finden.<br />
Vergleicht man die Werte für den Indikator S02<br />
(siehe Tab. 6.5) für die Verkehrsmodelle mit den in<br />
Tab.· 6.3 berechneten Werten, stellt man fest, dass<br />
einige Werte der Verkehrsmodelle unterhalb des in<br />
Tab. 6.4 definierten Wertbereiches liegen, d.h. die<br />
Verkehrsmodelle wären für den Indikator S02 bereits<br />
übernachhaltig. Zu berücksichtigen ist aber, dass<br />
der Verkehrsanteil (9%) und. der Anteil des Prozess<br />
«Betrieb direkt» am Gesamtprozess (5%) sehr klein<br />
sind und .daher die Abschätzungen eher ungenauer sein<br />
dürften als für <strong>and</strong>ere Indikatoren.<br />
Bei den qualitativ zu best<strong>im</strong>menden. Indikatoren<br />
wurde jeweils «1» als der am wenigsten gewünschte<br />
und «0» als der am meisten gewünschte Wert angenommen.<br />
Für die restlichen Indikatoren wurde die<br />
Skala mittels dem Wert des besten und schlechtesten<br />
Modells best<strong>im</strong>mt.<br />
6.4 Emissionsfaktoren<br />
Für die. Emissionsfaktoren wurden die Prozesse<br />
«Herstellung», «Unterhalt», «Entsorgung», «Betrieb<br />
direkt», «Betrieb Precombustion» und «Infrastruktur»<br />
einbezogen. Die Daten stammen jeweils aus<br />
Indikator<br />
COz<br />
NO, als NOz<br />
SO, als SOz<br />
PKWCH Regionalbus Tram CH·Mix·<br />
CH<br />
.'<br />
321 1360 917<br />
1.51 17.1 5.86<br />
.... .................... .......................<br />
0.86 2.48 2.57<br />
LKW LW Einheit<br />
1170 467 g/Fz.km<br />
.. ..............<br />
12.1 2.35 g/Fz.km<br />
2.19<br />
1.08<br />
g/Fz.km<br />
Pr<strong>im</strong>ärenergie total<br />
5.25 22.8 79.4<br />
20.0<br />
7.82<br />
MJlFz.km<br />
Materialverbrauch Metalle<br />
784 7473 18'748<br />
5408 1328<br />
kg/Fz.<br />
Materialverbrauch Kunststoff<br />
Lärmbelastung<br />
100 798 850<br />
.. ............<br />
65 146 285<br />
230 120<br />
200 74.5<br />
kg/Fz.<br />
mZ/h<br />
Benzol Beti"ieb<br />
0.006<br />
0.4<br />
6.00 *10- 7<br />
0.036<br />
0.009<br />
g/Fz.km<br />
Partikel<br />
0.519<br />
2.75<br />
31.8<br />
2.47<br />
0.791<br />
g/Fz.km<br />
Abfälle Reaktordeponie<br />
265<br />
2760<br />
4550<br />
1290<br />
424<br />
kg/Fz.<br />
Auslastung'<br />
1.4<br />
16.4<br />
28<br />
. Pers./Fz.<br />
Lebensdauer<br />
150'000<br />
540'000<br />
1'115'250<br />
540'000<br />
235'000<br />
Fz.km/Fz.<br />
Tab. 6.4 Emissionsfaktoren, Ressourcenverbrauch, Auslastung undLebensdauerfür die einzelnen Fahrzeugtypen. LW=Lieferwagen; LKW= Lastkraftwagen.<br />
(aus In/ras., 1995b undBUWAL, 1995).<br />
176 UNS-Fallstudie '96
................. .<br />
• • • •• •••••••• •<br />
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S
Verkehr .,..- ~-----------'-------<br />
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178<br />
UNS-Fallstudie '96
Griinraum<br />
Inhalt<br />
1. Fragestellung der<br />
SynthesegruppeGRÜNRAuM<br />
2. Erhebung der Ansprüche<br />
der Interessengruppen<br />
3. Ergebnisse<br />
4. Leitbilder für den Grünraum<br />
<strong>im</strong> Teilgebiet D<br />
5. Fazit<br />
181<br />
184<br />
189<br />
199<br />
203<br />
AutorInnen<br />
Matthias Bärlocher<br />
Nikola Patzel<br />
Phillippe Wyss<br />
Peter Frischknechl (Tutor)<br />
OIaf Weber (Tutor)<br />
Aufbauend auf den Ergebnissen der wissensc1lllftliclten Arbeitsgruppe (Syntltesegruppe GRÜNRAUMJ.<br />
Ladina Filii<br />
Fabian Ittig<br />
Raphael Neuburger<br />
Sabine Frommenwiler<br />
Heinz Krebs<br />
Nikola PatzeI<br />
Fern<strong>and</strong>e·Gächter<br />
Katja Le<strong>im</strong>bacher<br />
NicoleSchiItknecht<br />
Fadri Guidon<br />
Brigitte Lüthi<br />
Colette Seyler<br />
Beat Hauenstein<br />
Sabine Mayer"<br />
Samuel Stahel<br />
Andreas Hein<strong>im</strong>ann<br />
Katharina Merkel<br />
Thomas Stüdeli<br />
Thomas Weden<br />
Philipppe Wyss<br />
. Peter Frischknecht (Tutor)<br />
Corinne Schmidlin (Tutorin)<br />
Regula Steiner (Tutorin)<br />
"OIaf Weber (Tutor)
Grünraum_-'- -:-- _<br />
180 UNS-Fallstudie '96
________________---'<br />
1. Frllgestellungder<br />
Synthesegruppe GRÜNRAUM<br />
1.1 Ausgangslage<br />
Grünräume sind ein wichtiges Merkmal urbaner<br />
Qualität. Sie sind mitbest<strong>im</strong>mend für Wohn-, Freizeit~<br />
und Erholungswert eines <strong>Stadt</strong>gebietes. Vor<br />
dem Hintergrund des Ziels; <strong>im</strong> <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong><br />
(ZZN) einen <strong>Stadt</strong>teil mit hoher Diyhte bei hoher<br />
städtebaulicher Qualität zu schaffen, kommt der<br />
Gestaltung d~s Grünraumes in diesem Gebiet eine<br />
besonders grosse Bedeutung zu. Das «Entwicklungsleitbild<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» (1994) widmet der<br />
Freiraum- bzw. Grünraumgestaltung <strong>im</strong> ZZN daher<br />
auch ein zentrales Kapitel und legt dabei qualitative<br />
und quantitative Ziele fest.<br />
Besondere Erwähnung findet <strong>im</strong> Entwicklungsleitbild<br />
die (bio)ökologische Ausgleichsfunktion.<br />
Bauten, Anlagen und deren Umschwung sind diesbezüglich<br />
zu opt<strong>im</strong>ieren. Dies kann entsprechend<br />
den konkreten örtlichen Verhältnissen folgende<br />
Massnahmen umfassen:<br />
• wertvolle Naturobjekte zu erhalten,<br />
• unbebaute Flächen nicht zu versiegeln oder zu<br />
entsiegeln,<br />
• Flachdächer zu begrünen,<br />
• Grünflächen artenreich zu gestalten bzw. zu erhalten,<br />
• Lebensräume für Vögel und bedrohte Arten der<br />
Ruderal- und Feuchtst<strong>and</strong>orte zu schaffen bzw.<br />
zu erhalten,<br />
• alle Lebensräume unterein<strong>and</strong>er und mit der<br />
. weiteren Umgebung zu vernetzen.<br />
Das Gebiet <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> soll durch flächige,<br />
lineare und punktförmige Grünraumelemente gestaltet<br />
und gegliedert werden. Daneben entstehen weitere<br />
grössere Grün- und Freiflächen in der Umgebung<br />
von Industrie. und Dienstleistungsgebäuden sowie<br />
Wohnbauten.<br />
Die flächigen Elemente - das sind vier grössere<br />
Parkanlagen - umfassen knapp 10% des gesamten'<br />
Areals und werden den jeweiligen Bedürfnissen der<br />
in unmittelbarer Nähe wohnenden und arbeitenden<br />
BenutzerInnen angepasst. Die Vernetzung der Parkanlagen<br />
ist sowohl aus ökologischen wie städtebaulichen<br />
Gründen wichtig. Dazu dienen lineare<br />
Elemente, Baumreihen und ein wiedergeöffneter<br />
Bach. Die punktförmigen Grünraumelemente, soge~<br />
nannte ~~PocketParks», sind in den dicht überbauten<br />
Arbeitsgebieten Ürte der Erholung und zu diesem<br />
Zweck mit Bäumen, Brunnen und Sitzbänken ausgestattet<br />
(Ruoss & Siress, 1994).<br />
Die auf dem Entwicklungsleitbild (Ruoss & Siress,<br />
1994) basierenden Sonderbauvorschriften (SBV) für<br />
das Gebiet ZZN(<strong>Stadt</strong>. Zürich, 1994) und der zu-<br />
Grünraum<br />
gehörige Bericht nach Artikel 26 der Raumplanungsverordnung<br />
(RPV, Hochbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich,<br />
1994) bilden den gesetzlichen Rahmen zur ~~städtebaulich<br />
und wirtschaftlich tragfähigen sowie umweltgerechten<br />
Umstrukturierung und Umnutzung des<br />
Gebietes <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>». In diesen Dokumenten<br />
sind u.a. die Freiflächenziffern (Zahl, Örtlichkeit<br />
und Grösse) festgehalten. Die Grösse der<br />
Freiflächen in Nutzungsbereichen mit Wohnanteil<br />
beträgt total 151 '000 m 2 , davon sind 50'000 m 2 grössere<br />
Parkanlagen (Bericht nach Art. 26 RPV, S. 57).<br />
Die Mindestgrösse der Pocket Parks ist auf 350 m 2<br />
festgelegt (Art. 10 SBV). Es wird auch best<strong>im</strong>mt, dass<br />
Flachdächer begrünt werden müssen, falls sie nicht<br />
als Dachterrasse genutzt werden.<br />
Eine Möglichkeit, bei intensiver Bebauung zusätzlichen<br />
Grünraum zu schaffen, stellen Dächer von in<br />
der Regel einstöckigen Plattformbauten dar. Diese<br />
müssen mit Auf- und Abgängen versehen werden<br />
und können so als begehbarehalböffentliche oder<br />
private Terrassen vielfältig genutzt werden.<br />
1.2 Grundlagen und Ziele der<br />
Synthesegruppe<br />
Der Schwerpunkt der bisherigen Planung <strong>im</strong> ZZN<br />
lag in der Aush<strong>and</strong>lung wirtschaftlicher Interessen<br />
und stadtplanerischer Grundsatzentscheide zur. Zukunft<br />
dieser grössten Industriebrache der Schweiz.<br />
Die Planung der Grünräumeist jedoch noch nicht<br />
sehr weit fortgeschritten.<br />
Im Freiraumkonzept des Entwicklungsleitbildes<br />
ZZN und den darauf basierenden Sonderbauvorschriften<br />
für das ZZN sowie dem zugehörigen<br />
«Bericht nach Artikel 26 der ·Raumplanungsverordn1Jng»<br />
werden die quantitativen Ziele für die<br />
Grünraumgestaltung festgelegt. Bezüglich qualitativer<br />
Gestaltung enthalten diese Planungsdokumente<br />
jedoch nur sehr allgemeine Aussagen, beispielsweise<br />
ein Konzept der Segregation möglicher Nutzungen<br />
auf verschiedene Parks. Es fehlen jedoch klare<br />
Vorstellungen, wie die entstehenden Grünräume<br />
einmal aussehen werden. Dieser Mangel fällt um so<br />
.schwerer ins Gewicht, da keine direkt vergleichbaren<br />
Parkanlagen bekannt sind und neuartige Grünraumelemente<br />
wie Pocket Parks und begrünte Plattformen<br />
vorgesehen sind. Da die Qualität der Grünräume<br />
ein wichtiger weicher St<strong>and</strong>ortfaktor (vgI.Kap.<br />
STADTENIWICKLUNG, Unterkap. 3.3.1 STANDORTFAKTO<br />
REN) ist, wären diesbezüglich klarere und konkretere<br />
Vorstellungen für die Promotion des Areals von<br />
grosser Bedeutung.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
181
GrüIiraum ~---------------- _<br />
1.3 Ziele<br />
Das Gartenbauamt der <strong>Stadt</strong> Zürich - eine am Fall<br />
mitbeteiligte Institution - hat mit Nachdruck auf<br />
den oben angesprochenen Mangel hingewiesen<br />
und der Synthesegruppe GRÜNRAUM vorgeschlagen,<br />
Bilder und Visionen für die verschiedenen Typen<br />
von Grünraumelementen zu entwickeln. In einem<br />
Planungswettbewerb ' könnten diese Bilder und<br />
Visionen als Rahmen für die konkrete Ausgestaltung<br />
vorgegeben werden.<br />
Um in der Fallstudie ein konkretes und möglichst<br />
brauchbares Endprodukt herzustellen, wurden die<br />
Vorstellungen des Gartenbauamtes in die Synthesearbeit<br />
einbezogen. Das auszuarbeitende Leitbild<br />
sollte also einerseits realisierbare Ideen und <strong>and</strong>erseits<br />
neue, visionäre «Bilde!» für' städtische Grünräume<br />
liefern.<br />
Als Untersuchungsgegenst<strong>and</strong> wurde das Teilgebiet<br />
0 des ZZN gewählt (siehe Abb. 2.2.1). Hier<br />
lässt der St<strong>and</strong> der Planung ein Einfliessen der<br />
Ergebnisse auf den weiteren Planungsverlauf zu.<br />
Desweiteren ist in diesem Gebiet ein <strong>Stadt</strong>park<br />
geplant, der sich mitten in einem Quartier befindet,<br />
welches von Dienstleistungs- und Wohnnutzung<br />
geprägt ist und der von hohen Häuserfronten umgeben<br />
ist. Für eben diese Art von Parks fehlen neue<br />
«Bilder», d~h. konkrete Vorstellungen über deren<br />
Gestaltung.<br />
Ein zusätzliches Problem auf dem ZZN-Areal. steIlen<br />
Altlastenverdachtsflächen dar, d.h. mit Schadstoffen<br />
belastete St<strong>and</strong>orte, die zu schädlichen oder<br />
lästigen Einwirkungen auf die Umwelt führen hzw.<br />
führen könnten (Amt für Gewässerschutz und<br />
Wasserbau des Kantons Zürich (AGW), 1993). Einige<br />
Gebiete wurden genauer untersucht (u.a. Jäckli,<br />
1995; Link, 1995; Kap. ALTLASTEN in diesem B<strong>and</strong>),<br />
da für viele Verdachtsflächen entsprechende Daten<br />
fehlen, u.a. auch für 'das Teilgebiet 0, konnten zu<br />
Beginn der Fallstudie jedoch keine abschliessenden<br />
Aussagen über Art \.1.nd Vorkommen vonAltlasten ge'<br />
macht werden. In unserer Arbeit haben wir aufgrund<br />
der Unsicherheit der bisher vorliegenden Aussagen<br />
eine Nutzungseinschränkung durch Altlasten weitgehend<br />
ausgeklammert. Wirdjedoch beispielsweise eine<br />
Versiegelung anstat! einer Sanierung eventuell belasteter<br />
Flächen durchgeführt, sind einige wichtige Kriterien, die<br />
durch die Synthesegruppe erarbeitet wurden, nur sehr<br />
schwer umsetzen.<br />
Unser Ziel war es, für die Grünräume ein Leitbild zu<br />
erarbeiten, das realisierbare Ideen und visionäre Bilder<br />
für eIne ökologisch, sozial, umwelthygienisch und ökonomisch<br />
positive Gestaltung der Grünräume <strong>im</strong> ZZN<br />
vermittelt.<br />
1.4 Normative Grundlagen<br />
Jedes Konzept, wie auch das von uns erstellte Leitbild,<br />
basiert auf einer normativen Grundlage. Diese<br />
wird klar dargestellt, damit Ergebnisse nachvollziehbar<br />
und bewertbar Werden. Unsere ideelle Grundlage<br />
ist das Konzept der Nachhaltigkeit (vgL Kap. NACH<br />
HALTIGKEIT).<br />
Im folgenden stellen wir kurz dar, was diese<br />
Aspekte der Nachhaltigkeit für das Projekt Grünraum<br />
bedeuten.<br />
1. Ökologische Nachhaltigkeit:<br />
Im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit bieten sich<br />
zwei Bedeutungen an: Im ersten Sinn umfasst der<br />
Begriff die Erhaltung der natürlichen Grundlagen<br />
einer dauerhaften Entwicklung des Menschen, also<br />
z.B. auch die Ressourcenökonomie.<br />
Wir verwenden den. Begriff «ökologisch» hier <strong>im</strong><br />
Sinne von «bioökologisch»: zentraler Wert" ist die<br />
Erhaltung der Biodiversität. Die <strong>Stadt</strong> kann vor allem<br />
dort eine Funktion übernehmen, wo sie Ersatzlebensräume.<br />
für Arten bietet, deren' Existenz in<br />
ihren übrigen Habitaten durch menschliche Aktivitäten<br />
bedroht ist. So leben in Zürich z.B. 100 Pflanzenartel}<br />
der Roten Liste (L<strong>and</strong>olt, 1991), und über 50%<br />
der schweizerischen Alpensegler finden ihre Nistplätze<br />
in urbanen Häuserschluchten (Leutert et aL,<br />
1995).<br />
2. Wirtschaftliche Nachhaltigkeit:<br />
Städte solkn langfristig Grundlagen für ökonomisches<br />
H<strong>and</strong>eln· bi«ten können. Es muss lohnenswert<br />
sein, dort zu investieren. Eine flexible Reaktion auf<br />
die jeweiligen wirtschaftlichen Anforderungen ist<br />
eine weitere Bedingung für eine nachhaltige <strong>Stadt</strong>entwicklung.<br />
Die Beteiligten sollen von ihrer Arbeit<br />
gut leben können. Die, öffentlichen und privaten<br />
Grünräume sind wirtschaftlich über die Investitionsund<br />
Unterhaltskosten relevant. Sie wirken aber auch<br />
als weiche St<strong>and</strong>ortfaktoren auf den wirtschaftlichen<br />
Gesamterfolg der <strong>Stadt</strong>.<br />
3. Umwelthygienische Nachhaltigkeit:<br />
In der Umwelthygiene werden die physischen und<br />
psychischen Rückwirkungen anthropogener Umweltveränderungen<br />
auf das Individuum untersuGht.<br />
Durch ihre ausgleichende Wirkung auf Temperatur<br />
und Wind oderdurch Reduktion der Lärmbelastung<br />
haben Grünräume einen Einfluss auf die Physiologie<br />
des Menschen.<br />
Die <strong>Stadt</strong> ist aber auch ein «Psychotop» (Mitscherlich,<br />
1989). In ihrem Leben in der <strong>Stadt</strong> sollten die<br />
Leute einen Sinn sehen. Nicht nur ist die <strong>Stadt</strong>planung<br />
und -gestaltung ein Produkt der psychischen<br />
Verfassung ihrer Akteure, sie ist auch für die<br />
182<br />
UNS·Fallstudie '96
~---_---------:----------<br />
Grünraum<br />
Psychogenese der jungen EinwohnerInnen wichtig,<br />
weil Innen- und Aussenwelt in Wechselwirkung stehen<br />
(Gebhard, 1993). Die Grünräume beeinflussen<br />
die psychische Verfassung ihrer NutzerInnen über<br />
ihre Ästhetik und Funktion.<br />
4. Soziale Nachhaltigkeit:<br />
Im Rahmen der Gesetze und der ihnen zugrundeliegenden<br />
Normen soll für die Arbeits- und Wohnbevölkerung<br />
eine offene, sichere und gegen Störungen<br />
robuste Gemeinschaft entstehen, die ihren eigenen<br />
Charakter hat, aber auch in Einklang mit den umliegenden<br />
Gebieten und Regionen steht. Zum nachhaltigen<br />
sozialen Leben der Gemeinschaft gehören<br />
auch die demokratische Entscheidungsfindung und<br />
ihre aktive Umsetzung.<br />
trägerInnen . mit den Betroffenen gefällt werden.<br />
Dies ist auch ein Element sozialer Nachhaltigkeit.<br />
So ist eine zügige Entscheidungsfindung unter Berücksichtigung<br />
wissenschaftlicher Evidenz und der<br />
Interessen der Betroffenen möglich.<br />
Synthesephase I<br />
1.5 Die Organisation der Fallstudienarbeit<br />
der Synthesegruppe GRÜNRAUM<br />
Die <strong>Stadt</strong> ist also Ort wirtschaftlichen H<strong>and</strong>elns,<br />
Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten und Ort<br />
sozialen Lebens. Darüber hinaus wirkt die <strong>Stadt</strong> auf<br />
die Gesundheit des Menschen und sie bildet sich in<br />
seinem «Seelenraum» ab. Sie wirkt also prägend auf<br />
die psychische Struktur des Menschen. Eine um-<br />
. fassende, nachhaltige Planung muss dieSen vier<br />
Funktionen (Wirtschaft, Ökologie, Soziales Leben<br />
und psychophysische Gesundheit) gerecht werden<br />
und zum Ziel haben, sie dauerhaft und <strong>im</strong> positiven<br />
Sinne zu erhalten.<br />
Wir haben die Teilprojekte ÖKOLOGIE, UMWELT<br />
HYGIENE und SOZIALES durchgeführt, um dort die<br />
Wirkungen der Grünräume auf die Lebensgemeinschaft<br />
der Tiere und Pflanzen, das menschliche Individuum<br />
und das Gemeinschaftsleben des Menschen<br />
zu studieren. Wirtschaftliche Aspekte der Grünraumgestaltung<br />
wurden durch eine Arbeitsgruppe unter<br />
Einbezug von ExpertInnen aus dem Gartenbauamt<br />
und der ökonomischen Wissenschaft und Praxis bearbeitet.<br />
Wie bei allen schlecht definierten Problemen <strong>im</strong><br />
sozialen' Raum ist die Entscheidungsbildung . bei<br />
der Gestaltung der Grünräume <strong>im</strong> ZZN eine unter<br />
wissenschaftlichen und politischen Gesichtspunkten<br />
besonders heikle Aufgabe. Uns erscheint folgender<br />
Ansatz vielversprechend: Das Problem erst i) unter<br />
wissenschaftlichen Gesichtspunkten analysieren,<br />
dann ii) in strukturierter Form durch den Filter der<br />
Betroffenen (RepräsentantInnen der Interessengruppen)<br />
schicken und iii) daraus ein möglichst<br />
konsistentes Bild entwickeln, das in der Praxis als'<br />
Entscheidungsgrundlage dient. Die einzelnen, <strong>im</strong><br />
Verlauf der Umsetzung zu treffenden Entscheide,<br />
. sollen in Kooperation der politischen Entscheidungs-<br />
Legende:
Grünraum ---------------~-----'------------ _<br />
So erscheint es folgerichtig, auch die Fallstudienarbeit<br />
kooperativ zu gestalten und die Interessengruppen<br />
frühzeitig an der Meinungsbildung zu<br />
beteiligen. Deshalb hat parallel zur Arbeit der Teilprojekte<br />
ÖKOLOGIE, UMWELTHYGIENE und SOZIALES<br />
eine Arbeitsgruppe eine systematische, kontrollierte<br />
Erhebung der Bewertung des Grünraums durch VertreterInnen<br />
von Interessengruppen (Explorationsparcours,<br />
Scholz et al., 1996) vorbereitet. Mit Hilfe<br />
der von den <strong>and</strong>eren Teilprojekten aufbereiteten<br />
fachlichen Grundlagen wurde dieser Explorationsparcours<br />
durchgeführt (siehe Kap. 2.2 DER EXPLORA<br />
TIONSPARCOURS).<br />
2. Erhebung der Ansprüche der<br />
Interessengruppen<br />
2.1 Best<strong>im</strong>mung der Interessengruppen<br />
Im Rahmen eines Explorationsparcours (Scholz et<br />
aI., 1996) sollten die Ansprüche verschiedener Interessengruppen<br />
an den Grünraum erhoben werden<br />
(die Methode des EXPLORATIONSPARCOURS wird <strong>im</strong><br />
Kap. 2.2 dargestellt). Hierzu wurden in einem ersten<br />
Schritt die verschiedenen Funktionen des Grünraums<br />
den entsprechenden NutzerInnen aus der Bevölkerung<br />
zugeordnet (Tab. 2.1.1).<br />
Ablauf der Fallstudiellarbeit<br />
In Abb. 1.5 sind das Projektdesign der Fallstudienarbeit<br />
und die darin enthaltenen Prozesse und Produkte<br />
vorgestellt. Die Gliederung beruht auf der<br />
.oben dargestellten Teilprojektstruktur, auf dem falltypischen<br />
Planungsprozess, den Erfahrungen. aus<br />
vorangegangenen Fallstudien sowie forschungsmethodischen<br />
Kenntnissen (Scholz et al., 1995, Kap.<br />
Methoden).<br />
Zu Beginn derArbeit am Projekt «Grünraum» wird<br />
in der Synthesephase I der Gegenst<strong>and</strong> definiert,<br />
die Ziele der Projektphase festgelegt und deren weiterer<br />
Verlauf organisiert. Grundlagen dazu sind i) die<br />
Informationen über das ZZN, die von der Fallstudienkommission'<br />
als Vorbereitung der Projektphase<br />
eingeholt und strukturiert wurden, ii) unsere<br />
normativen Grundlagen und iii) umweltnaturwissen~<br />
schaftliches Fachwissen.<br />
In den Teilprojekten werden gemäss Pflichtenheft<br />
und Zeitplan disziplinär opt<strong>im</strong>ierte Konzepte entwickelt,<br />
die jeweils die ökologische, umwelthygienische<br />
oder soziale Funktion des Grünraumes in<br />
den Vordergrund stellen. Diese· Idealbilder sowie<br />
die ihnen zugrundeliegenden Kriterien wurden <strong>im</strong><br />
Rahmen einer Befragung durch Interessengruppen<br />
bewertet.<br />
Die Daten aus der Befragung der Interessengruppen<br />
wurden als St<strong>and</strong>punkt der Betroffenen<br />
formuliert. Dieser war eine wichtige Grundlage für<br />
die Synthesephase II, in die zusätzlich das Expertenwissen<br />
und die Kriterien aus der Teilprojektphase<br />
einflossen. Hier wurden die Kriterien vor dem Hintergrund<br />
des umweltnaturwissenschaftlichen Fachwissens<br />
und der Informationen über den Fall auf<br />
Inkonsistenzen übe'rprüft und strukturiert. Wichtigster<br />
Teil der Synthese war die Entwicklung eines<br />
Leitbildes für die Grünräume des Teilgebietes 0<br />
des ZZN" das auf der erarbeiteten Kriterienliste<br />
sowie denSt<strong>and</strong>punkten der Betroffenen basiert.<br />
Funktion<br />
Erholung<br />
...............<br />
Treffpunkt<br />
.....................<br />
Nutzerlnnen/Verantwortliche/<br />
Interessengruppen<br />
Arbeitsbevölkerung, Anwohnerinnen,<br />
Bewohnerinnen,<br />
., ..<br />
Kulturgruppen, Jugendliche, Kinder<br />
.........•..•......................•....••.••.•..•.-.••..•.............<br />
Spielraum<br />
Jugendliche, Kinder<br />
....................<br />
. . .<br />
Bildung<br />
Bioökologische<br />
Funktion ..........................................~ .<br />
Lehrer, Erziehungsdepartement, Eltern<br />
.........................•....... ...•...................<br />
Gartenbauamt (<strong>Stadt</strong>)<br />
Wasser-jKl<strong>im</strong>a- ~tadtentwässerung, Anwohnerinnen,<br />
regulation<br />
Arzte<br />
........................ . .<br />
Erschliessung <strong>Stadt</strong>, Eigner, Investorinnen<br />
........................................<br />
Arbeitsplatz Gärtner, fliegende Händler, Imbisse<br />
budeninhaberinnen<br />
.....•..•.....................•.••.••...<br />
Repräsentation <strong>Stadt</strong>, Eigner, Liegenschaftsbesitzer,<br />
(Steigern der Attraktivität<br />
des <strong>Stadt</strong>teils)<br />
Investorinnen, Kunden, AnwohnerInnen<br />
Tab. 2.1.1 FunktionCl1 des Grünraums undderen NUlZerInnen.<br />
In einem weiteren Schritt wurden aus den NutzerInnen<br />
diejenigen mit den stärksten Interessen ausgewählt<br />
und in fünf Interessengruppen eingeteilt<br />
(Tab. 2.1.2). Im letzten Schritt wurden Personen<br />
festgelegt, welche als VertreterInnen dieser Inter-<br />
Interessengruppe<br />
<strong>Stadt</strong><br />
AnwohnerInnenj<br />
Bewohnerinnen<br />
Arbeitsbevölkerung<br />
'" .<br />
EignerjInvestorInnen<br />
Jugendliche<br />
VertreterInnen<br />
Polizeidepartement Abteilung Sicherheitsdienst,<br />
Gartenbauamt, Sozialamt,<br />
<strong>Stadt</strong>entwässerung<br />
......... ~ ...........•.......................•.•...........<br />
Quartierverein. Gewerbeverein, Verein<br />
zürifüfzgl, AtelierSl, Gemeinschaftszentrum<br />
Oerlikon<br />
.....................................<br />
Arbeiter aus Werkhalle, Lehrer;<br />
VerkäuferInnen, Büroangestellte<br />
.................................................- .<br />
COOP, ASB Immobilien AG, Winterthur<br />
Immobilien, Investorenberaterinnen<br />
...................................................<br />
Lehrlinge, Schülerinnen der Kantonsschule,<br />
Jugendbetreuung<br />
Tab. 2.1.2 Die befragten VertreterInnenjeder Interessengruppe.<br />
184 UNS-Fallstudie '96
__~<br />
-,-__'Grünraum<br />
essengruppen für eine Befragung in Frage kommen.<br />
Für die Befragung haben sich dann die in Tab. 2,1.2<br />
aufgeführten Vetreterlnnen zur Verfügung gestellt.<br />
2.2 Der ExploratioftsparCOJlrs<br />
Durch einen Explorationsparcours (Scholz & Tietje,<br />
1996) sollen Interessen- und Nutzenprofile von<br />
Akteuren hinsichtlich eines best<strong>im</strong>mten Raumes<br />
oder Gebiets erhoben werden. Die Personen sollen<br />
hierbei anh<strong>and</strong> von Modellen und Bildern des<br />
Raumes, ihre. Interessen äussern. Um systematische<br />
Antwortverzerrungen zu vermeiden, bietet es sich<br />
an, indirekte Erhebungsmethoden zur Interessenermittlung<br />
zu verwenden. Als Erhebungsmethode<br />
können Verfahren der multikriteriellen Entscheidungstheorie<br />
verwendet werden. In dieser Untersuchung<br />
wurde das computergestützte Verfahren<br />
MAUD (siehe Kasten 2.2) verwendet. Mit diesem<br />
System wurde von den VertreterInnen der Interessengruppen<br />
eine eindeutige Gewichtung von Kriterien<br />
ermittelt, die den Grünraum <strong>im</strong> ZZN beschreiben.<br />
Die Kriterien entst<strong>and</strong>en aus hierarchisch<br />
geordneten Kriterienbäumen der drei Teilprojekte<br />
UMWELTHYGIENE, SOZIALES und ÖKOLOGIE (vgl. Tab.<br />
2.2.1). Während der Befragung wurden die Testper-<br />
sonen von einem Protokollführer, einem MAUD<br />
Betreuer und einer Begleitperson betreut. Die· ca. eineinhalbstündige<br />
Befragung beinhaltete folgende<br />
fünf Stationen:<br />
Station 1: Einführung in die Thematik<br />
Mit einer st<strong>and</strong>ardisierten Vorgehensweise wurde in<br />
die Thematik eingeführt. Dies geschah unter <strong>and</strong>erem<br />
anh<strong>and</strong> eines ca. 0.5 m Z grossen Gipsmodells<br />
des Teilgebiets D <strong>im</strong> ZZN (vgl. Abb. 2.2.1). Nach<br />
Erläuterungen, wo das ZZN entstehen wird und wo<br />
die Problematik der Umnutzung eines Industrieareals<br />
liegt, wurde auf die fünf Freiraumtypen <strong>im</strong><br />
Teilgebiet D hingewiesen (linienförmige Elemente,<br />
öffentliche Dachterrassen (Plattformbauten), Flachdächer,<br />
Pocket Parks und der <strong>Stadt</strong>park).<br />
Station 2: Eingangsfrage<br />
Als erste Aufgabe erhielten die Prob<strong>and</strong>Innen die<br />
Frage, welche Erwartungen sie, in der Rolle als<br />
InteressenvertreterInnen, an öffentliche Freiräume<br />
in der <strong>Stadt</strong> haben.<br />
Dabei wurde speziell darauf hingewiesen, dass<br />
der/die Prob<strong>and</strong>In die. Erwartungen als Vertreterln<br />
seiner/ihrer Interessengruppe (
Grünraum --.,- _<br />
nischen Aspekte. Die drei Gestaltungen wurden den<br />
Prob<strong>and</strong>Innen mit Natur, Gesundheit und Mensch vorgestellt.<br />
Die Reihenfolge der drei Teile wurde bei jedem/r<br />
Prob<strong>and</strong>In zufällig gewählt. Am Ende der<br />
Diashow wurde der/die Prob<strong>and</strong>In aufgefordert, die<br />
bevorzugte Variante. anzugeben.<br />
Station 4: Complltergestiitzte Kriterienbewertllng<br />
In den Teilprojekten UMWELTHYGIENE, SOZIALES und<br />
ÖKOLOGIE wurden 26 Kriterien für Grünräume erarbeitet<br />
(Kap. 3.1) Mit Hilfe des Entscheidungshilfesystems<br />
MAUD wurde eine Teilmenge dieser<br />
Kriterien bewertet. Hierzu wurden die Kriterien zum<br />
Teil zusammengefasst (Tab. 2.2.1). Schliesslich wurden<br />
acht mehr oder weniger unabhängige Kriterien<br />
formuliert und zur Bewertung der Wichtigkeit vorgelegt.<br />
Diese Kriterien wurden mit einem kurzen<br />
Text erläutert, der den'Prob<strong>and</strong>Innen während der<br />
Befragung zur Verfügung st<strong>and</strong>.<br />
Um die Gewichtung der Kriterien durch die InteressenvetreterInnen<br />
erheben zu können, mussten<br />
zuvor die Varianten hinsichtlich der Kriterien auf<br />
einer Skala von 1 (schlecht) bis 9 (gut) bewertet<br />
werden. Die Werte einer Nullvariante, die aufgrund<br />
technischer Anforderungen von MAUD erforderlich<br />
war, wurden bei allen Kriterien auf den Wert 5<br />
gesetzt (Tab. 2.2.1).<br />
Station 5: fragebogen<br />
Abschliessend konnte ein Grossteil der Kriterien aus<br />
den Teilprojekten in einem Fragebogen (siehe Tab.<br />
2.2.2) auf einer siebenstufigen Skala (1: auf keinen<br />
Fall, 7: auf jeden Fall) beurteilt werden. .<br />
MAUD·Kriterium (entsprechende Originalkriterien) .<br />
Variante<br />
Ökologie<br />
Variante<br />
Umwelthygiene<br />
Variante<br />
Sozial<br />
Naturnähe: naturfern(I)/naturnah (9)<br />
(Boden den verschiedenen Nutzungen anpassen; einhe<strong>im</strong>ische, st<strong>and</strong>ortgerechte<br />
Pflanzen in verschiedenen Vegetationsstufen fördern;. Naturerlebnis<br />
fördern; natürliche Versickerung und Verdunstung fördern;<br />
naturverträgliche.Pflegeart)<br />
9<br />
4<br />
4<br />
Artenvielfalt: klein (1)/gross (9)<br />
(Lebensansprüchen potentieller Tierarten gerecht werden; verschiedene<br />
ökologisch wertvolle Lebensräume schaffen)<br />
8.4<br />
5<br />
4<br />
Ver~inderung störender Einßüsse: vermindert nicht (1)/vermindert (9)<br />
(Allergene und Gifte von Pflanzen vermeiden; Eintrag schädlicher Stoffe<br />
vermindern; Lärmemission vermindern; Luftverschmutzung vermindern;<br />
Unfallgefahr min<strong>im</strong>ieren)<br />
4<br />
9<br />
6<br />
Mitbest<strong>im</strong>mung: keine (l)/volle (9)<br />
(Mitbest<strong>im</strong>mung)<br />
2<br />
4<br />
8<br />
Nutzung: einheitlich (1)/vielfältig (9)<br />
(Anreiz für kulturelle Aktivitäten bieten; Einkaufs- und Verpflegungsmöglichkeiten;<br />
Kommunikation und Beobachten unterstützen; Kr<strong>im</strong>inalität<br />
und V<strong>and</strong>alismus einschränken) .<br />
2<br />
5<br />
8<br />
Zugänglichkeit: beschränkt (1)/volfzugänglich (9)<br />
(Bewegung ermöglichen; Rückzugsmöglichkeiten für Menschen anbieten;<br />
Zugänglichkeit und Begehbarkeit fördern)<br />
2<br />
7.4<br />
7<br />
Kl<strong>im</strong>a: nicht ausgleichend (l)/ausgleichend (9)<br />
(Kl<strong>im</strong>a ausgleichen [Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Wind, Sonne/Schatten»<br />
4<br />
9<br />
6<br />
Unterhaltskosten: hoch (1)/tief (9)<br />
(K~sten)<br />
8.5<br />
4<br />
3<br />
Tob. 2.2.1 Best<strong>im</strong>mung der Kriterienwerte der drei Varianten durch die Synthesegroppe Grfinraum. Der Idealpunkt liegtjeweils bei neun. Aus technischen<br />
Grfinden wurde eine Nullvariante eingeführt, deren sämtliche Werte auffünfgesetzt wurden.<br />
186 UNS-Fallstudie '96
_----'~-----------'---------------------<br />
Grünraum<br />
Fragebogen .<br />
Wie sollen ~ffentliche Freiräume gestaltet werden? Ich mächte, dass...<br />
... bei der Bepflanzung Arten bevorzugt werden, die keine allergischen Reaktionen hervorrufen (Allergie).<br />
... viele Bäume vorh<strong>and</strong>en sind, um eine angenehme Luftfeuchtigkeit und Beschattung zu ermöglichen (Beschattung).<br />
... auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger verzichtet wird (Chemikalien).<br />
... Raum für eigenes Entdecken und Gestalten, insbesondere für Kinder, vorh<strong>and</strong>en ist (Entdecken).<br />
... ich mich <strong>im</strong> Park erholen kann (Erholung).<br />
... öffentliche Freiräume für alle ohne grosse Hindernisse erreichbar sind (Erreichbarkeit).<br />
... die Farbe grün in öffentlichen Freiräumen vorherrscht (Grüne Farbe)~.<br />
... Pflanzenarten gesetzt werden, die empfindlich auf Luftschadstoffe reagieren, um die Luftverschmutzung zu dokumentieren<br />
(Indika~orpflanzen).· .<br />
... Verpflegungs- und Einkaufsmöglichkeiten vorh<strong>and</strong>en sind (KOIlsummöglichkeiten).<br />
... kulturelle Aktivitäten möglich sind (Kultur).<br />
... der Verkehrslärm abgeschirmt wird (Lärm).<br />
... Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten geschaffen werden (Lebensraum).<br />
... ich in öffentlichen Freiräumen die Natur erleben kann (Naturerlebnis).<br />
... bei der Pflege"von öffentI. Freiräumen der Natur freien Lauf gelassen wird (Natürliche Entwicklung).<br />
... öffentliche Freiräume mit dem umliegenden Kulturl<strong>and</strong>lWaId ökologisch verbunden sind (Ökologie).<br />
... Picknickmöglichkeiten vorh<strong>and</strong>en sind (Picknick).<br />
... ich mich an stille Orte zurückziehen kann (Rückzugsmöglichkeit).<br />
... ich mich sicher fühlen kann, insbesondere nachts (Sicherheit).<br />
... grosse, betretbare Flächen für Sport und Spiel vorh<strong>and</strong>en sind (Sport).<br />
... die Bepflanzung die Luft von Staub reinigt (Staub).<br />
... ich in öffentlichen Freiräumen <strong>and</strong>ere Leute treffen kann (Treffpunkt).<br />
... die Unfallgefahr, insbesondere für Kinder,gering ist (Unfallgefahr).<br />
... die Unterhaltskosten möglichst gering sind (Unterhaltskosten).<br />
... eine vielseitige Struktur (Hügel, Bäume, Sträucher, etc.) geschaffen wird (Vielseitige Struktur).<br />
... viele Wasserelemente, wie Tümpel, Bäche und Springbrunnen vorh<strong>and</strong>en sind (Wasserelemente).<br />
. ... Pflanzenarten gesetzt werden, die bei uns auchwild vorkommen (Wilde Pflanzen).<br />
... jederWinkel von öffentlichen Freiräumen frei begehbar ist (Zugänglichkeit).<br />
Tob. 2.2.2 Die Fragen aus dem Fragebogen (Teilansicht).<br />
Kosten 2.2 Programme au/derBasis der Multiattribuliven Nutzentheorie (MA UT).<br />
Fortsetzung Kosten 2.2 siehe nächste Seite-t<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
187
Grünraum<br />
_<br />
Fortslitzung Kasten 2.2 Programme aufderBasis der Multiattnbutiven Nutzentheone (MAUT).<br />
188 UNS·Fallstudie '96
_________________________~<br />
Grünraum<br />
3. Ergebnisse<br />
3.1 Kriterien- und Massnahmenkatalog<br />
für die Grünraumgestaltung<br />
Der vorliegende Kriterien- und Massnahmenkatalog<br />
wurde in den Teilprojekten aus der Literatur sowie<br />
mittels Expertengesprächen erarbeitet und in der<br />
Synthesephase II zusammengefasstsowie auf Inkonsistenzen<br />
überprüft. Die Kriterien sind zum grossen<br />
Teil der entsprechenden Literatur entnommen. Die<br />
Reihenfolge ist alphabetisch geordnet und hat keine<br />
Bedeutung für die Wichtigkeit der Kriterien.<br />
Allergene lind Gifte VOlt Pflanzen vermeiden<br />
(Wüthrich, 1994)<br />
Immer häufiger treten bei Menschen Allergien gegen<br />
verschiedenste Stoffe auf. Um diesem Umst<strong>and</strong><br />
Rechnung zu tragen, ist e-s wichtig, dass Pflanzen<br />
vermieden werden, die dafür bekannt sind, besonders<br />
häufig allergische Reaktionen hervorzurufen.<br />
Es kann Aufklärung über giftige und allergene<br />
Pflanzen, z.B. mit Hinweisschildern, angeboten<br />
werden. -<br />
Anreiz für kllltllrelle Aktivitäten bieten<br />
(Korosec-Sertaty, 1990)<br />
Kulturelle Aktivitäten stellen einen Anreiz für<br />
Menschen dar, den Grünraum zu nutzen und sich mit<br />
<strong>and</strong>eren Menschen zu treffen. Da bei der Planung<br />
nicht klar ist, welche Bedürfnisse die Menschen<br />
haben, sollen ihnen Mittel und Räume geboten<br />
werden, die sie selbständig nach<br />
ihren Bedürfnissen nutzen können:<br />
Openairbühne, Kunstwerke, Kleinkunstpavillon,<br />
etc.<br />
Durch kulturelle Anlässe kann<br />
unter Umständen der Erholungswert<br />
des Grünraumes für ParkbesucherInnen,<br />
welche vorwiegend Ruhe<br />
suchen, sinken. Dies sollte vor allem<br />
bei der Planung von Veranstaltungen<br />
<strong>im</strong> Grünraum beachtet werden.<br />
Auch hier besteht ein Konflikt mit den Rückzugsmöglichkeiten<br />
für Mensch und Natur. Eine Lösung<br />
ist nur mit der Partizipation späterer NutzerInnen an <br />
der Planung möglich.<br />
Boden den verschiedenen Nlltzllngen anpassen<br />
(SlIkopp &Wittig, 1993)<br />
Die möglichen Nutzungsarten hängen von der<br />
Bodenbeschaffenheit ab. Der Boden muss den Belastungenauch<br />
st<strong>and</strong>halten können. Flächen sollen<br />
nur versiegelt werden, wenn ein dringliches Bedürfnis<br />
dafür ausgewiesen werden kann und keine<br />
<strong>and</strong>ere Möglichkeit besteht. Plätze, die viel betreten<br />
werden,solltentrittfest sein (Kies, Schotterrasen,<br />
etc.). Die Altlasten müssen entsprechend der Nutzung<br />
saniert werden.<br />
Einhe<strong>im</strong>ische, st<strong>and</strong>ortgerechte Pflanzen in<br />
verschiedenen Vegetatiollsstllfen fördern<br />
(Ökoskop, 1995; Kowarik, 1989; SlIkopp & Wittig, 1993)<br />
Die Pflanzen, die in den verschiedenen Grünraumtypen<br />
angepflanzt werden, sollten wenn möglich<br />
einhe<strong>im</strong>isch und vor allem an die gegebenen verschiedenen<br />
St<strong>and</strong>orte angepasst sein. St<strong>im</strong>men die<br />
St<strong>and</strong>ortbedingungen, können sich diese Pflanzen<br />
halten, so dass sie nicht durch «Allerweltsarten» verdrängt<br />
werden. Auch in B1l,1menbeeten und Kübeln<br />
können einhe<strong>im</strong>ische Wildblumen gepflanzt werden.<br />
Die Verwendung einhe<strong>im</strong>ischer Arten wirkt sich<br />
positiv auf die Artenvielfalt bei Tieren aus. Die<br />
Mehrzahl der einhe<strong>im</strong>ischen Wirbellosen weist ein<br />
relativ kleines Nahrungsspektrum auf, d.h. sie benö-<br />
BewegllngermögUchen<br />
Bewegung gehört zu den Grundbedürfnissen<br />
des Menschen. Die<br />
Bewegung in den Grünräumen soll<br />
deshalb ermöglicht werden: keine<br />
Verbote, Möglichkeit zum Ausüben<br />
von Trendsportarten, Spielplätze mit<br />
Gestaltungsmöglichkeiten, Rasenspielflächen.<br />
Abb.3.1.1 Schotterrasen als Möglichkeit, einen Boden ohne Versiege/ung begehbar undbefahrbar<br />
.zu machen. -<br />
UNS-Fallstudie '96 189
Grünraum '-- _<br />
tigen für ihre Entwicklung und ihr Überleben ganz<br />
best<strong>im</strong>mte Pflanzenarten. Fremdländische Arten<br />
können ihnen keinen Ersatz bieten.<br />
Einkaufs- und Verpflegungsmöglichkeiten<br />
Für viele arbeitende Menschen ist die Mittagspause<br />
die einzige Zeit, die sie <strong>im</strong> Grünraum verbringen<br />
können (Ergebnis eigener Erhebungen <strong>im</strong> Rahmen<br />
der Fallstudie). Deshalb ist es wichtig, dass Einkaufs-<br />
und Verpflegungsmöglichkeiten in der Nähe<br />
angeboten werden und Sitzgelegenheiten vorh<strong>and</strong>en<br />
sind. Diese sollen aber nicht mit einem Konsumationszwang<br />
verbunden sein. Mögliche Einrichtungen<br />
sind Kipsk, Snackbar und Feuerstelle.<br />
Eintrag schädlicher Stoffe vermindern<br />
(Leutert et al., 1995)<br />
Luft, Wasser und Boden sind sauber zu halten und<br />
anthropogene Stoffeinträge sind so weit als möglich<br />
zu verhindern bzw. zu vermIndern. Ein aus ökologischer<br />
Sicht opt<strong>im</strong>aler ,Grünraum kann sich nur<br />
bei min<strong>im</strong>alem Stoffeintrag entwickeln. Bei grosser<br />
Luftverschmutzung werden sich vor allem empfindliche<br />
Pflanzen- und Tierarten nicht etablieren<br />
können.<br />
Auf den Einsatz von Giften (Biozide, Lacke, Hölzschutzmittel),<br />
Düngemittel, Streusalz <strong>im</strong> Winter, etc.<br />
soll deshalb verzichtet werden. Anstelle von Streusalz<br />
können die Wege gekiest, ges<strong>and</strong>et oder mit<br />
Sägemehl bestreut werden, zudem sollen möglichst<br />
Naturprodukte oder giftklassefreie Mittel verwendet<br />
werden.<br />
Klein" und grossräumige Vernetzungselemente schaffen<br />
(Kuhn et al., 1992; Sukopp &Wittig, 1993)<br />
Die in einer <strong>Stadt</strong> vorkommenden naturnahen<br />
Flächen oder <strong>and</strong>ere für Tiere und Pflanzen wertvolle<br />
Strukturen (z.B. Wochenstuben für Fledermäuse<br />
oder Nistgelegenheiten für verschiedene<br />
Vogelarten) sind 'oft abgetrennt. von Gebieten ähnlicher<br />
Ausprägung, d.h. sie sind verinselt. Dabei<br />
. muss auch beachtet werden, dass es Tierarten gibt,<br />
die ein nebenein<strong>and</strong>er von verschiedenen Lebensräumen<br />
- geographisch oder zeitlich - brauchen<br />
(z.B. Nahrungssuche und Brutgelegenheiten).<br />
Daraus resultiert, dass be<strong>im</strong> Schaffen von neuen<br />
Lebensräumen für Tiere und Pflanzen <strong>im</strong>mer darauf<br />
geachtet werden muss, dass ein Kontakt zu <strong>and</strong>eren<br />
Lebensräumen ähnlicher Ausprägung möglich ist.<br />
Auch für dasZZN gelten die allgemein in der Literatur<br />
aufgeführten Massnahmen.<br />
• Vernetzungselemente erhalten, aufwerten und<br />
vermehren:<br />
Bestehende, naturnahe Verbindungsstrukturen<br />
(z.B. Böschungen, Hecken, Bahnareale, Ufer der<br />
Bäche und Flüsse) entsprechend pflegen und<br />
aufwerten oder neu schaffen. Ausbreitungsbarrieren<br />
wo möglich durch 'geeignete Massnahmen<br />
überwindbar machen (Amphibienunterführungen,<br />
. Ökobrücken).<br />
• Korridore zwischen Siedlungsraum und umgebendem<br />
Kulturl<strong>and</strong> oder Wald fördern:<br />
Bahnareale und -böschungen, .Flüsse und Bäche<br />
mit ihren Böschungen sind als verbindende Korridore<br />
zu, erhalten und wo J1löglich aufzuwerten,<br />
so dass die Ausbreitung von<br />
Tieren und Pflanzen gefördert<br />
wird.<br />
• Schaffen bzw. Zulassen von<br />
Saumbiotopen und Kleinelementen.<br />
Abb. 3.1.2 Bewachsene Steinmauer als Beispielfür ein kleinriiumiges Vernetzungselement.<br />
Kl<strong>im</strong>a ausgleichen (Temperatur,<br />
Luftfeuchtigkeit, Wind, Sonne/<br />
Schatten) ,<br />
(Andritzky, 1981; Kaerkes, 1987;<br />
Kiese, 1995; Kutler, 1993)<br />
Das <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a wird häufig als<br />
extrem empfunden. Pflanzen<br />
entziehen durch ihre Verdunstungstätigkeit<br />
ihrer Umgebung<br />
Wärme und wirken so ausgleichend<br />
auf das städtische Kl<strong>im</strong>a.<br />
Bäume haben als Schattenspender<br />
eine wichtige Bedeutung.<br />
Andererseits ist es wichtig,<br />
dass genügend offene Flächen<br />
190<br />
UNS-Fallstudie '96
------------------------ Grünraum<br />
(Wiesen, Wasserflächen) vorh<strong>and</strong>en sind, die eine<br />
Abstrahlung und Durchlüftung erlauben. Je nach Art<br />
der Bebauung sollten Baumreihen und Hecken als<br />
Windbrecher gepflanzt oder durch sinnvolle Anordnung<br />
thermisch unterschiedlicher Flächen die Luftzirkulation<br />
gefördert werden:<br />
• Schachbrettartige Anordnung thermisch unterschiedlicher<br />
Flächen,<br />
• windbrechende Strukturen (Hecken, Wälder,<br />
Mauern),<br />
• technische Strukturen zur Beschattung (Sonnensegel,<br />
Sonnenstoren).<br />
Kommunikation und Beobachten unterstützen<br />
Zwischenmenschliche Interaktion ist eine der am<br />
häufigsten anzutreffende Tätigkeit von Menschen<br />
in Grünräumen (Ergebnis eigener Erhebungen <strong>im</strong><br />
Rahmen der Fallstudie). Es sind Anreize nötig, um<br />
sich <strong>im</strong> Grünraum aufzuhalten, um hinzusehen, zu<br />
beobachten und zu kommunizieren. UnterstÜtzende<br />
Strukturen hierfür sind Sitzgruppen, mobile Stühle<br />
und Tische, Treppen, Strassencafe, Bar, Quartiertreffpunkt.<br />
Kosten<br />
Bei den ökonomischen Aspekten muss zwischen<br />
Investitionen für die Erstellung des Parks und den<br />
Unterhaltskosten unterschieden werden. Während<br />
die Investitionskosten relativ unabhängig von der Art<br />
des Parks sind, können die Unterhaltskosten je nach<br />
Ausprägung des Parks um einen Faktor grösser als<br />
10 differieren. So rechnet beispielsweise das Gartenbauamt<br />
der <strong>Stadt</strong> Zürich für den Stadelhoferl'latz,<br />
einer kleineren konventionellenParkanlage, die auf<br />
soziale Bedürfnisse· ausgerichtet ist, mit Pflegekosten<br />
von etwa 25.- Fr. pro m Z und Jahr. Diese<br />
hohen Unterhaltskosten setzen sich zur Hälfte aus<br />
der Pflege der Grünanlage und der Einrichtung zu"'<br />
sammen. Die <strong>and</strong>ere Hälfte wird für die Reinigung<br />
der Anlage als Folge des enormen Nutzungsdrucks<br />
benötigt. Bei der Parkanlage Irchel, die naturnah<br />
. angelegt ist, fallen mit etwa 2.- Fr. pro m Z 'und Jahr<br />
wesentlich tiefere Kosten an. Diese Unterschiede<br />
der Pflegekosten treten auch bei privaten Grünanlagen<br />
auf. Eine Grossbank <strong>im</strong> Raum Zürich rechnet<br />
mit rund 12.- bis 13.- Fr. pro m Z und Jahr bei<br />
konventionellem Umgetiungsgrün: hingegen nur<br />
mit 4.- Fr. pro m Z und,Jahr bei naturnahem Umgebungsgrün<br />
(persönliche Mitteilung Grünraumverantwortlicher<br />
Schweizerische Kreditanstalt, Uedihof<br />
Zürich). Generell kann daher gesagt werden, je<br />
stärker die ökologischen Kriterien bei der Gesta.ltung<br />
mitberücksichtigt werden, desto günstiger sind<br />
später die Pflegekosten. Ein weiterer Kostenfaktor<br />
stellen V<strong>and</strong>alenakte dar. Massnahmen, die V<strong>and</strong>alismuS<br />
einschränken - wie verschiedenartige Nutzung<br />
auch nachts und Mitbest<strong>im</strong>mung durch Arbeits- und<br />
Wohnbevölkerung zur Erhöhung der Identifikation<br />
mit den Grünanlagen - können daher kostensenkend<br />
wirken.<br />
Kr<strong>im</strong>inalität und V<strong>and</strong>alismus einschränken<br />
(Newman, 1972)<br />
Kr<strong>im</strong>inalität, V<strong>and</strong>alismus und fehlende Sicherheit<br />
sind häufig anzutreffende Probleme öffentlicher<br />
Freiräume. Damit der Grünraum von möglichst<br />
vielen Menschen benutzt wird, ist es wichtig, dass<br />
Kr<strong>im</strong>inalität und V<strong>and</strong>alismus möglichst nicht vorkommen,<br />
die Sicherheit also gewährleistet ist.<br />
Der Grünraum soll durch verschiedene Nutzungen<br />
belebt werden. Es ist deshalb wichtig, dass auch<br />
abends verschiedenste Aktivitäten ausgeübt werden<br />
können. Abends sollten RestaurantS geöffnet sein<br />
und kulturelle Aktivitäten stattfinden. Dies ist insbesondere<br />
in jenen Bereichen ganz ~ichtig, wo der<br />
Anteil der Arbeitsbevölkerung grösser ist als jener<br />
der Wohnbevölkerung.<br />
Je mehr sich die MitbewohnerInnen durch Mitbest<strong>im</strong>mung<br />
einen Bezug zum Grünraum schaffen,<br />
ein Gefühl aufbauen, dass sie hierfür Verantwortung<br />
übernehmen, desto eher sind sie bereit; sich für ihn<br />
einzusetzen und ihn zu nutzen und zu pflegen. Dies<br />
erhöht die Sicherheit.<br />
Halb zerstörte Gegenstände fördern den Drang<br />
zu V<strong>and</strong>alismus. Sie sollten deshalb sofort repariert<br />
werden.<br />
Sobald Orte vorh<strong>and</strong>en sind, die eine gewisse<br />
Rückzugsmöglichkeit bieten, ist die Gefahr von<br />
Kr<strong>im</strong>inalität und V<strong>and</strong>alismus erhöht. Diese Gefahr<br />
kann durch möglichst starke Nutzung des Grünraumes,<br />
Miteinbezug der NutzerInnen bei der Planung<br />
und eventuell durch Patrouillen vermindert werden.<br />
Liirm<strong>im</strong>missionell vermindern<br />
(Andritzky, 1981; Dilhinden & Pfäffli, 1995)<br />
Das Wohlbefinden des Menschen ist sehr stark von<br />
Lärmeinflüssen abhängig. Darunter fallen sowohl<br />
Verkehrslärm als auch Lärm der direkt durch den<br />
Menschen entsteht.<br />
Die wirkungsvollste Massnahme wäre, den Verkehr<br />
möglichst stark zu vermindern. Wenn dies nicht<br />
durchführbar ist, kann ein Sichtschutz vor der<br />
Lärmquelle bereits einen grossen Einfluss auf das<br />
Empfinden des Lärms haben. Dieser Sichtschutz<br />
kann mit Hecken, Waldstreifen und begrünten<br />
Lärmschutzwänden erfolgen.<br />
Lärm - bedingt durch menschliche Nutzungen <br />
kann mit räumlicher und zeitlicher Trennung der<br />
f<br />
I<br />
)<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
191
Grünraum<br />
_<br />
durch besonders dichte Dornenhecken erreicht<br />
werden. Diese Massnahme ist eine Alternative zu<br />
Verboten.<br />
Schächte, Zäune und <strong>and</strong>ere Fallen für Tiere<br />
sollten vermieden oder mit Massnahmen für Tiere<br />
ungefahrlich gemacht werden (Gitter, Zäu'ne, etc. so<br />
montieren, dass beispielsweise Durchschlupfmöglichkeiten<br />
für Igel entstehen).<br />
Es besteht ein Konflikt mit dem Kriterium Anreiz<br />
für kulturelle Aktivitäten bieten. Damit die Lebensansprüche<br />
der Tiere nicht zu stark beeinträchtigt<br />
werden, sollten Grossanlässe möglichst vermieden<br />
werden und gewisse Gebiete von menschlicher<br />
Nutzung freigehalten werden.<br />
Abb. 3.1.3 Beispiel für Bäume als Sicht- und Schal/schutz gegen Lärm<strong>im</strong>missionen.<br />
verschiedenen Nutzungen vermindert werden. Die<br />
Installation von Lärmschutzwänden ist kostenintensiv.<br />
Deshalb besteht ein Konflikt mit dem Kriterium<br />
Kostenverträglichkeit. Aus diesem Grund sollte der<br />
Lärm möglichst an der Quelle min<strong>im</strong>iert werden.<br />
Lebensansprüchen potentieller Tierarten gerecht<br />
werden (Sukopp & Wittig, 1993) .<br />
Die vielfaltigen Nutzungen in der <strong>Stadt</strong> ergeben<br />
die Grundlage für eine vielfaltige Siedlungsnatur.<br />
Diese Vielfaltigkeit ist zu erhalten und zu fördern,<br />
indem z.B. die Lebensansprüche potentieller Tierarten<br />
(Nistplätze, Sitzwarten, Überwinterungsmöglichkeiten,<br />
etc.) beachtet, die Überlebensfahigkeit<br />
von Tierpopulationen langfristig gesichert und Lebensräume<br />
fürsiedlungstypische Arten geschaffen<br />
werden.<br />
Die NutzerInnen der verschiedenen Grünräume<br />
sollten über die AnsprÜche der verschiedenen Tiere<br />
informiertwerden und dadurch mehr Verständnis für<br />
gewisse Nutzungseinschränkungen aufbringen.<br />
Es braucht Bereiche, die für den Menschen nur<br />
schwer oder gar nicht erreichbar sind. Dies kann<br />
Luftverschmutzung vermindern<br />
(Corra, 1995; Dahinden & Pfdffli, 1995; Lendholt, 1975)<br />
Für die Gesundheit aller Lebewesen (inkI. Menschen)<br />
ist gute Luft sehr wichtig. Luftverschmutzung<br />
durch Abgase und Staub von Autos und Heizungen<br />
stellen ein grosses Problem in der <strong>Stadt</strong> dar.<br />
Durch Fassadenbegrünung, Hecken, Alleen, Wiesen,<br />
etc. kann <strong>im</strong> <strong>Stadt</strong>gebiet die Pflanzenoberfläche<br />
vergrössert werden, was sich positiv auf die Filterung<br />
des Staubes aus der Luft auswirkt.<br />
Schadgase können nur in sehr beschränktem Masse<br />
mit Pflanzen vermindert werden. Allerdings stellt<br />
eine attraktiv gestaltete Umgebung eine Chance dar,<br />
dass die Leute eher zu Fuss gehen und dass dadurch<br />
indirekt die Luftverschmutzung vermindert werden<br />
kann.<br />
Mitbest<strong>im</strong>mung (Fischer, 1995; Dienel,1992)<br />
AnwohnerInnen und BenutzerInnen der Grünräume<br />
müssen in die Planung einbezogen werden. Auch<br />
nach der Eröffnung ist es wichtig, dass auf neue Ansprüche<br />
eingegangen werden kann. Die Akzeptanz<br />
und Toleranz sowie die Bereitschaft, zum Grünraum<br />
Sorge zu tragen, steigen durch den Einbezug der<br />
Bevölkerung in die Planung.<br />
Der Einbezug kann durch moderierte Diskussionen,<br />
Befragungen oder Abst<strong>im</strong>mungen erfolgen.<br />
Durch den Prozess der Mitbest<strong>im</strong>mung kann es zu<br />
Widersprüchen mit <strong>and</strong>eren Kriterien kommen. In<br />
Diskussionen sollen jedoch für alle Parteien annehmbare<br />
Lösungen gefunden werden.<br />
Naturerlebnis fördern (Gebhard, 1993)<br />
Kinder sowie Erwachsene sollen zur Natur eine Beziehung<br />
aufbauen können. Je mehr die Menschen<br />
die Natur schätzen und bewundern, um so mehr tragen<br />
sie Sorge zu ihr. Natur erleben beginnt schon vor<br />
der Haustüre, also auch in der <strong>Stadt</strong>. Meist sind es<br />
192<br />
UNS-Fallstudie '96
________________________________________Grünraum<br />
schon kleine Dinge, die ein eindrückliches Erlebnis<br />
ermöglichen. Damit sich die Menschen aber in den<br />
verschiedenen Grünräumen wohl fühlen, ist es sehr<br />
wich'tig, dass diese ansprechend gestaltet werden.<br />
Möglichkeiten, um die Natur zu entdecken, zu<br />
erleben und zu gestalten, sollen angeboten werden<br />
(z.B. verschiedene Düfte, Naturgeräusche, offene<br />
Bodenoberflächen, Wege zum Barfussgehen, Wasserflächen,<br />
Weiher, Bäche, Sukzessionsflächen, Streicheltierzoo,<br />
sich jahreszeitlich ändernde Vegetation,<br />
Blumenbeete und Rabatten, Asthaufen, Trockenmauern,<br />
Lehmgruben, etc.).<br />
Natürliche VersickerrlIIg und Verdunstung fördern<br />
Das anfallende Regenwasser soll via Pflanzen verdunsten<br />
oder <strong>im</strong> Boden versickern. Da be<strong>im</strong> Verdunsten<br />
von Wasser die Umgebungsluft abgekühlt<br />
wird, kmn ein angenehmeres, kühleres <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a<br />
geschaffen und zusätzlich die Spitzenbelastung der·<br />
Kanalisation reduziert werden (Corra, 1995).<br />
Es sollen verschiedene Feuchtbiotope geschaffen<br />
werden, die eine hohe Verdunstungsrate aufweisen.<br />
Solche könnten beispielsweise auch auf Flachdächern<br />
als Pfützen und Tümpel angelegt werden.<br />
Im ganzen Areal soll ein möglichst hoher Anteil<br />
begrünter Flächen angestrebt werden. Fassadenbegrünung<br />
und unversiegelte Böden, welche eine<br />
allmähliche Verdunstung und Versickerung zulassen,<br />
sollen gefördert werden. Flächen, die aufgrund ihrer<br />
Nutzung nicht zwingend versiegelt sein müssen, so<br />
z.B. Trottoirs und wenig befahrene Strassen, können<br />
mit durchlässigen Belägen versehen werden, z.B.<br />
Kies respektive Rasengittersteine, welche ein<br />
Wachstum von trittfesten<br />
Pflanzen zulassen. An den<br />
Rändern von gekiesten Fusswegen<br />
kann sich eine magere<br />
Wegr<strong>and</strong>vegetation entwikkeIn,<br />
welche für viele Insekten<br />
Lebensraum bietet..<br />
Ein Konflikt besteht mit<br />
dem Kriterium Böden den verschiedenen<br />
Nutzungen anpassen.<br />
Dieser Konflikt entsteht vor<br />
allem, wenn Böden versiegelt<br />
werden müssen, um sozialen<br />
Nutzungen gerecht zu werden.<br />
• Bestehende Naturwerte erkennen<br />
• Entwicklungspotentiale erkennen<br />
• Ökologische Absichten festlegen<br />
• Nutzung und Gestaltung festlegen<br />
• Organisatorische Rahmenbedingungen abklären<br />
• Bereiche unterschiedlicher Pflegeintensität festlegen<br />
Biozide und Dünger sollen weder auf dem Areal<br />
noch in der näheren Umgebung verwendet werden.<br />
Spontanbegrünung ist vorzuziehen. Dies bedeutet<br />
aber, dass der Natur Zeit gelassen werden muss.<br />
Eingriffe können nicht in einem best<strong>im</strong>mten Turnus<br />
durchgeführt werden, sondern es braucht aufmerksame<br />
Beobachtung und Geduld. Sonst übliche<br />
Massnahmen wie Entfernen von P.flanzenmaterial<br />
und Totholz sowie Bewässerung sollen - wo <strong>im</strong>mer<br />
möglich - nicht ausgeführt werden.<br />
Orientierung gewährleisten<br />
(Bonnes & Secchiaroli, 1995) .<br />
Auch Ortsunkundige sollen die Grünräume benutzen<br />
und sich wohl fühlen können, ohne sich zu verirren.<br />
Es sind Orientierungspunkte zu schaffen wie<br />
Skulpturen, Wasserspiele, Brunnen, etc. Diese spielen<br />
dabei auch eine wichtige Rolle als Treffpunkte.<br />
Rückzugsmöglichkeiten für Menschen anbieten<br />
(eanter, 1983; Kaplan, 1983)<br />
Damit Menschen sich von den Stressoren (wie Lärm,<br />
Schadstoffe, Hektik) der <strong>Stadt</strong> erholen können,<br />
brauchen auch sie Rückzugsmöglichkeiten. Diese<br />
müssen für die Menschen einladend gestaltet<br />
Naturverträgliche Pflegeart<br />
(Leuten et al., 1995)<br />
Differenzierte Pflege hat eine<br />
enorme Gestaltungskraft. Leutert<br />
et aI. (1995) formulieren<br />
folgende Pflegegrundsätze:<br />
Abb. 3.1.4 Feuchtbiotop als Beispielfür die Förderung natürlicher Versickerung undVerdunstung.<br />
UNS-Fallstudie '96 193
Grünraum ...,.-__----:- ...,.- _<br />
werden und Ruhe und Entspannung ermöglichen,<br />
wie z.B. durch schützende Bepflanzung, Hecken mit<br />
Nischen, Pergolen, Wasserspiele, Skulpturen, Mauern,<br />
Arkaden, Steinen und Sitzgelegenheiten. Hier<br />
besteht ein Konflikt mit dem Kriterium Kr<strong>im</strong>inalität<br />
und V<strong>and</strong>alismus, der durch eine starke Identifikation<br />
der NutzerInnen mit «ihrem» Grünraum gelöst werden<br />
kann.<br />
Ulifallgefahrell mill<strong>im</strong>ierell<br />
Die Grünräume sollen so geplant und gepflegt werden,<br />
dass die Gefahr eines Unfalles min<strong>im</strong>al ist (z.B.<br />
durch übersichtliche Weggestaltung und sichere<br />
Wegführung). Behinderte sollen bei der Planung miteinbezogen<br />
werden, damit sie nicht von der Nutzung<br />
ausgeschlossen werden.<br />
Verällderbarkeit·<br />
Ansprüche und Anforderungen an den Grünraum<br />
sowie seine Nutzungszusammensetzung können sich<br />
schnell ändern. Diesem Umst<strong>and</strong> sollte bei der<br />
Planung Rechnung getragen werden~ D.h. es sollen<br />
keine aufwendigen, fixen Installationen angelegt<br />
werden, die durch die sich ändernden Bedürfnisse<br />
der NutzerInnen an Wert verlieren.<br />
. Verschiedelle ökologisch wertvolle Lebensrällme<br />
schaffell (SIlkol'l' & Wirtig, 1993)<br />
In einer mosaikartigen Flächenstrukturund einer<br />
abwechslungsreichen Reliefgestaltung mit unterschiedlicher<br />
Substratdickekönnen sich verschiedene<br />
<strong>im</strong> Siedlungsraum ökologisch wertvolle Lebensräume,<br />
Nischen (trocken, feucht, warm, schattig,<br />
nährstoffarm, etc.) ausbilden:<br />
• verzahnte Lebensräume, Buchten<br />
• Oberflächen genügend porös, spaltig,nuh<br />
• sonnige St<strong>and</strong>orte<br />
• Mauern mit Ritzen<br />
Durch das Anlegen von Kraut-, Busch- und Baum-.<br />
schicht entstehen auch in der Vertikalen unterschiedliche<br />
Strukturen.<br />
Die Schaffung von ökologisch wertvollen Lebensräumen<br />
steht in einem gewissen Widerspruch mit der<br />
uneingeschränkten Begehbarkeit der Grünflächen.<br />
Neben vielen Pflanzenarten, die erst aufgrund von<br />
Störungen gedeihen, können sich <strong>and</strong>ere nur entwickeln,<br />
wenn sie nur wenig durch äussere Einflüsse ,<br />
gestört werden. Sollen also auch solche Arten eine<br />
Chance haben, ist eine gewisse Abschrankung dieser<br />
Gebiete unvermeidbar.<br />
Durch das Anpflanzen eines üppigen Vegetationsstreifens<br />
(z.B. dichte Hecke) können diese Lebensräume<br />
vor dem Betreten durch die Parkbesuche-<br />
rInnen geschützt werden. Die Abschrankung durch<br />
Verbote sollte möglichst vermieden werden, da diese<br />
von den ParkbesucherInnen <strong>im</strong> Gegensatz zu den<br />
Vegetationsbarrieren negativer empfunden werden.<br />
.'Vielseitige Nlltzlllig<br />
Die Ansprüche der Menschen an den Grünraum<br />
unterscheiden sich stark vonein<strong>and</strong>er. Durch die<br />
Konzeption der Grünräume soll möglichst vielen<br />
Anforderungen Rechnung getragen werden. Um<br />
Fehlplanungen zu vermindern, sollen die NutzerInnen<br />
in den Entscheidungsprozess miteinbezogen<br />
werden.<br />
Zllgällglichkeit Illid Begehbarkeit förderll<br />
Damit ein Gebiet genutzt werden kann, muss es gut<br />
erreichbar sein. Nur wenn der Grünraum für alle<br />
begehbar ist, wird er auch genutzt.<br />
Stationen von öffentlichen Verkehrsmitteln in der<br />
unmittelbaren Nähe sowie sichere Fusswege zum<br />
Gebiet sollen eingeplant werden.<br />
Es sind verschiedene Wege in verschiedenen<br />
Ausgestaltungen anzulegen: Kieswege, Kopfsteinpflaster,<br />
Rasen, etc. Rasenflächen und Wiesen sollen<br />
benutzt werden dürfen. Wo <strong>and</strong>ere Bedürfnisse <strong>im</strong><br />
Vordergrund stehen, sollen die BesucherInnen auf<br />
klar begrenzten Wegen. durch das Gebiet geführt<br />
werden.<br />
3.2 Ergebnisse des Explorationsparcours<br />
3.2.1 Statioll 1: Eillfiihrllllg ill die Thematik<br />
In der Eingangsfrage wurden die Prob<strong>and</strong>Innen<br />
aufgefordert, eigene Kriterien für Grünräume in der<br />
<strong>Stadt</strong> zu nennen (Tab. 3.2.1). Bei den Nennungen der<br />
Befragten wird deutlich, dass Grünräume in erster Linie<br />
dem Menschen zu Gute kommen sollen. Nur einmalwird<br />
das Stichwort «Lebensraum für Tiere und Pflanzen»<br />
als ökologisches Kriterium genannt - durch eine Fachperson<br />
des Gartenbauamts. Nahezu alle <strong>and</strong>eren Kriterien<br />
beziehen sich auf die menschliche Nutzung der<br />
Grünräume. Auch der Anspruch, dass «grün dominant»sein<br />
sollte, bezieht sich auf die menschliche<br />
Wahrnehmung. Es werden damit keine ökologischen<br />
Forderungen verknüpft.<br />
3.2.2 Varialltell Natllr, Melisch, Geslllldbeit<br />
Unmittelbar nach der Diashow gefiel sieben Personen<br />
das Naturbild am besten. Fünf entschieden<br />
sich für das Bild Mensch und vier für Gesundheit<br />
(Abb.3.2.2.1).<br />
194<br />
UNS-Fallstudie '96
________________________________________Grünraum<br />
Begriff<br />
öffentlich zugänglich<br />
..........................................<br />
grün dominant<br />
.......................................<br />
Kinder/Spielfläche<br />
........ .. ..<br />
kein Verkehr/Autos<br />
......................................<br />
Sicherheit (i' Überfall)<br />
.............., .<br />
Anzahl<br />
Nennungen<br />
Perspektive<br />
6 S<br />
5 U<br />
. .<br />
5 S<br />
.......................................<br />
5 S<br />
..................................<br />
4 S<br />
. .<br />
4 U<br />
..•...........•...•..•...........<br />
4 S<br />
. .<br />
4 S<br />
................ .. .<br />
3 S<br />
........................<br />
3 S<br />
...................<br />
3 S<br />
.....................<br />
3 U<br />
.................................<br />
2 S<br />
...................<br />
2 S<br />
.................................................<br />
2 U<br />
................. . .<br />
2 S<br />
2 S<br />
.................. .. . .<br />
Abwechslung in Struktur/Gestaltung<br />
..........................................................<br />
soziale Durchmischung<br />
...........-....•........•..................•..............<br />
Verpflegung (Imbiss, Restaurant)<br />
....................................................<br />
Sicherheit (Kinder)<br />
...... .. .<br />
Arbeitnehmer/Mittagspause<br />
.•...................••..•.............<br />
sich bewegen können<br />
......... . .<br />
Wiese/offene Fläche<br />
..................................<br />
Geschäfte<br />
......................<br />
familienfreundlich<br />
..•..•....•..•............•..••..•...•........<br />
Ruhe<br />
.................<br />
Treffpunkt<br />
.........................<br />
Erreichbarkeit<br />
....................<br />
Mitbest<strong>im</strong>mung<br />
.............................. .<br />
Anwohnerinnen<br />
Lebe~~~~~~' iÜ~Tie~e ~~~i pri~~~e~"<br />
1 S<br />
..............................<br />
1 S<br />
..........................<br />
1 Ö<br />
Tab. 3.2.1 Anzohl spontaner Nennungen von Kriterien und deren Perspektive.<br />
S = Soziol, U = {Jmwelthygiene, 0 = Okologie. Die Kategorisierong der Perspektiven<br />
richtet sich noch den erarbeiteten Kriterien der Teilprojekte.<br />
Die anschlies;end durchgeführte MAUD-Befragung<br />
ergab jedoch ein <strong>and</strong>eres Bild: Mensch und<br />
Gesundheit liegen etwa gleichauf, doch Not!tr schneidet<br />
<strong>im</strong> Durchschnitt der Befragten deutlich schlechter<br />
ab. (Abb. 3.2.2.2). Zwischen diesen drei Varianten<br />
tritt ein statistisch signifikanter Unterschied auf<br />
(Friedman-Test: p = 0.04).<br />
Für die Verschiebung bei der Bewertung des<br />
Naturbildes bietet sich folgende Erklärung an: In der<br />
8..,.----"'---........--------a.-----"'--------r<br />
7<br />
Diashow werden fast ausschliesslich visuelle<br />
Eindrücke vermittelt, ohne die Konsequenzen<br />
dieser positiven Eindrücke zu berücksichtigen,<br />
wie z.B. geringe Mitbest<strong>im</strong>mung und Nutzungseinschränk:ungen<br />
bei der ökologischen<br />
Variante. Bei der Befragung mit MAUD wurde<br />
jedoch der Nutzen dieser positiven Eindrücke<br />
geringer gewichtet als <strong>and</strong>ere Kriterien. Dabei<br />
kommt hinzu, dass sowohl das Mensch- als auch<br />
das Gesundheitsbild aus ökologischer Perspektive<br />
günstig gestaltet sind. Die in MAUD<br />
vorgegebene Bewertung für die .ökologischen<br />
Kriterien sind also auch bei den Varianten<br />
Mensch und Gesundheit relativ hoch (vgl. Kap.<br />
3.2.3 COMPUTERGESTOTZTE KRITERIENBEWER<br />
TUNGMAUD). Die Ökologievariante verliert dadurch<br />
ihre positive Bewertung, da der Wunsch<br />
nach vielfältiger Nutzung eines Grünraumes,<br />
den der opt<strong>im</strong>alen ökologischen Gestaltung<br />
überwiegt.<br />
3.2.3 Computergestützte Kriterienbewertung<br />
MAUD<br />
Im Rahmen der MAUD-Befragung konnten die<br />
Vertreter der Interessengruppen die oben dargestellten<br />
Grünraumkriterien bewerten. Diese<br />
Gewichtung wird jeweils auf Werte zwischen<br />
ound 1 normiert. Das Ergebnis dieser Gewichtung<br />
wird in Abb. 3.2.3.1 dargestellt. Die Interessengruppen<br />
unterschieden sich statistisch<br />
signifikant (Varianzanalyse mit Messwiederholung:<br />
p = 0.04). Deutliche Favoriten sind die beiden Kriterien<br />
Naturniihe und Mitbest<strong>im</strong>mung mit den Werten<br />
0.19 bzw. 0.16. Ebenfalls wichtig schienen denBefragten<br />
billige Unterhaltskosten (0.13) und eine vielfiiltige<br />
Nutzungsmäglichkeit (0.12). Die Kriterien Verminderung<br />
der. Einflüsse, gute Zugiinglichkeit, Kl<strong>im</strong>aausgleich<br />
und grosse Artenvielfalt stehen mit einer mittleren<br />
Gewichtung von 0.1 Punkten <strong>im</strong> Hintergrund.<br />
o<br />
o<br />
r L<br />
6<br />
5<br />
3<br />
2<br />
.8<br />
g1<br />
~.6<br />
o<br />
';:<br />
C!J .4<br />
.2<br />
$~.~<br />
o<br />
o+----e-------e-----~~--+<br />
o<br />
Natur Mensch Gesundheit<br />
Abb. 3.2.2.1 Beurteilung der drei Bilder noch der Diasnow.<br />
Natur<br />
Mensch<br />
Abb. 3.2.2.2 Boxplot der Bildbewertung in MA UD.<br />
Gesundheit<br />
UNS-Fallstudie '96 195 .
Grünraum -------- _<br />
0.2<br />
0.18<br />
0.16<br />
0.14<br />
c:n<br />
§ 0.12<br />
ti 0.1<br />
! 0.08<br />
0.06<br />
0.04<br />
0.02<br />
o<br />
.Kriterien<br />
Abb. 3.2.3.1 Die Gewichtung der Kriterien <strong>im</strong> Überblick.<br />
Im Gegensatz zu spontanen Äusserungen sind in<br />
der MAUD~Befragungdie sozialen Kriterien nicht<br />
mehr in gleiehem Masse vorrangig. Es zeigt sich, dass<br />
bei der Vorgabe von Kriterien aus ökologischen und<br />
umwelthygienischen Perspektiven diese als ähnlich<br />
wichtig eingestuft werden.<br />
Aufteilung nach Interessengruppen<br />
Eine Aufschlüsselung nach den fünf Interessengruppen<br />
ergibt ein relativ einheitliches Bild (siehe<br />
Abb.3.2.3.2). Lediglich die Gewichtungen der beiden<br />
Kriterien Mitbest<strong>im</strong>mung und Naturnähedurch<br />
die «Jugendlichen» weisen sehr hohe Werte auf,<br />
.4<br />
-0-<br />
.35 -0-<br />
--l:!r-<br />
.3<br />
--<br />
.25<br />
t::<br />
Cl)<br />
~ .2<br />
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.15<br />
.1<br />
.05<br />
0<br />
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Cl)<br />
t::<br />
«<br />
während die Gewichtung der übrigen<br />
Kriterien dagegen deutlich unter den<br />
Werten der <strong>and</strong>eren Interessengruppen<br />
liegt. Dies ist darauf zurückzuführen,<br />
dass bei der MAUD-Befragung der Jugendlichen<br />
die beiden Kriterien von je<br />
einem/einer Prob<strong>and</strong>In als absolut<br />
wichtig bewertet wurden. Dabei<br />
bekamen die betreffenden Kriterien<br />
je 1 Punkt. Die übrigen Kriterien wurden<br />
somit automatisch mit 0 Punkten<br />
bewertet. Werden die Resultate der<br />
betreffenden zwei Befragungen als Ausreisser<br />
gestrichen, weisen die Gewichtungen<br />
der Kriterien durch die Jugendlichen<br />
ausgeglichene Werte auf.<br />
Die Gruppe
_________,___~-----------------,___-'--------------Grünraum<br />
Die Mitbest<strong>im</strong>mungsmäglichkeit ist den<br />
«AnwohnerInnen» und «Jugendlichen»<br />
sehr wichtig. Auffallend ist die geringe<br />
Gewichtung dieses Kriteriums, durch<br />
die «Investorlnnen». Sie unterscheiden<br />
sich damit deutlich von den übrigen<br />
Interessengruppen.<br />
Werden bei den «Jugendlichen» die<br />
beiden Ausreisser gestrichen, liegen bei<br />
der Gewichtung der Kriterien Naturnähe,<br />
Verminderung von stärenden Einflüssen<br />
und Artenvielfalt sämtliche Interessengruppen<br />
relativ nahe beisammen.<br />
Bei der Gewichtung der Unterhaltskosten<br />
heben sich die «Investorlnnen»<br />
deutlich von den restlichen Interessengruppen<br />
ab. Neben den «Investoren»<br />
scheinen lediglich noch für die<br />
«Arbeitsbevölkerung» tiefe Unterhaltskosten<br />
einen wichtigen Aspekt darzu-<br />
. stellen. Die Kostenfrage wird vor allem<br />
von den «Jugendlichen» als vollkommen<br />
unwichtig bewertet. Hier besteht<br />
ein statistisch signifikanter Unterschied<br />
zwischen den Gruppen (Varianzanalyse:<br />
p = 0.01).<br />
Clusterlllllllyse der MAUD·Kriteriell<br />
.24 ....---L__.........__......._---''--_---L__.........-'-_.......__'--..,...<br />
.22<br />
.2<br />
.18<br />
t:: .16<br />
~<br />
(j) .14<br />
~<br />
:E .12<br />
Das Kriterium Kl<strong>im</strong>aausgleich ist für die «InvestorInnen»,<br />
die «Vertreterlnnen der <strong>Stadt</strong>» und die<br />
«Anwohnerlnnen» relativ wichtiger als für die befragten<br />
«Arbeitenden» und «Jugendlichen». In Tab.<br />
3.2.3 sind je die drei wichtigsten Kriterien jeder<br />
Interessengruppe zusammengestellt.<br />
Durch die jeweils nach Personen und nach Kriterien<br />
durchgeführten Clusteranalysen (complete-linkage<br />
Verfahren, max<strong>im</strong>ale euklidische Abstände) konnten<br />
keine Cluster ermittelt<br />
werden, die auf Unterschiede<br />
hinsichtlich<br />
der Kriterienbewertung<br />
zwischen den <strong>im</strong> voraus<br />
definierten Gruppen<br />
hinweisen könnten.<br />
Einzig jeweils zwei VertreterInnen<br />
der <strong>Stadt</strong><br />
liegen bezüglich ihrer<br />
Gruppe<br />
Aussagen nahe beiein<strong>and</strong>er.<br />
Anwohner 2<br />
Ansonsten sind Arbeiter<br />
oft VertreterInnen verschiedener<br />
Gruppen<br />
Investoren<br />
2<br />
ein<strong>and</strong>er ähnlicher als Jugendliche<br />
2<br />
die VertreterInnen einer<br />
Gruppe unter sich, d.h.<br />
<strong>Stadt</strong><br />
die Unterteilung der<br />
.1<br />
.08<br />
.06<br />
cu<br />
Cl<br />
':1 '" ~<br />
li:<br />
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Cl 0<br />
.lC .lC<br />
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Cl<br />
.. Cl .=<br />
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:I N .. cu .1lI<br />
,. .. 1>1I<br />
'0 S :I<br />
-0-<br />
-0-<br />
Cl<br />
C<br />
::;,<br />
S<br />
z<br />
Investoren<br />
Andere<br />
Abb. 3.2.3.3 Mittelwerte der Beurteilung der Kriterien; .Investoren» <strong>im</strong> Vergleich mit der<br />
Gesamtheit der restlichen Gruppen.<br />
Tob. 3.2.3 Rangfolgen der drei wichtigsten Kriterien jeder Interessengruppe.<br />
Testpersonen nach ihren Interessengruppen manIfestiert<br />
sich in den Resultaten nicht.<br />
Konkrete Kriterien wie Naturnähe und Mitbe~<br />
st<strong>im</strong>mung werden besser bewertet als eher abstrakte<br />
Begriffe wie Artenvielfalt und Kl<strong>im</strong>aausgleich. Das<br />
aus ökologischer Sicht enttäuschende Abschneiden<br />
dieser aus naturwissenschaftlicher Sicht elementaren<br />
Faktoren hebt aber gerade die Wichtigkeit des<br />
(nota bene gut bewerteten) Faktors Mitbest<strong>im</strong>mung <strong>im</strong><br />
Grünraum heraus. Erst durch einen interaktiven<br />
Umgang mit der Problematik und mit der Erfahrung<br />
aus Erfolgen und Misserfolgen können die Anwoh-<br />
Z ~ t;; ~ N Bemerkungen<br />
....<br />
3 ...... r~~~llJläs~i~~. ~~'v.ich.tll!l&. .~ll~r..K.r.it~ri.eIl<br />
2 3 ...... ~~&.~IIJl~~~i~~qe~i~~~I1~aller ~ri~eri~n<br />
3 1 Unterhaltskosten und Kl<strong>im</strong>aausgleich<br />
.~elltli~~ .~ch.ti~~~.als .~i~. a.11~.e.r~I1........<br />
1 3 Ausreisser<br />
.......... . . . . . . . . . . . . . . ... . . ....<br />
1 3 2 regelmässige Gewichtung aller Kriterien<br />
UNS-Fallstudie '96 197
Grünraum -----------------<br />
nerInnen die Natur vor der Haustüre<br />
richtig nutzen und geniessen.<br />
Allgemein ist die Bewertung<br />
jedoch relativ ausgewogen, was<br />
auch daran liegen mag, dass es<br />
schwierig war, vonein<strong>and</strong>er unabhängige<br />
Kriterien zu formulieren<br />
(Naturnähe beinhaltet ja in gewisser<br />
Weise Artenvielfalt). Jedoch<br />
wird deutlich, dass <strong>im</strong> Zweifelsfalle<br />
diejenigen Kriterien als<br />
wichtiger erachtet werden, die<br />
sich direkt auf den Menschen<br />
beziehen.<br />
3.2;4 fragebogen<br />
Alle Fragen wurden durchwegs<br />
positiv bewertet (Abb. 3.2.4); angefangen<br />
bei den beiden Fragen,<br />
ob man sich in Grünflächen<br />
erholen und treffen können soll, mit<br />
je 6.5 Punkten (Max<strong>im</strong>alpunktzahl<br />
7), bis zu der Frage, ob auf<br />
gegenüber Schadstoffen empfindliche<br />
Indikatorpjlanzen gesetzt werden<br />
soll, mit <strong>im</strong>merhin noch 4.5 Punkten.<br />
Einzig die Frage, ob öffentliche<br />
Wege asphaltiert werden<br />
sollen, erhielt bloss 2.1 Punkte <strong>im</strong><br />
Schnitt. Dies liegt daran, dass hier<br />
die Frage negativ formuliert war<br />
(bei umgekehrter Fragestellung<br />
entspräche dies also einem Wert<br />
um 5 herum).<br />
Allergie jiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii.iiiiiiiiiiiil----~------:-----:-l<br />
Beschattung )11 .<br />
Entdecken<br />
Chemikalien Erholung f~~~~~~~5~~~~~~S::~.<br />
Erreichbarkeit<br />
GrOne Farbe )I•••••••<br />
Indikator-Pflanzen )11__ :<br />
Konsummöglichkeit ••••••••<br />
Ku~ur•••••_ I<br />
Lebensraum<br />
l~~~~~~~f:::~~.I.-<br />
Naturerlebnis<br />
Lärm<br />
NatOrliche Entwicklung<br />
Ökologie<br />
Picknick .<br />
ROckzugsmöglichkeit ':::::::::::~ .._<br />
Sicherheit )<br />
Sport • •<br />
Staub • 11IIIII _<br />
Treffpunkt<br />
Unfallgefahr<br />
Unterhaltskosten )11I••••-<br />
Vielseitige Struktur )11•••••••••_<br />
Wasserelemente )11•••••••<br />
4<br />
I<br />
Wilde Pflanzen ••••••••••••••••<br />
Zugänglichkeit ~~~~~---LI-~~---__J.------~<br />
5 6<br />
Mittelwerte der Antworten<br />
Abb. 3.2.4 Die Beurteilung der Kriterien <strong>im</strong> Durchschnitt aller Interessengruppen. Für die exakten<br />
Fragestellungen vgl. Tab. 2.2.2.<br />
7<br />
Aufteilung noch Interessengruppen<br />
Es bestehen keine statistisch signifikanten Unterschiede<br />
zwischen den Interessengruppen hinsichtlich<br />
der Beantwortung des Fragebogens. Jedoch<br />
können Fragen hervorgehoben werden, bei denen.<br />
die Gruppen auf einem hohen Punkteniveau auffällig<br />
nahe beiein<strong>and</strong>er liegen: Treffpunkt, Erholung<br />
und Lärm.<br />
Anderseits gibt es einzelne Interessengruppen, die<br />
in verschiedenen Fragen deutlich tiefer liegen als die<br />
übrigen, auch wenn die Unterschiede infolge der<br />
kleinen Stichprobenzahl nicht signifikant sind:<br />
• die «Arbeitsbevölkerung» bei den Fragen nach<br />
der Bedeutung der Erreichbarkeit? kultureller<br />
Aktivitäten und dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln<br />
und Dünger<br />
• die «Anwohner» bei der Frage, ob allergie<strong>im</strong>slösende<br />
Pflanzen gepflanzt werden sollen<br />
• die «<strong>Stadt</strong>» bei der Frage, ob eine vielseitige Struktur<br />
wichtig sei<br />
• die «Investoren» bei der Frage, ob eine Vernetzung<br />
mit dem umliegenden Grünl<strong>and</strong> wichtig sei<br />
• die «Investoren» bei der Frage nach der SiCherheit<br />
(die bei ihnen höher liegt als bei den übrigen Interessengruppen).<br />
198 UNS-Fallstudie '96
__~<br />
4. Leitbilder für den Grünraum<br />
<strong>im</strong> Teilgebiet D<br />
In der Synthesephase II wurde aus den Ergebnissen<br />
der Befragung der Prob<strong>and</strong>en <strong>im</strong> Explorationsparcours<br />
und den Kriterien aus den Teilprojekten<br />
eine Leitidee aus sieben Punkten entwickelt. Die<br />
Punkte I, II und V stützen sich dabei besonders auf<br />
die empirische Befragung der InteressenvertreterInnen,<br />
während die Punkte III und IV vorwiegend auf<br />
den erarbeiteten Kriterien der Teilprojekte basieren.<br />
Die Punkte VI und VII betreffen eher den Planungsund<br />
Realisierungsprozess und lassen sich nicht<br />
direkt aus den Teilprojekten a.bleiten.<br />
4.1 Leitidee<br />
I<br />
II<br />
III<br />
Das Wohlbefinden des einzelnen Menschen<br />
und des Menschen in der Gruppe steht bei der<br />
Freiraurngestaltung <strong>im</strong> Vordergrund.<br />
Die Struktur der Grünräume soll vielfältige<br />
Nutzungen zulassen und auch für Veränderungen<br />
~ffen sein. Dies. unterstützt das sozhde<br />
Gefüge und verhindert einseitige Nutzungen<br />
öffentlicher Räume. Die Grünräume sollen insbesondere<br />
auf die Bedürfnisse der Arbeits- und<br />
Wohnbevölkerung ausgerichtet sein, die in der<br />
Nähe lebt. Die NutzerInnen werden in die Planung<br />
der öffentlichen Grünräume einbezogen.<br />
Naturnahe Freiräume in der <strong>Stadt</strong> fördern das<br />
individuelle und soziale Wohlbefinden durch<br />
ihre Erholungsfunktion, ihren Naturerlebnis-<br />
Grünraum<br />
wert sowie durch die ausgleichende Wi.rkung<br />
auf das <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a.<br />
IV Ein stadttypisches ökologisches Gesamtgefüge<br />
bedarf einiger, weniger intensiv genutzter ürte.<br />
V Bei Gestaltungsvarianten mit annähernd gleichem<br />
Nutzen für den Menschen soll die ökologischere<br />
Variante bevorzugt werden. Bei der<br />
Gestaltung sind st<strong>and</strong>ortgerechte; einhe<strong>im</strong>ische<br />
Pflanzen zu wählen. Eine naturnahe Pflege<br />
bringt geringe Kosten mit sich und überlässt der<br />
Natur eine gewisse Eigendynarnik.<br />
VI Die Grünräume sollen nicht isoliert·geplant<br />
werden, sondern in die Infrastruktur einbezogen<br />
werden. Wichtig ist auch die sichere Erreichbarkeit.<br />
VII Die verschiedenen Grünräume sollen weder in<br />
sozialer noch in ökologischer Hinsicht isoliert<br />
sein:<br />
Wie bereits <strong>im</strong> Kap. 1.3 ZIELE dargelegt, gehen die<br />
Leitbilder davon aus, dass keine Nutzungseinschränkung<br />
durch Altlasten erfolgt. Eine wesentliche Einschränkung<br />
der Gestaltungsmöglichkeiten beispielsweise<br />
durch eine Versiegelung des Bodens, welche<br />
eine Entwicklung von gesunden Bäumen verhindern<br />
würde, hätte zur Folge, dass eine beträchtliche<br />
Anzahl der erarbeiteten Kriterien unter erschwerten<br />
Bedingungen umzusetzen wäre.<br />
In der abschliessenden Phase der Fallstudie<br />
versuchte man zu ermitteln, wie sich die Leitidee in<br />
den verschiedenen Grünraumtypen umsetzen liesse.<br />
Hierfür wurden schriftliche und gezeichnete Bilder<br />
erstellt, die aber nicht als konkrete Planungsvorschläge<br />
zu sehen sind, sondern helfen sollen, den<br />
generellen, auf der Leitidee basierenden Charakter<br />
der verschiedenen Grünräume zu<br />
erfassen. Die Graphiken wurden von<br />
einem Zeichner angefertigt, der während<br />
der Diskussion der Leitidee und<br />
den daraus abgeleiteten Leitbildern<br />
anwesend war und auf dieser Basis<br />
Skizzen zu den verschiedenen Grünraumtypen<br />
entwarf. Die Synthesegruppe<br />
GRONRAUM beurteilte diese<br />
Skizzen nach der inhaltlichen Kongruenz<br />
mit den schriftlichen Texten.<br />
Mit diesen Rückmeldungen erarbeitete<br />
der Zeichner die definitiven<br />
Zeichnungen.<br />
Abb.4.2 Der<strong>Stadt</strong>park, umgeben von Hochhäusern (Zeichnung: Thomos C. Bien).<br />
4.2 Der <strong>Stadt</strong>park<br />
Der <strong>Stadt</strong>park soll den vielfältigen<br />
Nutzungsansprüchen in einem dicht<br />
besiedelten Gebiet gerecht werden.<br />
Die vielseitige Nutzung wird durch<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
199
..<br />
Grünraum<br />
----,-__~----~----------------------------<br />
eine mosaikartige Anordnung verschiedener Flächen<br />
gewährleistet. Trotz städtisch zentraler Lage ermöglicht<br />
der Park Erholung und Ruhe und vermittelt<br />
zugleich Naturnähe.<br />
Um die Mitbest<strong>im</strong>mung der Bevölkerung zu<br />
ermöglichen, werden 'die verschiedenen Interessengruppen<br />
so früh wie möglich in die Planung miteinbezogen.<br />
Auf allfällige Verbesserungswünsche<br />
wird regelmässig eingegangen.<br />
Rund ein Drittel des Parks besteht aus einer<br />
Wiese, die von einem lichten 'Streifen aus Bäumen<br />
und Büschen umgeben ist. Dort könnten verschiedene<br />
Anlässe (z.B. Parkfest, Quartierfest) stattfinden.<br />
Die Wiese ist an einem Ende durch einen<br />
bogenförmigen Hügel begrenzt, der zum Zeitungslesen,<br />
Sonnen, Picknicken und Spielen einlädt, oder<br />
auch als Arena für kulturelle Veranstaltungen verwendet<br />
werden kann. .<br />
Die übrige Fläche wird in verschiedene, abwechslungsreiche<br />
Bereiche unterteilt. Eine Ruderalfläche<br />
steht den Kindern zumSpielen zur Verfügung. Wenn<br />
es die Altlastensituation zulässt, können die !=hundmauern<br />
der abgerissenen Gebäude darauf als Spiel~<br />
platz dienen. Interessante Naturbeobachtungen sind<br />
auf der Wasserfläche mit feuchtbiotopähnlicher<br />
Umgebung möglich. An einem Treffpunkt mit Kiosk<br />
und Feuerstelle besteht die Gelegenheit, bis am<br />
späten Abend beisammen zu sein. Nischen, die von<br />
Büschen und Bl1!men umgeben und auf dem ganzen<br />
Parkgelände verteilt sind, bieten Sitzgelegenheiten<br />
zum Lesen und zum Betrachten der umliegenden,<br />
blumenreichen Magerwiesen.<br />
Die gesamte Fläche des Parks. wird naturnah<br />
gepflegt. Daher wird - wann <strong>im</strong>mer möglich - auf<br />
den Einsatz von Düngern und Pestiziden verzichtet.<br />
Einhe<strong>im</strong>ischen und st<strong>and</strong>ortgerechten Pflanzenarten<br />
wird der Vorzug gegeben.<br />
4.3 Die Pocket Parks<br />
Die sogenanntenPocketParks sollen einerseits einem<br />
angenehmen Durchgang zwischen den Gebäuden<br />
dienen und <strong>and</strong>ererseits durch die darin enthaltene<br />
Bepflanzung und <strong>and</strong>eren Angeboten zum Verweilen<br />
oder Mittagessen einladen oder auch als Kinderspielplatz<br />
dienen.<br />
Die umliegenden hohen Häuser prägen diese<br />
Parks, durch die ein Mergel-/Kiesweg führt. Der<br />
Sonneneinfall ist stark beschränkt und nur ein Teil<br />
des Bodens wird von Sonnenstrahlen erreicht.<br />
Sitzgelegenheiten (auch grössere Steinblöcke) und<br />
ein Trockenrasen prägen die Sonnenseite. Dort können<br />
in den Ecken verschiedene Kletterpflanzen wie<br />
der Efeu gut wachsen. Die wenigen grossen Bäume<br />
die hier anzutreffen sind, haben lichtes Blattwerk.<br />
,. ..<br />
f' .<br />
4\ .....<br />
.~<br />
Abb. 4.3Pocket Parks als Durchgänge zwischen den Gebäuden und zur<br />
Nutzungfürdie AnwohnerInnen (Zeichnung: Thomas C. Bieri).<br />
Im schattigeren Bereich versickert in einer flachen<br />
Mulde das von den Dächern abgeleitete Regenwasser.<br />
Dieser kleine, seichte Teich ist von einer für<br />
Feuchtgebiete typischen Vegetation aus Halbschatten<br />
liebenden Wald- ~nd Feuchtpflanzen umr<strong>and</strong>et.<br />
Die Zugänge dieser Parks sind bewachsen und<br />
laden so Aussenstehende ein, den Park zu betreten.<br />
Ein Teil der Fläche innerhalb wird nicht <strong>im</strong> voraus<br />
geplant sondenl. kann aktuellen Bedürfnissen entsprechend<br />
genutzt werden. Je nach Anteil von EinwohnerInnen<br />
oder Arbeitsbevölkerung, die den Park<br />
aufsuchen, können verschiedene Elemente die Parkausstattung<br />
erweitern. So sind wahrscheinlich bei<br />
.hohem Wohnanteil ein S<strong>and</strong>haufen, etwas Holzmaterial<br />
oder eine Spielfläche beljebte Angebote.<br />
Falls die HauptnutzerInnen jedoch Arbeitende aus<br />
der Umgebung sind, die in ihrer Pause in den Park<br />
gehen, ist ihnen wahrscheinlich mit mehreren Sitzplätzen<br />
und eventuell einer Verpflegungsmöglichkeit<br />
besser gedient.<br />
4.4 Die verschiedenen Verkehrsflächen<br />
Die Verkehrsflächen dienen pr<strong>im</strong>är der Fortbewegung<br />
von FussgängerInnen, Rad- und AutofahrerInnen.<br />
Diese Flächen werden unter ökologischen<br />
Gesichtspunkten opt<strong>im</strong>iert.<br />
200<br />
UNS-Fallstudie '96
______________________________________---.,.<br />
Grünraum.<br />
----i.<br />
I<br />
-- ,<br />
L-<br />
I<br />
Quartierstrosse<br />
Die Strasse ist nicht von Autos dominiert. Sie ist<br />
vielmehr Spiel- und Lebensraum für Kinder und<br />
Erwachsene.<br />
Ein asphaltierter Weg mit grossflächigen Einbuchtungen<br />
wird von Autos, RollschuhfahrerInnen<br />
und <strong>and</strong>eren benutzt. Die breiten R<strong>and</strong>streifen<br />
werden von den AnwohnerInnen auf vielfältige Art<br />
genutzt und gepflegt. Niederschlagswasser wird in<br />
einem kleinen Kiesbett abgeleitet. Die Häuserfassaden<br />
sind begrünt.<br />
Abb. 4.4 Beispielfür die ökologische Gestaltung von Verkehrsflächen. Die<br />
. Vernetzungselemente habe sowohl verkehrsleitende als auch ijkologische Eigenschaften<br />
(Zeichnung: Thomas C. Bien).<br />
Strosse<br />
Die Grundlage dieses Bildes einer stark<br />
befahrenen Strasse ist das Gestaltungskonzept<br />
der Binzmühlestrasse der Synthesegruppe<br />
VERKEHR:<br />
Auf VelofahrerInnen und FussgängerInnen<br />
wird speziell Rücksicht genommen.<br />
Es gilt deshalb generell Tempo 30. Der<br />
Strassenraum ist nicht nur Verkehrsfläche,<br />
sondern auch sicherer Lebens- und Aufenthaltsraum<br />
für die Menschen.<br />
Ein mässig bewachsener Mittelstreifen<br />
aus Schottemisen mit vereinzelten Bäumen<br />
und Buschgruppen trennt die beiden<br />
Fahrbahnen für Autos und Busse von~<br />
ein<strong>and</strong>er.<br />
Die acht Meter breiten Seitenflächen<br />
bieten Platz für Fussgängerlnnen, VelofahrerInnen,<br />
Strasseneafes, Büsche, etc.<br />
Ein geteerter Weg durchzieht die Seitenfläche.<br />
Links und rechts des Weges<br />
befinden sich unregelmässig angeordnete<br />
Büsche und bewachsene Kiesflächen.<br />
Entlang den Häusern gibt es zudem<br />
Geschäftsauslagen, Strasseneafes, Verweilflächen<br />
und da und dort einen Trampelpfad.<br />
4.5 Die Flachdächer<br />
Die Flachdächer sind nicht öffentlich begehbare<br />
Flächen. Dies hat den Vorteil, dass sich die Natur<br />
ungestört entfalten kann. Denn die dort entstehenden<br />
Pflanzen und kleinen Pfützen, die einen grossen<br />
Teil .der anfallenden Niederschläge verdunsten,<br />
haben eine ausgleichende Wirkung auf das <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a.<br />
Ebenso bieten begrünte Dachflächen einen<br />
Lebensraum für Tiere wie Insekten und Vögel.<br />
Das Bodenmaterial auf· den Dächern besteht aus<br />
verschiedenen Arten, Formen und Grössen von<br />
Gesteinen, sowie aus Humus. Die Schichten werden<br />
unterschiedlich hoch aufgetragen, so dass eine Art<br />
Relief entsteht, das eine Grundlage für ein Mosaik<br />
verschiedenster Pflanzengesellschaften bildet. So<br />
Abb. 4.5 Beispielfürextensiv bepflanzte Flachdächer. Siehaben einepositive Wirkungauf<br />
das <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a (Zeichnung: T!Jomas C. Bien). .<br />
UNS-Fallstudie '.96<br />
201
Grünraum ---':--'- _<br />
wachsen auf trockenem, steinigem Untergrund eher<br />
wärmeresistente Pflanzenarten, aufHumus hingegen<br />
einhe<strong>im</strong>ische Krautpflanzen, die besonders viel<br />
Wasser verdunsten. Pflanzen haben zudem eine<br />
isolierende Wirkung und tragen zum Wärmehaushalt<br />
-der Gebäude bei.<br />
Die Pflege dieser Dächer erfordert nur einen<br />
geringen' Aufw<strong>and</strong>, da diese Flächen mehr oder<br />
weniger sich selbst überlassen werden.<br />
4.6 Auf den Plattformen<br />
Die Plattformen sind halböffentliche Räume, die in<br />
Privatbesitz, aber öffentlich zugänglich sind. Eine<br />
wichtige Voraussetzung für deren Akzeptanz und<br />
intensiven Nutzung schafft die auf individuelle<br />
Bedürfnisse abgest<strong>im</strong>mte kooperative Planung der<br />
Detailgestaltung. .<br />
Die Plattformen eignen sich besonders für soziale<br />
Kontakte, aber auch für den Rückzug durch Ruhe~<br />
suchende und je' nach Grösse der Plattform können<br />
beide Nutzungen getrennt oder auch auf derselben<br />
Fläche stattfinden. Dazu sollen einladende und<br />
interessant gestaltete Treppen die Menschen von der<br />
---'--_ _---_.<br />
Strasse herauflocke.n. Es gibt auch einen kinderwagen-<br />
und rollstuhlgerechten Aufgang.<br />
Im Laufe der Zeit können sich die Bedürfnisse der<br />
NutzerInnen verändern. Deswegen ist es wichtig,<br />
dass der Bodenbelag auf die variierenden Ansprüche<br />
hin geändert werden kann, indem er weitgehend<br />
unversiegelt bleibt. So kann z.6. feiner Kies oder<br />
S<strong>and</strong> als Unterlage von Sitzbereichen vor Cafes<br />
dienen. Ebenso sollten mobile Elemente zum Einsatz<br />
kommen, indem z.B. Wege mit Platten gelegt<br />
werden. Diese ermöglichen zudem Menschen mit<br />
Rollstühlen und Kinderwagen eine Benutzung der<br />
Plattform.<br />
Die Plattformen sollten aber auch am Abend<br />
belebt sein, was durch Bars und Restaurants, die<br />
besonders abends geöffnet sind, gefördert wird.<br />
Pergolen und einzelne .Sträucher oder Bäume<br />
bilden Nischen, die von Einzelnen als Rückzugsund<br />
Erholungsmöglichkeit genutzt werden können.<br />
Gleichzeitig dienen sie als Sichtschutz vor neugierigen<br />
Blicken aus umliegenden Gebäuden. Hüfthohe<br />
Hecken und Geländer am R<strong>and</strong>e der Plattform beugen<br />
Unfallen vor.<br />
An ürten, die wenig betreten werden, kann<br />
sich die Vegetation unbeeinflusst entwickeln. Der<br />
Mensch n<strong>im</strong>mt nur durch fördernde,<br />
naturverträgliche Pflege an diesen<br />
ürten auf die Vegetation Einfluss <br />
ein Vorgehen, das nur geringe Kosten<br />
verursacht. An vom Menschen<br />
gestalteten Plä.tzen lassen sich z.B.<br />
Blumen in Töpfen anpflanz«n.<br />
Die gesamte Vegetation auf der<br />
Plattform bietet Lebensraum für Insekten<br />
und Vögel. Das Beobachten<br />
dieser Tiere und auch die sich'mit<br />
den Jahreszeiten verändernde Vegetation<br />
ermöglicht den Menschen,<br />
die Natur auch auf der Plattform<br />
zu erleben. Eine weitere belebende<br />
Anregung der Sinne, aber auch<br />
Entspannung bietet ein plätscherndes<br />
Wasserspiel.Wasser und Pflanzen<br />
tragen zu einem angenehmen<br />
Kl<strong>im</strong>a auf der Plattform bei.<br />
Abb. 4.6 Aufden Plattformen können beispielsweise Cofes eingerichtet werden (Zeichnung: Thomos<br />
C. Biet-i).<br />
202 UNS-Fallstudie '96
________________________________________Grünraum<br />
.5. Fazit<br />
5.1 Zum normativen St<strong>and</strong>punkt<br />
der Synthese<br />
Wir haben in der Teilprojektphase bewusst drei<br />
verschiedene normative St<strong>and</strong>punkte eingenommen:<br />
den bioökologischen, den umwelthygienischen und<br />
den sozialen. Von jedem St<strong>and</strong>punkt aus entwickelten<br />
wir je ein disziplinär opt<strong>im</strong>iertes Idealbild für<br />
die Gestaltung der Grünräume <strong>im</strong> ZZN, das die jeweilige<br />
Funktion der Grünräume aufwerten sollte.<br />
Durch die Befragung der VertreterInnen der Interessengruppen<br />
gewannen wir deren normativen St<strong>and</strong>punkt<br />
hinzu.<br />
Es entst<strong>and</strong> nun die Frage nach der Rolle, die<br />
durch den/die Umweltnaturwissenschafterln eingenommen<br />
werden kann:<br />
a) Der/die ökologisch engagierte UmweltnaturwissenschafterIn<br />
Er/sie vertritt die Interessen d~r Ökologie, erstens<br />
bioökologisch auf das ZZN bezogen, zweitens global<br />
vor dem Hintergrund des Konzeptes der «Nachhaltigkeit»<br />
(vgl. Kap. 1.2 GRUNDLAGEN UND ZIELE DER<br />
SYNTHESEGRUPPE). Ökologisch engagierte UmweltnaturwissenschafterInnen<br />
sind <strong>im</strong> ZZN Akteure unter<br />
vielen.<br />
b) Der/die vermittelnde UmweltnaturwissenschafterIn<br />
Umweltnaturwis.senschafterlnnen sind Experten <strong>im</strong><br />
Lösen realer ökologischer Probleme (Frischknecht,<br />
1996). Deshalb wird innerhalb des gesellschaftlichen<br />
.Rahmens ein realisierbares Pareto-Opt<strong>im</strong>um als<br />
Lösung des Interessenkonflikts <strong>im</strong> ZZN gesucht.<br />
Hier sind die Umweltnaturwissenschafterlnnen also<br />
nicht Akteure, sondern Mediatoren in einem sozialen<br />
Verh<strong>and</strong>lungsprozess. Mediatorlnnen benötigen<br />
Wissen über den gesamten, komplexen Verh<strong>and</strong>lungsgegenst<strong>and</strong>.<br />
Sie können ihr Wissen als Infor~<br />
mation in die Verh<strong>and</strong>lungen einbringen, behalten<br />
aber <strong>im</strong>mer eine grundsätzlich «neutrale» Position.<br />
Die Rolle des/der vermittelnden, moderierenden<br />
Naturwissenschafterln wurde in den Raum-Nutzungs<br />
Verh<strong>and</strong>lungen der UNS-Fallstudien 1994 und 1995<br />
(Scholz et al., 1995, 1996) sowie in <strong>and</strong>eren Projekten<br />
(Renn, 1994b; Renn & Webler, 1992) eingenommen.<br />
Der vorliegende Ansatz<br />
Innerhalb des vorliegenden Projekts wurde bei<br />
der Formulierung der Syntheseidee die Position<br />
(b) des/der vermittelnden Umweltnaturwissenschafterln<br />
eingenommen. Da bereits ·aus der Befragung<br />
ersichtlich war, dass sich die VertreterInnen der<br />
Interessengruppen in ihren wese.ntlichenAnliegen<br />
nicht signifikant unterschieden, konnte deren St<strong>and</strong>punkt<br />
auch ohne moderierte Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen<br />
darstellt werden. Die Leitplanken zur<br />
Ausgestaltung der wichtigsten Anliegen der InteressenvertreterInnen<br />
sind vom St<strong>and</strong>punkt (a), dem<br />
des/der ökologisch engagierten UmweltnaturwissenschafterIn,<br />
formuliert.<br />
5.2 Methodendiskussion<br />
Der Hauptbest<strong>and</strong>teilder vorliegenden Untersuchung,<br />
die sozialwissenschaftliche Erhebung der<br />
Kriterienbewertung durch VertreterInnen verschiedener<br />
Interessengruppen, wurde mit einem sogenannten<br />
Explorationsparcours durchgeführt. Diese<br />
Methode beinhaltete <strong>im</strong> wesentlichen die Befragung<br />
anh<strong>and</strong> von MAUD und einen Fragebogen zur<br />
Erfassung der Bewertung einer weiteren Anzahl von<br />
Kriterien zur Grünraumgestaltung.<br />
Insgesamt .kann festgestellt werden, dass die<br />
getroffenen statistischen Signifikanzaussagen aufgrund<br />
der Fallzahl von n = 20 bei fünf Interessengruppenmit<br />
Vorsicht interpretiert werden müssen.<br />
Dass trotzdem einige der Hypothesen über Unterschiede<br />
zwischen den Interessengruppen hinsichtlich<br />
ökologischen, ökonomischen und sozialen<br />
Gestaltungskriterien (z.B. Unterschiede zwischen<br />
«Investorlnnen» und <strong>and</strong>eren Gruppen) bestätigt<br />
werden konnten, spricht für den gewählten Ansatz.<br />
Der Ansatz der multiattributiven Entscheidungstheorie<br />
geht davon aus, dass sich die Lösung komplexer<br />
Entscheidungsprobleme durch die Gewichtung<br />
von Einzelkriterien finden lässt. Dies gilt sicher<br />
für Personen, die eine eher analytische Art der<br />
Problemlösung bevorzugen (Scholz, 1987). Bei eher<br />
intuitiv entscheidenden Personen kann dieser Ansatz<br />
zu Fehlklassifikationen führen.· Ein Beispiel<br />
hierfür ist die Fokussierung nur eines Kriteriums zur<br />
Entscheidungsfindung durch zwei Personen (vgl.<br />
Kap. 3 ERGEBNISSE). Diese Problematik ist innerhalb<br />
der Untersuchung zwe<strong>im</strong>al aufgetreten.<br />
Für die Bewertung durch MAUD wurden drei<br />
soziale, zwei ökologische, zwei umwelthygienische<br />
und ein ökonomisches Kriterium ausgewählt. Die<br />
soziale Variante könnte dadurch bei der Berechnung<br />
des Gesamtnutzens der einzelnen Varianten<br />
überbewertet worden sein. Bei einer geringeren<br />
Betonung der sozialen Kriterien durch die Befragten<br />
kann jedoch auch der umgekehrte Effekt auftreten.<br />
Die soziale Variante wird hierdurch unterbewertet.<br />
Wie in vielen Untersuchungen zur Kriterienbewertung,<br />
konnten die TeilnehmerInnnen der Untersuchung<br />
nur vorgegebene Kriterien, deren Idealpunkt<br />
theoretisch abgeleitet wurde, bewerten.<br />
Durch die Vorgabe der wissenschaftlich begründeten<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
. 203
Grünraum ...:.... ~<br />
Kriterien kann man einerseits weitere Kriterien,<br />
die den Befragten wichtig sind, nicht erfassen, hat<br />
aber <strong>and</strong>ererseits die Möglichkeit, quantitativer<br />
Hypothesenprüfungen. In der vorliegenden Untersuchung<br />
waren z.B. die beiden ökologischen Kriterien<br />
Naturnähe und Artenvielfalt für einzelne Befragte<br />
schwer unterscheidbar. Zusammen könnten diese<br />
beiden Kriterien deshalb <strong>and</strong>ers gewichtet worden<br />
sein, ~ls wenn nur nach einem Kriterium Naturnah<br />
undmöglichst vielfältig gefragt worden wäre.<br />
Um genaue Aussag~n über die Reliabilität und<br />
Validität der Ergebnisse von MAUD machen zu<br />
können, sind jedoch systematische exper<strong>im</strong>entelle<br />
oder quasi-exper<strong>im</strong>entelle Analysen notwendig. Den<br />
AutorInnen sind solche Prüfungen jedoch nicht<br />
bekannt. Zum jetzigen Zeitpunkt sind Bewertungen<br />
in dieser Hinsicht spekulativ.<br />
Der Vorteileines Verfahrens wie MAUD liegt unter<br />
<strong>and</strong>erem darin, verschiedene Kriterien vergleichen<br />
zukönnen und festzulegen, welches Kriterium wichtiger<br />
erscheint. Die <strong>im</strong> Anschluss an die MAUD<br />
Untersuchung durch einen Fragebogen einzeln zu<br />
bewertenden Kriterien, wurden allesamt ähnlich<br />
hoch bewertet. Anh<strong>and</strong> dieses Fragebogens konnte<br />
also nicht zwischen der Wichtigkeit verschiedener<br />
Kriterien der Grünraumgestaltung für verschiedene<br />
Interessengruppen diskr<strong>im</strong>iniert werden. Dagegen<br />
traten bei der MAUD-Untersuchung statistisch signifikante<br />
Unterschiede hinsichtlich der Bewertung<br />
der Kriterien auf.<br />
Die Stärke der gesamten Untersuchung liegt sicher <strong>im</strong><br />
Bereich der Integration bzw. Synthese von Erkenntnissen<br />
aus verschiedenen Disziplinen. Die Entwicklung von<br />
Kriterien zur Grünraumgestaltung <strong>im</strong> <strong>Zentrum</strong> Zürich<br />
<strong>Nord</strong> wurde hierdurch interdisziplinär angegangen. VielleiCht<br />
ist gerade diese Herangehensweise ein Grund<br />
für die Ähnlichkeit der Kriterienbewertung durch<br />
die verschiedenen Interessengruppen, Auf Seiten<br />
der Methoden ist zu erwähnen, dass es wenige Feldstudien<br />
<strong>im</strong> Bereich der ~ngew<strong>and</strong>te~· Freiraumplanung<br />
gibt, die ähnlich breit abgestützte sozialwissenschaftliche<br />
Erhebungsmethoden angew<strong>and</strong>t<br />
haben, um Interessen' von NutzerInnen in die Planung<br />
einzubeziehen.<br />
5.3 Ergebnisdiskussion<br />
Der Kriterien- undMassnahmenkatalog zur Gestaltung<br />
des Grünraumes <strong>im</strong> ZZN wurde aus Literatur zu<br />
den Bereichen Ökologie, Umwelthygiene und den<br />
Sozialwissenschaften erstellt. Dieser Katalog kann<br />
für zukünftige Ausschreibungen als Grundlage<br />
dienen. Hierbei wurde darauf geachtet, dass sich die<br />
Kriterien aus den verschiedenen Bereichen nicht<br />
widersprechen. Im Rahmen einer Konsistenzanalyse<br />
wurde deutlich, dass mehr getan werden muss als<br />
einfach die verschiedenen Kriterien nebenein<strong>and</strong>er<br />
aufzulisten. Gerade Kriterien der Bereiche Ökologie<br />
und Soziales widersprechen sich möglicherweise. In<br />
letzter Konsequenz kann es beispielsweise aus ökologischen<br />
Gründen sinnvoll sein, die menschliche<br />
Nutzung best<strong>im</strong>mter Grünräume zu verhindern. Jedoch<br />
kommen diese Grünräume dann nicht der<br />
menschlichen Nutzung zugute.<br />
Bei der Befragung der Interessengruppen wurde<br />
jedoch deutlich, dass aus der Sicht der Interessengruppen<br />
Grünräume in erster Linie den Menschen zugute<br />
kommen sollen. Ökologische Kriterien treten bei der<br />
freien Meinungsäusserung zunächst in den Hintergrund.<br />
Aufgrund visueller Wahrnehmungen gewinnt der Faktor<br />
Ökologie stark an Bedeutung. In der «ganzheitlichen»<br />
Betrachtung. der Diashow wurde die Ökologievariante<br />
bevorzugt. Dies ändert sich jedoch durch ein<br />
eher analytisches Herangehen an diese Varianten. Da die<br />
Ökologicvariante - wie oben erwähnt - einige Kf.iterien<br />
enthält, die die menschliche Nutzung des Grünraums<br />
einschränken und die <strong>and</strong>eren Varianten hinsichtlich ökologischen<br />
Kriterien nur unwesentlich hinter der Ökologievariante<br />
abfallen, wird jetzt die Sozialvariante bevorzugt.<br />
Diese ambivalente Haltung wird auch durch die<br />
starke Gewichtung der Kriterien Naturnähe und<br />
Mitbest<strong>im</strong>mung deutlich. Beide Kriterien sind für<br />
Grünräume erwünscht. Denkbar für die Gestaltung<br />
der Grünräume ist die Zusammenarbeit 'zwischen<br />
ÖkologieexpertInnen und NutzerInnen.<br />
Die befragten Investorlnnen bewerten die Kriterien<br />
<strong>and</strong>ers als die restlichen Interessengruppen. Für sie sind<br />
die Unterhaltskosten, die der Grünraum verursacht,<br />
wichtiger und das Kriterium Mitbest<strong>im</strong>mung bei der<br />
Gestaltung des Grünraums unwichtiger als den<br />
<strong>and</strong>eren Gruppen. Es stehen also Kostenaspekte<br />
<strong>im</strong> Vordergrund. Die Nutzung des Grünraums ist für<br />
die «InvestorInnen» weniger von Interesse. Insgesamt<br />
sind die Interessengruppen jedoch hinsichtlich der Bewertung<br />
der verschiedenen Grünraumvarianten relativ homogen.<br />
Grössere Konflikte sind hier nicht zu erwarten.<br />
Dieses Ergebnis zeigt jedoch, wie wichtig es auch<br />
bei der ökologischen Gestaltung von Grünräumen ist, die<br />
Kostenfrage mit einzubeziehen. Sie kann ja sogar ein<br />
Argument für die ökologische Gestaltung sein, da<br />
solche Grünraumtypen relativ kostengünstig sind.<br />
Ähnliche Überlegungen sollten auch für soziale Kri-<br />
. terien wie die Mitbest<strong>im</strong>mung durch NutzerInnen<br />
angestellt werden. Vielleicht können ja durch die<br />
Übernahme von Verantwortung durch NutzerInnen<br />
auch Pflegekosten eingespart Werden.<br />
Das Leitbild für die Grünräume <strong>im</strong> ZZN lässt sich<br />
durch folgende Kriterien charakterisieren:<br />
• Das Wohlbefinden des Menschen steht <strong>im</strong> Vordergrund.<br />
204<br />
UNS-Fallstudie '96
________~ ~<br />
_'_<br />
~<br />
Grünraum<br />
• Grünräume sollen vielfältige Nutzul1gen zulassen<br />
und auch für Veränderungen offen sein.<br />
• Naturnahe Freiräume in der <strong>Stadt</strong> fördern das<br />
Wohlbefinden durch ihre Erholungsfunktion, ihren<br />
Naturerlebniswert sowie durch die ausgleichende<br />
Wirkung auf das <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a.<br />
• Ein stadttypisches ökologisches Gesamtgefüge bedarf<br />
einiger, weniger intensiv genutzter Orte.<br />
• Bei Gestaltungsvarianten mit annähernd gleichem<br />
Nutzen für den Menschen soll die ökologischere<br />
Variante bevorzugt werden.<br />
• Die Grünräume sollen nicht isoliert geplant werden, '<br />
sondern in die Infrastruktur einbezogen werden.<br />
• Die verschiedenen Grünräume sollen weder in<br />
sozialer noch in ökologischer Hinsicht isoliert sein.<br />
Durch diese Kriterien wird der integrativeAnsatz<br />
des durchgeführten Projekts deutlich. Es wird hier<br />
versucht, die Kriterien pareto-opt<strong>im</strong>al zu gestalten.<br />
Die Bereiche Ökologie, Soziales und Umwelthygiene<br />
sollen also soweit opt<strong>im</strong>iert werden, bis kein Bereich<br />
etwas hinzugewinnen kann, ohne dass ein <strong>and</strong>erer<br />
Bereich etwas verliert.<br />
5.4 Nutzen der Arbeit der Synthesegruppe<br />
GRÜNRAUM<br />
Neben ihrem Nutzen als Lehrveranstaltung soll die<br />
Fallstudie einen wissenschaftlichen Nutzen und<br />
einen Anwendupgsbezug (praktischer Nutzen) aufweisen.<br />
Praktischer Nutzen: Auf Anregung des Gartenbauamtes<br />
der <strong>Stadt</strong> Zürich wurde ein Leitbild erarbeitet,<br />
das als Grundlage für Ausschreibungen für die Grünraumgestaltung<br />
<strong>im</strong> ZZN dienen kann. Es bleibt<br />
zu hoffen, dass, die erarbeiteten Ergebnisse und<br />
«Bilder" den Vorstellungen des' Gartenbauamtes gerecht<br />
werden und tatsächlich als Grundlage dieser<br />
Ausschreib\lngen veJ,Wendet werden können.<br />
Wissenschaftlicher Nutzen: Der gewählte Weg - die<br />
Entwicklung eines Leitbildes auf der Grundlage<br />
einer sozialwissenschaftlichen Befragung von Interessengruppen<br />
und einer umweltnaturwissenschaftlichen<br />
Kriterienliste- stellt für diese Art von Planung<br />
Neul<strong>and</strong> dar. Aufbauend auf diesem Ansatz<br />
sollte als näch~ter Schritt eine nochmalige Bewertung<br />
des Leitbildes durch die InteressenvertreterInnen<br />
erfolgen.<br />
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UNS-Fallstudie '96<br />
205
Grünraum<br />
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206 UNS-Fallstudie '96
AltlastelJbearbeitulJB <strong>im</strong>· ZZN<br />
I<br />
Inhalt<br />
1. Einleitung<br />
2. Grundlagen<br />
3. Die Syntbese<br />
4. Scblussbemerkungen<br />
209<br />
212<br />
228<br />
242<br />
Autor/n"en<br />
jörg Cahenzli<br />
Susanne U1bricb<br />
Armin Heitzer (Tutor)<br />
Ruedi Schwarzenbacb (Tutor)<br />
Aufbauend aufden Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe (Synthesegruppe ALTLASTEN)<br />
Nadine Braucbli .rene Lenggenbager Barbara Sintzel<br />
jörg Cabenzli Micbael Rist Markus Stutz<br />
Urban Frei Annette Rust Susanne U1bricb<br />
Rol<strong>and</strong> Friedli Daniel Seiler Adrian Wiedmer<br />
Daniel Halder Rol<strong>and</strong> Steinmann Pia Würscb<br />
BettinaHess Marcus Sialm Oliver Zenklusen<br />
Martin Kayser Tobias Siegfried· Markus Berli ('!'Utor)<br />
Armin Heltzer (Tutor)<br />
Stefan Miscbke (Tutor)<br />
Ruedi Schwarzenbacb (Tutor)<br />
jÜfg Stäuble (Tutor)
AÜlasten<br />
-,-_<br />
208 UNS-Fallstudie '96
___________________-:----'-__--'-<br />
Altlasten<br />
1. Einführung<br />
1.1 Ausgangslage<br />
.Auf dem Areal <strong>Zentrum</strong> ZÜrich <strong>Nord</strong> (ZZN) bestehen<br />
verschiedene Altlastenverdachtsflächen. Bei<br />
Verdachtsflächen h<strong>and</strong>elt es sich um vermutete, aber<br />
noch nicht nachgewiesene, mit Schadstoffen belastete<br />
St<strong>and</strong>orte, die zu schädlichen oder lästigen Einwirkungen<br />
auf die Umwelt führen können (AGW,<br />
1993). Heute prägen Industriebauten und Industriebrachen<br />
sowie zu einem kleineren Teil auch Schrebergärten,<br />
Mehr- und Einfamilienhäuser das Gebiet.<br />
Laut Entwicklungsleitbild (Ruoss & Siress, 1994;<br />
vgI. Kap. DER FALL) soll eine Mischnutzung des<br />
Areals angestrebt werden, die ein Mitein<strong>and</strong>er von<br />
Industrie, Dienstleistung und Wohnen mit der entsprechenden<br />
Lebensqualität erlaubt. Die Altlastenproblematik<br />
stellt somit eine wichtige Rahmenbedingungen<br />
für die Realisierung des «Entwicklungsleitbildes»<br />
dar.<br />
Die Bearbeitung der Altlastenproblematik erfolgte<br />
in der UNS-Fallstudie '96 «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>»<br />
ausschliesslich auf dem Areal Stierenried. Dies, weil<br />
für dieses Gebiet bereits umfassende Untersuchungen<br />
vorlagen.<br />
Heute wird <strong>im</strong> Stierenried bereits gebaut. Eine der<br />
Grundeigentümerlnnen <strong>im</strong> ZZN, die Asea Brown<br />
Boveri AG, vertreten durch die ABB Immobilien AG,<br />
Baden, fasst ihre Aktivitäten (Produktion, Forschung,<br />
Engineering) <strong>im</strong> Rahmen der Umnutzungen <strong>im</strong><br />
Teilgebiet A, dem Stierenried, zusammen.. Erstellt<br />
werden ein Engineering-Gebäude TaRO I, in dem<br />
die· Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zusammengefasst<br />
werden sollen, und eine Fabrikationshalle<br />
TaRO 11.<br />
1988 nahm das kantonale Amt für Gewässerschutz<br />
und Wasserbau (AGW) zum ersten Mal Kontakt mit<br />
der ABB Immobilien AG auf. Damals teilte das AGW<br />
der ABB mit, dass auf ihrem Areal ein Altlastenverdacht<br />
bestehe. 1994 beschloss die ABB, aufdem<br />
Areal Stierenried das Projekt TaRO I und 11 zu realisieren.<br />
Über das Ausrnass der Altlast war man sich<br />
damals noch nicht <strong>im</strong> klaren. Für genauere Untersuchungen<br />
wurde ein geologisches Büro mit der<br />
Altlastenbearbeitung beauftragt.<br />
Bereits Ende 1994 verfügte das AGW, dass die<br />
Altlast, bei welcher es sich vorwiegend um Altablagerungen<br />
industrieller Herku·nft h<strong>and</strong>elte, nicht<br />
gesamthaft dekontaminiert werden müsse. Der Entscheid<br />
für eine Sicherung dieser eigentlichen Deponie<br />
wurde. am 23. Januar 1995 definitiv gefallt. Die<br />
Deponie Stierenried soll in Zukunft durch eine<br />
Oberflächenabdichtung und Drainagen zur Fixierung<br />
des Grundwasserspiegels trocken gehalten und<br />
somit gesichert werden. Verhältnismässigkeits- und<br />
gesamtökologische Überlegungen waren nach Aussagen<br />
der Gutachter Gründe für diesen Entscheid.<br />
1.2 Fragestellungen und Zielsetzung<br />
Die Altlast auf dem Stierenried stellt eine wichtige<br />
Rahmenbedingung für das auf dem Areal stattfindende<br />
«Flächenrecycling» dar. Brachliegende<br />
Flächen werden dabei neu genutzt, <strong>and</strong>ere werden<br />
dadurch frei. Nachdem der Entscheid für eine<br />
Sicherungsmassnahme bereits erfolgt ist, stellt sich die<br />
Frage nach der Opt<strong>im</strong>ierung·der Altlastenbearbeitung<br />
bei derartigen Vorhaben. Auch die Frage nach<br />
den angestrebten Zielen bei einer Altlastenbearbeitung<br />
und den dazu zu betrachtenden Aspekten und<br />
Kriterien ist nicht abschliessend geklärt. Als übergeordnete<br />
Fragestellung wurde in der Synthesegruppe<br />
folgender Arbeitstitel gewählt:<br />
Diese Fragestellung bedingte die Bearbeitung der<br />
Altlastenproblematik auf verschiedenen Ebenen.<br />
1. Beurteilung von verschiedenen Sanierungsvarianten<br />
Hier sollte untersucht werden, welche Sanierungsverfahren<br />
für die Deponie Stierenried in Frage kom- .<br />
men. Dazu waren ein gründliches Verständnis des<br />
Falls sowie Kenntnisse über die technischen Möglichkeiten<br />
und Kosten der einzelnen Sanierungsverfahren<br />
notwendig.<br />
Dieser Teil der Synthese sollte Wege aufzeigen,<br />
wie Sanierungsvarianten bewertet werden könnten.<br />
Als Voraussetzung dafür wurden Begriffe wie «Verhältnismässigkeit»<br />
und «Nachhaltigkeit» analysiert.<br />
2.Altlosten in einem sich verändernden Umfeld<br />
Die Geschichte der Deponie Stierenried erfasste die<br />
zeitliche D<strong>im</strong>ension dieses Altlastenproblems und<br />
lieferte Ansätze, wie die Entstehung neuer Altlasten<br />
vermieden werden könnte.<br />
Prognosen über die Zukunft der Altlast Stierenried<br />
wurden <strong>im</strong> .zusammenhang mit veränderten Rahmenbedingungen<br />
erstellt. Dies beinhaltet auch<br />
Aussagen darüber, was die Deponie Stierenried in<br />
Zukunft für das ehemalige Industrieareal ZZN und<br />
seine weitere Nutzung bedeuten wird.<br />
3. Opt<strong>im</strong>ierung der Entscheidungsfindung<br />
Für eine effizientere Bearbeitung von Altlastenfällen<br />
kann auch die Zusammenarbeit unter den Betroffenen<br />
opt<strong>im</strong>iert werden. Das Aufzeigen von Inter-<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
209
Altlasten --- _<br />
essen- und Verfahrenskonflikten diente als Basis für<br />
einen Entwurf eines «effizienten Entscheidungsmanagements<br />
von Altlastenfallen~). Diese Anregungen<br />
betreffen Verfahrensabläufe 'innerhalb von<br />
Ämtern sowie zwischen Amt und Bauherr.<br />
Aufgrund von Protokollanalysen der zurückliegenden<br />
Altlastenverh<strong>and</strong>lungen zum Fall Stierenried,<br />
Interviews mit den beteiligten Akteuren und der<br />
Auswertung eines Planspiels sind Vorschläge erarbeitet<br />
worden, um den Prozess der Entscheidungsfindung<br />
zu opt<strong>im</strong>ieren. Im Rahmen des. Planspieles<br />
wurde der Verh<strong>and</strong>lungsprozess mit fachkompetenten<br />
Hochschulassistenten s<strong>im</strong>uliert.<br />
Mit dem Bewertungsrasterfür die Auswahl von<br />
Sanierungsvarianten und dem Verfahrensvorschlag<br />
,zur' Einbeziehung zukünftiger Entwicklungen auf<br />
heutige Entscheitlungen wollten wir Behörden und<br />
Bearbeitungsbüros ansprechen. Die Thesen zur<br />
Opt<strong>im</strong>ierung der Altlastenbearbeitung könnten für<br />
BesitzerInnen' altlastenverdächtiger Grundstücke<br />
und Bauherren, die auf ihrem Grundstück unerwarteterweise<br />
eine Altlast entdeckt haben, von Interesse<br />
sein.<br />
1.3 SyntlJesekonzept lind VorgelJensweise<br />
Das Vorgehen der Gruppe wurde auf die Untersuchung<br />
der Entscheidungsprozesse <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit der Altlastenproblematik des Stierenrieds<br />
ausgerichtet. Dabei wurden zuerst die Entscheidungsgrundlagen<br />
wie die stoffliche Situation, die<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen, die mö~lichen<br />
Sanierungsalternativen und die Rollen der' Akt~ure<br />
untersucht.<br />
Für die Zusammenführung dieser Grundlagen<br />
wurde ein eigenes Synthesekonzept (siehe Abb.<br />
1.3.1) entwickelt. Ausgehend von einer Fallanalyse<br />
anh<strong>and</strong> bestehender Datengrundlagen wurden dabei<br />
verschiedene Sanierungsalternativen verglichen und<br />
bewertet. Dies entspricht einem Vorgehen analog<br />
zum Risikoh<strong>and</strong>lungsmodell (Scholz et al., 1996a).<br />
Konkret wurde versucht, verschiedene Möglichkeiten<br />
dei Sanierung des Stierenrie4s so zu bewerten,<br />
dass auch zukünftige Entwicklungen der Rahmenbedingungen<br />
in die Überlegungen einbezogen wurden.<br />
Um die Bewertung aus einer längerfristigen<br />
Perspektive vorzunehmen, wurde versucht, 'die<br />
'Unsicherheiten zukünftiger Entwicklungen in sogenannten<br />
Zukunftsbildernzu erfassen. Die Zukunftsbilder<br />
umfassen die qualitative Beschreibung eines<br />
möglichen Zukunftszust<strong>and</strong>es und des Weges zu diesen<br />
Zuständen. Die Bewertung erfolgte dann aus der<br />
Perspektive dieser Zukunftsbilder.. Das' Vorgehen<br />
der Erfassung von möglichen Zukunftszuständel1: in<br />
Zukunftsbildern lehnt sich eng an die Szenarioanalyse<br />
an, stelltjedoch <strong>im</strong> Gegensatz zur formativen<br />
Szenarioanalyse ein rein qualitatives Vorgehen dar.<br />
Die eigentliche Bewertung der Sanierungsvarianten<br />
wurde auf die multiattributive Entscheidungstheorie<br />
abgestützt (vgl.' Kasten 2.2 <strong>im</strong> Kap. GRONRAUM).<br />
Zur Strukturierung der Bewertungsvorgängewurde<br />
ein computergestütztes Entscheidungshilfesystem<br />
(Logica/ Decisions) verwendet.<br />
Das gewählte Synthesemodell lässt sich auch als<br />
eine Form des Brunswikschen Linsenmodells<br />
(Scholz et aI., 1996b) begreifen (siehe Abb. 1.3.2).<br />
Ausgehend von einer Charakterisierung des Falls<br />
und der möglichen H<strong>and</strong>lungsalternativen wird aus<br />
der Perspektive dreier Zukunftsbilder (SI bis S3)<br />
eine Bewertung durchgeführt und die Bewertungen<br />
anschliessend verglichen.<br />
Nach der Zieldefinition wurden vier Gruppen<br />
gebildet, die während den fünf Wochen der 2. Fallstudienphase<br />
(sog. «Teilprojektphase») folgende<br />
Teilprojekte bearbeiteten:<br />
Das Teilprojekt STOFFLICHE VERGANGENHEIT,<br />
GE-,<br />
GENWART UND ZUKUNFT DER ALTLAST STIEREN/lIED<br />
erstellte mit Hilfe der vorliegenden Untersuchungsberichte<br />
der Altlast Stierenried (Jäckli, 1995a und<br />
1995b; Link, 1995) Unterlagen zur Charakterisierung<br />
Sanierungsvarianten<br />
Bewertung der Varianten unter den<br />
verschiedenen ZUkunftsblIdem<br />
Vergleich der verschiedenen<br />
Bewertungen<br />
Charakterisierung<br />
des Falls und der<br />
Sanierungsvarianten<br />
Sanierungsvarianten z. B.:<br />
• Nullvariante<br />
• SicherungJKonservierung<br />
• Teilsanierung<br />
• Totalsanierung!<br />
Dekontamination<br />
Wirtschaft<br />
Gesellschaft<br />
Ökologie<br />
Technik "<br />
GeselzelPolnik<br />
Bewertung der Varianten<br />
unter Zukunftsbild 1<br />
Bewertung der Varianten<br />
unter Zukunftsbild 2<br />
Bewertung der Varianten<br />
unter Zukunftsbild 3<br />
Abb. 1.3.1 Vorgehen: Anh<strong>and</strong>von<br />
Zukunftsbildern<br />
wurden die Varianten bewertet<br />
und die verschiede:<br />
nen Bewertungen unterein<strong>and</strong>er<br />
verglichen.<br />
210<br />
UNS-Fallstudie '96
~ --,- Altlasten<br />
Charakterisierung des<br />
Falls und der Sanierungsmassnahmen<br />
Bewertung der Sanierungsvarianten<br />
und Vergleich der<br />
Bewertungen<br />
Abb. 1.3.2 Analogie des gewählten<br />
Synt!lesekonzepts zum Brunswiksc!len<br />
Linsenmodell. Von einer Fall- und<br />
Massna!lmenbesc!lreibung werden die<br />
Mossna!lmen unter versc!liedenen Zukunftsbilderu<br />
bewertet und dadurc!l<br />
versuc!lt,.eine langfristige Perspektive<br />
einzune!lmen.<br />
der Altlast in ihrer historischen, technischen, stofflichen<br />
und räumlich-zeitlichen D<strong>im</strong>ension. Dabei<br />
wurden die Grundlagen für die weitere Synthesearbeit<br />
erstellt.<br />
Im Teilprojekt SANIERUNGS- UND. SICHERVNGS<br />
VARIANTEN IM ZZNwurden mögliche Massnahmenfür<br />
die Sanierung oder Sicherung der Altlast Stierenried<br />
erarbeitet. Nach einer Einarbeitung in die Sanierungstechnik<br />
und in die Methoden zur Auswahl<br />
von Sanierungsverfahren wurden einige sinnvoll<br />
erscheinende Massnahmen ausgewählt. In einem<br />
2. Schritt wurden diese genauer beschrieben. Die<br />
Ergebnisse beruhen auf Literaturarbeit, Dokumentenanalysen<br />
und einer qualitativen Bewertung der<br />
Sanierungsvariantenanh<strong>and</strong> eines von diesem Teilprojekt<br />
erstellten Kriterienkatalogs.<br />
Die Hauptaufgabe des Teilprojektes DIE GESETZE<br />
UND IHRE WIRKUNG AUF DIE ALTLAST IM ZZN best<strong>and</strong><br />
in der Aufarbeitung der' relevanten rechtlichen<br />
Grundlagen. Schwerpunkte waren dabei die gesetzlichen<br />
Grundlagen auf kantonaler wie auch auf<br />
Bundesebene, die Ziele der Altlastenbearbeitung<br />
, <strong>im</strong> K~nton Zürich, rechtliche Fragen der Haftung<br />
sowie die Klärung der Begriffe «verhältnismässig»<br />
und «wirtschaftlich tragbar». In'der Bearbeitung<br />
auftauchende Gesetzeslücken wurden zusammengetragen.<br />
Die Betrachtung der Wirkungspfadeund<br />
Schutzgüter <strong>im</strong> Stierenried war eine weitere Grundlage<br />
zur vergleichenden Bewertung der Massnahmen<br />
in der Synthesephase.<br />
Das vierte Teilprojekt ENTSCHEIDUNGSMANAGEMENT<br />
IN DER ALTLASTENBEARBEITUNG leistete einen Beitrag,<br />
die Altlastenproblematik <strong>im</strong> Stierenried aus Sicht der<br />
Betroffenen besser zu verstehen. Dazu wurden die<br />
wichtigsten Akteure identifiziert sowie Abläufe und<br />
Charakteristika der Entscheidungsfindung unter-,<br />
sucht. In einem weiteren Schritt wurden altlastentypische<br />
Konflikte identifiziert und analysiert. Aus<br />
diesen Grundlagen wurden Thesen zu einem opt<strong>im</strong>alen<br />
Entscheidungsmanagement entwickelt. Die<br />
Arbeit basierte <strong>im</strong> wesentlichen auf der Analyse<br />
von Sitzungsprotokollen, Interviews mit Akteuren<br />
und einem Planspiel.<br />
Ansc;:hliessend wurden die in der Teilprojektphase<br />
evaluierten Sanierungsvarianten bewerret (siehe<br />
Abb. 1.3.1). Zu diesen zählten die Sicherung mittels<br />
Obetflächenabdichtung, die Hydraulische in situ Sanierung,<br />
die Bodenwäsche und die sog. Nullvariante. Bei<br />
der Erarbeitung der Bewertungskriterien stützte sich<br />
die Synthese auf ,ein mögliches Bewertungsraster,<br />
um die Varianten anh<strong>and</strong> der Diskrepanze"n zwischen<br />
Zielen,(z.B. 'Grenzwerten) und den Eigenschaften<br />
von Lösungen (z.B. erreichbaren Werten) zu 'ver~<br />
gleichen und zu bewerten. Um die Altlast in einem<br />
sich ändernden Umfeld zu beh<strong>and</strong>eln, wurden parallel<br />
dazu drei Zukunftsbilder entwickelt, auf deren<br />
Grundlage die Tauglichkeit der vier Sanierungsvarianten<br />
in den nächsten 70 Jahren beurteilt werden,<br />
konnte. Die Zukunftsbilder dienten dazu, die Bewertung<br />
aus der Sicht möglicher Zukunftszustände<br />
vorzunehmen. Der Bewertungsschritt wurde mit<br />
Hilfe des Computerprogramms Logical Decisions<br />
(Smith, 1995) vorgenommen. Abschliessend wurden<br />
die Bewertungen bezüglich ihrer Bewertungsstruktur<br />
verglichen. '<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
211
Altlasten .,..- _<br />
2. .Grundlagen<br />
Altlasten sind mit Schadstoffen belastete St<strong>and</strong>orte<br />
von Ablagerungen, Anlagen und Unfallen, für die<br />
nachgewiesen ist, dass sie zu schädlichen oder lästigen<br />
Einwirkungen auf die Umwelt führen oder bei<br />
denen die Gefahr besteht, dass solche Einwirkungen<br />
entstehen (BUWAL, 1995). Altlasten werden begrifflich<br />
oft in Altst<strong>and</strong>orte und Altablagerungen unterteilt.<br />
Bei Altst<strong>and</strong>orten h<strong>and</strong>elt es sich um alte Industrieoder<br />
auch Bergwerkst<strong>and</strong>orte, während Altablagerungen<br />
geordnete oder ungeordnete Deponien von<br />
Industrie, Gewerbe- oder Siedlungsabfällen umfassen<br />
können (Bank, 1993). Zu einer Altlast gehören<br />
auch die sich an diesen St<strong>and</strong>orten befindlichen,<br />
mit Schadstoffen belasteten Feststoffe wie Bausubstanz,<br />
Boden und Untergrund (BUWAL, 1995).<br />
Übersichten zur Altlastensituation sowie zu Zielsetzungen<br />
und Vorgehen bei der Altlastenbearbeitung<br />
in der Schweiz und <strong>im</strong> Kanton Zürich finden sich in<br />
BUWAL (1,994) und AGW (1993). Eine neuere allgemeine<br />
Übersicht zur Altlastensituation in Deutschl<strong>and</strong><br />
findet sich in RSU (1995).<br />
2.1<br />
Altlastenbezogene Arealgeschichte<br />
Die nachfolgenden Ausführungen zur Arealgeschichte<br />
basieren auf den Ausführungen in Jäckli (1995a).<br />
Für eine ausführliche Darstellung der Arealgeschichte<br />
vgl. Kap. DER FALL<br />
Abb. 2.1.2 Skizze zurAblagerungsweise.<br />
Abb. 2.1.1 Heute wertlen nach tlem Aushub 4er Altablagerungentlie verschietlenen Fraktionen tlirekt auf<br />
tier Baustelle voneinantlergetrennt. Zut/em wert/en recyclierbare ot/er verwertbare unt/ brennbare Materialien<br />
aussortiert (BiM: Michael Meier).<br />
Deponie<br />
Die 1886 gegründete MaschinenJabrik Oer/ikon<br />
(MFO) kaufte zwischen 1914 und 1919 das Gebiet<br />
Stierenried zur Erweiterung ihres Industrieareals.<br />
Nachdem anfänglich auf dem Areal für die eigene<br />
Gasproduktion noch Torf abgestochen worden war,<br />
wurde das Riedl<strong>and</strong> nach Ende des ersten Weltkrieges<br />
sukzessive aufgefüllt (Abb. 2.1.2). Zur Ablagerung<br />
gelangten v.a. Produktionsabfalle, d.h. Giessereis<strong>and</strong>e,<br />
Schlacken, Metallreste, Isolationsmaterial,<br />
etc. Das Areal Stierenried wurde als «firmeneigene<br />
,Grossdeponie» verwendet, bis 1965 die umfangreichen<br />
Ablagerungen eingestellt wurden.<br />
Zwischen 1920 und 1982 wurden auf der Deponie<br />
verschiedene Produktionsgebäude, Prüfanlagen und<br />
Lagerhallen gebaut. Diese verursachten durch den<br />
Bau und Betrieb eine Verunreinigung der Bausubstanz<br />
und des Untergrundes u.a. mit Kohlenwasserstoffen<br />
(KW), Polyzyklischen aromatischen<br />
Kohlenwasserstoffen (PAK), chlorierten Kohlenwasserstoffen<br />
aus Lösungsmitteln (CKW), Polychlo-<br />
. rierten Biphenylen (PCB),<br />
Phenolen und Asbest.<br />
Es ist anzunehmen, dass<br />
von allen Produktionsstufen<br />
<strong>im</strong> Laufe der Jahrzehnte<br />
Abfalle auf der Deponie<br />
Stierenried abgelagert wurden.<br />
Die Mengen einzelner<br />
Abfallgattungen sind durch<br />
geschichtliche Rekonstruktionen<br />
nicht mehr lokalisierbar.<br />
Die historischen<br />
Nachforschungen lassen jedoch<br />
die Vermutung zu,<br />
dass die Deponie Stierenried<br />
zu 80% aus Abfallen der<br />
Graugussherstellung besteht.<br />
Bei den restlichen<br />
20% h<strong>and</strong>elt es sich um bedingt<br />
brennbare Abfalle<br />
wie lackisoliertes Kupfer,<br />
nicht brennbare Fabrikabfalle<br />
wie Isolatoren und<br />
Metalllegierungen, Bauschutt<br />
und Gartenabfalle.<br />
212 UNS-Fallstudie '96
-- ------------Altlasten<br />
2.2 Die Altlast, eine Übersicht<br />
2.2.1 Inventar der Deponie<br />
Das gesamte Deponievolumen auf dem Areal<br />
Stierenried wird auf 350'000m 3 geschätzt, wovon<br />
ca.. 180'000 m 3 <strong>im</strong> Projektgebiet des TaRO I und<br />
TaRO II liegen (Jäckli, 1995a; vgl. a. Abb. 2.2.1.2).<br />
Der {\nalyse.der verschiedenen Sanierungsvarianten<br />
legen wir ein Volumen von 180'000 m 3 zugrunde.<br />
Die durchgeführten Sondierungen konnten die<br />
Vermutung bestätigen, dass der Aufbau der Auffüllung<br />
aufgrund der Ablagerungsweise sehr heterogen<br />
ist. Die Mächtigkeit der Auffüllung beträgt generell<br />
3-4 m, an vereinzelten Stellen auch bis zu 6 m. Das<br />
Auffüllmaterial besteht aus Produktionsabfällen der<br />
ehemaligen MFO wie Schlacke, Giessereis<strong>and</strong>,<br />
Plastik, Porzellanteilen, Kunstharz, Draht, allerlei<br />
Metallteilen, vermischt mit Abbruchmatvrial, d.h.<br />
Ziegelsteinen, Betonbruchstücken, Glas und Holz.<br />
Es wurden auch Autoreifen, Textilreste und Grasreste<br />
gefunden. Diese deuten darauf hin, dass auch<br />
Hauskehricht und Grünabfälle abgelagert worden<br />
sind.<br />
Zur Abschätzung der Gesamtmenge an Schadstoffen<br />
in der Deponie wurden die verschiedenen<br />
Proben analysiert und die Konzentrationen mit Hilfe<br />
des geschätzten Deponievolt<strong>im</strong>ens auf das Projektgebiet<br />
hochgerechnet (Link, 1995). .J)ie Ble<strong>im</strong>enge<br />
wurde in der Deponie auf 57 Tomien geschätzt, die<br />
Belastung durch Zinn auf 17 Tonnen. Es wird angenommen,<br />
dass sich 14 Tonnen Nickel und 19b Tonnen<br />
Kohlenwasserstoffe <strong>im</strong> Projektgebiet des TaRO<br />
befinden. In Tab. 2.2.1 (siehe<br />
nächste Seite) werden die<br />
Schadstoffe angeführt, bei<br />
denen ein Teil der Proben die<br />
Richt- oder Grenzwerte überschreiten.<br />
Die· Detailuntersuchungen<br />
zeigten, dass das Deponiematerial<br />
in einigen Proben<br />
hohe Gehalte an Metallen<br />
und organischen Verbindungen<br />
(KW, PAK) aufweist.<br />
==-F----<br />
A<br />
TaRO 11<br />
Projektareal «Stierenried.<br />
_-----1<br />
=----- .. I<br />
nstrasse _ ~<br />
Neunbrunne<br />
__- . . I<br />
-<br />
TaRO I<br />
-<br />
G><br />
f---<br />
'"<br />
f---<br />
~<br />
üi<br />
f---- .
Altlasten ~_'_ _<br />
Stoff<br />
geschätzte Menge<br />
(tl<br />
mittlere Konzentration<br />
(mg/kgTSI<br />
Richt-oder Grenz~<br />
wert für Inertstoffqualität<br />
(mg/kgTSI<br />
Anteil der Messwerte<br />
über dem'<br />
Richtwert<br />
Kommentar<br />
Arsen<br />
Kupfer<br />
Quecksilber<br />
Zink<br />
4<br />
390<br />
175<br />
190<br />
14<br />
0.24<br />
11<br />
1083<br />
500<br />
38% Interventionswert:<br />
2000mg/kg;<br />
ökotoxisch poten-<br />
.................. . ~ierende Wirkung<br />
0.7<br />
2<br />
10% Interventionswert:<br />
486<br />
528<br />
39<br />
1000<br />
500<br />
10<br />
Interventionswert:<br />
......................................................................................................................................s.~IJ.lWJ
-'---------------,------- ----~------- Altlasten<br />
ZuF<br />
68'000 -'-181'000<br />
Abb. 2.2.2.2 Schätzung der Sicker- und Grundwosser/lüsse (in nz3 pro<br />
Jahr) <strong>im</strong> Stierenriid (NS = Niederschlag, AL = Altlast Stierenried, SW =<br />
.Sickp-wossermenge, ZuF =Grundwasserzufluss, GW=Grundwasser, AbF<br />
= Grundwasserabfluss).<br />
Weiter wurden in einigen Fassungen Anzeichen für<br />
eine starke Sauerstoffzehrung festgestellt, welche<br />
einerseits mit der Auffüllung des Stierenrieds zusammenhängen<br />
könnte, jedoch auch von naturbedingter<br />
Sauerstoffarmut<strong>im</strong> ehemaligen Torfgebiet herrühren<br />
könnte.<br />
2.2.3 Beillstllllg VOll Sickerwllsser, Grlllldwllsser IIlId<br />
Bodellglls<br />
Für die Detailuntersuchungen wurden verschiedene<br />
Arten von Wasserproben entnommeQ (Jäckli, 1995a):<br />
- Auf dem Areal wurde das Deponiesickerwasser .<br />
direkt beprobt.<br />
.-Entlang der Mischwasserkanalisation der Neunbrunnenstrasse<br />
und Birchstrasse, die als· Drainagen<br />
wirken, konnten Grundwasserproben entnommen<br />
werden.<br />
• Zudem wurden Grundwasserproben aus Bohrungen<br />
gepumpt (vgI. auch Tab. 2.2.3)..<br />
Die Messwerte untei"lagen starken zeitlichen und<br />
örtlichen Schwankungen. Die örtlichen Unterschiede<br />
sind auf die Heterogenität der Ablagerungen<br />
und Fliessverhältnisse zurückzuführen. Die zeitlichen<br />
Schwankungen können durch veränderte<br />
Umwelteinflüsse wie z.B. Niederschlagsmenge erklärt<br />
werden.<br />
Sickerwasser<br />
Die Deponiesickerwasser unterScheiden sich qualitativ<br />
stark vom Grundwasser. Im Gegensatz zum<br />
Grundwasser weisen die Deponiesickerwasser eine<br />
erhöhte elektrische Leitfähigkeit auf, was auf eine<br />
gewisse Belastung hindeutet. Bei den Untersuchungen<br />
wurden unter <strong>and</strong>erem die folgenden anorga-<br />
.nischen und organischen Stoffe nachgewiesen: Aluminium,<br />
Arsen, Barium, Bor, Chrom, Eisen, Kupfer,<br />
Zink, CKW, BTX (Benzol, Toluol; Xylol) und Naphthalin.<br />
Belastung des Grundwassers<br />
Das Grundwasser wurde an folgenden Stellen beprobt:<br />
Grundwasserfassungen Stierenried, Portier<br />
und Wohlfahrtshaus, bei neun verfilterten Bohrungen<br />
sowie bei 36 Einläufen in die Kanalisation.<br />
Parameter<br />
geschätzte<br />
Hintergrundbelastung<br />
höchster<br />
gemessener<br />
Wert<br />
Verordnung über<br />
AbwassereiDIeitungen (VAE),<br />
QuaIitätszieIe für FIiessgewässer oder<br />
EinIeitbedingungen für Gewässer<br />
SChweizerisches Lebensmittelbuch<br />
(SLB), ToIeranzwerte<br />
Vergleich mit Richt·bzw. Grenzwerten<br />
KW<br />
PAK<br />
0.56 mg/I<br />
k.A.<br />
k.A.<br />
7.5 mg/I<br />
0.8 mg/I<br />
2.5 ).Ig/l<br />
10 mg/I VAF.<br />
10 mg/I VAF.<br />
0.2).1gjI SLB<br />
CKW<br />
Altlasten ~ _<br />
Neben der generell zwar tieferen elektrischen Leitfähigkeit<br />
<strong>im</strong> Grundwasser gegenüber dem Sickerwasser<br />
wurden dennoch· unter <strong>and</strong>erem die folgenden<br />
anorganischen und organischen Stoffe in jeweils<br />
unterschiedlichen Konzentrationen festgestellt: Barium,<br />
Bor, Chrom, Quecksilber, Zink,. Ammonium,<br />
Nitrit, Eisen, Mangan, CKW, Xylol, Benzol.<br />
In der Folge werden die höchsten Belastungen für<br />
einige Parameter wiedergegeben (Tab. 2.2.3). Die<br />
Messungen eines Brunnens werden separat ange- .<br />
führt, da sie als «Hintergrundbelastung» des Grundwassers<br />
auf dem Stierenned gelten könnten.<br />
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass<br />
das Deponiesickerwasser örtlich und zeitlich stark<br />
variierende Belastungen aufwies und die Anforderungen<br />
an die Einleitung in die Kanalisation stellenweise<br />
nicht zu erfüllen vermochte. Stoffliche<br />
Belastungen des Grundwassers <strong>im</strong> unmittelbaren<br />
Abströmbereich der Deponie wurden ebenfalls festgestellt.<br />
Gas<br />
Die Heterogenität der Einlagerungen widerspiegelten<br />
sich auch in der unterschiedlich starken Gasproduktion.<br />
Besonderes Augenmerk verdient die<br />
Methanproduktion. An einigen ürten liegen die<br />
Methankonzentrationen <strong>im</strong> Bodengas mit 5.7%<br />
leicht über der unteren Explosionsgrenze. Daneben<br />
wurden vereinzelt leicht erhöhte Gehalte an Wasserstoff<br />
und Kohlendioxid festgestellt.<br />
2.2.4 RisikoQbschiitzfllIg<br />
Die Risikoabschätzung spielt in der Altlasten-Detail~<br />
untersuchung eine zentrale Rolle. Damit sollen<br />
mögliche Schäden, die durch eine Altlast entstehen<br />
. könnten, erkannt und charakterisiert werden, sowie<br />
Entscheidungsgrundlagen zur Bearbeitung der Altlast<br />
geschaffen werden. Der Risikobegriff <strong>im</strong>pliziert<br />
in diesem Zusammenhang, dass die Folgen einer<br />
H<strong>and</strong>lung bzw. einer Situation ungewiss sind. Da-<br />
Schadstoffpotential<br />
Sonderabfall<br />
Brauchwasser bzw. Aushub Freisetzurigs-<br />
Industrieareal ---j-~-----r- potential<br />
Trinkwasser bzw.<br />
L<strong>and</strong>wirtschaftszone<br />
Exposition und Bedeutung<br />
der Schutzgüter<br />
Abb. 2.2.4 Schematische Darstellung zurCharakterisierong des Risikopotentials<br />
bei Altlosten (noch BUWAL, 1994).<br />
durch kommt der Charakterisierung von Unsicherheiten<br />
in der Risikoabschätzung eine besondere<br />
Bedeutung zu. '.<br />
Ein allgemeines Leitbild zur Risikoabschätzung<br />
wurde zu Beginn der 80er Jahre von der US National<br />
.Academy of Sciences entwickelt und von den Umweltbehörden<br />
der USA (USEPA) in die Praxis übernommen.<br />
Dieses Leitbild setzt sich aus den nachfolgenden<br />
Schritten zusammen (vgl. a. Suter H, 1993):<br />
Zunächst erfolgt eine Beschreibung der Gefährdungssituation.<br />
Dies geschieht durch eine Charakterisierung<br />
der Schadstoffquelle, der relevanten<br />
Umweltkompart<strong>im</strong>ente sowie der zu berücksichtigenden<br />
und betroffenen Schutzgüter.<br />
Aufbauend auf diesen Grundlagen erfolgt eine<br />
Analyse der Expositionssituation der betroffenen<br />
Schutzgüter sowie der daraus resultierenden möglichen<br />
Auswirkungen. Die Berechnungen dazu basie~<br />
ren in der Regel - neben fallspezifischen Daten <br />
auch auf Modellannahmen und Extrapolationen von<br />
relevanten Datengrundlagen.<br />
Mit diesen Berechnungen soll eine quantitative<br />
Abschätzung der von einer Altlast ausgehenden Risiken<br />
ermöglicht werden. Von zentraler Bedeutung<br />
dabei ist eine Charakterisierung der in solchen Berechnungen<br />
<strong>im</strong>mer vorh<strong>and</strong>enen Unsicherheiten,<br />
mit ihren Ursachen und möglichen Auswirkungen.<br />
Als letzte Stufe des Leitbildes ist schliesslich ein<br />
falladäquates Risikomanagement sicherzustellen.<br />
Diese Art der quantitativen Risikoabschätzung<br />
unterscheidet sich grundsätzlich von epidemiologischen<br />
.Risikountersuchungen. In epidemiologischen<br />
Untersuchungen werden direkt Daten von betroffenen<br />
Schutzgütern - z.B. Menschen in belasteten<br />
Gebieten - erhoben und Hypothesen zu Schadstoffwirkungen<br />
mit geeigneten statistischen Methoden<br />
überprüft (Covello & Merkhofer, 1993).<br />
Irn Kanton Zürich sind gemäss Leitfaden zur Altlastenbearbeitung<br />
des AGW<strong>im</strong> Rahmen einer Risikoanalyse<br />
die kurz-, mittel-, und langfristigen Auswirkungen<br />
der Belastungen auf Mensch und Umwelt<br />
unter Beachtung der Schutzziele darzustellen (AGW,<br />
1993). Es ist also zunächst die Frage zu beantworten:<br />
«Was kann geschehen?» Die möglichen Auswirkungensind<br />
für alle, <strong>im</strong> kantonalen Abfallgesetz für die<br />
Sanierung von Altlasten festgelegten, Sanierungsziele<br />
abzuschätzen. Als Hauptkriterien dienen dazu<br />
das Schadstoffpotential, das Freisetzungspotential sowie<br />
die Exposition und Bedeutung der Schutzgüter<br />
(BUWAL, 1994). Diese Kriterien zur Charakterisierung<br />
eines Schadenrisikos sind in Abb. 2.2.4<br />
graphisch dargestellt. Aus dem Volumen des durch<br />
die Bewertung entstehenden «Quaders» ergibt sich<br />
schliesslich das von der Altlast ausgehende Risikopotential.<br />
Der H<strong>and</strong>lungsbedarf ist um so grösser, je<br />
grösser das Volumen ist..<br />
216<br />
UNS·Fallstudie '96
------'--------------,--<br />
Als nächster Schritt einer Risikoabschätzung ist<br />
mit der Risikobewertung die Frage zu beantworten:<br />
«Was darf geschehen?» Dabei sind die Resultate der<br />
Risikoanalyse mit den vorh<strong>and</strong>enen Schutzzielen für<br />
die betroffenen Schutzgüter zu vergleichen und zu<br />
bewerten. Von praktischer"Bedeutung ist in diesem<br />
Zusammenhang, ob auch unabhängig von einem<br />
Bauvorhaben belastungsmindernde Massnahmen zu<br />
ergreifen sind (AGW, 1993).<br />
In der für die Altlast Stierenned durchgeführten<br />
Risikobeurteilung wurden die möglichen Umweltauswirkungen<br />
der Deponie abgeschätzt (Link, 1995).<br />
Als Grundlagen dienten Daten aus Boden-, Sickerund<br />
Grundwasseruntersuchungen. Den Unsicherheiten,<br />
die sich aus der Datenvariabilität ergaben,<br />
wurde durch konservative Annahmen Rechnung getragen.<br />
Die Ergebnisse aus den verschiedenen Untersuchungen<br />
wurden verglichen, zusammengefasst<br />
und es wurde der Ist-Zust<strong>and</strong> der Deponie charakterisiert<br />
und Zukunftsprognosen ohne Berücksichtigung<br />
einer Zust<strong>and</strong>sänderung angestellt.<br />
Zusammenjassungeiniger Ergebnisse aus Link (1995)<br />
Der organische Anteil <strong>im</strong> Deponiegut, v.a. Kohlenwasserstoffe<br />
sowie PAK und PCB, ist gering bis sehr<br />
gering. An lokalen Stellen mit erhöhtem Gehalt an<br />
organischen Stoffen ist der Zust<strong>and</strong> einer stabilen<br />
Methangärung erreicht.<br />
Bei denBchwermetallen sind v.a. Kupfer, Zink und<br />
Blei problematisch. Für Blei konnte ein annähernd<br />
erzähnlicher "Zust<strong>and</strong> angenommen werden. Die<br />
Löslichkeiten für Kupfer und Zink lagen <strong>im</strong> Übergangsbereich<br />
zwischen einem erzähnlichen Zust<strong>and</strong><br />
und einem Metall-Hydrox:id-Schlamm.<br />
Von den übri'gen vorgefundenen Substanzen war<br />
Arsen von Bedeutung. Unter Berücksichtigung der<br />
aus den Messungen resultierenden Unsicherheiten<br />
wurde für die Berechnungen einer Freisetzung vom<br />
«ungünstigsten Fall» ausgegangen. Dabei wurde<br />
selbst unter diesen Annahmen noch eine relativ hohe<br />
spezifische Freisetzungsrate festgestellt. Unter Berücksichtigung<br />
der geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />
wurden die ausgewaschenen Konzentrationen<br />
und Frachten jedoch als tolerierbar<br />
bezeichnet.<br />
Zur Charakterisierung der aktuellen Situation<br />
wurde festgestellt, dass mit Ausnahme des Arsens<br />
von umweltverträglichen Stoffflüssen ausgegangen<br />
werden kann. Plötzliche Steigerungen der Freisetzungen<br />
irgendwelcher Stoffe können ohne Zust<strong>and</strong>sänderung<br />
ausgeschlossen werden. Die Deponie befindet<br />
sich somit in einem stabilen Zust<strong>and</strong>.<br />
Auch für die" Zukunft werden die Stoffflüsse als<br />
weiterhin umweltverträglich beurteilt: Bei den organischen<br />
Stoffen kann innerhalb der nächsten 100<br />
Jahre eine nennenswerte, ·transformationsbedingte<br />
Altlasten<br />
Abnahme erwartet werden. Die Freisetzung der<br />
erzähnlichen Stoffe wurde als äusserst gering eingeschätzt:<br />
Ginge man von einer konstanten Auswaschungsrate<br />
aus, wären bei den angenommenen<br />
Halbwertzeiten Restbelastungen von 1% der Masse<br />
<strong>im</strong> Deponiekörper bspw. bei Kupfer erst nach über<br />
750'000 Jahren, bei Arsen jedoch «bereits» in rund<br />
800 Jahren erreicht.<br />
2.3 Übersicht Gesetzesgrundlagen<br />
2.3.1 Gesetze und Regelungen auf Bundesebene<br />
Ehemalige Abfallablagerungen und durch Betrieb<br />
und Unfälle verunreinigte Industriest<strong>and</strong>otte gefahrden<br />
den Menschen und seine natürliche Umwelt und<br />
verursachen grosse Mengen von verschmutztem Aushub.<br />
Allgemeine rechtliche Grundlagen, die zur Altlastenbearbeitung<br />
beigezogen werden können, finden<br />
sich <strong>im</strong> Bundesgesetz über den Umweltschutz<br />
(USG) vom 7.10.1983 (St<strong>and</strong> 1. Okt. 1991) und altlastenspezifisch<br />
in der USGrev vom 21. Dez. 1995,<br />
<strong>im</strong> Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz<br />
[GSchG]) vom 24. Jan. 1991 und<br />
in verschiedenen Verordnungen. Eine Übersicht"<br />
über die Rechtsgrundlagen für den Vollzug der Altlastenbearbeitung<br />
findet sich in AGW (1993), AGW<br />
(1996), BUWAL (1994), BUWAL (1996).<br />
Kriterien des Umweltschutzgesetzes<br />
Art. 1 Abs. 1" USG erklärt Menschen, Tiere und<br />
Pflanzen,deren Lebensgemeinschaften und Lebensräume<br />
zum Schutzobjekt gegen .schädliche<br />
oder lästige Einwirkungen und hebt insbesondere<br />
die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit als anzustrebendes<br />
Ziel hervor (Gefahrenabwehr). Im Vorsorgeprinzip,<br />
wonach potentiell schädliche oder lästige<br />
Einwirkungen möglichst frühzeitig begrenzt werden<br />
sollen (Art. 1, Abs. 2 USG), kommt der Gedanke des<br />
umweltgerechten Verhaltens und der Nachhaltigkeit<br />
zum Ausdruck.<br />
Das in Art. 2 enthaltene Verursacherprinzip überträgt<br />
die Kosten für Massnahmen nach dem Umweltschutzgesetz<br />
dem/der VerursacherIn. Gemäss Art. 59<br />
können Kosten für Sanierungs- oder Sicherungsmassnahmen,<br />
die von der zuständigen Behörde zur<br />
Gefahrenabwehr getroffen werden, auf den/die VerursacherIn<br />
überbunden werden.<br />
In der Revision des USG von 1995 findet man.<strong>im</strong><br />
Abschnitt «Sanierung von Deponien und <strong>and</strong>eren<br />
durch Abfalle belastete St<strong>and</strong>orte» in den Art. 32c-e<br />
konkretere Vorgaben für den Umgang mit Altlasten:<br />
In Art. 32c wird die Sanierungspflicht geregelt. Da~<br />
bei sorgen die Kantone für eine Sanierung, wenn von<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
217
Altlasten ,---- --- _<br />
Deponien oder durch Abfälle belasteten St<strong>and</strong>orten<br />
schädliche oder lästige Auswirkungen ausgehen<br />
oder die Gefahr besteht, dass solche Einwirkungen<br />
entstehen. Zusätzlich erstellen sie einen öffentlich<br />
zugänglichen Altlastenkataster.<br />
Art.32d regelt das Tragen der Kosten. Gemäss<br />
Abs. 1 werden die Kosten nach wie vor auf den/die<br />
Verursacherln übertragen. Abs. 2 regelt die Verteilung<br />
der Kosten bei mehreren VerursacherInnen,<br />
wobei jedeR Beteiligte die Kosten entsprechend<br />
seinem Anteil an der Verursachung zu tragen hat.<br />
Wer aber lediglich BesitzerIn einer Deponie oder<br />
eines kontaminierten St<strong>and</strong>ortes ist, trägt keine<br />
Kosten, wenn:<br />
• er/sie bei Anwendung der gebotenen Sorgfaltspflicht<br />
von der Belastung keine Kenntnis haben<br />
konnte,<br />
• die Belastung ihm/ihr keinen Vorteil verschaffte<br />
und<br />
• ihm/ihr aus der Sanierung kein Vorteil erwächst.<br />
. Nach der Rechtsprechung und der Literatur ist<br />
der/die VerursacherIn <strong>im</strong> Sinne des polizeirechtlichen<br />
Begriffes als «Störer» zu verstehen. Es wird<br />
zwischen dem «Zust<strong>and</strong>s-» und dem «Verhaltens-»<br />
oder «H<strong>and</strong>lungsstörer» unterschieden (Pelloni,<br />
1995). Als «Verhaltensstörer» wird die- oder derjenige<br />
bezeichn~t, welcheR mit ·seinem Verhalten<br />
unmittelbar eine polizeiwidrige Gefahr oder Störung<br />
verursacht hat. Als «Zust<strong>and</strong>sstörer» gilt die- oder<br />
derjenige, die/der über die Sache, die den ordnungswidrigen<br />
Zust<strong>and</strong> verursacht, die Gewalt hat. Als<br />
EigentümerIn, Mieterln oder Pächterln verfügt<br />
man über diese Gewalt. Pr<strong>im</strong>är muss aber der
______________________________________--'-<br />
Altlasten<br />
<strong>and</strong>ererseits den mit ihr verbundenen Nachteilen für<br />
die unmittelbar davon Betroffenen. Das Problem,<br />
welches daraus resultiert, ist das der Massnahmengewichtung.<br />
Im Extremfall wird dieses nur durch<br />
das Willkürverbot begrenzt. Massnahmen, die jedoch<br />
<strong>im</strong> Sinne der Gefahrenabwehr getroffen werden,<br />
werden davon ausgenommen.<br />
Die Frage nach dem Verhältnis zwischen öffentlichem<br />
Interesse und ·der Zumutbarkeit einer<br />
Massnahme ist sehr schwierig zu beantworten. Oft<br />
betrachtet man sie aus einer rein ökonomischen<br />
Perspektive, also nach der wirtschaftlichen Tragbarkeit.<br />
, f1..S_CH_lITZ_._G_UT_L_UFT_·<br />
-lr---- ......~~~-+<br />
,.---------+--------'.."<br />
I <strong>im</strong>mission Immission<br />
.--1..----., USG'LRV USG'LRV<br />
Beh<strong>and</strong>ung<br />
SCHlITZGUT<br />
OBERBODEN<br />
USGlVSBo<br />
Emission ~----'---f<br />
Immission<br />
Vero"*'tmg 0..<br />
Abwa..orelnl.<br />
Einloitbodingtmg<br />
Kanalisation<br />
ImmIMIon<br />
ARA<br />
I<br />
Emission<br />
SCHlITZGUT<br />
OBERFLAECHEN<br />
GEWAESSER<br />
GschG<br />
Vo",,,*,tmgO.<br />
_o"'n/.<br />
(Quo/iti/lSZiol)<br />
ElnlOhtungsgoS81Z<br />
zumGschGZH<br />
VWF<br />
Immission<br />
Vo",ntnung O.<br />
Ab_I.<br />
Emission<br />
I<br />
<strong>im</strong>mission<br />
Emission<br />
SCHlITZGUT<br />
GRUNDWASSER<br />
GschG<br />
EinfOhrungsge.<br />
zumGschGZH<br />
VWF<br />
I<br />
Emission<br />
Schutzgiiter und WirkungspflJde<br />
MENSCH<br />
BVAJSGlFW<br />
TIER<br />
BVAJSG<br />
PFLANZEN<br />
BVAJSG<br />
Abb. 2.3.1 Schutzgiiter ul1d Wirkul1gspfade <strong>im</strong> Stiermriedmit Verweism aufdiejeweils releval1tm Gesetze ul1d<br />
Verordl1ul1gel1. (Durch die Pfeilstärkenwird die Bedeutul1g des jeweiligm Pfades ausgedrückt).<br />
FW<br />
SLB<br />
Der Sinn der Umweltschutzgesetzgebung liegt darin,<br />
Menschen, Tiere, Pflanzen und die entsprechenden<br />
Lebensgemeinschaften und -grundlagen zu schützen.<br />
In den. Gesetzen sind dazu zwei zentrale Prinzipien<br />
verankert: das Vorsorgeprinzip und das Prinzip<br />
der Verhliltnismlissigkeit. Diese müssen .bei allen<br />
Schutzmassnahmen beachtet werden.<br />
Um den Schutz der Umwelt zu konkretisieren,<br />
werden sogenannte Schutzgüter definiert. Diese<br />
umfassen Lebewesen wie Menschen, Tiere und<br />
Pflanzen sowie Umweltkompart<strong>im</strong>ente wie Wasser,<br />
Luft und Boden, welche<br />
das Leben stark beeinflussen<br />
und deren ,natür-<br />
,licher Zust<strong>and</strong> eine<br />
Grundvoraussetzung für<br />
gesundes Leben ist.<br />
Grundsätzlich sind bei<br />
Immlsslon--'<br />
einer Altlast zunächst<br />
drei Hauptpfade zu betrachten.<br />
,Über Emissionen<br />
beeinträchtigt werden<br />
können die Schutzgüter<br />
Boden, Wasser<br />
SCHlITZGUT<br />
und<br />
I - -"- e Immission - -JIl<br />
I<br />
I<br />
Immission _J<br />
SCHlITZGUT<br />
TRINKWASSER<br />
Immission -~-+_...<br />
VerordnungO. ----~------------ Immission --+<br />
AbwsSS8ff1in/.<br />
Immission<br />
Elnloilboefngung<br />
BRAUCHWASSER<br />
Lufi. Selbstverständlich<br />
gibt es noch eine grössere<br />
Anzahl <strong>and</strong>erer, indirekter<br />
Wege, über welche<br />
Schädigungen erfolgen<br />
können. Diese müssen<br />
ebenfalls berücksichtigt<br />
werden, wenn Lebewesen<br />
bedroht sind. Ein<br />
besonderes Augenmerk<br />
muss der Nahrungskette<br />
gelten, da sich' dort<br />
Schadstoffe anreichern<br />
können.<br />
Im Falle des Stierenrieds<br />
ist der Pfad aus der Deponie<br />
ins Grundwas,ser<br />
(Abb. 2.3.1)' besonders<br />
wichtig. Die Gründe dafür<br />
sind folgende: die<br />
Emissionen in die Luft<br />
sind verhäItnismässig gering,<br />
da die Deponie zur<br />
überwiegenden Mehrheit<br />
aus anorganischem<br />
Material besteht, so dass<br />
die Gasentwicklung min<strong>im</strong><br />
ist. Infolge der Überbauung<br />
oder natürlichen'<br />
Abdeckung sind. direkte<br />
..<br />
I,<br />
UNS-Fallstudie '96. 219
Altlasten ---' --, _<br />
Staubemissionen ebenfalls weitgehend ausgeschlossen.<br />
In erster Näherung kann dieser Wirkungspfad<br />
also vernachlässigt werden. Be<strong>im</strong> Schutzgut Boden<br />
ist die Situation etwas <strong>and</strong>ers. Entscheidend ist<br />
hier, dass es kaum Boden gibt, welcher unabhängig<br />
vom Grundwasser verschmutzt werden könnte. Von<br />
einer namh~ften ungesättigten Bodenzone, welche<br />
durch die Deponie beeinträchtigt werden könnte,<br />
kann also nicht die Rede sein. Aus diesen Gründen<br />
ist es durchaus gerechtfertigt, in erster Näherung nur<br />
den Wirkungspfad über das Wasser zu berücksichtigen.<br />
Der Wasserhaushalt der Deponie Stierenried wird<br />
durch Niederschläge beeinflusst, die zu einer Beeinträchtigung<br />
des Grundwassers führen. Für die<br />
Zukunft ist eine separate Fassung des Grundwassers<br />
und eine Ableitung in ein Fliessgewässer geplant,<br />
damit die öffentliche Kanalisation entlastet wird.<br />
Dabei istzu untersuchen, ob das abdrainierte Wasser<br />
die Einleitbedingungen in ein Fliessgewässer erfüllt.<br />
Wäre dies nicht der Fall, so müsste eine Abwasserreinigungsanlage<br />
gebaut werden, um das anfallende<br />
Grund- und Deponiesickerwasser zu reinigen. Eine<br />
<strong>and</strong>ere Möglichkeit wäre, das belastete Grundwasser<br />
weiterhin zur bestehenden ARA zu leiten.<br />
Problematisch ist <strong>im</strong> FilII des Stierenrieds die Einbeziehung<br />
von Grenzwerten. Die Verwendung der<br />
Grenzwerte für Trinkwasser ist <strong>im</strong> Fall des Stierenrieds<br />
wenig sinnvoll, da eine Trinkwassernutzung<br />
auch für die Zukunft ausgeschlossen werden kann.<br />
Mit der neuenSituation der Einleitung der Drainage<br />
in einen Vorfluter, kommt die Verordnung über<br />
Abwassereinleitungen zur Anwendung. Dabei muss<br />
darauf geachtet werden, dass durch die Verdünnung<br />
<strong>im</strong> Oberflächengewässer die geltenden Qualitätsziele<br />
eingehalten werden können.<br />
2.3.2 Gesetze und Regelungen auf Kantonsebene<br />
Im Kanton Zürich ist das Amtfür Gewlisserschutz und<br />
Wasserbau (AGW) für Altlastenfälle zuständig. Das<br />
AGWist für den Vollzug der Ausführungsgesetze und<br />
-verordnungen verantwortlich. Eine Übersicht zu<br />
den kantonalen Gesetzesvorgaben findet sich in<br />
AGW (1993), AGW (1994) und AGW (1996).<br />
Sanierungsziele .<br />
Im Gesetz über die Abfallwirtschaft des Kanton<br />
Zürich vqm 25. September 1994 wird die Altlastenbearbeitung<br />
auf kantonaler Ebene geregelt. Darin<br />
wurden u.a. allgemeine Sanierungsziele und weitere<br />
bei der Altlastensanierung zu berücksichtigende<br />
Grundsätze festgelegt. Die Sanierungsziele sind in<br />
Form einer nach Prioritäten organisierten Kaskade<br />
vorgegeben (AGW, 1993, Suter, 1995):<br />
1.Priorität: Wiederherstellung des natürlichen Stoffhaushalts<br />
2. Priorität: Wiederherstellung aller Nutzungsmöglichkeiten<br />
3.Priorität: Erhaltung der aktuellen oder einer <strong>and</strong>eren<br />
zweckmässigen Nutzung<br />
4. Priorität: Nutzungseinschränkungen<br />
Mit der ersten Ebene, der Wiederherstellung des<br />
natürlichen Stoffhaushaltes wird versucht, das <strong>im</strong><br />
USG verankerte Vorsorgeprinzipumzusetzen. Statt<br />
vom Vorsorgeprinzip könnte man auch von Nachhaltigkeit<br />
sprechen.<br />
Die letzte Priorität, die Nutzungseinschränkung,<br />
kann als reine Gefahrenabwehr bezeichnet werden.<br />
Zusätzlich zu dieser Kaskade der Sanierungsziele<br />
sind folgende Grundsätze zu beachten:<br />
a: Altlasten sind so zu beh<strong>and</strong>eln, dass ausschliesslich<br />
verwertbare und endlagerfähige Stoffe verbleiben.<br />
b:Belastungen durch Altlastensanierungen sind auf<br />
.das technisch Machbare und wirtschaftlich Zumutbare<br />
zu beschränken.<br />
. c: Das Deponieren von Altlasten kann höchstens<br />
dann bewilligt werden, .wenn der Nachweis erbracht<br />
wird, dass eine Beh<strong>and</strong>lung nicht oder nur<br />
teilweise möglich ist.<br />
d:Die Sanierung darf insgesamt nicht zu einer höheren<br />
Umweltbelastung führen als durch sie behoben<br />
wird.<br />
Gemäss dem Leitbild der schweizerischen- Abfallwirtschaft<br />
(BUWAL, 1986) soll ein Entsorgungssystem<br />
nur zwei Arten von Abfällen produzieren,<br />
nämlich wiederverwertbare Stoffe und endlagerfähige<br />
Stoffe. Ziel der Altlastensanierung muss also<br />
die Entfernung von Schadstoffen aus kontaminierten<br />
Bau- und Bodenmaterialien sein, so dass die Materialien<br />
möglichst wieder eingesetzt werden können.<br />
Aufkonzentrierte Schadstoffe müssen so beh<strong>and</strong>elt<br />
werden, dass sie einer Verwertung, 'der gesicherten<br />
Verbrennung oder der Endlagerung zugeführt werden<br />
können.<br />
Weitere, bei der Altlastenbearbeitung. zu berücksichtigende<br />
kantonale Rechtsgrundlagen sind in der<br />
Wegleitung für die Klassierung von Bauabfällen<br />
(AGW, 1994) vorgegeben.<br />
.2.3.3 Ausblick in die weitere Zukunft<br />
Die Lebensdauer der <strong>im</strong> Areal Stierenried durchgeführten<br />
Sicherung wird auf ca. 70 Jahre geschätzt<br />
(vgl. Kap. 1.1 AUSGANGSLAGE). Dies bedeutet, dass <strong>im</strong><br />
Zeitraum der nächsten 50 bis 90 Jahre wieder eine<br />
Sanierung oder Sicherung mit den entsprechenden<br />
Kosten ins Haus steht. Wer dann diese Kosten trägt,<br />
ist eine Frage, die noch nicht geklärt wurde.<br />
Ein «kleines Gedankenexper<strong>im</strong>ent» dazu: Die<br />
Altlast wird <strong>im</strong> Areal ZZN <strong>im</strong> Jahr 2950 <strong>im</strong>mer noch<br />
220<br />
UNS-Fallstudie '96
____________~ --'- Altlasten<br />
als Altlast gesehen, und die zukünftigen Lebensumstände<br />
sind mit den heutigen vergleichbar. Nach<br />
dem dann geltenden USG (so es dann noch existiert)<br />
könnteeine Verursacherhaftung <strong>im</strong>mer noch aktuell<br />
sein. Das würde heissen, dass die ABB wiederum die<br />
Kosten zu übernehmen hätte.<br />
Was ist aber, wenn die ABB nicht mehr existiert?<br />
Gemäss heutigem USG müsste dann der/die<br />
EigentümerIn des Stierenrieds die Kosten tragen. Die<br />
zukünftigen EigentümerInnen dieses Areals wären<br />
z.B. die heutigen InvestorInnen. Wissen diese heute,<br />
dass in einem halben Jahrhundert evtI. einiges an<br />
Kosten auf sie zukommen wird? Werden dafür schon<br />
mögliche Rückstellungen geplant und vorgenommen?<br />
Ein möglicher Zahler könnte aber auch die öffentliche<br />
H<strong>and</strong> sein. Denn schliesslich hat die Baudirektion<br />
die Sicherung abgesegnet. Warum sollte also einE<br />
InvestorIn für etwas bezahlen, was erst durch das<br />
Verhalten des Kantons und der <strong>Stadt</strong> - nämlich die<br />
Bewilligung; eine Sicherung zu erstellen - ermöglicht<br />
wurde?<br />
Durch die Verschiebung der endgültigen Sanierung,<br />
d.h. Dekontamination, werden auch die Kosten<br />
dafür weit in die Zukunft verschoben. Ob das erstens<br />
besonders nachhaltig und zweitens so geschickt ist,<br />
kann bezweifelt werden. .<br />
2.4 Sanierungsmöglichkeiren<br />
Die zur Abwehr und Beherrschung von Umweltauswirkungen<br />
von Altlasten erforderlichen Sanierungsmassnahmen<br />
werden in vier Gruppen eingeteilt<br />
(Neteler, 1995):<br />
• Dekontaminationsmassnahmen<br />
• Sicherungsmassnahmen<br />
• Schutz- und Beschränkungsmassnahmen<br />
• Umlagerungen<br />
Durch eine Dekontaminationsmassnahme· wird die <strong>im</strong><br />
Untergrund befindliche Schadstoffquelie beseitigt<br />
und zukünftige Emissionen aus der Altlast verhindert.<br />
Man unterscheidet dabei zwischen Verfahren,<br />
die·den Schadstoff zerstÖren und solchen bei denen·<br />
der Schadstoff nur separiert wird. Zu den ersten<br />
zählen thermische und mikrobiologische Verfahren.<br />
Aktive pneumatische Massnahmen, aktive hydraulische<br />
Massnahmen und chemisch-physikalische<br />
Wasch-, Extraktions- und Trennverfahren sind Massnahmen<br />
bzw. Verfahren, bei denen der Schadstoff<br />
separiert wird. Durch Reduktion bzw. Beseitigung<br />
des Schadstoffpotentials ist das Kurz- undLangzeitrisiko<br />
klein. Die Sanierungskosten nehmen ein brei~<br />
tes Spektrum ein.<br />
Durch eine Sicherung wird durch Unterbrechung<br />
der Transferpfade das Freisetzungspotential einge-<br />
schränkt. Da die Barrieren irgendwann erneuert werden<br />
müssen, ist das Langzeitrisiko grösser als bei den<br />
Dekontaminationsmassnahmen. Die Kosten für eine<br />
Sjcherungsmassnahme liegen in der Regel zwischen<br />
den Kosten für Dekontaminationsmassnahmen und<br />
denjenigen von Schutz- und Beschränkungsmassnahmen.<br />
Die Betriebs- und Übefwachungskosten<br />
können jedoch beträchtlich sein.<br />
Durch Schutz- und Beschriinkungsmassnahmen werden<br />
ausgewählte Schutzgüter, i.d.R. der Mensch, vor<br />
schädlichen Immissionen bewahrt. Zu diesen Massnahmen<br />
zählen Baubeschränkungen, Absperrungen<br />
und Überwachungen. Da weder die Schadstoffquelle<br />
entfernt noch mögliche Transportpfade unterbrochen<br />
werden und die Nutzungsbeschränkungen<br />
missachtet werden könnten, ist das Langzeitrisiko<br />
gross. Die Kosten für die technischen Massnahmen<br />
sind sehr gering, die gesellschaftlichen Kosten können<br />
jedoch gross sein.<br />
Bei der Umlagerung wird das Material ausgekoffert<br />
und unbeh<strong>and</strong>elt auf eine Deponie gebracht. Da das<br />
Altlastenproblem zwar lokal behoben wird, global<br />
betrachtet jedoch nur eine Problemverschiebung<br />
stattfindet, ist diese Massnahme in den meisten Fällen<br />
aus abfallwirtschaftlicher und abfalltechnischer<br />
Sicht bedenklich und zu vermeiden. Im Einzelfall<br />
kann damit jedoch eine Verringerung der Exposition<br />
von Schutzgütern erreicht werden.<br />
Je nach Ort der Durchführung werden die Verfahren<br />
in die sogenannten in situ und ex situ (on-site<br />
und off-site) Massnahmen unterteilt. Bei der in situ<br />
Beh<strong>and</strong>lung bleibt der kontaminierte Boden oder<br />
die Altablagerung an Ort und Stelle <strong>im</strong> Untergrund.<br />
Das Beh<strong>and</strong>lungsmedium wird von aussen in die Altlast<br />
eingebracht. Bei den ex-situ Verfahren wird das<br />
Altlastenmaterial ausgekoffert und entweder an Ort<br />
und Stelle in mobilen Anlagen (on-site) oder an<br />
einem <strong>and</strong>eren Ort in stationären Anlagen (off-site)<br />
beh<strong>and</strong>elt. Weiterführende Angaben finden sichu.a.<br />
in Bank (1993) und Franzius et aI. (1995).<br />
2.4.1 Auswahl VOll Sallierullgsverfahrell - allgemeill<br />
Zur Bewertung und Auswahl von Sanierungsverfahren<br />
werden in einer· Machbarkeitsstudie die nach<br />
dem St<strong>and</strong> der Technik zur Verfügung stehenden<br />
Verfahren und Massnahmen in bezug auf ihre Anwendbarkeit<br />
und Eignung für den konkreten Einzelfall<br />
überprüft. Nach Neteler (1995) gliedert sich<br />
diese Machbarkeitsstudie in folgende Schritte:<br />
• Ausschluss und Vorauswahl<br />
• Abwägung und Wichtung<br />
• Kostenschätzung und Kosten-Nutzen-Analyse<br />
• Sanierungsvorschlag<br />
Durch den Ausschluss und die Vorauswahl sollen die<br />
ungeeigneten von den prinzipiell geeigneten Sanie-<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
221
Altlasten-:-- ~ _,_-------------------<br />
Ausschlusskliterien<br />
: Indikatoren<br />
Bewertungskriterien<br />
: Indikatoren<br />
Bodenspezifische Eignung<br />
• Korngrössenverteilung<br />
• Porosität<br />
• Durchlässigkeit<br />
• Feuchtegehalt<br />
• natürliche organische<br />
Inhaltsstoffe<br />
• etc.<br />
geplante Nutzung<br />
: • Mischnutzung<br />
: • Industriest<strong>and</strong>ort<br />
: • Wohnen<br />
: • etc.<br />
.........................................................., ······· ..···,··· .. ··· .. ··.. ·· .. ·· .. ·· .. ·· .. ··· ..·..·.. ·1········ : : .<br />
Schadstoffspezifische Eignung • einzelne Schadstoffe Sanierungserfolg<br />
• komplexe Schadstqffgemische<br />
• etc.<br />
Entwicklungstechnische<br />
Verfügbarkeit<br />
• Entwicklungsst<strong>and</strong><br />
• Referenzen<br />
• etc.<br />
.'(Grad der) Schadstoffentnahme<br />
: • (Grad der)<br />
· Schadstoffzerstörung<br />
bzw. -umw<strong>and</strong>lung<br />
• (Grad der) Schadstoff<strong>im</strong>mobilisierung<br />
: • Langzeitüberwachung<br />
: • Eigenschaftendes beh<strong>and</strong>el-<br />
· ten Bodens .<br />
: • etc.<br />
Mobilität von Reststomin/Risiko: • Wasserpfad<br />
· • Luftpfad<br />
: • Feststoffpfad<br />
: • Erfüllungsrisiko<br />
: • etc.<br />
.........................................................., ·.. ·.. ··· ······ .. ·· ·· .. ·1························· : : ..<br />
Zeitliche Verfügbarkeit,<br />
Sanierungsdauer<br />
Arbeitssicherheit<br />
Sicherheit der Bevölkerung<br />
• möglicher Beginn der<br />
Massnahme<br />
• möglicher Beginn der<br />
Wirksamkeit<br />
• Beginn der vollen<br />
Wirksamkeit<br />
• Dauer der Wirksamkeit<br />
• etc.<br />
• Unfallgefahr<br />
i Gesundheitsgefährdung<br />
• etc.<br />
• Entnahmeort<br />
• Beh<strong>and</strong>lungsort<br />
• Transport<br />
• etc.<br />
rechtliche Aspekte<br />
Akzeptanz<br />
Emission, Energieeinsatz,<br />
Stoffeinsatz, Reststoffe<br />
: • Grenzwerteinhaltung<br />
• erforderliche Genehmigung<br />
• Haftung .<br />
• Gewährleistung<br />
• Behördliche Einschränkung<br />
• etc.<br />
• Bevölkerung<br />
• Verwaltungsbehörden<br />
• Fachbehörden<br />
• Politische Instanzen<br />
• etc.<br />
: • Lärm<br />
• Erschütterung<br />
• Luftverurireinigung<br />
: • Pr<strong>im</strong>ärenergie<br />
: • Energie für Transport<br />
· • Betriebsstoffe<br />
• gefährliche Chemikalien<br />
: • Wasser<br />
• Anteil Feststoffe<br />
• Deponieklasse<br />
• Anteil Abwasser<br />
· • erforderliche Aufbereitung<br />
: • etc.<br />
..........................................................: · ·· .. ····· .. ·· .. ·.. ··· · ····· .. 1····················· : , .<br />
Kosten<br />
: • Planungskosten<br />
: • Investitionskosten<br />
:. Beh<strong>and</strong>lungskosten<br />
'.Transport<br />
: • Entsorgung<br />
• Monitoring<br />
Tab. 2.4.1 Ausschluss- undBewertungskriterien, mit denen die Sonierungsvoriollten verglickenwurden(verändef1 nock Neteler, 1995).<br />
222 UNS-Fallstudie '96
---'----'-----------------_,...-__-'-- -'-- -'--'_Altlasten<br />
rungsverfahren anh<strong>and</strong> naturwissenschaftlich-technischer<br />
Kriterien in bezug auf das spezielle Sanierungsvorhaben<br />
getrennt werden. In der Abwägung<br />
und Wichtung wird die technische Machbarkeit prinzipiell<br />
geeigneter Verfahren nutzenwertanalytisch<br />
detailliert geprüft. In der Kostenschätzung werden die<br />
Kosten möglicher Verfahrensalternativen verglichen.<br />
Aufbauend auf diesen Arbeitsschritten wird <strong>im</strong> Anschluss<br />
eine spezifische Auswahl oder Reihenfolge<br />
von Sanierungsverfahrendurch Nutzwert-Kosten-Gegenüberstellungen<br />
vorgeschlagen.<br />
Zur Vereinfachung werden nach Neteler (1995) in<br />
der Vorauswahl die Sanierungsverfahren nur auf deren<br />
Eignung in bezug auf die Bodenart und Schadstoffgruppe<br />
überprüft. Die Abwägung und Wichtung sollen<br />
nach den Hauptkriterien Wirksamkeit, Verfügbarkeit,<br />
Umweltvertäglichkeitund Sicherheit, die durch Unterkriterien<br />
weiter spezifiziert werden, bewertet werden.<br />
Die Kriterien werden sowohl argumentativ als<br />
auch quantitativ mit Hilfe von Wichtllngsformularen<br />
beurteilt.<br />
'<br />
Dieser Verfahrensvorschlag wurde von uns folgendermassen<br />
modifiziert:<br />
Der umfassende Kriterienkatalog ztlr «Abwägung<br />
und Wichtung» wurde auf 13 Kriterien re,duziert<br />
(Tab. 2.4.1). Mit Hilfe dieses Kriteriensets, unterteilt<br />
in Ausschluss- und Bewertungskriterien, wurden die<br />
prinzipiell geeigneten Sanierungsverfahreri rein qualitativ<br />
beurteilt. Es wurden keine Nutzwert-Kosten<br />
Gegenüberstellungen durchgeführt.<br />
2.4.2 Vora"swahl "nd prinzipiell geeignete Verfahren<br />
Die prinzipiell geeigneten Verfahren wurden mit<br />
Hilfe von Tabellen (vgl. Neteler, 1995,8.78 und 80)<br />
ermittelt. In diesen Tabellen wird aufgelistet, welche<br />
Verfahren für welche Bodengruppen bzw. Schadstoffgruppen<br />
geeignet, geeignet mit Einschränkungen<br />
bzw. ungeeignet sind.<br />
Aufgrund dieser Tabellen wurden folgende Verfahren<br />
näher betrachtet:<br />
• Thermische Verfahren<br />
• Mikrobiologische Verfahren<br />
• Wasch- und Extraktionsverfahren<br />
• Hydraulische Verfahren<br />
• Sicherung<br />
Bei thermischen Verfahren werden durch die Zufuhr<br />
von Energie in Form von Wärme Schadstoffe zerstört<br />
bzw. eingebunden. Das Verfahren wurde für die Altlast<br />
Stierenried nicht weiter beh<strong>and</strong>elt, da die entwicklungstechnische<br />
Verfügbarkeit in der Schweiz<br />
ungenügend ist, und die hohen Schadstoffkonzentrationen,<br />
insbesondere Schwermetalle, nicht el<strong>im</strong>iniert<br />
werden können.<br />
Mikrobiologische Verfahren nützen den natürlichen<br />
Vorgang der Veränderung organischer Stoffe (Abbau<br />
oder Mineralisation) durch Mikroorganismen. Auch<br />
dieses, Verfahren wurde ausgeschieden, da Schwermetalle<br />
in erhöhten Konzentrationen für Mikroorganismen<br />
toxisch sein können und somit den'<br />
. mikrobiellen Abbau von organischen Schadstoffen<br />
hemmen oder ganz unterbinden. Auch h<strong>and</strong>elt es<br />
sich bei Schwermetallen um von Mikroorganismen<br />
nicht abbaubare Substanzen,. und eine Trennung<br />
des Untergrundmateriales vom Stierenried in mit<br />
organischen Schadstoffen und mit Schwermetallen<br />
belastete Fraktionen ist nicht möglich.<br />
Die übrigen Verfahren werden <strong>im</strong> folgenden Kap.<br />
2.4.3 SANIERUNGSVARIANTEN beschrieben.<br />
2.4.3 Sanier"ngsvarianten<br />
N"llvariante<br />
Bei der Nullvariante wird die Altlast nicht speziell<br />
beh<strong>and</strong>elt. Der Niederschlag wäscht die Deponie<br />
langsam aus (Abb. 2.4.3.1). Auf dem Gebiet des<br />
Stierenrieds wird nicht gebaut, da sonst saniert<br />
werden müsste. Die bestehenden Gebäude können<br />
weiterhin genutzt werden. Das Schad- und Freisetzungspotential<br />
sowie die Exposition der Schutzgüter<br />
bleiben somit bestehen (Abb. 2.4.3.2).<br />
tAuswaschung<br />
Exposition und Bedeutung<br />
der Schutzgüter<br />
Abb. 2.4.3.1 Schematische Darstellung der<br />
Nullvariante.<br />
Vorteile dieser Variante sind, dass keine Sanierungskosten<br />
anfallen, und die Schadstoffe nicht<br />
oberirdisch verschleppt, sondern langsam ausgewaschen<br />
werden. Dadurch werden keine neuen<br />
hochbelasteten St<strong>and</strong>orte wie Deponien geschaffen.<br />
Das Schadstoffpotential n<strong>im</strong>mt langsam <strong>im</strong> Laufe<br />
der Zeit ab.<br />
Nachteile: Das Gebiet Stierenried kannaufgrund<br />
der gesetzlichen Best<strong>im</strong>mungen (kantonales Abfallgesetz)<br />
nicht weiter genutzt werden. Die Schadstoffbelastung<br />
wird nicht beseitigt, und das Areal bleibt<br />
so für lange Zeit unbenutzbar und verschmutzt kon<br />
·tinuierlich das Grundwasser.<br />
Freisetzungspotential<br />
Abb. 2.4.3.2 Bewertung der<br />
Altlast vor Ergreifen einer<br />
Massnahme' zur·Gefahrenabwehr(nach<br />
BUWAL, 1994).<br />
UNS-Fallstudie '96 223
Altlasten -'--- _<br />
Sicherung<br />
Durch eine Sicherung soll der Transport und die<br />
.Ausbreitung von Schadstoffen, die Schadstofftransmission,<br />
durch bautechnische Massnahmen wie<br />
Oberflächenabdichtungen, vertikale Abdichtungen<br />
und/oder nachträgliche Sohleabdichtungen, unterbunden<br />
werden.<br />
Im Stierenned ist das Gelände flach. Die Altlast<br />
liegt oberhalb des Grundwasserspiegels. Die Schadstoffe<br />
werden nicht durch das Grundwasser, sondern<br />
durch versickerndes Niederschlagswasser ausgewaschen.<br />
Die Seesed<strong>im</strong>entschichten sind rel.ativ<br />
wasserundurchlässig. Aus diesen Gründen genügte<br />
eine Oberflächenabdichtung mit Abführen des<br />
Regenwassers oberhalb der Abdichtung und Gasdrainage<br />
unter der Abdichtung (vgl. Abb. 2.4.3.3).<br />
miteingeschlossen. Dabei h<strong>and</strong>elt es sich um belastetes<br />
Material, das für den Leitungsbau ausgehoben<br />
werden muss.<br />
Zu den Vorteilen dieser Sicherungsvononte zählen,<br />
dass die Schutzgüter durch das eingeschränkte<br />
Freisetzungspotential kaum beeinträchtigt werden.<br />
Ausserdem ist dieses Projekt kostengünstig, u.a. weil<br />
grosse Teile bereits versiegelt sind oder durch die<br />
Neubauten versiegelt werden. Im Projektgebiet<br />
TORO wird die gesamte Oberfläche durch Gebäude<br />
bzw. eine speziell zu errichtende Oberflächenabdichtung<br />
versiegelt sein.<br />
Ein Nachteil dieser Massnahme ist, dass die Altlast<br />
nicht beseitigt, sondern konserviert wird. Die<br />
Lebensdauer der Abdichtungwird auf ca. 70 Jahre<br />
geschätzt. Spätestens dann muss eine neue Massnahme<br />
ergriffen werden. Das Problem wird also.<br />
nicht gelöst, sondern nur auf spätere Generationen<br />
verschoben.<br />
tAuswaschung<br />
keine Auswaschung<br />
Abb. 2.4.3.3 Schematische Darstellung der Alt/ost vor und noch der<br />
Sicherung.<br />
Durch diese Massnahme sollen die Auswaschung<br />
der Schadstoffe durch den einsickernden Niederschlag<br />
und die Emission von Gasen verhindert<br />
werden. Der Wirkungspfad zwischen Altlast und<br />
Schutzgut wird für die Lebensdauer der Abdichtung<br />
unterbrochen.. Das Schadstoffpotential und die theoretisch<br />
möglichen Auswirkungen aufdie Schutzgüter<br />
bleiben bestehen, das Freisetzungspotential wird<br />
jedoch vorübergehend eingeschränkt (Abb. 2.4.3.4)~<br />
Freisetzungspotential<br />
Exposition und Bedeutung<br />
der Schutzgüter<br />
Abb.2.4.3.4 Veränderung des von<br />
der Alt/ost ausgehenden Risikos<br />
durch die Sicherung.<br />
Laut Sanierungsuntersuchung (Jäckli, 1995b) betragen<br />
die totalen Ko!'ten für das Projekt TORO<br />
mit Triage ca. 7.2 Mio. Fr. Dieser Betrag beinhaltet<br />
die Kosten für die Abdichtung, die Retention und<br />
für Drainageleitungen und Deponiegasfassungen.<br />
Ausserdem sind auch die Kosten für eine Beh<strong>and</strong>lung<br />
des Bodenmaterials und für die Bodenwäsche<br />
Wasch- und Extraktionsverfahren<br />
Bodenwaschanlagen basieren auf dem Prinzip der<br />
Nassextraktion von Schadstoffen mit Wasser als<br />
Extraktionsmittel und der Auftrennung des Materials<br />
in verschiedene Korngrössenfraktionen.(LfU,<br />
1993). Je nach Art der vorliegenden Kontamination<br />
werden <strong>im</strong> Bedarfsfall Säuren, Laugen, Oxidationsmittel,<br />
Tenside oder weitere Hilfschemikalien zur<br />
Intensivierung des Extraktionsvorganges zugesetzt<br />
(Eberhard, Firmendokumentation). Dadurch gelingt<br />
es, Schadstoffe entweder aus dem Bodenauszuwaschen<br />
oder gar zu zerstören. Die ausgewaschenen<br />
Schadstoffe reichern sich <strong>im</strong> Feinschlamm und/oder<br />
<strong>im</strong> Extraktionsmittel an. Diese müssen als Sonderabfall<br />
entsorgt werden. Übrig bleibt relativ sauberes<br />
Material, das wieder eingebaut werden kann.<br />
Die Eberhord Recycling AG (1995) mit St<strong>and</strong>ort in<br />
Rümlang sowie d~e Firma NUVAG Umweltschutz AG in<br />
Winterthur bieten dieses Verfahren an. Da dieses<br />
Verfahren bereits erprobt ist und sich für ein breites<br />
Schadstoffspektrum eignet, könnte es für die Altlast<br />
Stierenned eingesetzt werden.<br />
Durch diese Massnahme wird die Altlast entfernt<br />
(Abb. 2.4.3.5). Der Niederschlag kann wieder<br />
versickern. Das Schadstoffpotential wird reduziert<br />
. .<br />
t Regen t<br />
tAuswaschung<br />
tRegen t<br />
Abb. 2.4.3.5 Schematische Darstellung der Alt/ost vor und. noch der<br />
Anwendung des Wasch- undExtraktionsverfahrens.<br />
t<br />
Versickerung<br />
224 UNS-Fallstudie '96
----------------------- Altlasten<br />
potential SChads.~.<br />
.<br />
..<br />
I<br />
~ Freisetzungspotential<br />
Exposition und Bedeutung<br />
der Schutzgüter<br />
Abb. 2.4.3.6 Reduktion<br />
des Schadstoffpotentials<br />
noch der Anwendung des<br />
Wasch- und Extraktionsveifahrens.<br />
(Abb. 2.4.3.6) und es sollten dadurch kaum mehr<br />
Emissionen entstehen. Die Orundwasserbelastung<br />
n<strong>im</strong>mt ab und verschwindet bei der Sanierung der<br />
gesamten Deponie Stierenriid ganz.<br />
Vorteile dieser Massnahme sind, dass es sich um<br />
ein erprobtes und kontrollierbares Verfahren h<strong>and</strong>elt.<br />
Das Verfahren eignet sich für ein breites Schadstoff<br />
.spektrum, und die Beh<strong>and</strong>lungsdauer ist relativ kurz.<br />
Nachteile dieser Variante sind, dass es sich dabei<br />
um ein relativ teures und energieintensives Verfahren<br />
h<strong>and</strong>elt. Bodenwaschverfahren kosten nach Selke<br />
& Hoffmann (1995) zwischen 320.- und 1280.<br />
Fr./m 3 • Energie wird für den Transport des Aushubmaterials<br />
und für die Beh<strong>and</strong>lung benötigt. Für die<br />
Beh<strong>and</strong>lung müssen je nach Situation neben .Wasser<br />
auch noch Säure oder Lauge als ExtraktionsmitteI<br />
eingesetzt werden. Ausserdem werden die Schadstoffe<br />
nicht el<strong>im</strong>iniert sondern aufkonzentriert und<br />
verlagert.<br />
Hydra"lisches in sir" Sanier"ngsverfahren<br />
Durch' gezielte Beeinflussung der Wasserströmung<br />
mittels Pumpen oder Drainagen wird verschmutztes<br />
Sicker- oder Grundwasser gesammelt und anschliessend<br />
gereinigt. Die Reinigung erfolgt sinnvollerweise<br />
in einer Schmutzwasserreinigungsanlage, welche<br />
speziell für die jeweilige Altlast konstruiert wird. Das<br />
gereinigte Wasser wird entweder abermals versickert<br />
oder einer ARA zugeführt. Damit wäre es möglich,<br />
die Schadstoffe in der Deponie auszuwaschen.<br />
Im Fall der Altlast Stierenried könnten zur Fassung<br />
des Wassers schon bestehende Drainagen genutzt<br />
und mit Brunnen ergänzt werden. Das gesammelte<br />
Schmutzwasser könnte mit einer auf dem Areal<br />
erbauten Schmutzwasserreinigungsanlage gesäubert<br />
werden (Abb. 2.4.3.7). Aus der Kiesschicht könnten<br />
max<strong>im</strong>al 300 I Wasser pro Minute gepumpt werden.<br />
~ Regen ~<br />
Dazu sind ungefahr 10 Vertikalfilterbrunnen notwendig,<br />
die bis in eine Tiefe von 10 m reichen<br />
müssen. Durch eine Abdichtung des Deponiekörpers<br />
mittels Dichtwänden könnte das Einzugsgebiet und<br />
damit die zu pumpende Grundwassermenge eingeschränkt<br />
werden. In bezug auf Kohlenwasserstoffe<br />
(KW) und Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe<br />
(PAK) verspricht das Verfahren teilweise geeignet<br />
zu sein. Schwermetalle werden durch diese<br />
Beh<strong>and</strong>lung jedoch nur begrenzt erfasst.<br />
Durch diese Massnahme wird das Schadstoffpotential<br />
langsam reduziert (Abb. 2.4.3.8). Die Auswaschung<br />
der KW ist möglich, für PAK ist diese Massnahme<br />
nur beschränkt geeignet, die Freisetzung der<br />
Schwermetalle ist jedoch äusserst gering. Das von<br />
der Altlast ausgehende Gefahrenpotential wirdsomit<br />
nur zum Teil reduziert.<br />
Exposition und Bedeutung<br />
derSchutzgüter<br />
Abb. 2.4.3.8 Veränderung<br />
der von der Altlast ausgehenden<br />
Gefahr durch die<br />
Hydraulische in situ Sanierung.<br />
Schadstoffpotential<br />
Freisetzungspotential·<br />
Da die Beh<strong>and</strong>lung vor Ort erfolgt, sind keine<br />
Transporte nötig. Das Erdreich wirdso belassen wie<br />
es ist und braucht nicht umgelagert zu werden. Bezüglich<br />
"Abwasserbeh<strong>and</strong>lung kann auf Erfahrungen<br />
mit Verfahren, wie sie bei der Sondermülldeponie<br />
Kölliken angewilndt wurden, zurückgegriffen werden.<br />
Nachteilig wirkt sich aus, dass die Schadstoffauswaschung<br />
nicht wirklich kontrolliert werden kann.<br />
Die Beh<strong>and</strong>lung n<strong>im</strong>mt relativ viel Zeit in Anspruch.<br />
Durch die jährlich anfallenden .Kosten wird dieses<br />
Verfahren auch relativ teuer. Nach unseren Abschätzungen<br />
müsste man für denFall Stierenried mit rund<br />
72 Mio. Fr. rechnen. Dieser Betrag setzt sich aus den<br />
einmaligen Kosten für die Planung, für Investitionen<br />
und für die Entsorgung zusammen sowie aus den<br />
jährlichen Ausgaben für die Beh<strong>and</strong>lung und das<br />
Monitoring, die sich über die gesamte Sanierungsdauer<br />
kumulieren. Die Abschätzung erfolgte in<br />
Anlehnung an die Anlage in Kölliken, die um ungefahr<br />
'/3 grösser ist als dasStierenried. Bei den kumulierten<br />
Kosten gingen wir von der Annahme aus, dass<br />
die Altlast 70 Jahre überWacht wird.<br />
~ Auswaschung<br />
Abb. 2.4.3.7 Schematische Darstellung der Altlast vor und noch der<br />
Anwendungder Hydraulischen in situ Sanierong.<br />
2.5 Die Akteure<br />
Mit «Akteuren" werden die eigentlichen EntscheidungsträgerInnen<br />
(Investorlnnen und Kreditgebednnen)<br />
bezeichnet, sowie Betroffene und Personen<br />
UNS-Fallstudie '96 225
Altlasten ~----------------------------------<br />
oder Institutionen, welche direkt <strong>im</strong> Rahmen von<br />
Verh<strong>and</strong>lungen oder auch indirekt auf Entscheidungen<br />
Einfluss n.ehmen.<br />
2.5.1 Das Akteurnetz<br />
Um eine Vorstellung über die Zusammensetzung<br />
der Akteurengruppe eines Entscheidungsfindungsprozesses<br />
<strong>im</strong> Bereich Altlastensanierung zu erhalten,<br />
wurden die Sitzungsprotokolle der Berater- und<br />
Expertenrunde <strong>im</strong> Fall Stierenried <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit der Realisierung der Bauprojekte TaRO I<br />
,und TORO II analysiert. Diese Gesprächsrunde traf<br />
sich inregelmässigen Abständen über einen Zeitraum<br />
von zwei Jahren.<br />
Aus der Häufigkeit der in diesen Protokollen ersichtlichen<br />
Interaktionen zwischen den einzelnen<br />
Akteuren und einigen Interviews mit ExponentInnen<br />
dieser Entscheidungsträgerparteien wurde ein<br />
Netz der Akteure erstellt.<br />
Hier zunächst eine komplette, Liste der <strong>im</strong> Altlastenfall<br />
Stierenried beteiligten Akteure:<br />
• Bauherrin: ASEA Brown Boweri AG vertreten<br />
durch ABB Immobilien AG (ABB)<br />
• Ehe~alige NutzerInnen: ehemalige ABB<br />
MitarbeiterInnen (Schrebergärten)<br />
• Künftige NutzerInnen: ABB Hochspannungstechnik<br />
AG, ADtranz<br />
• AnwohnerInnen: Durch Umwelteinflüsse •<br />
Belästigte<br />
• Kant. Ämter: Amtfür Gewässerschutz und Wasserbau<br />
des Kantons Zürich (AGW)<br />
• Städt. Ämter: Bauamt I (Tiefbauamt), BauamtII<br />
(Hochbauamt); Baupolizei, AmtfürIndustrie und<br />
Gewerbe, Amtfür Gesundheit und Umwelt, Gartenbauamt<br />
• InvestorInnen: Miteigentümergemeinschaft,<br />
Federführung Winterthut' Versicherungen<br />
• Architekt: Theo Hotz AG<br />
• Deponieplaner: Rytec AG<br />
• Generalunternehmer: Oerlikon Bührle Immobilien<br />
AG (lMAG)<br />
• Geologie: Büro Dr. H. Jäckli AG<br />
• Hochbauingenieure: Basler & Hoffmann AG,<br />
E. Toscano AG<br />
• L<strong>and</strong>schaftsplaner: Büro lktsch<br />
• <strong>Stadt</strong>planer: BüroU. Roth (ur)<br />
• Tiefbauingenieure: H. U. Peter AG<br />
• Arealgeschichte: Peter Link AG<br />
Die Analyse der Protokolle zeigte, dass am eigentlichen<br />
Entscheidungsprozess nur wenige Akteure<br />
beteiligt waren. Die Hauptakteure in der Detail- und<br />
Sanierungsuntersuchung waren die ABB, die IMAG,<br />
das AGW, die <strong>Stadt</strong>behörden, die Büro Dr. Jäckli AG<br />
und das Büro U. Roth.<br />
Die EntscheidungsträgerInnen<br />
Die ABB will auf ihrem Areal die Projekte TaRO I<br />
und IIrealisieren. Da es sich bei
_________________--.,._,......- ,......- ...,....-----'__Altlasten<br />
schieden für ökologische Aspekte ein. Das Tiefbauamt<br />
ist für das Erstellen von Tiefbauten zuständig.<br />
Das Büro U. Roth ist Planungsbeauftragter der<br />
Grundeigentümerlnnen <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong><br />
(ZZN). Es koordiniert und vermittelt in dieser Funktion<br />
zwischen Anliegen <strong>im</strong> Projekt TaRO und dem<br />
Gesaintprojekt ZZN.<br />
Häufigkeit der Kontakte<br />
AJ.lfgrund der regelmässigen, alle zwei Wochen<br />
stattfindenden Sitzungen mit allen Beteiligten hatten<br />
die Hauptakteure regen K
Altlasten --'- ---'- _<br />
n<strong>im</strong>mt und das Vorgehen <strong>im</strong> Sinne der Amtsstelle<br />
kontrolliert. Dies entspricht weitgehend der üblichen<br />
Praxis. Die Sachbearbeiterlnnen des AGW sirid<br />
nur in Einzelfällen vor Ort. Diese Art des Vollzugs<br />
mit einer Eigenkontrolle der Bauherrin durch einen<br />
Gutachter bedingt jedoch, dass der Kontaktzwischen<br />
dem Konzeptveraritwortlichen und dem Amt<br />
ungehindert wahrgenommen werden kann.<br />
Die ExpertInnen befinden sich somit in einer<br />
Doppelfunktion, die der eines Vermittlers sehr<br />
nahe kommt. Daraus resultiert nicht zuletzt auch ein<br />
enormes Mass an Verantwortung, welches auf den<br />
Schultern der ExpertInnen la!ltet.<br />
So fordert die Grundeigentümerin einen kostengünstigen<br />
und in vernünftiger Zeit realisierbaren<br />
Sanierungsvorschlag, welcher das Bauprojekt als<br />
solches nicht in Frage stellt. In dieser ersten Phase<br />
der Erarbeitung des Sanierungsprojektes definiert<br />
sich das AGW als prüfende Fachstelle und bewertet<br />
die Vorschläge der ExpertInnen auf Gesetzeskonformität<br />
und Praxistauglichkeit. Das AGWbetont in<br />
bezug auf den Fall, dass die Zusammenarbeit mit<br />
der Büro Jäckli AG in jeder Beziehung auf einer<br />
Vertrauensbasis stattf<strong>and</strong>. Die Ausarbeitung eines<br />
Sanierungsprojektes mit einem max<strong>im</strong>alen Konsens<br />
seitens der Akteure und opt<strong>im</strong>aler Aussicht auf<br />
Bewilligung, ist das Hauptziel diese'r Phase.<br />
In der zweiten Phase fällt dem Experten, als Vera~twortlicher<br />
der Sanierung, die Überwachung der<br />
Sanierungsarbeiten zu. Wiederum prallen hier die<br />
unterschiedlichen Interessen der.Grundeigentümerin<br />
und des AGW aufein<strong>and</strong>er, d.h. wirtschaftliche<br />
bzw. private versus öffentliche Interessen.<br />
Es ist erfreulich, dass gerade in diesem komplexen<br />
Fall, welcher sozusagen als Präzedenzfall für weitere<br />
Altlastenbearbeitungen dieser Grössenordnung<br />
dienen kann, zwischen den einzelnen Akteuren relativ<br />
schnell eine Vertrauensbasis entstehen konnte,<br />
auf deren Grundlage eine erfolgreiche Bearbeitung<br />
der zahlreichen, natürlichen Konflikte möglich war<br />
und ist.<br />
3. Die Synthese .<br />
Anschliessend an die Aufarbeitung der Grundlagen<br />
zum Entscheidungsprozess bei, der Altlastenbearbeitung<br />
auf dem Stierenried wurden die verschiedenen<br />
Sanierungsalternativen beurteilt. Diese Bewertung<br />
erfolgte mit verschiedenen generellen Entwicklungsperspektiven,<br />
wie sie in den holzschnittartigen<br />
Zukunftsbildern formuliert wurden. In Analogie zum<br />
Brunswikschen Linsenmödell (vgI. Kap. 1.3 SYN<br />
THESEKONZEPT UND VORGEHENSWEISE) werden die <strong>im</strong><br />
Kap; 2 beh<strong>and</strong>elten GRUNDLAGEN wieder zu einem<br />
«Ganzen» zusammengesetzt, um die zu Beginn angeführten<br />
Synthesefragen beantworten zu' können.<br />
Zusätzlich wurden auch die Rolle und das eigene<br />
Rollenverständnis der Akteure der Entscheidurigen<br />
auf dem Stierenried erfasst.<br />
3.1 Beurteilung verschiedener<br />
Sanierungsverfahren<br />
3.1.1 Kriterien<br />
In der Synthesephase 11 wurden aufgrund der Ergebnisse<br />
aus der Teilprojektphase Kriterien und<br />
Indikatoren erarbeitet (Tab. 3.1.1), unter deren Gesichtspunkt<br />
die Sanierungsvarianten für die Altlast<br />
Stierenried bewertet wurden. Diese Kriterien, Indi~<br />
katören und ihre Ausprägungen für die jeweilige<br />
Variante dienten als Grundlage für die Anwendung<br />
des Computerprogramms Logical Decisions (Smith,<br />
1995; vgI. Kasten 2.2 <strong>im</strong> Kap~ GRÜNRAUM). Sowohl die<br />
Kriterienliste als auch gewisse Ausprägungen wurden<br />
in der Gruppe diskutiert. Andere Ausprägungen<br />
wurden anh<strong>and</strong> von Literaturangaben und Modellrechnungen<br />
abgeschätzt.<br />
3.1.2 Ausprägungen<br />
Ausprägungen sind die konkreten, zu einem Indikator<br />
gehörenden Werte, die einer best<strong>im</strong>mten SaIiierungsvariante<br />
entsprechen. Als Beispiel werden hier<br />
die Ausprägungen zweier Indikatoren angeführt:<br />
Energie fir Massnahme<br />
Der Energieaufw<strong>and</strong>wurde mittels Literaturangaben<br />
und des Ökobilanzprogramms SIMA abgeschätzt<br />
(Heijungs, 1992). Das Programm best<strong>im</strong>mt<br />
aufgrund der benötigten Stoffe und deren Mengen<br />
den totalen Energieinhalt. Es werden dabei sämtliche<br />
vorangehenden Energieinputsberücksichtigt,<br />
die zur Herstellung und zum Einbau. der Stoffe<br />
.benötigt werden). Bei unserer Abschätzung wählten<br />
wir die Systemgrenzen derart, dass bei der Sicherung<br />
22$<br />
UNS·Fallstudie '96
______~<br />
____:-------------Altlasten<br />
Kriterium<br />
Schadstoffpotential nach erfolgter<br />
Massnahme<br />
Freisetzungspotential nach erfolgter<br />
Massnahme<br />
Exposition nach der Massnahme·<br />
Hilfs- und Rohstoffe<br />
Energie für Massnahme<br />
Abfall/Recycling<br />
Umwelteinwirkungen durch die<br />
Massnahme<br />
Kosten<br />
Erreichte Sanierungszielebene<br />
Grenzwerte/Qualitätsziele<br />
..<br />
Indikator<br />
Schadstoffpotential wird mit 0 oder 1 ausgedrückt. Es wird betrachtet, ob mit der Sanierungs:<br />
variante: kurzfristig (ca. 5-10 Jahre) das Schadstoffpotential merklich verringert wird. Es<br />
erfolgt dabei keine Gewichtung der einzelnen Schadstoffe. .<br />
«Belastungspunkte» von 0 bis 3. Die Immobilisierung wird dabei als Unterbindung des Ausbreitungspfades<br />
des Schadstoffes durch die Massnahme verst<strong>and</strong>en.<br />
................. •<br />
. .<br />
Qualitative Abschätzung der Gefährdung der Schutzgüter nach erfolgter Sanierung; dreistufige<br />
Bewertungsskala (0: keine Belastung; 1: mässige Belastung; 2: grosse Belastung)..<br />
Hilfs- und Rohstoffe für bauliche Massnahmen und den Chemikalieneinsatz in Tonnen.<br />
Energieaufw<strong>and</strong> für den Bau und den Betrieb der Massnahme in MJ.<br />
Belastungspunkte (0: kein Abfall; +: wenig; ++: viel +++: sehr viel Abfall; -: Abfall kann<br />
recycliert werden). . .<br />
Vierstufige Bewertungsskala(O: keine Belastung, 1: geringe Belastung, 2: mässige Belastung,<br />
3: starke Belastung).<br />
Planungs- und Baukosten bzw. Durchführungskosten sowie alIfällige Beh<strong>and</strong>lungs- und<br />
Monitoringkosten über 70 Jahre in Fr.<br />
vgI. Sanierungszielkaskade Kap. 2.4.1 AUSWAHL VON SANJERUNGSVERFAHREN:- ALLGEMEIN.<br />
Erfüllung 7verschiedener Grenzwerte bzw. Qualitätsziele (vgI. Kap. 3.1.2 AUSPRAGUNGEN)<br />
(Anzahl der erfüllten Anforderungen: 0/7 kleinster Wert (kein Grenz- bzw. Richtwert wird eingehalten);<br />
V7 grösstmöglicher Wert).<br />
. Tob. 3.1.1 Kriterien undIndikatoren, mit denen die Sonierongsvorionten beurteilt wurden.<br />
auch die Zementherstellung für die Stabilisierungsschicht<br />
berücksichtigt wurde. Bei der Bodenwäsche<br />
hingegen wurde weder die Erstellung der Anlage<br />
noch die Beh<strong>and</strong>lung der Restfraktion bilanziert<br />
(Tab. 3.1.2.1).<br />
Sicherung<br />
Bodenwäsche<br />
berücksichtigte Prozesse<br />
Asphalt, Zementstabilisation,<br />
Transport<br />
Waschprozess, Transport<br />
Energieinhalt<br />
1.95 * 10 8 MJ.<br />
1.64 * 10 7 MJ,<br />
Abfall/Recycling<br />
Abfall und Recyclinggrad wurden mit folgendem, semiquantitativemVorgehen<br />
abgeschätzt (Tab. 3.1.2.2).<br />
Bei anfallendem AbWasser sowie zu deponierenden<br />
Feststoffen wurden Belastungspunkte<br />
verteilt. «0» bedeutet kein Abfall,<br />
«+++» bedeutet sehr viel Abfall. «-»<br />
bedeutet, es kann· Abfall recycliert<br />
werden. Dabei werden Outputs aus<br />
dem System «Deponiekörper und<br />
seine Installationen» betrachtet. So bekommt<br />
beispielsweise die Nullvariante<br />
«++» für das belastete Abwasser, das<br />
in einer öffentlichen ARA gereinigt<br />
werden muss. Indessen wird bei der<br />
Hydraulischen in situ Sanierung das<br />
Abwasser innerhalb des Systems - in<br />
der extra dafür errichteten Kläranlage -<br />
Nullvariante<br />
Sicherung<br />
Bodenwäsche<br />
Hydraulisches<br />
in situ<br />
Verfahren<br />
Hydraulische<br />
in situ<br />
sanierung<br />
Kläranlage, Pumpen,<br />
Dichtw<strong>and</strong><br />
2.32 * 10 7 MJ.<br />
Tob. 3.1.2.1 Ergebnisse der Berechnungen des Energieoujwondes.<br />
belastetes<br />
Wasser<br />
belastete<br />
Feststoffe<br />
++ 0<br />
0 0<br />
0 +++<br />
0 ++<br />
Tob. 3.1.2.2 Abschiitzungjürdie Abjollbelostung.<br />
Recyclinggrad<br />
..<br />
UNS-Fallstudie '96 229<br />
o<br />
o<br />
o<br />
Total<br />
2<br />
o<br />
2<br />
2
Altlasten -:-- ---, ~ ~ _<br />
gerelmgt. Es wird kein belastetes Abw~sser in die<br />
öffentliche ARA abgegeben. Der Bau dei Installationen<br />
wird nicht betrachtet. .<br />
3.2 Altlasten in einem sich ändernden<br />
Umfeld<br />
Um die Altlast in einem sich ändernden Umfeld zu<br />
beurteilen, wurden Zukunftsbilder entworfen. Zwei<br />
Gesichtspunkte waren dafür von Bedeutung:<br />
• Das Eintreten eines Zukunftsbildes darf sich nicht<br />
auf unwahrscheinliche Ereignisse stützen.<br />
• Das Eintreten eines Zukunftsbildes darf nicht auf<br />
einem inkonsistenten Argumentarium aufbauen.<br />
Zukunftsbilder<br />
Ein Zukunftsbild, welches sich auf eine veränderte<br />
Auslegung der Gesetze stützt, erfüllt beide Anforderungen<br />
und trägt zudem der Tatsache Rechriung,<br />
dass Veränderungen <strong>im</strong> Vollzug der Gesetze anstehen,<br />
sobald weite,re Grenzwerte zur Verfügung<br />
stehen. Ebenfalls eingeschlossen ist eine Veränderung<br />
der Risikowahrnehmung, die einen direkten<br />
Einfluss auf den Vollzug der Gesetzte hat. Dazu<br />
kommen wirtschaftliche Veränderungen, die sich<br />
ebenfalls auf das gewählte Zukunftsbild auswirken<br />
können. Aus diesen Gründen einigten wir uns auf<br />
das Zukunftsbild «Strenger Vollzug», bei dem wir<br />
von einem verschärften Vollzug der altlastrelevanten<br />
Gesetze ausgingen. Dem Zukunftsbild «Lascher<br />
Vollzug» legten wir einen weniger strikten Vollzug<br />
dieser Gesetze zu Grunde. Das Umfeld dieser<br />
Zukunftsbilder wird <strong>im</strong> folgenden näher beh<strong>and</strong>elt.<br />
Be<strong>im</strong> dritten Zukunftsbild «Business as usual» nahmen<br />
wir an, dass die zukünftigen Rahmenbedingungen<br />
den heutigen entsprechen.<br />
Zukunftsbild «Strenger Vollzug»<br />
Beschreibung des Umfeldes ~wie kann ein solcher Zust<strong>and</strong><br />
entstehen.<br />
• Die Werthaltung gegenüber der Umwelt hat zugenommen:<br />
In den letzten Jahren ereigneten sich einige<br />
Unfälle <strong>im</strong> Zusammenhang mit Altlasten, 'bei<br />
denen grosse Mengen an Trinkwasser verunreinigt<br />
wurden, was grosse Sanierungskosten nach sich<br />
zog. Sanierungsgelder mussten dabei oft von der<br />
öffentlichen H<strong>and</strong> aufgebracht werden, da VerursacherInnen<br />
nicht mehr zu finden waren. Dies<br />
hat auch Auswirkungen auf die Politik. Vermehrt<br />
werden Poli,tikerlnnen gewählt, die sich nicht nur<br />
für ökonomische Belange einsetzen, sondern auch<br />
ökologische Aspekte für wichtig erachten.<br />
Der Boden wird als wichtige Resso'urceverst<strong>and</strong>en,<br />
.die es zu schützen gilt.<br />
Der Ausbildungsst<strong>and</strong> . bezüglich Umweltwissen<br />
konnte durch eine intensive Umweltpädagogik<br />
stark verbessert werden.<br />
• Die Hochkonjunktur:<br />
Die Schweizer Wirtschaft hat sich in den letzten<br />
Jahren gut erholt und man befindet sich in einer<br />
Zeit der Hochkonjunktur. Der Schweiz ist es gelungen,<br />
dem Konkurrenzdruck aus dem Ausl<strong>and</strong><br />
st<strong>and</strong>zuhalten, indem das Bildungsniveau hochgehalten<br />
werden konnte und viel Know-how,vorh<strong>and</strong>en<br />
ist.<br />
Die Bevölkerung lebt in guten ökonomischen Verhältnissen,<br />
Arbeit ist genügend vorh<strong>and</strong>en und das<br />
soziale System funktioniert gut. Auch die Überalterung<br />
der Bevölkerung stellt keine unlösbaren<br />
Probleme dar.<br />
In diesem Kl<strong>im</strong>a hat die Ökologie einen hohen<br />
Stellenwert und Gesetze werden diesbezüglich<br />
angepasst. Der Bodenpreis ist aufgrund der grossen<br />
Nachfrage hoch. Damit gewinnt der Boden auch<br />
ökonomisch an Bedeutung.<br />
• Die Umweltsituation:<br />
Durch die starke Bedrohung des Bodens und des<br />
Grundwassers in den vergangenen Jahren wurde<br />
eine starke technische Entwicklung bezüglich der<br />
Sanierung von Altlasten initiiert. Auch führt der<br />
konsequente Vollzug des USG zu einer konsequenteren<br />
Altlastenbearbeitung und einer Vermeidungvon<br />
Emissionen.<br />
Bundesebene<br />
Der Bundesrat legt, entsprechend der ihm in Art. 33<br />
USG eingeräumten Befugnis, Richtwerte für die<br />
Beurteilung der Bodenbelastung derart fest, dass Belastungen<br />
unterhalb dieser Werte die Fruchtbarkeit<br />
des Bodens auch langfristig nicht beeinträchtigen.<br />
Ausserdem legte er Anforderungen an die Wasserqualität<br />
der unterirdischen Gewässer (Grund- und<br />
Quellwasser) fest (Art. 9 Abs. '2 GSchG). Die Werte<br />
werden entsprechend der «Holl<strong>and</strong>liste » (BUWAL,<br />
1996) festgelegt.<br />
'Der Vollzug der Umweltschutzgesetzgebung wird<br />
<strong>im</strong> Sinne der Prävention voll auf das Vorsorgeprinzip<br />
(Art. 1 Abs. 2 USG) ausgerichtet.<br />
Kantonsebene<br />
Im Sinne von Art. 32c USGrev sorgen die Kantone<br />
dafür, dass Altlasten saniert werden. Den kantonalen<br />
Vollzugsbehörden wird mit den neuen Richt-/Grenzwerten<br />
ein besseres Instrumentarium zur Beurteilung<br />
der Umweltverträglichkeit von Althlsten zur<br />
Verfügung gestellt.<br />
Im Sinne der oben genannten Prävention sind als<br />
Sanierungsziel die mit einer Altlast verbundenen<br />
230<br />
f<br />
UNS-Fallstudie '96
----"'-------------_---------<br />
---------Altlasten<br />
Schadstoffgehalte und Schadstoffflüsse auf ein Mas's<br />
zurückzuführen, das dem natürlichen Stoffhaushalt<br />
entspricht. Dies ist technisch möglich und wirtschaftlich<br />
tragbar. Die Altlasten werden SO beh<strong>and</strong>elt,<br />
dass nur verwertbare und endlagerfähige Stoffe<br />
entstehen (§ 32 Abs. 1 Abfallgesetz Kt. ZH).<br />
Zllkllnftsbild «Lascher Vollzllg»<br />
Beschreibung des Umfeldes- wie kann ein solcher Zust<strong>and</strong><br />
entstehen.<br />
• Die Werthaltung gegenüber der Umwelt n<strong>im</strong>mt ab:<br />
DieUmweltproblematik hat in der Bevölkerung in<br />
den letzten fünf Jahren an Bedeutung verloren.<br />
.Dies ist einerseits damit verbunden, dass durch<br />
neue Gesetze Grundlagen geschaffen wurden,<br />
welche den Schutz von Mensch, Tier und Umwelt<br />
zum Ziel haben und <strong>and</strong>ererseits, dass die rezessionsbedingten<br />
Probleme zuoberst auf der Prioritätenliste<br />
stehen. Es ist davon auszugehen, dass<br />
dieser Trend anhält, wenn keine gravierenden Umweltschäden<br />
auftreten. Damit wird dieses Thema<br />
auch für die Medien <strong>im</strong>mer uninteressanter.<br />
Diese allgemeine Grundhaltung beeinflusst die<br />
Zusammensetzung der politischen L<strong>and</strong>schaft. Es<br />
werden Leute gewählt, die sich für wirtschaftliche<br />
Anliegen einsetzen. Dazu kommt der Druck aus<br />
Wirtschaftskreisen, die ihre Interessen vertreten<br />
haben wollen (Lobbying). Die PolitikerInnen .<br />
legen weniger Wert auf einen strikten Vollzug der<br />
Anliegen des USG.<br />
In der Ausbildung verliert die Umwelterziehung<br />
an Bedeutung. Dies führt zu einer geringeren<br />
Sensibilisierung in Umweltfragen.<br />
• Die wirtschaftliche Entwicklung ist negativ:<br />
Im Rahmen der Globalisierung wird der Kostendruck<br />
auf inländische Unternehmungen <strong>im</strong>mer<br />
grösser. Somit werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />
zu einemProduktionsfaktor. Eine<br />
.strenge Umweltschutzgesetzgebung bringt Auflagen<br />
und Kosten mit sich. Um die Abw<strong>and</strong>erung<br />
der Unternehmen zu verhindern und um die<br />
strukturelle Arbeitslosigkeit klein zu halten, werden<br />
Ausnahmebewilligungen in grossem Mass<br />
erteilt.<br />
Der Bodenpreis ist aufgrund der geringen. Nachfrage<br />
tief. Damit verliert der Boden indirekt an<br />
Bedeutung und wird nicht mehrals schützenswert<br />
betrachtet. Der Vollzug erfolgt nicht konsequent.<br />
• Umweltbelastung:<br />
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse werden nicht<br />
mehr weiterentwickelt. Innovationen bleiben aus.<br />
Ein verschärfter Vollzug ist technisch und wirtschaftlich<br />
nicht tragbar. Die Schutzgüter sind<br />
keine knappen Güter, und müssen deshalb nicht<br />
besonders geschützt werden.<br />
Bundesebene<br />
Auf die Festlegung von weiteren Richtwerten zur<br />
Beurteilung der Bodenbelastung von Altlasten und<br />
Anforderungen an die Grundwasserqualität durch<br />
den Bundesrat wird weiterhin verzichtet..<br />
Ziel der Umweltschutzgesetzgebung ist der Schutz<br />
von Menschen, Tieren und Pflanzen, ihrer Lebensgemeinschaften<br />
und Lebensräume gegen schädliche<br />
und lästige Einwirkungen und die Erhaltung der<br />
Bodenfruchtbarkeit, wobei die Interpretation der<br />
«Gefährdung der Schutzgütec» grosszügig ausgelegt<br />
wird und teilweise vorh<strong>and</strong>ene Grenzwerte ignoriert<br />
werden. Der Vollzug beschränkt sich einzig auf die<br />
Gefahrenabwehr.<br />
Kantonsebene<br />
Den kantonalen Vollzugsbehörden fehlen brauchbare<br />
Kriterien zur Beurteilung d~r Umweltverträglichkeit<br />
von Altlast~n. Die Sanierung von Altlasten<br />
ist wirtschaftlich nicht tragbar ur:td die Technologien<br />
dazu sind nicht verfügbar. Zudem stehen.wirtschaftliche<br />
Aspekte teilweise den Umweltproblemen<br />
als übergeordnete oder gleichwertige Interessen<br />
gegenüber. Die in der kantonalen Gesetzgebung<br />
festgelegten Ausführungsbest<strong>im</strong>mungen werden so<br />
angewendet, dass <strong>im</strong> Sinne der Gefahrenabwehr<br />
lediglich Nutzungseinschränkungen vorgenommen<br />
werden;<br />
3.3 Bewertung der Sanierungsvarianten<br />
. 3.3.1 Grllndlagen<br />
In den vorangehenden Kapiteln wurde beschrieben,<br />
welche Kriterien zur Bewertung der vier Sanierungsvarianten<br />
massgebend sind. Ebenso wurden dort<br />
zwei Zukunftsbilder entworfen, aufderen Grundlage<br />
die Tauglichkeit der vier Sanierungsvarianten für<br />
den Altlastenfall Stierttnried in den nächsten 70 Jahren<br />
bewertet werden kann.<br />
In diesem Kapitel soll das Vorgehen zur Auswahl<br />
der geeignetsten Sanierungsvariante aufgezeigt werden.<br />
In einem ersten Bewertungsschritt wird von einer<br />
Situation ausgegangen, wie sie den heutigen Gegebenheiten<br />
entspricht. Im Sinne eines «Business<br />
as usual» nennen wir diesen Fall « Zukunftsbildl»<br />
oder S1.<br />
In einem zweiten Schritt wollen wir eine Beurteilung<br />
bezüglich den"beiden, <strong>im</strong> Kap. 3.2 ALTLASTEN .<br />
IN EINEM SICH ÄNDERNDEN UMFELD beschriebenen,<br />
zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten vornehmen<br />
und auf diese Weise zu einer favorisierten<br />
Sanierungsvariante gelangen. Diese zukunftsorientierte<br />
Bewertung beinhaltet nun auch die Kriterien<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
231
Altlasten__-'-- '-- ---,. _<br />
H<strong>and</strong>lungsbedarf<br />
Altlast Stierenried<br />
Abb. 3.3.1 Übersicht der Bewertungsschritte in der Synthesephase.<br />
81 82 83<br />
P22<br />
Kriterien kann heute mit Hilfe von<br />
Computersoftware auf den Grundlagen<br />
der Entscheidungstheorie bearbeitet<br />
werden.<br />
Das Programm Logical Decisions<br />
bietet uns eine praktische und angemessene<br />
Anwendung dieses Problemlösungskonzeptes.<br />
Wir entschieden<br />
uns deshalb für dieses Entscheidungshilfeprogramni<br />
zur Auswahl einer<br />
opt<strong>im</strong>alen Sanierungsvariante.<br />
welche in den Postulaten der Nachhaltigkeitsbetrachtung<br />
enthalten sind.<br />
Den einen Fall in diesem zweiten Bewertungsschritt,<br />
den «Strengen Vollzug» nennen wir «Zukunftsbild<br />
2» oder S2, den ~Laschen Vollzug»<br />
nennen wir «Zukunftsbild 3»· oder S3. Abb. 3.3.1 soll<br />
diesen Ablauf nochmals verdeutlichen.<br />
3.3.2 Bewertllllg mit Hilfe VOll LogicalDecisiolls<br />
Um unter den unterschiedlichen Sanierungsvarianten<br />
eine opt<strong>im</strong>ale· Auswahl treffen zu können, ist<br />
ein Vergleichund eine Bewertung der Nutzen dieser<br />
einzelnen Varianten erforderlich. Eine derartige Entscheidungsfindung<br />
unter Berücksichtigung mehrerer<br />
Strllktllr IIlId Arbeitsweise VOll Logical Decisiolls<br />
Um zur Auswahl einer opt<strong>im</strong>alen Sanierungsvariante<br />
zu gelangen, erhielten die einzelnen Varianten den<br />
Stellenwert von Bewertungszielen. Im weiteren wurden<br />
Kriterien definiert, welche es erlaubten, diese<br />
Hauptziele zu charakterisieren. Diese Kriterien wurden<br />
wiederum mittels Indikatoren zu quantifizieren<br />
versucht. Diese entspricht der Gliederung wie sie <strong>im</strong><br />
Logical Decisions (Smith, 1995) verwendet wird, um<br />
bezüglich irgend einer Problematik, eine Entscheidung<br />
zwischen mehreren Alternativen zu treffen.<br />
Abb. 3.3.2 verdeutlicht die <strong>im</strong> Programm angewendete<br />
Hierarchie.<br />
Das Programm gliedert sich in 4 Teile:<br />
1. die eigentliche Strukturierung des Problems in<br />
Ziele, Unterziele, Kriterien und Unterkriterien<br />
anh<strong>and</strong> eines Strukturdiagrammes,<br />
2. die Eingabe der Ausprägungen der einzelnen<br />
Kriterien und Nutzenfunktionen,<br />
3. die Gewichtung der Kriterien gegenein<strong>and</strong>er und<br />
4. die Analyse der Resultate.<br />
Abb. 3.3.2 Entscheidungsbaum <strong>im</strong> Programm Logical Decisions.<br />
Bewertllllgsziel, Kriteriell IIlId IndikatoreIl<br />
<strong>im</strong> Logical Decisiolls<br />
Jede Bewertung zielt auf einen Vergleich verschiedener<br />
Alternativen ab. Dazu müssen bei allen Alternativen<br />
dieselben Aspekte betrachtet werden. Die<br />
verschiedenen Aspekte haben dabei oft einen unterschiedlichen<br />
Stellenwert, sowohl vomProblemfeld<br />
her als auch aus der Sicht der Bewertenden. Es ist<br />
daher sinnvoll, diese Dinge differenziert zu betrachten,<br />
um eine Bewertung nachvollziehbar zu gestalten.<br />
In der Regel werden die verschiedenen zu betrachtenden<br />
Aspekte als Kriterien bezeichnet, ihr<br />
Stellenwert als Gewichtung. Die Kriterien und ihre<br />
Gewichtungen sowie die dazugehörigen Zielvorstellungen<br />
nennt man Bewertungsstrukturen.<br />
Ein Kriterium stellt eigentlich.ein theoretisches<br />
Konstrukt dar, dem beobachtbare Sachverhalte zugeordnet<br />
werden müssen (Schnell, 1993). Diese<br />
beobachtbaren Sachverhalte werden als Indikatoren<br />
232<br />
UNS-Fallstudie '96
---~-----:-------------- --:. ~ AItlasten<br />
bezeichnet und stellen die eigentlichen «Messgrössen»<br />
der Kriterien dar.<br />
Werden nun verschiedene Alternativen verglichen,<br />
so wird zuerst die Ausprägung, d. h. der konkrete Wert<br />
des Indikators ermittelt. Die erhaltenen Werte der<br />
Indikatoren können kombiniert werden und ordnen<br />
so den Kriterien einen Wert zu. Die Gewichtung der<br />
Kriterien ist dann ein individueller Schritt, der von<br />
verschiedenen Personen auch unterschiedlich vorgenommen<br />
wird.<br />
Für die Bewertung der verschiedenen Sanierungsvarianten<br />
wurde ebenfalls eine solche Bewertungsstruktur<br />
aufgebaut. Es gibt für die Auswahl von<br />
Sanierungsvarianten verschiedene Bewertungssysteme,<br />
die dabei als Grundlage verwendet werden<br />
können.<br />
Es wurde darauf geachtet, das Kriteriensystem so<br />
einfach wie möglich zu gestalten, um die Übersichtlichkeit<br />
und H<strong>and</strong>habbarkeit zu wahren. Für die einzelnen<br />
Sanierungsvarianten wurden die Ausprägungen<br />
best<strong>im</strong>mt und als Grundlage für den eigentlichen<br />
Bewertungsschritt bereitgestellt.<br />
Nach der Definition der Ziele und Unterziele (Abb.<br />
3.3.2) für das Entscheidungshilfeprogramm Logical<br />
Decisions wurde für jeden Indikator eine Nutzen/unktion<br />
best<strong>im</strong>mt. Im folgenden wird dies an einem<br />
Beispie~ dargelegt:<br />
Die Umweltauswirkung einer Massnahme selbst<br />
wurde als Indikator für die Umweltverträglichkeit<br />
dieser Massnahme gewählt.<br />
Bei der Definition der Nutzen/unktion wurde nun in<br />
der Arbeitsgruppe der Nutzen bzw. Schaden dieser<br />
Umweltauswirkungen diskutiert. Es ist dabei offensichtlich,<br />
dass eine möglichst tiefe Um.weltbelastung<br />
durch die Massnahme selbst den grössten Nutzen<br />
darstellt und dass eine hohe Belastung einem<br />
entsprechend tiefen Nutzen entspricht. Die Nutzenfunktion<br />
wurde daher so aufgestellt, dass der Massnahme<br />
mit der tiefsten Umweltbelastung der Nutzen<br />
1 zugeordnet wurde, derjenigen mit der höchsten<br />
Belastung der Nutzen o. Dazwischen wurde die Nutzenfunktion<br />
als linear angesehen.<br />
Für die betrachteten Zukunftsbilder wurde die<br />
Nutzenfunktion leicht verändert: Be<strong>im</strong> Zukunftsbild<br />
«Strenger Vollzug» wurde angenommen, dass jede<br />
Belastung zu vermeiden sei, d.h. die Funktion lällt<br />
steil ab und erhält einen Knick (siehe Tab. 3.3.2). Für<br />
das Zukunftsbild des «Laschen Vollzugs», bei dem es<br />
um die Gefahrenabwehr geht, wurde· angenommen,<br />
die Abwendung der Gefahr habe absolute Priorität,<br />
und die Umweltbelastung durch die Massnahme<br />
selbst sei weniger relevant.<br />
3.3.3 Resrlltate der Bewertrlngen<br />
In den Abb. 3.3.3.1 bis 3.3.3.3 haben die einzelnen<br />
Balken die Bedeutung der Gesamtsumme der<br />
Nutzen für die betrachteten Teilaspekte «Kosten»,<br />
«Sanierungserfolg», «Umweltverträglichkeit» und<br />
«Recht». In Tab. 3.3.3 ~ird eine Übersicht mit Gewichtung<br />
der einzelnen Beurteilungskriterien gegeben.<br />
Die intera~tiveBewertung am Computer wurde<br />
von den Mitgliedern der Synthesegruppe Altlasten<br />
durchgeführt, allesamt Studierende des Studienganges<br />
Umweltnaturwissenschaften der <strong>ETH</strong><br />
Zürich.<br />
Das Zrlkrlnfrsbild «Brlsiness as USrlal»<br />
Die K<strong>and</strong>idatlnnen (in Abb. 3.3.3.1 bis 3.3.3.3 als<br />
Rater bezeichnet), welche eine Bewertung der Sanierungsvarianten<br />
unter dem Zukunftsbild «Business<br />
as usual» vornahmen, tendieren zusammen mit der<br />
Entscheidungshilfe zur Sicherung. Diese ist aber hart<br />
gefolgt von der Bodenwäsche und der Nullvariante<br />
(Abb. 3.3.3.1). Die Hydraulische in situ Sanierung<br />
fällt klar ab. Sie wurde von keinem/r K<strong>and</strong>idatln mit<br />
Hilfe des p.rogramms ausgewählt..<br />
Dass zwei dieser Varianten in der Gesamtnutzenbetrachtung<br />
sehr nahe beiein<strong>and</strong>er .liegen und die<br />
Wahl somit nicht eindeutig ausfällt, weist auf eine<br />
Schwierigkeit hin, welcher die EntscheidungsträgerInnen<br />
(ABB, AGW, <strong>Stadt</strong>) in der Realität auch begegnet<br />
sind. Auch bei unterschiedlicher Gewichtung<br />
der Einzelbeiträge zum Gesamtnutzen kann ein<br />
ähnlicher Gesamtnutzen resultieren. Dies ist z.B.<br />
dann der Fall, wenn einmal ökologischen Aspekten<br />
bz~. einmal ökonomischen Aspekten ein stärkeres<br />
Gewicht beigemessen wird.<br />
Die IX<strong>and</strong>idatlnnen gewichteten die Umweltverträglichkeit<br />
und die Einhaltung des Rechts <strong>im</strong><br />
Durchschnitt leicht stärker als die Kosten. Bezüglich<br />
Indikator<br />
Business as usual·<br />
Strenger Vollzug<br />
Lascher Vollzug<br />
Umweltauswirkungen der<br />
Massnahmen selbst<br />
Nutzen<br />
:LUrnW-_<br />
Tab. 3.3.2 Darstellung der Nutzenfunktionen für die drei Zukunftsbilder, Beispiel (UntW = Umweltauswirkung).<br />
UNS-Fallstudie '96 233
Altlasten '-- -'-- _<br />
0.8<br />
0.7<br />
0.6<br />
0.5<br />
0.4<br />
0.3<br />
0.2<br />
,0.1<br />
o<br />
Bodenwäsche<br />
Sicherung<br />
Abb. 3.3.3.1 Gesomtnutzen der Sonieningsvorionten <strong>im</strong> Zukunftsbild «Business os usuol».<br />
der Kosten gab es beachtliche Differenzen bei den<br />
verschiedenen K<strong>and</strong>idatlnnen: die Gewichtung geht<br />
'von 0.06 bis 0.5. Die <strong>and</strong>eren Kriterien wurden aber<br />
relativ einheitlich gewichtet. Diese Resultate sind<br />
aus den Abbildungen nicht ersichtlich.<br />
Das Zukunftsbild «Strenger Vollzug))<br />
Szenario «Business as usuab><br />
hydraulische<br />
in Sit4 Sanierung<br />
Dass be<strong>im</strong> Zukunftsbild «Strenger Vollzug» die<br />
Bodenwiische gewinnt, scheint recht plausibel. Bei<br />
dieser Variante wird eine Totalsanierung, d.h. eine<br />
max<strong>im</strong>ale Entfernung der Schadstoffe, angestrebt,<br />
mit der die gesetzlichen Best<strong>im</strong>mungen erfüllt<br />
werden sollen. Da sich bei diesem Zukunftsbild die<br />
Schweizer Wirtschaft in Hochkonjunktur befindet,<br />
spielen die Kosten eine geringe Rolle. Dies kommt<br />
bei der Gewichtung durch die K<strong>and</strong>idatlnnen klar<br />
0.8<br />
0.7<br />
0.6<br />
0.5<br />
0.4<br />
0.3<br />
0.2<br />
0.1<br />
o<br />
Bodenwäsche<br />
Sicherung<br />
hydraulische<br />
in situ Sanierung<br />
Nullvariante<br />
Szenario «Strenger Vollzug»<br />
Nullvariante<br />
Abb.3.3.3.2 Gesomtnutzen derSonierungsvorionten <strong>im</strong> Zukunftsbild 'Strenger Vollzug».<br />
Ili Rater 14<br />
• Rater 15<br />
11I Rater 16<br />
• Rater 17<br />
• Rater1B'<br />
D Mittelwert<br />
Ili Rater 1<br />
• Rater2<br />
Ili Rater3<br />
D Rater4<br />
• Rater5<br />
Ili Rater6<br />
• Rater7<br />
D Mittelwert<br />
zum Ausdruck (Tab. 3.3.3).<br />
Dieses Resultat, das mit Hilfe<br />
der Methode Logical Decisions<br />
eruiert wurde, weist darauf<br />
hin, dass die B odenwiische eine<br />
sinnvolle Lösung ist, wenn'<br />
finanziellen Fragen wenig<br />
Gewicht beigemessen wird.<br />
Die <strong>and</strong>eren Kriterien wur- .<br />
den ähnlich gewichtet.<br />
Es war unerwartet, dass die<br />
Hydraulische in situ Sanierung<br />
gleich gut wie die Nullvariante<br />
bewertet wurde. Ausschlaggebend<br />
dafür könnten etwa<br />
das hohe Risiko dieses Verfahrens<br />
sowie der enorme<br />
Energieverbrauch sein. Weiter<br />
könnten einerseits gewisse<br />
Inkonsistenzen bei der Kriterienauswahl<br />
und der Aufstellung der Ausprägungen<br />
ausschlaggebend sein, <strong>and</strong>ererseits eine punktuelle'<br />
Extrembeurteilung eines/r einzelnen Bewertenden.<br />
Das Zukunftsbild fiLascher Vollzug~<br />
Betrachtet man den mittleren Nutzen der Sanierungsvarianten,<br />
so tritt in diesem Zukunftsbild die<br />
Sicherung deutlich hervor. Bei sämtlichen K<strong>and</strong>idatlnnen<br />
rangiert die Sicherung auf Platz eins. Die<br />
Bodenwiische und die Nullvariante unterscheiden sich<br />
nicht wesentlich. Je nach K<strong>and</strong>idatln sind sie auf<br />
Platz zwei, drei und einmal sogar vier. Am schlechtesten<br />
schneidet die Hydraulische in situ Sanierung ab.<br />
Sie wird von fünf der sechs Bewertenden auf Platz<br />
vier eingestuft (Abb. 3.3.3.3). Es fallt weiter auf, dass<br />
die Gesamtrangfolgen bei den Zukunftsbildern «Lascher<br />
Vollzug» und<br />
«Business as usual»<br />
eine grosseÜbereinst<strong>im</strong>mung<br />
besitzen.<br />
Be<strong>im</strong> Versuch dieses<br />
Resultat zu er-'<br />
klären, können die<br />
Daten aus der Tab.<br />
3.3.3 mit den durchschnittlichen<br />
Kriteriengewichtungen<br />
weiterhelfen.<br />
Ihr ist zu<br />
,entnehmen, dass von<br />
den Beurteilenden<br />
die Kosten als wichtigstes<br />
Kriterium eingestuft<br />
wurde. Dies<br />
lässt sich mit. den<br />
schlechten wirtschaft-<br />
234 UNS-Fallstudie '96
___-----------'-------~---------'--------'-..:...-------Altlasten<br />
lichen Voraussetzungen erklären,<br />
die diesem Zukunftsbild zugrunde<br />
liegen. Die kostengünstige<br />
Lösung der Sicherung schneidet<br />
deshalb am besten ab, während<br />
die kostspielige Variante der<br />
Hydraulischen in situ Auswaschung<br />
nicht konkurrenzfähig ist.<br />
Weiter kann aus den Daten der<br />
Tab. 3.3.3 entnommen werden,<br />
dass der Umweltverträglichkeit<br />
die . tiefste Priorität b~igemessen<br />
wurde. Dem Zukunftsbild<br />
«Lascher Vollzug» liegt keine<br />
strenge Einhaltung der Grenzwerte<br />
zugrunde. Eine vollständige<br />
Sanierung, wie sie etwa eine<br />
Bodenwäsche bietet, ist deshalb<br />
nicht oberstes Ziel.<br />
Vergleich der verschiedenen<br />
ZRkRnftsbilder<br />
In Tab. 3.3.3 sind die Gewichtungen<br />
für die' vier Kriterien<br />
zusammengefasst, Kursivgedrur;kte<br />
Werte zeichnen sich durch eine<br />
besonders hohe Bewertung des<br />
Nutzens aus. Diese Kriterien<br />
haben entsprechend grossen Ein~<br />
fluss auf das Endresultat. Andererseits<br />
können sich hier Fehler<br />
O.S<br />
0.2<br />
0.1<br />
o<br />
Bodenwäsche Sicherung hydraulische<br />
in situ Sanierung<br />
Szenario «LascherVollzug»<br />
Nullvariante<br />
Abb.3.3.3.3 Gesamtnutzen derSanierungsvarianten <strong>im</strong> Zukunftsbild «Loseker Vollzug•.<br />
Zukunftsbild<br />
Kosten<br />
............••..••........ .<br />
.Sil~~r.IIJl1t~~r:'.()Ii. .<br />
Umweltverträglichkeit<br />
.................... .<br />
Recht<br />
in der Abschätzung der Ausprägungen, der Nutzenfunktionen<br />
usw. besonders starkfortpflanzen. Dieser<br />
Umst<strong>and</strong> müsste durch eine Sensitivitätsanalyse<br />
weiter geprüft werden.<br />
3.3.4 DiskRssion der Ergebnisse Rnd Methoden<br />
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die<br />
Hydraulische in situ Sanierung sowie die Nullvariante<br />
für eine Altlastenbeh<strong>and</strong>lung des Areals Stierenried<br />
als ungeeignet beurteilt wurden. Sie werden in keinem<br />
Zukunftsbild als geeignet eingestuft. Die Siche-<br />
. rung und die Bodenwäsche sind in Abhängigkeit der<br />
Gegebenheiten denkbar. Je nach gesetzlichem Umfeld<br />
ist die c:;ine oder die <strong>and</strong>ere Variante zu bevorzugen.<br />
Die Prüfung mittels einer Sensitivitätsanalyse<br />
würde es allenfalls ermöglichen, eine eindeutigere<br />
Wahl zwischen diesen zwei verbleibenden Varianten<br />
zu treffen. Um präzisere Aussagen zu ermöglil;:hen,<br />
müsste die erarbeitete Datenbasis erweitert und<br />
einer genaueren statistischen Prüfung unterzögen<br />
werden.<br />
Ob die verschiedenen Zukunftsbilder <strong>im</strong> Entscheidungsmodell<br />
abgebildet werden können und ob<br />
Business as usual<br />
0.214<br />
..................<br />
0.213<br />
...............................<br />
0.317<br />
0.256<br />
Strenger Vollzug<br />
0.07<br />
..................<br />
0.368 ............... .<br />
0.26<br />
. .<br />
0.303<br />
111 RaterS<br />
• Rater9<br />
111 Rater 10<br />
D Rater 11<br />
• Rater 12<br />
• Rater 13<br />
D Mittelwert<br />
Lascher Vollzug<br />
0.652<br />
0.113<br />
0.06 ..............<br />
0.179<br />
Tob. 3.3.3 Gewiektung der einzetnen Kriterien als Durckseknitt oller K<strong>and</strong>idatInnen IHr die drei<br />
Zukunltsbilder.<br />
damit eine" Variantenbewertung unter verschiedenen<br />
Zukunftsbildern vorgenommen werden kann, war für<br />
uris zu Beginn noch eine Frage und deren Realisierung<br />
ein Wagnis.<br />
Das Entscheidungshilfeprogramm Logical Decisions<br />
, ist ein geeignetes Werkzeug zur Variantenbewertung.<br />
Es zwingt die BenutzerInnen, eine strukturierte<br />
Analyse des Problems durchzuführen (Ziele, UnterzieIe)<br />
sowie eine bewusste Gewichtung der Kriterien<br />
und Unterkriterien vorzunehmen. Die Ausgabe<br />
der Resultate erlaubt eine transparente Darstellung<br />
des Entscheidungsvorschlags. Das Programm bietet<br />
verschiedene zusätzliche Analyse- und Darstellungsmöglichkeiten<br />
an, wie Sensitivitätsanalysen für Gewichtungsverschiebungen,<br />
Rangfolge mit Nutzenanteilen<br />
der einzelnen'Kriterien am Gesamtnutzen<br />
und graphische Ausgabe der eigenen Gewichtung.<br />
(versteckte) Bewertungen<br />
Im folgenden wird nun kurz auf einige versteckte<br />
Bewertungen eingegangen: .<br />
Auf den ersten Blick erscheint die Struktur in<br />
Logical Decisions einleuchtend und einfach verständlich.<br />
Aber nur mit den Nutzenfunktionen und der<br />
.~<br />
I<br />
UNS-Fallstudie '96 . 235
Altlasten ~ ----, -,-- _<br />
Gewichtungsphase ist noch nicht alles genannt, was<br />
wirklich Einfluss aufdie Bewertung haben kann:<br />
a)Auswahl der Kriterien<br />
Die mehr oder weniger bewusste Selektion von<br />
Kriterien wird die Endbewertung sicherlich stark<br />
prägen.<br />
b)Skalierung der Ausprägungen<br />
Für jedes Kriterium sind dessen Ausprägungen zu<br />
skalieren, wobei eine Bewertung vorgenommen<br />
wird. Wenn beispielsweise für . das Kriterium<br />
«Kosten" ein grosser Skalenbereich angenomm~n<br />
wird, die spezifischen Ausprägungen der Varianten<br />
aber nahe beiein<strong>and</strong>er liegen, so erhalten auch<br />
die schlechten Varianten noch einen relativ hohen<br />
Nutzen.<br />
c)Festlegung der Nutzenfunktionen<br />
. Mit der Festlegung der Nutzenfunktionen wird<br />
die Rangfolge der Varianten stark beeinflusst. Da<br />
die Nutzenfunktionen beliebig definiert werden<br />
können, ist es wichtig, jede Funktion gründlich<br />
zu diskutieren.<br />
d)Auswahl der Vergleichskriterien<br />
Sobald mehr als zwei Kriterien zu einem Unterziel<br />
vorh<strong>and</strong>en sind, kann ausgewählt werden, welche<br />
Kriterien mit welchen verglichen 'Yerden sollen.<br />
Auch dadurch können unbewusst Bewertungen<br />
einfliessen, die ungeschickte Kriterienkombinationen<br />
generieren und somit ein verzerrtes Bild<br />
schaffen.<br />
e)Hierarchie der Bewertung<br />
. Oft wird erst bei den Besprechungen eines Resultates<br />
klar, weshalb gewisse Gewichtungen vom Programm<br />
in dieser Weise verwendet wurden. Alle<br />
Gewichtungen addieren sich zu 1 und beruhen auf<br />
relativen Vergleichen von Kriterien. Zur Konsistenzanalyse<br />
kann man sich auch die (nicht selber best<strong>im</strong>mten,<br />
sondern durch das Programm berechneten)<br />
übrigen Vergleiche anzeigen lassen und sie<br />
unter Umständen revidieren.<br />
Diese Ergebnisse illustrieren die vielseitigen Anwendungsmäglichkeiten<br />
dieser Methode zur systematischen<br />
und logischen Strukturierung des Bewertungsprozesses<br />
und als wertvolle Unterstützung der<br />
Entscheidungsfindung bei der praktischen Auswahl<br />
einer geeigneten Sanierungsmassnahme.<br />
3.4 Opt<strong>im</strong>ierung·der<br />
Entscheidungsfindung<br />
3.4.1 Ziele<br />
Um die Altlastenproblematik <strong>im</strong> Stierenried aus Sicht<br />
der Betroffenen besser zu verstehen und Thesen<br />
zu einem opt<strong>im</strong>alen Entscheidungsmanagement<br />
zu entwickeln, identifizierten wir die wichtigsten<br />
Akteure und untersuchten Abläufe und Charakteristika<br />
der Entscheidungsfindung. Altlastentypische<br />
Konflikte wurden in. einem weiteren Schritt analysiert<br />
und bildeten eine Grundlage für die Formulierung<br />
von Thesen zu einer Opt<strong>im</strong>ierung der<br />
Entscheidungsfindung <strong>im</strong> Umgang mit Altlasten.<br />
Unsere Arbeit basierte <strong>im</strong> wesentlichen auf<br />
• der Analyse von Sitzungsprotokollen,<br />
• Interviews mit Akteuren aus dieser Problematik<br />
und<br />
• Beobachtungen aus einem die Entscheidungssituation<br />
s<strong>im</strong>ulierenden Planspiel.<br />
Die Entscheidung für eine Sanierungsvariante war <strong>im</strong><br />
Fall Stierenried bereits gefallen: Eine Oberflächenabdichtung<br />
und die vorsorgliche Erstellung einer<br />
Drainage zur Fixierung des Grundwasserspiegels auf<br />
heutigem Niveau sollen das Grundwasser schützen<br />
und die Deponie trocken halten. Ziel war es nun<br />
zu untersuchen, wie es· zu diesem Entscheid kam.<br />
Insbesondere war von Interesse, wer in welcher<br />
Form an diesem Prozess beteiligt war, und welche<br />
Sachzwänge und Entscheidungen schliesslich zur<br />
aktuellen Situation führten.<br />
Produkt 1: Akteure ulld BeziehulIgslletz<br />
Die wichtigen Akteure wurden identifiziert,gruppiert<br />
und unter verschiedenen Gesichtspunkten<br />
bezüglich folgender Punkte untersucht:<br />
• Zielvorstellungen und Verh<strong>and</strong>lungspositionen der<br />
Akteure<br />
• Konflikte unter den Akteuren auf Interessen-,.<br />
Verfahrens- und Sachebene<br />
• Kriterien, welche bei Entscheidungen zur Anwendung<br />
kommen<br />
• Auftragslage und finanzielle Abhängigkeiten<br />
Graphiken sollten einen Eindruck von der Akteur<br />
L<strong>and</strong>schaft und den entscheidenden strukturellen<br />
Veränderungen <strong>im</strong> Verlauf der Verh<strong>and</strong>lungen vermitteln:<br />
Wer verh<strong>and</strong>elte in welcher Phase der<br />
Planung mit wem und welche Konflikte traten auf<br />
zwischen welchen Verh<strong>and</strong>lungspartnerInnen?<br />
Produkt 2: Ablaufder Verhalldlullgell Ulld<br />
ElltscheidulIgsfilldulIg<br />
Es gibt unterschiedliche Vorstellungen davon, wie<br />
die Zusammenarbeit unter den Bet~offenenund der<br />
Verlauf der Verh<strong>and</strong>lung~nbei der Altlastenbearbeitung<br />
aussehen sollen. Idealvorstellungen eines solchen<br />
Entscheidungsfindungsprozesses wollten wir<br />
mit den Prozessen vergleichen, wie sie einerseits <strong>im</strong><br />
Stierenried und <strong>and</strong>ererseits <strong>im</strong> Planspiel abgelaufen<br />
sind. Auf diese Weise lassen sich Ursachen von altlastentypischen<br />
Konflikten leichter dem Verfahren<br />
oder den divergierenden Interessen einzelner Ver-<br />
236<br />
UNS-Fallstudie '96
__________________________~_ ___'__ _'__<br />
Altlasten<br />
treterInnen der beteiligten Parteien zuordnen. Als<br />
eigentliches Produkt sollten aus dieser Arbeit Entscheidungsdiagramme<br />
entstehen.<br />
Prodllkt 3: Das Plallspiel<br />
Die Schlüsselakteure wurden in einem s<strong>im</strong>ulierten<br />
Verh<strong>and</strong>lungsprozessdurch Personen vertreten, welche<br />
in Bezug zum Fall Stierenried nicht vorbelastet<br />
waren. Unsere Absicht war es, kompetente Fachleute<br />
mit unterschiedlichem Ausbildongshintergrund für<br />
das Planspiel zu gewinnen (siehe Kasten 3.4.1).<br />
Dies ist uns auch gelungen, die Zusammensetzung<br />
der Runde best<strong>and</strong> aus je zwei JuristInnen, ÖkonomInnen<br />
und Umweltnaturwissenschafterlnnen,<br />
also BerufsvertreterInnen wie sie auch <strong>im</strong> Verh<strong>and</strong>lungsprozess<br />
des realen Falles anzutreffen waren. In<br />
deren Rollenbeschriebe flossen Informationen aus<br />
der Protokollanalyse, sowie auch aus den Interviews<br />
mit ein. Den VertreterInnen der verschiedenen<br />
Akteure gaben wir knappe, aber hinreichende Informationen<br />
mit, um eine annähernd realistische S<strong>im</strong>ulation<br />
der Verh<strong>and</strong>lungen zu erreichen.<br />
Alle wurden unmittelbar vor Diskussionsbeginn<br />
nochmals gründlich auf ihre Rolle als Verh<strong>and</strong>lungspartnerIn<br />
vorbereitet (Zielvorstellungen, Kriterien,<br />
etc.) sowie mit der Problematik und dem H<strong>and</strong>lungsbedarf<br />
vertraut gemacht. Anschliessend an die Diskussion<br />
kommentierten die TeilnehmerInnen ihren<br />
Entscheid vor dem Hintergrund der Zukunftsbilder,<br />
welche in: der Synthesephase entwickelt wurden.<br />
Thesellpapier zlIm Elltscheidllllgsmallagemellt<br />
Aus dem Vergleich zwischen den Resultaten der<br />
Protokollanalyse, den Befragungen und dem Planspiel<br />
sollen jene Konflikte hervorgehoben werden,<br />
welche für Altlastenverh<strong>and</strong>lungen typisch sind.<br />
Uneinigkeiten dürften sich sowohl aus dem Verfahren<br />
als auch aus den unterschiedlichen Zielvorstellungen<br />
der beteiligten Akteure ergeben. In Form<br />
eines Thesenpapiers möchten wir die entscheiden...<br />
den Konflikte charakterisieren und Ansätze füreine<br />
noch effizientere Bearbeitung von Altlastenfällen<br />
liefern.<br />
3.4.2 Die Allfällge - der Verlallf<br />
Erste Anzeichen eines Altlastenverdachtes<br />
Die erste Kontaktaufnahme zwischen der ABB und<br />
dem AGW erfolgte 1988. Damals teilte das AGW der<br />
ABB mit, dass auf ihrem Areal ein Altlastenverdacht<br />
bestehe. 1994 beschloss die ABB, auf dem Areal<br />
Stierenried das Projekt TORO I und n zu realisieren.<br />
Zu diesem Zeitptinkt war man sich über das Ausrnass<br />
der Altlast noch nicht <strong>im</strong> klaren.<br />
Kasten 3.4.1 Das Planspiel (vgl. allen Kap. PLANSPIEL).<br />
Städtebaulicher Wettbewerb<br />
Zwischen 1988 und 1994 wurde ein städtebaulicher<br />
Wettbewerb (<strong>Stadt</strong> Zürich et aI., 1991) ausgeschrieben,<br />
den Silva Ruoss mit ihrem Architekturbüro<br />
gewann. Für die Detailplanung TORO I und' II beauftragte<br />
1994 die ABB die Oerlikon-Bührle Immobilien<br />
AG (IMAG) als Generalunternehmerin und die Theo<br />
HolZ AG als ,Architekten. Die Büro Jäckli AG wurde<br />
mit der Altlastenbearbeitung beauftragt.<br />
Der Entscheidfür eine best<strong>im</strong>mte Sanierungsvariante<br />
Bereits Ende 1994 war klar, dass die Altlast nicht<br />
gesamthaft saniert werden muss. Der Entscheid für<br />
die Sicherung wurde am 23.1.95 definitiv gefällt. Da.,.'<br />
bc::i waren der Konkurrenzdr~ckdurch <strong>and</strong>ere St<strong>and</strong>orte,<br />
die extrem hohen Kosten der. alternativen<br />
Sanierungsmethoden und eine Min<strong>im</strong>ierung des<br />
Risikos durch die Sicherung Grundlagen für diesen<br />
Entscheid.<br />
Die Form der Kommunikation<br />
Danach konnte die Altlast gemäss dem vorgeschriebenen<br />
Ablauf durch das AGWbearbeitet werden. Um<br />
die Kommunikation zwischen dem AGW, den EignerInnen<br />
und der <strong>Stadt</strong> zu verbessern und anfallende<br />
Probleme schnell lösen zu können, entschloss man<br />
sich zu Besprechungen in einem vierzehntägigen<br />
Rhythmus. So konnte der langwierige Zirkularweg<br />
. umgangen werden und das Verfahren opt<strong>im</strong>al bearbeitet<br />
werden.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
237
Altlasten ~ __'______,_------------------<br />
Stellenwert der Altlastenbearbeitung<br />
Im Verlauf der Untersuchungen wurde für die ABB<br />
die Bedeutung der Altlastenbearbeitung zur effizienten<br />
Realisierung des Projektes TaRO I und 11<br />
in ihrem vollen Umfang ersichtlich. Am 16;5.95<br />
wurde .schliesslich die Detailuntersuchung definitiv<br />
bewilligt.<br />
Das Baubewilligungsverfahren<br />
Das Gesuch um Baubewilligung wurde von derABB<br />
am 10.3.95 eingereicht.<br />
Für den Rückbau der Abbruchobjekte wurdeseparat<br />
eIn Sanierungsprojekt erstellt. Das Sanierungsprojekt<br />
«Bausubstanz» wurde am 28.6.95 eingereicht.<br />
ABB Grundstückeigentümerin<br />
Vorsitzende der Baukommission<br />
TORO 11<br />
Meinung zur sanierungs- Ziele der Altlasten-<br />
Iö~ng<br />
bearbeitung<br />
Opt<strong>im</strong>ale Lösung <strong>im</strong><br />
Sinne von ökologischen<br />
und ökonomischen<br />
Kriterien<br />
Nachhaltigkeit und<br />
Verhältnismässigkeit<br />
in Einklang bringen<br />
(<strong>im</strong> Sinne einer wirtschaftlichen<br />
Lösung)<br />
Kriterien bei der<br />
Altlastenbearbeitung<br />
.. speziell wirtschaftliche<br />
Kriterien<br />
• Konkurrenzdruck und<br />
Einhaltung der Gesetze<br />
(Grenzwerte in der·<br />
Schweiz viel zu hoch)<br />
Beurteilung des- Risikos<br />
Die Situation wird<br />
eindeutig verbessert<br />
IMAG<br />
Gesamtprojektleitung<br />
Vertretbare und für<br />
die Umwelt akzeptable<br />
Lösung<br />
Einhaltung des Sanierungsprojektes<br />
• wirtschaftlich vertretbar<br />
• ökologisch akzeptabel<br />
• schnell realisierbar<br />
Keine Gefahr für die<br />
Zukunft (sonst hätte<br />
AGWnicht eingewilligt)<br />
Büro lackli AG<br />
Altlasten Experte/<br />
Gutachter<br />
Entscheid aus heutiger<br />
Sicht opt<strong>im</strong>al, allerdings<br />
nicht unbedingt nachhaltig,<br />
da Schadstoffpotential<br />
konserviert wird<br />
Schutzgüter sehr wichtig,<br />
fehlende Klarheit in<br />
bezug auf Schutzziele,<br />
fünrtzu Konflikten<br />
• Grundwasserschutz<br />
• Schadstoffpotential<br />
• Nutzstoffpotential<br />
Gering,die Altlast ~iegt<br />
bereits 31 Jahre dort und<br />
es ist nichts passiert<br />
AGW<br />
Vertreter der Vollzugsbehörde,<br />
Berater<br />
Opt<strong>im</strong>ale Lösung,<br />
v.a. vertretbar für den<br />
Bauherrn<br />
Öffentliches Interesse<br />
muss <strong>im</strong>mer gewährleistet<br />
sein. Bei weitergehenden<br />
Forderungen,<br />
Abschätzung von Grenznutzen/Grenzschaden<br />
• Schuti des Grundwassers<br />
• Wahrung der öffentlichen<br />
Interessen<br />
• verhältnismässige<br />
Lösungen<br />
für die nächsten 50 bis<br />
100 Jahre kein Risiko, bei<br />
Grundwasserverschmutzung<br />
Wasseraufbereitung<br />
Hochbauamt<br />
Vertreter der Verwaltungs-<br />
und Vollzugsbehörde<br />
Opt<strong>im</strong>ale Lösung:<br />
Altlastenbearbeitung<br />
kostet nicht allzu viel<br />
und die ABB kann das<br />
Projekt in der Schweiz<br />
realisieren<br />
Grundwasser darf nicht<br />
beeinträchtigt werden.<br />
Bauherrschaft muss von<br />
den Ämtern beratend<br />
unterstützt werden.<br />
• Grundwasserschutz<br />
• Wirtschaftlichkeit<br />
• Realisierbarkeit<br />
Nach der Sicherung ist<br />
das Risiko kleiner als<br />
jetzt<br />
Gartenbauamt<br />
Vertreter der Verwaltungs-<br />
und Vollzugsbehörde<br />
Die Sanierung ist ökologisch<br />
nicht opt<strong>im</strong>al da<br />
Eingriff in natürlichen<br />
Stoffhaushalt, Sanierung<br />
stellt Kompromiss dar<br />
Ökologische Ausgleichsflächen<br />
müssen vorh<strong>and</strong>en<br />
sein, Freiflächen<br />
nur dort, wo keine<br />
Altlasten sind, sonst<br />
Altlasten beseitigen<br />
• Bioökologische Kriterien<br />
(Eidechsenpopulation)<br />
•-Psychologische Kriterien<br />
• Verhältnismässigkeit<br />
Die Deponie bleibt<br />
unverändert, Monitoring<br />
ist ja vorh<strong>and</strong>en<br />
<strong>Stadt</strong>enrwiisserung Nicht gut, Altlast hätte Das Grundwasser darf • Einleitbedingungen Kein grosses Risiko<br />
Vertreter der Verwalentsorgt<br />
werden müssen nicht verschmutzt sind einzuhalten<br />
tungs- und Vollzugswerden,<br />
auch wenn • Deponiewasser nicht in<br />
dieses nicht genutzt wird Kläranlage, da sonst<br />
behörde<br />
Schwermetalle <strong>im</strong> Klärschlamm<br />
.... ,....................., .. ........................<br />
Büro U. Roth Opt<strong>im</strong>al, jedoch nicht Sicherung opt<strong>im</strong>al, so • technisch realisierbar Kein Problem, <strong>im</strong><br />
Planungsbeauftragter<br />
ideal, ist technisch dass Restrisiko möglichst<br />
Schadenfall nur lokale<br />
realisierbar. wirtschaft- klein, Sicherung auf • wirtschaftlich mach- Verschmutzung<br />
ZZN<br />
lieh machbar, ökologisch unbest<strong>im</strong>mte Zeit<br />
bar und ökologisch<br />
sinnvoll<br />
sinnvoll<br />
Tob. 3.4.3 Beurtei/ungskrirerien der EntscheidungsträgerInnen.<br />
238 UNS-Fallstudie '96
-- ~ ___.,._--~------------Altlasten<br />
Am 30.6.95 wurde die Baubewilligung aufgrund<br />
des Vorentscheides vom 16.5.95 erteilt.<br />
Der Bericht der Sanierungsuntersuchung wurde<br />
am 28.7.1995 eingereicht.<br />
Die Bewilligung der Sanierungsuntersuchung erfolgte<br />
am 10.10.95 vom AGW. Be<strong>im</strong> Sanierungsprojekt<br />
entst<strong>and</strong> dann eine Verzögerung und das AGW<br />
drängte, das Sanierungsprojekt wenigstens teilweise<br />
vorzulegen. Das Sanierungsprojekt konnte erst viel<br />
später eingereicht werden, da zuerst eine Lösung mit<br />
dem Gartenbauamt betreffend. der Parks gefunden<br />
werden musste.<br />
Am 29.3.96 ist das Sanierungsprojekt schliesslich<br />
eingereicht worden.<br />
So wurde also die Realisierung des Projektes innert<br />
den vorgesehenen Fristen (nämlich bis 1997) möglich,<br />
was auf eine opt<strong>im</strong>ale Zusammenarbeit mit<br />
grossen Konzessionen allerseits zurückzuführen ist.<br />
3.4.3 Allswertllng der Interviews mit den<br />
Entscheidllngstriigerlnnen<br />
Wie aus der Auswertung der Interviews (Tab. 3.4.3)<br />
ersichtlich wird, sind für die meisten Beteiligten am<br />
Entscheidungsprozess die Kriterien Wirtschaftlichkeit,<br />
zeitliche Realisierung und Sicherheit von zentraler Bedeutung.<br />
Ausser für die <strong>Stadt</strong>entwässerung und das<br />
Gartenbauamt spielen ökologische Kriterien eine untergeordnete<br />
Rolle. Sie ha.tten be<strong>im</strong> Entscheidungsprozess<br />
für die Sanierungsvariante einen geringen<br />
Einfluss. Die Max<strong>im</strong>alforderung nach<br />
einer Totalsanierung wäre sowohl aus<br />
rechtlich-politischen als auch wirtschaftlichen<br />
Gründen nicht umsetzbar<br />
gewesen.<br />
• A: Interessenkonflikte<br />
• B: Verfahrenskonflikte<br />
•
Altlasten--; -'-- _<br />
2. Ein Park aufAltlasten oder ein altlastenfreier Park auf<br />
Strassenniveau<br />
Aufgrund der Tatsache, dass die Altlastenproblematik<br />
in der frühen Planungsphase nicht, oder nur<br />
ungenügend berücksichtigt wurde, ergibt sich in der<br />
Folge die Notwendigkeit, Parkanlagen auf den Altlasten<br />
zu bauen. Diese Freiflächen, sind nun nach<br />
Meinung der Bauherrschaft die idealen Orte um<br />
überschüssiges Aushubmaterial (l5'000 m 3 ) unter<br />
der Parkfläche - d.h. unter eiper 1.5 Meter mächtigen<br />
Erdschicht und einer Oberflächenabdichtung <br />
zu deponieren.<br />
Das Gartenbauamt hat hingegen völlig <strong>and</strong>ere Vorstellung<br />
von einem Park. Von Seiten des Amtes wird<br />
geäussert, es müsse eben gerade in einem Park der<br />
vertikale Aufbau des Untergrundes st<strong>im</strong>men. Es wird<br />
vertreten, dass alleine schon <strong>im</strong> Begriff «Park» diese<br />
Aussage Selbstverständlichkeit ist. Die ursprüngliche<br />
Forderung eines altlastenfreien Volksparks<br />
wurde bereits früh aufgegeben. Die <strong>Stadt</strong> beharrt<br />
jedoch weiterhin auf der Abdeckung mit einer<br />
1.5 Meter mächtigen Erdschicht. Ein weiterer Dorn<br />
<strong>im</strong> Auge des Gartenbauamtes ist die Tatsache, dass<br />
durch den Einbau der Altlast der ganze Park auch<br />
über der Höhenkote der Strasse zu liegen käme, was<br />
gemäss Gartenbauamt wiederum gegen den Park auf<br />
Altlasten sprechen würde.<br />
Die Argumentation in diesem Konflikt reduzierte<br />
sich schliesslich wieder auf wirtschaftlicheAspekte.<br />
Eine erforderliche Wäsche des überschüssigen Aushubs<br />
(falls der Einbau <strong>im</strong> Park nicht bewilligt wird)<br />
würde nach dem Büro ur mit erheblich negativen<br />
Folgen für die Bauherrschaft verbunden sein. Der<br />
Konflikt dauert <strong>im</strong>mer noch an (St<strong>and</strong>: Juni 1996),<br />
eine Lösung ist noch nicht in greifbarer Nähe.<br />
3. Werkleitungen in der Altlast<br />
Die <strong>Stadt</strong>entwässerung wollte einer <strong>im</strong> Altlastenmaterial<br />
versenkten Werkleitung nicht' zust<strong>im</strong>men,<br />
da ihres Erachtens die Arbeitssicherheit <strong>im</strong> Falle von<br />
Wartungsarbeiten nicht gegeben ist. Es musste also<br />
mit der Bauherrin eine Lösung gefunden werden,<br />
welche einerseits den Forderungen der <strong>Stadt</strong>entwässerung<br />
gerecht wurde und <strong>and</strong>ererseits auch wirtschaftlich<br />
verhältnismässig war. Im weiteren sollte<br />
diese Lösung dem Konzept der Gesamtversiegelung<br />
des Gebietes entsprechen.<br />
Gemeinsam mit dem Umweltbüro konnte eine<br />
konsensfahige Lösung gefunden werden. Man entschied<br />
sich dafür, die Leitungen in einer altlastenfreien<br />
Wanne zu führen.<br />
B:Verfahrenskonflikte<br />
1. Zeitpunkt derKontaktaufnahme<br />
Das AGW hat bereits 1988 die ABB auf die heikle<br />
Altlastensituation <strong>im</strong> Stierenried hingewiesen. Die<br />
ABB unternahm aber zu diesem Zeitpunkt noch<br />
keine weitergehenden Schritte. Eine <strong>im</strong> Frühjahr<br />
1994 an die Büro Jäckli AG in Auftrag gegebene<br />
Detailuntersuchung erschien dann <strong>im</strong> Winter 94/95.<br />
Da die ABB unter enormem Zeitdruck operierte,<br />
wurden zur Verbesserung der Koordination zwischen<br />
Altlastenbearbeitung und Bauprojekt wie bereits<br />
erWähnt zweiwöchentliche Sitzungen mit, den Beteiligten<br />
einber~fen.<strong>im</strong>weiteren Bearbeitungsverlauf<br />
zeigte sich, dass einmal verlorene Zeit nicht mehr<br />
aufgeholt werden kann. Das Sanierungsprojekt geriet<br />
gegenüber dem Bauprojekt ins Hintertreffen,<br />
sodass diese zwei Bearbeitungsbereiche ab sofort<br />
getrennt werden mussten - das Sanierungsptojekt<br />
wurde vom Bauprojekt entkoppelt. Dieser Sachverhalt<br />
erlaubte eine provisorische Baubewilligung zu<br />
einem Zeitpunkt, an dem das Sanierungsprojekt<br />
noch nicht bewilligt war.<br />
2. Ansprechpartnerlnnen undBewilligungen<br />
Das Projekt TaRO I und 11 zeichnet sich durch<br />
seinen enormen Umfang aus. Gerade auch in bezug<br />
auf die Einhaltung des rechtlich vorgeschriebenen<br />
Ablaufs werden an die Akteure höchste Anforderungen<br />
'gestellt. Als Beispiel eines Konfliktes, welcher<br />
sich aufgrund der komplexen rechtlichen Lage<br />
und den verschiedenen administrativen Einheiten<br />
Bund-Kanton-<strong>Stadt</strong> ergibt, soll hier die SBB-Geleiseführung<br />
<strong>im</strong> <strong>Nord</strong>osten des Stierennedareals erwähnt<br />
werden. Die Geleiseführung wurde vom Bund<br />
genehmigt und von der Bauherrschaft als abschliessende<br />
Bewilligung interpretiert. In diesem Verfahren<br />
wurde aber die Baupolizei übergangen und musste<br />
nachträglich um eine Genehmigung der Geleiseführung<br />
ersucht werden.<br />
C:Sachkonflikte<br />
Hydrologische Situation <strong>im</strong> Stierenried<br />
Während den Detailuntersuchungen zur Altlastensituation<br />
auf dem Stierenried kam es zwischen dem<br />
AGWund dem Gutachterbüro zu einem Sachkonflikt<br />
wegen noch bestehender Unklarheiten über die<br />
hydrologische Situation. In der Folge mussten weitergehendedetaillierte<br />
Untersuchungen angestellt<br />
werden (siehe auch Cl in Abb. 3.4.4).<br />
3.4.5 Schlussfolgerungen<br />
Aufgrund von Analysen der zurückliegenden sowie<br />
der aktuellen Konfliktsituationen <strong>im</strong> Altlastenprozess<br />
Stierenried ergaben unsere Analysen, dass die<br />
Altlastenbearbeitung vor· allem von Interessenkonflikten<br />
dominiert war.<br />
240<br />
UNS-Fallstudie '96
------- ----------------------------__Altlasten<br />
3.4.6 Planspiel<br />
Wie eingangs erwähnt, wurden die Schlüsselakteure<br />
der realen Entscheidungssituation in einem s<strong>im</strong>ulierten<br />
Verh<strong>and</strong>lungsprozess durch Personen vertreten,<br />
welche vor dem Planspiel keine Kenntnisse bezüglich<br />
des Altlastfalles Stierenried hatten. Unsere Absicht<br />
war es, kompetente Fachleute mit unterschiedlichem<br />
Ausbildungshintergrund für das Planspiel zu<br />
gewinnen.<br />
Das AGW sowie die <strong>Stadt</strong> waren durch je eineN<br />
UmweltnaturwissenschafterIn und eineN Juristln<br />
vertreten. Die ABB wurde von zwei WirtschaftswissenschafterInnen<br />
dargestellt.<br />
Alle TeilnehmerInnen hatten ihr Studium bereits<br />
abgeschlossen und verfügten, wie sich be<strong>im</strong> Spiel<br />
herausstellte, bereits über einen' guten Fundus <strong>im</strong><br />
Umgang mit derart praktischen und komplexen Pro~<br />
blemen. Alle MitspielerInnen erhielten vorgängig<br />
ein kleines Dossier mit dem notwendigen Faktenwissen<br />
aus den einzelnen Teilprojektgruppen und<br />
wurden unmittelbar vor Diskussionsbeginn nochmals<br />
gründlich auf ihre Rolle als Verh<strong>and</strong>lungspartnerInnen<br />
vorbereitet (Zielvorstellungen, Kriterien,<br />
etc.) sowie mit der Problematik einer Altlasten<br />
'bearbeitung und dem H<strong>and</strong>lungsbedarf vertraut<br />
gemacht. Anschliessend an die Diskussion kommen~<br />
tierten die TeilnehmeiInnen ihren Entscheid vor<br />
dem Hintergrund der Zukunftsbilder, welche in der<br />
zweiten Synthesephase entwickelt worden waren.<br />
Zum Ablauf der Planspielveranstaltung<br />
Nach einer kurzen Einführung mit BegrüssUng<br />
hatten die einzelnen SpielteilnehmerInnen einen<br />
Fragebogen mit Kriterien zur Bewertung von Sanie~<br />
rungsvarianten auszufüllen. Auf einer Bewertungs~<br />
skala mussten dabei die SpielteilnehmerInnen die<br />
Wichtigkeit verschiedener Kriterien beurteilen. Dieser<br />
Fragebogen wurde von den K<strong>and</strong>idatlnnen zum<br />
Schluss der Veranstaltung noch einmal bearbeitet.<br />
Damit wurde versucht, einen allfalligen W<strong>and</strong>el in<br />
den Bewertungstrukturen der einzelnen TeilnehmerInnen<br />
zu eruieren.<br />
Die eigentliche Diskussionsphase dauerte rund<br />
zwei Stunden. Dieser ganze Prozess wurde für die<br />
Auswertung auf Video aufgezeichnet und von fünf<br />
Personen zusätzlich protokolliert.<br />
Die Gesprächsrunde wurde von einem Gesprächsleiter<br />
geführt und von einem Fachexperten unterstützt,<br />
bddebeteiligt <strong>im</strong> Bemühen, bei Fragen zur<br />
Klärung beizutragen, aber ansonsten den Gesprächsverlauf<br />
nicht aktiv zu beeinflussen.<br />
Nach Beendigung der eigentlichen Hauptdiskussion<br />
wurdenden MitspielerInnen die Zulmnftsbilder<br />
vorgestellt, welche unsere Prognosen einer zukünfti-<br />
gen Entwicklung <strong>im</strong> Bereich der Altlast enthielten.<br />
Anschliessend hatten die einzelnen Parteien, also<br />
AGW, ABB und <strong>Stadt</strong>, ihren gefallten Sanierungsentscheid<br />
vor diesem neuen Hintergrund, kritisch<br />
zu kommentieren. Also in dem Sinne, «was hätte ich<br />
<strong>and</strong>ers gemacht, wenn ...".<br />
Auswertung des Planspiels<br />
Von den SpielorganisatorInnen wurden anschliessend,<br />
einerseits, auf Grund der Dokumentationen<br />
der Protokoll<strong>and</strong>en und <strong>and</strong>ererseits anh<strong>and</strong> des<br />
Videos, acht heikle/sensible Phasen <strong>im</strong> Ganzen Entscheidungsprozess<br />
definiert. In diesen Phasen waren<br />
wichtige Sachverhalte verh<strong>and</strong>elt worden und die<br />
Te~lnehmerInnenwaren sehr engagiert aufgetreten.<br />
Ein Expertengremium aus Mitstudierenden bewertete<br />
mit Hilfe eines st<strong>and</strong>ardisierten Fragebogens<br />
und anh<strong>and</strong> des Videos die Parteien <strong>im</strong><br />
Planspiel bezüglich ihrer Position zu diesen acht<br />
heiklen Situationen.<br />
Grundlegende Aussagen, die aufgrund des übereinst<strong>im</strong>menden<br />
Eindruckes aller SpielbeobachterInnen<br />
formuliert werden konnten, flossen bereits<br />
jetzt in die weitere Beurteilung des Entscheidungsfindungsprozesses<br />
bei der Altlastenproblematik<br />
Stierenried mit ein.<br />
In einer anschliessenden Semesterarbeit sollten<br />
die interessanten und aufschlussreichen Informationen<br />
noch weiter zu fassbaren Resultaten aufgearbeitet<br />
und in übersichtlicher Weise dargestellt<br />
werden (vgL auch Kap. PLANSPIEL).<br />
Unseres Erachtens bietet das Planspiel eine gute<br />
Vergleichsmöglichkeit zum tatsächlich abgelaufenen<br />
Prozess der Entscheidungsfindung. Unter dem Vor~<br />
behalt, dass sich das'planspiel zwar eventuell auf<br />
sachlich nicht ganz übereinst<strong>im</strong>mende Annahmen<br />
stützt, aber der Prozesscharakter der Entscheidungsfindungs-Problematik<br />
trotzdem beobachtet werden<br />
kann, erscheint uns dies zweckmässig.<br />
Interessanterweise gelangten auch die TeilnehmerInnen<br />
des Planspieles zum seiben Sanierungsentscheid,<br />
wie die Akteure in der Realität. Und der<br />
Eindruck, den wir BeobachterInnen vom Spielverlauf<br />
gewonnen hatten, war, dass ein echtes, zähes<br />
Ringen um diesen Entscheid stattgefunden hatte.<br />
Keine Partei hatte es der <strong>and</strong>eren leicht gemacht.<br />
Schliesslich haben die ökonomischen Argumente <br />
zusammen mit der Gefahr eines St<strong>and</strong>ortverlustes<br />
mit seinen negativen Auswirkungen für die <strong>Stadt</strong><br />
Zürich .und den Vorteilen der Sicherungsvariante <br />
überwogen.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
241
Altlasten_'-- ---------,------ _<br />
4. Schlussbemerkungen<br />
4.1 Beurteilung verschiedener<br />
Sanierungsmassnahmen<br />
4.1.1 Vergleich der vier Varianten<br />
Die nachvollziehbare Bewertung und Auswahl von<br />
geeigneten Sanierungsmassnahmen stellt ein komplexes<br />
Entscheidungsproblem dar. Eine wichtige<br />
Voraussetzung zur·systematischen Beh<strong>and</strong>lung solcher<br />
Probleme ist eine konzeptionelle und operationale<br />
Organisation der BearbeitUlig. Einen anschaulichen<br />
konzeptionellen Rahmen zur Dekomposition<br />
des Bewertungsproblems Sanierungsmassnahme und<br />
zur anschliessenden Synthese der Ergebnisse stellt<br />
das Brunswiksche Linsenmodell dar. Die Dekomposition<br />
des Problems best<strong>and</strong> aus den Schritten<br />
«Ableitung von geeigneten Beurteilungskriterien»,<br />
«Festlegung geeigneter Indikatoren» und «Erfassung<br />
der massnahmenspezifischen Ausprägungen».<br />
Während sich die Kriterienauswahl als wenig problematisch<br />
zeigte, gestaltete sich die Auswahl<br />
geeigneter Indikatoren und die Festlegung von<br />
deren Ausprägungen als wesentlich schwieriger. Die<br />
anschliess'ende Synthese lieferte schliesslich das<br />
Problem, einzelne Kriterien mit unterschiedlichen<br />
D<strong>im</strong>ensionen zu einer Gesamtbewertung zu aggregieren.<br />
Dieser Gewichtungs- und Bewertungsprozess<br />
konnte mit Hilfe der Computer-Software Logical<br />
Decisions (LD) systematisch unterstützt und einer<br />
kritischen Analyse zugänglich gemacht werden. Dabei<br />
ist es möglich, die Ansichten verschiedener am<br />
Arbeitsprozess Beteiligter zu einer Gesamtbewertung<br />
zu integrieren. Deutlich wurden bei der<br />
Anwendung von LD auch die unterschiedlichen<br />
Ebenen, auf welchen der Bewertungsprozess durch<br />
Entscheide beeinflusstwerden kann.<br />
Aus den Resultaten der Anwendung von LD zeigte<br />
sich, dass unter Annahme von aktuellen gesetzlichen<br />
und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowohl<br />
die Sicherung als auch die Bodenwäsche als «nützliche»<br />
Varianten zu betrachten sind und sich eindeutig von<br />
der Hydraulischen in situ Sanierung und der Nullvariante<br />
unterscheiden. Diese Resultate sindplausibel,<br />
insbesondere vor dem Hintergrund der in<br />
Realität gewählten Sanierungsvariante. Aufgrund<br />
der sehr nahe. beiein<strong>and</strong>er liegenden Gesamtnutzen<br />
von Sicherung und Bodenwäsche war es jedoch nicht<br />
möglich, einer dieser beiden Varianten eindeutig<br />
den Vorzug zu geben. Hierzu ist es notwendig, die<br />
Ergebnisse unter Beiziehen zusätzlicher Gesichtspunkte<br />
kritisch zu analysieren.<br />
Diese Ergebnisse illustrieren die praktischen<br />
Anwendungsmöglichkeiten .dieser Methode, zur<br />
systematischen Strukturierung des Bewertungsprozesses<br />
und als wertvolle Unterstützung der Entscheidungsfindung<br />
bei der Auswahl einer geeigneten<br />
Sanierungsmassnahme.<br />
4.1.2 Nachhaltigkeit<br />
Ein zentrales Anliegen der heutigen Umweltpolitik<br />
stellt die Umsetzung einer' nachhaltigen H<strong>and</strong>~<br />
lungsweise dar. Die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung,<br />
ökologische,ökonomische sowie gesellschaftliche<br />
Anliegen in unsere Technologien und<br />
.H<strong>and</strong>lungsweisen zu integrieren und in einem<br />
erweiterten räumlichen und zeitlichen Betrachtungsrahmen<br />
zu beurteilen, verlangt nach der Entwick.,<br />
lung geeigneter Nachhaltigkeitskriterien.<br />
In einer synthesegruppenübergreifenden Arbeitsgruppe<br />
NACHHALTIGKElT einigte man sich auf die<br />
Postulate des interdepartementalen Ausschusses Rio<br />
(IDARio, 1995; IDARio, 1996; vgl. Kap. NACHHALTIG<br />
KElT) als Grundlage für eine Beurteilung von H<strong>and</strong>lungen<br />
bezüglich ihres Beitrages zu einer nachhaltigen<br />
Entwicklung. Die folgenden Postulate betreffen<br />
das Problem der Altlastenbeh<strong>and</strong>lung:<br />
• Absorptionsfähigkeit von Ökosystemen<br />
Bei der Belastung der Umwelt durch Abfalle und<br />
Emissionen ist sicherzustellen, dass die Verschmutzungsrate<br />
gleich hoch oder unter der<br />
Absorptionsrate der Umwelt liegt.<br />
• Nicht abbaubare Schadstoffe<br />
Nicht abbaubare Schadstoffe dürfen nur so weit in<br />
die Umwelt emittiert werden, dass deren Akkumulation<br />
,nie zu einer Schadstoffkonzentration führt,<br />
welche Menschen, Tiere und Pflanzen gefahrdet.<br />
• Grossrisiken<br />
Unfallrisiken mit Auswirkungen auf Menschen<br />
und Biosphäre sind nur so weit zuläs'sig, als sie auch<br />
bei demgrösstmöglichen Schadereignis keine dauerhaftenBchäden<br />
über mehrere Generationen von<br />
Menschen, Pflanzen, Tieren oder Ökosystemen<br />
verursachen können.<br />
• Nicht regenerierbare Ressourcen<br />
Die Verbrauchrate nicht erneuerbarer Energieressourcen<br />
und <strong>and</strong>erer nicht erneuerbarer Rohs~offe<br />
muss auf die Dauer so zurückgehen, dass<br />
die verbleibenden nutzbaren Reserven nie völlig<br />
erschöpft werden. Die Materialkreisläufe müssen<br />
geschlossen werden.<br />
• Humanität undEthik<br />
In jeder Gesellschaft müssen die langfristig kollektiven<br />
Interessen für eine nachhaltige Entwicklung<br />
möglichst gut in Einklang mit den individuellen<br />
Interessen ihrer einzelnen Mitglieder gebracht<br />
werden. Eine humane Perspektive nachhaltiger<br />
Entwicklungverlangt, dass Menschen ihre persönlichen<br />
und kollektiven Wertvorstellungen und ihre<br />
242<br />
UNS-Fallstudie '96
------'--- ~ Altlasten<br />
H<strong>and</strong>lungsmuster überprüfen.' Die Gesellschaft<br />
(Staat, Wirtschaft und die Individuen) muss eine<br />
«neue Ethik» entwickeln, welche die ökologischen<br />
Nachhaltigkeitspostulate mit «hoher Lebensqualität»<br />
vereinbart.<br />
Prüfung der Sanierungsmassnahmen auf Nachhaltigkeit<br />
Die Postulate, angew<strong>and</strong>t auf das Problem der Altlasten,<br />
verlangen <strong>im</strong> Prinzip natürlich deren Vermeidung.<br />
Altlasten sind Produkte nichtnachhaltiger<br />
H<strong>and</strong>lungsweisen. Um eine Altlastenbearbeitung auf<br />
ihre Nachhaltigkeit hin zu prüfen, müssen sowqhl<br />
die Sanierungsmethode selbst als auch ihr Resultat<br />
in einem erweiterten räumlich-zeitlichen Rahmen<br />
betrachtet werden.<br />
In einem ersten Schritt sollen nachfolgend nun die<br />
einzelnen Varianten qualitativ daraufhin untersucht<br />
werden, gegen welche Postulate verstossen wird.<br />
Die Nullvariante - der Ist~Zust<strong>and</strong> - bietet keine<br />
für eine .nachhaltige Entwicklung wünschenswerte<br />
Situation. Bei den Emissionen (v.a. dem Oeponiesickerwasser)<br />
werden nicht- bzw. schwer abbaubare<br />
und toxische Stoffe in die Umwelt emittiert. Auch<br />
wenn diese Eintragsraten aus einer Einzelfallperspektive<br />
betrachtet klein sind, tragen sie dennoch zu<br />
einem Gesamtproblem bei, welches sich aus vielen<br />
solcher Punktquellen zusammensetzt. Längerfristig<br />
ist nicht sichergestellt, dass eine langsame Akkumulation<br />
solcher Schadstoffe in der Umwelt nicht<br />
zu einer GeHihrdung von Menschen, Tieren, Pflanzen<br />
und ihren Lebensräumen führen könnte.<br />
Mit der Sicherung werden zwar keine Schadstoffe<br />
.mehr in die Umwelt emittiert, doch das Schadstoffpotential<br />
bleibt erhalten<br />
auch wenn das Risiko für<br />
eine Grundwasserkontamination<br />
momentan sehr gering ist.<br />
Als wichtig zu betrachten ist<br />
die Tatsache, dass eine Sicherung<br />
der Altlast durch Abdichtunglediglich<br />
eine Massnahme<br />
auf Zeit ist. Einerseits<br />
besteht die·Problematik<br />
der technischen Sicherheit,<br />
die, mit zunehmendem Alter<br />
der Sicherungsmaterialien abn<strong>im</strong>mt.<br />
Andererseits ist auch<br />
zu berücksichtigen, dass die<br />
Nutzungsdauer von Industriegrundstücken<br />
in der Regel<br />
nur einige]ahrzehnte beträgt.<br />
Somit werden nachfolgende<br />
Generationen vor einem ähnlichen<br />
Problem stehen wie<br />
es heute bereits existiert. In<br />
diesem Zusammenhang stellen sich natürlich insbesondere<br />
Fragen bezüglich zukünftiger Verantwortlichkeiten<br />
und finanzieller Haftungen. Zum<br />
Einordnen der Sicherungsmassnahmebezüglich Nachhaltigkeit<br />
besteht also generell noch ein Klärungsbedürfnis.<br />
Bei der Bodenwiische wird für eine grosse Fläche<br />
wieder eine multifunktionelle Nutzungsmöglichkeit<br />
hergestellt, da belastete Aushubmaterialien durch<br />
«saubere» ersetzt werden. Als weiterer positiver<br />
Effekt wird mit der Bodenwiische eine Wiederverwertung<br />
von gewaschenem «sauberem» Aushubmaterial<br />
angestrebt, d.h. ein Beitrag zur Schonung einer<br />
Ressource geleistet. Diesen positiven Effekten sind<br />
jedoch die aus der Bodenwiische resultierenden, mit<br />
aufkonzentrierten Schadstoffen belasteten· Abfälle<br />
gegenüberzustellen,. die je nach·· Schadstoffart einer<br />
Weiterbeh<strong>and</strong>lung' zu unterziehen sind oder deponiert<br />
werden müssen. Auch ist zu bedenken, dass<br />
die Massnahme Wasser, Hilfsstoffe und Energie<br />
benötigt.<br />
Bei der Hydraulischen in situ Sanierung würden für<br />
die Betreibung der Kläranlage sowohl Hilfsstoffe als<br />
auch Energie benötigt. Zwar wird durch die Massnahme<br />
das Schadstoffpotential langsam verringert,<br />
die Deponie als solche bleibt jedoch über sehr lange<br />
Zeit bestehen. Auch sind bei dieser Massnahme<br />
die für zukünftige Generationen entstehenden langfristigen<br />
Betreiberkosten der Anlage zu berücksichtigen.<br />
Diese kurze Betrachtung der Beh<strong>and</strong>lungsvarianten<br />
verdeutlicht, dass jede der in Betracht gezogenen<br />
Massnahmen in irgendwelcher Form gegen einzelne<br />
oder mehrere der Nachhaltigkeitspostulate verstÖsst.<br />
Abb. 4.1 Eine zu Beginn derFal/studie durcngcfiinrte Exkursion zurSondef711iil/deponie Kölliken bracnte<br />
uns aufden Gedanken, die dort erkobenen Daten zurAbscniitzungfiirdie Hydrauliscne in siiu Sanierung<br />
zu 'Oerwenden (Bild: Micnacl Meier).<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
243
Altlasten --------'-------------------- _<br />
Wichtig bei solchen Betrachtungen ist, zu berück<br />
.sichtigen, dass die Erfüllung einzelner Postulate<br />
nicht auf Kosten <strong>and</strong>erer stattfindet und dass aus<br />
einer Massnahme eine Verbesserung der Gesamtsituation<br />
resultiert.<br />
4.2 Altlasten in einem sich ändernden<br />
Umfeld<br />
4.2.1 Prognosen (Politik, Technik, Recht, Wirtschaft)<br />
Ein Problem bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit<br />
von, Massnahmen stellen die Unsicherheiten bei<br />
der Beschreibung der Bedürfnisse und Wünsche<br />
zukünftiger Generationen dar. Diesen Unsicherheiten<br />
wurde in Form von Zukunftsbildern Rechnung<br />
getragen. Dazu wurden mögliche zukünftige<br />
Entwicklungen und die resultierenden Rahmenbedingungen<br />
definiert. Mit den Annahmen von<br />
zwei extremen Situationen - «Strenger Vollzug und<br />
«Lascher Vollzug - konnten in Kombination mit<br />
der Entscheidungshilfemethodik Logical Decisions,<br />
die Varianten unter verschiedenen Gesichtspunkten<br />
beurteilt werden. Die Verschiedenheit ergibt sich<br />
hauptsächlich aus unterschiedlichen Werthaltungen<br />
und daraus resultierenden Gewichtungen der Bereiche<br />
«Wirtschaft», «Umwelt», «Technik», «Gesellschaft»,<br />
«Recht und «Politik».<br />
4.2.2 Bewertung der Sanierungsvarianten<br />
Die Bewertung der Beh<strong>and</strong>lungsvarianten unter<br />
den verschiedenen Rahmenbedingungen resultierte<br />
in deutlichen Unterschieden der Massnahmenrangfolge.<br />
Mit dem Zukunftsbild «Strenger Vollzug als<br />
Werthaltung <strong>im</strong> Hintergrund zeichnete sich die<br />
Bodenwäsche als Massnahme der Wahl aus. Dies<br />
erscheint plausibel, da aus lokaler Perspektive betrachtet<br />
eine dauerhafte Problemlösung resultiert;<br />
unter Erfüllung der gesetzlichen Best<strong>im</strong>mungen. Da<br />
für dieses Zukunftsbild angenommen wurde, dass<br />
sich die Schweizer Wirtschaft in Hochkonjunktur<br />
befin,det, wurde dem Faktor Kosten weniger Bedeutung<br />
beigemessen. Dies kam aus der Gewichtung<br />
durch die K<strong>and</strong>idatInnen deutlich zum Ausdruck.<br />
Betrachtet man den mittleren Nutzender Sanierungsvarianten<br />
für das Zukunftsbild «Lascher Vollzug<br />
so zeichnet sich die Sicherung als Methode der<br />
Wahl aus. Dieses Resultat ist insofern plausibel, als<br />
dass bei knappen finanziellen Ressourcen dennoch<br />
die rechtlichen Rahmenbedingungen auch <strong>im</strong> Um<br />
~eltbereich einzuhalten sind. Für dieses Zukunftsbild<br />
wurden von allen bis auf einen K<strong>and</strong>idaten die<br />
Kosten als wichtigstes Kriterium gewichtet. Dies<br />
widerspiegelt die Annahme von schlechten wirt-<br />
schaftlichen Rahmenbedingungen, welche diesem<br />
Zukunftsbild zugrunde gelegt wurden.<br />
Betrachtet man diese Ergebnisse von Logical Decisions<br />
in einem Gesamtkontext, so lässt sich festhalten<br />
das die erhaltenen Lösungen plausibel und nachvollziehbar<br />
sind. So resultierten aus verschiedenen<br />
s<strong>im</strong>ulierten Werthaltungen klar unterscheidbare<br />
Lösungen. Solche Lösungen könnten als Diskussionsgrundlage<br />
für reale Entscheidungsprozesse<br />
dienen. Es ist klar, dass die Qualität der Lösungen<br />
in starkem Masse von den Informationsgrundlagen,<br />
die in das Logical Decisions~Modeil einfliessen und<br />
V01l1 Aufbau des Logical Decisions-Modells abhängen.<br />
Auch spielt die Sachkompetenz der Personen eine<br />
Rolle, die die Bewertung ausführen. Aus diesen<br />
Gründen sollten die Resultate nicht als fertige Problemlösungen<br />
betrachtet werden sondern als eine<br />
systematische Hilfe zur Entscheidungsfindung. In<br />
dieser Hinsicht stellt Logical Decisions auch ein für<br />
die Praxis zumindest als prüfbar zu betrachtendes<br />
methodisches Integrations- und Entscheidungshilfe<br />
Werkzeug dar.<br />
4.3 Opt<strong>im</strong>ierungder<br />
Entscheidungsfindung<br />
Thesen zu einem opt<strong>im</strong>alen Entscheidungsmanagement<br />
Die folgenden Thesen wurden aufgrund der Protokollanalysen<br />
und der Auswertung der Interviews,<br />
sowie des Planspieles formuliert. Weiter liessen sich<br />
diese Thesen zum Teil auch aus den beobachteten<br />
Konflikten ableiten. Mit diesen Thesen soll in<br />
keiner Weise Kritik an dem <strong>im</strong> Stierenried gewählten<br />
Vorgehen geübt werden. Die Thesen basieren auf<br />
der Analyse des Altlastenfalls Stierenried während der<br />
Fallstudie und sollen als Opt<strong>im</strong>ierungsansätze für<br />
zukünftige Altlastenbearbeitungsprozesse ähnlicher<br />
Art verst<strong>and</strong>en werden.<br />
1. Altlastendialog<br />
Besteht auf einem Baugrundstück ein Altlastenverdacht,<br />
so sollte die Altlastensituation möglichst früh<br />
abgeklärt werden, um sie bei der Planung berücksichtigen<br />
zu können. Sonst kann es zu erheblichen<br />
Verzögerungen des Bauprozesses kommen.<br />
Gerade aus dem Interessenkonflikt um die Parkanlagen<br />
auf dem ABB-Areal geht hervor, dass die<br />
Problematik der Altlasten bei der Planung zu wenig<br />
berücksichtigt worden ist.<br />
Sind alle Beteiligten über die Altlastensituation<br />
auf dem aktuellen Informationsst<strong>and</strong>, können Probleme<br />
schon früh erkannt und diskutiert werden, was<br />
in jedem Fall zu einer Verringerung der Folgekosten<br />
führt.<br />
244<br />
UNS-Fallstudie '96
________________________________________--'-_Altlasten<br />
2. Zusammenarbeit Ämter-Eignerlnnen<br />
Be<strong>im</strong> Auftreten von Altlasten ist es ein Vorteil, wenn<br />
EignerInnen und Ämter schon in der Anfangsphase<br />
eine auf gegenseitigem Vertrauen basierende Zusammenarbeit<br />
anstreben, um die Probleme, die sich<br />
aus den Altlasten ergeben, opt<strong>im</strong>al bearbeiten zu<br />
können.<br />
Diese Zusammenarbeit hat <strong>im</strong> Falle des Stierenrieds<br />
gut funktioniert. Die Kooperation der verschiedenen<br />
Beteiligten in einer Projektgruppe, die sich regelmässig<br />
trifft, hatte sich sehr bewährt. So können<br />
anfallende Probleme schneller und überhaupt effizienter<br />
bearbeitet werden.<br />
Auch <strong>im</strong> Planspiel hatte sich gezeigt, dass die<br />
Zusammenarbeit der verschiedenen Beteiligten in<br />
Form einer Projektgruppe innert kurzer Zeit zu einer<br />
konsensfähigen Lösung führen konnte.<br />
3. Zusammenarbeit amtsintern<br />
Amtsinterne Projektgruppen für Altlasten innerhalb<br />
der <strong>Stadt</strong> führen zu einer besseren Koordination und<br />
zu einem besseren Informationsfluss. Die verschiedenen<br />
Amtsstellen (z.B. der <strong>Stadt</strong>) treten als Einheit<br />
nach aussen und können so ihre Interessen besser<br />
vertreten. Auch für die EignerInnen ist somit durch<br />
den klaren Verh<strong>and</strong>lungspartner eine opt<strong>im</strong>ale Kommunikation<br />
gewährleistetet.<br />
Insbesondere bei den städtischen Behörden best<strong>and</strong>en<br />
gelegentlich einige Koordinationsprobleme.<br />
So wurde zum Beispiel die <strong>Stadt</strong>entwiisserung erst<br />
zu einem relativ späten Zeitpunkt.zugez,ogen. Auch<br />
waren die einzelnen Interessen der <strong>Stadt</strong>in diesem<br />
Fall nicht koordiniert.<br />
Zudem ist auch in unserem Planspiel deutlich geworden,<br />
dass bei einer Zusammenarbeit innerhalb<br />
der verschiedenen städtischen und kantonalen Behörde<br />
eine <strong>and</strong>ere Verh<strong>and</strong>lungsstruktur möglich ist.<br />
So konnten am einen Ort Kompromisse bzgl. Ökologie<br />
gemacht werden und an einem <strong>and</strong>eren Ort dafür<br />
ökologische Ausgleichsflächen eingeh<strong>and</strong>elt werden.<br />
4. Realisierungshorizont<br />
Die EignerInnen sollten sich darum bemühen, die<br />
Altlastenbearbeitungen termingerecht abzuwickeln,<br />
da sie sonst auch mit einer Verzögerungder Bauzeit<br />
zu rechnen haben, was mit hohen Folgekosten verbunden<br />
ist.<br />
Auch auf dem Areal Stierenried führte die späte<br />
Eingabe des Sanierungsprojektes zu einer gewissen<br />
Zeitverzögerung, welche sich dann jedoch durch<br />
eine opt<strong>im</strong>ale Verh<strong>and</strong>lungspraxis noch in Grenzen<br />
halten liess.<br />
5. Die ökologische Verantwortung<br />
EignerInnen neigen dazu, ökologische Verantwortung<br />
auf die Ämter und ExpertInnen abzuschie-<br />
ben. Deshalb müssen sie bei der Sanierungslösung<br />
darauf;mfmerksam gemacht werden, dass sie für die<br />
Lösung verantwortlich sind und dass bei Problemen<br />
grosse Folgekosten auftauchen können. Insbesondere<br />
überdie Unsicherheit einer Risikoabschätzung<br />
sollte mansich auf allen Seiten bewusst sein.<br />
Diese Haltung hat sich in den Interviews stark<br />
manifestiert. Liegt ein Bericht über die Risiken einmal<br />
vor, machen sich die Beteiligten darüber nur<br />
noch geringe Gedanken, denn sie stellen die ExpertInnen<br />
nicht in Frage. Das gleiche konnte bei der<br />
Sicherungslösung beobachtet werden, die Verantwor~<br />
tung wurde grösstenteils auf das AGW abgeschoben.<br />
Im Planspiel liessen sich solche Mechanismen des<br />
Delegierens' von Verantwortung auch feststellen.<br />
Hier wurde die Verantwortung für die Berücksichtigung<br />
ökologischer Aspekte zum Beispiel gerne dem<br />
AGW überlassen.<br />
6. Die Rolle der ExpertInnen<br />
ExpertInnen befinden sich in einer Doppelrolle. Es<br />
entspricht, der gängigen Praxis <strong>im</strong> Kanton Zürich,<br />
dass die GutachterInnen sowohl die Altlastuntersuchungen<br />
erarbeiten, als auch die konkrete Ausführung<br />
des Sanierungsprojektes auf der Baustelle<br />
überwachen. Diese Art' des Vollzuges mit einer<br />
Eigenkontrolle des Bauherren durch eine Gutachterin<br />
oder einen Gutachter bedingt jedoch, dass.der<br />
Kontakt zwischen dem/der Konzeptverantwortlichen<br />
und dem AGW ungehindert wahrgenommen werden<br />
kann.<br />
Auf der <strong>and</strong>eren Seite stehen die PlanerInnen und<br />
BeraterInnen zum Teil unter starkem Druck der EignerInnen,<br />
extrem kostenmin<strong>im</strong>ale und zeitsparende<br />
Projekte zu realisieren.<br />
Es ist daher von grosser Wichtigkeit, dass sich die<br />
GutachterInnen dieser Doppelrolle und eier damit<br />
verbundenen Verantwortung bewusst sind.<br />
In heiklen Fragen kann es manchmal für eine<br />
Amtsstelle; sinnvoll sein, ein Gegengutachten bei<br />
einer unabhängigen Fachstelle einzuholen.<br />
I<br />
~..<br />
I<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
245
Altlasten<br />
_<br />
Literatur<br />
AGW (1993). Altlastenbearbeitung: Einführung in die Altlastenpraxis<br />
des Kantons Zürich. Zürich: Amt für Gewässerschutz und<br />
Wasserbau des Kantons Zürich.<br />
AGW (1994). Wegleitung für die Klassierung von Bauabfallen.<br />
Zürich: Amt für Gewässers
Wasserhaushalt<br />
I<br />
II<br />
I"halt<br />
1. Einführung<br />
2. Vorgehen und Methoden<br />
3. Ergebnisse<br />
4. Interpretation und<br />
Schlussfolgerungen<br />
249<br />
250<br />
256<br />
273<br />
Autorl""e"<br />
Brigitte Eggmann<br />
Patrik Lengacher<br />
Felil Ramisch<br />
Michael Koucky·(Tutor)<br />
Jürg Stünzi (Tutor)<br />
Aufbaue"d auf de" Ergeb"isse" der wisse"schaft'iche" Arbeirsgruppe (Sy"thesegruppe WASSERHAUSHALT)<br />
Regula Billeter . Barbara Horlacher Anita Müller<br />
Andrea Ciani Natascha Kljun Daniel Niederhauser<br />
Brigitte Eggmann S<strong>and</strong>ra Kunz Manuel Pesaro<br />
Nikolai FischerPatrikLengacher<br />
Felil Ramisch<br />
Barbara Fuchs Martin Märki Patrick Reichmuth<br />
Gian Andrea Gliott Christoph Meier Martin Röösli<br />
Andreas Vögelin<br />
Johannes Heeb (Tutor)<br />
Michael Koucky (Tutor)<br />
Martin S<strong>im</strong>on (Tutor)<br />
Werner S<strong>im</strong>on (Tutor)<br />
Jürg Stünzi (Tutor)
Wasserhaushalt --'- _<br />
248 UNS-Fallstudie '96
_______~------------------------<br />
Wasserhaushalt<br />
1.<br />
1.1<br />
Der Studiengang Umweltnaturwissenschaften will<br />
die Fähigkeit vermitteln, die Wechselwirkungen<br />
zwischen dem Menschen und seiner belebten<br />
wie unbelebten Umwelt zuerkennen und zu verstehen.<br />
Eine spezifisch umweltnaturwissenschaftliche<br />
Arbeitsweise ist der Systemansatz und die<br />
Untersuchung dynamischer Entwicklungen. Der<br />
. Wasserhaushalt eines Areals kann als klassischer<br />
Untersuchungsgegenst<strong>and</strong> aufgefasst werden.<br />
Zum Wasserhaushalt eines Gebietes gehören Para~<br />
meter wie Niederschlag, Versickerung, Grundwasserneubildung,<br />
Zu- und Abflüsse sowie die Speicherkapazität<br />
des Areals für Wasser.<br />
Der Wasserhaushalt urbaner Gebiete untersteht<br />
einer Einflussdynamik von Bebauungs- und Bepflanzungsgrad<br />
sowie von der Art des Entwässerungsnetzes<br />
und des künstlichen Wasserzuflusses (v.a.<br />
Trinkwasser). Gerade Industrieareale zeichnen sich<br />
durch das Vorliegen weiträumiger, versiegelter Flächen<br />
aus. Dieser Aspekt, der in Abb. 1.1 aufscheint,<br />
soll in unserer Arbeit aufgegriffen werden.<br />
1.2<br />
Einführung<br />
Allgemein<br />
Ziel<br />
Ziel der Synthesegruppe ist es, den Wasserhaushalt<br />
des Teilgebietes 0 des ZZN-Areals zu verstehen und<br />
Abb. 1.1 Indpstrieareale weisen typischerweise grossflächige Bauten (Produktionshollen) und. befestigte Fahr-,<br />
Umschlags- undLagerplätze auf, welche grosse versiegelte Flät;hen bilden. Bei der Entwässerung solcherAreale<br />
müssen - gerade bei Gewitterregen - bedeutende Wasserjlüsse weggeführt werden. (Bild: Jürg Stünzi).<br />
abzubilden sowie gesamtheitliche Opt<strong>im</strong>ierungsmöglichkeiten<br />
aufzuzeigen.<br />
Wir möchten herausfinden, welche Massnahmen<br />
es braucht, um einen anthropogen beeinflussten<br />
Wasserhaushalt opt<strong>im</strong>al zu steuern. Der Umgang mit<br />
Wasser wird nicht nur auf siedlungswasserbaulicher<br />
Ebene, sondern auch innerhalb der Gebäude unter<br />
die Lupe genommen. Gerade <strong>im</strong> Hinblick auf das<br />
Konzept Nachhaltigkeit müssen Entwicklungen von<br />
ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen zu<br />
den Umweltauswirkungen in Bezug gesetzt werden.<br />
Als Resultat bzw. Produkt werden<br />
• eine modellhafte Abwägung der Wirkung möglicher<br />
Einflussfaktoren unter verschiedenen wirtschaftlichen<br />
und sozialen Rahmenbedingungen<br />
angestrebt und<br />
• Kosten-Nutzen-Verhältnisse verschiedener Massnahmen<br />
untersucht, die PlanerInnen und Bewilligungsbehörden<br />
Strategien für ein ökologisch<br />
. nachhaltiges und ökonomisch tragbares Wassermanagement<br />
aufzeigen und ein für die Entscheidung<br />
nutzbares Instrument liefern.<br />
Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen sind <strong>im</strong><br />
speziellen an die folgenden' Akteure und Behörden<br />
gerichtet:<br />
1 BauherrelI: Es werden Massnahmen vorgestellt,<br />
welche <strong>im</strong> Sinne eines ökologischen Leitbildes in<br />
Erwägung gezogen werden sollen. Es sind dies<br />
einerseits Technologien zur Einsparung von Trinkwasser,<br />
<strong>and</strong>ererseits auch besondere Elemente zur<br />
Gestaltung von Gebäuden und der Umgebung wie<br />
beispielsweise Fassadenbegrünung<br />
oder regenwassergespiesene<br />
Oberflächengewässer.<br />
Z Plallerlllllell: Wir hoffen<br />
auf einen Einbezug der<br />
von uns geprüften und<br />
angeregten Massnahmen.<br />
Insbesondere soll<br />
aber das vorgelegte Wasserhaushaltsmodell<br />
(Modelisystem<br />
Stella II) als<br />
EDV-Werkzeug für eine<br />
interaktive Evaluation<br />
planerischer Lösungen<br />
einbezogen und weiterentwickelt<br />
werden.<br />
3 Behördell (<strong>Stadt</strong>entwässerung,<br />
Amt für Gewässerschutz<br />
und Wasserbau<br />
[AGW]): Durch die Diustellung<br />
der dynamischen<br />
Wasserhaushaltsprognosen<br />
wird Spielraum<br />
für eine wesentlich<br />
UNS-Fallstudie '96 249
Wasserhaushalt<br />
_<br />
differenziertere Aush<strong>and</strong>lung der Abwassermengen<br />
aus dem Areal in die städtische Kanalisation<br />
geschaffen. Anstelle einer starren Mengenschwelle<br />
können die Behörden der <strong>Stadt</strong>entwässerung spezifischere<br />
Retentionsvorgaben einbringen und die<br />
Gebühren verursachergerechter festlegen.<br />
1.3 fallbezug<br />
Es zeichnet sich ab, dass auf dem ZZN-Areal vielerorts<br />
Flächen versiegelt werden müssen, um die<br />
Gefahr von Grundwasserkontaminationen durch Altlasten<br />
(vgI. Kap. ALTLASTEN) zu verhindern. Dadurch<br />
werden, massive Störungen des natürlichen Wasserhaushaltes<br />
in Kauf genommen.<br />
Unter diesen Rahmenbedingungen ist es für ein<br />
derart grosses Areal von besonderer Bedeutung, alle<br />
Möglichkeiten eines intelligenten Wassermanagements<br />
aufzuzeigen und abzuwägen.<br />
. Drei Gründe haben uns bewogen, das Teilgebiet 0<br />
für unsere Untersuchungen auszuwählen:<br />
• Die Planung ist erst so weit fortgeschritten, dass<br />
unsere Resultate nO,ch einfliessen bzw. von Bauherren,<br />
PlanerInnen und Bewilligungbehörden der<br />
<strong>Stadt</strong> einbezogen werden können.<br />
• Dieses Teilareal hat mit seiner vorgesehenen,<br />
gemischten Nutzung (Dienstleistungen, Kultur,<br />
Freizeit und Wohnen) Modellcharakter und ist<br />
repräsentativ für das ganze ZZN-Areal (vgI. Ruoss<br />
& Siress, 1994).<br />
• Die Datenlage über dieses Teilgebiet ist relativ<br />
gut.<br />
2. Vorgehen und Methoden<br />
2.1 Übersicht<br />
Der Ablauf der Fallstudie ist In drei Phasen gegliedert:<br />
In der ersten Synthesephase haben wir uns mit<br />
dem Fall «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» bekannt gemacht,<br />
das Areal studiert, Aufgaben und Fragen definiert,<br />
die bearbeitet werden sollen und die Methoden ausgewählt.<br />
In der zweiten Phase, der Teilprojektphase, ist<br />
die Synthesegruppe zur Bearbeitung der verschiedenen<br />
Themenbereiche in sechs Teilprojektgruppen<br />
WASSERHAUSHALT, WASSERMANAGEMENT, GEBÄUDE,<br />
RAHMENBEDINGUNGEN BEZÜGLICH POLITIK, RECHT UND<br />
ÖKONOMIE und MODELLIERUNG aufgeteilt worden.<br />
Eine Koordinierungsgruppe (Metagruppe) hat die<br />
Koordination und Kommunikation zwischen den<br />
Teilprojekten übernommen und gewährleistet.<br />
In der abschliesseIiden dritten Phase wurden die<br />
Ergebnisse der Teilprojekte zu einer Synthese integriert.<br />
Um das Wasserhaushaltsmodell und das Modell<br />
der Rahmenbedingungen zu erstellen, zu prüfen und<br />
auszuwerten, wurden Detailbetrachtungen aus verschiedenen<br />
Blickwinkeln mit den in diesem Kapitel<br />
beschriebenen Methoden zu ganzheitliChen Aussagen<br />
verknüpft.<br />
Der Verlauf unserer Synthesearbeit ist in Abb. 2.1<br />
als Gesamtfigur dargestellt.<br />
Im folgenden werden die wichtigsten Begriffe in<br />
Abb. 2.1 kurz erläutert:<br />
Der erste Fragenkomplex (Fragenkomplex 1) n<strong>im</strong>mt<br />
Bezug auf die Rahmenbedingungen, d.h. die externen<br />
Einflussfaktoren: Unter welchen Rahmenbedingungen<br />
werden (technische) Massnahmen realisiert,<br />
die. sich auf den Wasserhaushalt beziehen? Aus-<br />
.gehend von einerformativen Szenarioanalyse (4 konsistente<br />
Szenarien) werden in einem sogenannten<br />
Wirkmodell Rahmenbedingungen (Soft Model, Stella II)<br />
Sätze von Eingabegrössen (Sets) für das Wasserhaushaltsmodell<br />
entworfen.<br />
Der Fragenkomp/ex 2 ~efasst sich mit wasserhaushaltsbezogenen<br />
Massnahmen, d.h. mit den internen<br />
Einflussfaktoren. Die unterschiedlichen Auslegungen<br />
technischer Massnahmen werden hier als Varianten<br />
bezeichnet. Die Festlegung der 16 Sets, welche<br />
die Eingabegrössen des Wasserhaushaltsmodells,<br />
. best<strong>im</strong>men, ist in Kap. 2.3.3 SETS UND VARIANTEN<br />
beschrieben. Jedes Set besteht einerseits aus «Lochkarten»,<br />
welche die <strong>im</strong> Wasserhaushaltsmodell wirksamen<br />
Annahmen - Regelgrössen wie z.B. die Fläche<br />
der realisierten Gründächer - festlegen,<strong>and</strong>ererseits<br />
aus «Kassenzetteln», cl.h. Auflistungen von Kosten'<br />
der Massnahmen.<br />
250<br />
UNS-Fallstudie '96
-'-<br />
---------------------'-----------'----Wasserhaushalt<br />
Outputs<br />
14 I<br />
lLLJ<br />
LiiJ<br />
Variantenbildung<br />
1<br />
sets<br />
lilIIIIIlIII lilIIIIIlIII lilIIIIIlIII<br />
lilIIIIIlIII<br />
lilIIIIIlIII lilIIIIIlIII•<br />
ill<br />
• lilIIIIIlIII• lilIIIIIlIII• lilIIIIIlIII•<br />
Befragung<br />
Szenarienanalyse !<br />
I<br />
t<br />
Umweltbezogene Bewertung<br />
Im Fragenkomplex 3 finden sich die eigentlichen<br />
Fragen der lokalen Niederschlagsund<br />
Abflussdynamik: Welche Abflussspitzen<br />
erzeugt ein Gewitterregen? Welche Abflussmengen<br />
entstehen bei anhaltenden Niederschlägen<br />
(Langzeitereignis)? Wie wird die<br />
Aufteilung der Wasserpfade bei den verschiedenen,<br />
.technischen Massnahmen langfristig<br />
beeinflusst?<br />
Das Wasserhaushaltsmodellliefert mit jedem<br />
. S<strong>im</strong>ulationslauf einen spezifischen Ergebnissatz<br />
(Output) der dynamischen Verteilung der<br />
Wasserflüsse auf die verschiedenen Pfade.<br />
Aus den Abflusskurven werden die massgeblichen<br />
Abflussmengen, Dämpfungen, etc.<br />
abgelesen.<br />
Der Bewertungsblock umfasst die multidttnbutive<br />
Bewertung(LogicalDecisions) der Wirkungen,<br />
welche hier zu einem umweltbezogenen<br />
Index aggregiert werden. Ein massgeblicher<br />
Schritt, die Gewichtung der Wirkungen, erfolgte<br />
durch eine entsprechende Befragung;<br />
dahinter steht die Fragestellung (Fragenkomplex<br />
4), ob in den drei Befragungsgruppen<br />
eine unterschiedliche Gewichtungseinschätzung<br />
erkennbar ist. Neben den umweltbezogenen<br />
Bewertungsansätzen wurden Wirtschajtlichkeitsberechnungen<br />
duichgeführt,'welche<br />
als Bewertungsindex den Net Present Value<br />
(NPV) einbringen.<br />
Die Auswertung erfolgt durch mathematische<br />
und graphische Analysen der beiden<br />
Bewertungsindices und wird <strong>im</strong> Kap. 4<br />
INTERPRETATION. UND SCHLUSSFOLGERUNGEN zu<br />
erkenntnisbezogenen Aussagen und den entsprechenden<br />
Schlussfolgerungen zusammengeführt.<br />
Auf dieser Basis werden die abschliessend<br />
aufgeführten Anregungen und<br />
Ideen zum Wassermanagement abgeleitet.<br />
Wlrkmodell<br />
RahmenbedIngungen<br />
Wasserhaushaltsmodell<br />
Wirtschaftlichkeitsbewertung<br />
Anregungen,<br />
Ideen<br />
Abb. 2.1 Vorgehensübersicht der Synthesearbeit. Ausgehend von<br />
den <strong>im</strong> Text beschriebenen Fragestellungen (Fragenkomplexe)<br />
können diefolgenden Vorgehensschritte unterschieden werden:<br />
Rahmenbedingungen: Ausgehend von einerformativen Szenarioanalyse<br />
(4 konsistente Szenarien) werden in einem Wirkmodell<br />
Rahmenbedingungen (Soft Model)Annahmenbündei (Sets) definiert<br />
(vgl. Kap.' 2.3.3 SETS UND VARIANTEN). Das Wassemaushaltsmodell<br />
wird von den einzelnen technischen' Massnahmen<br />
(welche als Sets zusammengefasst sind) beeinflusst. DementsprechendergibtjederS<strong>im</strong>ulationslaufeinen<br />
spezifischen Ergebnissatz<br />
(Output), welcher die dynamische Verteilung der Wasserjlüsse auf<br />
die verschiedenen Pfade beschreibt. Die Bewertung umfasst einen'<br />
umweltbezogenen Index (LogicaI.Dedsions), der durrh eine Befragung<br />
gewichtet wurde sowie eine Wirtschaftlichkeitsberechnung,<br />
welche als Bewertung.rindex den NPV (Net P1-esent Value) vorlegt.<br />
Die Auswertung umfasst graphische Analysen der beiden Bewertungsindices,<br />
insbesondere eine Kosten-Wirksamkeits-Analyse<br />
(Rentabilitäts-Nutzen-Diagramm) der Szenarien und Varianten.<br />
UNS-Fallstudie '96 251
Wasserhaushalt<br />
2.2 Systemabgrenzung<br />
Räumlich entspricht die Begrenzung des hier untersuchten<br />
Systems den Grenzen des Teilgebietes 0<br />
innerhalb des Planungsgebietes "<strong>Zentrum</strong> Zürich<br />
<strong>Nord</strong>" (vgl. Abb. 3.1.1 <strong>im</strong> Kap. STADTENTWICKLUNG).<br />
Für den Wasserfluss sind die folgenden Quellen und<br />
Senken massgebend:<br />
Quellen:<br />
• Niederschlag (Regen, Schnee, Tau, etc.)<br />
• Trinkwasserversorgung<br />
Senken:<br />
• Evapotranspiration<br />
• Abwasser (Kanalisation)<br />
• Reinwasser (abzuführendes Regenwasser, etc.)<br />
• temporäre "Störfall»-Senke·bei starken Regenereignissen,<br />
wenn das Areal teilweise überschwemmt<br />
wird.<br />
Eine projektierte Regenwasserleitung, die das Teilgebiet<br />
0 durchquert, wurde nicht in unsere.Betrachtungen<br />
einbezogen.<br />
Der zeitliche Betrachtungsrahmen n<strong>im</strong>mt Bezug<br />
auf die folgenden Zeiträume:<br />
Die Analyse der Niederschlagsdaten umfasst die<br />
Jahre 1-990-1996. Die Prognosen beziehen sich auf<br />
einen Zust<strong>and</strong> des Areals, welcher dem Realisierungszust<strong>and</strong><br />
2015/2025 gemäss Planungsbericht<br />
ZZN entspricht. Die ökonomischen Untersuchungen<br />
zum Gegenwartswert (NPV) von Massnahmen<br />
wurden für eine zu erwartende Nutzungsdauer der<br />
Anlagen von 20 Jahren berechnet.<br />
-'--<br />
Preise, Verfügbarkeit und Akzeptanz den Wasserverbrauch<br />
und die Realisierung von Massnahmen<br />
(z.B. Gründächer) <strong>im</strong> Planungsgebiet beeinflussen.<br />
Mit der Methode der formativen Szenarioanalyse<br />
(Scholz et al., 1996; vgl. Kap. FORMATIVE SZENARIO<br />
ANALYSE) können diese Szenarien vergleichbar und<br />
widerspruchsfrei erzeugt werden.<br />
Für die Szenarienerstellung und die Best<strong>im</strong>mung<br />
sinnvoller Modellzusammenhänge und Rahmenbedingungen<br />
wurden betroffene EntscheidungsträgerInnen<br />
und ExpertInnen beigezogen. Als erstes<br />
wurde eine mögliChst vollständige Liste von Einflussfaktoren<br />
geschaffen (Brainstorming). In einem<br />
zweiten Schritt wurden die wichtigsten Einflussfaktoren<br />
nach Relevanzkriterien ausgewählt und<br />
die notwendigen Definitionen und Abhängigkeiten<br />
festgelegt. Dabei wurde auf die Erkenntnisse aller<br />
Teilprojektgruppen zugegriffen. Die ausgewählten<br />
externen Einflussfaktoren und ihre Definitionen<br />
sind aus Tab. 2.3.2 ersichtlich.<br />
Es wurden vier konsistente Szenarien ausgewählt<br />
und für die weitere Untersuchung verwendet. Das<br />
Szenario definiert via ein Wirkmodell Rahmenbedingungen<br />
(Soft Model, siehe Kasten 2.3.2) mehrere Regelgrössen<br />
(z.B. Gründachanteil, Grauwasseranlagen,<br />
Wasserverbrauch) für das Wasserhaushaltsmodell.<br />
2.3.3 Sets lind Varianten<br />
Es wurde angestrebt, die Auswirkungen der vier<br />
Szenarien und der technischen Massnahmen zu<br />
2.3 Rahmenbedingungen<br />
2.3.1 Systemeigenschaften<br />
Die grundlegenden Prozesse und Systemeigenschaften<br />
wurden in der Synthesephase I durch<br />
Literaturstudium und Gespräche mit Fachleuten<br />
(siehe Kasten 2.3.1) erarbeitet. Dabei wurden die<br />
Systemgrenzen festgelegt und mögliche Systementwicklungen<br />
geprüft. Zusätzlich haben sich die<br />
Studierenden der Teilgruppe durch Literaturrecherehen<br />
ins Thema eingearbeitet. Zitierte und weiterführende<br />
Literatur sind in der Literaturliste am<br />
Schluss des Kapitels aufgeführt.<br />
2.3.2 Szenarioanlllyse<br />
'Um das Wasserhaushaltsmodell und die Bewertungen<br />
in einen sinnvollen· Kontext zu stellen, wurden<br />
Zukunftsszenarien . mit verschiedenen wirtschaftlichen<br />
und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
entworfen. Die Rahmenbedingungen werden als die<br />
externen Einflussfaktoren aufgefasst, welche .über<br />
Kosten 2.3.1 Übersiclttderverwendeten GrundlogenliterotTJr.<br />
252 UNS-Fallstudie '96
d d d, d ••<br />
_____________________------<br />
Wasserhaushalt<br />
Einflussfaktoren<br />
Trinkwasserpreis<br />
•••••••••••••••••••••••••••••••• v •••••••<br />
Abwasserpreis<br />
Hochwasserschutzgesetzgebung<br />
.................................. . .<br />
Gewässerschutzgesetzgebung<br />
Wirtschaftswachstum<br />
......................... .<br />
Bedürfnis nach Natur<br />
Definition<br />
Preis, der für einen Kubikmeter Trinkwasser bezahlt werden muss.<br />
................ . .<br />
Preis, der für einen Kubikmeter Wasser bezahlt werden muss, der ins Kanalisationsnetz<br />
abgegeben wird.<br />
Ten4en~en in der Hoch~asserschutzgesetzgebung. d<br />
................................................•..•........y....................... . .<br />
Tendenzen in der Gewässerschutzgesetzgebung. Besonders zu beachten sind dabei Einleitbedingungen,<br />
der Schutz des Grundwassers und die Sicherung der natürlichen Funktion des<br />
Wasserkreislaufs.<br />
. . .. ......•.....................•... . .<br />
Subventionen für Investitionen Subventionen für Investitionen in wasserbauliche und sanitärtechnische Anlagen.<br />
. .. .. .......•... . .<br />
Umgang mit Wasser<br />
Akzeptanzmasszahl, welche angibt, inwiefern Wasser als wertvolle Ressource geachtet und<br />
beh<strong>and</strong>elt wird.<br />
................ .<br />
Technische Entwicklung<br />
Entwicklung der Zunahme des BruttO-Inl<strong>and</strong>-Produktes (BIP) der Schweiz.<br />
..........................................................................................................................................<br />
Akzeptanzmasszahl, welche angibt, wieviel Natur (Gründächer, Teiche, Grünflächen) <strong>im</strong> Siedlungsraum<br />
erwünscht und akzeptiert ist.<br />
. . & .<br />
Entwicklung neuer Verfahren und Technologien <strong>im</strong> Bereich des Wassersparens.<br />
. .......•... .. .. .. . .•..•...................................•..•....•...........................•.....•......<br />
Politik Mass der Begünstigung (bzw. Behinderung) wasse~baulich innovativer und unterstützender<br />
politischer Einflüsse (z.B. durch eine siedlungswasserwirtschaftliche Lobby).<br />
Tab. 2.3.2 Beschreibung der externen Einfluss/aktoren, welchefür die Szenarienentwicklung einbezogen wurden.<br />
Kasten 2.3.2 System Dynamics und Stella 1I.<br />
UNS-Fallstudie '96 253
Wasserhaushalt '-- _<br />
untersuchen. Dazu wurden zunächst mit dem Wirkmodell<br />
Rahmenbedingungen vier Sätze von Regelgrössen<br />
(Sets) best<strong>im</strong>mt. Für eine zusätzliche Analyse<br />
der Wirkung der Massnahmen wurden die vier von<br />
den Szenarien entworfenen Sets durch Variantensets<br />
ergänzt (vgl. Abb.2.3.3.l). Bei den Varianten sind<br />
interne Einflussfaktoren, nämlich die drei Regelgrössen<br />
Gründachanteil, offene Wasserläufe und<br />
Grauwasseranteil systematisch variiert. Zur leichteren<br />
Unterscheidung und Übersicht sind den Varianten<br />
1-4 folgende Begriffe zugeordnet:<br />
Variante 1: max<strong>im</strong>al<br />
• höchster Gründachanteil<br />
• offener Wasserlauf (Reinwasserkanal)<br />
• höchster Anteil Grauwassernutzung<br />
Variante 2: min<strong>im</strong>al<br />
• geringster Gründachanteil<br />
• keine offenen Wasserläufe<br />
• geringer· Anteil Grauwassernutzung<br />
Variante 3.~ innovativ<br />
• mittlerer Gründachanteil<br />
• keine offenen Wasserläufe<br />
• hoher Anteil Grauwassernutzung<br />
Variante 4: mittel<br />
• mittlerer Gründachanteil .<br />
• keineoffenen Wasserläufe<br />
• geringer Anteil Grauwassernutzung<br />
16<br />
•<br />
Sets<br />
Abb.2.3.3.1 Verkniipfungvon<br />
Szenarien und Varianten zur<br />
Konstruktion der 16 Sets (vgl.<br />
Abb.2.3.3.2).<br />
Variante 1<br />
max<strong>im</strong>al<br />
Variante 2<br />
min<strong>im</strong>al<br />
Variante 3<br />
innovativ<br />
Variante 4<br />
mittel<br />
SzenarioA<br />
Wirtschaft<br />
Szenario B<br />
Krise<br />
SzenarioC<br />
Umdenken<br />
Szenario D<br />
Experten<br />
Abb. 2.3.3.2 Übersicht der verwendeten Regelgrossen-Sets.<br />
Dos Wosserhaushaltsmodell wird determiniert durch Säize von je vier Regelgrössen, die hier als Sets bezeichnet werden. Dabei wird.unterschieden<br />
zwischen der Regelgrösse I (Wasseroerbrauch in I/Pers. Tag), welche durch die Szenarienftx vorgegeben ist, undRegelgrässen ll, weIche<br />
als technische Auslegungen variiert werden können (Gründachanteilin % dergesamten Daclzfläche, GrauwassernufZung in I/Pers. Tag).<br />
Die Sets Al, BZ, C3 und D4 (schattiert) entsprechen den durch die Szenarien best<strong>im</strong>mten Auslegungen (Werten), die iibrigen Sets sind<br />
Permutationen beziiglich der Regelgrössen ll. .<br />
254 UNS-Fallstudie'96
_________________-'-- -------------' -,--_Wasserhaushalt<br />
Durch die Kombination von Szenarien und Varian-..<br />
ten ergibt sich, wie in Abb. 2.3.3.1 dargestellt, eine<br />
Gesamtzahl von 16 Sets.<br />
In der Abb. 2,.3.3.2 ist die Gesamtheit der verWendetenSets<br />
schematisch dargestellt. Aus den hierwiedergegebenen<br />
Angaben wird die Konstruktion der<br />
Sets aus den Regelgrössen I und 11 bzw. der Zusammenhang<br />
zwischen Szenarien und Varianten ersichtlich.<br />
Dieses varianzanalytische Design erlaubt die<br />
spätere Auswertung der Effekte, bezogen auf Szenarien<br />
und Varianten (Split). Den Sets wurde zusätzlich<br />
eine Masszahl zur Erholungsraumqualität zugeordnet<br />
(Tab. 3.6.1.) sowie eine Kostenzusammenstellung<br />
als Basis für die Wirtschaftlichkeitsberechnung.<br />
grösse (d.h.ein Zahlenwert aus der ModelIierung)<br />
~nd eine Nutzenfunktion zugeordnet werden (vgl.<br />
Kap. 3.6.3 MESSGRÖSSEN).<br />
Die Kriterien wurden in einen Fragebogen aufgenommen<br />
und von drei Befragungsgruppen in eine<br />
Gewichtung gebracht. Die drei Gruppen waren:<br />
l.die Studierenden der Synthesegruppe WASSER-<br />
HAUSHALT,<br />
2..die fünf Tutoren und<br />
3. die drei Experten.<br />
Die Schaffung dieses Bewertungskonstruktes erfordert<br />
sehr viel generelle und spezifische System-.<br />
kenntnis und wurde stark auf die Experten abgestützt.<br />
2.4 Wasserhaushaltsmodell 2.6 Ökonomische Untersuchungen<br />
Das Wasserhaushaltsmodell s<strong>im</strong>uliert die dynamische<br />
Verteilung der Wassermengen auf die verschiedenen<br />
Pfade. Die Grundlage zum Aufbau des Modells<br />
ist'der Massenerhaltungssatz (Input = Output) für<br />
Wasser. Die Bilanzierung der Wasserflüsse entspricht<br />
einer Stoffflussanalyse (Baccini, 1994).<br />
Das Wasserhaushaltsmodell fasst alle Erkenntnisse<br />
und Annahmen über .die Wasserflüsse zusammen.<br />
Wie das Wirkmodell Rahmenbedingungen wurde es mit<br />
dem ModelIierungsprogramm Stella 1/ erstellt. Das<br />
Modell wurde für zwei zeitliche Auflösungen ausgelegt.<br />
Das Kurzzeitmodell mit einer Auflösung von<br />
zehn Minuten ermöglicht die ModeIIierung kurz"'<br />
fristiger Regenereignisse. Für langfristige Betrachtungen<br />
wurde ein Langzeitmodell mit einer Auflösung<br />
von einem Tag geschaffen.<br />
Das Modell wird determiniert durch ·Sätze von<br />
Stellgrössen (Sets) und erzeugt aus Eingabedaten<br />
(Klillladaten)· die entsprechenden Modellausgaben.<br />
Mit jedem der eingegebenen Sets Al, A2, ..., 04<br />
wurde ein S<strong>im</strong>ulationslauf durchgeführt bzw. ein<br />
Modellausgabensatz (Output) erzeugt. Die Outputs<br />
bestehen aus den Verlaufskurven aller Wasserflüsse<br />
für die Kurz- und Langzeitbetrachtungen, aus denen<br />
die massgeblichen Abflussmengen, Dämpfungen,<br />
etc. abgelesen werden (vgI. Abb. 3.5.3.2).<br />
Ner Presellr Val.e<br />
Für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen wurde der<br />
betriebswirtschaftliehe .Aspekt in den Vordergrund<br />
gestellt, da dieser bei einer Massnahmenevaluation<br />
durch einen Bauherrn von besonderem Interesse<br />
sein dürfte. Deshalb wurde eine Rentabilitätsberechnung<br />
durchgeführt, weIche den Nutzen einer<br />
Massnahme aufzeigt. Die Berechnung erfolgte nach<br />
der Methode des Net Present Value (Volkart, 1994), die<br />
<strong>im</strong> Kasten 2.6 kurz erläutert ist.<br />
Für jeden Modelloutput werden die Investitionsund<br />
Unterhaltskosten, die Rentabilität von Ein~<br />
sparungen und der NPV berechnet. Die Resultate<br />
sind <strong>im</strong> Lichte der in den getroffenen Annahmen.<br />
liegenden Unsicherheiten zu interpretieren.<br />
2.5 Bewertung<br />
Für die Bewertung der Modelloutputs wurde eine<br />
multiattributiveEntscheidungsanalyse durchgeführt. Zur<br />
Anwendung gelangte dazu das Computerprogramm<br />
Logical Decisions (Smith, 1995). In einem ersten<br />
Schritt wurden die bewertungsrelevanten Kriterien<br />
best<strong>im</strong>mt. Einzelne Kriterien set~en sich dabei aus<br />
Unterkriterien zusammen, wie dies aus Tab. 3.6.1<br />
ersichtlich ist. Jedem Kriterium muss eine Mess-<br />
Kosten 2.6 Net Present Va/ue-Methode (NPV).<br />
UNS-Fallstudie '96 255
Wasserhaushalt--,- ~~ ~ _<br />
3.<br />
Ergebnisse<br />
In diesem Kapitel werden die entwickelten Szenarien<br />
und Annahmen sowie die Ergebnisse der<br />
umweltbezogenen Untersuchungen und der Rentabilitätsberechnungen<br />
beschrieben.<br />
3.1 Rahmeubediuguugeu<br />
3.1.1 Szenarien<br />
In der Szenarioanalyse (vgI.- auch Kap. FORMATIVE<br />
SZENARIOANALYSE) wurden für die in Tab. 2.3.2 aufgelisteten<br />
Einflussfaktoren verschiedene Ausprägungen<br />
definiert. Beispielsweise wurden be<strong>im</strong> Einflussfaktor<br />
Trinkwasserpreis zwei Stufen angenommen<br />
(Stufe 1: sinkender oder gleichbleibender Preis,<br />
Stufe 2: steigender Preis). Indem alle Ausprägungen<br />
der zehn Einflussfaktoren variiert werden, erhält<br />
man 2304 mögliche Kombinationen. Aus einer mittels<br />
Konsistenzanalyse best<strong>im</strong>mten Teilmenge dieser<br />
Kombinationen (ca. 40 hinreichend konsistente Szenarien)<br />
wurden vier Szenarien ausgewählt, die sich<br />
deutlich in ihren Ausprägungen unterscheiden. Sie<br />
.können wie folgt beschrieben werden:<br />
Szenario A: Wirtschaftlicher <strong>Aufbruch</strong><br />
Die Umweltkrise der 70er bis 90er Jahre hat in<br />
der Bevölkerung zu einem Umdenken geführt. Ein<br />
erhöhtes BedÜrfnis nach Natur und nachhaltigem<br />
Umgang mit Ressourcen ist spürbar. Dies zeigt sich<br />
unter <strong>and</strong>erem in einem sparsamen Umgang mit<br />
Wasser und einer verschärften Umweltgesetzgebung.<br />
Die neuen Vorschriften sind in der Bevölkerung<br />
breit abgestützt und daher leicht durchsetzbar. Die<br />
Kosten für die Abwasserentsorgung werden ganz vom<br />
VerursacherInnen bezahlt. Die Öffentliche H<strong>and</strong><br />
unterstützt durch Subventionen Private bei wasser-·<br />
sparenden Massnahmen. Die boomende Wirtschaft<br />
begünstigt die Entwicklung innovativer Technologien<br />
(vgl. Kap. 4.1, Szenario WIRTSCHAFTLICHER<br />
AUFBRUCH <strong>im</strong> Kap. STADTENTWICKLUNC).<br />
Szenario B:'Krise<br />
Die wirtschaftliche Lage der Schweiz ist· sehr<br />
schlecht. Entsprechend sind keine ·finanziellen<br />
Mittel für Subventionen und technische Entwicklungen<br />
auf dem Gebiet wassersparender Anlagen<br />
vorh<strong>and</strong>en: Eine ganz von den VerursacherInnen<br />
gedeckte Abwa.sserentsorgung ist aus wirtschaftlichen<br />
Gründen nicht durchsetzbar. Auch lässt die<br />
ökonomische Krise das Bedürfnis nach Natur in den<br />
Hintergrund treten. Entsprechend wird der Umgang<br />
mit Wasser eher verschwenderischer, so dass' das<br />
Trinkwasser knapp wird und sein Preis steigt.<br />
Szenario C: Umdenken<br />
Trotz der wirtschaftlich sehr schlechten Lage werden<br />
unter dem Einfluss der Deregulierungsrufe von den<br />
VerursacherInnen gedeckte Abwasserentsorgungs~<br />
gebühren eingeführt.· Gleichzeitig steigt auch der<br />
Trinkwasserpreis. Dies führt dazu, dass sich Investitionen<br />
in die Entwicklung innovativer Techniken<br />
auf dem Gebiet des Wassersparens und der Abwasserentsorgung<br />
lohnen, auch wenn dafür keine<br />
Subventionen vorh<strong>and</strong>en sind und aufgrund eines<br />
sinkenden Naturbedürfnisses in der Bevölkerung<br />
eher eine Lockerung der Gewässerschutzgesetzgebung<br />
zu erwarten ist. Der sparsame Umgang mit<br />
Wasser' ist. also weniger auf ein ökologisches Umdenken<br />
zurückzuführen als auf einen verstärkten<br />
finanziellen Druck auf den Einzelnen.<br />
Szenario D: Experten<br />
Aus den Aussagen von Experten über die zu erwartenden<br />
Veränderungen der Rahmenbedingungen<br />
ergab sich ebenfalls ein konsistentes Szenario. Die<br />
Experten sagen voraus, dass sich der Trinkwasserpreis<br />
in der nächsten Zeit nicht wesentlich verändern<br />
wird, da die Gebühren <strong>im</strong> wesentlichen von<br />
konstanten Fixkosten abhängen. Hingegen sind<br />
verursachergerechte Abwasserentsorgungsgebühren<br />
wahrscheinlich. Im Bereich der Hochwasser- und<br />
Gewässerschutzgesetzgebung sind keine Änderungen<br />
zu erwarten. Dasselbe gilt für das Bedürfnis nach<br />
Natur und dem Umgang mit Wasser. Es ist allerdings<br />
eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums aufgrund<br />
einer allgemeinen Strukturkrise zu erwarten,<br />
was zusammen mit den erhöhten Abwasserentsorgungsgebühren<br />
zu einem technischen Entwicklungsschub<br />
<strong>im</strong> Bereichwassersparender Massnahmen<br />
führt. .<br />
Übersicht über die 4 Szenarien<br />
Jedem Szenario entspricht eine definierte Wirkungskombination<br />
von Einflussfaktoren. Auf dieser<br />
Grundlage wurden je spezifische Ausprägungen und<br />
daraus Annahmen in numerischen Einheiten abgeleitet.<br />
Für einzelne Einflussfaktoren (z.B. Politik)<br />
mussten relative Einheiten definiert werden. Die<br />
Wirkungskombinationen, Ausprägungen und Werte<br />
sind in Tab.3.!.1 wiedergegeben.<br />
256 UNS-Fallstudie '96
--------------------~----'-<br />
~-----:...----_Wasserhaushalt<br />
EiDflussfaktor<br />
SzenarioA:<br />
Wirtschaftlicher<br />
<strong>Aufbruch</strong><br />
SzenarioB:<br />
Krise<br />
SzenarioC:<br />
Umdenken<br />
Szenario D:<br />
&perten<br />
Referenz<br />
Trinkwasserpreis<br />
Wert (Fr./m 3 )<br />
steigend<br />
3.90<br />
steigend<br />
3.90<br />
steigend<br />
3.90<br />
sinkend oder<br />
gleichbleibend<br />
1.50<br />
BUWAL,1994<br />
Bauamt 11,<br />
Zürich, 1993<br />
Abwasserpreis<br />
Wert (Fr./m 3 )<br />
kostendeckend<br />
nicht<br />
kostendeckend<br />
3.- .<br />
kostendeckend<br />
kostendeckend<br />
4.-<br />
4.-<br />
4.-<br />
Müller R., 1996<br />
BUWAL,1993<br />
Hochwasserschutz (Vorschriften) .<br />
Wert (0-5 r.E.; 5: streng)<br />
Verschärfung<br />
4<br />
Status Quo<br />
3<br />
Status Quo<br />
3<br />
Status Quo<br />
3<br />
Krejci et aI., 1994<br />
Gewässerschutz (Gesetzgebung)<br />
Wert (0-5 r.E.; 5: streng)<br />
Verschärfung<br />
4<br />
Lockerung<br />
2<br />
Lockerung<br />
2<br />
Status Quo<br />
3<br />
Krejciet aI., 1994<br />
VGL,1993<br />
Subventionen für Investitionen vorh<strong>and</strong>en keine<br />
keine<br />
Wert: Investitionskosten (%) 19 o 0<br />
keine<br />
o<br />
BUWAL,1993<br />
Umgang mit Wasser<br />
Ausprägung (0- 5 r.E.; 5: bewusst)<br />
.sehr sparsam<br />
4.5<br />
gleichbleibend<br />
3<br />
sehr sparsam<br />
4.5<br />
gleichbleibend<br />
3<br />
VGL,1995<br />
Wirtschaftswachstum<br />
Wert: jährliche Zunahme BIP<br />
(heute =1.5%)<br />
Beschleunigung<br />
3<br />
Verlangsamung<br />
0.5<br />
Verlangsamung<br />
0.5<br />
Verlangsamung<br />
0.5<br />
Porter, 1989<br />
Bedürfnis nach Natur<br />
Wert (0-5 r.E.; 5: hoch)<br />
erhöht<br />
4.3<br />
gleichbleibend<br />
oder geringer<br />
3<br />
gleichbleibend<br />
oder geringer •<br />
3'<br />
gleichbleibend<br />
oder geringer<br />
3<br />
BUWAL, 1995c<br />
Technische Entwicklung<br />
Wert (0-2 r.E.; 2: hoch)<br />
innovativ<br />
2<br />
nicht innovativ<br />
1<br />
innovativ<br />
2<br />
innovativ<br />
2<br />
Politik<br />
Wert (0-5 r.E.; 5: p~ogressiv)<br />
progressiver<br />
3.5<br />
konservativer<br />
2<br />
progressiver<br />
3.5<br />
gleichbleibend<br />
3<br />
Tab.3.1.1 tJbersicht über die vier Szenarien: Ausprägungen und 1*11e inMasseinheiten. Die Wette bilden die Eingabegrossen für dos unten beschriebene<br />
Wirkmodell Rohmenbedingungen. r.E.: relative Einheiten; BIP: Bruttoinl<strong>and</strong>produkt.<br />
3.J.2 Wirkmodell Rllhmenbeding'lIIgen<br />
In einem nächsten Schritt wurde das Wirkmodell<br />
Rahmenbedingungen (vgl. Kap. 2.3 ·RAHMENBEDINGUN<br />
GEN) durchgerechnet. Es liefert als Ergebnis die in<br />
Abb. 2.3.3.2 aufgeführten 16 Sets, welche die Eingabegrössen<br />
des Wasserhaushaltsmodells bilden.<br />
3.2 Der Wasserhaushalt des Areals<br />
Übersicht<br />
Es wird hier ein kurzer Überblick der wichtigsten<br />
Systemgrössen gegeben, welche die Grundlage des<br />
Wasserhaushaltsmodells bilden. Die Angaben stammen<br />
aus der <strong>im</strong> Teilprojekt WASSERHAUSHALT AREAL erarbeiteten<br />
Best<strong>and</strong>saufnahme.<br />
Unter dem Begriff Wasserhaushalt eines Gebietes<br />
versteht man das Zusammenwirken der Parameter<br />
Niederscltlag, Versickerung (Grundwasserneubildung),<br />
. Verdunstung, Zu- und Abflüsse sowie Speicherung. Als<br />
Berechnungsgrundlage für die Wasserbilanz wurde<br />
folgende Gleichung benutzt:<br />
N+Z·V·G ·AS= A, wobei:<br />
N = Niederschlag<br />
Z = Zufluss<br />
V =Verdunstung<br />
G '" Versickerung (Grundwasserneubildung)<br />
AS =Änderung der gespeicherten Wassermenge (Speicheränderung)<br />
A =Abfluss<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
257
Wasserhaushalt<br />
_<br />
Teilgebietes. Die Trinkwasserversorgung<br />
ist deshalb der einzige Zufluss.<br />
Abb. J.2.1 Vereinfachtes Schema einer Wasserbilanz, unterlegt mit dem Teilgebiet D des ZZN<br />
Areals (Luftbiidausschnitt). Zuflüsse (Z) undNiederschläge (N) müssen gleich derSumme von<br />
Verdunstung (V), Grundwasserneubildung (G), Abfluss (A) undSpeicheränderung (AS) sein.<br />
Niederschlag (N)<br />
Es wurde der Wasserhaushalt über die Zeitspanne<br />
von 1990 bis 1996 untersucht und <strong>im</strong> speziellen die<br />
folgenden zwei Regenereignisse ausgewählt:<br />
• Regenereignis vom 6.-7. Juli. 1993: An diesen zwei<br />
Julitagen wurde 64.4 mm Niederschlag gemessen.<br />
Fast die gesamte Menge fiel während drei kurzen,<br />
ca. 1 Stunde dauernden Spitzenereignissen innerhalb<br />
von sieben Stunden. Zeitweise fielen bis zu<br />
14 mm in 10 Minuten. Die Regenereignisse folgten<br />
auf eine Trockenperiode.<br />
'<br />
• Regenereignis vom 18.-20. Mai 1994: Die Niederschlagsmeng~<br />
während dieser drei Tage betrug<br />
108.7 mm. Es regnete während 24 Stunden mit<br />
Spitzenwerten bis 2 mm in 10 Minuten. Kurz bevor<br />
dieser tägige Dauerregen einsetzte, hatte es<br />
schon zwe<strong>im</strong>al für wenige Stunden geregnet. Nach<br />
dem Hauptereignis dauerte es 18 Stunden bis der<br />
Regen erneut einsetzte.<br />
Diese beiden Episoden stellen Extremereignisse<br />
dar. Gerade in der Region Zürich <strong>Nord</strong> traten damals<br />
lokale Überschwemmungen auf, da die Kapazität von<br />
Vorflutern und Kanalisation überschritten war.<br />
Die Daten für die Niederschlagswerte wurden<br />
von der Schweizerischen Meteorologischen Anstalt<br />
(SMA, 1996) zur Verfügung gestellt.<br />
Zufluss (Z)<br />
Es gibt keinen natürlichen Zufluss <strong>im</strong> Teilgebiet D.<br />
Sämtliche Kanalisationsleitungen von höher gelegenen<br />
Gebieten verlaufen entlang der Grenze des<br />
Verdunstung (V)<br />
Versickerung (G)<br />
Im Teilgebiet 0 liegt keine nennenswerte<br />
Grundwasserneubildung vor, da<br />
ein Grossteil der Fläche versiegelt ist,<br />
bzw. abgedichtet werden wird. Bei<br />
sehr beschränkter Schluckfahigkeit des<br />
Bodens liegt hier ein relativ hoher<br />
Grundwasserspiegel vor. Eine oberflächliche<br />
Versickerung in den Wurzelraum<br />
der Vegetationsflächen ist an sich<br />
erwünscht. Demgegenüber sollte jedoch<br />
eine Speisung des Grundwasserleiters<br />
(durch Tiefensickerung) nicht<br />
künstlich, unterstützt werden, da ein<br />
Teil des Grundwassers in die Kanalisation<br />
exfiltriert (Drainage) und der<br />
. Grundwasserspiegel wegen der Altlasten<br />
nicht ansteigen sollte. Grundwasserförderung<br />
kann als negative Versickerung<br />
interpretiert werde'n.<br />
Die Verdunstung besteht aus<br />
• der Evaporation: Verdunstung von freien Wasseroberflächen<br />
und benetzten Flächen sowie<br />
• der Transpiration: Abgabe von Wasserdampf durch<br />
die oberirdischen Organe der Pflanzen.<br />
Die Gesamtheit dieser Vorgänge wird als Evapotranspiration<br />
bezeichnet, derjenige Teil des Niederschlags,<br />
der von der Vegetationsdecke vor Erreichen<br />
des Boden~abgefangen wird, als Interzeption.<br />
Eine kl<strong>im</strong>atische Kenngrösse ist die potentielle<br />
Evapotranspiration. Sie wird mit der' Formel von<br />
Haude berechnet, die für mitteleuropäische Verhältnisse<br />
geeignet ist. Diese Formel berücksichtigt<br />
die' Temperatur, die Luftfeuchtigkeit (jeweils um<br />
14.00 Uhr) und einen empirischen Monatskoeffizien-<br />
, ten (Dyck & Pers
------------------ ,....-__--'-- Wasserhaushalt<br />
Diese Prozesse bedürfen einer dynamischen Betrachtung<br />
und werden in Kap. 3.3 WASSERBAULICHE<br />
MASSNAHMEN und 3.5.2 SPEICHER beh<strong>and</strong>elt.<br />
Abfluss (A)<br />
Der Abfluss ist die zu berechnende GrÖsse. Es<br />
werden zwei Abflusspfade unterschieden:<br />
• der Schmutzwasserkanal in die Kläranlage (oder<br />
bei starken Regenfällen in den Vorfluter) sowie<br />
• der Reinwasserkanal in den Vorfluter Binzmühlebach.<br />
3.3 'WasserbaulicheMassnahmen<br />
3.3.1 Der Wasserhaushalt urbaner Gebiete<br />
Durch die vom Menschen geschaffenen Elemente<br />
wird der natürliche Wasserhaushalt in bebauten Gebieten<br />
erheblich beeinflusst, Diese Elemente sind<br />
vor allem:<br />
• Bebauungsgrad: das Verhältnis der bebauten zur<br />
gesamten Fläche,<br />
• Versiegelungsgrad: das Verhältnis der undurchlässigen<br />
zur gesamten Fläche (auf dem betrachteten<br />
Areal ca. 8Q%),<br />
• künstlicher Zufluss (v.a~ Trinkwasser),<br />
• das Entwässerungsnetz, bestehend aus der oberund<br />
unterirdischen Kanalisation.<br />
Diese Elemente bewirken, dass der Abfluss erhöht<br />
wird. Die Grundwasserneubildung wird durch den<br />
hohen Versiegelungsgrad, verdichtete Böden sowie<br />
durch die Einengung der natürlichen Überflutungsgebiete<br />
vermindert o.der unterbunden. Andererseits<br />
wird dem Untergrund Wasser aus defekten Trinkund<br />
Abwasserleitungen zugeführt. Diese Netzverluste<br />
können beachtlich sein.<br />
Folgende bauliche Einrichtungen, die den lokalen<br />
Wasserhaushaltbeeinflussen können, wurden untersucht:<br />
• begrünte Dachflächen<br />
• Rückhalt in der Kanalisation<br />
• Rückhalt auf Parkplätzen<br />
• Retentionsbecken<br />
• Schmutzwasserspeicher<br />
• Grundwasserförderung<br />
Mit diesen Einrichtungen lassen sich zum Teil<br />
Abflussmengen reduzieren (erhöhte Evapotranspiration)<br />
und Abflussspitzen dämpfen (Retention).<br />
3.3.2 Begrünte Dachflachen<br />
Begrünte Dächer (Abb. 3.3.2) weisen eine bewachsene<br />
Deckschicht (Substratschicht) auf. Die Vegetation<br />
verstärkt die Evapotranspiration, so dass <strong>im</strong><br />
Abb. 3.3.2 Dachbegrünungen halten Regenwa$ser zurück, $enken die umperamr$chwankungen<strong>im</strong><br />
Gebäude unddämmen Lärm (Bild: M. Thommen;<br />
aU$ BUWAL, 1995a).<br />
Jahresmittel nur ca. 30% des Niederschlages, der auf<br />
ein begrüntes Dach fällt, abfliesst. Ebenso vermag<br />
ein Gründach beachtliche Mengen von Wasser für<br />
kurze Zeit zu speichern und danach gleichmässig<br />
wieder abzugeben, was für die Siedlungsentwässerung<br />
sehr wünschenswert ist (BUWAL, 1995a).<br />
Begrünte Dächer beeinflussen nicht nur den Siedlungswasserhaushalt,<br />
sondernhaben weitere Vorteile<br />
allgemeiner Art: Sie bringen Kühlung des Gebäudes<br />
durch Verdunstung, verringern die Temperaturschwankungen<br />
<strong>im</strong> Gebäude (Kl<strong>im</strong>atisierungseffekte),<br />
sie filtern die Luft, dämmen statt reflektieren den<br />
Lärm und können architektonische Akzente setzen<br />
(vgI. Kap. 4.5 DIE FLACHDÄCHER der Synthesegruppe<br />
GRO!{RAUM).<br />
Es wird zwischen extensiver und intensiver Dachbegrünung<br />
unterschieden. Die Unterschied~ sowie<br />
Vor- und Nachteile sind in Tab. 3.3.2 summarisch<br />
aufgezeigt.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
259
Wasserhaushalt__.,..- ------------ _<br />
Art der Dachbegrinung<br />
Substratmächtig-keit<br />
extensiv<br />
bis 15 cm<br />
intensiv<br />
mehr als 15 cm<br />
Besucherparkplätze voraussichtlich<br />
unterirdisch oder überdeckt<br />
gebaut (Parkgaragen, -häuser).<br />
Art des Substrates<br />
Anzahl Substratschichten<br />
Bepflanzung<br />
Kosten<br />
Dachbelastung<br />
Vorteile<br />
Nachteile<br />
Kunstsubstrat, B<strong>im</strong>sstein,<br />
Rindenschrot<br />
meistens eine<br />
Gräser, Sedum-Arten<br />
(Fetthenne)<br />
28.- bis 45.- Fr./m 2<br />
100 bis 150 kgjm 2<br />
• kann nachträglich aufgebaut<br />
werden<br />
• meist ohne statische<br />
Probleme möglich<br />
• billiger<br />
• geringere Retentionsleistung<br />
komplex<br />
meistens mehrere<br />
.auch mit Bäumen und<br />
Sträuchern<br />
mindestens 50.- Fr./m 2<br />
>150 kgjm 2<br />
• grössere Rückhaltefähigkeit<br />
und Verdunstung<br />
• grösserer Artenreichtum,<br />
vielfältigere<br />
Lebensgemeinschaft<br />
• muss von Anfang an in<br />
die Gebäudeplanung mit<br />
einbezogen werden<br />
Tab. 3.3.2 Übersicht über Dachbegriinungen. Es wird zwischen extensiver undintensiver Auslegung<br />
unterschieden. Im oberen Teil der Tabelle sind Kennwerte angegeben,.<strong>im</strong> unteren Teil Vor- undNachteile<br />
zusammengefasst (Büsser, 1996).<br />
3.3.5 Retentionsbecken<br />
Im Teilgebiet B gegen die Neunbrunnenstrasse<br />
ist ein Retentionsbecken<br />
geplant. Dort istein Anteil<br />
von 500 bis 600 m 3 für die Entwässerung<br />
von Regenwasser aus<br />
dem Teilgebiet 0 vorgesehen.<br />
Dieses Wasser wird als Reinwasser<br />
in den Binzmühlebach geleitet.<br />
Die erlaubte und geplante max<strong>im</strong>ale<br />
Einleitung in den Binzmühlebach<br />
beträgt 25 1/s Eberli,<br />
1996).<br />
In der heute vorliegenden Kanalisation<br />
muss bei Spitzenbelastungen<br />
vermischtes Schmutzwasser<br />
in den Leutschenbach'und die<br />
Glatt abgegeben werden (Regenentlastung).<br />
In Zukunft werden<br />
zusätzliche Regenbecken realisiert,<br />
so dass diese Regenentlastuilgen<br />
weitgehend vermieden<br />
werden können.<br />
3.3.3 Rückhalt in der Kanalisation<br />
Die Kanalisation ~nd Gullies weisen eine geringfügige<br />
Speicherkapazität auf. Aufgrund eines 1:4000<br />
Kanalisationsplanes (<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994) wurden für<br />
das Teilgebiet 0 die folgenden Volumina abgeschätzt:<br />
• Reinwasserkanäle 207 m 3<br />
• Schmutzwasserkanäle 247 m 3<br />
(inkl. Restspeichervermögen der Gullies)<br />
3.3.4 Rückhalt aRf Parkpliitzen<br />
Bei Parkflächen für Autos kann der Abfluss gedrosselt<br />
werden, so dass bei Starkregen ein kurzfristiger<br />
Einstau von wenigen Zent<strong>im</strong>etern entsteht.. Bei<br />
Rasengitter-Parkplätzen mit Sohlenabdichtung unter<br />
der Humusschicht kann noch ein zusätzliches Retentionsvoh<strong>im</strong>en<br />
erzeugt werden.<br />
Unter der Annahme, dass auf dem Areal 0.5 ha<br />
Rasengitter-Parkplätze entstehen (ca. 400 Parkplätze),<br />
könnte bei einem jährlichen Starkniederschlag<br />
ein Retentionsvolumen von 17 m 3 und bei einem<br />
10-]ahres-Regen von 45 m 3 erreicht werden (AGW,<br />
1991; Gujer, 1995).<br />
Die Anzahl Parkplätze aufdem gesamten Areal des<br />
ZZN ist auf 4000 beschränkt und wird bis auf einige<br />
3.3.6 SchmRtzwasserspeicher<br />
Alle bisher aufgeführten Massnahmen verringern vor<br />
allem die durchschnittliche Wassermenge und die<br />
Abflussspitzen; Schmutzwasserspeicher verändern<br />
zusätzlich die Wasserqualität.<br />
Im Schmutzwasserspeicher wird stark verschmutztes<br />
Wasser zwischengespeichert und zu geeigneter<br />
Zeit abgegeben. Dadurch kann einerseits die ARA<br />
gleichmässiger belastet werden, <strong>and</strong>ererseits wird<br />
das Schmutzwasser bei Regenfallen zurückgehalten,<br />
damit es bei einer allfalligen Entlastung nicht direkt<br />
in den Vorfluter gelangt.<br />
Im MODELL DER WASSERFLÜSSE (Kap. 3.5) werden<br />
Schmutzwasserspeicher nicht berücksichtigt, weil<br />
die Schmutzwassermengen mengenmässig nicht ins<br />
Gewicht fallen.<br />
3.3.7 GrRndwasserförderang<br />
Als ästhetische wasserbauliehe Komponente wurde<br />
von der Synthesegruppe GRÜNRAUM ein offenes<br />
Gerinne für Regenwasser diskutiert. Damit dieser<br />
Bach oder Kanal auch bei Trockenwetter Wasser<br />
führt, muss neben dem retendierten Dachwasser<br />
noch weiteres Wasser bereitgestellt werden. Dakein<br />
eingedohlter Bach durch das Teilgebiet führt und die<br />
260 UNS-Fallstudie '96
______________---,--~<br />
..,...._---'-'---------Wasserhaushalt<br />
Nutzung von Trinkwasser für diesen Zweck unsinnig<br />
ist, kommt hier in Frage, eine der auf dem Areal<br />
bestehenden Grundwasserförderungen zu reaktivieren.<br />
Dazu könnte eine kleine, z.B. mit Solarenergie<br />
gespiesene Pumpe betrieben werden, welche das<br />
Gerinne in Perioden mit wenig Niederschlägen versorgt.<br />
3.4 Gebäude<br />
3.4.J Übersicht<br />
Dieses Kapitel zeigt Möglichkeiten auf, in den<br />
Gebäuden Trinkwasser zu sparen und Abwasser<br />
zu vermeiden. Die Aufbereitung von Trinkwasser<br />
ist teuer und benötigt viel Energie, ebenso die Ab-<br />
I<br />
wasserreinigung. Wassersparen lohnt sich für die/den<br />
EinzelneN <strong>im</strong>mer, da heute eine mengenabhängige<br />
Trinkwassergebühr gezahlt wird. Wird vermehrt<br />
Trinkwasser gespart, so steigen wegen des hohen<br />
Fixkostenanteils der Wasserversorgung von 85-90%<br />
die Trinkwasserpreise an - insbesondere wenn das<br />
Wasserversorgungssystem trotz reduzierten<br />
Verbrauchs weiter ausgebaut<br />
wird. Die Grösse bzw. Leistung des Versorgungssystems<br />
hängt von den Spitzenbelastungen<br />
ab. Für die Allgemeinheit<br />
lohnt sich deshalb Wassersparen v.a.<br />
dann, wenn die Spitzen gedämpft<br />
werden können und infolgedessen auf<br />
einen weiteren Ausbau der Versorgung<br />
verzichtet werden kann. .<br />
Im Teilgebiet 0 sollen in Zukunft<br />
1930 Personen wohnen und 4300 Menschen<br />
in Dienstleistungsbetrieben arbeiten.<br />
Für unsere Betrachtung schien es<br />
uns aus zwei Gründen sinnvoll, diese<br />
beiden Nutzungstypen zu trennen: Erstens<br />
sind die Anteile der verschiedenen<br />
60<br />
50<br />
l6'<br />
~ 40<br />
c<br />
:::l<br />
C<br />
~ 30<br />
Q)<br />
.Q.<br />
..<br />
K20<br />
~<br />
...J 10<br />
Nutzungsarten (WC, Dusche, Waschmaschine)<br />
sehr unterschiedlich und<br />
zweitens weichen die Benutzungszeiten<br />
stark vondn<strong>and</strong>er ab. Wir gehen davon<br />
aus, dass <strong>im</strong> Rahmen einer Projektierung<br />
die. unten aufgeführten Massnahmen in eine<br />
opt<strong>im</strong>ierte Gesamtauslegung gebracht werden. Dazu<br />
gehören auch Abwägungen, welche Brauchwasserqualität<br />
wozu benötigt wird und in welches Verhältnisqualitative<br />
und quantitative Aspekte der Versorgungssicherheit<br />
und der TriIikwassereinsparung zu<br />
bringen sind.<br />
Die hier aufgeführten Massnahmenvorschläge sind<br />
zweifelsohne opt<strong>im</strong>istisch und in individueller oder<br />
umweltnaturwissenschaftlicher Art perspektivengebunden.<br />
Eine Zusammenstellung von Anmerkungen<br />
o<br />
und Einwänden von GesprächspartnerInnen und<br />
KocceferentInnen findet sich <strong>im</strong> Kasten 3.4.4.<br />
3.4.2 Wohnhaus<br />
Heutzutage werden in einem Wohnhaus durchschnittlich<br />
180 I Wasser pro Person und Tag verbraucht<br />
(Bauamt n der <strong>Stadt</strong> Zürich, 1993). Ein.<br />
Drittel davon wird für die WC-Spülung und ein weiteres<br />
Drittel für Dusche und Bad benötigt (BUWAL,<br />
1994).<br />
WassersJlarende Armaturen<br />
Mit Sanitärtechnik, die heute normalerweise bei<br />
Neuinstallationen verwendet wird, kann der Trinkwasserverbrauch<br />
um 40% reduziert werden (auf ca.<br />
107 l/Pers.Tag). Es h<strong>and</strong>elt sich dabei um Einrichtungen<br />
wie variierbare Toilettenspülwassermenge,<br />
lufteinpedende Armaturen, wassersparende Waschund<br />
Geschirrspülmaschinen. Diese Einrichtungen<br />
bedeuten keine Komforteinbusse und werden bei<br />
Neubauten <strong>im</strong> Normalfall eingesetzt.<br />
11II Normal<br />
I!!l St<strong>and</strong>ard heute<br />
Abb.3.4.2 Wosseroerbrouch in Litern pro Person und Tog. -N0171101» ist der heute liNiche<br />
Wosseroerbrauch. Mit -St<strong>and</strong>ardheute» ist der Verbrauch mit heute h<strong>and</strong>elsüblichen A1711aturen<br />
bezeichnet. Die Reduktionen bei den wes beruhen aufvoriierbaren Spülwosse1711engen, .<br />
bei Bad, Dusche und Lavabo auf lufteinperlenden A1711oturen. Modeme Wasch- und<br />
Geschirrspülmaschinen benötigen bedeutend weniger Wosser.<br />
Diese Massnahmen reduzieren nicht nur die<br />
durchschnittlichen Wassermengen, sondern auch<br />
den Spitzenverbrauch, welcher eine massgebliche<br />
Auslegungsgrösse der Versorgung darstellt.<br />
Nutzung von Regenwasser<br />
Für eine weitgehende RegenwasserIiutzung sind<br />
sehr grosse Speichervolumina notwendig, was die<br />
Kosten in die Höhe treibt. Ausserdem reicht die<br />
Dachfläche, die in den geplanten Wohngebäuden pro<br />
UNS-Fallstudie '96 261
Wasserhaushalt --'- -c- ....:...-__<br />
Kopf zur Verfügung steht, für die Deckung der in<br />
Wohnhäusern benötigten Wassermengen nicht aus.<br />
Es ist aber sinnvoll, Regenwasser für die Garteribewässerung<br />
zu nutzen, weil<br />
- das Wasser in der Zeit anfällt, in der es auch<br />
gebraucht wird (Sommer), .<br />
-dazu keine Filtration des Dachwassers nötig ist<br />
und.<br />
- einfache und günstige Regenwasserspeicher (z.B.<br />
Regentonnen) für die Gartenbewässerung ausreichen.<br />
Mit diesen einfachen Einrichtungen kann der durchschnittliche<br />
Trinkwass'erverbrauc,h um 9 l/Pers.Tag<br />
reduziert werden.<br />
Gragwasserngtzgng<br />
Unter Grauwasser versteht man alles anfallende Abwasser<br />
aus dem Haushalt mit Ausnahme des Toilettenabwassers.<br />
Hygienische Überlegungen bewogen<br />
uns dazu, für die weitere Verwendungdes Abwassers<br />
nur dasjenige aus Dusche, Bad und den Lavabos zu<br />
verwenden. Nach einfacher Reinigung kann dieses<br />
in einem Tank gespeichert werden (Nolde, 1995).<br />
Die anfallende Grauwassermenge beträgt 44 l/<br />
Pers.Tag und ist ziemlich konstant. In den Ferien,<br />
wenn viele Leute nicht zu Hause sind, wird proportional<br />
zu den abwesenden Personen auch weniger<br />
Wasser verbraucht.<br />
Für die WC-Spülung, die Waschmaschine, dieR-einigung<br />
und die Autoreinigung kann Grauwasser benutzt<br />
werden. Die benötigte Menge dazu beträgt ca.<br />
41 l/Pers.Tag. Es gibt schon heute Waschmaschinen,<br />
welche mit Grauwasser oder Regenwasser betrieben<br />
werden können. Für die Schlussspülung wird gereinigtes<br />
Regenwasser oder Trinkwasser eingesetzt.<br />
Eine dynamische S<strong>im</strong>ulation mit Slella II ergab,<br />
dass ein Tank von 20 m 3 Inhalt für das garize Teilgebiet<br />
0 ausreichen würde, um ständig genügend<br />
Grauwasser zur Veifügung zu haben.<br />
Mit den oben beschriebenen Massnahmen kann<br />
der Trinkwasserverbrauch von 180 l/Pers.Tag auf<br />
57 l/Pers.Tag reduziert werden. Es würde also nur<br />
noch rund ein Drittel des heutigen Trinkwassers<br />
gebraucht (vgl. Abb. 4.1). Nach unserem Dafürhalten.<br />
ist eine weitere massgebliche Senkung des Verbrauchs<br />
nur noch über spezifische Verhaltensänderungen<br />
der BewohnerInnen zu erreichen.<br />
der gesamte Verbrauch an Toilettenspülwasser mit<br />
Regenwasser decken (Pütz, 1992). Da alle Gebäude<br />
<strong>im</strong> betrachteten Teilgebiet zu mindestens 66% für<br />
Dienstleistungen genutzt werden und <strong>im</strong> Wohnbereichaufeine<br />
weitreichende Regenwassernutzung<br />
verzichtet wird, reicht die anfallende Wassermenge<br />
aus, und es entsteht kein Problem mit der Verteilung<br />
, des Wassers auf die einzelnen Gebäude. Um den<br />
Bedarfan Spülwasser durchgehend mit Regenwasser<br />
zu decken, wäre für die Dienstleistungsgebäude auf<br />
dem Teilgebiet 0 ein Speichervolumen von total<br />
1000 m 3 nötig.<br />
3.4.4 Weitergehende Massnahmen<br />
Die <strong>im</strong> folgenden eingebrachten Vorschläge sind<br />
zum Teil für den Fall «ZZN» nicht uneingeschränkt<br />
realisierbar, einige erachten wir aber auch als mögliche<br />
und vielleicht in näherer Zukunft bedeutsame<br />
Alternativen zu heutigen Technologien. Auch tragen<br />
nicht alle diese Vorschläge zur Verminderung des<br />
Wasserverbrauchs oder der Schmutzstofffracht bei,<br />
sondern zur Steigerung der Lebensqualität.<br />
Urinse,ariergng<br />
Mit speziellen, in Schweden bereits erprobten Toilettenschüsseln<br />
(Abb. 3.4.4) kann der Urin ohne<br />
Komforteinbusse separat abgeführt und in einem<br />
.Speichertank gesammelt werden. Der gespeicherte<br />
3.4.3 Dienstleistgngsgebägde<br />
Auch für Dienstleistungsgebäude sind wassersparende<br />
Armaturen geeignet und heute üblich. Für eine<br />
sinnvolle Grauwassernutzung fällt allerdings nicht<br />
genügend Wasser an. Dafür lässt sich bei den <strong>im</strong><br />
Teilgebiet Ö geplanten Dienstleistungsgebäuden<br />
Abb. 3.4.4 Der Urin wird bereits in der Schüsselgetrennt unddann sepo~<br />
roter Beh<strong>and</strong>lung zugeführt (Bild: WM-Ekologen).<br />
262<br />
UNS-Fallstudie '96
----~---'-------------'------__~__,_-----------Wasserhaushalt<br />
Urin kann entwederabgepumpt werden, oder - wie<br />
neuste Forschungsprojekte der EAWAG, (TA, 1996)<br />
vorschlagen· - ferngesteuert zu einem best<strong>im</strong>mten<br />
Zeitpunkt über da~ Kanalisationssystem abgeführt<br />
werden. Der so gesammelte Urin enthält sehr viel<br />
Stickstoff (Harnstoff; % der Stickstofffracht <strong>im</strong><br />
Abwasser stammen aus dem Urin) und lässt sich entweder<br />
direkt in der L<strong>and</strong>wirtschaft verwenden oder<br />
zu H<strong>and</strong>elsdünger verarbeiten. Diese Massnahme<br />
vermindert die Stickstof(fracht in.der Kläranlage. Da<br />
die Stickstoffel<strong>im</strong>ination (Nitrifikation, Denitrifikation)<br />
eine ganz wesentliche Auslegungsgrösse von<br />
Kläranlagen darstellt, sind hier bedeutende Einsparungen<br />
möglich. Auch unter dem Gesichtspunkt<br />
der Stoffkreisläufe ist dieses Verfahren zu begrüssen.<br />
Um die Technik der Urinseparierung anwenden zu<br />
kÖnnen, wird bei der Toilette eine zweite, kleinere<br />
Abflussleitung benötigt. Selbst wenn 'bei einem<br />
Neubau heute noch keine Urinseparierung vorgesehen<br />
ist, erscheint es sinnvoll, bereits be<strong>im</strong> Bau<br />
vorsorglich eine zusätzliche Abflussleitung zu installieren.<br />
So kann später einfach und kostengünstig auf<br />
Urinseparierung umgestellt werden.<br />
Bereits vereinfachte Ausführungen, bei denen der<br />
Urin zu geeignetem Zeitpunkt dosiert in die Kläranlage<br />
abgegeben wird, sind schon sehr effektiv,<br />
indem die Ammoniumkonzentration <strong>im</strong> Abwasser<br />
konstanter gehalten werden kann. Da die benötigte<br />
Beckengrösse für die zweite Reinigungsstufe in der<br />
Kläranlage proportional zu den Konzentrationsschwankungen<br />
ist (Gujer, 1995), könnten damit<br />
. erhebliche Bau-, Sanierungs- und Betriebskosten<br />
eingespart werden.<br />
Kompost·WC<br />
Mit einem Kompost-WC kann der Wasserverbrauch<br />
der Toilette auf 0 bis 0.2 l/Pers.Tag gesenkt werden,'<br />
je nach gewählter Ausführung. Dies ist natürlich<br />
der ult<strong>im</strong>ative Wassersparer, da das WC neben der<br />
Dusche den grössten Wasserverbrauch .<strong>im</strong> Haushalt<br />
verursacht. Allerdings ist anzufügen, dass bei Gebäuden<br />
mit Grauwasserspülungen die Trinkwassereinsparung<br />
ebenso hoch ausfällt. Die beiden.Systeme<br />
unterscheiden sich pr<strong>im</strong>är in der Qualität des Abwassers,<br />
nicht in dessen Menge.<br />
Der entstehende Fäkalienkompost und der Urin<br />
sind hervorragend als Dünger brauchbar und belastendie<br />
Kläranlagen nicht mehr. Selbstverständlich<br />
soll hier nicht einfach ein zusätzlicher Stickstoffüberschuss<br />
in die L<strong>and</strong>wirtschaft abgeladen werden;<br />
.vielmehr müsste eine abgest<strong>im</strong>mte Substitution<br />
<strong>and</strong>erer Stickstoffträger (H<strong>and</strong>elsdünger) erfolgen.<br />
Eine zusätzliche Nutzung der Fäkalien könnte<br />
über eine Vergärung zwecks Biogaserzeugung erfolgen<br />
(Jarlöv, 1995).<br />
Kosten 3.4.4 Alltithesen- die VOll Gespriichsportl1er/l1l1en ul1dKorrejerentIl1l1en<br />
geiiusserten Meil1ul1gen brauchen sich l1icht mit denjel1igen der<br />
Autor/lilien zu decken.<br />
Pflanzenkläranlage<br />
In einer Pflanzenkläranlage wird die Reinigungsleistung<br />
durch den Mikroorganismenbesatz auf den<br />
Pflanzen und durch die Pflanzen selbst bewerkstelligt.<br />
Sie kann horizontal auf einem Dach (sofern<br />
die architektonischen Voraussetzungen gegeben<br />
sind), vertikal entlang einer Hausfassacle oder llm<br />
Boden als «Biotop" realisiert werden~ Pflanzenkläranlagen<br />
tragen dann zum Wassersparen bei, wenn sie<br />
zur Grauwasseraufbereitung eingesetzt werden. Das<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
263
Wasserhaushalt ~ ~ _:__--------------------<br />
Wasser aus der Anlage kann direkt als Brauchwasser<br />
<strong>im</strong> Haushalt genutzt werden und teilweise wieder<br />
in die Pflanzenkläranlage zurückgeleitet werden<br />
(ausser WC-Abwasser). Bei einer gut funktionierenden,<br />
Pflanzenkläranlage treten keine Geruchsprobleme<br />
auf~<br />
Pflanzenkläranlagen können so ausgelegt werden,<br />
dass das Wasser direkt in einen Vorfluter eingeleitet<br />
wird. Damit wird die teure und aufwendige Reinigung<br />
in einer konventionellen Kläranlage umgangen.<br />
Falls eine Pflanzenkläranlage auf Flachdächern <strong>im</strong><br />
Teilgebiet o erwogen würde, müsste dazu rund ein<br />
Drittel der Dachfläche eingesetzt werden.<br />
Wie bei der Urinseparierung kann auch hier Stickstoff<br />
in den natürlichen Kreislauf überführt werden,<br />
bevor er in die Kläranlage gelangt (Billeter et al., in<br />
Vorbereitung).<br />
weitere Zukrlliftsvisionen:<br />
• Wasserspielplatz, Schw<strong>im</strong>mteich oder Badebiotop auf<br />
Dächern oder in Innenhöfen.<br />
•' Wasserkaskaden .oder Wasserspiele mit Regenrinnen<br />
entlang der Fassaden: ein gestalterisches Element,<br />
das nicht nur den Kindern Freude macht.<br />
• Grünfassade: Kühlung <strong>im</strong> Sommer - Isolation <strong>im</strong><br />
Winter. Ein gestalterisches Element mit Retentionswirkung.<br />
'<br />
• Ein Aquarium, das sich als Röhrensystem durchs<br />
Gebäude zieht. Aquarien, Fische wirken beruhigend<br />
und faszinieren.<br />
• Vertjcal Sw.amp: Statt eine Pflanzenkläranlage aufs<br />
Dach zu bauen, kann man sie auch vertikal an der<br />
Fassade aufhängen. Damit wird eine grosse Fläche<br />
wieder lrei für <strong>and</strong>erweitige Nutzung, z.B. für<br />
einen Schw<strong>im</strong>mteich, einen Dachgarten, Sonnenkollektoren<br />
oder ein Gründach.<br />
3.5 Die ModellierJlug der Wasserfliisse<br />
3.5.1 Übersicht<br />
Das Wasserhaushaltsmodel/ bildet die wesentlichen<br />
Wasserflüsse ab, wie sie in den vorhergehenden<br />
Kapiteln beschrieben werden. .<br />
Für jede Variante unter jedem Szenario (16 Datensets)<br />
wurde eine Langzeit- und zwei Kurzzeits<strong>im</strong>ulationen<br />
durchgeführt.<br />
• Die Langzeits<strong>im</strong>ulationmodelliert den Wasserhaushalt<br />
der Jahre 1990 bis 1995 in Tagesschritten.<br />
• In der Kurzzeits<strong>im</strong>ulation wurden die' beiden<br />
Starkregenereignisse vom 5.-7. Juli 1993 und vom<br />
18.-20. Mai 1994 untersucht (siehe Kap. 3.2 DER<br />
WASSERHAUSHALT DES AREALS, Abschn. Niederschlag).<br />
Die zeitliche Auflösung beträgt 10 Minuten.<br />
Weitere Modelläufe wurden für Plausibilitätstests<br />
und Sensitivitätsabschätzungen durchgeführt; diese<br />
Zwischenergebnisse sind hier nichtwiedergegeben.<br />
Aus der Abb. 3.5.2 sind die Module des Modells<br />
ersichtlich. Im folgenden wird jedes Modul kurz<br />
beschrieben. Die ModeHe für die Langzeit- und die<br />
Kurzzeits<strong>im</strong>ulation sind weitgehend identisch. Einzelne<br />
kurzzeitige Effekte wie Abflussverzögerungen<br />
bei Gründächern oder <strong>im</strong> Kanalsystem bleiben <strong>im</strong><br />
Langzeitmodell unberücksichtigt.<br />
3.5.2 Speicher<br />
Vegetlltion (V)<br />
Die Vegetation wird durch Regen-, Bewässerungsund<br />
Bodenwasser gespiesen. Es gibt zwei mögliche<br />
Abflüsse: Ein Teil des Wassers verdunstet, das restliche<br />
Wasser gelangt in den Boden. Be<strong>im</strong> Langzeitmodell<br />
wird angenommen, dass die durchwurzelte<br />
Bodenschicht alles Wasser aus kurzen Regenereignissen<br />
(weniger als ein Tag) zu schlucken vermag.<br />
Kurzzeitig kann das Anfallen von Regenwasser das<br />
Schluckvermögen übertreffen. Dies wird be<strong>im</strong> KurzzeitmodeH<br />
mit einem Zwischenspeicherberücksichtigt<br />
(hicht abgebildet).<br />
Boden (B)<br />
Für das Wasser, das den Boden erreicht, stehen drei<br />
mögliche Wege zur Verfügung. Ein konstanter Teil<br />
verlässt den Boden als Sickerwasser und gelangt ins<br />
Grundwasser. Ist der Vegetationsspeicher leer, so<br />
wird ein Teil von den Pflanzen aufgenommen und<br />
fliesst zurück in die Vegetation. Dieser Rückfl'uss<br />
ergibt sich aus der Verdunstungsleistung der Vegetation.<br />
Das restliche Wasser wird von Drainageleitungen<br />
gesammelt und in den Reinwasserkanal abgegeben.<br />
Reinw,lsserk,ln,l' (RK)<br />
Die Reinwasserkanalisation führt Regenwasser<br />
(Überlauf des Regenwasserspeichers) und Bodenwasser<br />
(Drainage). Ein Teil der Reinwasserkanalisation<br />
ist in der Variante 1 «max<strong>im</strong>al» als offenes<br />
Gerinne (Kanal) ausgelegt, welches zeitweise mit<br />
Grundwasser versorgt wird (vgl. Kap. 3.3 WASSER<br />
BAULICHE MASSNAHMEN).<br />
Bei der Modellierung wird davon ausgegangen,<br />
dass die Kapazität der Reinwasserkariäle auch bei<br />
Starkregenereignissen nicht überschritten wird.<br />
Modelliert wurde be<strong>im</strong> Kurzzeitmodell zusätzlich<br />
die zeitliche Verschiebung und Verminderung der<br />
Abflussspitzen während des Durchflusses durch die<br />
Kanäle.<br />
264<br />
UNS-Fallstudie '96
Cl<br />
Z<br />
In<br />
..;.,<br />
~<br />
c;;<br />
Wasserhaushalt ---:~ ___'_ ~---'------~--- _<br />
Retentionsbeclcen (R)<br />
Das Retentionsbecken <strong>im</strong> Teilgebiet B erhält Was~<br />
ser aus dem Reinwasserkanal. Es können max<strong>im</strong>al<br />
25 Liter Wasser pro Sekunde in den Binzmühlebach<br />
abgeben werden. Ist der Wasseranfall aus den Regenwasserkanälen<br />
grösser, wird das Wasser bis zu einem<br />
Volumen von 600 m 3 aufgestaut (siehe Kap. 3.3.5<br />
RETENTIONSBECKEN). Eine Überschreitung dieses<br />
Volumens entspricht einem Störfall (Entlastung oder<br />
Überflutung des Beckens).<br />
Regenwasserspeicher (RWS)<br />
Wasserlieferanten für den Regenwasserspeicher sind<br />
alle Dachflächen. Von dort gelangt·das Wasser in das<br />
Gebäude zur Regenwassernutzung, falls eine solche<br />
vorgesehen ist. Wasser aus dem vollen Regenwasserspeicher<br />
oder von Dächern und Vegetationsflächen,<br />
die nicht an das Becken angeschlossen sin,d, gelangt<br />
in die Reinwasserkanäle.<br />
Gründächer (GD)<br />
Niederschläge, die auf Gründächer fallen, werden zu<br />
einem beachtlichen Teil durch Verdunstung wieder<br />
an die Atmosphäre abgegeben. Der Rest fliesst verzögert<br />
in den Regenwasserspeicher oder den Reinwasserkanal<br />
ab. Das Modell geht von einer extensiven<br />
Begrünung der Dächer aus.<br />
modelliert. Das gesammelte Wasser verdunstet nach<br />
Regenende mit einer temperaturabhängigen Verdunstungsfunktion.<br />
Beider Langzeits<strong>im</strong>ulation ist dieser<br />
Effekt in das Modul Strassen und Plätze integriert<br />
und deshalb aus der Abb. 3.5.2 nicht ersichtlich.<br />
Kanalisation (K)<br />
Die Schmutzwasserkanalisation führt Regenwasser<br />
von Strassen und Plätzen, Fremdwasser (v.a. abdrai-<br />
. niertes Grundwasser) und häusliche Abwässer. Übersteigt<br />
der Wasseranfall das Schluckvermögen der<br />
Kanalisation, kommt es zu einem StörfaU(Rückstau).<br />
Be<strong>im</strong> Kurzzeitmodell wird die zeitliche Verschiebung<br />
und Verminderung der Abflussspitze berechnet.<br />
Gebäude und Haushalt (G&H)<br />
Die Versorgung der Gebäude erfolgt aus dem Trinkwassernetz<br />
und dem Regenwasserspeicher. Grauwassernutzung<br />
äussert sich <strong>im</strong> Modell durch den<br />
reduzierten Trinkwasserbedarf. Das Abwasser gelangt<br />
in die Kanalisation, die abgegebene Menge<br />
unterliegt tageszeitlichen Schwankungen;<br />
3.5.3 Die Ergebnisse<br />
Für die Bewertung wurden mit den Modellen folgende<br />
Grössen berechnet:<br />
Dächer (D)<br />
In allen Varianten verbleibt noch ein· beachtlicher<br />
Teil der Dachfläche konventionell gestaltet. Es<br />
wird der. Benetzungsverlust und die Verzögerung<br />
des Abflusses berücksichtigt. Das Benetzungswasser<br />
verdunstet mit einer temperaturabhängigen Verdunstungsfunktion.<br />
Strassen und Plätze (S&P)<br />
Strassen und Plätze werden durch Regenwasser<br />
benetzt. Dabei verdunstet ein erster Anteil als Benetzungsverlust.<br />
Das restliche Wasser fliesst in die<br />
Kanalisation ab. Der Einstau auf Parkplätzen wird<br />
hier vernachlässigt (vgl. Kap, 3.3.4 ROCKHALT AUF<br />
PARKPLÄTZEN).<br />
Mulden<br />
Der Bodenbelag von Strassen und Plätzen ist rauh<br />
und teilweise uneben. Mit Mulden sind hier kleine<br />
und grössere Bereiche bezeichnet, in denen sich das<br />
Regenwasser ansammelt und nicht abfliessen kann.<br />
,Mulden werden daher wie kleine Retentionsbecken<br />
Langzeitmodel/:<br />
• durchschnittliche Wassermenge in der Schmutzwasserkanalisation<br />
,<br />
• durchschnittliche Wassermenge <strong>im</strong> Vorfluter<br />
• Evapotranspiration<br />
Kurzzeitmodel/:<br />
• max<strong>im</strong>ale Wassermenge In der Schmutzwasserkanalisation<br />
.<br />
• max<strong>im</strong>ale Wassermenge<strong>im</strong>Vorfluter.<br />
• Spitzenverschiebung in der Schmutzwasserkanalisation<br />
(Regenfall-Abfluss)<br />
• Spitzenverschiebung <strong>im</strong> Vorfluter (Regenfall-Abfluss)<br />
Die durchschnittliche Belastung der Schmutzwasserkanalisation<br />
variiert aufgrund des unterschiedlichen<br />
Trinkwasserverbrauchs um bis zu 22%. Die geringste<br />
Belastung tritt bei den Szenarien A und C (Wirtschaft<br />
und Umdenken) mit den Varianten 1 und 3 (max<strong>im</strong>al<br />
und innovativ) auf. Die grösste Wassermenge wird<br />
b,ei Szenario B (Krise) mit den Varianten 2 und 4<br />
(min<strong>im</strong>al und mittel) abgegeben.<br />
Im Kurzzeitmodell ergeben sich keine Unter-.<br />
schiede in der Schmutzwasserkanalisation, da Dachwasser<br />
durch den Reinwasserkanal in den Vorfluter<br />
266<br />
UNS-Fallstudie '96
_______________________--,-- ~ ~ ~Wasserhaushalt<br />
1: max<strong>im</strong>al<br />
2: min<strong>im</strong>al<br />
.Sl<br />
.~ - 3: innovativ<br />
~<br />
4: mittel<br />
o 50 100 150 200<br />
max<strong>im</strong>aler Abfluss <strong>im</strong> Vorfluter (in Vs)<br />
250 300<br />
Abb. 3.5.3.1 Der max<strong>im</strong>ale Abfluss inden.<br />
Votfluter während eines Starkregenereignisses<br />
für jede Variante. Der max<strong>im</strong>ale<br />
Abfluss ist vor allem vom Griindachanteil<br />
abhängig. Griindächer sind zur Dämpfung<br />
von Abflussspitzen sehr gut geeignet. Im<br />
betraf;!lteten Starkregenereiguis wird der<br />
Binzmühlebach vollständig überflutet. Bei<br />
einem solchen Stötfall fliesst das Wasser,<br />
das nicht aufgenommen werden kann, über<br />
die Strasse in die Schmutzwasserkanalisation.<br />
Die mittleren Wassermengen unterschieden<br />
sich in den verschiedenen Varianten<br />
weit fJl!eniger stark.<br />
abgeleitet wird. Die Unterschiede<strong>im</strong> Abwasseranfall<br />
aus deI!- Haushalten fällt bei den' Untersuchten,<br />
starken Niederschlägen nicht ins Gewicht.<br />
Die durchschnittliche Evapotranspiration unterscheidet<br />
sich in den verschiedenen Varianten um bis<br />
zu 18%, wobei hohe Gründachanteile erwartungsgemäss<br />
zu erhöhter Evapotranspiration.führen. Bei<br />
diesen Varianten treten auch die geringsten Spitzenabflüsse<br />
in den Vorfluter auf (siehe Abb. 3.5;3.1).<br />
Hier liegen Unterschiede bis zu 86% vor.<br />
Bei den hier untersuchten extremen Starkregenereignissen<br />
wird das Retentionsbecken überflutet<br />
und der Binzmühlebach dürfte stellenweise über die<br />
Ufer treten. Nicht berücksichtigt wurde, dass dann<br />
rückgestautes Wasser an verschiedenen Stellen in<br />
die Schmutzwas~erkanalisationeintreten dürfte. Insgesamt<br />
ergeben sich jedoch auch für diese Störfälle<br />
bedeutende Unterschiede <strong>im</strong> Ausrnass. Je nach<br />
Variante unterscheiden sich die Belastungsspitzen<br />
um bis zu 50%. Bezüglich des Einflusses von GrÜn-.<br />
dächern ergab die Untersuchung eine Halbierung<br />
der Spitzenbelastung der Schmutzwasserkanalisation<br />
bei einem Gründachanteil von 100% gegenüber der<br />
Situation ohne Gründächer (0%).<br />
Gründächer wirken sich einerseits in einer massi<br />
. ven Dämpfung der Abflussspitzen aus (Reduktion<br />
der Amplitude), <strong>and</strong>ererseits führen sie zu einer Ver-<br />
.zögerung der Abflussspitzen (Phasenverschiebung).<br />
Diese beiden, für die Kanalisationsbewirtschaftung<br />
sehr erwünschten Phänomene sind in Abb. 3.5.3.2<br />
dargestellt.<br />
3.6 Umweltbezogene Bewertung<br />
3.6.1 Das hierarchische Kriteriensystem<br />
Für die umweltbezogene Bewertung der Ergebnisse<br />
aus dem. Wirkmodell Rahmenbedingungen und dem<br />
Wasserhaushaltsmodell wurde eine multikriterielle<br />
Entscheidungsanalyse durchgeführt. In Abst<strong>im</strong>mung<br />
auf das verwendete EDV-Werkzeug Logical Decisions<br />
80<br />
70<br />
60<br />
---Regenfall<br />
- - - -Abfluss normales Dach<br />
-Abfluss Gründach<br />
0.J---~--=i~==+~-+-~~~~~+S.:::::.-+---+:::::::'....._<br />
o<br />
2 3 456 7 8 9 10<br />
Zeit in Stunden<br />
Abb.3.5.3.2 Verlaufdes Niederschlagereignisses<br />
vom 6.Juli 1993. Die gestrichelte<br />
Liniegibtden berechneten Abfluss von einem<br />
normalen Flachdach, die fette von einem<br />
begriinten Dach an. Beide Dächervermögen .<br />
den ersten Regenschub zu schlucken (DiJmpfung<br />
100%). Der zweite Regenschub wird·<br />
vom konventionell gestalteten Dach nur<br />
noch t<strong>im</strong> 45% gedämpft, während das<br />
Griindach die SpitZe noch um 89% zu reduzieren<br />
vermag. Die dritte Spitze wird vom<br />
normalen Dach um 55% und vom Griin<br />
Mmumn%u~~frDk~itze~~<br />
schiebungist be<strong>im</strong> konventionellen Dach mit<br />
einer Viertelstunde wesentlich kürzer als<br />
be<strong>im</strong> Griindach (2 bis 2lf4 Stunden).<br />
UNS-Fallstudie '96 267<br />
/
••••• h. • • • ..<br />
Wasserhaushalt<br />
_<br />
Kriterium<br />
Datenquelle<br />
1 ll~~serverbrauch Wirkmodell Rahmenbedingungen<br />
2 Spitzenbelastung der Abwasseranlagen<br />
...............- .<br />
2.1 Spitzenbelastung Kanalisation<br />
........... .,.. . .. ..................... ............- ..................<br />
2.1.1 Verschiebung des Wasserfrachtmax<strong>im</strong>ums Wasserhaushaltsmodell<br />
.................................................................................- .<br />
2.1.2 Verminderung der Spitzenbelastung Wasserhaushaltsmodell<br />
2.2 Spitzenbelastung Vorfluter<br />
..........................................................................-..... . .<br />
2.2.1 Verschiebung des Wasserfrachtmax<strong>im</strong>ums . Wasserhaushaltsmodell<br />
.................... . .<br />
2.2.2 Verminderung der Spitzenbelastung Wasserhaushaltsmodell<br />
3<br />
3.1<br />
3.2<br />
...c· .<br />
3.3<br />
4<br />
5<br />
Dauerbelastung der A~seranlagen<br />
...................••...••.•............................•..•.....••..•.•........•.................•.....•.•...............................••..•..••.•..•....<br />
Dauerbelastung Kanalisation<br />
............. pa~.e.r~p'~i~lJll:~ .Y?r.~IJ~e.r ..<br />
Evapotranspiration<br />
SChmutzstoffkonzentration <strong>im</strong> Wasser<br />
Erholungsraumqualität<br />
Wasserhaushaltsmodell<br />
Wasserhaushaltsmodell<br />
....•.••....••.•..•...................... ; .....<br />
Wasserhaushaltsmodell<br />
Wasserhaushaltsmodell<br />
Wirkmodell Rahmenbedingungen<br />
Tab. 3.6.1 Bewertungskriterien:<br />
Für die Gewichmng<br />
wurdenjeweils alle Kriterien<br />
einer Hierarchiesmfe gegenein<strong>and</strong>er<br />
gewichtet. Die für<br />
die Bewertung eingesetzten<br />
. Werte für jedes Kriterium<br />
stammen aus den in der<br />
Spalte «Datenquelle» aufgeführten<br />
Modellen.<br />
(vgl. Kasten 2.2 <strong>im</strong> Kap. GRÜNRAUM) wurde für das<br />
vorliegende Bewertungsproblem ein hierarchisches<br />
Kriteriensystem (Tab. 3.6.1) konstruiert.<br />
3.6.2 Gewichtultg der Kriterielt<br />
Für die Gewichtung der Kriterien wurden mittels<br />
Fragebogen drei Personengruppen befragt. Eine<br />
Gruppe best<strong>and</strong> aus drei Experten, eine weitere<br />
aus den fünf Tutoren und die dritte aus 18 Studierenden<br />
der Synthesegruppe WASSERHAUSHALT. Der<br />
Vergleich der erhaltenen Gewichtungen zeigt eine<br />
weitgehende Übereinst<strong>im</strong>mung aller drei Gruppen<br />
(Abb. 3.6.2.1). Die statistische Auswertung ergab,<br />
dass für alle Fragen ( 1-5', Hauptkriterien) keine signifikanten<br />
Unterschiede nachweisbar sind (Varianz~<br />
analyse und nichtparametrische Tests).<br />
Dies kann als eine gewisse Bestätigung<br />
der Verlässlichkeit der Gewichtung aufgefasst<br />
werden. Für die <strong>im</strong> folgenden<br />
80%<br />
verwendete Gewichtung wurde daher<br />
70% jeweiis der Durchschnittswert der drei<br />
Gruppeninittelwerte (Abb. 3.6.2.2) eingesetzt.<br />
40-60<br />
Wichtigkeit in Punkten (0 bis 100)<br />
0-20<br />
Abb. 3.6.2.1 Verteilungen der drei Prob<strong>and</strong>engruppen (Experten, Tutoren, Smdierende)<br />
aus der·Gewichtungsbefragung am Beispiel der Frage 2 (Kriterium «Spitzenbelasmng der<br />
Abwasseranlagen»). Die Übereinst<strong>im</strong>mung der Verteilungen ist sehr hoch.<br />
3.6.3 Messgrösselt<br />
Jedem Kriterium muss eine Messgrösse<br />
zugeordnet werden. Im vorliegenden<br />
Fall sind die Messgrössen keine Messwerte,<br />
sondern berechnete Prognosewerte<br />
der oben beschriebenen Modelle.<br />
Der Nutzen einer Messgrösse wird<br />
durch eine Nutzenfunktion best<strong>im</strong>mt.<br />
Die Festlegung der adäquaten Nutzenfunktionen<br />
für jedes Kriterium erfordert<br />
generelles und spezifisches Know-how<br />
über die Systemeigenschaften. Die Nutzenfunktionen<br />
wurden in enger Zusammenarbeit<br />
mit den Experten konstruiert:<br />
268 UNS-Fallstudie '96
----------------.,..---------- ~Wasserhaushalt<br />
1 - Trinkwasserverbrauch<br />
2 - Spitzenbelastungen<br />
der Abwasseranlagen<br />
3 - Dauerbelastung der<br />
Abwasseranlagen<br />
4 - Konzentration <strong>im</strong><br />
Abwasser·<br />
5 - Erholungsraumqualität<br />
0% 5% 10% 15% 20% 25%<br />
Abb. 3.6.2.2 Gewichtung der umweltbezogenen Bewertungskriterien ous der Befrogung (Experten,<br />
Tutoren, Studierende). Die Unterteilung derKriterien ist <strong>im</strong> Text (oben) erlöutert. Dos höchste Gewicht<br />
wirdübereinst<strong>im</strong>menddem Kriterium 2 .SpitzenbelostungderAbwosseronlogen» zugemessen;<br />
S,itzenbelast'IlIg:<br />
S,itzenverschiebung in der<br />
Kanalisation und <strong>im</strong> Vorfluter<br />
Die Spitzenverschiebung ist die<br />
Zeit zwischen max<strong>im</strong>alem Niederschlag<br />
und max<strong>im</strong>alem Abfluss.<br />
Spitzenvers~hiebungen sind erwünscht,<br />
damit nicht alles Wasser<br />
gleichzeitig in die Kanalisation oder<br />
den Vorfluter fliesst. Bei zu grosser<br />
Retention besteht die Gefahr, dass<br />
ein erneuter Regenguss auf bereits<br />
volle Speichereinrichtungen fällt<br />
und somit nicht gefasst werden<br />
kann.<br />
Trinkwasserverbrauch<br />
Im Teilgebiet 0 werden heute Werte bis 7 l/s erreicht.<br />
Der heutige Trinkwasserverbrauch entspricht<br />
dem geringsten Nutzen. Bei einem min<strong>im</strong>alen<br />
Trinkwasserverbrauch von 57 l/Pers.Tag (vgl. Kap.<br />
3.4 GEBÄUDE) - das entspricht 2.5 l/s - ergibt sich ein<br />
max<strong>im</strong>aler Nutzen. Es wurde eine lineare Nutzenfunktion<br />
eingesetzt.<br />
S,itzenbelastung: Max<strong>im</strong>ale Abflussmenge in der<br />
Kanalisation und <strong>im</strong> Vorfluter<br />
Solange die gesamte Abflussmenge bei einem Starkregenereignis<br />
von der Kanalisation oder dem Vorfluter<br />
gefasst werden kann, ist der Nutzen max<strong>im</strong>al.<br />
Überläuft die Kanalisation, so ist der Nutzen min<strong>im</strong>al.<br />
Die Nutzenfunktion für den Vorfluter ist in<br />
Abb.3.6.3 graphisch dargestellt und erläutert.<br />
Nutzen<br />
Durchschnittlicher Wasserfluss durch· die Kanalisation<br />
Der Min<strong>im</strong>alwert liegt.bei 190 m 3 pro Tag und wird<br />
einem max<strong>im</strong>alen Nutzen zugeordnet. Dies entspricht<br />
dem Anfall des häuslichen und industriellen·<br />
Abwassers ohne Be<strong>im</strong>ischung von Regenwasser. Der<br />
Max<strong>im</strong>alwert liegt bei 730 m 3 pro Tag. Dies. entspricht<br />
dem Abwasser inklusive 90% des Regenwassers<br />
(10% Verdunstung). Der Nutzen ist in diesem<br />
Bereich linear abhängig von der Wassermenge.<br />
Dauerbelastung des Vorfluters f;<br />
Qie dem Vorfluter übergebene Wasserme~ge soll<br />
möglichst konstant sein. Überflutung hat einen<br />
min<strong>im</strong>alen Nutzen, ebenso das Trockenfallen.<br />
Mittlere Eva,otrans,iration<br />
Die Verdunstung liegt zwischen 10% und 80% des<br />
Niederschlags. Das Min<strong>im</strong>um würde dann erreicht,<br />
wenn das ganze Areal ein geteerter Platz wäre und<br />
das Regenwasser sofort abfliessen würde. Das Max<strong>im</strong>um<br />
würde erreicht, wenn das ganze Areal aus<br />
intensiv begrünten Dächern bestehen würde. Hohe<br />
Verdunstungsraten shld erwünscht, da sie die Kläranlagen<br />
entlasten und das <strong>Stadt</strong>kl<strong>im</strong>a verbessern. In<br />
diesem Bereich ist der Nutzen linear von der Verdunstung<br />
abhängig.<br />
25 Max. Abflussmenge <strong>im</strong> Vorfluter 350<br />
(Liter/Sekunde)<br />
Abb.3.6.3 Die Nutzenfunktion für dos Kriterium .mox<strong>im</strong>ole Abflussmenge»<br />
ist bis zur FossungskopozitötfJon 251/s max<strong>im</strong>ol (also Nutzen = 1).<br />
Oberschreitet die zujliessende Wossermenge 25 I/s, treten (noch Füllung<br />
des Retentionsbeckens) über die Hochwosserentlostung mit zunehmendem<br />
Abfluss grossere Schode~srisiken om Vorfluter und dessen Umfeld auf<br />
(Oberschwemmungen).<br />
Schmutzsto(fkonzentration<br />
Unter der Schmutzstoffkönzentration wird die<br />
Schmutzfracht pro Volumen des häuslichen und<br />
industriellen Abwassers verst<strong>and</strong>en.<br />
Das Ziel ist eine Erhöhung der Konzentration,weil<br />
so die Leistung der Kläranlage verbessert wird. Nach<br />
eigenen Berechnungen ist max<strong>im</strong>al eine Erhöhung<br />
um den Faktor 2.5 möglich, was dem·höchsten<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
269
Wasserhaushalt<br />
-------_~ __<br />
Nutzen entspricht; bei kleineren<br />
Konzentrationswirkungen<br />
n<strong>im</strong>mt der Nutzen linear ab.<br />
Erholllngsrallmqllalität<br />
Dieser Wert berücksichtigt<br />
die vom Wasser ausgehende.<br />
Erholungsraumqualität. Er<br />
n<strong>im</strong>mt Bezug auf die Grösse<br />
Wohnraumattraktivitiitaus dem<br />
Wirkmodell Rahmenbedingungen<br />
u.nd bewertet das<br />
Vorh<strong>and</strong>ensein eines offenen<br />
Wasserlaufes <strong>im</strong> Areal.<br />
3.6.4 Ergebnisse<br />
C<br />
'Ql<br />
.>< c<br />
~<br />
E<br />
::J<br />
Ö «<br />
Szenario<br />
Die Bewertung wurde für<br />
die. beschriebenen Datensets<br />
(vgl. Abb. 2.3.3.2), durchgeführt.<br />
Die Resultate der Bewertungen<br />
sind in Abb. 3.6.4<br />
wiedergegeben. Szenarien<br />
und Varianten sind hier nach<br />
aufsteigendem Nutzen sortiert.<br />
Wie aus dieser Abbildung ersichtlich ist, sind die<br />
aus der aigregierten Bewertung des umweltbezogenen<br />
Nutzens erhaltenen Werte hochkorreliert. In<br />
allen Szenari,en kommen die Wirkungen der Varian-<br />
, ten (i.e. der Summe der technischen Massp.ahmeri)<br />
<strong>im</strong> gleichenSinne zur Geltung, indem eine Rangfolge<br />
1: max<strong>im</strong>al- 3: innovativ - 4: mittel- 2: min<strong>im</strong>alerzeugt<br />
wird. Das heisst, dass sich die umweltbezogenen<br />
Massnahmen (z.B. der Gründachanteil) unabhängig<br />
von den (hier einbezogenen) Rahmenbedingungen<br />
positiv auswirken. Je mehr und je vollständiger die<br />
Massnahmen umgesetzt werden, desto höher ist der<br />
umweltbezogene Nutzen.<br />
Die Aussage verdeutlicht in ihrer Richtungssicherheit,<br />
dass die einzelnen Massnahmenbündel keine<br />
negativen Wechselwirkungen aufweisen.<br />
,Bei der Bewertung der Szenarien werden sinnvollerweise<br />
die vier Sets Al, B2, C3 und D4 verglichen.<br />
Die Rangfolge der Szenarien von A (Szenario A<br />
Wirtschaft mit Variante I max<strong>im</strong>al) mit dem höchsten<br />
Umweltnutzen zu C, D und B (Szenario B Krise mit<br />
Variante 2 mittel) als tiefstem Wert entspricht den<br />
Implikationen der Szenariokonstruktion. Am wünschenswertesten<br />
sind die Szenarien Wirtschaft und<br />
Umdenken, welche zu ausgeprägter Bereitschaft zur<br />
Realisierung wassersparender und abflussdämpfender<br />
Massnahmen führen. Bemerkenswert ist, dass<br />
der allerhöchste umweltbezogene Nutzen für Set Cl<br />
ausgewiesen ist, wenn unter den Rahmenbedingun-<br />
Variante<br />
Abb.3.6.4 Die Bewel1ungder Varianten unterden verschiedenen Szenarien. Der min<strong>im</strong>ale umweltbezogene<br />
Nutzen entspricht der Zahl 0, der max<strong>im</strong>ale 1. Den grössten umwe!tbezogenen Nutzen erhalten wir <strong>im</strong> Szenario<br />
C «Umdenken» bei der max<strong>im</strong>alen Ausbauvariante 1 mit grossen Gründach- und Grauwassernutzungsanteilen<br />
sowie einem offenen Kanal als Gestaltungse!eme1Jt.<br />
3.7<br />
c<br />
~ .4 :::3<br />
Z<br />
Qj<br />
c:<br />
Q)<br />
Cl<br />
o<br />
N<br />
Q)<br />
g<br />
~<br />
E<br />
:::3<br />
gen von Szenario C Umdenken alle technischen Massnahmen<br />
max<strong>im</strong>al umgesetzt werden,wie dies für Szenario<br />
A Wirtschaft charakteristisch ist. Demgegenüber<br />
ist die «Krise» selbstverständlich nicht wünschenswert,<br />
unter <strong>and</strong>erem da in diesem Szenario kaum<br />
Bereitschaft für Umweltmassnahmen besteht.<br />
3.7.1 Kosten<br />
Betriebswirtschaftliche Betrachtungen<br />
In diesem Kapitel werden die Investitions- und die<br />
Unterhaltskosten für<br />
• Gründächer,<br />
• offene Wasserläufe sowie<br />
• Grauwasser- und Regenwassernutzungsanlagen betrachtet.<br />
Die Angaben beruhen auf folgenden Grundlagen:<br />
Grlindächer<br />
Es existieren drei technische Ausführungen von begrünten<br />
Dächern:<br />
• Min<strong>im</strong>alausführung eines. exrensiven Gründaches,<br />
• Normalausführung extensiv,<br />
• intensives Gründach, das zusätzliche statische Verstärkungen<br />
erfordert.<br />
Wie auch <strong>im</strong> Wasserhaushaltsmodell, wurde hier nur<br />
die Normalvariante eines extensiven Gründaches be-<br />
270 UNS-Fallstudie '96
-------, W'asserhaushalt<br />
rücksichtigt. Nach Herstellerangaben (Büsser, 1996)<br />
. betragen die Kosten 45.40 Fr./m 2 • Bei einer totalen<br />
Dachfläche von 73'899 m 2 <strong>im</strong> Teilgebiet 0 ergibt<br />
dies Gesamtinstallationskosten von 3.35 Mio. Fr. Die<br />
Unterhaltskosten konnten nicht ermittelt werden,<br />
dürften aber für den gewählten Typ relativ klein<br />
sem.<br />
Offene WlIsserlä"fe<br />
Aus unserer Perspektive kann die Idee, Reinwasserkanäle<br />
als offene Wasserläufe an der Oberfläche<br />
zu führen, als positives Element für die Wohn- und<br />
Erholungsraumqualität <strong>im</strong> Areal erachtet werden.<br />
Um eine befriedigende Wirkung zu erhalten, wird<br />
das Heraufpumpen von Grundwasser (das hier sowieso<br />
drainiert werden muss) dafür ins Auge gefasst,<br />
da das Gerinne sonst während längerer Zeit <strong>im</strong> Jahr<br />
trockenliegen würde. Deshalb haben wir die Varianten<br />
offener Reinwasserkanal und kein offener Wasserlauf<br />
berücksichtigt. Es wurde von einer Länge des Kanals<br />
von 400 m durch das Teilgebiet 0 ausgegangen.<br />
Für einen unterirdischen Regenwasserkanal wurdenVergleichskosten<br />
von 2800.- Fr. pro Laufmeter<br />
eingesetzt (Milojevic, 1996). Der offene Meteorwasserkanal<br />
wurde mit 3000.- Fr. pro Laufmeter<br />
veranschlagt, so dass sich die Gesamtkosten bei<br />
400 Metern Länge auf 1.2 Mio. Fr. belaufen. Die<br />
Unterhaltskosten konnten nicht verlässlich quantifiziert<br />
werden. Sie sind nicht vernachlässigbar, da eine<br />
gesteuerte Grundwasserpumpe erforderlich wäre.<br />
Eine noch weitergehende Lösung wäre das Schaffen<br />
eines naturnahen Bachlaufd. Dazu kann als<br />
Kostengrundlage die Bachöffnung Le<strong>im</strong>bach (Räbsamen,<br />
1988) herangezogen werden. Be<strong>im</strong> Le<strong>im</strong>bach'<br />
h<strong>and</strong>elte es sich um die Renaturierung eines kanalisierten<br />
Bachlaufes. Die Kosten betrugen 5680.- Fr.<br />
pro Laufmeter. Für den Bau eines neuen Baches<br />
müssten rund 5000.- Fr./m veranschlagt werden. Die<br />
totalen Kosten für einen entsprechenden Bach betragen<br />
somit ca. 2 Mio. Fr. Die Unterhaltskosten und<br />
der Bedarfan Pumpwasser dürften noch höher liegen<br />
als be<strong>im</strong> offenen ReinwasserkanaI.<br />
Grll"·. "nd RegenwlIssern"tz"ngsllnlllge<br />
Für die Wohngebäude wurde eine Grauwassernutzung,<br />
für die Bürogebäude eine Regenwassernutzungsanlage<br />
geplant. Laut Angaben über realisierte,<br />
vergleichbare Vergleichsanlagen ist mit Investitionskosten<br />
in der Grössenordnung von 500.- Fr. pro m 3<br />
für Leitungsnetz und Speichertank zu rechnen. Das<br />
benötigte Speichervolumen für eine Anlage <strong>im</strong> Teilgebiet<br />
0 beträgt rund 1000 m 3 • Dabei ist zu beachten,<br />
dass für die Grauwassernutzung nu,r ein kleiner<br />
Teil dieses Volumens benötigt wird, der G~ossteil<br />
wird für die Regenwasserspeicherung benötigt. Die<br />
Investitionskosten belaufen sich also auf 0.5 Mio. Fr.<br />
für die Grau- und Regenwassernutzungsanlagen in<br />
allen Gebäuden.<br />
Die Kosten für den jährlichen Unterhalt betragen<br />
(nach Angaben aus den Referenzanlagen) ca. 3% der<br />
Investitionskosten, also 15'000.- Fr. Die Nutzungsdauer<br />
wurde konservativ auf 20 Jahre geschätzt.<br />
Ausgehend davon betragen die Investitionskosten<br />
bei den Varianten 1 und 3 (max<strong>im</strong>al und innovativ,<br />
26% Grau- und Regenwassernutzung) 130'000.- Fr.<br />
und bei den Varianten 2 und 4 (min<strong>im</strong>al und mittel,<br />
6% Nutzung) 30'000.- Fr. Diese Annahmen gehen<br />
hier von einer vereinfachenden, linearen Beziehung<br />
zwischen Anlagengrösse und Kosten aus.<br />
3.7.2 Einspllr"ngen<br />
Bei der Dachbegrünung ergibt sich heute keine<br />
Kosteneinsparung, weil bei den Meteorwassergebühren<br />
dafür keine Tarifreduktion gewährt wird. Die<br />
Begrünung von Flachdächern ist in den Sonderbauvorschriften<br />
des ZZN allerdings vorgeschrieben.<br />
Ebenso ist der Nutzen offener Wasserläufe bezüglich<br />
Erholungsraumwert rein <strong>im</strong>materiell und wird hier<br />
nicht monetär quantifiziert. Einzig aus der Regen-<br />
Szenario Variante Preise pro m 3<br />
1 max<strong>im</strong>al 2 min<strong>im</strong>al 3 innovativ 4 mittel Trinkwasser Abwasser<br />
A Wirtschaft 161'000.- Fr. 54'000.-Fr. 161'000.- Fr. 54'000.- Fr. 3.90 Fr. 4.00 Fr.<br />
•....................... ,...................................•...•....•......•....•...•..•..•..•- ••.•..••.................•.•.......•............................................................•..•..•.••.••..•....<br />
BKrise' 141'000.- Fr. 47'000.- Fr. 141'000.- Fr. 47'000.- Fr. 3.90 Fr. 3.00 Fr.<br />
CUmdenken 16i,ööö:~·F~:·· 54'000.~F~:·· ·i61;öoö.~· Fr. 54'000.- Fr. .... iiiO·Fr. 4.00 Fr;<br />
......................................•.....••.••.•_....... . ,.......•..••........•.•.•.....••.......••.••.••..•••.••••.........................................................<br />
.J>..~r.t~Il.......... 112'000.- Fr. 38'000.- Fr. l~~'OO~.~F~ 3s.~~~~:~F.r: l:~~~r 1:00 Fr.<br />
eingesparte<br />
Wassermenge 31'390 m 3 10'585 m 3 31'390 m 3 10'585 m 3<br />
Tob. 3.7.2 Einsparungen bei Grau- und Regenwossemutzung nacn Abzug der Ertragssteuer (sielze aucn <strong>im</strong> folgenden Kap. 3.7.3).<br />
UNS-Fallstudie '96 271
Wasserhaushalt_--' ----, --' ~ _<br />
und Grauwassernutzung ist<br />
ein Gewinn durch Einsparung<br />
von Trinkwassergebühren zu<br />
erzielen (vgl. Tab. 3.7.2). Die<br />
Vermeidung von Abwasser<br />
wiederum wird heute nicht<br />
abgegolten.<br />
3.7.3 Rentabilitiitsrechnung<br />
Zur Berechnung der Rentabilität<br />
wurde die Methode des<br />
Net Present Value (NPV) verwendet.,<br />
Für die Diskontierungsrate<br />
wurde ein Zinssatz<br />
von 5% für risikolose Anldhen<br />
eingesetzt (Grundlage dafür:<br />
Zukunftsbezogene Schätzung<br />
mit der längsten Staatsobligation,<br />
Obligation 4% Eidg.<br />
94/14, Kurs 91 % am 20.6.1996).<br />
Darauf wurde eine Risikoprämie<br />
von 4% geschlagen.<br />
Der Steuersatz wurde als 35%<br />
Ertragssteuer (für Aktiengesellschaften) angenommen<br />
(Schüepp, 1996). Der NPV wurde in einem<br />
Stelltl II-Modell berechnet.<br />
Griindiicher<br />
Da die Gründächer keinen Ertrag abwerfen, ist der<br />
Net Present Value negativ. Die NPV-Werte für die vier<br />
Varianten betragen:<br />
1: max<strong>im</strong>al -1 '542'000.- Fr.<br />
2: min<strong>im</strong>al -440'000.- Fr.<br />
3: innovativ -714'000.- Fr.<br />
4: mittel -632'000.- Fr.<br />
Offene Wasserliiufe<br />
Da bei .den offenen Wasserläufen<br />
keine Betriebskosten<br />
berücksichtigt wurden, ist der<br />
NPV gleich der Investition.<br />
Der in Variante. 1 vorgesehene<br />
offene Reinwasserkanal entspricht<br />
deshalb einem NPV<br />
von -1.2 Mio. Fr.; bei den<br />
übrigen Varianten entfallen<br />
diese Investitionen (NPV = 0).<br />
2: min<strong>im</strong>al<br />
Variante<br />
Abb. 3.7.3.1 Net Present Va/ue der Grau- und Regenwassemutzungfür alle Varianten in den vier Szenarien<br />
(Sortiert nach NPV).<br />
wassernutzung nicht nur bei den verschiedenen<br />
Varianten, sondern auch mit jedem Szenario; Die<br />
NPV-Werte sind in Abb. 3.7.3.1 graphisch dargestellt.<br />
Sehr deutlich ist dabei der Unterschied zwischen<br />
der Variantengruppe rechts (Varianten 3 und 1) mit<br />
wesentlich höherem NPV als die beiden Varianten<br />
links (2 und 4). Die hohen NPV-Werte der ersten<br />
Gruppe kommen durch die ausgeprägte Einsparung<br />
von Trinkwasser zust<strong>and</strong>e, welche sich aus den Grau-<br />
1'000'000 Fr.<br />
500'000 Fr.<br />
oFr.<br />
ii:<br />
-500'000 Fr. Z<br />
lD<br />
-1'000'000 Fr. ~<br />
I<br />
-1'500'000 Fr.<br />
-2'000'000 Fr.<br />
Grag· gnd Regenwasserngtzung<br />
Da in den Szenarien unterschiedliche<br />
Wasserpreise angenommen<br />
wurden, ändert sich<br />
der NPV für Regen- und Grau-<br />
Szenario<br />
1: max<strong>im</strong>al<br />
Variante<br />
Abb. ·3.7.3.2 Der gesamte Net Pf'lIsent Va/ue (Gründlicher, offener Wasser/auf sowie Grau- und Regenwassemutzulig)<br />
der Varianten in den vier Szenarien (sortiert nach NPV).<br />
272 UNS-Fallstudie '96
_____----' ~ Wasserhaushalt<br />
und Regenwassernutzungsanlagen ergeben. Beispielsweise,<br />
ergibt sich in Variante 1 bei einer Investition<br />
von 130'000.- Fr. in solche Anlagen je nach<br />
Szenario ein NPV von 0.9 bis 1.4 Mio. Fr. Diese<br />
Investitionen können somit als durchaus rentabel<br />
angesprochen werden.<br />
Die Rentabilitiit der Varianten<br />
In Abb. 3.7.3.2 ist der totale NPV für alle Varianten in<br />
allen Szenarien dargestellt. Hier schlagen die hohen<br />
Investitionen .für Gründächer und insbesondere für<br />
den offenen Reinwasserkanal voll durch. Aus der<br />
betriebswirtschaftlichen Perspektive ist, unabhängig<br />
von den Rahmenbedingungen (Szenarien), nur die<br />
Massnahmenkombination Variante 3 innovativ einigermassen<br />
rentabel. In dieser Variante werden die<br />
Einsparungen aus der Grau- und Regenwassernutzung<br />
voll- ausgeschöpft, ohne jedoch Geld in<br />
einen teuren oberflächlichen Reinwasserkanal zu<br />
investieren.<br />
4. Interpretation und<br />
Schlussfolgerungen<br />
4.1 Erkenntnisse zum<br />
Trinkwasserverbrauch<br />
Eine gute Trinkwasserversorgung ist ein wichtiges<br />
Merkmal unseres Wohlst<strong>and</strong>es - und wir lassen<br />
sie uns einiges kosten. Insbesondere in Kap. 3.4 GE<br />
BÄUDE wird aufgezeigt, dass Wassersparen in grösserem<br />
Umfang möglich ist. Wie Abb. 4.1 zeigt, kann der<br />
durchschnittliche Wasserverbrauch gesenkt werden<br />
- ja er wird bei Neubauten, wie sie <strong>im</strong> ZZN geplant <br />
sind, ohnehin geringer, da mit den heute üblichen<br />
neuen Armaturen weniger Wasser verbraUcht wird.<br />
Da die Kapazität der Wasserversorgung auf Verbrauchsspitzen<br />
ausgelegt wird, ist es insbesondere<br />
von Bedeutung, dass durch diese Massnahmen auch<br />
die Bedarfsspitzen gebrochen werden können. Diese<br />
Entwicklung muss bei der Planung von Ausbau und<br />
Sanierung von Versorgungssystemen berücksichtigt<br />
werden. Es dürfte nachzuweisen sein, dass die Förderung<br />
wassersparender Einrichtungen für die Allgemeinheit<br />
kostengünstiger ausfällt als ein forcierter<br />
Ausbau auf derVersorgungsseite.<br />
verbleibender<br />
Trinkwasserverbrauch<br />
32%<br />
heute übliche<br />
neue Armaturen<br />
40%<br />
AM. 4.1 Mögliche Reduktion des Trinkwosseroerbrouchs durch die *,rwendung<br />
heute üblicher neuer Annoturen (73 I/Pers.Tog), Regenwossernutzung/ür<br />
Pjlonzenbewiisserung (9 IIPers.Tog) und GrouwossernulZung<br />
(41 I/Pers. Tog). Bei Neubouten wird der Anteil «heute übliche neue Annoturen»<br />
heute 0 priori eingesport.<br />
4.2 Erkenntnisse-aus dem<br />
Wasserhaushaltsmodell<br />
Der umweltbezogene Nutzen der Massnahmenbündel<br />
(Varianten, Abb. 3.6.4) wird hier pr<strong>im</strong>är aus<br />
der Perspektive Wasserbau und Gewässerschutz aufgefasst.<br />
Dieser Nutzen hat aber auch potentielle<br />
ökonomische Vorteile. Mit potentiell ist gemeint,<br />
dass kleiner ausgelegte Kläranlagen, Trinkwasserversorgungssysteme<br />
und Kanalisationen ausreichen<br />
würden. Sind diese Infrastrukturanlagen aber bereits<br />
gebaut oder werden sie aus <strong>and</strong>eren Gründen erweitert,<br />
dann kann mit diesen Massnahmen kein<br />
wesentlicher ökonomischer Nutzen erzielt werden.<br />
Es ist auffällig, dass die vier Varianten in allen<br />
Szenarien <strong>im</strong>mer die gleiche Reihenfolge bezüglich<br />
des Nutzens aufweisen. Das bedeutet, dass der<br />
Nutzen mit zunehmendem Gründachanteil und zunehmender<br />
Grauwassernutzung ansteigt, und zwar<br />
in allen Szenarien.<br />
In jedem Falle schneiden die Varianten <strong>im</strong> Szenario<br />
Umdenken knapp vor den entsprechenden<br />
Varianten <strong>im</strong> Szenario Wirtschaft am besten ab.<br />
Innerhalb aller Szenarien bringt die Variante 1<br />
(max<strong>im</strong>al: Gründächer, Grauwassernutzung und offener<br />
Kanal) den höchsten Nutzen.<br />
Hinter diesem Ergebnis steht die hohe Gewichtung<br />
der Problematik der Spitzenbelastung von Ka-<br />
UNS-Fallstudie '96 273
Wasserhaushalt__----'--,- ---------------,- _<br />
nalisations- und Kläranlagen (vgl. Abb. 3.6.2.2). Die<br />
hydraulischen Überlastungssituationen führen in der<br />
Kanalisation zur Abgabe von Schmutzwasser in die .<br />
Vorfluter (Regenentlastung), und in der Kläranlage<br />
zu verminderter Reinigungsleistung (z.B. bzgl. Stickstoffel<strong>im</strong>inatiori).<br />
Hier scheint die Problematik auf,<br />
dass eine Auslegung der Kläranlagen auf Spitzenb~lastungen<br />
derart teuer wird, dass wir sie uns<br />
nicht über längere Zeit werden leisten können.<br />
Diese Erkenntnis soll die Suche nach aufrechterhaltbaren<br />
und nachhaltigen Lösungen von<br />
den «End-of-Pipe-Massnahmen» (Kläranlagen)<br />
auf die quellnahen Elemente (Gründächer,<br />
Speicher-WC, etc.) lenken.<br />
0.65<br />
0.6<br />
C 0.55<br />
Gewinns aus den entsprechenden Investitionen (vgl.<br />
Kap. 3.7 BETRIEBsWIRrscHAFTLlCHE BETRA9HTUNCEN).<br />
Die in Abb. 4.4 vorgelegte Darstellung dieser beiden<br />
Indikatoren zeigt die Unterschiede der untersuchten<br />
Szenarien und Varianten sehr deutlich auf:<br />
Szenarien: Die beiden Szenarien C Umdenken und<br />
A Wirtschaft setzten sich sowohl bezüglich umwelt-<br />
SzenarioC<br />
Umdenken<br />
. 4.3 Erkenntnisse aus der<br />
Rentabilitiitsrechnung'<br />
Die Ergebnisse der Rentabilitätsberechnungen<br />
(Abb. 3.7.3.1) zeigen sehr deutlich auf, dass der<br />
betriebswirtschaftliche Nutzen mit zunehmender<br />
Grau- und Regenwassernutzung in allen<br />
vier Szenarien gesteigert werden kann.<br />
Offene Wasserläufe und Dachbegrünungen<br />
reduzieren die Rentabilität (siehe Abb. 3.7.3.2)<br />
weil den Investitionen keine monetären Einsparungen<br />
gegenüberstehen.<br />
Es ist überraschend, dass Grau- und Regenwassernntzungen<br />
sehr rentabel sind. Di.e Net<br />
Present Value-Berechnungen zeigen, dass Anlagen<br />
zur Grau- und Regenwassernutzung heute mit<br />
Investitionskosten von bis zu 450.- Fr. pro Person<br />
durchaus rentabel sind.<br />
4.4 Schlussfolgerungen:<br />
Ökologie, Wirtschaftlichkeit<br />
und Nachhaltigkeit<br />
Zur Orientierung in komplexen Problemfeldern<br />
wie bei Umweltmanagemententscheiden<br />
wird heute zunehmend die Kosten-Wirksamkeits<br />
Analyse eingesetzt. Diese Methodik strebt eine<br />
synoptische Darstellung von «Nutzen» und<br />
«Aufw<strong>and</strong>» verschiedener. Lösungsvorschläge<br />
an. Im vorliegenden Fall wurde mit der multiattributiven<br />
Bewertung ein Indikator «umweltbezogener<br />
Nutzen» geschaffen, der die<br />
umweltschonende, «nützliche» Wirkung von<br />
Massnahmenbündeln (Varianten) quantifiziert.<br />
Die Aufw<strong>and</strong>seite wiederum wird nicht als<br />
Aufrechnung der Investitions- und Unterhaltskosten<br />
allein ausgewiesen, sondern als Ne! Present<br />
Value (NPV), d.h. als Gegenwartswert des<br />
~ :::3<br />
~ 0.5<br />
0><br />
c<br />
0><br />
Cl<br />
2 0.45<br />
0>'<br />
:3<br />
ä)<br />
~E 0.4<br />
:::3<br />
c<br />
0.35<br />
0.3 +---.............---t----_--.............---t"--__1<br />
-2'000'000 -1'500'000 -1'000'000 -500'000 0<br />
0.65<br />
0.6<br />
18<br />
'5<br />
z<br />
G> c 0.5<br />
0><br />
Cl<br />
o<br />
~<br />
.0 0.45<br />
l E<br />
.:::3 0.4<br />
0.35<br />
Rentabilität: NPV in Fr.<br />
o<br />
500'000<br />
1'000'000<br />
0.3 +-~-.......--_---+---_-...;-_-----t<br />
-2'000'000 ·1 '500'000 -1 '000'000 -500'000<br />
Rentabilität: NPV in Fr.<br />
500'000 1'000'000<br />
Abb. 4.4 Darstellung des umweltbezogenen Nutzens gegen die Rentabilität (NPV)<br />
als Kosten-Wirksamkeits-Diagramm. Oben: Übersicht der Szenarien. Die aus den<br />
Szenarien direkt abgeleiteten Varianten sind durch ausgefüllte Symbole hervorgehoben<br />
(Sets AI, B2, C3 und D4). Unten: Dieselbe Darstellung wie oben mit<br />
Hervorhebung der Varianten, welche sich als gut abgrenzbare Clusterplazieren. Die<br />
Regressionslinie deutet den angestrebten Trend an (ohne Einbezug von Variante 1).<br />
274 UNS-Fallstudie '96
---------------------- Wasserhaushalt<br />
bezogenem Nutzen als auch bezüglich NPV deutlich<br />
von den beiden <strong>and</strong>ern ab. Die nutzenbezogenen<br />
Unterschiede zwischen den Szenarien bleiben in<br />
allen Varianten mehr oder weniger unverändert. .<br />
Varianten: Die Varianten lokalisieren sich als relativ<br />
geschlossene Gruppen (Cluster) <strong>im</strong> Kosten-Wirksamkeits-Diagramm.<br />
In dieser Form lässt das Diagramm<br />
keinen Zweifel, dass das Massnahmenbündel<br />
der Variante 3 innovativ ökologisch wünschbar und<br />
wirtschaftlich sinnvoll ist.<br />
Für eine Opt<strong>im</strong>ierung der Umweltqualität stellt<br />
sich die Frage, weshalb die Variante 1 max<strong>im</strong>al eine<br />
derart geringe Rentabilität aufweist. Die Ursache<br />
liegt in (heute) unrentablen Investitionen, insbesondere<br />
in die Massnahme «offener Reinwasserkanal».<br />
Ein Opt<strong>im</strong>ierungsansatz könnte darin bestehen,<br />
die Rentabilität dieses Massnahmentyps durch veränderte<br />
Gebührenstrukturen für Abwasser und<br />
Meteorwasser so zu verändern, dass die Variante 1 in<br />
die rechte obere Ecke des Diagramms gerückt wird.<br />
Diese Veränderung der Rahmenbedingungen wird<br />
als machbar erachtet. Sie kann <strong>im</strong> Sinne eines nachhaltigen<br />
Umweltmanagements eine zielführende<br />
Wirkung entfalten, wenn der Trend «steigender ökologischer<br />
Nutzen mit steigendem wirtschaftlichen<br />
Anreiz» für die H<strong>and</strong>lungsträgerInnen sichtbar gemacht<br />
werden kann.<br />
Wie oben beschrieben, entspricht der umweltbezogene<br />
Nutzen pr<strong>im</strong>är einem Nutzen für die<br />
öffentliche H<strong>and</strong> bzw. für die Volkswirtschaft..Betriebswirtschaftlich<br />
gibt es nur bei denjenigen Massnahmen<br />
eine positive Korrelation zwischen Nutzen<br />
und Rentabilität, bei denen eine Einsparung eines<br />
Gutes (Trinkwasser) sich als Vermei,dung von Kosten<br />
auswirkt. Die Wirkung der Massnahmen kann wie<br />
folgt zusammengefasst werden:<br />
• Grau- und Regenwassernutzung ist für Private'<br />
rentabel, für die öffentliche H<strong>and</strong> aber allenfalls<br />
insofern problematisch, als dass Einnahmen aus<br />
den Trinkwassergebühren verloren gehen.<br />
• Begrünte Dächer sind.für die Privaten heute nicht<br />
rentabel, während die Siedlungsentwässerung von<br />
niedrigeren Wassermengen (bei höheren Schmutzstoffkonzentrationen)<br />
profitieren kann, ohne dass<br />
sich die Einnahmen verringern. Ein Grund dafür<br />
liegt in den' Meteorwassergebühren, die für alle<br />
Dachtypen gleich sind. Zur Förderung von Dachbegrünungen<br />
wäre eine differenzierte Anpassung<br />
der Meteorwassergebühren wünschenswert. Dadurch<br />
könnte mit einer einfachen Tarifmassnahme<br />
ein Signal gegeben werden, welches ökologisch<br />
und ökonomisch in die richtige Richtung weist.<br />
• Für dieUrinseparierung (Kap. 3.4.4 WEITERGEHEN<br />
DE MASSNAHMEN) gilt dasselbe: Für Private bedeutet<br />
sie, eine Mehrinvestition, von der die öffentliche<br />
H<strong>and</strong> profitieren kann. Hier könnte auf der<br />
Basis des Verursacherprinzips eine Tarifdifferen~<br />
zierung erfolgen, welche für die Abwasserbeh<strong>and</strong>lung<br />
nachhaltige Konsequenzen hätte: Statt dass<br />
die öffentliche H<strong>and</strong> in die Kläranlagen (Ausbau<br />
und Opt<strong>im</strong>ierung der Nitrifikations- und Denitrifikationsstufe)<br />
investiert, würde die Stickstofffracht<br />
an der Quelle massiv reduziert bzw. umverteilt.<br />
4.5 Anregungen an die<br />
H<strong>and</strong>lulJgstriigerlnnen<br />
Der heute noch wenig verbreitete Einsatz der oben<br />
genannten Einrichtungen (Grau- und Regenwassernutzung,<br />
Gründächer und Urinseparierung) ist<br />
pr<strong>im</strong>är eine Fehlwirkung von Preissignalen, welche<br />
von der Verrechnung der Abwassergebühren nac'h<br />
Trinkwasserbezug sowie der pauschalen Berechnung<br />
der Meteorwassergebühr nach Dachfläche ausgehen.<br />
Deshalb möchten wir hier das Anliegen zur Differenzierung<br />
der Gebühren an die Gesetzgeber.und<br />
Vollzugsverantwortlichen herantragen.<br />
Den Bauherren wird empfohlen, die heute schon<br />
rentablen Anlagen zur Grau- und Regenwassernutzung<br />
in ihre Vorhaben zu integrieren. Zusätzlich<br />
könnten vorsorgend bauliche Massnahmen realisiert<br />
werden, welche die Nachrüstung von zukünftig voraussichtlich<br />
rentablen Einrichtungen ermöglichen<br />
(z.B. zusätzliche Urinleitung für eine separate Urinverwertung).<br />
Diese vorsorgende Perspektive richtet sich auch<br />
an die PlanerInnen. Ihnen soll zudem mit dem aufgezeigten<br />
methodischen Evaluationsweg aufgezeigt<br />
und begründet werden, welche siedlungswasserbaulichen<br />
Massnahmen aus umweltnaturwissenschaft~<br />
licher Sicht als nützlich; rentabel und empfehlenswert<br />
eingestuft werden. Ferner steht das vorgelegte<br />
Wasserhaushaltsmodell zur Verfügung, um als Opt<strong>im</strong>ierungswerkzeug<br />
(EDV-Tool) für verschiedenste<br />
Fragestellungen interaktiv eingesetzt und genutzt zu<br />
werden.<br />
4.6 Anregungen zur Fallstudie<br />
4.6.1 Anmerkungen zum Vorgehen<br />
In der Arbeit der Synthesegruppe wird eine Entwicklung<br />
sichtbar, welche für die Bearbeitung von<br />
Fallstudienthemen mit naturwissenschaftlichem<br />
Schwerpunkt eine richtungsweisende Gesamtfigur<br />
aufweist. An die Problemanalyse, bezogen auf den<br />
naturwissenschaftlichen Gegenst<strong>and</strong> und die betriebswirtschaftlichen<br />
Aspekte, fügt sich vor dem<br />
Hintergrund der Szenarien- und Variantenkonstruktion<br />
eine transparente Syntheseleistung. Sie umfasst<br />
UNS·Falistudie '96<br />
275
Wasserhaushalt ~ _'_ __,_----------~-<br />
.die Verbindung der NPV-Rentabilitätsberechnung<br />
mit der multiattributiven Nutzenbewertung zu einer<br />
Kosten-Wirksamkeits-Darstellung.<br />
4.6.2 Kritische Stellungnahme zu den Resultaten und<br />
weiterführende Untersuchungen<br />
Nach Bearbeitung der Resultate können einige kritische<br />
Anmerkungen sowie Anregungen zu weiteren<br />
Untersuchungen gegeben werden:<br />
• Die Verlässlichkeit (Reliabilität) der gesamten<br />
Methodik sollte kritisch untersucht werden. Dazu<br />
wären Sensitivitätsanalysen ·der Vorgehensschritte<br />
(insbesondere der multiattributivenBewertung)<br />
einzeln und <strong>im</strong> Gesamtzusammenhang durchzuführen.<br />
Auch das Sichtbarmachen <strong>im</strong>pliziter<br />
Wertungen könnte noch besser herausgearbeitet<br />
werden.<br />
• Die vier Varianten sind zum Teil zu ähnlich, sie<br />
sollten einen grösseren Bereich von Möglichkeiten<br />
abdecken.<br />
• Die gewählten Starkregene:reignisse riefen bei<br />
jeder Variante einen Störfall <strong>im</strong> Vorfluter hervor<br />
(Überlastung). Es müsste genauer untersucht werden,<br />
wieviel Dachwasser hier in die Kläranlage<br />
abfliessen würde. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />
dass dieses Wasser über die Hochwasserentlastung<br />
in den Leutschenbach oder in die Glatt gelangen<br />
würde - nun aber vermischt mit Schmutzwasser.<br />
• Die Aufteilung der Entwässerungsfrage in die hier<br />
pr<strong>im</strong>är untersuchten quantitativen Aspekte und<br />
die qualitativen Gesichtspunkte kann nicht voll<br />
befriedigen: Beispielsweise ist für einen Vorfluter<br />
nicht unbedingt die max<strong>im</strong>ale hydraulische Überlastung<br />
am kritischsten. Vielmehr können grösste<br />
Schadenereignisse (z.B. Fischsterben) dann auftreten,<br />
wenn bei kleineren, lokalen Niederschlagsereignissen<br />
ein Schmutzwasserschwall einer Regenentlastung<br />
auf einen Niedrigwasser-führenden<br />
Vorfluter trifft.<br />
• Es wurde bei der ModelIierung von einem Trennsystem<br />
(Dachwasser und übrige Abwässer) ausgegangen.<br />
Unter Umständen wird aber nur ein Teil<br />
der Dächer an einen Reinwasserkanal angeschlossen<br />
werd,en.<br />
• Für einzelne Aussagenbereiche müssten zusätzlich<br />
die Entwicklungen der umgebenden Gebiete - v.a.<br />
. <strong>im</strong> Einzugsgebiet des Binzrnühlebachs - mitberücksichtigt<br />
werden, um sinnvolle Opt<strong>im</strong>ierung/:lvarianten<br />
konzipieren zu können.<br />
• Bei der Rentabilitätsrechnung sollten die Grauund<br />
die Regenwass,ernutzung einzeln beh<strong>and</strong>elt<br />
werden. So ist eine detailliertere Aussage üb~r die<br />
Wirtschaftlichkeit der einzelnen Anlagen möglich.<br />
• Die uns verfügbaren Kostenangaben stellen z.T.<br />
keine verlässliche Grundlage dar: Nachträglich<br />
wurde beispielsweise moniert, dass die Erstellung<br />
einer offenen Reinwasserrinne <strong>and</strong>ernorts auch<br />
mit dem halben Kostenaufw<strong>and</strong> realisiert werden<br />
konnte.<br />
• Eine mögliche Änderung der Rahmenbedingung,<br />
welche hier nicht einbezogen wurde, ist die<br />
, Option, dass die Trinkwassergebühren aufgrund<br />
ihres hohen Fixkostenanteils in Anschlusskosten<br />
(Infrastrukturaufw<strong>and</strong>) und Verbrauchskosten (pro<br />
m 3 verbrauchtes· Trinkwasser) aufgeteilt werden<br />
könnten.<br />
276<br />
UNS-Fallstudie '96
_______________--------_-------- ---'- Wasserhaushalt<br />
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278 UNS-Fallstudie '96
Gebäude: Umweltma~agement<br />
in der Bauplanung<br />
Inhalt<br />
1. Einführung<br />
2. Der Fall: «Ententeich», TORO I<br />
und die ABB·Umweltpolitik<br />
3. Grundlagen: Ökologie<br />
und Umweltmanagement<br />
<strong>im</strong> Bailprozess<br />
4. Von den Umweltzielen zur.<br />
Information: Daten zur<br />
Bauprojektierung <strong>im</strong> ZZN<br />
5. Implementation von Umweltmanagement:<br />
Von der<br />
Information zur Entscheidung<br />
281<br />
284<br />
288<br />
293<br />
304<br />
Autoren<br />
Jörg Hunziker<br />
Marcel Niederer<br />
Markus ScheUer<br />
Swen Vermeul (Schlussredaktion)<br />
Harald A. Mieg<br />
(Tutor, Schlussredaktion)<br />
,<br />
Aufbauend auf den Ergebnissen der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe (Synthesegruppe GEBÄUDE)<br />
Lukas Ackermann<br />
Stefan Bertschi<br />
DanielBürgi<br />
Adrian Busin<br />
Inez Colyn<br />
Thomas Frei<br />
Paul Gähwiller<br />
Hans Giger<br />
JörgHunziker<br />
Alex<strong>and</strong>er Jäger<br />
Mischa Judex<br />
Thomas Klaus<br />
Marcel Niederer<br />
Jakob Rieder<br />
Sabine Ruckstuhl<br />
Markus Scheller<br />
Urs Schön<br />
Swen Vermeul<br />
Laurent Willi<br />
Andreas Zbinden<br />
Ellen Meyrat (Tutorin)<br />
Harald A. Mieg (Tutor)<br />
Johann Schregenberger (Tutor)<br />
OIaf Tietje (Tutor)<br />
Otto Erb (Berater)
Gebäude_~<br />
_<br />
280 UNS-Fallstudie '96
------,--------_---------- ~ Gebäude<br />
1. Einführung<br />
«Ökologie ist ein' Qualitätsst<strong>and</strong>ard <strong>im</strong> Bauwesen»,<br />
heisst es in einer neuen Studie zum Umweltmanagement<br />
von Hochbauprojekten, gemeinsam herausgegeben<br />
vom Amt für Bundesbauten und der Schweizerischen<br />
Bankgesellschaft. Weiterhin heisst es dort: «In<br />
Zukunft sollen die Umweltbelange systematisch in<br />
die Planung und Realisierung eines Bauvorhabens<br />
sowie die Bewirtschaftung von Gebäuden einfliessen.»<br />
(Amt für Bundesbauten & SBG, 1996, S. 2).<br />
Die Bauwirtschaft hat nicht erst jetzt ökologische<br />
Fragen entdeckt. Auch die UNS~Fallstudie'95<br />
«Industrieareal Sulzer-Escher Wyss» (Scholz et aI.,<br />
1996), unterstützt vom Schweizerischen Baumeisterverb<strong>and</strong>,<br />
war ganz dem Thema «Umwelt und Bauen»<br />
gewidmet. Doch die Zukunft der Bauwirtschaft stellt<br />
sicl} derzeit nicht sehr hoffnungserweckend dar.<br />
E. Somm, Präsident und CEO der ABB Schweiz, resümiert:<br />
«Es lässt sich nicht bestreiten, dass die Bau- und<br />
Immobilienwirtschaft in einer Krise .steckt.<br />
Deutliche Zeugen dieser Tatsache sind der all~<br />
gemeine Preiszerfall, die fast 10'000 Konkurse,<br />
d,iees 1995 in der Baubranche gab[,] und der <br />
mit 50'000, oder rund 1,5% des Wohnungsbest<strong>and</strong>es<br />
- <strong>im</strong> Vergleich zu früheren Jahren wesentlich<br />
höhere Leerwohnungsst<strong>and</strong>. Besonders drastisch<br />
zeigt sich das· Problem bei den Geschäftsliegenschaften,<br />
und der volkswirtschaftliche Schaden<br />
ist riesengross, wenn man die Abschreibungen<br />
der Banken, die in den letzten Jahren in Milliardenhöhen<br />
lagen, berücksichtigt.» (Sornm, 1996,<br />
S.1).<br />
Damit ist das Spannungsfeld aufgezeigt, in dem sich<br />
die Synthesegruppe GEBÄUDE bewegte: Einerseits<br />
Forderungen nach einer vermehrten Berücksichtigung<br />
ökologischer Anliegen, auf der <strong>and</strong>eren Seite<br />
die Krise der Bau- und Immobilienwirtschaft. In diesem<br />
Spannungsfeld bewegen sich auch die Versuche<br />
der Implementation von Umweltmanagement <strong>im</strong><br />
Bauwesen, mit der sich dieSynthesegruppe GEBÄUDE<br />
beschäftigte. Ein Schlagwort in diesem Zusammenhang<br />
ist «ISO 14001».<br />
1.1 ISO 14001 1<br />
Der künftige H<strong>and</strong>lungsbedarf für ökonomische<br />
wie au~h ökologische Verbesserungen liegt pr<strong>im</strong>är in<br />
der Planung neuer Produkte und Transformations-<br />
I Das Kap. l.I über ISO 14001 entst<strong>and</strong> in enger Zusammenarbeit<br />
mit Prof. Rainer Züst. dem hiermit für seine Unterstützung ganz herzlich<br />
gedankt sei.<br />
prozesse. Dies ist <strong>im</strong> wesentlichen darin begründet,<br />
dass 90-95% der Herstellungs-, Nutzungs- und Entsorgungskosten,<br />
die dem Unternehmen über alle<br />
Lebensphasen anfallen, bereits in der Planungs- und<br />
Entwicklungsphase festgelegt werden (vgI. Züst,<br />
199qa und b). In einem ähnlichen Ausrnass verhält es<br />
sich auch mit den Umweltbelastungen. Die unternehmerische<br />
Selbstverantwortung bezüglich der<br />
Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen ist deshalb<br />
von grösster Bedeutung (vgI. Dyllick, 1994;<br />
Plötz & Speerli, 1995).<br />
Von der internationalenH<strong>and</strong>elskammer (lCC) wurde<br />
bereits in der zweiten Hälfte der 80er Jahre das<br />
Modell einer freiwilligen Umweltschutzkontrolle<br />
entwickelt. Damit sollen alle Bereiche eines Unternehmens<br />
durch klare Verfahrensvorschläge für den<br />
Umweltschutz aktiviert werden. Das Prinzip der<br />
freiwilligen Selbstregulierung der Wirtschaft stützt<br />
sich <strong>im</strong> Konzept der Ice auf zwei Grundannahmen<br />
(vgI. ICC, 1991, S. 63):<br />
• Die Selbstregulierung ist bei richtiger Anwendung<br />
häufig wirksamer als die Einführung von Gesetzen<br />
oder Vorschriften. .<br />
• Eine übermässige Zunahme von gesetzlichen oder<br />
behördlichen Regelungen wirkt kontraproduktiv.<br />
Gesetze veraltern zudem schnell und sie können<br />
auch nicht alle Fälle abdecken.<br />
Anfangs der 90er Jahre begann die International'<br />
Organization for St<strong>and</strong>ardization (ISO) <strong>im</strong> Bereich<br />
des Umweltmanagements mit der Normungsarbeit.<br />
Seit 1996 liegt die Norm ISO 14001 «Umweltmanagementsysteme»<br />
vor~ Sie ist bedeutsam für jede<br />
Art von Organisationen. Als «Organisation» bezeichnet<br />
die ISO 1,4001 eine Gesellschaft, eine Körperschaft,<br />
einen Betrieb, ein Unternehmen, eine Behörde<br />
oder Institution sowie Teile oder Kombination<br />
davon, eingetragen oder nicht, öffentlich oder privat,<br />
mit eigenen Funktionen und eigener Verwaltung.<br />
Die ISO 14001 bezweckt in erster Linie die Verbesserung<br />
der unternehmerischen Umweltleistung<br />
bezogen auf ihre Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen<br />
und beinhaltet Anforderungen, die <strong>im</strong><br />
Rahmen einer Zertifizierung objektiv auditiert werden<br />
müssen.<br />
Das Umweltmanagementsystem (nach ISO 14001,<br />
1996 bzw. CEN, 1996, Anhang Al) sollte die Organisation<br />
in die Lage versetzen,<br />
• eine für sie angemessene Umweltpolitik einzuführen;<br />
• die spezifischen Umweltaspekte zu ermitteln, die sich<br />
aus früheren, laufenden oder geplanten Tätigkeiten,<br />
Produkten und Dienstleistungen der Organisation<br />
ergeben, um die bedeutsamen Umweltauswirkungen<br />
festzustellen;<br />
• die relevanten rechtlichen Forderungen zu ermit"<br />
teln;<br />
I~<br />
I<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
281
Gebäude ---: _<br />
• Prioritäten zu. setzen und geeignete umweltbezogene<br />
Zielsetzungen undEinzelziele festzulegen;<br />
• eine Organisationsstruktur und ein oder mehrere<br />
Umweltprogramme einzuführen, um die Umweltpolitik<br />
zu <strong>im</strong>plementieren und die umweltbezogenen<br />
Zielsetzungen und Einzelziele zu erreichen;<br />
• Planung, Lenkung, Überwachung, Korrekturmassnahmen,<br />
Audit- und Bewertungsverfahren zu erleichtern,<br />
um sicherzustellen, dass sowohl die Umweltpolitik<br />
erfüllt wird, als auch das Umweltmanagement<br />
SYl;)tem angemessen bleibt;<br />
• sich an sich verändernde Umstände anpassen zu<br />
können. Es gilt der Grundsatz der kontinuierlichen<br />
Verbesserung.<br />
Die Norm ISO 14001 besitztu.a. zwei Besonderheiten,<br />
die die Eigenschaften eines Umweltmanagementsystems<br />
wesentlich beeinflussen. Das Unternehmen<br />
muss einerseits die bedeutenden spezifischen<br />
Umweltaspekte aus seinen Tätigkeiten,<br />
.Produkte und Dienstleistungen - bezogen auf die<br />
entsprechenden lokalen; regionalen und globalen<br />
Umweltprobleme - selbst best<strong>im</strong>men. Diese Beurteilung<br />
geschieht auf Basis von Elementarflüssen.<br />
Diese Resultate sind notwendig, damit· eine um-<br />
Überprüfung durch die oberste<br />
Leitul1g<br />
Überwachung und<br />
Korrekturmassnahmen<br />
- Überwachung u.nd Messung<br />
- Abweichungen. Korrektur- und<br />
VOlSorgemassnahmen<br />
- Aufzeichnungen und Protokolle<br />
- UMS-Audits<br />
Plal1ung<br />
• Umweffspezifische Aspekte<br />
- RechUiche und <strong>and</strong>ere Anforderungen<br />
- Zielsetzungen und Ziele<br />
• Umweffmanagementprogramme<br />
Durchführung<br />
Umweltpolitik<br />
Abb. 1.1 Modellfür die Implementation eines Umweltmanagementsystems nach/SO 14001 (GEN, 1995,<br />
S. 5). Deutlich wird der Grondsatz der kontinuierlichen Verbesserong.<br />
fassende und nicht nur punktuelle Umweltpolitik<br />
erstellt und wirkungsvolle Massnahmen best<strong>im</strong>mt<br />
werden können. Andererseits sollen kontinuierliche<br />
Verbesserungen des Umweltmanagementsystems zu<br />
weiteren Verbesserungen der umweltorientierten<br />
Leistung führen (vgl. Abb. 1.1). In der Praxis sind<br />
deshalb vertiefte Kenntnisse über das Unternehmen,<br />
die Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen<br />
nötig.<br />
1.2<br />
UmweltspezifischeAspekte in der<br />
Bauplanung und die Fragestellung der<br />
Synthesegruppe GEBÄUDE<br />
Eine Grundaussage der UNS-Fallstudie '95 «Umwelt<br />
und Bauen» lautete: Will man umweltspezifische<br />
Aspekte berücksichtigen, so müssen sie möglichst<br />
früh in die Planung einbezogen werden; denn<br />
in der Planung werden die richtungsweisenden Entscheide<br />
getroffen (Scholz et al., 1996; Scholz, 1996b).<br />
Die Bedeutung der Planung <strong>im</strong> Bauwesen kann nicht<br />
hoch genug eingeschätzt werden (IP Bau, 1994).<br />
Fragen wir nach den umweltspezifischen<br />
Aspekten<br />
der Bauplanung, so müssen<br />
wir uns mit der Tatsache<br />
ausein<strong>and</strong>ersetzen, dass Gebäude<br />
in' einem Lebenszyklusstehen.<br />
Gebäude<br />
werden geplant, gebaut, ge-<br />
- nutzt, vielleicht mehrmals<br />
umgenutzt, um schliesslich<br />
abgebrochen zu werden.<br />
Alle diese 'Phasen umfassen<br />
eine grosse Zeitspanne. Die<br />
Lebensdauer der Gebäude,<br />
die derzeit <strong>im</strong> ZZN errichtet<br />
werden, kann die Lebensdauer<br />
ihrer Erbauer deutlich<br />
Überschreiten. Im Impulsprogramm<br />
«IP Bau» des<br />
Bundesamtes für Konjunk~<br />
turfragen verglich man den<br />
Lebenszyklus eines Gebäudes<br />
und die Kosten für<br />
der Bauteilgruppen sogar<br />
für einen Zeitraum von 120<br />
Jahren.<br />
Aus umweltnatur'\vissenschaftlicher<br />
Sicht wäre es<br />
wünschenswert, dass der/die<br />
PlanerIn zu jedem Strich seines/ihres<br />
Planungsentwurfes<br />
sieht, welche Auswirkungen<br />
282 UNS-Fallstudie '96
_____--:-<br />
Gebäude<br />
auf die Umwelt damit verbunden wären (vgI. Scholz<br />
et al., J 996, Kap. Einleitung); aus Sicht des Planers<br />
bzw. der Planerin sind <strong>and</strong>ererseits nur einfache,<br />
praktikable Massgaben annehmbar, die zudem die<br />
Planung als «kreativen Prozess» nicht einschränken.<br />
Dies muss kein Widerspruch sein. Je nach «Fokus»<br />
oder «Auflösung» der Fallbetrachtung erhalten die<br />
einzelnen «Striche» <strong>and</strong>eres Gewicht: mal sieht man<br />
die Umwelteinwirkungen einzelner Gebäude, mal<br />
die Grundzüge der <strong>Stadt</strong>entwicklung oder der Unternehmenspolitik.<br />
Mit diesen verschiedenen Sichtweisen musste sich<br />
die Synthesegruppe GEBÄUDE konkret ausein<strong>and</strong>ersetzen.<br />
Die Idee des Lebenszyklus' von Gebäuden<br />
bildete den Ausgangspunkt der Fragestellung der<br />
Synthesegruppe GEBÄUDE: Wie können die umweltspezifischen<br />
Aspekte, die sich in den Gebäude<br />
Lebenszyklen finden lassen, in ein gesamthaftes<br />
Umweltmanagement in der Bauplanung integriert<br />
werden? Und welchen Anteil können daran die<br />
Umweltnaturwissenschaften haben?<br />
I<br />
l-<br />
I<br />
I I<br />
Kosten 1.2· Lebenszyklus eines Gebäudes unddie Teilprojekte der Synthesegroppe<br />
Gebäude.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
283
Gebäude ...,.- ...,.- --'- _<br />
2. Der Fall: «Ententeich", TORO I<br />
und die ABB-Umweltpolitik<br />
Von den vielen bestehenden und geplanten Gebäuden<br />
wurden zwei für eine nähere Betrachtung ausgewählt:<br />
• Das Projekt «Ententeich», als Beispiel einer geplanten<br />
Umnutzung, einem. <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit dem ZZN aus ökologischer Sicht brisanten<br />
Thema. Der «Ententeich» wird in den weiteren<br />
Betrachtungen klar <strong>im</strong> Vordergrund stehen.<br />
• Das Projekt «TaRO h, als Beispiel eines Büroneubaus,<br />
der sich in der AusfÜhrung befindet.<br />
Zum Fall gehören aber nicht nur die Gebäude<br />
sondern auch die Umweltpolitik der ABB. Sie ist<br />
Rahmen und - nach ISO 14001 - auch Voraussetzung<br />
für ein Umweltmanagement.<br />
2.1 Der «Ententeich» und der<br />
Umnutzungsentscheid<br />
Der Name «Ententeich» rührt, wie sich leicht erahnen<br />
lässt, von einem Ententeich, der der Bebauung<br />
weichen musste. Das Gebäude «Ententeich»<br />
wurde 1951 ursprünglich als Industriegebäude gebaut<br />
und benutzt. Dort wurden Maschinenteile<br />
Bauherrin<br />
(ABB Immobilien AG)<br />
/<br />
'"<br />
Architekturbüro<br />
Generaluntemehmer<br />
(Max Schönenberg u. Partner) (Gianesit Hofmann)<br />
Abb. 2.1.4 Beteiligte Akteure am Projekt -Ententeich•.<br />
hergestellt. 1963 wurde das Gebäude um ein Stockwerk<br />
erweitert. In den späten 80er Jahren wurde der<br />
«Ententeich» zu einem Bürogebäude umgenutzt.<br />
Die hohen Räume dieses Industriebaues wurden<br />
nicht mehr gebraucht, und es wurden Zwischenböden<br />
eingebaut. Damit wurde das Gebäude sechsstöckig.<br />
per «Ententeich» besitzt drei Erschliessungstürme<br />
auf seiner Westseite. Das Gebäudevolumen<br />
beträgt etwa 38'000 m 3 • .<br />
Der bestehende «Ententeic;h» wurde in eine Industriel<strong>and</strong>schaft<br />
gebaut. Die Architektur des «Enten-<br />
. teichs» spiegelt auch die Architektur der ihn um- .<br />
gebenden Gebäude wider (vgl. Abb. 2.1.1 bis 2.1.3).<br />
Das Umfeld des «Ententeichs» wird durch den<br />
Gesamtplan <strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> entscheidend<br />
Abb. 2.1.1 Gesamtansicht des -Ententeichs" urspriinglich ein Industriebau zurProduktion von Maschinenteilen (Bild: Mischa Judex),<br />
284 UNS-Fallstudie '96
i! In<br />
..;.,<br />
~<br />
rn<br />
2Cl.<br />
·23.97 LIFTHOTOREtlRAUH<br />
Gebäude -'-- -'-- '-<br />
verändert. Es wird voraussichtlich als einziges altes<br />
Gebäude <strong>im</strong> Areal bestehen bleiben. Durch die piazierung<br />
des öffentlichen Parks <strong>im</strong> Westen wird sich<br />
die Wirkung des Gebäudes verändern: Es kommt<br />
repräsentativ an der farkseite zu stehen.<br />
Der «Ententeich» besitzt als Tragstruktur ein<br />
Betonskelett, weIches sich in einem guten Zust<strong>and</strong><br />
befindet. Eine Umnutzung in ein Wohngebäude ist<br />
von der Tragfahigkeit her kein Problem. Dies gab<br />
unter <strong>and</strong>erem den Aus~chlag für eine Umbauentscheidung.<br />
Die Stockwerkhöhe <strong>im</strong> Erdgeschoss und<br />
<strong>im</strong> ersten Stock ermöglicht den Einbau einer Galerie;<br />
dadurch werdenzweigeschossige Wohnungen<br />
ermöglicht (vgl. Abb. 2.1.3). In den <strong>and</strong>eren Stockwerken<br />
reicht die Geschosshöhe dafür nicht aus, was<br />
in überdurchschnittlichen Raumhöhen resultiert.<br />
1992 wurde ein öffentlicher Ideenwettbewerb<br />
ausgeschrieben, weIcher Lösungen zur anstehenden<br />
Gestaltung der von Baustruktur freien Räume<br />
und der eventuell verwendbaren Altbausubstanz<br />
erbringen sollte. Damals war das Gebäude «Ententeich»<br />
bereits zur Umnutzung vorgesehen. Es war<br />
allerdings eine Mischnutzung geplant. Die Idee der<br />
ABB, einer Zwischennutzung für eigene Bürobedürfnisse,<br />
wurde wieder verworfen.<br />
Im Frühjahr 1995 erteilte die ABB Immobilien AG<br />
den Auftrag zu einer Vorstudie, die den «Ententeich"<br />
.als Wohngebäude vorsah. Ein provisorischer<br />
Entscheid fiel zugunsten der Vorprojektstudie von<br />
Max Schönenberg u. Partner.<br />
2.2 Die Baustelle TORO I<br />
Aufdem mit Altlasten kontaminierten «Stierenried»<br />
entstehen die Gebäude TORO I und 11. Der Name<br />
«Toro» Oat. taurus = Stier) ist in Anspielung auf<br />
das Stierenried gewählt. Das Stierenried wurde bereits<br />
<strong>im</strong> Kap. ALTLASTEN vorgestellt. TaRO ist das erste<br />
Projekt, das auf dem ZZN-Areal realisiert wird.<br />
TaRO I wird ein fürifgeschossiges Bürogebäude mit<br />
integriertem Parkhaus (vgl. Abb. 2.2), TaRO 11 eine<br />
Produktionshalle für total über 1200 Beschäftigte.<br />
Das Investitionsvolumen für TaRO beträgt rund<br />
130 Millionen Franken (TaRO Info 1/95, S.1).<br />
TaRO I befindet sich in einer fortgeschrittenen<br />
Abb. 2.2 TORO I, ein fünfgeschossiges Bürogebäude mit integriertem Parkhaus, das erste Projekt, das aufdem ZZN-Areal realisiert wird (lJild: Gomet<br />
Photo AG, Zürich).<br />
286 UNS-Fallstudie '96
__________________________________________Gebäude<br />
Phase des Ausbaues, bei TaRO 11<br />
wird zur Zeit der Rohbau fertiggestellt.<br />
Edwin Somm, Vorsitzender der Geschäftsleitung<br />
der ABB Schweiz, bezeichnet<br />
TaRO als «Jahrhundertwerk»:<br />
«TORO ist das erste Projekt <strong>im</strong><br />
Rahmen der geplanten Um- und<br />
Neunutzung der Industrieareale in<br />
Zürich-Oerlikon. Die städtebaulichen<br />
und planungsrechtlichen Leitplanken<br />
für dieses Jahrhundertwerk<br />
wurden gemeinsam von Behörden<br />
und Grundeigentümern, unter Federführung<br />
des Bauamtes 11, mit<br />
dem «Entwicklungsleitbild <strong>Zentrum</strong><br />
Zürieh <strong>Nord</strong>» und den Sonderbauvorschriften<br />
ZZN entwickelt und definiert.<br />
TaRO und «<strong>Zentrum</strong> Zürich<br />
<strong>Nord</strong>» gehören untrennbar zusammen.»<br />
(TaRO Info 1/95 S. 1).<br />
Das Projekt TaRO wird von der ABB<br />
Schweiz und einer Investorengemeinschaft<br />
getragen. Die Projektleitung wurde<br />
der Oerlikon-Bührle Immobilien AG als<br />
Totalunternehmerin 2 übertragen.<br />
2.3 Die Umweltpolitik der ABB<br />
Für das Jahr 1995 veröffentlichte die<br />
ABB einen «Environmental Management.<br />
Report», ihren zweiten jährlichen<br />
Umweltbericht auf Konzernebene. 3 Dort<br />
wird die Umweltpolitik der ABB explizit<br />
definiert. Für die ABE als Industrieunternehmen<br />
<strong>im</strong> Energiesektor ist ein<br />
Kernelement der Begriff der «ÖkoeffizIenz»:<br />
«Eco-efficiency combines ecology<br />
<strong>and</strong> economy <strong>and</strong> translates the<br />
vision of sustainable development<br />
into a process of continually <strong>im</strong>proving<br />
both environmental performance<br />
<strong>and</strong> business performance... In ABB,<br />
eco-efficiency .is the goal for our<br />
processes <strong>and</strong> products througho,ut<br />
their life cycles, from design through<br />
use, reuse, disposal <strong>and</strong> recycling.»<br />
(ABB, 1996a, S. 5).<br />
Kosten 2.3 Interview mit Andreos Steiner, ABB Schweiz, über die Einjührong der Nonn<br />
ISO 14001.<br />
2 «Totalunternehmer. beschreibt ein best<strong>im</strong>mtes Vertragsverhältnis, in dem der Bauherr für die gesamte Planung und Bauausführung eine einzige Unternehmung.beauftragt.<br />
Ein «Genetalunternehmer. wird i.d.R. für die Bauausführung beauftragt, nicht jedoch für die Planung.<br />
3 Jucker (1996) hat die Umweltberichte von Schweizer Unternehmen analysiert und festgestellt, dass diese vornehmlich von Fachpublikum gelesen<br />
werden; Jucker empfiehlt zielgruppenspezifische Umweltberichte.<br />
4 Am 10.9.96 hat die Geschäftsleitung der ARR Immobilien AG entschieden, sich bis 1998 ISO 14001 zertifizieren zu lassen.<br />
UNS-Fallstudie '96 287
Gebäude -'-- ~_-----'---- _<br />
Im Umweltbericht der ABB Schweiz führt Andreas<br />
Steiner, Mitglied der Geschäftsleitung der ABB<br />
Schweiz, dazu aus:<br />
«Ökoeffizient ist ein Unternehmen, wenn es<br />
hochwertige Produkte mit einem min<strong>im</strong>alen<br />
Verbrauch an Rohstoffen oder Energie hersteIft.<br />
Ökologie und Wirtschaftlichkeit sind kein<br />
"Widerspruch mehr. Sie gehen H<strong>and</strong> in H<strong>and</strong>:<br />
Denn der schonende Umgang mit der Natur ist<br />
auch ein schonender Umgang mit der Ressource<br />
Geld. Je weniger Strom, Gas und Öl wir benötigen,<br />
um eine Gasturbine herzustellen, um so<br />
weniger belasten wir die Umwelt und um so<br />
niedriger sind unsere Kosten. Beides nützt dem<br />
Kunden. Ökoeffizienz wird in den nächsten<br />
Jahren zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor<br />
werden.» (ABB, 1996b, S. 2-3).<br />
.<br />
Und er fügte hinzu:<br />
«Bis 1998 wollen alle Tochtergesellschaften<br />
das Gütesiegel der Umweltnorm ISO 14001 erhalten».<br />
Wir befragten Herrn Steiner zum Umweltmanagement<br />
bei der ABB Schweiz <strong>im</strong> allgemeinen und der<br />
ABB Immobilien AG <strong>im</strong> besonderen (siehe Kasten<br />
2.3).<br />
3. Grundlagen:<br />
Ökologie und Umwelt- "<br />
management <strong>im</strong> Bauprozess<br />
3.1 Die (planerische) Perspektive des '<br />
Umweltmanagements<br />
Mit dem Begriff des Umweltr,nanagements verbindet<br />
man die gezielte Erfassung und Verminderung ökologischer<br />
Belastungen und Risiken in allen Tätigkeitsbereichen<br />
der Unternehmung und über alle<br />
Stufen der ökologischen Produktlebenszyklen hinweg<br />
- von der Rohstoffgewinnung ganz am Anfang,<br />
über die Produktion, die Distribution, den Konsum<br />
bis zur Entsorgung der Produktrückstände am Ende<br />
des «Produktlebens» (vgl. Dyllick, 1990).<br />
Mit dem Umweltmanagement wird die Selbst~<br />
best<strong>im</strong>mung und Selbstverantwortung der Unternehmen<br />
in Umweltangelegenheiten gefördert. Ein<br />
Unternehmen kann sich selbständig umsetzbare und<br />
nachprüfbare Umweltziele setzen und diese umsetzen.<br />
Damit wird VQn einem reaktiven Verhalten zu<br />
einem aktiven Verhalten übergegangen. Umweltprobleme<br />
<strong>im</strong> Unternehmen werden rechtzeitig erkannt<br />
und es können planvoll geeignete Massnahmen zur<br />
Problembewältigungergriffen werden.<br />
Wie auch be<strong>im</strong> Qualitätsmanagement entst<strong>and</strong> das<br />
Umweltmanagement aus dem Bedürfnis, die Umweltleistungen<br />
verschiedener Unternehmen einer<br />
Branche bewerten zu können. Dies ist am einfachsten<br />
möglich, wenn die angewendeten Verfahren<br />
st<strong>and</strong>ardisiert werden. Als Ergänzung zur der seit<br />
längerem bestehenden Qualitätsmanagement-Norm<br />
ISO 9001 wurde auf internationaler Ebene die Umweltmanagement-Norm<br />
ISO 14001 erarbeitet. Parallel<br />
dazu hat die Europäische Union die Norm EMAS<br />
eingeführt (Environmental Management <strong>and</strong> Audit<br />
Scherne), welche sich inhaltlich weitgehend mit ISO<br />
14001deckt (vgl. Dyllick, 1994).<br />
Für die Erstellung und die Anwendung eines<br />
.Umweltmanagerrientsystems werden Zertifikate erteilt:<br />
Die Leistungsfähigkeit einer Firma <strong>im</strong> Bereich<br />
Umwelt wird in regelmässigen, meistens dreijährlichen<br />
Intervallen laufend getestet. Die Prüfungen,<br />
«Audits», genannt, tragen dazu bei, dass die Umweltleistung<br />
laufend verbessert wird. In der Schweiz<br />
waren bis <strong>im</strong> Mai 1996 einige Dutzend Unternehmungen<br />
aufgrund des Normentwurfs ISO 14001<br />
zertifiziert, jedoch noch keine aus der Planungs- oder<br />
Baubranche.<br />
Umsetzullg VOll Umweltmallagemellt - eill Modell<br />
Das Basler Öko-Controlling-Konzept stellt, auf der<br />
Basis von EMAS und ISO 14001, ein entsprechendes<br />
288<br />
UNS-Fallstudie '96
-------------------------------_~<br />
Gebäude<br />
Managementkonzept für Einzelbetriebe<br />
vor (Schaltegger &<br />
Sturm, 1995), Es hilft bei<br />
der Analyse von ökologischen<br />
Schwachstellen <strong>im</strong> Betrieb und<br />
unterstützt die ausführenden<br />
ManagerInnen bei Planung,<br />
Steuerung und Kontrolle der<br />
Umwelteinwirkungen und unterscheidet<br />
fünf Module (siehe<br />
Abb. 3.1). Zur Erfassung von<br />
ökologisch wirksamen Stoff- und<br />
Energieflüssen von Unternehmen<br />
wird in der Praxis das Konzept<br />
der Schadschöpfung angewendet.<br />
Sie ist das Korrelat zur<br />
Wertschöpfung und wird definiert<br />
als .die Summe aller durch betriebliche<br />
Wertschöpfungs- bzw.<br />
Leistungsprozesse verursachten<br />
und nach ihrer relativen ökologischen<br />
Schädlichkeit beurteilten<br />
Stoff- und Energieflüsse.<br />
Abb. 3.1 Aufbau eines Umweltmanagementsystems (UMS), aufgeteilt in fünf Module (nach Sehaltegger<br />
& Sturm, 1995).<br />
Die in Abb. 3.1 dargestellten Module seien <strong>im</strong><br />
folgenden genauer erläutert:<br />
Modul Ziele:' Grundlage des Öko-Controlling sind<br />
Ziele. Sie haben Koordinations-, Steuerungs- und<br />
Kontrollfunktion.<br />
Modul Information: Hier geht es um die Erfassung<br />
von Stoff- und Energieflüssen einerseits und die<br />
Ermittlung von Umweltkosten <strong>and</strong>ererseits.<br />
Modul Entscheidung: Die Rohdaten müssen in der<br />
Regel noch entscheidungsorientiert aufbereitet, d.h.<br />
gewichtet und zusammengefasst werden. Dies ist<br />
Aufgabe des/der Öko-Controllerln bzw. des Öko<br />
Controlling-Stabs. Die Aufbereitung erfolgt in zwei<br />
zusammenhängenden Schritten, nämlich der Beur<br />
·teilung der Daten sowie der Bildung von Indikatoren<br />
und Indizes. Die daraus erhaltenen Umweltkennzahlen<br />
sind Massstäbe für die verursachte Schadschöpfung,<br />
die nun in Relation zu ökonomischen Grössen<br />
gesetzt werden kann.<br />
Modul Steuerung und Umsetzung: Nachdem aufgrund<br />
der beurteilten Inventardaten die Prioritäten bezüglich<br />
der ökologischen H<strong>and</strong>lungsfelder (z.B. Treibhauseffekt)<br />
festgelegt wurden, müssen Steuerungsgrössen,<br />
operative Vorgaben bzw. Erfolgsmassstäbe<br />
(Benchmarks) sowie Massnahmen, Termine und<br />
Budgets festgelegt werden.<br />
Modul Kommunikation: Untern<strong>im</strong>mt eine Firma<br />
Umweltschutzanstreng<strong>im</strong>gen, so soiIen diese kommuniziert<br />
werden. Entscheidend ist dabei die Frage,<br />
mit. wem, weshalb, was, wie, wann kommuniziert<br />
werden soll. Wesentlich ist, dass die vermittelten<br />
Informationen Antworten auf Fragen geben, die<br />
von den Anspruchsgruppen auch tatsächlich gestellt<br />
werden.<br />
Das BaslerÖko-Controlling-Konzept stellt ein <strong>im</strong>plementiertes<br />
Umweltmanagementsystem dar. 5 Dieses<br />
Modell steht in der Tradition einfacher (aber praxisorientierter)<br />
Management- und Planungsmodelle. Es<br />
wird uns <strong>im</strong> weiteren Text als ein Orientierungspunkt<br />
dienen. Die Frage, die sich für die Umweltnaturwissenschaften<br />
stellt, ist: Wo könnte in einem<br />
solchen Modell ihr Beitrag liegen? Für das Modell<br />
scheint die Antwort klar: Die Umweltnaturwissenschaften<br />
liefern die Inforrnation. Aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />
Perspektive stellt sich die Frage<br />
der Umweltinformation etwas <strong>and</strong>ers dar.<br />
3.2 Die umweltnaturwissenschaftliche<br />
Perspektive: Umweltziele und<br />
ökologische Kriterien<br />
Wenn in dem Modell für ein Umweltmanagementsystem<br />
von «Rohdaten» die Rede ist, die unmittelbar<br />
in eine Entscheidung einfliessen, so ist das aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />
Perspektive' eine verkürzte<br />
Sicht. Es stellt sich nämlich das Problem der<br />
Bewertung: Umweltdaten müssen nach ökologischen<br />
Gesichtspunkten bewertet und gewichtet werden;<br />
die bewerteten Daten enthalten ein guten Teil an<br />
5 Zur betriebsorganisatorischen Frage der Implementation vgl. z.B. Plötz<br />
& Speerli (I995).<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
289
Gebäude -'-- _<br />
ProblemlSystem<br />
(initial focal variable)<br />
Perzeptoren<br />
(Elemente der Ökobilanz)<br />
Wahrnehmung!<br />
Bewertung!<br />
Erkenntnis<br />
(terminal focal<br />
variable)<br />
Fall, System,<br />
Gegenst<strong>and</strong>,<br />
Variante,<br />
Alternative<br />
Ökobilanz,<br />
Bewertung<br />
Abb. 3.2.1 VOflfehen ei"er Okobila"z i" der A"wendrmg, daflfestellt am «Bro"swikschen Li"senmodell»: Ei" Fall (Ii"ker<br />
Kasten) wirdmittels der Okobila"z-Kriterien (mittlere Kästen) bewertet; das Eflfeb"is istei"e Gesamtsicht, die Okobila"z (rechter<br />
Kasten). Die Okobila"z hilft, wie ei"e L<strong>im</strong>e oder ci" Prisma den betrachteten FallaufzuschlüsseI" u"ddie Bewertu"g wiederum<br />
i" ci"em Mass (der Umweltbel~tu"g) bzw. ei"igen wenigen Massen zu verdichte" (aus Scholz & Tietje, 1996, S. 49).<br />
interessante<br />
Freizeitmöglichkeiten<br />
Erhalt von<br />
QualitätIAnzahl<br />
Arbeitsplätze<br />
j..----./<br />
angemessene<br />
Kapitalverzinsung<br />
ausgeprägte<br />
Nutzungsdurchmischung<br />
Fördern<br />
ökolog.<br />
Bewusstseins<br />
<strong>im</strong> Bauwesen<br />
Erhalt der<br />
St<strong>and</strong>ortatlraktivität<br />
quantitativ~ GeWässerschUtz<br />
naturnahes Areal<br />
Fördern des Wissens um<br />
Wechselwirkungen, etc.<br />
(allgJBauen)<br />
Biozönose<br />
(Vielfalt und<br />
St<strong>and</strong>ortgerechtigkeit)<br />
qualitativ<br />
keine anthropogen<br />
verursachte<br />
Kl<strong>im</strong>averänderung<br />
Ressourcenschonung<br />
bei.der<br />
MaterialhersteIlung<br />
be<strong>im</strong><br />
Energieverbrauch<br />
bei der<br />
Energieprodul
--------_----_~ - Gebäude<br />
Theorie undtheoriegeleiteten Schätzungen. Ökologische<br />
Kriterien, z.B. die Versiegelung und Flächeninanspruchnahme<br />
durch Bauvorhaben, müssen<br />
in einen Gesamtzusammenhang gebracht werden.<br />
Dies geschieht z.B. in einer Ökobilanz. Abb. 3.2.1<br />
zeigt in einem Linsenmodell, wie eine Ökobilanz zu<br />
einer Bewertung führt. Das Linsenmodellgibt uns den<br />
Orientierungspunkt für ein Verständnis der umweltnaturwissenschaftlichen<br />
Perspektive.<br />
Die Sichtweise der Umweltnaturwissenschaften<br />
orientiert sich an den natürlichen Stoffkreisläufen<br />
(z.B. Baccini & Bader, 1996). Umweltziele sind in<br />
dieser Hinsicht abgeleitete Grössen, auch wenn sie<br />
be<strong>im</strong> Umweltmanagement - auch auf kommunaler<br />
Ebene oder in der Gesetzgebung - an vorderer Stelle'<br />
stehen müssen. Solche Ziele zu best<strong>im</strong>men und<br />
dafür messbare Grössen zu entwickeln ist eine<br />
Aufgabe der Umweltnaturwissenschaften. Da bei<br />
«Umweltzielen» soziale und wirtschaftliche Überlegungen<br />
hineinspielen müssen, kommen die Umweltnaturwissenschaften<br />
um eine «ganzheitliche»<br />
Sichtweise nicht herum - und bewegen sich nicht<br />
<strong>im</strong>mer auf sicherem Terrain.<br />
Die Norm ISO 14001 gibt wohlweislich keinerlei<br />
inhaltliche Umweltziele vor. Die Umweltziele einer<br />
Unternehmung ergeben sich aus der generellen<br />
Umweltpolitik und einer Analyse der umweltspezifischen<br />
Aspekte der Unternehmung. Die UNS<br />
Fallstudie '95 «Umwelt und Bauen>; hat versucht,<br />
sowohl die Ziele der Bauherrschaft als auch mögliche<br />
Umweltziele zu best<strong>im</strong>men (vgI. Abb. 3.2.2). Ähnliche<br />
Indikatoren für «Nachhaltigkeit» in der Bauwirtschaft<br />
finden sich in der neuerl «Infras»-Studie,<br />
d.h. einer neuen Studie der Koordinationsgruppe des<br />
Bundes für Energie- und Ökobilanzen (1996, S. 17ff)<br />
zur «Nachhaltigkeit des Bauens in der Schweiz».<br />
, 3.3 Auf dem Weg zu einer Perspektiven<br />
Synthese: Ökologische Opt<strong>im</strong>ierung<br />
und das Ökologie-Planungs-Problem<br />
Statt konkreter Umweltziele nennt die ISO 14001<br />
Norm ein Grundp~inzipfür ein Umweltmanagement,<br />
nämlich die kontinuierliche Verbesserung. Dieses<br />
Prinzip hat auch <strong>im</strong> bereits zitierten Umweltbericht<br />
des ABB-Konzerns Niederschlag gefunden; als zentral<br />
wird dort der Begriff der «Eco-efficiency» bzw.<br />
«Ökoeffizienz» geh<strong>and</strong>elt. Der Begriff der «Ökoeffizienz»<br />
hat den Nachteil, dass bei einer systematischen<br />
Unterscheidung zwischen Effizienz und<br />
Effektivität ein wichtiges Element der Ökoeffizienz<br />
fortzufallen droht. Effektivität meint: die gesetzten<br />
Ziele werden erreicht. Effizienz meint: die Zielerreichung<br />
erfolgt. unter sparsamem Einsatz der<br />
Mittel. Ein Blumenbeet mit einem Bagger umzugraben,<br />
mag effektiv, also wirkungsvoll sein; (ökologisch)<br />
effizient ist es.nicht. «Ökoeffizienz», so betrachtet,<br />
würde nur nach dem Mitteleinsatz<br />
(Effizienz), nicht jedoch nach den unmittelbar erwünschten<br />
Umweltwirkungen fragen (Effektivität).<br />
Auch Masse. für ökologische Schadschöpfung, wie sie <strong>im</strong><br />
Umweltmanagement vorgesehen sind, betonen eher<br />
die Effizienz und lassen die erwünschten Umwelteffekteundefiniert.<br />
6<br />
Ökologische Opt<strong>im</strong>ierullg<br />
Kontinuierliche Verbesserung kann auch durch «ökologische<br />
Opt<strong>im</strong>ierung» erreicht werden. Mathematisch<br />
gesehen bedeutet Opt<strong>im</strong>ierung die Suche nach<br />
einem Extremwert einer Funktion mehrerer Veränderlicher<br />
- z.B. der Indikatoren für Nachhaltigkeit.<br />
Die Abhängigkeit dieser Zielfunktion von den Variabien<br />
muss dabei mathematisch eindeutig best<strong>im</strong>mt,<br />
d.h. formal best<strong>im</strong>mt sein. In der Praxis ist eine<br />
solche Bedingung nicht <strong>im</strong>mer erfüllt. Das Wort<br />
«Opt<strong>im</strong>um» entstammt dem Lateinischen und meint<br />
«Das Beste» <strong>im</strong> Unterschied zum (bloss) numerisch<br />
«Grössten», das mit dem Wort «Max<strong>im</strong>um» bezeichnet<br />
wird.<br />
Für die ökologische Opt<strong>im</strong>ierung betrachten wir das<br />
Verhältnis 'von negativen bzw. positiven Umweltauswirkungen<br />
und finanziellem Nutzen bzw. Aufw<strong>and</strong><br />
einer betrieblichen Tätigkeit. Im Sinne einer<br />
kontinuierlichen Verbesserung könnte man die ökologische<br />
Opt<strong>im</strong>ierung wie folgt verstehen: Max<strong>im</strong>ierung<br />
des Verhältnisses zwischen ökologischem<br />
Mehrnutzen und dem dazu nötigen Mehraufw<strong>and</strong>.<br />
Demnach gilt es für das Umweltmanagement, einen<br />
max<strong>im</strong>alen Umweltnutzen (Effekt) unter effizientem<br />
Mitteleinsatz zu erreichen.<br />
Opt<strong>im</strong>ierung ist manchmal nur als Prozess praktikabel.<br />
In best<strong>im</strong>mten mathematischen Opt<strong>im</strong>ierungsansätzen<br />
gibt es neben Lösungen mit Hilfe von<br />
geschlossenen Formeln auch Verfahren der Iteration.<br />
Dabei wird ein Startwert mit schrittweisen Verbesserungen<br />
einem opt<strong>im</strong>alen Wert angenähert. Eine<br />
Opt<strong>im</strong>ierung in der Praxis wird Iterationsverfahren<br />
ähneln müssen. Dabei gilt es allerdings zu beachten,<br />
dass, wie in der Mathematik, nicht in jedem Fall das<br />
wirkliche Opt<strong>im</strong>um gefunden werden kann. In der<br />
Mathematik ist zum einen ein geeigneter Startwert,<br />
<strong>and</strong>ererseits auch die Effizienz des Verfahrens<br />
wesentlich. Auf praktische Probleme übertragen<br />
bedeutet dies, dass entsprechende Verbesserungs-<br />
6 Genaugenommen müsste man zwischen Effektivität, (ökonomischer)<br />
Effizienz und (ökologischer). Verhältnismässigkeit unterscheiden<br />
(Scholz, 1996a). Demnach könnte es durchaus (ökonomisch gesehen)<br />
effizient sein, für ein Blumenbeet einen Bagger zu gebrauchen; die Umweltauswirkungen<br />
wären jedoch nicht verhältnismässig.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
291
Gebäude<br />
_<br />
80.<br />
60<br />
40<br />
20<br />
Möglichkeit<br />
Kosten zu<br />
beeinflussen<br />
Vorbere~g.<br />
Ausführung<br />
Abb. 3.3.1 Zeit-Wirkungs-Kurve: Am Anfong- in der Plonungsphose - istder Entscheidungsspielroum<br />
omgrössten. Diegrossten Kostenfolgen hingegen in den späteren Phosen des Gebäude-Lebenszyklus' (noch<br />
Koordinotionsgroppe des Bundes für Energie- und Ökobilonun, 1994, S. 13).<br />
strategien selber auch optImIert werden können.<br />
Zum <strong>and</strong>eren sind sinnvolle Ansatzpunkte wichtig.<br />
Das Ökologie·Planungs-Problem<br />
Die Kriterien einer Ökobilanz leiten sich direkt aus der<br />
Analyse von Umweltproblemen ab. Beispiele dafür<br />
sind der Treibhauseffekt (Emission von<br />
Treibhausgasen) oder Radioaktivität. Wir<br />
wollen solche Kriterien <strong>im</strong> weiteren als<br />
ökologische Kriterien· <strong>im</strong> engeren Sinne bezeichnen<br />
und sie von abgeleiteten Kriterien<br />
wie der Ökoejfizienz oder Massen zur<br />
ökologischen Opt<strong>im</strong>ierung und ökologischen<br />
Schadschöpfung unterscheiden. Welche<br />
Stellung können nun ökologische Kriterien<br />
in der Bauplanung haben? Betrachten<br />
wir hierzu den Bauablauf und die<br />
sogenannte «Zeit-Wirkungs-Kurve» (vgl.<br />
Abb. 3.3.1 und 3.3.2). Es zeigt sich, dass<br />
der Entscheidungsspielraum am Anfang<br />
eines. Bauprojektes grösser ist als gegen<br />
Ende. Mit Fortschreiten des Projektes<br />
sind die Entscheidungen der vorangegangenen<br />
Pla.nungsschritte nur noch mit<br />
zunehmend <strong>im</strong>mer grösserem Aufw<strong>and</strong><br />
korrigierbar.<br />
Erschwert wird die Situation durch die<br />
Arbeitsteiligkeit <strong>im</strong> Baugewerbe. Bauherrschaft,<br />
Planung und Bauausführung<br />
liegen selten in einer H<strong>and</strong>, ganz zu<br />
schweigen vom Rückbau. Diese Abgrenzung<br />
von Entscheidungskompetenzen<br />
macht es dem/der Planerln nicht leicht,<br />
I<br />
alle Aspekte - inklusive der<br />
umweltspezifischen Aspekte <br />
<strong>im</strong> Blick zu behalten.<br />
Für die B~reiche des Bauwesens<br />
gibt es ökologische Kriterien,<br />
die allgemein anerkannt<br />
sind und auf naturwissenschaftlichen<br />
Methoden beruhen (z.B.<br />
Recyklierbarkeit, Min<strong>im</strong>ierung<br />
von Material- und Energieflüssen,<br />
Verwendung schadstoffarmer<br />
Materialien, lange Lebensdauer,<br />
Emissionsreduktion<br />
u.a.). Hierbei h<strong>and</strong>elt es sich<br />
meist um ökologische Kriterien <strong>im</strong><br />
engeren Sinne. Sie sind allerdings<br />
erst dann anwendbar, wenn der<br />
Detailierungsgrad des Projektes<br />
schon hoch ist, also ih einer<br />
späten Projektphase. Für die<br />
frühzeitige Planung - etwa auf<br />
Quartierebene - sind ökologische<br />
Kriterien <strong>im</strong> engeren Sinne als Entscheidungshilfe wenig<br />
hilfreich. Das Problem, dass anerkannte ökologische<br />
Kriterien (<strong>im</strong> engeren Sinn) in einer frühen Planungsphase<br />
wegen des mangelnden Detailierungsgrads<br />
nicht praktikabel sind, in den späteren Phasen<br />
aber insgesamt weniger Wirkung zeitigen, bezeichnen<br />
wir als «Okologie-Planungs-Problem».<br />
Abb. 3.3.;! Bouobloufschemo: Der Spielroum für eine Einflussnohme ouf Umweltouswirkungen<br />
n<strong>im</strong>mt kontinuierlich ob (nflch SIA 19950, 1~9).<br />
Zeit<br />
292 UNS-Fallstudie '96
__________________________________________Gebäude<br />
4. Von den Umweltzielen zur<br />
Information: Daten zur<br />
Bauprojektierung <strong>im</strong> ZZN<br />
Das Umweltmanagement macht erforderlich, dass zu<br />
den festgelegten Umweltzielen die nötigen Daten<br />
und Informationen erhoben werden. Ziel der Synthesegruppe<br />
GEBÄUDE war es, für die verschiedenen<br />
Phasen des Gebäude-Lebenszyklus' die Anwendung<br />
von ökologischen Kriterien und umweltnaturwissenschaftlich·en<br />
Methoden am Beispiel der ZZN<br />
Gebäudeplanung aufzuzeigen. Untersucht wurden<br />
• umweltspezifische Aspekte in der Bauausführung<br />
am TORO I,<br />
• das Problem des Rückbaus des «Ententeichs»<br />
unter der Frage: Umbau oder Neubau?,<br />
• die Frage der Nutzung des «Ententeichs».<br />
4.1 Ausführung: Ökologie in der<br />
Bauausführung<br />
Die Rohbauausführung<br />
von TORO I liegt in<br />
den Händen der Bauunternehmung<br />
SchIittIer<br />
AG, Niederurnen. Zur<br />
Zeit der Fallstudie befindet<br />
sich TORO I <strong>im</strong> Rohbau. In der UNS-Fallstudie<br />
'95 «Umwelt und Bauen" wurde ein Werkblatt<br />
zu «Bauen & Ökologie» entworfen. Es enthält eine<br />
Sammlung von Kriterien zu ökologischen Anliegen<br />
mit Bezug· auf den gesamten Ablauf eines Bauprojektes<br />
(vgl. Abb. 4.1.1). Die aufgeführten Kriterien<br />
zeigen, dass eine umfassende Untersuchung der<br />
umweltspezifischen Aspekte eines konkreten Bauvorhabens<br />
über die Betrachtung der Abläu~e auf<br />
Werkblatt<br />
11.a giftklasselreie Baustoffe<br />
11.b.lormaldehydfreie Baustoffe<br />
11.c Baustoffe mit selbstst. Regulierung Inrienkl<strong>im</strong>a<br />
12.b Schallschutzfenster<br />
25.a Umw<strong>and</strong>lungseffizienz erhöhen<br />
23.c· langlebige Baumaterialien<br />
23.e Baustoffe mit geringer grauer Energie<br />
23.1 Rückbaugerecht bauen<br />
23.h Verhältnis Stabilität.Materialmenge opt.<br />
23.i Recyclingmaterial einsetzen<br />
26.a Baustoffe die weilerverwendbar ....<br />
28.a 143.a Kies- stall Asphaltplätze<br />
29.a Bodenversiegelung niedrig halten<br />
29.d Sickerpackung lalls Grundwasserleiler angeschn.<br />
211.a naturnahe Gewässerveroauung<br />
212.e Emissionsarme Feuerung<br />
43.b Rasengillersteine verwenden<br />
44.b Etappierung - aktives suchen, öffnen von FreIlI.<br />
51.c An abe Inhaltsstoffe<br />
12.c Störende Lärmquellen <strong>im</strong> Gebäude vermeiden<br />
25.b Wärmeruckgewinnung<br />
210.c Emissionsverminderung in Gewässer<br />
213.a 1213.b nicht-ozonschädigende Baumaterialien<br />
213.c Ersatz 1Nichteinsatz von FCKW-haltigen Kühlanlagen etc.<br />
44.1 Nutzungsform Freillächen z.T. offenlassen<br />
53.b MessprOjekte als Erfolgskontrolle<br />
25.h Gebäudeautomalisierun<br />
27.c Baumaschinen, Aullagelläche<br />
210.e Vorsichtsmassn. Bauvorgang (Öl)<br />
210.1 Richtlinien AGW<br />
28.b Vorsichtsmassn. Bauprozess, Betriebsphase<br />
210.d biolog. gut abbaubare Produkte·verwenden<br />
212.c Emissionsverminderun Ozonvorläuler<br />
23.d lange Nutzung. hohe Ausnutzung<br />
23.g 126.d Materiallrennung Abbruch<br />
43.d Selbsterhalt Ruderalllächen<br />
51.e Gestal1un sm' I. Mietverträ n<br />
AM. 4.1.1 Auszug aus dem Werkblatt «Bauen & Ökologie» (verlindet1e Darstellung). Der Auszug zeigt umweltbezogene Kriterien, die für die Bauausführongrelevantwerden<br />
(Scholz etai., 1996, S.132/f). .<br />
UNS-Fallstudie '96 293
Gebäude ~ _<br />
der Baustelle hinausreicht,<br />
hierzu gehören auch die<br />
Fragen des Umgangs mit<br />
Baumaterialien, Bauabfällen<br />
und Altlasten sowie Fragen<br />
der Auswirkungen auf den<br />
Wasserhaushalt des· Areals.<br />
Ziel unserer Untersuchung<br />
war eine Best<strong>and</strong>esaufnahme<br />
umweltspezifischer Aspekte<br />
in der Bauausführung am<br />
TORO I <strong>im</strong> Sinne einer<br />
«ökologischen Buchhaltung»<br />
(Müller-Wenk, 1978; Braunschweig,<br />
1988). Für spezifische<br />
Aspekte zu ALTLASTEN<br />
und WASSERHAUSHALT sei auf<br />
die entsprechenden Kapitel<br />
in diesem B<strong>and</strong> verwiesen.<br />
Es wurde eine Experten-<br />
Abb. 4.1.2 Baustelle TORO /(Bild: Michael Meier).<br />
befragung» durchgeführt. 7<br />
Hierzu befragten wir zwei<br />
wichtige Entscheidungsträger<br />
der Bauausführung am TORO I, den Baustellenchef<br />
und ein Mitglied der Geschäftsleitung<br />
der verantwortlichen Bauunternehmung. Abb. 4.1.3<br />
gibt einen Überblick über das Vorgehen.<br />
Best<strong>and</strong>esallfnahme IIl11welrspezifischer Aspekte in der<br />
Ballallsfiihrllng<br />
Die Informationen aus diesen zwei Interviews<br />
wurden zu der Best<strong>and</strong>esaufnahme in Tab. 4.1 verarbeitet.<br />
Sie gibt einen Überblick, in welchem Ausmass<br />
. die ökologischen Anliegen be<strong>im</strong> Bau des<br />
TORO I von der Bauunternehmung wahrgenommen<br />
werden.<br />
• Externe ökologisclie Vorgaben: Es gibt ein Reglement<br />
der Oerlikon-Bührle (erarbeitet von Basler & Hofmann)<br />
mit speziellen Best<strong>im</strong>mungen zur Entwässerung.<br />
• Hilfsstoffe: Verwendung finden lösungsmittelfreie<br />
Reinigungsmittel; chemische Zusatzmittel in Beton'kommen<br />
vor allem <strong>im</strong> Winter vor.<br />
• Abfall: Hervorzuheben ist, dass sich die Abfalltrennung<br />
auf der Baustelle durchgesetzt hat; Abfälle<br />
werden zu Recyclingmaterial aufbereitet.<br />
• Wasser: Nicht opt<strong>im</strong>al ist bei der Bauausführung<br />
von TORO I der Wasserhaushalt. Bei starken<br />
Regenfällen konnte kein geschlossener Kreislauf<br />
garantiert werden.<br />
• Arbeitssicherheit: Zu nennen sind SUVA-Vorschriffür<br />
Vorgesetzte,<br />
ten, Ausbildung und Schulung<br />
Hinweistafeln.<br />
• Logistik und Baustellentransporte: Leerfahrten werden<br />
vermieden.<br />
Besichtigung Baustelle I-__~ Literaturstudium<br />
mit Tutor<br />
1. Fragenkatalog<br />
Interview mit<br />
Baustellenchef TORO 1<br />
Best<strong>and</strong>esaufnahme<br />
7 Allgemeine l,iteraturgrundlage: Basler & Hofmann (1995), J;lWI-Bau<br />
(1991), DBV (1992), Schwarz (1991), Weibel & Stritz (1995).<br />
8 Nicht erwähnt sind hier die Umweltschutzvorschriften (USG, TVA u.a.).<br />
Auch <strong>im</strong> Anhang zum Generalunternehmer-{rotalunternehmer-Vertrag»<br />
der ARR werden allgemeine Richtlinien und Empfehlungen genannt.<br />
Eine aktuelle Liste über Richtlinien und Empfehlungen zum Thema<br />
«Umwelt und Bauen» findet sich in· der Broschüre «Umweltmanagement<br />
von Hochbauprojekten» (Amt für Bundesbauten & SBG, 1996).<br />
Erfahrungstag auf TORO 1<br />
Abb. 4.1.3 Expertenbefragung zur Bauausjührung am TORO I. Befragt<br />
wurden der Baustellenchef und ein Mitglied der Geschäftsleitung der<br />
verantwortlichen Bouunternehmung.<br />
294 UNS-Fallstudie '96
_______________________________~<br />
Gebäude<br />
Umweltspezifischer<br />
Aspekt<br />
Ausführung bei TaRO I<br />
Umweltspezifischer<br />
Aspekt<br />
Ausführung bei TaRO I<br />
Externe ökologische<br />
Vorgaben<br />
Die Vorgaben betreffen:<br />
I Pfahlfundation (Lärmemission,<br />
Pfählmethode),<br />
'Abfallentsorgung,<br />
I Arbeitssicherheit,<br />
I Arbeitsorganisation (Arbeitsvorbereitung,<br />
Abläufe, Infrastruktur).<br />
Abfallkonzept<br />
(FortS.)<br />
I<br />
I<br />
I<br />
Instruktionen des Poliers und<br />
Baustellenchefs [~10e, 28b).<br />
Trennsystem nach Holz, Alteisen,<br />
Bauschutt sowie Mischmulden [23g,<br />
26d).<br />
Nicht zuletzt wegen finanziellen<br />
Anreizen (vgI. Preisliste für Muldenabfuhr<br />
MUZ).<br />
Hilfsstoffe<br />
Baustoffe<br />
Recycling<br />
Winter<br />
zu finden in: 8<br />
I «ABB Toro I, Zürich-Oerlikon<br />
Arbeitssicherheitsplan - Baumeisteraushub»<br />
(Basler & Hofmann, I99S)<br />
mit Vorgaben <strong>im</strong> Umweltbereich,<br />
I «Spezielle Best<strong>im</strong>mungen»<br />
(Peter AG, 8~Januar 1996) zum<br />
Bereich Baustellenentwässerung,<br />
I Gesetzgebung und Verordnungen<br />
des Bundes, des Kantons und der<br />
Gemeinde,<br />
I «einschlägigE:» SIA-Normen, -Richtlinien<br />
und -Dokumente,<br />
I «Bauabfälle gut organisiert und<br />
sauber getrennt», ein H<strong>and</strong>buch der<br />
<strong>Stadt</strong> Winterthur, Departement<br />
Bauen und Entsorgung.<br />
I. «MUZ-Entsorgt Ulllweitbewusst»,<br />
eine Broschüre der Muldenzentrale,<br />
I SUVA-Vorschriften.<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
Lösungsmittelfreie Reinigungsmittel,<br />
keine napthalinhaltigen Betonzusatzmittel<br />
[2IOc),<br />
Schalholzbeh<strong>and</strong>lung [SIe),<br />
Schalöl als Trennmittel auf Phenolharzschalen<br />
[Ila, 2IOd).<br />
Biologisch abbaubare Öle [2IOd).<br />
Sekundärbaustoffverwendung:<br />
Aufbereitung von Abbruchmaterial<br />
und Wiederverwendung dieses<br />
Materials seit12 Jahren.<br />
Chemische Zusatzmittel für bessere<br />
Verarbeitung notwendig.<br />
Kontrolle<br />
Mengen<br />
Sonderabfälle<br />
Probleme<br />
Wasser<br />
Infrastruktur<br />
Altlasten<br />
Umgang<br />
Arbeitssicherheit<br />
[2IOe)<br />
Schulung<br />
I<br />
I<br />
I<br />
Kontroilfunktion des Poliers,<br />
wöchentliche Rapporte.<br />
In den verschiedenen Bauphasen<br />
fallen die Abfälle sehr unterschiedlich<br />
an: Aushub und Infrastruktur,<br />
Rohbau, Innenausbau.<br />
Keine Sonderabfälle in der Rohbauphase<br />
[Ila).<br />
I Das Ba:unebengewerbe bei der Innenausbauphase<br />
ist bezüglich Abfalltrennung<br />
wenig sensibilisiert.<br />
Zudem l<strong>and</strong>en vor allem in dieser<br />
Phase Kühlschränke und Computer<br />
.in den Mulden der Baustelle.<br />
I Bei Normalbetrieb gelangt kein<br />
verschmutztes Wasser in die Kanalisation<br />
[210c/d/e/f)..<br />
I Absetzbecken: geschlossener<br />
Wasserkreislauf.<br />
. I Spezielle Waschstellen für Fahrzeuge.<br />
I<br />
I<br />
I<br />
Kein Aushubmaterial verlässt das<br />
Areal [21Of).<br />
Entferntes Material muss an best<strong>im</strong>mten<br />
Orten und mit Täfelchen<br />
markiert gehäuft werden.<br />
Ausbildung für Vorgesetzte und<br />
Poliere.<br />
AbfaU.<br />
Abfallkonzept<br />
I Ökologische Abfallbewirtschaftung:<br />
Separaterfassung von Materialkategorien<br />
auf der Baustelle, Aufbereitung<br />
von Abbruchmaterial und<br />
Wiederverwendung dieses Materials<br />
seit 12 Jahren [2IOf, 26a, Vermeidung:<br />
23c/f, 26a).<br />
• Abfalltrennung nach Konzept der<br />
Muldenzentrale hat sich durchgesetzt..<br />
Massnahmen<br />
I<br />
I<br />
I<br />
Tafeln mit Hinweisen: z.B. Helmtragepflicht.<br />
Helme, Schutzbrillen, H<strong>and</strong>schuhe,<br />
robuste Schuhe, ete.<br />
Spezielle Schutzmassnahmen <strong>im</strong><br />
Umgang mit Altlasten [210f).<br />
Tob. 4.1 Bestondesoufnohme umweltspezifischer Aspekte inder Bouousführong om TOROI (Die [Ziffern] beziehen sich oufdos Werkblott _Bouen &<br />
Ökologie», vgl. Abb. 4.1.1) Fortsetzung Tob. 4.1 siehe nächste Seite ~<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
295
Gebäude --' _<br />
Umweltspezifischer<br />
Aspekt<br />
Logistik und BaustellentraDSporte<br />
[28b]<br />
Logistik<br />
Transporte<br />
Einkauf<br />
Lieferanten<br />
Werkhof<br />
Baustelle<br />
Maschinen [27c]<br />
Einkauf<br />
Techriik.<br />
Energie<br />
Winter<br />
Treibstoffe<br />
Sonstiges<br />
Gipser<br />
Ausführung bei TORO I<br />
• Auslasten von Maschinen und<br />
Transportfahrzeugen (Vermeiden<br />
von Leerfahrten durch Kombination<br />
mit<strong>and</strong>eren Baustellen oder <strong>and</strong>eren<br />
Firmen) [25a]. Bemerkung: für einen<br />
Auftrag in Berlin hat SchUtt/er ein<br />
externes internationales Lastwagenunternehmen<br />
verpflichtet.<br />
• In Rohbauphase kein Problem (kaum<br />
Aushub).<br />
• Eine vertiefte ökologische Prüfung<br />
der Lieferanten ist nicht möglich<br />
[Sie].<br />
• Vom Werkhof aus wird nur Baustellen-Inventarmaterial<br />
bestellt.<br />
• Das meiste Material wird direkt von<br />
der Baustelle bestellt.<br />
• Seit 3Jahren wurden keine grösseren<br />
Investitionen getätigt [25a].<br />
• Neuester St<strong>and</strong> der Technik wird mit<br />
alten Maschinen nicht erreicht.<br />
• Bauen <strong>im</strong> Winter ist mit Elektrizitätsund<br />
Treibstoffaufw<strong>and</strong> verbunden<br />
[25a].<br />
• Verwendung von Öko"Diesel bei zur<br />
Zeit rund der Hälfte der Maschinen.<br />
• Verwendung von Mineral- anstatt<br />
.Kunststoffabrieb [Ila/c, 23e, Sie].<br />
• Einkauf' Die Beachtung von Umweltaspekten von<br />
Lieferanten und Produkten (Ökobilanzen, Umwelterklärungen)<br />
ist nur sehr beschränkt durchführbar.<br />
• Maschinen: Seit drei Jahren wurden keine grossen<br />
Investitionen in Maschinen getätigt.<br />
• Energie: Das Bauen <strong>im</strong> Winter ist problematisch<br />
(Beton-Zusatzmittel, enormer Elekrizitäts- und<br />
Treibstoffaufw<strong>and</strong>). Es wird Öko-Diesel verwendet.<br />
Umweltmllllllgemellt ill der Blluullterllehmullg<br />
Das verantwortliche Bauunternehmen will nach<br />
eigenem Bekunden kein «frommes BekC;fnntnis» zur<br />
Ökologie abgeben. Die wirtschaftliche Lage sei zur<br />
Zeit derart angespannt, dass in der Baubranche<br />
ökonomische Überlegungen dominieren. Neben der<br />
Rezession spielt sicher auch die Grössenordnung des<br />
Bauprojekts eine wichtige Rolle.<br />
Wie steht es mit der Einführung eines Umweltmanagementsystems?<br />
Das Baugewerbe befasst sich<br />
derzeit anscheinend noch nicht mit dem Umweltmanagement<br />
nach ISO 14001. Die Sehlittler AG zum<br />
Beispiel ist momentan mitten in den Vorbereitungen<br />
zur Einführung eines Qualitätsmanagements nach<br />
ISO 9001. Die Bereitschaft für ein Umweltmanagementsystem<br />
scheint vorh<strong>and</strong>en, kommt aber noch<br />
nicht zum Zuge.<br />
Die umweltllllturwissellschllftliche Perspelctive<br />
Bei der Bauausführung am TaRO I liessen sich die<br />
umweltspezifischen Aspekte unmittelbar ermitteln<br />
und auflisten. Aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />
Perspektive ist eine ökologische Buchhaltung einC;f<br />
sinnvolle aber nicht ausreichende Massnahme. Die<br />
Daten müssen bewertend aggregiert werden. Wie<br />
dies erfolgen kann, zeigen wir am Beispiel der Frage<br />
«Umbau oder Neubau?» am Fall des «Ententeichs».<br />
Verputz<br />
Pumpen<br />
• «Ökologischer» Verputz (ohne<br />
chemische Zusatzmittel) ist nicht<br />
gut verarbeitbar,trotzdem kann eine<br />
Firma über den Bauherr ihr Produkt<br />
einbringen.<br />
• Elektropumpe vs. Dieselpumpe:<br />
Elektropumpe zwar ökologischer<br />
aber Investition momentan in bezug<br />
auf Gewinn zu hoch und Arischluss<br />
ist in rund 15% der Baustellen nicht<br />
gewährleistet.<br />
Fortsetzung Tab. 4.1 Best<strong>and</strong>esaufnahme umweltspezifischer Aspekte in<br />
der Bauausführungam TORO I (Die [Ziffern] beziehen sich aufdas Werkblatt<br />
«Bauen & Ökologie», vgl Abb. 4.1.1)<br />
4.2 Rückbau: Stoffflussanalyse der<br />
Varianten «Neubau» und «Umbau»<br />
Für die Antwort auf die<br />
Frage, ob ein Gebäude<br />
um- oder neugebaut<br />
.werden sollte, müssen<br />
Vergleichsdaten für<br />
Um- und Neubauten<br />
herangezogen werden. Mit best<strong>im</strong>mten umweltnaturwissenschaftlichen<br />
Methoden wie den Ökobilanzen<br />
und Stoffflussanalysen (vgl. Scholz & Tietje,<br />
1996) können solche Daten für konkrete Fälle aggregiert<br />
werden. Wir wollen diese Untersuchung etwas<br />
296 UNS-Fallstudie '96
_____________________________________-'--<br />
Gebäude<br />
ausführlicher darstellen, weil es sich hier um einen<br />
«klassischen» Fall der Anwendung umweltnaturwissenschaftlicher<br />
Methoden und ökologischer Kriterien<br />
h<strong>and</strong>elt. Ein wichtiges Untersuchungsziel dieser<br />
Untersuchung ist somit, die Tauglichkeit einer mit<br />
relativ wenig Aufw<strong>and</strong> betriebenenStoffflussanalyse<br />
als Entscheidungsinstrument zu prüfen. Dazu werden<br />
bewusst vereinfachende Annahmen getroffen,<br />
die den Ansprüchen einer allfälligen Anwendung des<br />
Vorgehens in der Praxis Rechnung tragen.<br />
4.2.1 Fragestellung<br />
Die Hypothese, sich dem Ziel der nachhaltigen Bauwirtschaft<br />
mit vermehrtem Umbau zu nähern oder<br />
vielleicht es sogar zu erreichen, geht darauf zurück,<br />
dass die Erstellung und der Rückbau einen bedeutenden<br />
Teil der Stoffflüsse <strong>im</strong> Lebenszyklus eines<br />
Gebäudes verursachen (vgl. Preisig & Viriden, 1995).<br />
Deshalb soll am Beispiel des «Ententeichs» abgeklärt<br />
werden, ob - oder in welchen Fällen - sich diese<br />
Forderung nach mehr Umbau mit einer Stoffflussanalyse<br />
aus den vorausgesetzten Zielen (nachhaltiges,<br />
umweltschonendes Bauen) ableiten lässt.<br />
Eine Quantifizierung von Stoff- und Materialflüssen<br />
allein hat nur geringe Aussagekraft, solange nicht<br />
ihre Bedeutung für das gesteckte Ziel diskutiert<br />
wird. Daher wird eine Bewertung der vorgefundenen<br />
Flüsse mit Hilfe der ökologischen Kriterien einer<br />
Ökobilanz durchgeführt und so ein Brückenschlag<br />
von der verfügbaren Information zu einerentscheidungsrelevanten<br />
Bewertung versucht.<br />
4.2.2 Die Methode der Stoffflussanalyse<br />
Wenn man die Anthroposphäre mit ihren wirtschaftlichen<br />
und sozialen Aktivitäten als Organismus<br />
auffasst, können seine<br />
StoJfwechselprozesse mit Hilfe<br />
einer Stoffflussanalyse<br />
(Baccini & Bader, 1996)<br />
beschrieben werden. Eine<br />
solche Stoffflussanalyse kann<br />
als regional, stoff- und<br />
güterbezogen charakterisiert<br />
werden, weil diejenigen<br />
Stoffflüsse quantifiziert<br />
werden sollen, die<br />
mit den Güterflüssen einer<br />
Region verbunden sind.<br />
Für das formale, mathematische<br />
Modell, das hinter<br />
der Stoffflussanalyse steht,<br />
sind weitere Voraussetzungen<br />
und vereinfachende<br />
Annahmen nötig, dam,it die<br />
Baustoffaufbereitung<br />
Baustoffe<br />
Anforderungen der Machbarkeit, Repräsentativität,<br />
Einfachheit und Transparenz des Modells gewährleistet<br />
werden können, Die Vereinfachungen werden<br />
so gewählt, dass das resultierende Vorgehen entsprechenden<br />
Vereinfachungen und Annahmen einer<br />
Anwendung in.der Praxis möglichst'ähnlich ist.<br />
Das resultierende Stoffflussschema ist in Abb.<br />
4.2.2 dargestellt. Hier wird ersichtlich, wie die erwarteten'<br />
Stoffflüsse <strong>im</strong> Zusammenhang mit einer<br />
Neugestaltung des «Ententeichs» grob in zwei<br />
Hauptströme unterteilt werden können (vgI. Koordinationsgruppe<br />
des Bundes für Energie und Ökobilanzen,<br />
1994):<br />
• Zum Upstream gehört die Herstellung der Baustoffe.<br />
• Der Downstream schliesst die Entsorgung von<br />
Abfällen und Recycling mit ein.<br />
Die Quantifizierung der Stoffflüsse wird auf das<br />
Gebäude «Ententeich» beschränkt. Erst bei der<br />
danach durchgeführten Bewertung dieser Flüsse<br />
mit Hilfe einer Ökobilanzrechnung werden auch die<br />
Prozesse ausserhalb dieser Systemgrenze berücksichtigt.<br />
Es h<strong>and</strong>elt sich dabei um die Prozesse wie<br />
die Bereitstellung 'Von Baustoffen und deren Entsorgung<br />
, nach einem Rückbau (vgI. Abb. 4.2.2).<br />
4.2.3 Die zwei Szenarien: Umbau und Neubau<br />
Um die Fragestellung, ob sich verm~hrtes Umbauen<br />
ökologisch lohnt, mit einer Stoffflussanalyse bearbeiten<br />
zu können, müssen die grundsätzlichen Alternativen<br />
(Umbau vs. Neubau) konkretisiert werden.<br />
Dem Vergleich der beiden Szenarien Umbau und<br />
Neubau liegen Studien vom Büro Max Schönenberg u.<br />
Partner zugrunde. Für den Umbau beziehen wir uns<br />
auf eine Vorprojektstudie, während dem Ne1.!bau<br />
nicht viel mehr als eine Projektskizze und mündliche<br />
Ententeich<br />
-Umbau oder<br />
- Neubau<br />
rezyklierbare Stoffe<br />
Abb, 4.2.2 Übersicht über die bilanzie11en Stoffflüs$e undihre Einteilung in • Upstream» und .Downstream»:<br />
I<br />
UNS-Fallstudie '96 297
Gebäude ~---'------------------------ __'_ _<br />
Grundlagen der<br />
Berechnung<br />
Grundfläche<br />
Bruttogeschossfläche<br />
Anzahl Wohnungen<br />
Umbau<br />
• Baupläne aus den<br />
Jahren 1951-1963<br />
• Vorprojektstudie des<br />
Architekturbüros.Max<br />
Schönenberg u. Partner<br />
1'800 m 2<br />
9'400 m 2<br />
Tab. 4.2.3 Vergleich der Varianten Umbau undN(ubau:<br />
Neubau<br />
Auskünfte des Architekten zugrunde liegen. Dabei<br />
unterscheiden sich die beiden Alternativen «Umbau»<br />
und «Neubau» in erster Linie bezüglich der<br />
Bruttogeschossfläche, während Gebäudehöhe und<br />
-tiefe praktisch identisch sind (siehe Tab. 4.2.3). Die<br />
grossen Stockwerkhöhen des bestehenden Gebäudes<br />
führen dazu, dass be<strong>im</strong> Umbauprojekt die Bruttogeschossfläche<br />
relativ zum Volumen deutlich kleiner<br />
ist. Be<strong>im</strong> Umbau wird das bestehende Gebäude bis<br />
auf den Rohbau, be<strong>im</strong> Neubau vollständig rückgebaut.<br />
Sieht man von der Möglichkeit ab, dass der<br />
Aushub desNeubaus mit Altlastenkontaminiert sein<br />
könnte, erfüllen beide Szenarien die Auflagen der<br />
Sonderbauvorschriften.<br />
Bei der Berechnung der Daten wurden folgende<br />
Annahmen getroffen:<br />
• Der Rückbau bis auf das Betonskelettdes bestehenden<br />
Gebäudes wurde bei der Berechnung des<br />
Downstreams für beide Gebäude nicht berücksichtigt<br />
(Ausbau, Abbruch; siehe Abb. 4.2.3), da die<br />
Totalabbruch,<br />
Neubau<br />
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QQQ<br />
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QQQ<br />
QQQ<br />
•••<br />
•••<br />
•••<br />
•••<br />
•••<br />
•••<br />
•••<br />
•••<br />
Umbau<br />
~<br />
~<br />
46<br />
nicht quantifiziert,<br />
variantenunabhängig<br />
quantifizierter Teil<br />
r - -«i_I- - - - _.- - _.<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
nicht quantifiziert,<br />
variantenunabhängig<br />
Ausbau Abbruch<br />
Rohbau Abbruch<br />
Projektskizze des<br />
Architekturbüros Max<br />
Schönenberg u. Partner<br />
1'800 m 2<br />
12'400 m 2<br />
64<br />
entsprechenden Materialflüsse für<br />
beide Szenarien identisch sind. Entscheidend<br />
war hier die Berechnung<br />
des «ausgeweideten» Betonskeletts,<br />
welches nur be<strong>im</strong> Neubauszenario<br />
vollständig rückgebaut werden<br />
muss. Be<strong>im</strong> Umbau betraf das nur<br />
einiger Zwischendecken und Brüstungen.<br />
• Bei der Berechnung der Neuinstallationen<br />
beschränken wir uns bei<br />
beiden Szenarien auf die Berechnung<br />
eines Gebäudes <strong>im</strong> Rohbauzust<strong>and</strong><br />
(Gebäude ohne Innenausbau<br />
wie z.B. sanitäre und elektrische Installationen,<br />
Böden, etc.). Wir gehen<br />
davon aus, dass dieseAnnahme bei den vorliegenden<br />
Szenarien gerechtfertigt ist, da der weitere<br />
Ausbau (je Quadratmeter Bruttogeschossfläche)<br />
etwa die gleichen Materialflüsse auslösen würde<br />
(Ausbau neu; siehe Abb. 4.2.3).<br />
. 4.2.4 Durchführung<br />
Es stellte sich während der Arbeit heraus, dass die<br />
Hauptstoffströme (Upstream und Downstream, vgl.<br />
Abb. 4.2.2) nicht auf dieselbe Art untersucht werden<br />
konnten, . weil für eine Ökobilanzierung der Bauabfalle<br />
keine Daten verfügbar sind.<br />
Upstream<br />
Mit Hilfe der Pläne (vgl. Tab. 4.1) wurden die in den<br />
beiden Szenarien verwendeten Bauelemente und<br />
ihre Flächengrössen ermittelt und daraus mit Hilfe<br />
der SIA-Dokumentation 0123 die Mengen der verwendeten<br />
Baustoffe berechnet. Die ermittelten<br />
Daten wurden vom Planungsbüro Hans Frei und Co.<br />
AG validiert.<br />
Diese Stoffmassen (Umbau und Neu.bau) des Upstream<br />
konnten dann mit einer Ökobilanzierung<br />
bewertet werden. Dabei wurde das Computerprogramm<br />
SIMA V2.1 eingesetzt (vgl. Schol:~ et al.,<br />
1996), das auf einer umfangreichen Datenbank<br />
basiert und für jeden erfassten Baustoff (der SIA<br />
Dokumentation 0123) die insgesamt bei dessen<br />
Herstellung verursachten Umweltauswirkungen berechnet.<br />
Dabei werden beispielsweise auch die für<br />
die Betonproduktion nötigen Gebäude und deren .<br />
Baustoffe (also u.a. wiederum Beton) berücksichtigt.<br />
Rohbau,neu<br />
Ausbau,neu<br />
Abb. 4.2.3 Schematischer Vergleich der Stoffflüsse der beiden Szenarien.<br />
Einbezogen wurde nurder Rohbau, da sich be<strong>im</strong> Ausbau keine wesentlichen<br />
Unterschiede ergeben. .<br />
Downstream<br />
Zur BiIanzierung der durch den Rückbau des<br />
«Ententeichs» ausgelösten Stoffflüsse (Downstream)<br />
wurden die Kubaturen der einzelnen Baustoffe aus<br />
298 UNS-Fallstudie '96
-'-----'------,--- --'- ~ ~ ,.__-Gebäude<br />
den Bauplänen des Gebäudes «Ententeichs» aus den<br />
Jahren 1951-1963 ermittelt. Wir beschränkten uns<br />
dabei aufdie Stoffe Beton, Stahlarmierungen und Backsteine.<br />
Für die Bewirtschaftung der anfallenden Abfälle<br />
gab es zur Zeit unserer Untersuchung keine speziellen<br />
Konzepte, weshalb wir vom derzeit <strong>im</strong> Kanton<br />
Zürich üblichen Vorgehen ausgingen. Im Rahmen<br />
des sogenannten «Erfahrungstages» (vgl. Kap. ORGA<br />
NISATION) konnten zwei Abfallsortieranlagen vorOrt<br />
besichtigtwerden. Ein Interview mit einem Vertreter<br />
vom ARVSchweiz (Abbruch-, Aushub- und Recyclingverb<strong>and</strong>)<br />
lieferte.weitere Informationen. Letztendlich<br />
war es aber mir niöglich, die Kubaturen der<br />
anfallenden Bauabfälle zu best<strong>im</strong>men, während der<br />
weitere Weg der Stoffe lediglich qualitativ beschrieben<br />
werden konnte.<br />
4.2.5 Ergebnisse<br />
Gewichtung der Daten<br />
Vom ökologischen St<strong>and</strong>punkt aus, bei dem lediglich<br />
die Grösse der Umweltauswirkungen betrachtet wird<br />
(vgl. Ökobilanz der Architekturvarianten der UNS<br />
Fallstudie '95), scheint ein Umbau von vornherein<br />
vorteilhafter als die Erstellung eines Neubaus (vgl.<br />
auch Preisig & Viriden, 1995). Wenn jedoch durch<br />
eine <strong>and</strong>ere· Bauweise der Nutzen des Neubaus<br />
wesentlich grösser ist, kann dieser St<strong>and</strong>punkt allein<br />
nicht mehr befriedigen. Um einen adäquaten Vergleich<br />
zwischen den untersuchten Szenarien zu ermöglichen,<br />
mussten die verursachten ökologischen<br />
Auswirkungen relativ zum erreichten Nutzen betrachtet<br />
werden. Deshalb werden die Ergebnisse mit<br />
der Bruttogeschossfläche des jeweiligen Szenarios<br />
gewichtet, indem sie durch die Bruttogeschossfläche<br />
(in m 2 ) des entsprechenden Objekts dividiert werden.<br />
Dieser gesellschaftlich-ökologische St<strong>and</strong>punkt<br />
(vgl. Ökobilanz der Architekturvarianten der UNS<br />
Fallstudie '95) setzt voraus, dass man die Bewertung<br />
des Nutzens mit Hilfe der verfügbaren Nutzfläche<br />
abschätzten kann. Andere (z.B. ästhetische) Kriterien<br />
bleiben dabei quantitativ unberücksichtigt.<br />
Massenbilanzen der mineralischen Baustoffe<br />
Zur Verifizierung der Daten für die Stoffflussanalyse<br />
und die Ökobilanzierung wurden Zahlen aus dem<br />
statistischen Jahrbuch «Kanton Zürich in Zahlen<br />
1996» (Statistisches Amt des Kt. Zürich, 1996) herangezogen.<br />
Die totale Bruttogeschossfläche des Kantons<br />
musste mit Hilfe des Gebäudevolumens und<br />
der durchschnittlichen Stockwerkhöhe abgeschätzt<br />
werden; Für die durchschnittliche Stockwerkhöhe<br />
wurde gemäss Herrn Frei, Planungsbüro Frei und<br />
Kt. Zürich<br />
Neubau<br />
Umbau<br />
o 300 600 900 1200 1500<br />
kg/m 2 BGF<br />
IlllI Abbruch lllI Neue Materialien I<br />
Abb. 4.2.5.1 Vergleich der Flüsse an mineralischen Baustoffen (Durthschniuswerte<br />
<strong>im</strong> Kanton Zürich und Daten der beiden Szenarien; BGF =<br />
Bruttogeschossfläche).<br />
Partner, eine Grösse von 2.7 m angenommen. Diese<br />
Zahlen des Kantons Zürichsind somit mit den grössten<br />
Unsicherheiten behaftet und können deshalb nur<br />
zur groben Abschätzung mit den <strong>and</strong>eren Resultaten<br />
verglichen werden.<br />
Für den Vergleich der erfassten Daten mit diesen .<br />
Werten aus der Literatur konnte nur die mineralische<br />
Fraktion herangezogen werden. Die Resultate sind<br />
in der Abb. 4.2.5.1 graphisch dargestellt. Es zeigt<br />
sich, dass' die für den Neubau benötigten Massen<br />
etwa dem Durchschnittswert des Kantons Zürich<br />
entsprechen. Aussagekräftiger ist das Verhältnis der<br />
Zahlen der Abbruchrnassen zwischen den beiden<br />
untersuchten Projekten (jeweils nur Abbruch aus<br />
dem Rohbauzust<strong>and</strong>). Dabei schneidet der Umbau<br />
erwartungsgemäss deutlich besser ab.<br />
Upstream<br />
Trotz des geringeren Massenverbrauchs für das Umbauprojekt<br />
ist der Massenverbrauch des Upstream pro<br />
Quadratmeter Bruttogeschossfläche (BGF) für das<br />
Umbauszenario zum Teil erheblich grösser (>100%)<br />
als für den Neubau. Dies gilt in erster Linie für die<br />
Materialien, welche für die Fassadenkonstruktion<br />
verwendet werden (Aluminium, PVC, Glas). Sie<br />
schlagen aufgrund der grossen Stockwerkhöhe bezogen<br />
auf die Bruttogeschossfläche besonders stark zu<br />
Buche.<br />
Dieses Faktum schlägt dann inder Ökobilanz des<br />
Umbaus durch. Im Vergleich zum Neubau schneidet<br />
er weniger gut ab, als aufgrund der Massen (Abb.<br />
4.2.5.2) hätte erwartet werden können. Dadurch wird<br />
deutlich, dass der Materialwahl für eine günstige<br />
Ökobilanz eine wichtige Rolle zukommt (siehe auch<br />
Resultate der Fallstudie '95, Scholz et al., 1996,<br />
S. 16lff). Darüberhinaus zeigt sich, dass ein Umbau<br />
nicht in jedem Fall die ökologisch bessere Variante<br />
darstellt.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
299 .
Gebäude: ~ ____'_<br />
Downstream<br />
Trennung der Stoffe:<br />
Die gesetzliche Grundlage für die Entsorgung<br />
von BauabfäIIen bietet die Technische<br />
Verordnung für Abfälle (TVA).<br />
Das Bauwesen hat darauf basierend<br />
Konzepte erarbeitet, welche u.a. in der<br />
Empfehlung 430 des SIA «Entsorgung<br />
von Bauabfällen» (SIA, 1993) und <strong>im</strong><br />
RahmeIikonzept «Abfalltrennung auf der<br />
Bau,stelle mit dem Mehr-Mulden-Konzept»<br />
des Schweizerischen Baumeisterverb<strong>and</strong>es<br />
(SBY, 1995) beschrieben werden.<br />
Dieser hat es sich auch zum Ziel<br />
gemacht, die durch die Baubranche ausgelösten<br />
Stofffkreisläufe zu schliessen,<br />
was durch Recycling erreicht werden<br />
kann.<br />
Vor der Entsorgung der abgebrochenen<br />
Bausubstanz steht <strong>im</strong> Normalfall ein<br />
Trennungsprozess. Dieser beginnt meist<br />
auf der Baustelle. In der SIA-Empfehlung<br />
430 (1993) werden Materialgruppen<br />
unterschieden. Nach Massgabe der örtlichen<br />
Verhältnisse und der Verwertungsund<br />
Entsorgungsmöglichkeiten sind die<br />
Materialgruppen Bauschutt und Bausperrgut<br />
nach Fraktionen getrennt zu erfassen.<br />
Deponieren:<br />
AIsDeponien für den Aushub dienen alte<br />
Kiesgruben. In diesen dürfen keine weiteren<br />
Abfälle gelagert werden (Grundwassergebiete).<br />
Im Kanton Zürich gibt es<br />
keine Inertstoffdeponien, obwohl sie in<br />
der Technischen Verordnung für Abfälle<br />
(TVA) vorgesehen. sind. Mischabbruch<br />
wird deshalb auf Reaktordeponien (z.B.<br />
Hanegg) geführt. Die Verbrennung von<br />
Abfällen geschieht entweder in Kehrrichtverbrennungsanlagen<br />
oder - bei<br />
sauberem Holz - in Holzschnitzelfeuerungen.<br />
PVC Schlag/est<br />
Konventioneller Innenpulz<br />
S<strong>and</strong>/Kies/Geröll gewaschen<br />
o<br />
50 Prozent<br />
Abb. 4.2.5.2 Die (relativ zur Brottogeschossfläche) gewichteten Baustoffmassen der<br />
Umbauvariantein Prozent des Neubaus (= 100%).<br />
Umwel1belaslung<br />
Abwärme<br />
radioaktive Emissionen<br />
Flächeninanspruchnahme<br />
Ozonschichtabbau<br />
Eutrophierung<br />
Versauerung<br />
Ökotoxizilät (aquatisch)<br />
Ressourcenverbrauch<br />
liiiiillliiiEE:::~<br />
Glas Alu<br />
Glaswolle<br />
MagerbetonPC150<br />
Polymerbilumen-DB<br />
PE-Folie<br />
Zement-Unterlagsboden<br />
Armierungsstahl<br />
Beton PC300<br />
Bilumenklebemasse kalt<br />
Kalks<strong>and</strong>stein<br />
Einschicht-Gipspulz<br />
Verlängerter Mörtel<br />
Backstein<br />
Kleber<br />
Steinwolle<br />
Stahl niedriglegiert<br />
Kunstfaser Vlies/Filz<br />
Konventioneller Aussenputz<br />
Energieinhalt<br />
Photochemische Oxidantien<br />
Humantoxizilät (Luft)<br />
o 20 40 Prozent 60 80 100<br />
Abb. 4.2.5.3 Die Resultate der Ökobilanz für den Umbau <strong>im</strong> Vergleich zum Neubau<br />
(= 100%). Die ökologischen Auswirkungen des Umbaus liegen mit 60-70% des Neubaus<br />
prozentualhöher als die entsprechenden Baustoffmassen (siehe Abb. 4.2.5.2).<br />
Recycling:<br />
Mengenmässig den grössten Anteil an<br />
den Bauabfällen machen mineralische·<br />
Baustoffe (v.a. Beton und Backsteine)<br />
aus. Sie können als Kiesersatz wiederverwendbar<br />
gemacht werden. Je nach Güte der<br />
Trennung und nach Inhaltsstoffen ergeben sich<br />
unterschiedliche Qualitäten. Hohe Ansprüche stellt<br />
Betonkies, während etwa für Füllungen auf der<br />
Baustelle auch Material mit einem grossen Anteil<br />
an Backstein Verwendung findet. 16% der neu verbauten<br />
Baustoffe stammen zur Zeit aus Recyclingmaterial,<br />
der Anteil an Betonkies ist allerdings noch<br />
gering. 9<br />
9 Auskunft Peter Staub, Geschäftsleiter des Abbruch-, Aushub- und Recyclingverb<strong>and</strong>es<br />
(ARV) Schweiz<br />
100<br />
150<br />
300 UNS-Fallstudie '96
_________________________________________Gebäude<br />
Baurestmassen:<br />
Das Schicksal der Abfälle der jeweiligen Szenarien<br />
konnte somit nur abgeschätzt, aber nicht genügend<br />
gut beschrieben werden, um die Bewertung nach<br />
ökologischen Kriterien in Zahlen zu fassen. Das Verhältnis<br />
der anfallenden Baurestmassen ist allerdings<br />
so eindeutig, dass dem Umbau aus dieser Sicht klar<br />
der Vorzug zu geben ist (vgl. Abb. 4.2.3).<br />
4.2.6 Bewertung<br />
Die durchgeführte Untersuchung hat ergeben, dass<br />
der Umbau' des «Ententeichs» nach ökologischen<br />
Kriterien «besser» als ein Neubau abschneidet. Dieses<br />
Ergebnis bleibt evident, trotz der folgenden Einschränkungen,<br />
für deren Abschätzung ergänzende<br />
Methoden in die Anwendung der Stoffflussanalyse<br />
integriert werden müssen:<br />
Relevanz<br />
Die dargestellte Stoffflussanalyse beschränkt sich<br />
auf die Hauptbest<strong>and</strong>teile des Rohbaus. Unberücksichtigt<br />
bleiben<br />
a)Nebenbest<strong>and</strong>teile (z. B. Schwermetalle) <strong>im</strong> Rohbau,<br />
deren ökologische Bedeutung <strong>im</strong> Zwischenlager<br />
«Bauwerk Schweiz» bisher nicht geklärt ist;<br />
b)der Ausbau, dessen ökologische Auswirkungen<br />
(angefangen von Wohngiften bis hin zu grauer<br />
Energie) sicher gross sind, aber <strong>im</strong> Vergleich zum<br />
Rohbau hinsichtlich der Relevanz (noch) nicht<br />
abgeschätzt werden können;<br />
c)die Nutzung, die einengrösseren Anteil an ökologischen<br />
Auswirkungen produziert als der Rohbau<br />
(vgl. Scholz et al., 1996).<br />
Unterschiede zwischen Umbau und Neubau durch<br />
Nebenbest<strong>and</strong>teile, Ausbau und Nutzung könnenwie<br />
die Berücksichtigung der Bruttogeschossfläche<br />
gezeigt hat - einen grossen Einfluss auf den Vergleich<br />
der ökologischen Auswirkungen <strong>im</strong>plizieren.<br />
Unsicherheit<br />
Die verwendeten Daten stammen aus sehr heterogenen<br />
Quellen und werden trotzdem (methodisch<br />
mit der Stoffflussanalyse) gleichbeh<strong>and</strong>elt. Dies<br />
erzeugt sowohl quantitative Unsicherheiten(Grösse<br />
und Abweichung der Ergebnisse vom «wahren»<br />
Resultat) als auch qualitative Unsicherheiten (Festlegung<br />
von Systemgrenzen, Auswahl von Materialien,<br />
Bewertung).<br />
Verallgemeinerung<br />
In Abweichung vom grundsätzlichen Konzept der<br />
Stoffflussanalyse wurde nur ein Gebäude untersucht.<br />
Ein vergleichbares Ergebnis wäre für die <strong>and</strong>eren,<br />
ähnlich konstruierten Nachbargebäude auf dem<br />
ZZN zu erwarten. Wegen der Verschiedenartigkeit<br />
von Baukonstruktionen (z.B. Fassaden) ist ein generelle<br />
Verallgemeinerung nicht möglich, <strong>im</strong> Einzelfall<br />
kann eine vergleichende Prüfung sinnvoll sein (unter<br />
Berücksichtigung der spezifischen 'Konstruktionen<br />
des «Ententeichs»-Gebäudes und (les zu vergleichenden<br />
Gebäudes). .<br />
4.3 Nutzung: Nutzungsvarianten des<br />
«Ententeichs»<br />
Werfen wir, bevor wir<br />
zur Frage der Nutzung<br />
übergehen, kurz einen<br />
Blick zurück auf die<br />
Stoffflussanalyse. Die<br />
Stoffflussanalyse ergab<br />
einen ökologischen Vorzug für einen' Umbau des<br />
«Ententeichs», verglichen mit einem möglichen<br />
Neubau. Dies unterstützt die Entscheidung der ABS<br />
für eine Umnutzung. Die Entscheidung für einen<br />
Umbau ist also <strong>im</strong> Sinne einer ökologischen, Opt<strong>im</strong>ierung.<br />
Die Frage, die sich anschliesst, lautet:<br />
«Welche Nutzung ist sinnvoll? Ist hier eine ökologische<br />
Opt<strong>im</strong>ierung möglich?».<br />
Die Stoffflussanalysearbeitet mit quantifizieren<br />
.den, naturwissenschaftlichen ökologischen Kriterien<br />
<strong>im</strong> engeren Sinne. Die Frage der Nutzung bzw. der<br />
Nutzungsplanung von Gebäuden erfordert jedoch<br />
die Anwendung zusätzlicher Kriterien. Hierzu gehört<br />
die ZZN-Leitfrage nach Lebensqualität und Urbanität<br />
eines neuen <strong>Stadt</strong>teils. Hierzu gehören auch Fragen<br />
der gemeinsamen Betrachtung von Wirtschaftlichkeit<br />
und Soziolverträglichkeit. Für solche Fragen müssen<br />
besondere Methoden der Erhebung und Aggregierung<br />
der Daten herangezogen werden. Die Fallstudie<br />
nutzt hierzu insbesondere die Methoden der<br />
Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen und der Multiattributiven<br />
Entscheidungstheorie (Scholz & Tietje, 1996). Im<br />
folgenden wird die Bewertung möglicher Nutzungen<br />
des «Ententeichs» mit Hilfe Multiattributiver Entscheidungverfahren<br />
untersucht.<br />
4.3.1 Zur Umnutzung des «Ententeichs» - Die<br />
Ausgangslage<br />
Es scheint sinnvoll, den «Ententeich>, mit Wohnungen<br />
umzunutzen, vor allem weil die Lage am Park<br />
und die hohen Decken der unteren Werkhalle interessante,<br />
qualitativ hochstehende Wohnungen erlauben.<br />
Die von der <strong>Stadt</strong> für das ZZN geforderte<br />
Nutzungsdurchmischung wird erfüllt, aber nicht<br />
innerhalb eines einzelnen Gebäudes sondern <strong>im</strong><br />
gesamten Areal realisiert. In einem Interview der<br />
r<br />
I<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
301
Gebäude --'-__- ...,.-__<br />
Opt<strong>im</strong>ale Nutzung<br />
Gesamtziel<br />
Machbarkeit<br />
Teilziel<br />
Abb. 4.3.1 Biiroflure <strong>im</strong> «Ententeich», eine Nutzung aus den 80erJahren:<br />
~lche neue Nutzung ist denkbar.? (Bild: Michael Meier).<br />
Zweckmllssigkelt<br />
Teilziel<br />
Synthesegruppe GEBÄUDE<br />
Immobilien AG, hierzu an:<br />
merkte Alex Reck, ABB<br />
«Im Bereich «Ententeich» hat die ABB für<br />
Wohnungen gekämpft. Der Markt reagiert jedoch<br />
empfindlich auf vorgeschriebene Erdgeschossnutzungen<br />
wie Läden, etc. So stehen<br />
(in Zürich) eine Anzahl Ladenpassagen leer, weil<br />
sie nicht an einer guten Passantenlage liegen<br />
oder sich die Struktur und Kultur des Quartiers<br />
verändert hat.»<br />
Der Entscheid.zur Umnutzung des «Ententeichs»<br />
fiel sehr früh. Der ökologische Aspekt spielte nicht<br />
die ausschlaggebende Rolle, sondern - so Herr Beck<br />
- in einer Pr<strong>im</strong>ärbetrachtung der Bedarf an Büroräumen<br />
seitens der ABB. Nachdem sich die Situation<br />
für Büroräume gebessert hatte, wurde eine weitere<br />
Umnutzung des «Ententeichs» geprüft, da sich auch<br />
gezeigt hatte, dass die Gebäudetiefe nicht ideal ist<br />
für Büroräume und eine Wohnnutzung geeigneter<br />
wäre.<br />
Abb. 4.3.2.1 Kriterien zurBewertung der Nutzungsvarianten des «Ententeichs».<br />
Es gibt Kriterien (hier «Teilziele» genannt), die genereller Natur<br />
sind wie «Machbarkeit», «Sozialverträglichkeit», «Umweltverträglichkeit»,<br />
«Zweckmässigkeit», unduntergeordnete Kriterien: z.B. wird «Machbarkeit»<br />
durch finanzielle, technische und organisatorische Indikatoren<br />
gemessen.<br />
4.3.2 Bewertung von Nurzungsalrernativen des<br />
«Enrenreichs»<br />
Betrachtet wurden vier Nutzungsvarianten:<br />
• Dienstleistungs- und Gewerbenutzung (DL&G)<br />
• Wohnnutzung<br />
• Mischnutzung Wohnen/DL&G<br />
• Mischnutzung Wohnen/DL&G/Kultur.<br />
Diese vier Varianten sollten nun von mehreren<br />
Akteuren, die wesentlich an der Planung zur Um-<br />
302<br />
UNS-Fallstudie '96
___________________--------------------<br />
Gebäude<br />
Gewicht<br />
in%<br />
Bauherrin<br />
Machbarkeit<br />
32.3<br />
Sozialver- Umweltver- Zweckträglichkeit<br />
träglichkeit mässigkeit<br />
25.7<br />
19.4<br />
22.6<br />
Architekturbüro<br />
25<br />
25<br />
25<br />
25<br />
zürifüfzg!<br />
20.7<br />
27.6<br />
27.6<br />
24.1<br />
Abb. 4.3.2.2 Umnutzung des .Ententeichs»: Befragte Akteure; zürifüfzg!<br />
n<strong>im</strong>mt eine Aussenperspektive ein.<br />
Tab. 4.3.2 Gewichte der Faktoren in Prozent.<br />
100<br />
10 Logical Decisions erlaubt es, den einzelnen Indikatoren eigene Nutzenfunktionen<br />
zu;wordnen. Zum Beispiel könnte der,-Nähe zu den' Läden»·<br />
Nutzen exponentiell mit der Distanz abnehmen. Im unseren Fall wurden<br />
diese Nutzenfunktionen jedoch alle linear gesetzt. Die St<strong>and</strong>ardfrage<br />
für die Indikatoren lautete dazu: - Wie schätzen Sie [Indikator] bezüglich<br />
der Nutzung [Alternative] ein?» Ein Wert zwischen 0 (schlecht, nicht<br />
opt<strong>im</strong>al, negativ, etc.) und 100 (gut, opt<strong>im</strong>al, positiv, etc.) musste von den<br />
Befragten angegeben werden<br />
'<br />
90<br />
80<br />
70<br />
c: 60<br />
CD<br />
.!::!<br />
~ 50<br />
nutzung des «Ententeichs» betei~<br />
ligt sind, bewertet werden (vgl.<br />
Abb. 4.3.2.2). Exemplarisch befragt<br />
wurde je ein Vertreter von:<br />
• der ABB Immobilien AG und<br />
• dem beauftragten Architekturbüro.<br />
Um eine Aussensicht von Seiten<br />
der QuartieranwohnerInnen zu ermöglichen,<br />
wurde 'auch ein Vertreter<br />
vom Verein zürifüfzg! einbezogen.<br />
Zum Einsatz kam eine computergestützte<br />
Methode zur. multi~<br />
attributiven Bewertung, genannt<br />
Logical Decisions, eine Weiterentwicklung<br />
zu MAUT (Multiattributive<br />
Nutzentheorie; vgl.<br />
Kasten 2.2 <strong>im</strong> Kap. GRONRAUM). Die<br />
Bewertung erfolgte anh<strong>and</strong> von<br />
Kriterien für gesellschaftliche Vorhaben<br />
aus der Studie «Ökosozial:<br />
Die Schweizer Städte vor sozialen<br />
und ökologischen Herausforderungen<br />
des Spätindustriellen Zeitalters»,<br />
durchgeführt <strong>im</strong> Auftrag des Schweizerischen<br />
Nationalfonds (Arend, 1993). Abb. 4.3.2.1 zeigt<br />
die Art und den Zusammenhang der Kriterien lO , Abb.<br />
4.3.2.3 zeigt die Ergebnisse.<br />
. Die Nutzungspräferenzen der Bauherrin (ABB<br />
Immobilien AG) und des Architekten (Schönenberg<br />
u. Partner) unterscheiden sich kaum. Wohnen steht<br />
an erster Stelle, die Dienstleistungs-/Gewerbenutzung<br />
an letzter. Dies entspricht der vom Bauherrn<br />
getroffenen Entscheidung für eine Wohnnutzung.<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
o<br />
Bauherrin<br />
Architekturbüro<br />
zürifüfzgl<br />
Abb. 4.3.2.3 Ergebnisse der Bewertung der Nutzungsvarianten des .Ententeichs» (Methode: Logical<br />
Decisions/MA UT). Die reine Wohnnutzung wird von den EntscheidungträgerInnen favorisiert,<br />
die Alternative .Dienstleistungen undGewerbe» schneidetgenerellam schlechtesten ab. Von Seiten des<br />
Vertreters der Quartieranwohner wird eher eine .Iokale» Durchmischung gewünscht (DL = Dienstleistung).<br />
Aus' Sicht von zürifüfzg! relativieren sich die Bewertungen<br />
für die möglichen Nutzen; auch eine Dienstleistungs-/Gewerbenutzung<br />
scheint präferabel.<br />
4.3.3 Weitere Umnlltzllngen?<br />
Im gleichen Teilgebiet wie der «Ententeich» befinden<br />
sich drei weitete Backsteingebäude, die momentan<br />
hauptsächlich, als Bürogebäude genutzt werden<br />
und deren Zust<strong>and</strong> vermutlich eine Umnutzung<br />
erlauben würde. Die Erhaltung des früheren Industriecharakters<br />
des Areals hängt vor,allem von den<br />
bestehenden Strukturen ab. Eine alleinige Umnutzung<br />
des «Ententeichs» als Prestigeobjekt und<br />
Einzelsymbol für die vergangene Produktionsstätte<br />
<strong>im</strong>~itten von Neubauten kann inUllseren Augen.<br />
dem besonderen Qualitätsanspruch des «neues Wohnens<br />
an altem Industriest<strong>and</strong>ort» nicht genügen.<br />
I<br />
I<br />
UNS·Fallstudie'96 303
Gebäude<br />
5. Implementation von<br />
UmweltmalJagement: Von der<br />
Information zur Entscheidung<br />
In den vorangegangenen Kapiteln wurde gezeigt,<br />
welche Informationen zu umweltspezifischen<br />
Aspekten der Bauplanung be<strong>im</strong> ZZN zu gewinnen<br />
sind und welche Methoden hierbei zum Einsatz<br />
gelangen können. In dem eingangs vorgestellten<br />
Modell für ein Umweltmanagementsystem (vgI.<br />
Abb. 3.1) müssen die Umweltziele und die Daten zu<br />
Entscheidungen aggregiert werden. So kann etwa die<br />
Stoffflussanalyse helfen, die Entscheidung für oder<br />
gegen einen Umbau zu unterstützen. Eine Bewertung<br />
von Nutzungsvarianten mithilfe Multikriterieller<br />
Entscheidungsmethoden kann helfen, die Nutzungsentscheidung<br />
zu treffen.<br />
Dieses abschliessende Kapitel greift noch einmal<br />
die Ausgangsfragestellung auf. Es geht darum:<br />
1. Wie lässt sich ein Umweltmanagement <strong>im</strong> Bauprozess<br />
<strong>im</strong>plementieren? Wir werden hier noch<br />
einmal die Funktion ökologischer Kriterien erörtern<br />
und die Kriterien der Bauträgerwettbewerbe<br />
der <strong>Stadt</strong>Wien vorstellen.<br />
2. Welchen Anteil können umweltnaturwissenschaftliche<br />
Methoden bei der Entscheidungsunterstützung<br />
<strong>im</strong> Umweltmanagement von Bauprozessen<br />
gewinnen? Wir können auch fragen: Wie lassensich<br />
die gewonnenen Daten sinnvoll bewerten? Denn genau<br />
darum geht es: Daten zu umweltspezifischen<br />
Aspekten hinsichtlich der gewählten Ziele und der<br />
möglichen Entscheidungen zu bewerten.<br />
Wir werden abschliessend einige Überlegungen zur<br />
Wirtschaftlichkeit und zum Verhältnis von Planungsund<br />
umweltnaturwissenschaftlicher Perspektive einbeziehen.<br />
5.1 Planung: Ba"plan"ng "nd<br />
Umweltmanagement<br />
Wie lässt sich ein Umweltmanagement <strong>im</strong> Bauprozess<br />
<strong>im</strong>plementieren? Das betriebsorganisatorische<br />
Problem, das sich mit der Einführung von Umweltmanagementsystemen<br />
verbindet, kann hier nicht<br />
diskutiert werden. Vielmehr wird hier noch einmal<br />
d'er konkrete Nutzen von ökologischen Kriterien und<br />
Indikatoren erörtert. Daran anschliessend stellen wir<br />
ein konkretes Beispiel aus dem Bauw~sen der <strong>Stadt</strong><br />
11 Informationen zur Bauherrin - der ABB Immobilien AG - und zum beauftragten<br />
Architekturbüro entstammen den Interviews, die <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit der Befragung zur Nutzungsbewertung des «Ententeichs»<br />
geführt wurd,en (vgl. Kap. 4.3 NUTZUNG: NUTZUNGSVARIANTEN DES «ENTEN<br />
TEICHS»).<br />
Wien vor und vergleichen die dort genutzten Kriterien<br />
mit der Situation am ZZN.<br />
5.1.1 Ökologische Kriterien als GrJlndlage (iir das<br />
Umweltmanagement<br />
Bauplanung umfasst mehrere Teilphasen vom Auftrag<br />
bis zur Projektphase. In jeder Planungsphase<br />
werden eine Menge ökologisch relevanter Entscheidungen<br />
getroffen, welche die Entscheidungsfreiheit<br />
und damit die ökologischen Optionen späterer Phasen<br />
einschränken. Will man ökologische Anliegen wirkungsvolleinbringen,<br />
so müssen diese «phasengerecht», d.h.<br />
angepasst unddifferenziert, eingebrachtwerdl/n. Dies war,<br />
wie erwähnt, eine der Grundaussagen der UNS-Fallstudie<br />
'95 «Umwelt und Bauen». Um - <strong>im</strong> Rahmen<br />
eines Umweltmanagements - ökologisch opt<strong>im</strong>ale<br />
Entscheide treffen zu können, braucht es Ziele,<br />
Kriterien und Daten. Diese sind aber nicht für jede<br />
Phase gleich. So ist in der Vorstudienphase die Frage,<br />
ob umgenutzt oder neu gebaut wird, ein wichtiges<br />
Kriterium; in der Planung der Ausführungsphase<br />
hingegen ist u.a. die Wahl von umweltfreundlichen<br />
Materialien wesentlich, und in der Bauausführung<br />
selbst ist z.B. das Recyklieren von Bauabfallen<br />
wichtig.<br />
Es taucht die Frage auf, ob es allgemeine Kriterien_<br />
gibt, die sich für jede Projektphase anwenden lassen.<br />
Gemeint sind Kriterien, die in der Bauplanung Anwendung<br />
finden und die die relevanten umw~ltspezifischen<br />
Aspekten des weiteren Bauprozesses<br />
einbeziehen. Gesucht ist eine Lösung für das Ökologie-Planungs-Problem,<br />
dass anerkannte ökologi-<br />
. sche Kriterien in einer frühen Planungsphase wegen<br />
des mangelnden Detailierungsgrads nicht .praktikabel<br />
sind, in den späteren Phasen aber viel weniger<br />
Wirkung haben.<br />
5.1.2 Ökologische Kriterien be<strong>im</strong> «Ententeich<br />
Be<strong>im</strong> Projekt «Ententeich» st<strong>and</strong>en Zweckmässigkeit,<br />
Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit <strong>im</strong> Vordergrund.<br />
Das vorliegende Projekt entspricht in bezug<br />
auf Ökologie dem «state of the art» und soll nicht<br />
als Vorzeigemodell in bezug auf Ökologie dienen.<br />
Am Projekt «Ententeich» können zum Thema<br />
«Ökologie und Planung» insbesondere die folgenden<br />
Punkte-hervorgehoben-werden: 1L .. ------<br />
• Hinsichtlich Ökologie sind in den Sonderbauvorschriften<br />
und <strong>im</strong> Leitbild ZZN einige Angaben<br />
gemacht worden.<br />
• Der Architektenvorschlag .zur Umnutzung des<br />
«Ententeichs» wurde <strong>im</strong> Ideenwettbewerb des<br />
ZZN gefallt.<br />
• Eine zusätzliche Umnutzung von Gebäuden ist<br />
nicht vorgesehen.<br />
_<br />
304<br />
UNS-Fallstudie '96
_____----: ----: Gebäude<br />
I<br />
!-<br />
I<br />
Kpsten 5.1.2 Expertenplenum zum Ökologie-Planu'lgs-Problem.<br />
• Im Vorprojekt «Ententeich» wurden von Seiten<br />
der ABB keine Vorgaben bezüglich Ökologie gemacht.<br />
• Für das Projekt «Ententeich» waren auf Seiten der<br />
ABB Immobilien AG ökologische Überlegungen<br />
nicht relevant, denn es wurden Nutzungsideen<br />
gesucht; ökologische Opt<strong>im</strong>ierung st<strong>and</strong> nicht zur<br />
Diskussion.<br />
• Das beauftragte Architekturbüro besitzt weder ein<br />
allgemeines noch ein formelles ökologisches Leitbild.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
305
Gebäude --:- ~ _<br />
Ökologische Aspekte werden nicht<br />
als eigene Ziele betrachtet, sie werden<br />
jedoch <strong>im</strong> Ansatz in der Planung berücksichtigt.<br />
Viele ökologische Anliegen<br />
gelten 'als' selbstverständlich.<br />
Auch wenn das beauftragte Architekturbüro<br />
keinen speziellen Anspruch<br />
aufeine ökologische Vprreiterrolle hat,<br />
ist es gleichw:ohl bestrebt, ökologisch<br />
«a jour» zu sein.<br />
• Be<strong>im</strong> beauftragten Architekturbüro<br />
wurden noch keine spezifisch ökologischen<br />
Überlegungen angestellt (z.B.<br />
Haustechnik, alternative Energienutzung,<br />
etc.), dies sei in diesem<br />
Stadium der Planung noch «zu früh».<br />
Das Ökologie-Planungs-Problem (vgl.<br />
Kap. 3.3 AUF DEM WEG ZU EINER PER<br />
SPEKTIVEN-SYNTHESE...) 'zeigt sich also<br />
auch an der Planung zum «Ententeich».<br />
Hierzu veranstaltete die S.ynthesegruppe<br />
GEBÄUDE ein Expertenplenum<br />
(Kasten 5.1.2). Welche Mög\ichkeiten<br />
für die ökologische Opt<strong>im</strong>ierung siCh<br />
auf kommunaler Ebene ergeben, wollen<br />
wir mit einem Exkurs über die ersten<br />
beiden BauträgerWettbewerbe der <strong>Stadt</strong><br />
Wien aufzeigen.<br />
5.1.3 Ökologische Kriterien be<strong>im</strong><br />
Ballträgerwettbewerb der <strong>Stadt</strong> Wien<br />
Die <strong>Stadt</strong> Wien hat 1995 damit begonnen,den<br />
aus öffentlichen Mitteln<br />
geförderten Wohnbau auf der Basis von<br />
öffentlich ausgeschriebenen Bauträgerwettbewerben<br />
abzuwickeln. Angestrebt<br />
werden Kostensenkungen <strong>im</strong> Geschosswohnbau<br />
bei gleichzeitiger' Anhebung<br />
der planerischen und umwelttechnischökologischen<br />
Qualitäten. Für die Ausschreibung<br />
wurden eine Reihe von<br />
Kriterien und Kennzahlen für die Bereiche<br />
P/anungsqualität,Ökonomie und<br />
Umwe!tre!cvanz/Ök%gie entwickelt, anh<strong>and</strong><br />
derer die· eingereichten Projekte<br />
von einer unabhängigen Fachjury (zusammengesetzt<br />
"aus zwei Architektln-.<br />
nen, zwei Kommunaipolitikerlnnen und<br />
zwei ÖkologInnen) vergleichend beurteilt<br />
werden.<br />
Als Beurteilungsgrundlage . dienen<br />
st<strong>and</strong>ardisierte Ausschreibungsunterlagen,<br />
die sich aUS einem allgemeinen<br />
Teil (Kennziffern des Bauvorhabens),<br />
einer Bauheschreibung (Konstruktion,<br />
Kasten 5.1.3.1 Indikatoren in der baulichen Praxis nach Robert Korab, ÖstefTeichisches<br />
Ökologie-Institutfür angew<strong>and</strong>te Umweltforschung (Korab, 1996).<br />
306<br />
UNS·Fallstudie '96
-------------------------- Gebäude<br />
Technik, Materialien) und einem Bogen zu besonderen<br />
Elementen der Ausführung zusammensetzen.<br />
Die Kriterien sollen laufend verbessert werden<br />
mit dem Ziel, definierte und transparente St<strong>and</strong>ards<br />
zur umwelttechnisch-ökologischen Beurteilung von<br />
Wohnbauvorhaben zu schaffen. Fernziel ist es, umwelttechnisch-ökologische<br />
Anforderungen als H<strong>and</strong>lungsroutinen<br />
in das Planungs- und Baugeschehen<br />
zu integrieren und den Wohnbau quasi "«von innen»<br />
durch Sensibilisierung, Weiterbildung und Aktivierung<br />
der beteiligten Akteure zu reformieren. Dabei<br />
wird den folgenden Punkten besondere Beachtung<br />
geschenkt:<br />
• Es soll eineprojektbezogene Opt<strong>im</strong>ierung umwelttechnischer<br />
und stadtökologischer Lösungen,<br />
abgest<strong>im</strong>mt auf St<strong>and</strong>ort und Thema des jeweiligen<br />
Bauvorhabens erreicht werden.<br />
• Investitionen in' <strong>Stadt</strong>ökologie, Umwelttechnik<br />
und hohe Planungsqualität sollen aus einer langfristigen<br />
Perspektive getätigtwerden.<br />
• Bereits in der Frühphase sollen Bauvorhaben so<br />
konzipiert" und realisiert werden, dass möglichst<br />
geringe externe Kosten oder Folgekosten <strong>im</strong> Bereich<br />
Umweit-Soziales-Mieterbelastung entstehen;<br />
weg vom Wegschauen vor den Folgewirkungen,<br />
Verantwortung für die Folgen übernehmen.<br />
• Insbesondere sollen «gesamtkostenverträgliche»<br />
Mehrkosten akzeptiert werden, wenn sie eine<br />
Entlastung der MieterInnen von Folgekosten<br />
(Betriebskosten, Erhaltungskosten) bewirken und<br />
damit den Gesamtwohnungsaufw<strong>and</strong> verringern,<br />
bei gleichen" zukünftigem Wohnungsaufw<strong>and</strong> eine<br />
Erhöhung der Wohn-, Gebäude- und Wohnumfeldqualität<br />
bewirken, externe Umweltkosten oder<br />
soziale Folgekosten min<strong>im</strong>ieren.<br />
• Mittelfristig sollen siedlungs-, stadt- und bauökologische<br />
und umwelttechnische St<strong>and</strong>ards für<br />
den Wohnbau geschaffen werden. Zur Schaffung<br />
der St<strong>and</strong>ards ist die Idee der Bauträgerwettbewerbe<br />
dem Weg der Konkurrenz um Wohnbauförderungsmittel<br />
verpflichtet und verwendet Normen<br />
zur Kontrolle der ausgewählten Angebote. Mit der<br />
Konkurrenz findet auch eine Umdefinition des/der<br />
WohnbauträgerIn statt: er/sie wird zum Anbieter<br />
einer «Dienstleistung Wohnbauschaffung» und ist<br />
nicht länger ProduzentIn für einen Massenmarkt in<br />
einer «geschützten Werkstätte».<br />
Mit diesen Grundsätzen wurde in der <strong>Stadt</strong> Wien<br />
bereits nach kurzer Zeit <strong>im</strong> Bereich Ökologie einiges<br />
erreicht. So ist zum Beispiel der Niedrigenergiest<strong>and</strong>ard<br />
<strong>im</strong> Wohnbau, der jahrelang mit dem Hinweis<br />
auf zu hohe Kosten zurückgewiesen wurde, seit<br />
den ersten Bauträgerwettbewerben zum de~facto<br />
St<strong>and</strong>ard <strong>im</strong> Wiener Wohnbau geworden. Die ersten<br />
beiden Bauträg~rwettbewerbezeigte auch ein erfreuliches<br />
Ergebnis in wirtschaftlicher Hinsicht: Die<br />
Kosten 5.1.3.2 Literatur zu den Bautriigerwettbewerben der <strong>Stadt</strong> Wien.<br />
durchschnittlichen Baukosten der Siegerprojekte<br />
liegen 15% tiefer als die früheren Projekte. Die Bauplanung<br />
der <strong>Stadt</strong> Wien fügt sich in ein Gesamtkonzept<br />
von <strong>Stadt</strong>planung zu der auch eine aktive<br />
Bürgerbeteiligung gehört (vgI. Kasten 5.1.3.2).<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
307
Gebäude<br />
_<br />
5.1.4 Das Wiener Modell und die Planung ffEntenteich»<br />
Kriterien gemäss Wiener Moden RahmenbediDgungen und Ziele Planung «Ententeich»<br />
Sonderbauvorschriften<br />
(Entwurf<br />
Dezember 1994)<br />
Ökologie <strong>im</strong> Bau<br />
(Anhang zum General-/<br />
Totalunternehmer-Vertrag<br />
der ABB, Juni 1995)<br />
(Quellen: Vorprojekt,<br />
Interview mit ABB, mit<br />
dem Architekturbüro)*<br />
1. Bautechnik/·<br />
Haustechnik<br />
1.1 Energieverbrauch • Spezifischer äquivalenter<br />
Transmissionswärmeverlust<br />
• Energiesparendes<br />
Bauen durch passive<br />
Solarenergienutzung<br />
• Energiebedarf,<br />
Abwärme und Abluft<br />
min<strong>im</strong>ieren<br />
• Eher negative<br />
Energiebilanz für<br />
Glasfassade nach<br />
Westen<br />
• Dachsanierung<br />
geplant<br />
• Südwestfassade in<br />
Glas und Metall<br />
• Gebäudeausrichtung<br />
gegeben<br />
1.2 EDergieversorgung • Heizsystem (z.B.<br />
duale Versorgung<br />
Fernwäme-Solar oder<br />
Fernwärme-Wärmerückgewinnung;<br />
Brennwerttechnik,<br />
Niedertemperaturheizung,<br />
Regelungstechnik)<br />
• Einsatz von Alternativenergien<br />
(z.B.<br />
aktive Solarenergienutzung.<br />
Wärmepumpen)<br />
• Wärmerückgewinnung<br />
(aus Abluft,<br />
Abwasser)<br />
1.3 Wasser • Brauchwassernut<br />
.zung<br />
• Grauwasserrecycling<br />
• Haushaltswasserzähler<br />
(Kaltwasserzähler)<br />
• Der Energiebedarf<br />
für Raumheizung<br />
und Warmwasser ist<br />
durch Fernwärme zu<br />
decken, soweit er<br />
nicht durch erneuerbare<br />
Energien oder<br />
Abwärme gedeckt<br />
wird. (Art. 29)<br />
• Das unverschmutzte<br />
Meteorwasser ist in<br />
geeigneter Weise dem<br />
Grundwasser, Vorflutern<br />
oder Retentionsflächen<br />
zuzuführen.<br />
• Meteorwasser, das<br />
nicht versickert<br />
werden darf, ist<br />
<strong>im</strong> Sinne von Art. 7<br />
GSchG und nach<br />
Massgabe des generellen<br />
Entwässerungsplans<br />
abzuleiten<br />
(Art. 30).<br />
• Abwasser min<strong>im</strong>ieren<br />
durch wassersparende<br />
Armaturen und<br />
Geräte<br />
• Regenwassernutzung<br />
(WC,etc.)<br />
Tob. 5.1.4 Ökologische Kriterien bei den Bauträgerwetfbeweroen der <strong>Stadt</strong> Wien (Korob, 1996) undderPlanung zum «Ententeich» (GSchG = Gewässerschutzgesetz;<br />
LSV = Liirmschutzverordnung; EFH = Einfamilienhaus).<br />
" Die Interviews mitABB undArchitekturbüro wurden nicht analog des Wiener Modells geführt, schon deshalb sind «Lücken» zu erwarten.<br />
Fortsetzung Tob. 5.1.4siehe nächste Seiten -7<br />
308 UNS-Fallstudie '96
______'__ ~ _'__ _'__ Gebäude<br />
Kriterien gemäss Wiener Modell RahmenbediDgungen und Ziele Planung «Ententeich"<br />
Sonderbauvorschriften<br />
(Entwurf<br />
Dezember 1994)<br />
Ökologie <strong>im</strong> Bau<br />
(Anhang zum General-/<br />
Totalunternehmer-Vertrag<br />
der ARB, Juni 1995)<br />
(Quellen: Vorprojekt,<br />
Interview mit ARB, mit<br />
dem Architekturbüro)*<br />
1.4 Innovative Technik • (v.a. innovative) bauund<br />
haustechnische<br />
Infrastruktur (z.B.<br />
mehrschalige kl<strong>im</strong>aregulierende<br />
Fassadensysteme,<br />
Einsatz<br />
von hochtransparenter<br />
Wärmedämmung)<br />
2. Bauökologie,<br />
'ressourcenschonendes<br />
Bauen<br />
2.1 Baustoffe und<br />
Baumaterialien<br />
• Verwendung von<br />
Materialien mit geringem<br />
Energieinhalt<br />
und möglichst umweltfreundlichem/r<br />
Produktzyklus,<br />
Produktlinie, bzw.<br />
Ökobilanz<br />
• Verwendung nachwachsender<br />
Materialien<br />
'und Rohstoffe<br />
• Trennbarkeit und<br />
Wiederverwertbarkeit<br />
(Wiederverwendung/<br />
Recovering, Wiederverwertung/Recycling)<br />
der Bauwerkskomponenten<br />
<strong>im</strong><br />
Abbruchfall<br />
• Geringer Energieaufw<strong>and</strong><br />
und schadstoffarme<br />
Herstellung,<br />
Regenerierbarkeit<br />
und Wiederwerwendbarkeit<br />
• Verzicht auf umweltschädliche<br />
Werkstoffe<br />
(z.B. einhe<strong>im</strong>isches<br />
Holz verwenden)<br />
• Gezielter Rückbau:<br />
Abfalltrennung,<br />
Recycling<br />
• Wohntrennwände:<br />
Calinosteine<br />
• Fassade: Backstein<br />
(alt), Glas/Metall<br />
• Glas-/Metallfassade.<br />
Gründe: Licht, Sicht<br />
auf Park<br />
2.2 Konstruktion<br />
• Aufbau und Zusammenwirken<br />
der<br />
Einzelbauteile (z.B.<br />
Atissenw<strong>and</strong>aufbau:<br />
mehrschaliger oder<br />
einschaliger Aufbau,<br />
hinterlüftete Fassaden)<br />
• Verarbeitung der Baustoffe<br />
(z.B. geklebter<br />
oder gedübelter<br />
Vollwärmeschutz)<br />
....bei Gebäuden mit<br />
einer Gebäudehöhe<br />
von mehr als 5 m<br />
sind nur Flachdächer<br />
oder Pultdächer mit<br />
einer Neigung von<br />
max<strong>im</strong>al 1O' gestattet<br />
(Art. 20) (dies ist eine<br />
Voraussetzung für<br />
die Realisierung von<br />
Gründächern).<br />
• Charakter des Gebäudes<br />
wird erhalten<br />
• Stahlprofile<br />
• Sanitärkonstruktion:<br />
je ein Strang pro<br />
Einheit,<br />
daher: Materialverbrauch,<br />
Wartung,<br />
Isolation opt<strong>im</strong>al<br />
• Bestehende Konstruktion<br />
wird genutzt<br />
• Zwischenböden<br />
• «EFH» <strong>im</strong> Gebäude<br />
• Interessante, Iiftähnliche<br />
Wohnungen<br />
• Charakter eines<br />
schönen Industriebaus<br />
erhalten<br />
Forsetzung Tab. 5.1.4 Ökologische Kriterien bei den Bauträgerwettbewerben der <strong>Stadt</strong> Wien (Korab, 1996) undder Planung zum «Ententeich.<br />
Fortsetzung Tob. 5.1.4siehe nächste Seite ~<br />
UNS-Fallstudie '96 309
Gebäude<br />
_<br />
Kriterien gemäss Wiener Moden .Rahmenbedingungen und Ziele Planung «Ententeich»<br />
Sonderbauvorschriften<br />
(Entwurf<br />
Dezember 1994)<br />
Ökologie <strong>im</strong> Bau<br />
(Anhang zum General-j<br />
Totalunternehmer-Vertrag<br />
der ABR, Juni 1995)<br />
(Quellen: Vorprojekt,<br />
Interview mit ABR, mit<br />
dem Architekturbüro)*<br />
2.3 Bauphysikalischkl<strong>im</strong>atische<br />
Qualität<br />
der Konstruktionselemente<br />
und<br />
Bauteile<br />
• Wärmetechnische<br />
Qualität der Bauteilej<br />
Wärmedämmung<br />
(Aussenbauteile,<br />
Fenster)<br />
• Dampfdiffusionsoffenheit,<br />
Schadstofffreiheit,<br />
Auswirkungen<br />
auf das Innenraumkl<strong>im</strong>a<br />
• Neue Dachisolation<br />
gemäss St<strong>and</strong> der<br />
Technik<br />
• Eher negative<br />
Energiebilanz für<br />
Glasfassade nach<br />
Westen<br />
3. Wohnökologie<br />
3.i Materialien und<br />
Ausführungsqualität<br />
(Innenausbau)<br />
• Materialien und<br />
Ausführungsqualität<br />
<strong>im</strong> Innenausbau (z.B.<br />
Zwischenw<strong>and</strong>aufbau,<br />
Bodenbeläge,<br />
Innenanstriche und<br />
Farben), bewertet<br />
hinsichtlich Materialqualität,<br />
Behaglichkeit/lnnenraumkl<strong>im</strong>a,<br />
Schadstofffreiheit<br />
• Wohnungsinterne<br />
Wände: Backstein und<br />
Gips<br />
• Innen: Weissputz,<br />
Metalltreppen,<br />
Zementmörtelunterlagen,<br />
Parkettböden<br />
3.2 SChalltechnische<br />
Qualität<br />
• Schalltechnische<br />
Qualität der Bauteile<br />
(Aussenwände,<br />
Wohnungstrennwände,<br />
Fenster)<br />
• Empfindlichkeitsstufe<br />
111 gemäss Art. 43 LSV,<br />
d.h. mässig störende<br />
Betriebe sind zugelassen<br />
(Art. 8)<br />
• Lage an wenig<br />
befahrener Strasse<br />
• Tiefgarageneinfahrt<br />
auf Bahnhofseite<br />
3.3 Besonnung und<br />
Belichtung<br />
.• Besonnung und<br />
Belichtung der Wohnund<br />
Aufenthaltsräume<br />
• Sonnenschutzgläser<br />
aufgrund ganzjähriger<br />
Tageslichteinbusse<br />
<strong>im</strong> Innenraum<br />
vermeiden<br />
• Gebäudeausrichtung<br />
gegeben<br />
• Grosse Glasflächen<br />
auf Ost-und Westseite<br />
• «Wintergarten» (eher<br />
Gemeinschaftsraum)<br />
lässt licht in die<br />
Wohnungen hinein<br />
3.5 Elektrosmog<br />
• Netzfreischalter<br />
• Erdstrahlung mit<br />
den massiven Stahlbetonböden<br />
stark<br />
abgelenkt<br />
3.6 Raumkl<strong>im</strong>a<br />
• Strahlungsheizung<br />
3.7 Private Freiräume<br />
und Grünflächen<br />
(sofern nicht unter<br />
4. erfasst)<br />
• Angehote an privaten<br />
und wohnungsbezogenen<br />
Freiräumen.<br />
und Grünflächen<br />
(sofern sie unmittelbar<br />
zur Steigerung<br />
der Wohnqualität<br />
beitragen und nicht<br />
unter 4. erfasst sind)<br />
• Kleine Gärten/Vorgärten<br />
ForsetzungTab.5.1.4 Ökologische Kriterien bei den Bauträgerwettbewerben der <strong>Stadt</strong> Wien (Korab, 1996) undder Planung zum .Ententeich»<br />
Fortsetzung Tab. 5.1.4siehe nächste Seite ~<br />
310 UNS-Fallstudie '96
____________-----------------------------Gebäude<br />
Kriterien gemäss Wiener Modell Rahmenbedingungen und Ziele Planung ~Ententeich»<br />
Sonderbauvorschriften<br />
(Entwurf<br />
Dezember 1994)<br />
Ökologie <strong>im</strong> Bau<br />
(Anhang zum General-/<br />
Totalunternehmer-Vertrag<br />
der ARB, Juni 1995)<br />
(Quellen: Vorprojekt,<br />
Interview mit ARB, mit<br />
dem Architekturbüro)*<br />
4. <strong>Stadt</strong>ökologie,<br />
Freiraum,<br />
Grünraum<br />
4.1 Flächenverbrauch<br />
• Flächenverbrauch/<br />
Flächenintensität<br />
(beinhaltet u.a. auch<br />
innovative Stellplatzlösungen,<br />
Sammelgaragen;<br />
geringer<br />
Flächenverbrauch für<br />
Garagenerschliessung<br />
und für die Erschliessung<br />
allgemein,<br />
sofern damit nicht<br />
die Freiraumqualität<br />
erhöht wird)<br />
• Tiefgarage<br />
• Parkplatz-Sharing mit<br />
Bürogebäude<br />
4.2 Versiegelung<br />
• Verslegelungsgrad<br />
• Parkplätze: Versiegelnde<br />
Beläge<br />
vermeiden (Schotterrasen,<br />
Rasengittersteine)<br />
• Versiegelung durch<br />
Tiefgarage neben<br />
dem Gebäude<br />
4.3 Wasserhaushalt<br />
• Niederschlagswasserversickerung<br />
• Das unverschmutzte<br />
Meteorwasser ist in<br />
geeigneter Weise dem<br />
Grundwasser, Vorflutern<br />
oder Retentionsflächen<br />
zuzuführen.<br />
Meteorwasser, das<br />
nicht versickert werden<br />
darf, ist <strong>im</strong> Sinne<br />
von Art. 7 GSchG und<br />
nach Massgabe des<br />
generellen Entwässerungsplans<br />
abzuleiten<br />
(Art. 30).<br />
• Dach- und Platzentwässerung:<br />
Möglichkeit der<br />
Entwässerung vor<br />
Ort<br />
• «Keine Dachbegrünung»<br />
(allgemeine<br />
Aussage)<br />
4.4 Begrünung<br />
• Dachbegrünung,<br />
Fassadenbegrünung<br />
• Flachdächer sind zu<br />
begrünen, soweit<br />
dadurch die ordentliche<br />
Nutzung der<br />
Gebäude nicht übermässig<br />
erschwert<br />
wird (Art. 20).<br />
4.5 Grünflächenqualität<br />
• Ökologische Qualität<br />
der Grünflächen<br />
• he<strong>im</strong>ische Gräser,<br />
Magerwiesen, Biotope<br />
anstelle von Zierras~n<br />
• he<strong>im</strong>ische, st<strong>and</strong>ort<br />
~ypische Pflanzen<br />
4.6 Nutzbarkeit<br />
• Nutzbarkeit der<br />
Freiräume und<br />
Gemeinschaftsflächen<br />
• Tiefgarage<br />
Fortsetzung Tab. 5.1.4 Ökologische Kriterien bei den Bauträgerwettbewerben der <strong>Stadt</strong> Wien (Korab, 1996) undder Planung zum «Ententeich» (GSchG<br />
= Gewässerschutzgesetz; LSV= Lärmschutzverordnung; EFH =Einfamilienhaus).<br />
.. Die Interviews mit ABB undArchitekturbüro wurden nichtanalog des Wiener Modells geführt, schon deshalb sind «Lücken» zu erwarten.<br />
Fortsetzung Tab. 5.1.4siehe nächste Seite ~<br />
UNS-Fallstudie '96 311
Gebäude -:-- -:-- _<br />
Kriterien gemäss Wiener Modell Rahmenbedingungen und Ziele Planung ccEntenteich"<br />
Sonderbauvorschriften<br />
(Entwurf<br />
Dezember 1994)<br />
Ökologie <strong>im</strong> Bau<br />
(Anhang zum General-/<br />
Totalunternehmer-Vertrag<br />
der ABB, Juni 1995)<br />
(Quellen: Vorprojekt,<br />
Interview mit ABB, mit<br />
dem Architekturbüro)*<br />
4.7 Gemeinschaftseinrichtungen<br />
.. Angebot an Gemeinschaftseinrichtungen<br />
<strong>im</strong> Wohnumfeld<br />
.. Gl!meinschaftsräume<br />
<strong>im</strong> Parterre<br />
.. Mögliche Gemeinschaftsräume<br />
<strong>im</strong><br />
Treppenhaus<br />
4.8 Städtebau<br />
.. Städtebauliche<br />
Konfiguration (Zusammenspiel<br />
von<br />
Gebäude und Frei-<br />
, raum)<br />
.. Abst<strong>and</strong> zu Nachbargrundstücken<br />
9 m,<br />
zu Strassen 6 m ,<br />
.. Park<br />
.. Ohne Park kein<br />
Wohnen<br />
.. Gemäss Leitbild:<br />
Nähe zum Park,<br />
Neben Bürogebäuden<br />
4.9 Entsorgung<br />
.. Entsorgung und Müll<br />
(z.B. Mülltrennung,<br />
Eigenkompostierung)<br />
.. Abfiille (Art. 30)<br />
.. Altlasten (Art. 32)<br />
.. Abfall min<strong>im</strong>ieren<br />
Fortset;r,ung Tab. 5.1.4 Ökologische Kriterien bei den Hauträgerwettbewerben der <strong>Stadt</strong> Wien (Korab, 1996) undder Planung zum «Ententeich» (GSchG<br />
= Gewässerschut;r,geset;r,; LSV= Lärmschut;r,verordnung; EFH = Einfamilienhaus),<br />
.. Die Interoiewsmit AHH undArchitekturbüro wurden nichtanalog des Wiener Modells geführt, schon deshalb sind «Lücken» zu erwat1en.<br />
5,1.5 Bauplanungs·Umweltmanagement in der ABB<br />
Der Konzern ABB hat eine stark differenzierte<br />
Matrixstruktur, in der sich eine Organisation nach<br />
Geschäftsbereichen und eine Regionalorganisation<br />
kreuzen. Einige Bereiche wurden in den letzten<br />
Jahren «outgesourct", z.B. wurde die ABB-Gebäudebewirtschaftung<br />
auf dem ZZN-Areal an die heutige<br />
Göhner Merkur-Gruppe verkauft. Im Laufe der Zeit<br />
entst<strong>and</strong>en viele selbständige ABB-Tochtergesellschaften<br />
und Zulieferfirmen, die über Kapitalanteile der<br />
ABB oder Dienstleistungen mit der ABB verbunden<br />
sind. Schon von daher ist die Implementation eines<br />
Umweltmanagements in allen ABB-Konzernbereichen<br />
nicht als einfach zu beurteilen. Die ABB Immobilien<br />
AG hat sich am 10.9.96 entschieden, sich bis 1998<br />
nach ISO 14001 zertifizieren zu lassen.<br />
Kasten 5,1,5 Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit,<br />
312 UNS- Fallstudie '96
----------'--------------_------_-----------Gebäude<br />
Es gibt gerade in der ABB gute<br />
Ansätze für ein umfassendes<br />
Umweltmanagement. Alle Firmen<br />
der ABB Schweiz sind - so Alois<br />
Sonnenrnoser, Mitglied der Geschäftsleitung<br />
derABB Schweiz<br />
'zertifiziert nach der ISO-Norm<br />
9001 und haben mithin ein Total<br />
Quality-Management eingeführt; die<br />
Firmen werden jährlich auf ihre<br />
«Fähigkeit der kontinuierlichen<br />
Verbesserung» hin bewertet (Sonnenmoser,<br />
1996, Kap. 3.3). Gerade<br />
in der Verbindung von Qualitätsmanage~ent<br />
(ISO 9001) und Umweltmanagement<br />
(ISO' 14001) besteht<br />
heute eine Chance zu einer<br />
effektiven und effizienten Implementaiion<br />
von Umweltmanagement<br />
(vgl. z.B. SBV, 1995). Überlegungen<br />
z;ur Wirtschaftlichkeit<br />
von Umweltschutz bzw. Umweltmanagement<br />
werden auch in der<br />
ABB angestellt (vgl. Kasten 5.1.5).<br />
Auch die Bauplanung der ABB<br />
wurde bereits von nenen Konzepten<br />
zur umfassenden Qualitätssicherung betroffen.<br />
Für das «Konnex»-Bürogebäude in Baden wurde<br />
eine «Gesamtlösung» in den elektrorelevanten Bereichen<br />
wie «Schaltanlagen», «Telekommunikation»,<br />
«Beleuchtung«, «Gebäudeleitsysteme», etc.<br />
gesucht. Die ABB bietet sich hier als «Elektro<br />
Fach-GU» (G~neralunternehmerin) an und zwar als<br />
«Partner über den gesamten Gebäude-Lebenszyklus<br />
(Planung, Realisierung, Betrieb»> (Fässler, 1996).<br />
Ähnliche Gesamtlösungen könnten auch für die ABB<br />
Immobilien AG interessant sein. So könnte eine ISO<br />
14001-Zertifizierung zu einem wirklichen «Gütesiegel»<br />
<strong>im</strong> Sinne der ABB-Geschiiftsleitung werden.<br />
5.2<br />
Entscheidungsunterstützung <strong>im</strong><br />
Umweltmanagement durch<br />
umweltnaturwissenschaftlich~<br />
Methoden<br />
Die Perspektive des Planers oder der Planerin ist<br />
von der Perspektive der Umweltnaturwissenschaften<br />
verschieden. Die Umweltnaturwissen,schaften fragen<br />
nach der Validität und Güte von ökologischen Kriterien.<br />
Kriterienlisten wie etwa bei den Wiener<br />
Bauträgerwettbewerben müssen sich einer genaueren<br />
Untersuchung unterziehen lassen. Für PlanerInnen<br />
und EntscheidungsträgerInnen <strong>im</strong> Bauprozess<br />
gelten <strong>and</strong>ere Massstäbe, z.B. Praktikabilität und<br />
umweltnaturwissenschaftliche<br />
Methoden<br />
(inkl.Synthesemethoden)<br />
Abb. 5.2.1 Umweltnaturwissenschaftliche' Methoden können zur Entscheidungsunterstützung in<br />
einem Umweltmanagementsystem dienen (umweltnaturwissenschaftliche Aspekte kommen auch bei der<br />
Zie1fi,!dung undinsbesondere der Datenerhebung zum Tragen).<br />
Kosteneffizie.nz. Aus dieser Sicht gewinnen die<br />
Kriterien der Wiener Bauträgerwettbewerbe dadurch<br />
an Gewicht, dass sie bereits erfolgreich angew<strong>and</strong>t<br />
werden konnten.<br />
Die Implementation eines Umweltmanagementsystems<br />
ist noch einmal eine <strong>and</strong>ere Aufgabe. Für<br />
ein Umweltmanagement <strong>im</strong> Bauablauf muss das<br />
Verhältni-s von einem betrieblichen Management<br />
und einem Projektumweltmanagement geklärt werden.<br />
Ein Projektumweltmanagement müsste alle<br />
an einem Projekt beteiligten Prozesse erfassen (z.B.<br />
zur Entwicklung und Fertigung eines best<strong>im</strong>mten<br />
Produktes); dies würde nur einen Teil der'betrieb:'<br />
lichen Abläufe erfassen, müsste jedoch u. U. externe<br />
Prozesse (z.B. Zulieferer) mit einbeziehen. Die Konzepte<br />
hierfür sind nur <strong>im</strong> Ansatz entwickelt (vgl. z.B.<br />
Lutz et al., 1995).<br />
Im Prinzip kann auch die Normenfamilie ISO<br />
140QO das gesamte Baumanagement - von der Planung<br />
bis über die Bauausführung hinaus - als eine<br />
«Organisation» erfassen. Eine sinnvolle Ergänzung<br />
zur Norm ISO 14001 stellt in dieser Hinsicht<br />
die ISO 14004 (1996) «Environmental Management<br />
System - General Guidelines on Principles, Systems<br />
<strong>and</strong> Supporting Techniques» dar. Diese Norm befasst<br />
sich damit, wie ein wirkungsvolles Umweltmanagementsystem<br />
aufgebaut werden kann. Für<br />
die Beurteilung der umweltorientierten Leistungen<br />
stehen zudem die ISO 14031 «Environtnental Performance<br />
Evaluation» und die ISO 14040-43 «Life<br />
l<br />
I<br />
UNS.Fallstudie'96 313
Gebäude:<br />
_<br />
Cycle Assessment» zur Verfügung. Beide Normen<br />
sind in einem fortgeschrittenen Entwurfsstadium.<br />
Die Arbeit der Synthesegruppe GEBÄUDE wollte<br />
aufzeigen, wie umweltnaturwissenschaftlicheAspekte<br />
in einem Umweltmanagementsystem zum Tragen<br />
kommen können. Ein Beitrag besteht, wie diskutiert,<br />
darin, ökologische Kriterien und Indikatoren<br />
zur Verfügung zu stellen, so dass zu den firmeneigenen<br />
umweltspezifischen Aspekten die nötigen.<br />
Informationen erhoben werden können. Eine Stärke<br />
umweltnaturwissenschaftlicher Methoden und insbesondere<br />
der Synthesemethoden ist darüberhinaus<br />
die Entscheidungsunterstützung (vgI. auch Abb.<br />
5.2.1 und 5.2.2). Umweltdaten werden gesamthaft<br />
bewertet und zu einem sinnvollen Gesamtbild aggtegiert.<br />
Eine mögliche Weiterführung der begonnenen<br />
Arbeit wäre z.B. die Konstruktion eines einfachen<br />
«Umbauindexes». Ein solcher Index müsste, soll<br />
er praktikabel sein, als eine Art Faustregel dienen<br />
können, gleichsam als verkürzte Stoffflussanalyse.<br />
Er würde dem/der PlanerIn oder BauherrIn einen<br />
Anhaltspunkt geben, ob für ein best<strong>im</strong>mtes Gebäude<br />
mit Sicht auf eine best<strong>im</strong>mte Nutzung ein Umbau<br />
ökologischer ist als der Neubau; nötigenfaiIs würde<br />
sich eine Detailanalyse anschliessen. Dies entspräche<br />
nicht ganz der Vision, dem/der PlanerIn<br />
bei jedem Planungsstrich die umweltspezifischen<br />
Aspekte aufzeigen zu können. Es würde aber zur<br />
praktischen Entscheidungshilfe beitragen.<br />
Die Betrachtung der umweltspezifischen Aspekte<br />
des Bauens und der Gebäude richtet unseren Blick<br />
auf den Lebenszyklus von Gebäuden: Planung,<br />
Ausführung, Nutzung und Rückbau. Die Betrachtung<br />
des Umweltmanagements lenkte den Blick auf<br />
eine umweltnaturwissenschaftliche Perspektive, geformt<br />
aus Umweltzielen, ökologischen Kriterien und<br />
Indikatoren, sowie den umweltnaturwissenschaftlichen<br />
Methoden der Erhebung und Aggregierung<br />
von Daten.<br />
Methode<br />
Bauökologie<br />
g>~===:::::::<br />
~ Wohnökologie<br />
cu<br />
ä:<br />
giftklassefreie<br />
Baustoffe<br />
Abfalltrennung<br />
ZZN<br />
Sozialverträglichkeit<br />
ABB-Umweltziele<br />
Machbarkeit<br />
Planungsentscheidungen<br />
Bauabfälle<br />
Humantoxizität<br />
Abb. 5.2.2. Der Einsatz umweltnaturwissenschaftlicher<br />
Methoden<br />
zurSynthese von Daten zum Bauprozess<br />
nach dem «Brunswikschen<br />
Linsenmodell» (vgl. Abb. 3.2.1).<br />
Für jede Phase des Lebenszyklus.<br />
gibt es ökologische Kriterien sowie<br />
umweltnaturwissenschaftliche Methoden<br />
zur Datenerhebung und<br />
Synthese. (UMS = Umweltmanagementsystem,<br />
SFA = Stoffflussana<br />
Iyse, LCA = ÖkobilanzlLije Cycle<br />
Analysis).<br />
314 UNS-Fallstudie '96
-------------~---- ~ Gebäude<br />
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UNS-Fallstudie '96<br />
315
Gebäude ~ _'__'_ -----'---------<br />
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Zürich: Verlag Industrielle Organisation.<br />
316 UNS-Fallstudie '96
Anhang. ----'_~~ ~ Formative Szenarioanalyse<br />
Formative Szenarioanalyse<br />
AutorInnen<br />
Bettina Baumgartner<br />
. Monika Kuratb<br />
Micbael Stauffacber (Tutor)<br />
Aufbauend auf der Ar"eit der wissenschaftlichen Ar"eitsBJ1I"e (Teil,rojektBJ1I"e PERSPEITWEN)<br />
Bettina Baumgartner<br />
Catberine Wyler<br />
Nicole Gysin<br />
Marc A. Scbarli (Tutor)<br />
Monika Kuratb<br />
Szenarioanalysen werden in der UNS-Fallstudie<br />
schon seit drei Jahrenangew<strong>and</strong>t (Scholz et al., 1995;<br />
Scholz et al., 1996). Dabei wird die Formative Szenarioanalyse<br />
als eine wissenschaftliche Methode zur<br />
Wissensintegration bzw. Synthese verst<strong>and</strong>en (vgl.<br />
Scholz& Tietje, 1996; Minx et al., 1993), die <strong>im</strong><br />
Rahmen der Fallstudie laufend weiterentwickelt<br />
wird. Wir beschränken uns <strong>im</strong> folgenden auf einen<br />
knappen Überblick zu den einzelnen Schritten des<br />
Forschungsprozesses. Detaillierte, theoretische Ausführungen<br />
finden sich in den oben zitierten Schriften<br />
und in Götze (1993) sowie Missler-Behr (1993).<br />
Einen sehr praxisbezogenen Leitfaden liefert von<br />
Reibnitz (1992). Diejenigen LeserInnen, welche die<br />
Techniken der Szenarioanalyse <strong>im</strong> Detail ·an einem<br />
Schritt 1: Zielsetzung , Schritt 2: , Schritt 3:<br />
der Szenarioanalyse<br />
-' Systemeigenschaften .. Einflussfaktoren<br />
Schritt 6: .- Schritt 5: .- Schritt 4:<br />
Gerichteter Graph<br />
~<br />
System~Grid "' Einflussmatrix<br />
,"<br />
Schritt 9:<br />
Schritt 7:<br />
, Schritt 8: Reduktion<br />
- Trendprojektionl<br />
Mic-Mac-Analyse .. der Einflussfaktoren<br />
Konsistenzanalyse<br />
Abb. I Die elfSchritte der Formativen Szenarioanalyse.<br />
Schritt 11: Strategienl .- Schritt 10:<br />
Szenariobewertung .... ·Szenariokonstruktion<br />
Beispiel nachvollziehen möchten, seien auf Hassler<br />
et al. (1995) und Schärli & Hassler (1996) verwiesen.<br />
Die Durchführung einer Formativen Szenarioanalyse<br />
erfordert den Einsatz von ca. einem halben Dutzend<br />
Personen über mehrere Wochen und ist damit<br />
sehr arbeits-, zeit-, personal- und kostenintensiv<br />
(Missler-Behr, 1993).<br />
1. Zielsetzung der Szenllrioanalyse<br />
Szenarien stellen hypothetische Zukunftsbilder dar,<br />
die <strong>im</strong> Gegensatz zur Prognose bewusst losgelöst von<br />
der Gegenwart entstehen. Die Wahrscheinlichkeit,<br />
mit der ein best<strong>im</strong>mtes Szenario eintrifft, ist dabei.<br />
nicht zentral (diese könnte aber mit einer Cross-<br />
Impact Analyse ermittelt werden,<br />
vgl. Götze, 1993). Vielmehr<br />
geht es darum, dass<br />
, IL<br />
, I,<br />
ein Szenario konsistent, d.h.<br />
inöglichst widerspruchsfrei<br />
ist. Szenarien sind ein<br />
Werkzeug, um exogene<br />
Rahmenbedingungen und<br />
den eigenen H<strong>and</strong>lungsspielraum<br />
zu identifizieren.<br />
Durch ihre Hilfe können<br />
z.B; Konzepte und ihre<br />
Auswirkungen unter verschiedenen<br />
Rahmenbedingungenkritisch<br />
überprüft<br />
werden..Ziel einer Szenarioanalyse<br />
ist es somit, mögliche<br />
Zukunftsbilder aufzuzeichnen,<br />
um sich mit den<br />
verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten<br />
ausein<strong>and</strong>erzusetzen<br />
und somit<br />
auch die Gegenwart besser<br />
zu verstehen.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
317
Formative Szenarioanalyse<br />
2. Systemeigenschllften<br />
Um die Eigenschaften des betrachtetenSystems zu<br />
untersuchen, müssen wichtige Veränderungsfaktören<br />
und Entwicklungskräfte herauskristallisiert und mitein<strong>and</strong>er<br />
in Zusammenhang gebracht werden. Es<br />
werden die Vorgaben <strong>im</strong> System erfasst und dessen<br />
Stärken bzw. Schwächen abgeschätzt.<br />
3. Einflussfllktoren<br />
Zur Beschreibung des Systems müssen die Einflussfaktoren,<br />
welche direkt auf die Systemprozesse wirken,<br />
bekannt sein. Mittels Literaturrecherche, 'Expertengesprächen<br />
und Gruppendiskussionen werden<br />
möglichst viele Einflussgrössen ~usammengetragen<br />
und anschliessend die wichtigsten, systembest<strong>im</strong>menden<br />
Schlüsselfaktoren daraus herausgeschält.<br />
4. Einflussmatrix<br />
Die Einflussmatrix ist eine zweid<strong>im</strong>ensionale Tabelle,<br />
in der alle Faktoren gegenein<strong>and</strong>er aufgestellt<br />
und die direkten Einflüsse zwischen ihnen eingetra-<br />
,gen werden.Je nach Einflussstärke werden folgende<br />
Werte zugeteilt: 0: «kein Einfluss», 1: «schwacher<br />
Einfluss», 2: «starker Einfluss» (für eine Analyse<br />
alternativer Werte siehe Schärli & Hassler, 1996).<br />
Es wird dabei der Einfluss des Zeilenfaktors aufden<br />
Spaltenfaktor betrachtet und nur direkte Einflüsse<br />
berücksichtigt, indirekte Einflüsse werden nicht<br />
gewertet. Als indirekt gilt ein Einfluss dann, wenn<br />
er über einen dritten, in der Matrix ebenfalls enthaltenen<br />
Einflussfaktor, wirkt. Da der Zeilenfaktor der<br />
beeinflussende und der Spaltenfaktor der beeinflusste<br />
Faktor ist, stellt die Zeilensumme ein Mass<br />
für die Aktivität dar, und die Spaltensumme entsprechend<br />
ein Mass für die Passivität (vgl. Scholz et al.,<br />
1996, S. 39).<br />
5. System-Grid<br />
Das System-Gridist ein Koordinatensystem, welches aus<br />
den Achsen «Aktivität» und «Passivität» besteht. In<br />
dieses Koordinatensystem werden alle Einflussgrössen,<br />
entsprechend ihrer Zeilen- und Spaltensumme,<br />
eingetragen. Das Koordinatensystem wird durch eine<br />
Senkrechte und eine Waagrechte, die durch den<br />
Durchschnittspunkt führen, aufgeteilt (Durchschnitt<br />
der Aktivität bzw. Passivität). Dies ergibt die folgenden<br />
vier Teile des System-Grids:<br />
aktiv: (hohe Aktivität und geringe Passivität) wenig<br />
beeinflussbare Grössen, welche aber einen starken<br />
Einfluss auf <strong>and</strong>ere Grössen ausüben.<br />
passiv: (hohe Passivität und geringe Aktivität)<br />
Grössen, welche durch <strong>and</strong>ere Einflussgrössen be-<br />
Anhang<br />
einflusst werden, ohne selbst einen starken Einfluss<br />
auszuüben.<br />
ambivalent:, (sowohl hohe Aktivität als auch Passivität)<br />
Grössen, welche stark beeinflusst werden und<br />
selber auch starken Einfluss auf <strong>and</strong>ere Systemgrössen<br />
ausüben.<br />
puffernd: (tiefe Aktivität und tiefe Passivität) Grössen,<br />
welche sowohl geringen Einfluss auf, als auch<br />
geringe Beeinflussbarkeit durch <strong>and</strong>ere Systemkomponenten<br />
aufweisen.<br />
6. Gerichteter Graph<br />
Der Gerichtete Graph ist eine graphische Darstellung<br />
der Einflussmatrix (Einflussfaktor als Kasten, Einflüsse<br />
als Pfeile). Die Richtung des Pfeils gibt dabei<br />
die Richtung der Beeinflussung an (vgl. Zwicker &<br />
Schärli, 1996, S. 214).<br />
7. Mic-Mac-Anlilyse<br />
Mit der Mic-Mac-Analyse können die einzelnen Faktoren<br />
nach der Stärke ihres indirekten' Einflusses<br />
(Passivität) geordnet werden, es erfolgt ein erster<br />
Einblick in die Dynamik desSystems. Die Ordnung<br />
der Stärken wird über die Multiplikation der Ein,<br />
flussmatrix erstellt. Die Einflussmatrix wird so lange<br />
mit sich selbst multipliziert, bis sich die Ränge der<br />
Zeilensummen, Spaltensummen und der Hauptdiagonalen<br />
nicht mehr verändern. Anh<strong>and</strong> dieser<br />
Summen können die Faktoren in eine Reihenfolge<br />
gebracht werden. Auch mit dieser indirekten Einflussmatrix<br />
kann zur graphischen Veranschaulichung<br />
ein System-Grid erstellt werden.<br />
8. Reduktion der Eiirflussfaktoren<br />
Der Schritt «Reduktion der Einflussfaktoren» wurde<br />
zusätzlich gegenüber Hassler et al. (1995), Scholz<br />
& Tietje (1996) sowie Zwicker & Schärli (1996) in<br />
die Arbeitsfolge aufgenommen. Hierwerden die Einflussfaktoren<br />
auf die wesentlichen, systemcharakterisierenden<br />
Faktoren reduziert. Als Hilfsmittel für<br />
diesen Schritt dienen der Gerichtete Graph, die Rangfolgen<br />
der Einflussfaktoren nach ihrer direkten und.<br />
indirekten Aktivität sowie die System-Grids.<br />
Bei der Auswahl werden folgende Grundsätze beachtet:<br />
• Aktive Faktören werden passiven Faktoren vorgezogen.<br />
• Wenn die Einflussfaktoren in übergeordneten<br />
Gruppen zusammengefasst sind, sollen auch nach<br />
der Reduktion aus allen Gruppen Faktoren vertreten<br />
sein. Dies erlaubt auch passive Faktoren,<br />
. wie zum Beispiel die Umweltqualität, miteinzubeziehen.<br />
318<br />
UNS-Fallstudie '96
Anhang ---.:. -:-- ~Formative Szenarioanalyse<br />
• Die ausgewählten Faktoren sollen für die Beschreibung<br />
der Szenarien wesentlich sein, wobei<br />
die Zielsetzung beachtet werden muss. Selbstverständlich<br />
können auch puffernde Faktoren ausgewählt<br />
werden.<br />
9. TrelldprojektiolljKollsistellzlIlIlIlyse<br />
Zu den ausgewählten Einflussfaktoren sind Ausprägungen<br />
zu definieren. Diese zeigen mögliche Entwicklungen<br />
auf und veranschaulkhen dadurch, wie<br />
sich die Einflüsse in Zukunft präsentieren können<br />
(Trendprojektion). Für jeden Einflussfaktor werden<br />
mindestens zwei, möglichst gegensätzliche, Ausprägungen<br />
erarbeitet.<br />
Anschliessend werden die Einflüsse mit ihren Ausprägungen<br />
in einer Matrix gegenein<strong>and</strong>er aufge.:<br />
tragen und bewertet. Bei der Bewertung ist zu beachten,<br />
dass die Ausprägungen in ihrer gegenseitigen<br />
Beeinflussung bei gleichzeitigem Auftreten betrachtet<br />
werden.<br />
Die Werte der Konsistenzmatrix können sein:<br />
-1: inkonsistent, d.h. die beiden Ausprägungen kön~<br />
nen nicht gleichzeitig auftreten<br />
0: unabhängig, d.h. die beiden Ausprägungen haben<br />
keinen Zusammenhang<br />
1: fördernd, d.h.die beiden Ausprägungen beeinflussen<br />
sich gegenseitig positiv<br />
2: bedingend, d.h. die zwei Ausprägungen, können<br />
nur gleichzeitig auftreten.<br />
Die Konsistenzmatrix veranschaulicht die Zusammenhänge<br />
zwischen den verschiedenen Ausprägungen<br />
uml zeigt, welche Kombinationen von Ausprägungen<br />
zusammen vorkommen können und welche nicht.<br />
10. Szellllriokollstruktioll<br />
Alle mpglichen Kombinationen der Ausprägungen<br />
ergeben eine unüberschaubare Zahl an Szenarien.<br />
Mit einem einfachen Algorithmus werden diejenigen<br />
ausgeschlossen, die zumindest einen inkonsistenten<br />
Zusammenhang aufweisen. Zusätzlich werden für<br />
alle Szenarien die Werte aus der Konsistenzmatrix aufsummiert<br />
bzw.multipliziert. Je höher diese Summe<br />
bzw. das Produkt ist, desto vernetzter ist das Szenario<br />
in sich (d.h. mehr Ausprägungen beeinflussen sich<br />
gegenseitig positiv oder können nur gleichzeitig auftreten).<br />
In der anschliessenden Auswahl der Szenarien sind<br />
.folgende Grundsätze zu beachten: das Szenario muss<br />
konsistent und die Summe der Konsistenzwerte soll<br />
möglichst hoch sein.<br />
Parallel z~r Formativen 'Szenarioanalyse werden<br />
unt.erschiedlicheZukunftsbilder intuitiv erstellt. Für<br />
jedes dieser Bilder werden anschliessend die beschrei-<br />
benden Einflussfaktoren best<strong>im</strong>mt und die zugehörigen<br />
Ausprägung ausgewählt.<br />
FÜr diese Zukunftsbilder wird nun jenes Szenario<br />
ausgewählt, das die geforderten Bedingungen (Ausprägungen<br />
der Einflussfaktoren) erfüllt und gleichzeitig<br />
am konsistentesten ist (möglichst hohe Summe<br />
der Konsistenzwerte).<br />
11. StrlltegielljSzellllriobewertulIg<br />
Zum Schluss werden Strategien entwickelt, um best<strong>im</strong>mte<br />
Zieleinnerhalb der Szenarien zu realisieren.<br />
Die Szenarien können <strong>im</strong> wdteren auch bezüglich<br />
ihrer Wünschbarkeit bewertet werden. Eine Methode<br />
dazu wird <strong>im</strong> K~sten 2.2 <strong>im</strong> Kap. GRÜNRAuM<br />
beschrieben.<br />
Methodellre(lexioll<br />
Die Formative Szenarioanalyse erlaubt Wissen aus<br />
verschiedenen Disziplinen, Systemen und Ebenen<br />
in transparenter Weise in Beziehung zu setzen. Wir<br />
erhalten Einblicke in zukünftige Systemzustände,<br />
Systemdynamiken und deren Ursachen. Es können<br />
die· Rahmenbedingungen des zukünftigen H<strong>and</strong>eins<br />
erschlossen und damit mögliche Strategien erarbeitet<br />
bzw. überprüft werden.<br />
Ein Unsicherheitsfaktor der. Szenarioanalyse besteht<br />
in ihrem stark formalisierten Vorgehen. Matrizen,<br />
Grids und Computerberechnungen können über<br />
den subjektiven Charakter dieser Methode hinwegtäuschen.<br />
Die ausgewählten Einflussfaktoren sowie<br />
die Bewertungen sind geprägt vom Wissen und der<br />
Sichtweise derjenigen, die die Szenarioanalyse durch.:<br />
führen. Die Basis der Szenarioanalyse ist die Erkennung<br />
und Beschreibung der Systemeigenschaften,<br />
und diese können nie exakt erfasst werden - in<br />
einem realenSystem sind die Entwicklungskräfte zu<br />
vielfältig, deren Zusammenhänge zu komplex. Hinzu<br />
kommt die Beurteilung der Konsistenz: In den <strong>im</strong><br />
vorliegenden B<strong>and</strong> durchgeführten Szenarioanalysen<br />
(vgL die Kap. STADTENTWICKLUNG, VERKEHR, ALT<br />
LASTEN und WASSERHAUSHALT) ist man davon ausgegangen,<br />
dass konsistente Szenarien wahrscheinlicher<br />
sind als inkonsistente. Das heisstaber nicht, dass<br />
inkonsistente Szenarien nicht eintreten können.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
319
Formative Szenarioanalyse ----------------- Anhang<br />
Literatur<br />
Hassler, S., Schärli, M.A., Schlup, M., Schalz, R.W., Stauffacher,<br />
M., Weber, O. (1995). Szenarioanalyse: Versuch einer Gesamtsynthese.<br />
In R.W. Scholz, T. Koller, H.A. Mieg, C. Schmidlin<br />
(Hrsg.), Perspektive Grosses Moos. Wege zu einer nachhaltigen<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft, (S. 153-181), Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />
Götze, U. (1993). Szenario-Technik in der strategischen Unternehmensplanung.<br />
WieSQaden: Deutscher Universitätsverlag.<br />
Minx, E., Neuhaus, C., Waschke~ T. (1993). Vom Brückenbauen<br />
oder: Wie machbar ist Interdisziplinarität? Organisationsentwick<br />
Jung, 1/93, 52-64.<br />
Missler-Behr, M. (1993). Methoden der Szenarioanalyse. Wiesbaden:<br />
Deutscher Universitätsverlag..<br />
Schärli, MA & Hassler, S. (1996). Reliabilität und Validität der<br />
Szenarioanalyse Grosses Moos. Zürich: <strong>ETH</strong> Zürich.<br />
Scholz, R.W., Koller, T., Mieg, H.A., Schmidlin,C: (Hrsg.). (1995).<br />
Perspektive Grosses Moos: Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />
Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />
Scholz, R.W., Bösch, S., Koller, T., Mieg, HA, Stünzi, J. (Hrsg.).<br />
(1996). Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen:<br />
Wertschöpfung durch Umnutzung. Zürich: vdf Hochschulverlag<br />
AG.<br />
Scholz, RW. & Tietje, O. (1996). Methoden der Fallstudie. In<br />
RW. Scholz, S. Bösch, T. Koller, H.A. Mieg, J. Stünzi (Hrsg.),<br />
Industrieareal Sulzer-Esclrer Wyss. Umwelt und Bauen: Wertschöpfung<br />
durch Umnutzung, (S. 31-70), Zürich: vdf HochschulverlagAG.<br />
von Reibnitz, U. (1992). Szenario-Technik - Instrumente für die<br />
unternehmerische und persönliche Erfolgsplanung. Wiesbaden:<br />
Gabler.<br />
Zwicker, K. & Schärli, M.A. (1996). Szenarioanalyse. In RW.<br />
Schob;, S. Bösch, T. Koller, HA Mieg, J. Stünzi (Hrsg.), Industrieareal<br />
Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen: Wertschöpfung<br />
durch Umnutzung, (S. 207-226), Zürich: vdfHochschulverlag AG.<br />
320 UNS-Fallstudie '96
Anhang----------- --,. Nachhaltigkeit<br />
Was bedeutet Nachhaltigkeit in einem<br />
Industrieareal?<br />
Autor<br />
Johannes Ranke<br />
Aufblluelld Iluf der Arbeit der wissellscIJllft'icIJell Arbeitsgru"e (Tei',rojektgru"e NACHHALTIGKElT)<br />
Catherine Heinzer<br />
Franziska Ricklin<br />
Yvan Maillard<br />
Adrian Berwert (Tutor)<br />
Johannes Ranke<br />
«Sustainable development is development that<br />
meets· the needs of thepresent without compromising<br />
the ability of future generations to<br />
meet their own needs.» World Commission on<br />
Environment <strong>and</strong> Development, 1987.<br />
«Indicators of sustainable development need to<br />
be developed to provide solid basis for decisionmaking<br />
at all levels <strong>and</strong> to contribute to the selfregulating<br />
sustainability of integrated environment<br />
<strong>and</strong> development systems.» Agenda 21,<br />
chapter 40.4 (UNCED, 1992).<br />
Die praktische Anwendung eines theoretischen Konzepts<br />
Nachhaltigkeit und Sustainable Development sind<br />
seit der UN-Konferenz zu Umwelt und Entwicklung<br />
(UNCED) in Rio de Janeiro 1992 zu vielzitierten<br />
Begriffen geworden. Trotz - oder gerade wegen - der<br />
begrifflichen Unschärfe (siehe auch Ninck, 1994;<br />
Scholz et al., 1996b) sind sie zu Trägern eines breiten<br />
gesellschaftlichen Konsenses geworden, der jedem,<br />
der sich darauf beruft, zumindest die Anerkennung<br />
seines guten Willens sicherstellt (vgI. Kastenholz et<br />
aI., 1996).<br />
Vor dem Hintergrund, dass die bisherigen Ergebnisse<br />
der globalen Betrachtungen zur Nachhaltigkeit<br />
- z.B. zur COz-Reduktion - aber noch unbefriedigend<br />
sind, ist es zu verstehen, dass in verschiedenen<br />
Kreisen von PolitikerInnen, RaumplanerInnen<br />
und WissenschafterInnen Bemühungen existieren,<br />
das Prinzip der Nachhaltigkeit auf räumlich oder<br />
politisch begrenzte Regionen (Morris, 1995), auf<br />
spezifische Problemlösungen (Synthesegruppe ALT-<br />
LASTEN) oder sogar aufProdukte (z.B. Tobler, 1995)<br />
anzuwenden.<br />
So wurde <strong>im</strong> Jahr 1994 eine «Kampagne zukunftsbeständiger<br />
Städte» ins Leben gerufen, indem die<br />
beteiligten Städte, darunter auch die <strong>Stadt</strong> Zürich,<br />
die Charta von Aalborg (Europäisches Komitee<br />
zukunftsHihiger Städte und Gemeinden, 1994) unterzeichneten<br />
und sich verpflichteten, sogenannte<br />
«Lokale Agenda 21»-Prozesse einzuleiten. Im englischsprachigen<br />
Raum, vor allem in Kanada, ist eine<br />
Vielzahl von Veröffentlichungen über die Anwendung<br />
des Nachhaltigkeitsprinzips auf Regionen.verschiedener<br />
Art erschienen (Pinter, 1995). Hierbei<br />
werden von Gremien, die zu diesem Zweck aus<br />
verschiedenen lokalen Akteuren. gebildet werden,<br />
Nachhaltigkeitsindikatoren festgelegt, die ein Monitoring<br />
der regionalen Entwicklüng ermöglichen und<br />
damit Entscheidungsanstösse und -hilfen liefern<br />
sollen..<br />
Auch in der UNS-Fallstudie' wurde das Thema<br />
«Nachhaltige Entwicklung» schon mehrfach aufgegriffen.<br />
War es <strong>im</strong> Jahr 1994 die Suche nach Wegen zu<br />
einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft (Scholz et aI.,<br />
1995), so wurde 1995 mit der Methode des Sozio<br />
Marketings versucht, für Nachhaltigkeit zu werben.<br />
Daraus entst<strong>and</strong>en zwei Produkte: ein Video zum<br />
Thema Nachhaltigkeit und der «Nachhaltigkeits<br />
Zoo»-Prospekt (vgI. Scholz et aI., 1996a). In der<br />
UNS-Fallstudie '96 «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» ist die<br />
Idee der Bewertung bezüglich Nachhaltigkeit von<br />
verschiedenen Gruppen aufgegriffen worden. Ein<br />
System von Nachhaltigkeitsindikatoren für das ZZN<br />
wurde in der Synthesegruppe STADTENTWICKLUNG<br />
erstellt.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
321
Nachhaltigk~it ~ Anhang<br />
Entwicklung eines umfassenden Systems von<br />
Nachhaltigkeitsindikatoren<br />
Be<strong>im</strong> Erstellen von Indikatoren, welche die Tendenzen<br />
der Entwicklung einer best<strong>im</strong>mten Region bezüglich<br />
Nachhaltigkeit interpretierbar machen sollen,<br />
müssen mehrere Punkte beachtet werden:<br />
• «Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung lässt<br />
sich am besten für Entwicklungskonzepte, für<br />
weitreichende Gesetzesvorlagen und grosse Infrastrukturkonzepte<br />
anwenden· und anh<strong>and</strong> von globalen<br />
Leitindikatoren überprüfen, [...]. Je kleinräumiger<br />
und punktueller ein Vorhaben oder Projekt<br />
ist, um so mehr stösst die Pro/barkeit der Nachhaltigkeit<br />
an Grenzen.» (IDARio, 1995, S. Z-7; Hervorhebung<br />
nicht <strong>im</strong> Original).<br />
• Da für die Erstellung und Interpretation eines<br />
Systems von Nachhaltigkeitsindikatoren keine allgemein<br />
akzeptierten Grundlagen vorh<strong>and</strong>en sind,<br />
ist, die Gültigkeit und Aussagekraft der Bewertung<br />
zunächst auf den Kreis derer beschränkt, die bei<br />
der Ausarbeitung der Indikatoren mitgewirkt<br />
haben.<br />
• Für den Rückgriff auf bereits gebräuchliche Indikatoren,<br />
die zu einem <strong>and</strong>eren Zweck entworfen<br />
wurden (wie etwa das Bruttoinl<strong>and</strong>produkt' bzw.<br />
Bruttosozialprodukt auf nationaler Ebene) spricht<br />
der Zeitgewinn bei der Erhebung der Daten. Solche<br />
Indikatorenermöglichen jedoch nicht in jedem<br />
Falle eine Aussage bezüglich Nachhaltigkeit, es<br />
müssen neue Indikatoren entworfen und auf ihre<br />
Tauglichkeit hin erprobt werden. Dabei h<strong>and</strong>elt es<br />
sich um einen äusserst zeitaufwendigen Prozess.<br />
Es ist ein den Verhältnissen entsprechender Kompromiss<br />
zu suchen.<br />
• Wenn mittels eindeutig quantifizierbarer Indikatoren<br />
eine Art Nachhaltigkeitsbilanz über längere<br />
Zeiträume erstellt werden soll, so bedingt dies,<br />
unterschiedlichste Bereiche einzubeziehen, die<br />
zum Teil sehr schwierig quantijizierbar sind (zu weiteren<br />
Problemen der Operationalisierung bzw,<br />
Messung Nachhaltiger Entwicklung vgl. Scholz et<br />
al.,1996b).<br />
• Ein weiteres, Problem stellt der zeitliche und Qrtliche<br />
Referenzrahmen dar: Trifft es zu, dass wir, um<br />
später nachhaltig zu sein, heute unnachhaltig sein<br />
müssen, bzw. um global nachhaltig zu sein, lokal<br />
Aufnahmekapazitäten überschreiten können?<br />
Das <strong>Stadt</strong>entwicklungsprojekt ZZN wird in diesem<br />
Rahmen als kleinräumiges Vorhaben betrachtet. Da '<br />
das Indikatorensystem von Studierenden und Tutoren<br />
in einem begrenzter Zeitraum entwickelt wurde,<br />
gelten obenstehende Vorbehalte insbesondere auch<br />
für das hier diskutierte System «ZZN». Die Wissen-<br />
. schaft befindet sich <strong>im</strong> Moment noch <strong>im</strong> Prozess,<br />
Nachhaltigkeit zu verstehen. Die Aufgabe, «Nach-<br />
haltigkeit» mittels quantitativer Indikatoren, welche<br />
auch intersystemische Vergleiche ermöglichen,. zu<br />
messen, wird in Zukunft eine grosse Herausforderung<br />
für die interdisziplinären Wis~enschaftensein.<br />
ZZN-spezifische Probleme ,bei der Überpriifung auf<br />
Nachhaltigkeit<br />
Sowohl für einen Vergleich mit ähnlichen Regionen<br />
als auch für ein «Nachhaltigkeits-Monitoring» über<br />
längere Zeiträume bestehen <strong>im</strong> ZZN zusätzliche<br />
Schwierigkeiten:<br />
• Das ZZN-Areal ist weder politisch noch wirtschaftlich<br />
eine klar abgegrenzte Region, die <strong>Stadt</strong>politik<br />
ist somit ein exogener Faktor. Ebenso dürfte ein<br />
Teil der Entscheidungen der ansässigen Firmen<br />
von Firmensitzen ausserhalb des ZZN abhängen.<br />
• Viele Daten, die für das gesamte Quartier Oerlikon,<br />
die <strong>Stadt</strong> Zürich oder auch für best<strong>im</strong>mte<br />
Geschäftsbereiche der ansässigen Firmen existieren,sind<br />
für Aussagen zur Situation <strong>im</strong> ZZN nur<br />
bedingt brauchbar, da'sie die lokalen Gegebenheiten<br />
<strong>im</strong> Areal nur ungenau abbilden.<br />
• Die jetzige Nutzung und Funktion des Raumes<br />
ZZN unterscheidet sich stark von dem <strong>im</strong> Entwicklungsieitbild<br />
angestrebten Zust<strong>and</strong>. Zusätzlich<br />
zu der jetzigen, ausschliesslich industriellen<br />
Nutzung sollen Wohnnutzungen, lokal wie überregional<br />
orientierte Dienstleistungen sowie öffentliche<br />
Einrichtungen entstehen. Eine einheitliche<br />
Erfassung der zeitlichen Entwicklung durch Grössen<br />
wie «Energieverbrauch pro Kopf der Wohnbevölkerung»<br />
ist somit nicht durchführbar.<br />
Wegen der beschriebenen Systemgrenzen und aufgrund<br />
des Funktionsw<strong>and</strong>els des ZZN bietet sich<br />
eine Überprüfung des Entwicklungsleitbildes (Ruoss<br />
& Siress, 1994) und der daraus entwickelten Sonderbauvorschriften<br />
(<strong>Stadt</strong> Zürich, 1994) an, da diese<br />
charakteristisch für das System sind und Aussagen<br />
über die angestrebte Entwicklung enthalten. Einerseits<br />
können die Zielvorstellungen zu best<strong>im</strong>mten<br />
Grössen wie Modal-Split (vgl. Kap. VERKEHR) bezüglich<br />
Nachhaltigkeiteingeschätzt werden. Anderseits<br />
können Bereiche identifiziert werden, die <strong>im</strong> Leitbild<br />
zusätzlich berücksichtigt werden müssten, um<br />
eine Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit sicherzustellen.<br />
Postulate als Briicke zwischen Definition und<br />
Anwendung von Nachhaltiglceit<br />
Als Grundlage für die Abstützung von Bewertungsmethoden<br />
haben sich die Synthesegruppen ALT<br />
LASTEN, STADTEN1WICKLUNG und VERKEHR auf die folgenden<br />
Postulate aus IDARio (1995) und Minsch<br />
(1993) geeinigt:<br />
322<br />
UNS-Fallstudie '96
Anhang -,- -------------------------Nachhaltigkeit<br />
• Die Inanspruchnahme der erneuerbaren Ressourcen<br />
(wie z.B. Wald, l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutzter Boden<br />
und Fischbestände) ist so zu gestalten, dass die<br />
Nutzungsrate die natürliche Regenerationsrate<br />
nicht übersteigt.<br />
• Die Verbrauchsrate nichterneuerbarer Energieressourcen<br />
und <strong>and</strong>erer nicht erneuerbarer Rohstoffe muss<br />
auf die Dauer so zurückgehen, dass die verbleibenden<br />
nutzbaren Reserven nie völlig erschöpft<br />
werden.. Die Materialkreisläufe müssen geschlossen<br />
werden.<br />
• Bei der Belastung der. Umwelt durch abbaubare<br />
feste Abfälle sowie flüssige und gasförmige Emissionen<br />
ist sicherzustellen, dass die Verschmutzungsrate<br />
unter der Absorptionsrate der Umwelt liegt.<br />
• Nichtabbaubore Schadstoffe dürfen nur so weit in die<br />
Umwelt emittiert werden, dass deren Akkumulation<br />
nie zu einer Schadstoffkonzentration führt,<br />
welche Menschen, Tiere und Pflanzen gefährdet.<br />
• Die Natur ist in ihrer ganzen Vielfalt zu erhalten.<br />
Beeinträchtigungen sind mit Massnahmen zu kompensieren,<br />
welche die Artenvielfalt, die Qualität<br />
. und den Fortbest<strong>and</strong> des Ökosystems gewährleisten.<br />
• Unfallrisiken mit Auswirkungen auf Menschen und<br />
Biosphäre sind nur so weit zulässig, als sie auch bei<br />
dem grösstmöglichen Schadereignis keine dauerhaften<br />
Schäden über mehrere Generationen von<br />
Menschen, Pflanzen; Tieren oder Ökosystemen<br />
verursachen können.<br />
Diese Postulate bilden gewissermassen das ökologische<br />
Rückgrat der Betrachtungen zur Nachhaltigkeit<br />
inder UNS-Fallstudie '96. Darüber hinaus<br />
wurden auch Überlegungen zur Nachhaltigkeit <strong>im</strong><br />
sozialen und wirtschaftlichenBereich angestellt. Da<br />
die für diese Bereiche von verschiedenen AutorInnen<br />
vorgeschlagenen Postulate sehr uneinheitlich<br />
sind und zum Teil überdies - quasi auf einer Meta<br />
Ebene - auf die Realisierung der oben angeführten<br />
IJkologischen Postulate abzielen, waren sie für die<br />
direkte Ableitung von Nachhaltigkeitskriterien und<br />
Indikatoren <strong>im</strong> sozialen und wirtschaftlichen Bereich<br />
nicht geeignet (vgl.für eine vertiefte sozialwissenschaftliche<br />
Betrachtungsweise: Renn, 1996; Scholz et<br />
al.,1996b).<br />
Hier muss darauf hingewiesen werden, das~ für<br />
Kriterien oder Indikatoren mit Zielbereichen wie<br />
«Partizipation», «Umgang mit Information» oder<br />
«nachhaltiger Umgang mit der Ressöurce menschliche<br />
Arbeitskraft» mangels <strong>im</strong> globalen Rahmen konsensfähiger<br />
Formulierungen das folgende Zitat besonders<br />
gut zutrifft:<br />
«Indicators are only truly useful if they are<br />
«owned» by die local community <strong>and</strong> measure<br />
issues of relevance locally» (Morris, 1995).<br />
Literatur<br />
Europäisches Komitee zukunftsfahiger Städte und Gemeinden<br />
(1994)~ Charta der Europäischen Städte und Gemeinden auf dem<br />
Weg zur Zukunftsbeständigkeit (Charta von Aalborg). Europäische<br />
Konferenz über zukunftsbeständige Städte und Gemeinden,<br />
Aalborg.<br />
Henz, A. (1996). Nachhaltige <strong>Stadt</strong>entwicklung: Ein Evaluationsund<br />
Entwicklungsprojekt inder <strong>Stadt</strong> Zürich (Bericht Konzeptphase<br />
A). <strong>ETH</strong>-Wohnforum Zürich.<br />
IDARio (1995). Elemente für ein Konzept der nachhaltigen Entwicklung.<br />
Diskussionsgrundlage für die Operationalisierung.<br />
Bern: BUWAL.<br />
Kastenholz, H.G., Erdmann, K.-H., Wolff, M. (Hrsg.). (1996).<br />
Nachhaltige Entwicklung: Zukunftschancen für Mensch und<br />
Umwelt. Berlin: Springer.<br />
Maclaren, V.w. (1996). Urban Sustainability Reporting. Journal of<br />
the American Planning Associaton, 62 (2), 184-202.<br />
Minsch, J. (1993). Nachhaltige Entwicklung. Idee - Kernpostulate.<br />
Ein ökologisch-ökonomisches Referenzsystem für eine<br />
Politik des ökologischen Strukturw<strong>and</strong>els in der Schweiz. (lWÖ<br />
Diskussionsbeitrag Nr. 14). St. Gallen: IWÖ.<br />
Morris, J. (1995). Indicators of local sustainability. Town & Country<br />
Planning, 64 (No. 4), 113-116.<br />
Ninck, M. (1994). Nachhaltigkeit - ein Plastikwort? Diplomarbeit,<br />
<strong>ETH</strong> Zürich.<br />
Pinter, L. (Hrsg.). (1995). Performance measurements for sustain-·<br />
able development: Compendium of experts, initiatives <strong>and</strong> publications.<br />
Winnipeg:· USD (International Institute for Sustainable<br />
Development).<br />
Renn, O. (1996). Ökologisch Denken- sozial H<strong>and</strong>eln: Die Realisierbarkeit<br />
einer Nachhaltigen Entwicklung und die Rolle der<br />
Kultur- und Sozialwissenschaften. .In H.G. Kastenholz, K.-H.<br />
Erdmann, M. Wolff (Hrsg.), Nachhaltige Entwicklung: Zukunftschancen<br />
für Mensch und Umwelt, (S. 79-118), Berlin: Springer.<br />
Ruoss, S. & Siress, C. (1994). Entwicklungsleitbild <strong>Zentrum</strong><br />
Zürich <strong>Nord</strong>.<br />
Scholz, RW., Koller, T., Mieg, HA, Schmidlin, C. (Hrsg.). (1995).<br />
Perspektive Grosses Moos: Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />
Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />
Scholz, RW., Bösch, S., Koller, T.; Mieg, HA, Stünzi, J. (Hrsg.).<br />
(1996a). Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen:<br />
Wertschöpfung durch Umnutzung. Zürich: vdf Hochschulverlag<br />
AG.<br />
Scholz, R.W., Mieg, HA, Stauffacher, M.,Weber, O. (1996b).<br />
Sozio-psychologische· Determinanten nachhaltigen H<strong>and</strong>eIns.<br />
Arbeitstagung ~Nachhaltige <strong>Stadt</strong>ent.wicklung Zürich", Zürich.<br />
<strong>Stadt</strong> Zürich (1994). Sonderbauvorschriften für das Gebiet<strong>Zentrum</strong><br />
Zürich <strong>Nord</strong>. (Entwurfvom 9.12.1994). Zürich: <strong>Stadt</strong> Zürich.<br />
Tobler, M. (1995). How to <strong>im</strong>prove ecoefficiency in Ba:lly shoe<br />
production. Zürich: <strong>ETH</strong>.<br />
UNCED (1992). Agenda 21, Programme of action for sustainable<br />
development; Rio declaration on environment <strong>and</strong> development.<br />
New York: United Nations, Department of Public Information.<br />
World Commission on Environment <strong>and</strong> Development(1987). Our<br />
common future (Brundl<strong>and</strong>t- Bericht). Oxford: Oxford University<br />
Press.<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
323
Planspiel<br />
~---~--~---_Anhang<br />
Der Einsatz des Planspiels und dessen<br />
Auswertung zur Opt<strong>im</strong>ierung eines<br />
Entscheidungsfindungsprozesses in der<br />
Altlastenproblematik<br />
Autor<br />
Jörg Cahenzli<br />
Aufbauend auf den<br />
BEARBEITUNG)<br />
Jörg Cahenzli<br />
Urban Frei<br />
Bettina Hess<br />
Tobias Siegfried<br />
Resultaten der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe (Teilprojelctgruppe. ENTSC"EIDUN~SMANAGEMENT IN DER ALTlASTEN"<br />
Barbara Sintzel<br />
Oliver Zenklusen<br />
Das Studium sozialer Prozesse bildet einen wesentlichen<br />
Gegenst<strong>and</strong> der UNS-Fallstudien. Wie <strong>im</strong><br />
Kap. ElNLJÜTUNG dargelegt, wird in den umweltnaturund<br />
umweltsozialwissenschaftlichen Fallstudien von<br />
der Annahme ausgegangen, dass durch eine Opt<strong>im</strong>ierung<br />
von sozialen Prozessen sich die Umweltqualität<br />
verbessern lässt. Um nun soziale Prozesse<br />
zum Gegenst<strong>and</strong> einer Untersuchung zu machen,<br />
bedarfes best<strong>im</strong>mter Untersuchungsmethoden. Nun<br />
ist es in den wenigsten Fällen möglich, Verh<strong>and</strong>lungen<br />
oder Entscheidungsprozesse «on line», d.h.<br />
s<strong>im</strong>ultan zum wirklichen Entscheidungsprozess zu<br />
beurteilen. Aus diesem Grund bedient sich die Fallstudie<br />
verschiedener Erhebungsmethoden, z.B. der<br />
Befragung oder des EXPLORATIONSPARCOURS (Kap. 2.2<br />
der Synthesegruppe GR ÜNRA UM; vgl. auch Kap. Methoden<br />
der Fallstudie in Scholz et al., 1996). Der folgende<br />
Text führt in Planspiele ein. Planspiele können in den<br />
UNS-Fallstudien dazu verwendet werden, um Einsicht<br />
in die Konflikthaftigkeit und Struktur von Verh<strong>and</strong>lungs-,<br />
Problemlöse- und· Bewertungsprozessen<br />
von Gruppen zu bekommen.<br />
Das Planspiel<br />
Planspiele können mit verschiedenen Zielsetzungen<br />
eingesetzt werden (vgl. Ebert, 1992). Zu unterschei-<br />
den sind hier -die Zielrichtungen Consulting, Lehre<br />
und Forschung. Nehmen etwa die realen EntscheidungsträgerInnen<br />
an einem Planspiel teil und best,eht<br />
das Ziel darin, ihnen Rückmeldung über ihr<br />
Verhalten zu geben, so sprechen wir von Consulting.<br />
Werden ,Planspiele genutzt, um auf berufliche Verh<strong>and</strong>lungen<br />
vorzubereiten, so h<strong>and</strong>elt es sich um<br />
Lehre (Training). Werden Planspiele genutzt, um z.B.<br />
best<strong>im</strong>mte Hypothesen bzgl. subopt<strong>im</strong>alen oder defektiven<br />
Interaktionsverhaltens zu prüfen, so dienen<br />
sie als Erhebungsmethode in der Forschung.<br />
Ein Planspiel ist in gewissem Sinne ein Rollenspiel<br />
mit offenem Ausgang. Es ist ein Verfahren, mit. dem<br />
Verh<strong>and</strong>lungen in zeitlich gerafften Abläufen s<strong>im</strong>uliert<br />
werden können. Die wirtschaftliche Ausgangssituation<br />
von Betrieben und Haushalten, die Grundpositionen<br />
von verschiedenen Verh<strong>and</strong>lungsparteien<br />
sowie ausgewählte Einflussgrössen werden zur Diskussion<br />
gestellt. In der Wahrnehmung best<strong>im</strong>mter,<br />
vorgegebener Rollen können <strong>im</strong> Planspiel in bezug<br />
aufdie Findung, Festlegung und Korrektur von Entscheidungen<br />
Erfahrungen gesammelt, aber auch<br />
wertvölle Beobachtungen gemacht werden.<br />
«Planspiele fördern, opt<strong>im</strong>ieren und differenzieren<br />
wirtschaftliches Planungsverhalten auf individueller,<br />
betrieblicher und politischer Ebene.<br />
324<br />
UNS-Fallstudie '96
Anhang: ----, .,....-_."...:.. Planspiel<br />
Sie sind in erster Linie gesamtwirtschaftlichen<br />
Zielen zuzuordnen, weil sie von Modellvorstellungen<br />
ausgehen, die als gewünschte oder<br />
gefürchtete Zukunft untersucht werden.» Groth,<br />
1992.<br />
Gerade <strong>im</strong> Fall Stierenried, in welchem sich die<br />
Konfliktparteien (Unternehmer, <strong>Stadt</strong> und Kanton)<br />
aus Wirtschaft und Politik rekrutieren und die zu<br />
beh<strong>and</strong>elnde Problematik schwerwiegende Auswirkungen<br />
für zukünftige Generationen bezüglich<br />
Kosten und Umwelt haben könnte, scheint eine<br />
genaue Analyse des Planungs- und Entscheidungsverhaltens<br />
zum Beispiel bezüglich Nachhaltigkeit<br />
von grosserTragweite zu sein.<br />
Durch gezielt gewählte Vorgaben wird <strong>im</strong> Planspiel<br />
eine realitätsnahe Ausgangssituation geschaffen, von<br />
welcher weiterführend, je nach Individualität der<br />
MitspielerInnen und deren Bewertung frei wählbarer<br />
Parameter, das wirtschaftliche und politische<br />
H<strong>and</strong>eln die verschiedensten Richtungen einschlagen<br />
kann. In dieser Atmosphäre kann nun ein<br />
Ausein<strong>and</strong>ersetzungs- bzw. Entscheidungsfindungsprozess<br />
fassbar und beobachtbar gemacht werden.<br />
Dadurch wird er auch einer wissenschaftlichen<br />
Untersuchung zugänglich (vgl. Abb. 1).<br />
Probleme und Einwände<br />
Bezüglich der Validität von Untersuchungen mit dem<br />
Planspiel können diverse Einwände vorgebracht<br />
werden. Die generelle Frage ist, ob die Planspielsituationdie<br />
Realität abzubilden vermag. Zudem<br />
AbI!. 1 1m Planspiel werden die realen Verll<strong>and</strong>lungsprozesse s<strong>im</strong>uliert. Der Vorteil des Planspiel ist es,<br />
dass best<strong>im</strong>mte Bewertungsd<strong>im</strong>ensionen, die für die Verh<strong>and</strong>lungen als wesentlich erachtet werden (hier<br />
ökonomische und ökologische Aspekte), in kontrollieroarer Fonn beobachtet werden können.<br />
muss dem Einfluss des «Spiel»-Charakters Rechnung<br />
getragen werden:<br />
• Bei mehrmaligem Durchgang einer Situation unter<br />
leicht veränderten Bedingungen können Lern- und<br />
Gewöhnungse.fJekte auftreten.<br />
• Für die MitspielerInnen geht es ja nicht wirklich<br />
um ihre eigene Haut, das heisst, sie spüren bei<br />
ihren Entscheidungen nicht wirklich den Druck<br />
des Unternehmens oder der Verwaltung welche sie<br />
vertreten.<br />
• Weiter ist der Zeitfa#or zu bedenken. Der reale<br />
Entscheid spielte sich <strong>im</strong> Zeitraum von Jahren<br />
ab, <strong>im</strong> Planspiel steht dafür nur eine dreistündige<br />
Diskussion zur Verfügung.<br />
Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit,<br />
sie soll aber einen Eindruck bezüglich<br />
der Schwierigkeit und Wichtigkeit einer sorgfältigen<br />
Auswahl und' Vorbereitung eines Planspieles verdeutlichen.<br />
Das Planspiel in der fallstudie «<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong>» -<br />
Grundannahmen .<br />
Zur differenzierten Charakterisierung des in unserer<br />
Fallstudie verwendeten Typs von Planspiel ist zu<br />
betonen, dass es sich fachsprachlich ausgedrückt um<br />
ein relativ «starres Spiel» h<strong>and</strong>elt. Das heisst, in diesem<br />
Planspiel können die Spielteilnehmer zwischen<br />
einer begrenzten Anzahl von vorgegebenen Entscheidungsalternativen<br />
wählen, sie müssen sich in<br />
einem eng begrenzten Entscheidungs-' und H<strong>and</strong>lungsspielraum<br />
bewegen. Des weiteren h<strong>and</strong>elt es<br />
sich aber trotzdem um einen offenen, interaktiven<br />
Spieltyp. Der Spielverlauf und<br />
die Spielentscheidungen hängen<br />
zwar einerseits von einigen<br />
vorgegebenen Kriterien. und<br />
Zielen ab, sind jedoch <strong>and</strong>erseits<br />
auch von den laufend getroffenen<br />
Entscheidungen der<br />
einzelnen mehr oder weniger<br />
konkurrierenden Untergruppen<br />
wesentlich beeinflusst.<br />
Für die Beurteilung des Einsatzes<br />
eines Planspieles als Mittel<br />
zur Opt<strong>im</strong>ierung des Entscheidungsfindungsprozesses<br />
in<br />
der Altlastenproblematik wird<br />
von folgenden Annahmen ausgegangen:<br />
Annahme1: Die Instruktionen<br />
und gesetzten Rahmenbedingungen<br />
in den Teilnehmerdossiers<br />
zur Rollenanleitung der<br />
Spielteilnehmerlnnen schaffen<br />
den Rahmen und die Atmo-<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
325
Planspiel ...,- ...,- ~ Anhang<br />
sphäre, wie es der Situation der beteiligten Akteure<br />
<strong>im</strong> Fall des Sanierungsentscheides Stierenried entsprochen<br />
hatte.<br />
Annahme 2: Die von den Spieiteiinehmerlnnen<br />
verwendeten ,Argumentationen und Sichtweisen<br />
stellen eine relativ genaue Abbildung der Argumentationen<br />
und Sichtweisen der Akteure <strong>im</strong> realen Fall<br />
Stierenried dar.<br />
Annahme3: Die <strong>im</strong> Ausein<strong>and</strong>ersetzungsprozess<br />
auftretenden Konflikte und Dynamiken haben grosse<br />
Ähnlichkeit mit den Konflikten und Dynamiken<br />
wie sie <strong>im</strong> realen Fall aufgetreten waren, obwohl sich<br />
dieser Entscheidungsprozess über mehrere Wochen<br />
hingezogen hatte.<br />
Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle<br />
nochmals darauf hingewiesen werden, dass das Planspiel<br />
nur ein Element unter mehreren zur Anwendung<br />
gelangenden Analysemethoden darstellt, um<br />
die komplexen sozialen Strukturen eines Altlastensanierungsentscheides<br />
abzubilden und die Interaktionen<br />
und Argumentationen der Beteiligten zu<br />
studieren.<br />
Vorgehen .<br />
In unserem Planspiel lag also der Schwerpunkt nicht<br />
in einer best<strong>im</strong>mten Erwartung konkreter pädagogischer<br />
Lernziele für di,e Spielteiinehmerlnnen, sondern<br />
in der Beobachtung der möglichen, auftretenden<br />
Schwierigkeiten und sensiblen, heiklen Phasen<br />
bezüglich eines Entscheidungsprozesses um Sanierungsvarianten<br />
bei der A/tlastenbearbeitung. D'eshalb haben<br />
wir grossen Wert auf eine ausführliche Anweisung<br />
der SpielteilnehmerInnen für einen opt<strong>im</strong>alen Spieleinstieg<br />
gelege, welcher den Spielverlauf möglichst<br />
in Richtung des realen Falles führen soll.<br />
Die Spieiteiinehmerlnnen erhalten also Startvorgaben,<br />
Rollenbeschreibungen und genügend Sachinformationen,<br />
um fachgerecht die ersten Schritte<br />
in die Richtung einer Lösung ihres Arbeitsauftrages<br />
zu beschreiten.<br />
, Ab und zu gibt die Spielleitung wieder «Inputs» in<br />
die Runde, sei es nur das Aufmerksam machen auf<br />
ein aufgetretenes Dilemma, einen Widerspruch, oder<br />
sei es etwas ganz Neues, was dem Spielverlaufeine<br />
<strong>and</strong>ere Wendung gibt, wie dies eben in der Realität<br />
auch passieren kann. Die Gruppe steht dabei unter<br />
einem gewissen Zeitdruck, es werden von ihr <strong>im</strong><br />
Sinne ihres Arbeitsauftrages konkrete Resultate erwartet.<br />
Für unsere Zwecke war die Auswahl der SpielteilnehmerInnen<br />
von zentraler Bedeutung. Sollten<br />
diese doch möglichst unbelastet mit Vorwissen über<br />
den konkreten Fall sein, jedoch über eine hinreichende<br />
Fachkompetenz zur kurzfristigen Ein- .<br />
arbeitung in die Sachlage gemäss unserem Spieler-<br />
h<strong>and</strong>buch verfügen. Glücklicherweise stellten sich<br />
genügend HochschulabsolventInnen und Doktor<strong>and</strong>Innen<br />
aus den Wirtschafts-, Rechts- und Umweltnaturwissenschaften<br />
zur Verfügung, aus denen'<br />
sich die drei Akteurengruppen «Unternehmen"<br />
«<strong>Stadt</strong>» und «Kanton» bilden liessen.<br />
Selbstverständlich ist ein best<strong>im</strong>mtes Mass an<br />
Informationen bezüglich des realen Entscheidungsverlaufes<br />
eine weitere Grundvoraussetzung für einen<br />
gelungenen Einsatz des Planspieles <strong>im</strong> obigen Sinne.<br />
Diese Informationen müssen mindestens ein <strong>im</strong> zeitlichen<br />
Verlauf punktu.elles «Festnageln» der einzelnen<br />
am Entscheidungsprozess beteiligten Parteien<br />
bezüglich ihres St<strong>and</strong>punktes zur aktuellen Problematik<br />
erlauben. Ohne diese Inputs würde das Planspiel<br />
in der Luft schweben, völlig realitätsfern. Wie<br />
<strong>im</strong> Kap. ALTLASTEN erwähnt, gelangten wir über ein<br />
umfangreiches Aktenstudium von Sit.zungsprotokollen<br />
und durch direkte Interviews mit VertreterInnen<br />
der einzelnen Akteurengruppen zu diesem Informationsst<strong>and</strong>.<br />
Diese Grundinformationen, angewendet<br />
auf den eigentlichen Arbeitsauftrag der Spielteilnehmerlnnen,<br />
nämlich zu einem einst<strong>im</strong>migen Sanierungsentscheid<br />
zu gelangen, bildeten sozusagen den<br />
Rahmen, innerhalb dessen der Ausein<strong>and</strong>ersetzungsprozess<br />
stattzufinden hatte. Den Planspielarbeitsgruppen<br />
st<strong>and</strong>en <strong>im</strong> Hintergrund einE GesprächsleiterIn<br />
und einige FachexpertInnen bei.<br />
Die Spielteiinehmerlnnen hatten vor sowie nach<br />
dem Spieldurchgang einen Fragebogen zu bearbei<br />
,ten, in welchem sie ihre Gewichtung von vorgegebenen<br />
Bewertungskriterien zur Auswahl von Sanierungsvarianten<br />
angeben mussten.<br />
Ergebnis<br />
Von den SpielorganisatorI<strong>im</strong>en wurden aufgrund der<br />
Dokumentationen der Protokoll<strong>and</strong>Innen und anh<strong>and</strong><br />
der Videoaufzeichnungen sieben heikle und<br />
sensible Phasen <strong>im</strong> ganzen Entscheidungsprozess<br />
definiert. In diesen Sequenzen waren die Mitspiele-<br />
, rInnen z.T. sehr engagiert aufgetreten und es sind<br />
dabei wichtige Sachverhalte verh<strong>and</strong>elt worden. So<br />
liess sich der beobachtete Ausein<strong>and</strong>ersetzungsprozess<br />
auf die folgenden sieben Hauptkonflikte<br />
reduzieren:<br />
• Ausein<strong>and</strong>ersetzung um die Sanierungsvariante<br />
Bodel1wlische<br />
• Ausein<strong>and</strong>ersetzung um die Sanierungsvariante<br />
Sicherung/Abdeckung<br />
• Ausein<strong>and</strong>ersetzung um die Strategie der Nu/!<br />
variante (Drohung)<br />
• Ausein<strong>and</strong>ersetzung um die Sanierungsvariante<br />
Tei/sanierung<br />
• Ausein<strong>and</strong>ersetzung um fallspezifische Haftungsregelungen<br />
326<br />
, UNS-Fallstudie '96
Anhang ~ ~ -PlanspieI<br />
• Ausein<strong>and</strong>ersetzung zum Thema finanzielle Kooperation,<br />
«Joint Venture»<br />
• Ausein<strong>and</strong>ersetzung um ökologische Ausgleichsflächen<br />
und <strong>and</strong>ere umweltrelevante Massnahmen.<br />
Aus dem weiteren Umfeld unserer Altlastengruppe<br />
riefen wir ein Expertengremium aus Mitstudierenden<br />
und TutorInnen zusammen. Mit Hilfe eines<br />
st<strong>and</strong>ardisierten Fragebogens nahmen diese «Experdnnen»<br />
anh<strong>and</strong> der Videoaufzeichnung-eine Bewertung<br />
der Parteien <strong>im</strong> Planspiel bezüglich den sieben<br />
oben erwähnten Konfliktsituationen vor.<br />
Kernaussagen, welche auf Grund des übereinst<strong>im</strong>menden<br />
Eindruckes aller SpielbeobachterInnen<br />
bereits zum jetzigen Zeitpunkt formuliert werden<br />
können, sollen <strong>im</strong> folgenden hier kurz dargestellt<br />
werden:<br />
• Die SpielteilnehmerInnc:?n des Planspieles gelangten<br />
zum selpen Sanierungsentscheid, wie die<br />
Akteure in der Realität;<br />
• Schliesslich haben die ökonomischen Argumente,<br />
zusammen mit der Gefahr eines St<strong>and</strong>ortverlustes<br />
- mit seinen negativen Auswirkungen für die <strong>Stadt</strong><br />
Zürich -den Hauptausschlag für die Wahl der<br />
«günstigeren» Sicherungsvariante gegeben.<br />
• Weiter wurde das Argument der Zum\ltbarkeit für<br />
den'Unternehmer und überhaupt das Moment der<br />
Verhältnismässigkeit vor allem von Unternehmerseite<br />
stark vertreten.<br />
Im Planspiel hat sich gezeigt, dass sich die<br />
hauptsächlichsten Argumente stets um die beiden<br />
Pfeiler Ökonomie und Ökologie drehten und dass ökonomische<br />
Aspekte stärker zum Tragen kamen. Von sei- .<br />
nem anfanglieh hehren Sanierungsziel einer Totalsanierung<br />
musste das Planspiel-«AGW" _zunehmend<br />
Abst<strong>and</strong> nehmen und in Richtung Unternehmer und<br />
<strong>Stadt</strong> einen erheblichen Kompromiss eingehen. Dieser<br />
Verh<strong>and</strong>lungsverlauf war auch ausden Protokollanalysen<br />
erkennbar, sowie aus den Interviews mit<br />
den beteiligten Akteuren spürbar.<br />
Methode, der aus dem Prozess der Fallstudie heraus<br />
unternommen wurde. Wie die Erfahrung in ähnlichen<br />
Fällen lehrt, z.B. bei der Szenarioanalyse oder<br />
den Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen, wird es Aufgabe<br />
künftiger UNS-Fallstudien sein, die Einsatzmöglichkeiten<br />
des Planspiels auszutesten und diese neue Fallstudienmethode<br />
zu einem validen Untersuchungsinstrument<br />
zu machen._<br />
Literatur<br />
Eberc,G. (1992). Planspiel- eine aktive und .attraktive Lernmethode.<br />
Köln: Wirtschaftsverlag Bachern.<br />
Groth, G. (1992). Bildungstheoretische Überlegungen zur Auswahl<br />
der Ziele und zur Struktur desrnethodischen Entscheidungsprozesses.<br />
Köln: Wirtschaftsverlag Bachern.<br />
Scholz, R.W., Bösch, S., Koller, T., Mieg, HA, Stünzi, J. (Hrsg.).<br />
(1996). Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen:<br />
Wercschöpfung durch Umnutzung. Zürich: vdf Hochschulverlag<br />
AG.<br />
Methoden"riti" und folgerung<br />
Der Eindruck den die BeobachterInnen vom Spielverlaufgewonnen<br />
hatten war, dass ein echtes,zähes<br />
Ringen um den Entscheid der Sanierungsvariante<br />
stattgefunden hatte. Trotzdem müsste noch überprüft<br />
werden, inwiefern das Zust<strong>and</strong>ekommen dieses<br />
spezifischen Entsch~ides durch die Individualität<br />
der Spielteiinehmerlnnen bedingt war.<br />
Die Akteure der realen Entscheidungsproblematik <br />
<strong>im</strong> Fall Stierenried könnten mit den Resultaten und<br />
Analysen dieser Planspielsituationkonfrontiert werden,<br />
um ihre Einschätzung bezüglich des Realitätsbezuges<br />
dieser S<strong>im</strong>ulation abgeben zu können.,<br />
Das Planspiel in der Fallstudie «<strong>Zentrum</strong> Zürich<br />
<strong>Nord</strong>» war ein erster Anwendungsversuch dieser<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
327
_________________________________________________Index<br />
Index<br />
2<br />
2-Phasen-Schwungrad-Modell 76<br />
A<br />
Abflussspitzen 267<br />
Abwasser 261, 269<br />
Accumulatoren-Fabrik Oerlikon 90<br />
Agenda 21 98<br />
Akteure 148,225 .<br />
Alfred Escher 91<br />
Allergene 189<br />
Altlasten 212<br />
Altlastenverdachtsflächen 182<br />
Anwohner 113<br />
Arbeiterfamilien 91<br />
Arbeitsquartier 112<br />
Autoabstellplätze 144·<br />
Autofreies Wohnen 156<br />
B<br />
Bau- und Zonenordnung 93, 97<br />
Bauausführung 283, 293<br />
Bauplanung 304,312<br />
Bebauungskonzept96<br />
Begehbarkeit 194<br />
Bevölkerungsentwicklung 110<br />
Bewertung der Modelle, Verkehr 167<br />
Bewertungsstrukturen 232<br />
Biodiversität 182<br />
Biotopflächenindex 306<br />
Boden 189,220<br />
Brunswiksches Linsenmodell 290,<br />
314<br />
Bulletin Board Systeme 58<br />
c<br />
Car-Sharing 157<br />
Car-Sharing-Genossenschaften 157<br />
Car-Sharing-Konzept 158<br />
Chance Oerlikon 2011 94<br />
Citylogistik 160<br />
Clusteranalyse 197<br />
Computer 58<br />
Computergestützte Kriterienbewertung<br />
MAUD 195<br />
Critical-levels und -loads 154<br />
D<br />
Datenbanken 59<br />
Dienstleistung 133<br />
E<br />
E-mail 59<br />
Einflussfaktoren 318<br />
Einflussfaktoren, Verkehr 149, 171<br />
Einflussfaktoren, Wasserhaushalt<br />
253<br />
Einflussmatrix 318<br />
Eingemeindung 87<br />
Eisenbahnschlachten 84<br />
Emissionsfaktoren 176<br />
Energieverbrauch 308<br />
Ententeich 284, 297, 308<br />
Ententeich, Umnutzung 301<br />
Entscheidungsbildung 183<br />
Entscheidungsfindung 236<br />
Entscheidungsfindungsprozess,<br />
Opt<strong>im</strong>ierung 325<br />
Entscheidungshilfe 232<br />
Entscheidungsmanagement, Thesen<br />
zum 244<br />
Entscheidungsträger 226<br />
Entscheidungsunterstützungssysteme<br />
59<br />
Entwicklungsleitbild 97, 102, 107,<br />
131, 144<br />
Entwicklungsvarianten 104, 106, 118<br />
Erschliessungsstrassen 144<br />
Escher, Alfr~d 85<br />
Evapotranspiration 258, 267, 269<br />
Explorationsparcours 184-185,203<br />
Explorationsparcours, Ergebnisse<br />
194<br />
F<br />
Fallstudienbüro 68<br />
Fallstudienzeitung 51<br />
FinanzpIatz 91<br />
Flachdächer 201<br />
Fluglärm 117<br />
Formative Szenarioanalyse 149,251,<br />
317<br />
Fragebogen 186, 198<br />
Fussgänger 158<br />
G<br />
Gartenbewässerung 262<br />
Gebäude-Lebenszyklus 282,<br />
313-314<br />
Gebäudenutzung 283<br />
Gebäudeplanung 283<br />
Gehbehinderte 158<br />
Gerichteter Graph 318<br />
Gesamtverkehr 146<br />
Gestaltungspläne 93<br />
Gifte 189<br />
Grauwassernutzung 262,271<br />
Grauwassernutzung, Rentabilität 272<br />
Grossregion Zürich 88<br />
Gründächer 266, 270<br />
Grundeigentümer 132<br />
Grundwasser 214<br />
Grundwasserförderung 260<br />
Grünraum 180<br />
Grünraum, Leitidee für 199<br />
Grünraumelemente 182<br />
Güterverkehr 144, 151, 166<br />
H<br />
Hartmann Druckfarben AG 90<br />
Hochkonjunktur 90<br />
Hydraulisches Sanierungsverfahren<br />
225<br />
Hydrogeologie 213<br />
Hypertext Systeme 58<br />
1<br />
Ideenwettbewerb 95<br />
Ill-defined 67<br />
Indikatoren, Verkehr 152, 174<br />
Indikatorwerte, Verkehr 177<br />
Industrie 117, 133<br />
Interessengruppen 184, 198, 204<br />
Investoren 108, 116, 132, 196, 204<br />
Investorenbedürfnisse, Verkehr 169<br />
ISO 14000 313<br />
ISO 14001 281,313<br />
Italienerkrawall 87<br />
K<br />
Kanalisation 260, 266, 269<br />
Kl<strong>im</strong>a 180, 190<br />
Kompost-WC 263<br />
Konflikte 239<br />
Konfliktpotential, Verkehr 147<br />
Konsistenzanalyse 204,319<br />
Konsistenzmatrix 319<br />
Kosten v. Grünräumen 191<br />
Kr<strong>im</strong>inalität 191<br />
Kriterien- und Massnahmenkatalog<br />
für die Grünraumgestaltung 189<br />
Kriterienbäume 1a5<br />
Kulturelle Aktivitäten 189<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
329
Index ---:- _<br />
L<br />
Lamprecht AG 90<br />
L<strong>and</strong>abtausch ,108<br />
Lärm<strong>im</strong>missionen 191<br />
Lascher Vollzug 231,234<br />
'Lebensräume 194<br />
Leitbilder für den Grünraum 199<br />
Logical Decisions 232, 303<br />
Lösungsansätze, Verkehr 169<br />
Luftverschmutzung, Verminderung<br />
von 192<br />
M<br />
Maschinenfabrik Oerlikon 86, 90<br />
MAUD 186, 204<br />
MAUD-Befragung 195<br />
MAUT 303<br />
Mediengruppe, Konzept 55<br />
Meteorwassergebühren 275<br />
Mic-Mac-Analyse 318<br />
Mischnutzung 108, 114, 133,302<br />
Mitbest<strong>im</strong>mung 192<br />
Modal-Split 143-144,169<br />
Modell Entwicklungsleitbild 150,<br />
162<br />
Modell Entwicklungsleitbild<br />
opt<strong>im</strong>iert 150, 163<br />
Modell MIV max 150,165<br />
Modell ÖV-LV max 150,164<br />
Motorisierter Individualverkehr 160<br />
Multikriterielle Nutzentheorie 151<br />
N<br />
Nachhaltige Entwicklung ·133<br />
Nachhaltigkeit 71, 153, 156, 168,<br />
170,182,242,249,321<br />
Naturerlebnis 192<br />
Naturverträgliche Pflegeart 193<br />
Net Present Value 255,272<br />
Neubau 297<br />
<strong>Nord</strong>Seiten 55<br />
Nullvariante, Altlasten 223<br />
Nutzenfunktion, Verkehr 153<br />
Nutzer 117<br />
Nutzungseinschränkung 182<br />
Nyffenegger & Co. AG 90<br />
o<br />
-Öffentliche Nutzungen 134<br />
Öffentlicher Verkehr 144, 158, 161<br />
.Ökobilanz 291,300, 314<br />
Ökoeffizienz 97,287,291-292<br />
Ökologie-Planungs-Problem 292,<br />
306<br />
Ökologische Buchhaltung 294<br />
Ökologische Kriterien 291-292<br />
Ökologische Kriterien, Ententeich<br />
304<br />
Ökologische Kriterien, Wien 306<br />
Ökologische Nachhaltigkeit 182<br />
Ökologische Opt<strong>im</strong>ierung 291,306<br />
Ökologische Verantwortung 245<br />
Ökonomisches H<strong>and</strong>eln 182<br />
p<br />
Pflanzenkläranlage 263<br />
Pflichtparkplatzzahl 144<br />
Parkplätze 260<br />
Partizipation 115<br />
Pendlerverkehr 142<br />
Personenverkehr 150, 166<br />
Planspiel 237,241,324<br />
Planungsprozess .102, 107<br />
Plattformen 202<br />
Pocket Parks 181,200<br />
Potentielle Tierarten '192<br />
Prinzip des forschenden Lernens 67<br />
Projektorganisation 76<br />
Psychotop 182<br />
Q<br />
Qualitätsmanagement 313<br />
R<br />
Radfahrer 158<br />
Rahmenbedingungen,<br />
Wasserhaushalt 250, 257<br />
Recycling 295, 300<br />
Regenwassernutzung 261-262,271<br />
Regenwassernutzung, Rentabilität<br />
272<br />
Regenwasserspeicher 266<br />
Reinwasserkanal 264<br />
Rentabilität wasserbaulicher<br />
Massnahmen 272, 274<br />
Retention 259<br />
Retentionsbecken 260, 266<br />
Risikoabschätzung, Altlasten 216<br />
Rückbau 283<br />
Rückzugsmöglichkeiten J 93<br />
s<br />
Sanierungsmassnahmen, Altlasten<br />
242<br />
Sanierungsvarianten,Altlasten 223<br />
Sanierungsverfahren, Altlasten 221<br />
Sanierungszielkaskade 226<br />
Satellitenstädte 92<br />
Schadschöpfung 289,291<br />
Schmutzwasserspeicher 260<br />
Schnittstellenparadoxon 50<br />
Schuttgüter 219<br />
Sehbehinderte 158<br />
Sets 250<br />
Sicherung 224<br />
Sickerwasser 215,264<br />
Skalierung der Ipdikatoren, Verkehr<br />
154<br />
Sonderbauvorschriften 93-94,97,<br />
107, 181<br />
Soziale Durchmischung 111, 113,<br />
133<br />
Soziale Nachhaltigkeit 183<br />
Soziales Umfeld 103, 110<br />
Spezifisches Verkehrspotential 146<br />
Spitzenbelastung der Kanalisation<br />
269<br />
<strong>Stadt</strong>park J99<br />
St<strong>and</strong>ortfaktoren 115<br />
St<strong>and</strong>ortgerechte Pflanzen 189<br />
St<strong>and</strong>ortqualität 103, 115<br />
Starkregenereignisse 267<br />
Stella 11 253<br />
Stoffflussanalyse 255,297,314<br />
Strassengestaltung 158<br />
Strenger Vollzug 230, 234<br />
Strukturkonzept 95<br />
Synthese 67<br />
Synthese-Moderation 70<br />
Synthesegruppe 72<br />
System Dynamik 253<br />
System-Grid 318<br />
Szenarioanalyse 70, 105, 118, 317<br />
Szenariokonstruktion 319<br />
T<br />
Teilgebiet D 182,250<br />
Teilprojekt 72<br />
TaRO I 286,293<br />
Trinkwasserpreis 256<br />
Trinkwasserverbrauch 269<br />
u<br />
Um- und Restrukturierungen 91<br />
Umbau 297,314<br />
Umnutzungen 303<br />
Umwelthygienische Nachhaltigkeit<br />
182<br />
330<br />
UNS-Fallstudie '96
___________~__~ -~---- Index<br />
Umweltmanagement 288,296,304,<br />
312<br />
Umweltmanagementsystem 282,<br />
313-314<br />
Umweltnaturwissenschafter, Rolle<br />
des 203<br />
Umweltpolitik 281,287<br />
Umweltraummethode 154, 156<br />
Umweltschutzgesetz (USG) 217<br />
Umweltziele, Gebäude 291,314<br />
Unterhaltskosten für wasserbauliche<br />
Massnahmen 270<br />
Urinseparierung 262, 275<br />
v<br />
.V<strong>and</strong>alismus 191<br />
Variantensets 254<br />
Verdunstung 193<br />
Verein zürifüfzg! 97<br />
Vergrossstädterung 86<br />
Verhältnismässigkeit 218<br />
Verkehr 114<br />
Verkehrsbelastung 143<br />
Verkehrsflächen 200<br />
Verkehrsmodelle 150-151, 162<br />
Vernetzung der Parkanlagen 181<br />
Vernetzungselemente 190<br />
Versickerung 193<br />
Versiegelte Flächen 249<br />
Vogt & Co. 90<br />
x<br />
XamaxAG 90<br />
z<br />
<strong>Zentrum</strong> Zürich <strong>Nord</strong> 95<br />
<strong>Zentrum</strong>sfunktion 109<br />
Zugänglichkeit 194<br />
Zukunft 118<br />
Zukunftsbilder, Altlasten 210,230<br />
Zukunftsperspektiven 104<br />
Zusammenarbeit 132<br />
Zwischennutzung 117, 135<br />
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Wasch- und Extraktionsverfahren<br />
224<br />
Wasser 308<br />
Wasserflüsse 264<br />
Wasserhaushalt 249<br />
Wasserhaushaltsmodell 250-252,<br />
255,273<br />
Wasserkraft 83-84<br />
Wassersparen 261,273<br />
Wassersparende Armaturen 261<br />
Wasserspeicher 264<br />
Wasserverbrauch 261<br />
Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon,<br />
Bührle & Co. 90<br />
Wichtigste Ergebnisse 29-33<br />
Wiener Modell 308<br />
Wirkungspfade 219<br />
Wirtschaftliche Aspekte, Verkehr<br />
171<br />
Wirtschaftliche Nachhaltigkeit 182<br />
Wissensintegration· 67<br />
Wohnquartier 112<br />
UNS-Fallstudie '96<br />
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i! Übersicht zu den Tutorinnen und Tutoren der einzelnen Synthesegruppen<br />
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Der B<strong>and</strong> zur UNS-Fallstudie 1994<br />
Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
Perspektive Grosses Moos<br />
Wirtschaft und Ökologie bilden <strong>im</strong> Bereich der L<strong>and</strong>wirtschaft einen scheinbar unüberbrückbaren Gegensatz.<br />
Die Umsetzung der neuen Schweizer Agrarpolitik, mit ihrem Ziel einer Ökologisierung der L<strong>and</strong>wirtschaft, fordert<br />
eine nachhaltige Entwicklung. Dieses Buch zeigt Strategien auf, wie sich aus dem ökologisch relevanten<br />
Wissen - nicht nur der Fachleute, sondern auch der Bevölkerung - H<strong>and</strong>lungsperspektiven gewinnen lassen.<br />
Die Studie liefert einen Beitrag zur Fallstudienmethodik in Lehre und Forschung - mit dem Ziel, ein neues<br />
Verhältnis zwischen Theorie und Praxis zu schaffen. Im Mittelpunkt stehen fachübergreifende, problemorientierte<br />
Methoden der Wissensintegration.<br />
. Die Studie richtet sich an Fachleute und Lehrkräfte aus den Bereichen Ökologie, (Agrar-)Wirtschaft, Raumplanung<br />
sowie an Behörden und die Bevölkerung <strong>im</strong> Grossen Moos.<br />
Inhalt<br />
Einleitung<br />
Was ist und was soll die Fallstudie 1994?<br />
Die Fallstudie als Methode der Lehre, der Forschung und<br />
des Wissenstransfers.<br />
Zur Organisation der Fallstudie<br />
Die Fallstudie als Grossprojekt mit eigener<br />
Organisationsform; Ablauf und Ablauforganisation.<br />
Zur Theorie der Fallstudie<br />
Prinzipien der Fallstudienforschung und -lehre; Erfordernisse<br />
einer effizienten Theorie-Praxis-Beziehung.<br />
Projektliniensynthesen<br />
Ökologie<br />
Strategien und Bewertung der Gestaltung ökologischer<br />
Ausgleichsfläche; Checklisten für den L<strong>and</strong>wirt.<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
Verfahren für die ökologische Bewertung l<strong>and</strong>wirtschaftlicher<br />
Betriebe; Beispielrechnungen.<br />
Politik und Wirtschaft<br />
Erkundung von wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen<br />
für eine Ökologisierung der L<strong>and</strong>wirtschaft;<br />
Analyse des·Vollzugs Von Artikel 31 b LWG.<br />
Soziale D<strong>im</strong>ensionen<br />
Einstellung von L<strong>and</strong>wirten und Bäuerinnen zum<br />
Agrarkonsens; Bedeutung der Gemeindepolitik;<br />
Wissen und Einstellungen von Konsumenten.<br />
Gesamtsynthesen<br />
Raumnutzungsverh<strong>and</strong>lungen<br />
Ökologisch opt<strong>im</strong>iertes L<strong>and</strong>schaftsentwicklungskonzept;<br />
Verfahren und Strategien zum Interessenausgleich.<br />
Szenarioanalyse<br />
Einflussfaktoren, Zukunftsszenarien und D<strong>im</strong>ensionen von<br />
Nachhaltigkeit; Wege in die Zukunft.<br />
Fragestellungswerkstatt<br />
L<strong>and</strong>wirtschaftsgesetz (Artikel 31b) und Ökologie;<br />
das Gesetz zwischen den Zeilen.<br />
Der B<strong>and</strong> «Perspektive Grosses Moos - Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft» (Herausgegeben von Rol<strong>and</strong> W.<br />
Scholz, Theodor Koller, Harald A. Mieg und Corinne Schmidlin, 209 Seiten, ISBN 37281 2168 1) kann über den Buchh<strong>and</strong>el<br />
bezogen werden.
Der B<strong>and</strong> zur UNS-Fallstudie 1995<br />
Umwelt und Bauen: Wertschöpfung durch Umnutzung<br />
Industrieareal Sulzer-Escher Wyss<br />
Industrie und Städte w<strong>and</strong>eln sich. Im Fall der Sulzer-Escher Wyss AG in Zürich ergab sich die Gelegenheit,<br />
den W<strong>and</strong>el eines städtischen Industrieareals gesamthaft zu untersuchen. Die Fallstudie zeigt Bewertungsund<br />
H<strong>and</strong>lungsperspektiven für den Bereich «Bauen und Umwelt» <strong>im</strong> allgemeinen und für städtische Industrieareal-Umnutzung<br />
<strong>im</strong> besonderen. Neu ist an dieser Studie, dass für ein urban bedeutsames Vorhaben eine<br />
umfassende umweltnatur- und umweltsozialwissenschaftliche Untersuchung vorgelegt wird, welche von der<br />
Ökobilanzierung der Baukörper bis zur Interessenanalyse der Entscheidungsträger geht.<br />
Zielgruppe sind Fachleute und Lehrkräfte aus den Bereichen ökologisches Bauen, Areal-Promotion und<br />
ökologische <strong>Stadt</strong>entwicklung sowie alle, die sich für die <strong>Stadt</strong> Zürich und ihre Industrie interessieren. Wissenschafter,<br />
die an Problemen der Wissensintegration und der Erkenntnisgewinnung durch Fallstudien interessiert<br />
sind, findenOrientierungen und Beispiele.<br />
Inhalt<br />
Einleitung<br />
Warum untersuchen die Umweltnaturwissenschaften der<br />
<strong>ETH</strong> die Umnutzung eines Zürcher Industrieareals?<br />
Methoden<br />
Szenarioanalyse, System Dynamics und <strong>and</strong>ere Methoden<br />
der Wissensintegration.<br />
Organisation<br />
Aufbau und Ablauf der Fallstudie, Projektmanagement,<br />
Kooperationsstrukturen, Mediation.<br />
Der Fall: das SEW Areal in Zürich<br />
Geschichte. und gegenwärtige Situation, der Gestaltungsplan,<br />
das politische Vorspiel.<br />
Umsetzung von Umweltzielen<br />
Realisierung von ökologischem Bauen, Umweltziele<br />
in der Planung, Evaluation und Umsetzung,<br />
Werkblatt Bauen und Umwelt.<br />
Ökobilanz<br />
Ökobilanz des Areals, Diskussion der Methoden und<br />
Kriterien.<br />
Rahmenbedingungen ökologischen Bauens<br />
Umweltbewusstsein, Gesetzgebung und Kapital,<br />
Soft-System-Modellirig.<br />
Szenarioanalyse<br />
Ergebnisse, Vergleichbarkeit der Nutzungsvarianten,<br />
Analyse der Konsistenz, der Wünschbarkeit und der Realisierbarkeit.<br />
Zielbildung der Bauherrschaft<br />
Zielbildungs- und Verh<strong>and</strong>lungsprozess der Arealplanung,<br />
Altemativen und Kooperationsmöglichkeiten.<br />
Raumnutzungsverh<strong>and</strong>lungen<br />
Verh<strong>and</strong>lungsträger und -positionen, Analyse der subjektiven<br />
Arealbewertungsd<strong>im</strong>ensionen.<br />
Ideenwerkstatt<br />
Konzepte nachhaltiger Entwicklung, Nachhaltigkeits<br />
Marketing, « Nachhaltigkeits-Zoo».<br />
Der B<strong>and</strong> «Industrieareal Sulzer-Eseher Wyss- Umwelt und Bauen: Wertsehöpfung dureh Umnutzung» (Herausgegeben<br />
von Rol<strong>and</strong> W. Seholz, S<strong>and</strong>ro Böseh, Theodor Koller, Harald A. Mieg und Jürg Stünzi,322 Seiten, ISBN 37281 22270)<br />
kann über denBuehh<strong>and</strong>el bezogen werden.