Region Itige - ETH Zurich - Natural and Social Science Interface ...
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fTH-UNS ta/Jrstu'(lIe ;98<br />
Cha<br />
<strong>Region</strong><br />
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<strong>Itige</strong><br />
Herausgegeben von:<br />
Rol<strong>and</strong> W. Scholz, S<strong>and</strong>ro Bösch, Lucio Carlucci,<br />
Jenny Oswald<br />
Die vorliegende Untersuchung wurde finanziell<br />
unterstützt von:<br />
- Ministerium für Umwelt und Verkehr,<br />
Baden-Württemberg<br />
- EU Projekt Interreg 11 «Klettgaurinne»<br />
VERLAG RÜEGGER AG<br />
in Zusammenarbeit mit<br />
~ PABST SCiENCE PUBLlSHERS
Impressum --------------------------------------<br />
Herausgeber<br />
Gesamtredaktion,<br />
Lektorat<br />
Titelseite<br />
Satellitenbild<br />
Illustrationen<br />
Satz und Layout<br />
Rol<strong>and</strong> W. Scholz, S<strong>and</strong>ro Bösch,<br />
Lucio Carlucci, Jenny Oswald<br />
Karin Gasser,<br />
Claudia Mühlhäuser<br />
S<strong>and</strong>ro Bösch<br />
© ESA/EURIMAGE 1998,<br />
Bildverarbeitung Bildwissenschaft<br />
<strong>ETH</strong>Z<br />
Reproduktion mit Bewilligung<br />
vom 8.9.98<br />
Astrid Björnsen<br />
Pabst <strong>Science</strong> Publishers<br />
Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften (UNS)<br />
<strong>ETH</strong> Zürich<br />
Fallstudienbüro<br />
<strong>ETH</strong> Zentrum HAD E4<br />
Haldenbachstr. 44<br />
CH-8092 Zürich<br />
Tel.: 01-6326446<br />
Die Deutsche Bibliothek - C1P-Einheitsaufnahme<br />
Chancen der <strong>Region</strong> Klettau - Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung:<br />
<strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie '98/ hrsg. von:<br />
Rol<strong>and</strong> W. Scholz '" - Zürich: Verlag Rüegger AG, 1999<br />
ISBN 3 7253 06478<br />
NE: Scholz, Rol<strong>and</strong> W. (Hrsg.)<br />
© 1999<br />
Verlag Rüegger AG, Zürich in Zusammenarbeit mit<br />
Pabst <strong>Science</strong> Publishers, Lengerich<br />
ISBN 3 7253 06478<br />
http://www.rueggerverlag.ch
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorworte 5<br />
Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung:<br />
Der Kletlgau, eine <strong>Region</strong> im Umbruch 13<br />
<strong>Region</strong> und l<strong>and</strong>schaft zwischen wissenschaftlicher<br />
Analyse und Verständnis 25<br />
Die Organisation der UNS-fallstudie 39<br />
Mobilität im Klettgau 57<br />
Auf dem Weg zu einer integrierten<br />
l<strong>and</strong>schaftsgestaltung - das Beispiel Klettgau 97<br />
Multikriterien-Verfahren zu Nutzungsalternativen<br />
ehemaliger Kiesabbaugebiete 143<br />
Wirtschaftliche Perspektiven einer <strong>Region</strong><br />
l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Prägung im Einzugsgebiet<br />
grosser Agglomerationen 161<br />
Ökonomische, ökologische und soziale<br />
Betrachtungen zum Reb- und Weinbau im<br />
Klettgau 213<br />
Nachhaltige Siedlungsentwicklung in einer<br />
ländlichen <strong>Region</strong> - Ausgewählte Ergebnisse<br />
der Synthesegruppe Siedlung 229<br />
Index 239<br />
Studierende und Tutorinnen 243<br />
Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung: Der Klettgau,<br />
eine <strong>Region</strong> im Umbruch . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
1 Die Klettgaurinne: Eine <strong>Region</strong> im Umbruch? 14<br />
2 Zwei Grundlagen: Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie '97<br />
und das EU-Interreg 11 Programm 15<br />
2.1 Ergebnisse des EU-Interreg 11 Programms . . 16<br />
2.2 Ergebnisse der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie<br />
«Verantwortungsvoller Umgang mit Boden» . 18<br />
3 Ergebnisse der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1998<br />
«Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung» . . . . . 19<br />
4 Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
<strong>Region</strong> und l<strong>and</strong>schaft zwischen wissenschaftlicher<br />
Analyse und Verständnis . 25<br />
1 Zum Begriff <strong>Region</strong> .<br />
1.1 Ist der Klettgau eine <strong>Region</strong>? .<br />
2 Zum Begriff L<strong>and</strong>schaft .<br />
2.1 L<strong>and</strong>schaft als Begegnungsraum .<br />
2.2 L<strong>and</strong>schaftsbilder . . . . . . . . .<br />
2.3 L<strong>and</strong>schaft angloamerikanisch ..<br />
2.4 L<strong>and</strong>schaft als wissenschaftlicher Begriff<br />
3 Umweltwissenschaftliche Zugänge zum<br />
<strong>Region</strong>s- und L<strong>and</strong>schaftsbegriff . . . . .<br />
26<br />
27<br />
28<br />
28<br />
29<br />
29<br />
30<br />
31<br />
UNS-Fallstudie '98
Inhaltsverzeichnis<br />
_<br />
3.1 Naturwissenschaftliche Zugänge zum<br />
L<strong>and</strong>schaftsbegriffs .<br />
3.2 Sozialwissenschaftliche Zugänge zum<br />
L<strong>and</strong>schaftsbegriffs ... . . . . . . .<br />
3.3 Holistische und analytische Konzeptionen<br />
3.4 Verstehen, Begreifen und Erklären ....<br />
3.5 Intuition und Analysis in der L<strong>and</strong>schaftsforschung<br />
.<br />
4 Integrale umweltnaturwissenschaftliche<br />
L<strong>and</strong>schafts- und <strong>Region</strong>sforschung ...<br />
4.1 «Mutuallearning» als Strategie für den Umgang<br />
mit L<strong>and</strong>schaft . . . . . . . . . . . . . . ..<br />
5 Schlussbetrachtung und Folgerungen . . . .<br />
5.1 <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft als interdisziplinärer<br />
Gegenst<strong>and</strong> . . . . . . . . . . . . . .<br />
5.2 Methodengeleitete Wissensintegration<br />
5.3 Erhaltung der Komplexität und<br />
Ganzheitlichkeit . . . . . . . . . . . .<br />
5.4 Lebensnähe des Gegenst<strong>and</strong>es erfordert<br />
verstärktes Methodenbewusstsein ...<br />
5.5 Historische Betrachtung Voraussetzung<br />
5.6 Dimensionsübergreifende Fokussierung<br />
5.7 <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft als transdisziplinärer<br />
Gegenst<strong>and</strong> . . . . . . . . . .<br />
Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
1 Grundlagen und Zielsetzungn<br />
1.1 Was ist die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie? .<br />
1.2 Die UNS-Fallstudie als neuer Typ einer Lehrveranstaltung<br />
.<br />
1.3 Die UNS-Fallstudie als jahrgangsübergreifender<br />
Prozess .<br />
2 Aufbau der UNS-Fallstudie 1998 ..<br />
2.1 Die organisatorische Grundstruktur .<br />
2.2 Die Organisation der Schnittstellen .<br />
2.3 Modularisierung und Synthese . . .<br />
2.4 Organisationsinstrumente und Infrastruktur<br />
3 Ablauf der UNS-Fallstudie 1998 .<br />
3.1 Vorbereitung............. .<br />
3.2 Projektphase (Fallbearbeitung) . . .<br />
3.3 Nachbearbeitung, Produkte und Prozesse<br />
4 Ausblick und Schlussbemerkungen<br />
Mobilität im Klettgau<br />
1 Einleitung. . .<br />
2 Theoretische Grundlagen<br />
2.1 Mobilität im ländlichen Raum .<br />
2.2 Kostenwahrheit als ökologische Zielsetzung<br />
2.3 Geschichte der Verkehrswege im Klettgau<br />
2.3.1 Vom Marterweg zur A98: Strassen im Klettgau .<br />
2.3.2 Von der Dampflok zum Neigetechnik-Zug:<br />
Der Schienenweg im Klettgau . . . . . . .<br />
2.4 Einfluss der Stadtnähe auf die Mobilität im<br />
Klettgau .<br />
2.5 Einfluss der Grenze auf die Mobilität im<br />
Klettgau .<br />
2.6 In die Stadt für Arbeit, Einkäufe und<br />
Unterhaltung. . . . . ....<br />
2.7 Untersuchte Verkehrszwecke<br />
2.7.1 Pendelverkehr<br />
2.7.2 Einkaufsverkehr<br />
2.7.3 Freizeitverkehr .<br />
3 Ziele .<br />
4 Vorgehen und Methoden<br />
31<br />
31<br />
31<br />
32<br />
32<br />
33<br />
34<br />
35<br />
35<br />
35<br />
35<br />
35<br />
35<br />
36<br />
36<br />
39<br />
41<br />
41<br />
41<br />
42<br />
43<br />
43<br />
45<br />
46<br />
48<br />
51<br />
51<br />
52<br />
53<br />
54<br />
57<br />
59<br />
59<br />
59<br />
60<br />
61<br />
61<br />
62<br />
63<br />
63<br />
64<br />
65<br />
65<br />
65<br />
65<br />
66<br />
66<br />
4.1 Überblick: Vom Ist-Zust<strong>and</strong> zur zukünftigen<br />
Entwicklung 66<br />
4.2 Systemabgrenzung . . . . . . . . . 66<br />
4.3 Verkehrs-Belastungsmodell..... 67<br />
4.3.1 Berechnung der Verkehrsbelastung 67<br />
4.3.2 Berechnung der Umweltbelastung . 70<br />
4.4 Umfrage zur Mobilität im Klettgau . 71<br />
4.5 Die formative Szenarioanalyse . 72<br />
4.5.1 Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . 73<br />
4.5.2 Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . 73<br />
4.5.3 Beschreibung der zur Bewertung vorgelegten<br />
Szenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />
5 Resultate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />
5.1 Gesamtes Verkehrsaufkommen im Klettgau . 76<br />
5.1.1 Gesamte Verkehrsbelastung . . . . . . . . . 76<br />
5.1.2 Gesamte Umweltbelastung durch Verkehr im<br />
Klettgau. . . . . . . . . . 76<br />
5.2 Einzelne Verkehrszwecke 79<br />
5.2.1 Pendelverkehr 79<br />
5.2.2 Einkaufsverkehr . . . . . . 79<br />
5.2.3 Freizeitverkehr . . . . . . 81<br />
5.2.4 Image des öffentlichen Verkehrs . 84<br />
5.3 Bewertung der Szenarien .... 86<br />
5.3.1 Auswirkungen der szenarischen Rahmenbedingungen<br />
auf den IST-Zust<strong>and</strong><br />
(vgl. Tab. 5.4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 86<br />
5.3.2 Bewertung der verkehrsbedingten Umweltbelastung<br />
unter den szenarischen Rahmenbedingungen<br />
. . . . . . . . . . . . . . 87<br />
5.4 Massnahmen - Wege zu einer umweltverträglicheren<br />
Mobilität . . . . . . . . 90<br />
6 Veranstaltung: Mobilitätskarawane im Zuge des<br />
sanften Verkehrs . . . . . 92<br />
6.1 Intention......... 92<br />
6.1.1 Nachhaltigkeitsmarketing 92<br />
6.2 Konzept und Ablauf . . . 93<br />
6.3 Bewertung der Veranstaltung 94<br />
7 Ausblick. . . . . . . . . . . 95<br />
Auf dem Weg zu einer integrierten<br />
l<strong>and</strong>schaftsgestaltung - das Beispiel Klettgau ..... 97<br />
1.1<br />
1.2<br />
2<br />
2.1<br />
2.1.1<br />
2.1.2<br />
2.1.3<br />
2.1.4<br />
2.2<br />
2.2.1<br />
2.2.2<br />
2.2.3<br />
2.2.4<br />
2.2.5<br />
Vom L<strong>and</strong>schaftsschutz zur L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
..<br />
Die Grenzen des L<strong>and</strong>schaftsschutzes<br />
Wege zu einer integrierten L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
im Klettgau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
L<strong>and</strong>schaft im Klettgau - Entwicklungsfaktoren,<br />
Nutzungsdynamik und Gestaltungsstrategien<br />
Natürliche und kulturgeschichtliche<br />
Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . .<br />
Geomorphologie und Klima . . . . . .<br />
Nutzungsgeschichte und gegenwärtige<br />
L<strong>and</strong>nutzung . . . . . . . . . . ..<br />
Fauna und Flora .<br />
Der Klettgau im regionalen Kontext . .<br />
Wieviel Raum hat die Natur im Klettgau?<br />
Exemplarische Aufnahme naturnaher Flächen.<br />
Leitfragen . . . . . . . . . . . . . . . .<br />
Vorgehen .<br />
Ergebnisse: Rebberge und Talebene als<br />
ökologische Schwachstellen . . . .<br />
Methodenkritik . . . . . . . . . . .<br />
Naturnahe Flächen und zukünftige<br />
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung im Klettgau .<br />
99<br />
99<br />
99<br />
.102<br />
.102<br />
· 102<br />
.103<br />
.104<br />
.107<br />
.107<br />
· 107<br />
.107<br />
.107<br />
· 109<br />
· 110<br />
2 UNS-Fallstudie '98
Inhaltsverzeichnis<br />
2.3<br />
2.3.1<br />
2.3.2<br />
2.3.3<br />
2.3.4<br />
2.3.5<br />
2.3.6<br />
2.4<br />
2.5<br />
2.5.1<br />
2.5.2<br />
2.5.3<br />
2.6<br />
2.6.1<br />
2.6.2<br />
2.6.3<br />
2.7<br />
3<br />
3.1<br />
3.2<br />
3.3<br />
3.3.1<br />
3.3.2<br />
3.4<br />
3.5<br />
3.5.1<br />
3.5.2<br />
3.6<br />
3.6.1<br />
3.6.2<br />
3.7<br />
4<br />
4.1<br />
4.2<br />
4.3<br />
4.4<br />
5<br />
5.1<br />
5.2<br />
5.3<br />
6<br />
6.1<br />
6.2<br />
6.3<br />
Aufnahme der l<strong>and</strong>schaftlichen<br />
Erlebnisqualität .<br />
Leitfragen ... . . . . . . . .<br />
Allgemeines Vorgehen<br />
Wahrnehmung der L<strong>and</strong>schaft durch<br />
Studierende . . . . . . . . .. ..<br />
Wahrnehmung der L<strong>and</strong>schaft durch<br />
Klettgauerinnen und Klettgauer . . .<br />
Methodenkritik .<br />
L<strong>and</strong>schaftliche Erlebnisqualität und zukünftige<br />
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung . . . . . . . . . . . . . .<br />
Der Zusammenhang zwischen Erlebnisqualität<br />
und ökologischem Wert der L<strong>and</strong>schaft<br />
Druck auf die L<strong>and</strong>schaft<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft . . . . . . .<br />
Siedlungsgebiete .....<br />
Verkehrswege und Verkehr<br />
Aktuelle Antwortstrategien:<br />
Chancen und Grenzen ..<br />
Ökologische Aufwertungsmassnahmen in der<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft . . . . . . . . . .. ... ..<br />
Das Naturschutzkonzept und der Richtplan des<br />
Kantons Schaffhausen . . . . . . . . . . .<br />
Erste Erfolge des ökologischen Ausgleichs<br />
Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . .<br />
Ein partizipatives Bewertungsinstrument für<br />
konkrete Massnahmen zur nachhaltigen<br />
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung . . .. ..<br />
Einführung . . . . . . . . .. .<br />
Die Idee der multikriteriellen Entscheidungsfindung<br />
.<br />
Kriterien für die Bewertung l<strong>and</strong>schaftsgestaltender<br />
Massnahmen. . . . . . . .<br />
Anforderungen an die Kriterien . . . . .<br />
Auswahl der Kriterien . . . . . . . . . .<br />
Massnahmen zur Aufwertung der L<strong>and</strong>schaft<br />
Entwickeln eines möglichen Sollzust<strong>and</strong>s .<br />
Vorgehen .<br />
Ergebnis und Diskussion. . . . . . .<br />
Bewertung der Massnahmen -<br />
Die Bewertungsmethode im Praxistest<br />
Vorgehen . .<br />
Ergebnisse und Diskussion .<br />
Zusammenfassung der Bewertungsergebnisse<br />
Ein reoionales Kontaktnetz zur grenzüberschrei~enden<br />
Koordination l<strong>and</strong>schaftsgestaltender<br />
Projekte im Klettgau .<br />
Die Notwendigkeit von Koordination .<br />
Aufbau des Kontaktnetzes . . . . . . . . .<br />
Der Grundlagenordner - Arbeitsmittel für<br />
naturraumrelevante Projekte im Klettgau<br />
Umsetzung .<br />
Zusammenfassung und Ausblick:<br />
Schritte zu einer integrativen L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
im Klettgau .<br />
Zusammenfassung der Ergebnisse .<br />
Optionen für eine integrierte L<strong>and</strong>schaftsentwicklung<br />
im Klettgau .<br />
Ausblick<br />
Anhang .<br />
literatur . . ..<br />
Karten der beiden L<strong>and</strong>schaftstranssekte<br />
Rechtsgrundlagen in der Schweiz für<br />
Ökobeiträge des Bundes .....<br />
111<br />
111<br />
111<br />
112<br />
113<br />
114<br />
115<br />
115<br />
116<br />
116<br />
116<br />
117<br />
117<br />
117<br />
118<br />
118<br />
119<br />
119<br />
119<br />
120<br />
120<br />
120<br />
120<br />
121<br />
124<br />
124<br />
124<br />
129<br />
130<br />
131<br />
133<br />
134<br />
134<br />
134<br />
135<br />
135<br />
136<br />
136<br />
136<br />
137<br />
137<br />
137<br />
139<br />
141<br />
Multikriterien-Verfahren zu Nutzungsalternativen<br />
ehemaliger Kiesabbaugebiete . . . . . . . . . . 143<br />
1<br />
1.1<br />
1.2<br />
2<br />
2.1<br />
2.2<br />
2.3<br />
2.3.1<br />
2.3.2<br />
2.4<br />
2.4.1<br />
2.4.2<br />
2.4.3<br />
3<br />
4<br />
5<br />
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145<br />
Bedeutung des Kiesbbaus für die <strong>Region</strong> Klettgau 145<br />
· 145<br />
· 146<br />
· 147<br />
148<br />
· 149<br />
Aufgabe .<br />
Material und Methoden . . . . . . . .<br />
Vorgehen .<br />
Bestimmung der Nutzungsalternativen<br />
Die regionale Bewertung. . . . . . . .<br />
<strong>Region</strong>ales Entwicklungsleitbild bezüglich der<br />
nachhaltigen Nutzung der Kiesgruben im<br />
Klettgau .<br />
Paarweiser Vergleich .<br />
Die lokale Bewertung<br />
Fallbeispiel Bäumliacker<br />
Outranking für die lokale Bewertung<br />
Nutzwertanalyse für die lokale Bewertung<br />
Resultate des Fallbeispiels Bäumliacker<br />
Diskussion . . . . . . . . . . . . . . ..<br />
Zusammenfassung und Schlussfolgerung<br />
Wirtschaftliche Perspektiven einer <strong>Region</strong> l<strong>and</strong>wirtschaftlicher<br />
Prägung im Einzugsgebiet grosser<br />
Agglomerationen . . . . . . . . . . . . . .<br />
1.1<br />
1.1.1<br />
1.1.2<br />
1.1.3<br />
1.1.4<br />
1.2<br />
1.2.1<br />
2<br />
2.1<br />
2.2<br />
2.3<br />
2.4<br />
2.5<br />
2.6<br />
2.7<br />
3<br />
3.1<br />
3.2<br />
Der Klettgau: L<strong>and</strong>schaft am R<strong>and</strong>? -<br />
Die Ausgangslage .<br />
Wie alles kam - Historische Entwicklung der<br />
Wirtschaftszweige im Klettgau . . . . . . . .<br />
Die Erfindung der L<strong>and</strong>wit'tschaft -<br />
Von der Dreifelderwirtschaft zum modernen<br />
Wirtschaftsunternehmen . . . . . . . . . . .<br />
Original Klettgauer Wertarbeit - H<strong>and</strong>werk und<br />
Gewerbe im W<strong>and</strong>el der Zeit . .<br />
Vom Hanfhemd zum Kugellager<br />
Industrie im Klettgau .....<br />
Das Entstehen von Dienstleistungsbetrieben<br />
im Klettgau .<br />
Im Sog von Zürich und Schaffhausen <br />
Einblick in die aktuelle Lage der <strong>Region</strong><br />
Strukturdaten .. .<br />
Viele Einflüsse auf viele Akteure <br />
Ökonomisches H<strong>and</strong>eln im Klettgau und<br />
Zieldefinition für die Synthesearbeit .<br />
Abhängigkeit von Brüssel und Bern -<br />
die L<strong>and</strong>wirtschaft im Klettgau . . .<br />
Biorebbau und Integrierte Produktion <br />
Reb- und Weinbau im Klettgau ....<br />
Im Wirbel der Globalisierung <br />
Produzierendes Gewerbe im Klettgau .<br />
Nur langsamer Strukturw<strong>and</strong>el -<br />
Der Tertiärsektor im Klettgau ...<br />
Vielen Ansprüchen ausgesetzt <br />
Situation der Banken . . . . . . .<br />
Vision «Nachhaltiger Klettgaw>:<br />
Fragestellung und Ziel der Synthesearbeit .<br />
Vorgehen in drei Phasen -<br />
die Projektarchitektur ...<br />
Viele Wege in die Zukunft -<br />
Die formative Szenarioanalyse<br />
Ganzheitliches Verständnis <br />
Aufgaben und Ziele der Methode .<br />
Stoff- und Finanzflüsse -<br />
Die <strong>Region</strong>alökonomie aus einer systemischen<br />
Sicht . .<br />
· 150<br />
· 150<br />
· 150<br />
· 150<br />
· 151<br />
· 152<br />
· 155<br />
· 156<br />
· 158<br />
.. 161<br />
· 163<br />
· 163<br />
· 163<br />
· 167<br />
· 169<br />
· 171<br />
171<br />
173<br />
· 174<br />
· 174<br />
· 174<br />
· 175<br />
· 176<br />
· 176<br />
· 178<br />
· 178<br />
· 179<br />
· 179<br />
.. 180<br />
UNS-Fallstudie '98 3
Inhaltsverzeichnis<br />
_<br />
3.3 Verflechtungen zum Umfeld -<br />
Die relevanten Einflussfaktoren und ihre<br />
Beziehungen. . . . . . . . ...<br />
3.4 Wirkungen auf Umwegen <br />
Analyse indirekter Beziehungen.<br />
3.5 VVas bringt die Zukunft? -<br />
Bestimmung möglicher Entwicklungen für<br />
die Einflussfaktoren . . . . . . .<br />
3.6 Verträglichkeit und Spannung <br />
Konsistenzanalyse . . . . . . .<br />
3.7 Eine Fülle von Möglichkeiten <br />
Berechnung von Szenarien ..<br />
3.8 Den Kurs bestimmen -<br />
Auswahl von Szenarien und Aggregation<br />
zu Stossrichtungen .... ...<br />
3.9 Zukunftsfähig oder kurzsichtig? -<br />
Die Nachhaltigkeitsbewertung<br />
3.10 Leitstern für die Zukunft -<br />
Nachhaltiger Klettgau .....<br />
Anhang 3.1: Leitfaden für die Expertengespräche zur<br />
Erarbeitung der Einflussfaktoren und deren gegenseitige<br />
Beeinflussung . . . . . . . .<br />
4 Einsichten und Aussichten <br />
Kritik und Schlussfolgerungen<br />
4.1 Ein Gefährlicher Hochseilakt <br />
Kritik am Vorgehen . . . . . .<br />
4.2 Neue Antworten, neue Fragen <br />
Bezug zur Fragestellung<br />
4.3 Schlussfolgerungen.... ...<br />
182<br />
186<br />
187<br />
190<br />
191<br />
192<br />
193<br />
203<br />
205<br />
206<br />
206<br />
206<br />
209<br />
3.1<br />
3.2<br />
3.3<br />
Index<br />
Die Zukunftswerkstatt - Eine prozessorientierte<br />
Methode der Prozessanalyse .<br />
Multikriterielle Bewertung von Massnahmen<br />
auf den Ebenen Haus, Siedlung und <strong>Region</strong><br />
hinsichtlich Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit<br />
.<br />
Sechs Propositionen zur Siedlungsentwicklung<br />
im Klettgau<br />
Studierende der einzelnen Synthesegruppen<br />
Tutorinnen der einzelnen Synthesegruppen .<br />
.. 231<br />
.233<br />
.234<br />
.239<br />
.243<br />
.244<br />
Ökonomische, ökologische und soziale<br />
Betrachtungen zum Reb- und Weinbau im<br />
Klettgau . . . . . . . . . . . . . . . 21 3<br />
1 Einleitung und Ausgangslage 215<br />
2 Ausgangslage .. . . . . . . 216<br />
2.1 Begriffe............ 216<br />
2.2 Angaben zur L<strong>and</strong>wirtschaft im Klettgau 216<br />
3 Auswahl und Analyse der betrachteten<br />
Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 7<br />
3.1 Untersuchungsobjekte und Modellannahmen 217<br />
3.2 Ökonomische Vergleiche von 1 ha Reben im<br />
Modellbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . .. 21 7<br />
3.3 Ökologische Vergleiche der Modellvarianten<br />
mit der Ökobilanz . . . . . . . . . . 218<br />
4 Qualitative Ökologische Bewertung 220<br />
5 Experteninterviews 221<br />
6 Problemfelder . . . . . . . . . . . . 223<br />
7 Perspektiven . . . . . . . . . . . . . 223<br />
7.1 Stossrichtung «Interspezifische Sorten» 223<br />
7.2 Stossrichtung «Vermarktungswege und<br />
-formen» . . . . . . . . . . 224<br />
7.3 Stossrichtung
Vorwort<br />
HubertRoth<br />
Hans Gächter<br />
Gemeindepräsident<br />
Trasadingen<br />
Die Medien vermitteln uns laufend Informationen über Zusammenschlüsse<br />
von global tätigen Wirtschaftsunternehmen.<br />
Unrentable Firmen bzw. Betriebszweige werden kurzerh<strong>and</strong><br />
geschlossen und die Arbeitsplätze in Billigländer<br />
verlegt. Die Verwurzelung der Betriebe in der <strong>Region</strong> und<br />
die Identifikation der Mitarbeiter mit den Firmen sind in der<br />
international vernetzten Wirtschaft nicht mehr gefragt.<br />
Auch die <strong>Region</strong> Schaffhausen hat in den letzten Jahren<br />
einige Tausend Arbeitsplätze verloren. Erstaunlich ist dabei,<br />
dass die Bevölkerung nur unwesentlich zurückgegangen ist.<br />
Weitere Arbeitswege werden in Kauf genommen um die<br />
Kinder und Familien nicht aus der vertrauten Umgebung<br />
herauszureissen. Der Mobilitätsdruck der Pendler wird<br />
durch die besondere Lage ohne Direktanschluss Richtung<br />
Zürich noch grösser.<br />
Die Fallstudie <strong>ETH</strong> UNS zeigt die Entwicklungsmöglichkeiten<br />
aus wirtschaftlicher und naturwissenschaftlicher Betrachtungsweise<br />
auf. In verschiedenen Bereichen wie Zulieferer,<br />
Dienstleistungssektor oder L<strong>and</strong>wirtschaft können<br />
unsere Betriebe ihre innovative Eigenständigkeit bewahren<br />
bzw. die Produktion noch etwas steigern.<br />
Nicht vergessen werden darf der Einbezug der Natur und<br />
L<strong>and</strong>schaft unter Mitberücksichtigung der L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />
Die Vielfalt, die Produkte und die Stärken der grenzüberschreitenden<br />
<strong>Region</strong> Klettgau sollten künftig unter einer<br />
gemeinsamen Strategie vermarktet werden.<br />
Die Studierenden haben für die Politiker, Behörden und<br />
Wirtschaft wertvolle Erkenntnisse erarbeitet und aufgezeigt.<br />
Die Umsetzung der Studie durch die Ämter, Wirtschaft oder<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft wird erfahrungsgemäss erst in ein paar Jahren<br />
Wirkung zeigen. Vielseitige Pioniere sind gefordert um<br />
die neuen Methoden wirkungsorientiert umzusetzen. Als<br />
einzigartig kann die Zusammenarbeit der Studierenden der<br />
<strong>ETH</strong> Zürich mit der Bevölkerung, Ämtern und Behörden<br />
bezeichnet werden. Sie haben direkt vor Ort die Besonderheiten,<br />
Eigenheiten und die Bewohner kennengelernt. Mit<br />
dem praxisbezogenen Studium und den Stammtischgesprächen<br />
mitder Bevölkerung tragen sie zum besseren Verständnis<br />
und zur Öffnung der Hochschulen bei.<br />
Die grenzüberschreitende, überschaubare <strong>Region</strong> hat<br />
auch als kleine Einheit in der modemen Welt eine Zukunft.<br />
Gemeinsam nützen wir die in der Studie aufgezeigten Chancen<br />
der <strong>Region</strong> Klettgau.<br />
Bürgermeister der Gemeinde<br />
Klettgau/D, Vorsitzender des<br />
Zweckverb<strong>and</strong>es «Klettgauwasserversorgung»<br />
Mehr als je zuvor sieht sich die Politik bei der Konzipierung<br />
und Durchführung politischer Massnahmen und wirtschaftspolitischer<br />
Zielsetzungen mit der Herausforderung<br />
konfrontiert, nicht nur den wirtschaftspolitischen und sozialen<br />
Erwartungen der Menschen gerecht zu werden, sondern<br />
gleichzeitig die dafür nötigen ökonomischen und sozialen<br />
Aktivitäten so schonend einzusetzen, dass ihre Auswirkungen<br />
auf die Umwelt auch einer verantwortbaren globalen<br />
ökologischen Betrachtung st<strong>and</strong>halten können. Das gilt natürlich<br />
auch und vor allem für die Kommunalpolitik, denn<br />
gerade dort wird von uns Menschen die Bedeutung der<br />
natürlichen Umwelt für unser Wohlergehen täglich erlebt,<br />
gerade dort spüren wir, dass im Rahmen der Umweltproblematik<br />
die globalen Aspekte, die Beziehungen von zwischenmenschlicher<br />
Aktivität und Klima, von weit grösserer Bedeutung<br />
sind, als die durchaus auch wichtigen lokalen Probleme.<br />
Trotz allem fällt es aber in der Praxis nicht selten schwer,<br />
das richtige Mass für den Ausgleich von Ökonomie und<br />
Ökologie zu finden. Das verwundert einigermassen, wo es<br />
doch ein elementares Bedürfnis von uns Menschen gibt, das<br />
unser Verhältnis zur Natur reguliert: unser Interesse am<br />
Wohnen. Wir müssen die Natur nicht nur bearbeiten, um zu<br />
existieren, wir müssen auch in ihr wohnen können. Deshalb<br />
kann man das Leitbild des Wohnens durchaus unter dem<br />
Begriffder «Heimat» sehen, denn wie wäre der Zusammenhang<br />
natürlicherentspannter sozialer Beziehungen besser zu<br />
bezeichnen, die mitein<strong>and</strong>er ein Gleichgewicht darstellen,<br />
das uns Menschen zur Ruhe kommen lässt, weil es uns trägt.<br />
«Heimat» ist deshalb in diesem Sinne für mich kein<br />
Traum vom verlorenen Kinderl<strong>and</strong>, sondern gestaltete Natur,<br />
in der ich mich wohlfühle und in der ich gerne lebe. Und<br />
wer seine Umwelt bewohnbar halten will, kann sie auch<br />
nicht zerstören wollen. Im Gegenteil. In dem wir uns als Teil<br />
der Natur verstehen, ordnen wir uns in die von uns beeinflussten<br />
Kulturl<strong>and</strong>schaften ein, ohne die Beziehung zur<br />
Natur, zu ihren Gesetzen und zu ihrem Rhythmus zu verlieren.<br />
Jeder technische Fortschritt bringt zwangsläufig Nachteile<br />
und Probleme mit sich. Doch schlimm wird es im Grunde<br />
genommen erst dann, wenn wir diese Nachteile als etwas<br />
Unabwendbares hinnehmen, sie als den notwendigen Preis<br />
des Lebensst<strong>and</strong>ards im industriellen Zeitalter bezeichnen,<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
5
Vorwort<br />
statt den Ausgleich zu suchen. Längst geht es heute nicht<br />
mehr um die Beherrschung der Erde, sondern es geht letztlich<br />
um das rechte Mass, um das ausgewogene Verhältnis<br />
zwischen den Ansprüchen der Menschen und den Ansprüchen<br />
der Natur in der Einsicht, dass die Zerstörung der Natur<br />
die Zerstörung der Menschen bedeutet. Derartigen Ängsten<br />
steht die Furcht gegenüber, dass unsere Wirtschaft in der<br />
internationalen Konkurrenz ins Hintertreffen geraten könnte,<br />
wenn ihr die entsprechenden Ressourcen nicht zur Verfügung<br />
stehen. In Abwägung der menschlichen Möglichkeiten<br />
bleibt uns in diesem Dilemma letztendlich nur «die universale<br />
Moral der goldenen Regel» übrig: Was ihr wollt, das<br />
euch die Leute tun, das tuet ihnen auch! Das ist wohl die<br />
Grundbedingung, unter der wir eine ausgewogene sozialökologische<br />
Politik verstehen müssen. Und da Politik ja die<br />
«planvolle» Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens<br />
der Menschen bedeutet, ist es ihr grundlegender<br />
Auftrag, nach den entsprechenden versöhnenden globalen<br />
Lösungen zu suchen. Der Philosoph und Physiker Carl<br />
Friedrich von Weizsäcker bringt dies in seinem Buch «Der<br />
Garten des Menschlichen» auf den Punkt, indem er schreibt:<br />
«Dem Planen zugänglich und darum Pflicht ist das Suchen<br />
und Betreten von Wegen ... »<br />
Die <strong>ETH</strong> Zürich hat sich mit ihrer Fallstudie an dieser<br />
Wegsuche in konstruktiver Weise beteiligt und damit einen<br />
wichtigen wissenschaftlich-analytischen Beitrag zur Erforschung<br />
unserer Lebens- und Entwicklungsgrundlagen in der<br />
<strong>Region</strong> Klettgau geleistet. Es liegt nun an der Politik und an<br />
der Wirtschaft, sich den vielfältigen Gedanken nicht zu<br />
verschliessen, sondern ihnen für den Abwägungsprozess der<br />
politischen Ausgleichsmöglichkeiten den Zutritt zu gestatten.<br />
Norbert W. !!..a,~"c:a,<br />
ing.<br />
Baudirektor, leiter der Bauleilauchringen<br />
des Autobahnbeitri~'bsa""tes<br />
SingenI Ministerium<br />
für Umwelt und Ver<br />
Baden-Wiirttemberg<br />
Der Bericht zur <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1998 liegt vor. Ihr<br />
Thema «Chancen der <strong>Region</strong> Klettgau - Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung»<br />
ist Frage und Antwort zugleich.<br />
Die Entwicklung in einer Raumschaft, der Umbruch in<br />
einer <strong>Region</strong> ist gegen das Verständnis der (heutigen) Bevölkerung<br />
nicht zu beeinflussen. Die Bevölkerung vollzieht ja<br />
selbst den Umbruch. Sicherlich ist die Bevölkerungsentwicklung,<br />
ist das Arbeitsplatzangebot nachhaltig zum Beispiel<br />
für den betrachteten Teilaspekt Mobilität in der <strong>Region</strong>,<br />
hüben wie drüben. Und dennoch sind Unterschiede in<br />
beiden Ländern vorh<strong>and</strong>en. Diese zu erkennen, auszuwerten<br />
und zu deuten war Aufgabe der Studentinnen und Studenten,<br />
das Herausarbeiten der zu Anfang der Besiedelungsgeschichte<br />
sicherlich ähnlichen Verhältnisse in der <strong>Region</strong> des<br />
Schweizerischen und des deutschen Klettgaus und ihre heutigen<br />
deutlichen Unterschiedlichkeiten, u.a. geprägt durch<br />
unterschiedliche politische R<strong>and</strong>- und Rahmenbedingungen<br />
mit all ihren Auswirkungen, war Aufgabe der Fallstudie 98<br />
gewesen. Und was hat damit bitteschön ein Baumensch am<br />
Hut? Er wirkt, weil von Hause aus mit regionalplanerischen<br />
Aufgaben am Hochrhein betraut, beratend mit, er liest die zu<br />
Papier gebrachten Erkenntnisse und Gedanken, regt an und<br />
wird selbst zu neuem Denken inspiriert.<br />
Mit dem Begriff «Studie» der <strong>ETH</strong> verbindet der Leser<br />
den Anspruch aufWissenschaftlichkeit. Die Fallstudie sucht<br />
hier ihren eigenen Weg. Einerseits zeigt sie, dass die Bedürfnisse<br />
und Erfordernisse der Bevölkerung und der <strong>Region</strong><br />
sowie das Verhältnis von Ökologie und Ökonomie wissenschaftlich<br />
erarbeitet werden können. Zum <strong>and</strong>eren macht sie<br />
deutlich, dass die innere Einstellung, d.h. das Verhältnis der<br />
Bevölkerung zu ihrer L<strong>and</strong>schaft bzw. zu ihrer <strong>Region</strong> nur<br />
bedingt wissenschaftlich nachweisbar und darstellbar ist.<br />
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an dieser Studie<br />
erlernen quasi by doing auch die Darstellung wissenschaftlicher<br />
Erkenntnisse das selbstkritische Überdenken des eigenen<br />
Ergebnisses. Die Studierenden erleben Methodik,<br />
Didaktik, Kreativität und für mich noch wichtiger das Verkaufen<br />
(Darstellen) ihrer Ideen in einem ungeahnt frühen<br />
Stadium ihres Studiums. Hier wird fast bis zur Perfektion<br />
geübt, was in <strong>and</strong>eren Ausbildungsgängen oftmals völlig<br />
fehlt.<br />
Die Teilnehmer an der Studie geben Denkanstösse und<br />
eröffnen auch neue Aspekte (Aspekt lat.: das Hinsehen). Der<br />
Präsident des L<strong>and</strong>esamtes für Strassenwesen Baden-Württemberg<br />
spricht geme von der «Methode des genauen Hinsehens»,<br />
wenn es darum geht, wie ein Erkenntnisst<strong>and</strong> oft<br />
schneller und auch billiger gewonnen werden kann. Die<br />
Teilnehmer an der Studie stellen in Frage und hinterfragen;<br />
die «alten» Thesen und Erkenntnisse werden nicht einfach<br />
so übernommen. Fortschritt im eigenen Leben, Fortschritt in<br />
der Wissenschaft entwickelt sich nur durch fragen und zweifeln.<br />
So ist es nur logisch, dass nicht das Ergebnis der Studie,<br />
sondern der Weg dorthin das Ziel der Arbeit ist, das Fokussieren<br />
der Einzelbest<strong>and</strong>teile eines Systems, das Zusammentragen<br />
der Daten, deren Auswertung und die Bewertung<br />
des erarbeiteten Materials.<br />
Es stellt sich die Frage, wie und wann die Erkenntnisse der<br />
Fallstudie '98 vom Leser und von den Betroffenen gesehen,<br />
für sich selbst positiv bewertet oder gar umgesetzt werden.<br />
In diesem Sinne wünsche ich dem Fallstudienbüro und<br />
unserer gemeinsamen Regio noch viele solche Studien,<br />
denn es liegt noch ein weiter Weg vor uns.<br />
6 UNS-Fallstudie '98
Vorwort<br />
Raumplanung ist auch grenzüberschreitende<br />
Zusammenarbeit<br />
Gemeinsames Lernen <br />
Grenzüberschreitend<br />
Wemer Mett/er<br />
Dienststellen/eiter<br />
Planungs- und Naturschutzamt<br />
des Kantons Schaffhausen<br />
Raumplanung endet nicht an der Grenze, insbesondere,<br />
wenn diese zwischen dem Kanton Schaffhausen und<br />
Deutschl<strong>and</strong> 181.5 Kilometer lang ist. Grenzüberschreitende<br />
Zusammenarbeit ist deshalb nicht nur eine formelle<br />
Pflicht, sondern gelebter Alltag. Die Deutsch-Schweizerische<br />
Raumordnungskommission (D-CH-ROK) fördert seit<br />
25 Jahren, auf Grund eines Staatsvertrages, diese Zusammenarbeit.<br />
Die «Empfehlungen zu Grundwasserschutz und<br />
Raumordnung» vom 7. Februar 1992 gaben die Idee zum<br />
INTERREG-II-Projekt «Entwicklungskonzeption Klettgaurinne»,<br />
in das die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1997 eingebettet<br />
werden konnte.<br />
Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1998 «Chancen der <strong>Region</strong><br />
Klettgau - Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung» hat sich auch<br />
die Raumplanung zum Thema gemacht. Der kantonale<br />
Richtplan wurde während der Fallstudie einer umfassenden<br />
Revision unterzogen. Dies war eine günstige Gelegenheit<br />
für alle Beteiligten: Einerseits konnten die Studierenden die<br />
aktuellen Unterlagen für ihre Zwecke nutzten sowie einen<br />
Einblick in die Raumplanung nehmen und <strong>and</strong>ererseits erhielt<br />
der Kanton Ideen, Anregungen und Kritik. Die Mitarbeit<br />
an der werdenden Richtplanung hatte nicht nur Übungscharakter,<br />
sondern wurde in der «Richtplan-Werkstatt» an<br />
einem konkreten Beispiel vollzogen.<br />
Raumplanung ist voraussehender Umweltschutz. Diese<br />
These in die Praxis umzusetzen war auch ein Teil der Fallstudienaufgabe.<br />
Trotz langjähriger grenzüberschreitender<br />
Zusammenarbeit ist offensichtlich geworden, dass sich die<br />
gemeinsamen Probleme in der <strong>Region</strong> Klettgau nicht sofort<br />
lösen lassen. Dazu sind langwierige Verfahren und mitein<strong>and</strong>er<br />
getragene Massnahmen einzuleiten. Dieser Einblick<br />
in die Abläufe der Raumplanung hat bei den Studierenden<br />
auch dazu beigetragen, dass die hochgesetzten Erwartungen,<br />
bereits während der Projektphase etwas im Raume<br />
Klettgau verbessern oder verändern zu können, auf ein<br />
realistisches Mass reduziert wurden. Es bleibt zu hoffen,<br />
dass die Fallstudie auch einen Beitrag bei der Klettgauer<br />
Bevölkerung an die Erkenntnis geleistet hat, dass sich der<br />
Einsatz für eine nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung lohnen<br />
kann.<br />
Roger Biedermann<br />
Kantonschemiker,<br />
Kantonales Laboratorium<br />
Schaffhausen<br />
Schon den zweiten Sommer hat uns die UNS-Fallstudie im<br />
Klettgau heimgesucht. Eine gewollte Begegnung von gest<strong>and</strong>enen<br />
Wissenschaftern und lernenden Studenten mit der<br />
Bevölkerung der L<strong>and</strong>schaft Klettgau. Es war wiederum<br />
eindrücklich zu sehen, wie die Fallstudienleute in die Problematik<br />
eingestiegen sind und dabei konkret lernen konnten,<br />
welche Wege zu Lösungen führen. In eine Unordnung<br />
von vielen Fakten ist im Sommer 1998 sukzessiv Struktur<br />
hineingebracht worden; die Resultate können sich sehen<br />
lassen. An diesem Lernprozess waren auch die Bewohner<br />
des Klettgaus beteiligt, der Prozess "mutual leaming" wie<br />
neudeutsch "gemeinsames Lernen" heisst, ist fortgeführt<br />
worden. Profitieren können die Studenten: ist doch eine<br />
semesterlange Fallstudie mit ihrem durch die kurze Zeit<br />
bedingten Stressschub eine ideale Lehrveranstaltung um<br />
den elfenbeinernen Turm, den eine Hochschule immer noch<br />
in einem gewissen Masse verkörpert, zu verlassen. Profitieren<br />
wird auch die Bevölkerung der <strong>Region</strong>: Ideen, Fragen,<br />
Anstösse sind aufgefangen worden und können als Basis für<br />
die weitere Entwicklung dienen. Eine Entwicklung, die<br />
zukünftig nachhaltig sein soll, ein Weg, der auch von den<br />
Umweltnaturwissenschaften der <strong>ETH</strong> aufgezeigt worden ist<br />
und den wir in der <strong>Region</strong> grenzüberschreitend gehen wollen.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
7
Vorwort<br />
Vom gemeinsamen Verständnis<br />
Lernen zur wissenschaftlichen<br />
Analyse<br />
Prof. Rol<strong>and</strong> W. Scholz<br />
Verantwortlicher Hochschullehrer<br />
für die UNS-fallstudie<br />
Die vorliegende <strong>ETH</strong>-UNS-Fallstudie mit dem Thema<br />
«Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung in der <strong>Region</strong> Klettgau»<br />
beh<strong>and</strong>elt ein komplexes, offenes Thema, bei dem Umweltaspekte<br />
zentral sind. Diese Aussage kann zugleich als ein<br />
Hauptergebnis des in diesem B<strong>and</strong> vorliegenden Berichtes<br />
angesehen werden. Die Studie kommt zu dem eindeutigen<br />
Schluss, dass die hohe Umweltqualität der Klettgaurinne ein<br />
wichtiges Kapital der grenzübergreifenden <strong>Region</strong> Klettgau<br />
darstellt. Mit diesem Kapital ist weiterhin sorgsam umzugehen.<br />
Siedlungs-, Mobilitäts- und Wirtschaftsentwicklung<br />
sind nicht unabhängig von oder vorrangig vor sondern parallel<br />
mit Natur-, L<strong>and</strong>schafts- und Ressourcenoptimierung<br />
zu planen. Dabei gilt es jedoch, die langfristigen Dynamiken<br />
im Bereich Flächenverbrauch und Flächenqualität richtig<br />
einzuschätzen und die geeigneten Massnahmen zur langfristigen<br />
Erhaltung dieser Qualitäten bereits heute zu ergreifen.<br />
Der vorliegende Bericht liefert dazu Analysen und Orientierungen.<br />
Für das Gelingen der vorliegenden Studie waren drei<br />
Dinge wesentlich:<br />
Zum ersten konnten die Studierenden und Dozierenden<br />
sowie das mit Entscheidungsträgem aus der <strong>Region</strong> besetzte<br />
Kuratorium mit der <strong>Region</strong> in einen wechselseitigen Lernprozess<br />
treten.<br />
An der Fallstudie waren neben 72 Studierenden und 22<br />
wissenschaftlichen Tutorierenden rund 200 Personen aus<br />
dem deutschen und dem Schweizerischen Klettgau aktiv<br />
einbezogen. Bewährt haben sich dabei Begleitgruppen aus<br />
der <strong>Region</strong>, die sowohl in der Gesamtplanung als auch im<br />
Austausch mit den vier Projektgruppen (den sogenannten<br />
Synthesegruppen) der Fallstudie schon bei der Problem- und<br />
Zieldefinition beteiligt waren. Wie auch im Vorjahr f<strong>and</strong><br />
eine kontinuierliche und enge Abstimmung mit dem EU-Interreg<br />
II Programm «Entwicklun~~konzeption Klettgaurinne»<br />
statt. Die Fallstudie und ihre Uberlegungen konnten so<br />
in viele lokale und regionale Projekte, wie z.B. die kantonale<br />
Richtplanung im Kanton Schaffhausen, einbezogen werden<br />
und umgekehrt. Besonders erfreulich ist, dass sich - durch<br />
die Fallstudien stimuliert- einige grenzübergreifende Initiativen<br />
in der <strong>Region</strong> bildeten. Das Ziel, einen kooperativen<br />
Prozess von Hochschule und Praxis zu entwickeln, konnte<br />
somit voll erreicht werden.<br />
Zum zweiten konnte im Verlauf der Studie eine Annahme<br />
bestätigt werden, die ihrer Planung zugrunde lag: Auch nach<br />
mehreren hundert Jahren der politischen Trennung macht es<br />
Sinn, die Klettgaurinne als eine <strong>Region</strong> und eine L<strong>and</strong>schaft<br />
in zwei Ländern zu betrachten. Diese Aussage besitzt nicht<br />
nur für den Naturraum sowie den Grundwasser-, L<strong>and</strong>schafts-,<br />
und Naturschutz Gültigkeit, sondern auch für den<br />
Sozial- und Wirtschaftsraum. Die vorliegende Studie sowie<br />
ihre Vorläuferstudie, die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1997 zum<br />
verantwortungsvollen Umgang mit Boden, sowie die im<br />
Rahmen des Interreg II Programms und in <strong>and</strong>eren grenzübergreifenden<br />
Projekten und Planungen erarbeiteten<br />
Grundlagen ergeben eine gute Basis für ein gemeinsames<br />
Leitbild für den deutschen und den Schweizerischen Klettgau.<br />
Mit einem solchen Leitbild lassen sich d~e Synergien<br />
und die Stärken beider Teile dieser L<strong>and</strong>schaft 1m St<strong>and</strong>ortwettbewerb<br />
weiterhin optimieren.<br />
Zum dritten gelang es auch in diesem Jahr - von einem<br />
gesamthaften Verständnis der <strong>Region</strong> ausgehend - in einem<br />
kooperativen Prozess mit der <strong>Region</strong> nicht nur relevante<br />
Fragestellungen zu entwickeln, sondern diese auch wissenschaftlich<br />
bearbeitbar zu machen. Die in vorlaufenden Jahren<br />
entwickelten Methoden der Fallstudie haben sich insbesondere<br />
in den Bereichen bewährt, in denen sich aus dem<br />
Verständnis des Falls Fragestellungen für eine - soziale<br />
Faktoren integrierende - Umweltsystemanalyse ableiten<br />
liessen.<br />
Ich danke den Studierenden, Mitarbeitern und Kollegen,<br />
aber vor allem den vielen Trägem der Fallstudie aus der<br />
<strong>Region</strong>, die dazu beigetragen haben, das schwierige Themenfeld<br />
<strong>Region</strong>alentwicklung nicht nur aus interdisziplinärer,<br />
wissenschaftlicher Perspektive anzugehen, sondern das<br />
Wissen aus Hochschule und Praxis in einem transdisziplinären<br />
Prozess zu integrieren. Ich bin überzeugt, dass auf<br />
diesem Wege wichtige Orientierungen für die <strong>Region</strong>alentwicklung<br />
in der <strong>Region</strong> erarbeitet wurden.<br />
8<br />
UNS-Fallstudie '98
__________________________________________ Vorwort<br />
Barrieren <strong>Region</strong>alentwicklung<br />
und Lernen<br />
überwinden<br />
Christim! Roth<br />
Studentin UNS Fallstudie 1998<br />
Die Fallstudie beh<strong>and</strong>le ein sogenanntes «ill-defined problem»,<br />
wurde uns vor einem Jahr mitgeteilt. Die Situation sei<br />
derart zu verstehen, dass «der Ausgangszust<strong>and</strong> nur vage<br />
beschrieben» werden könne, «das Ziel nicht eindeutig bestimmbar»<br />
sei, und «nicht klar sei, welcherTyp von Barriere<br />
(Problem auf dem Weg zum Ziel) zu überwinden». Wie<br />
dieser Satz, so Iiess auch der Auftrag «Fallstudie» an uns<br />
zunächst einige Fragen offen. Dass sie aber ein Erlebnis mit<br />
aktiver Beteiligung in grösserem Rahmen ist, haben wir am<br />
eigenen Leibe bald erfahren.<br />
Denn welche Fragen genau offen seien, durften wir in<br />
eigener Regie ausloten: Eine <strong>Region</strong>, ihre BewohnerInnen,<br />
ihre internen und externen Verknüpfungen und ihre Eigenheiten<br />
waren im Eiltempo zu erfassen, auf die relevanten<br />
Punkte musste man sich einigen. Insbesondere in einer<br />
Gruppe von individuellen UmweltnaturwissenschafterInnen<br />
mit zum Teil fundamental unterschiedlichen Interessen<br />
und Motivationen, ergibt dies unendlich vielfältige Diskussionsmöglichkeiten.<br />
Wie in jedem Projekt drängte aber auch<br />
in der Fallstudie die Zeit, und so versuchten wir, unser Ziel<br />
zu umreissen. Mit schönen Worten, versteht sich.<br />
Einmal mit dem Ziel fürs Erste im Reinen, konnte man<br />
sich der eigentlichen Studie widmen. Aus Sicht der Studierenden<br />
hat die Fallstudie natürlich ein gewisses naturwissenschaftliches<br />
Lempotential für einen Teil derTeilnehmenden.<br />
Von den «beinahe langjährigen» Vorarbeiten bis zur<br />
Nachbearbeitung und Berichterstattung boten sich uns Studierenden<br />
verschiedene Gelegenheiten neue Konzepte, Methoden<br />
und Arbeitsbereiche kennenzulernen. Gerade in der<br />
Studie selbst hat man Zeit, sich in interessante Gefilde zu<br />
begeben. Vorausgesetzt, man interessiert sich dafür, das<br />
Lernpotential ein wenig auszuschöpfen. In naturwissenschaftlicher<br />
Hinsicht hoffen wir, der <strong>Region</strong> sinnvolle und<br />
brauchbare Produkte zu übergeben.<br />
Sozial gesehen hat die Fallstudie jedoch ein enormes<br />
Potential. In unserem Fall lernten wir eine <strong>Region</strong> kennen,<br />
die viele von uns kaum je gekreuzt hätten. (Wobei uns dann<br />
einige Juwelen zum Beispiel l<strong>and</strong>schaftlicher Art entgangen<br />
wären.) Wir erfuhren von ihrer Wichtigkeit als Glied im<br />
Ökosystem und in der L<strong>and</strong>schaft, von ihrer Funktion in der<br />
Wirtschaft, ihren gesellschaftlichen Aspekten und den Fein-<br />
heiten, auf die es ankommt, wenn man eine Fragestellung<br />
für eine <strong>Region</strong> beantworten möchte. Ausserdem machten<br />
wir die Bekanntschaft ihrer Bewohnerinnen. Dank derengagierten<br />
Beteiligung einiger Kiettgauerlnnen in Gruppentreffen<br />
waren wir einerseits in der Lage, fortlaufend zu überprüfen,<br />
ob unsere Zielsetzung und die Barrieren, die wir zu<br />
überwinden gedachten, tatsächlich eine Verbindung mit<br />
dem Klettgau hatten. Andrerseits wurden dies mit der Zeit<br />
eher freundschaftliche Begegnungen im Restaurant Gemeindehaus<br />
in Wilchingen. Der Höhepunkt der Klettgau<br />
Erfahrung wurde für einige von uns der Erfahrungstag (ein<br />
Tag, an dem wir in die «Rolle der Kiettgauerlnnen» schlüpfen<br />
und mit unseren Händen arbeiten): In warmer Sommersonne<br />
auf dem Sonnenhof zur Hacke greifen und bei einem<br />
interessanten Schwatz über die Klettgauer L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
durch's Zuckerrübenfeld streifen, das liess uns diese Ecke<br />
Europas sehr ans Herz wachsen.<br />
Das grösste soziale Lempotential hat die Fallstudie aber in<br />
den Gruppen: Die Dynamik solcher Teams, die Möglichkeiten<br />
und Grenzen dieser Arbeitsweise, das Ausein<strong>and</strong>ersetzen<br />
unterein<strong>and</strong>er sehr verschiedener Individuen und<br />
schliesslich das gemeinsame Erreichen eines Ziels war ein<br />
Lernprozess, den keine <strong>and</strong>ere Veranstaltung bieten könnte.<br />
Mindestens dabei konnte man «für's Leben» lernen, dass ein<br />
solches Projekt einem immer das gibt, was man selbst<br />
investiert.<br />
Und auch «für's Leben» haben wir gelernt, dass die Wahrnehmung<br />
der Welt immer vom St<strong>and</strong>punkt abhängt: Beim<br />
Picknick, auch an einem begradigten Bach, sieht man, dass<br />
die Klettgauer L<strong>and</strong>schaft doch wunderschön ist. Welche<br />
Chancen auf den zweiten Blick noch offen stehen, zeigt sich<br />
einem erst, wenn man einen genaueren Augenschein nimmt.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
9
Dank<br />
_<br />
Dank<br />
Ein so umfangreiches Projekt wie die <strong>ETH</strong> UNS-Fallstudie<br />
wäre ohne die Hilfe vieler Leute aus Ämtern, Forschungsinstituten<br />
und der <strong>Region</strong> Klettgau nicht durchführbar gewesen.<br />
Untenstehende Personen haben für die Fallstudie Vorträge<br />
gehalten, Dokumentationsmaterial oder Daten zur<br />
Verfügung gestellt, die Arbeitsgruppen bei Fachfragen tatkräftig<br />
unterstützt oder sind für Interviews Rede und Antwort<br />
gest<strong>and</strong>en. In Begleitgruppen haben sie die Studierenden<br />
durch Ideen und Diskussionen immer wieder auf neue<br />
Wege gebracht.<br />
Die Vielzahl der Kontakte führt dazu, dass es kaum möglich<br />
ist, alle Hilfestellungen zu erfassen. In diesem Sinne<br />
möchten wir uns bei allen entschuldigen, die uns geholfen<br />
haben, aber auf diesen Dankeslisten fehlen. Wir möchten<br />
allen Personen und Institutionen, die zum Gelingen der<br />
Fallstudie 1998 - Chancen der <strong>Region</strong> Klettgau - beigetragen<br />
haben, hier nochmals ganz herzlich für ihren Einsatz<br />
danken.<br />
Sven Akeret<br />
Neunkirch<br />
Martin Albers<br />
Bürgermeister Waldshut-Tiengen<br />
Michael Albrecht<br />
Klettgau-Griessen<br />
Hans Alder<br />
Hallau<br />
Urs H. Amsler<br />
Wirtschaftsförderung Kt. SH Neuhausen<br />
Michael Anders<br />
Twikeclub CH<br />
Fahrrad-Technik Bachmann<br />
Winterthur<br />
Kurt Bächtold<br />
Schaffhausen<br />
Helene Bär-Münger<br />
Hallau<br />
Karl Baumann<br />
Neunkirch<br />
Bechtl & Szilagy<br />
Geisslingen<br />
Bernhard Beringer<br />
Sparkasse Hochrhein, Waldshut-Tiengen<br />
Roger Biedermann<br />
Kantonales Laboratorium Schaffhausen<br />
Herbert Billing<br />
Planungs- und Naturschutzamt Schafffiausen<br />
Wilfried Blum<br />
Elektromobilclub Schweiz ECS<br />
Bruno Bollinger<br />
Klettgau-Weisweil<br />
Familie Deventuras<br />
Neunkirch<br />
Eliane Eiholzer<br />
Neunkirch<br />
Urs Erb<br />
Schreinerei/Holzbau, Neunkirch<br />
Tobias Ermatinger<br />
Schaffhausen<br />
Klemens Ficht<br />
L<strong>and</strong>ratsamt Waldshut-Tiengen<br />
Flückiger BTP AG Ohringen<br />
Seuzach<br />
Forstverwaltung<br />
Jestetten<br />
Hans Gächter<br />
Gemeindepräsident Trasadingen<br />
Martin Gasser<br />
Hallau<br />
Walter Gasser-Bösch<br />
Hallau<br />
Bernhard Gersbacher<br />
Industriepark Gottmadingen<br />
Stephan Gloor<br />
Gemeinde Wilchingen<br />
Lorenz Goette<br />
Institut f. empirische Wirtschaftsforschung der<br />
Universität Zürich Zürich<br />
Edwin Griesser<br />
Twikeclub CH<br />
Hans Grüninger<br />
Redaktion Klettgauer Zeitung, Hallau<br />
Peter Gubler<br />
Twikeclub CH<br />
Sikle Gulenburg<br />
Klettgau<br />
Erich Gysel<br />
Hallau<br />
Heinrich Gysel<br />
Wilchingen<br />
Reiner Gysel<br />
Wilchingen<br />
Paul Gysel<br />
Spar- und Leihkasse Wilchingen<br />
Ruedi Hablützel<br />
Ernst Hablützel & Co., Wilchingen<br />
Andreas Haeseli<br />
Forschungsinst. f. biologischen L<strong>and</strong>bau, Frick<br />
Peter Hagmann<br />
Twikeclub CH<br />
Hedwig Hauser<br />
Trasadingen<br />
Robert Hauser<br />
Beringen<br />
RolfHauser<br />
Präsident Gewerbeverein Klettgau, Neunkirch<br />
Alex<strong>and</strong>er Henz<br />
Professor für Architektur <strong>ETH</strong> Zürich<br />
Wendelin Hinder<br />
Forst- und Wasserreferent Gemeinderat Wilchingen<br />
Johannes Hörler<br />
Tiefbauamt Kanton Schaffhausen<br />
Regula Holenstein<br />
Wilchingen<br />
10<br />
UNS-Fallstudie '98
___________________________________________ Dank<br />
Thomas Holenstein<br />
Generis AG, Neuhausen a. Rheinfall<br />
Vreni Hornberger<br />
Beringen<br />
Thomas Imobersteg<br />
Spar- und Leihkasse Hallau Hallau<br />
H.&F. Iseli<br />
Futurebikeclub CH, Lauper<br />
Johanna Jauch-Hauser<br />
Hallau<br />
Hanspeter Kern<br />
Bauernverb<strong>and</strong> Kanton Schaffuausen<br />
Marcel Klee<br />
Gächlingen<br />
Martin und Franziska Knapp<br />
Wilchingen<br />
Karl-Heinz Krams<br />
Klettgau<br />
Alois Kränzlin<br />
Metallbau Gebrüder Kränzlin AG, Beringen<br />
Bruno Külling<br />
Gemeindeschreiber Wilchingen<br />
Fritz Külling<br />
Wilchingen<br />
Hans-Werner Külling<br />
Wilchingen<br />
Hans-Jörg Kunz<br />
Regierungsratspräsident des Kantons Schaffuausen<br />
Familie Kurz<br />
Neunkirch<br />
RogerKurz<br />
Schaffuausen<br />
Ingenierbüro Martin Kyburz<br />
Freienstein<br />
Beat Lämmli<br />
Hallau<br />
Thomas Lämmli junior<br />
Hallau<br />
Ernst L<strong>and</strong>olt<br />
Bauernsekretariat Schaffuausen<br />
Norbert Launer<br />
Autobahnbetriebsamt Singen<br />
Hans Leuenberger<br />
Gewerbeverein Beringen<br />
Ulrich Lochmann<br />
Ministerium Ländlicher Raum, Baden-Württemberg<br />
MariaLohri<br />
Naturschutzgruppe Perdix, Neunkirch<br />
Herr Maag<br />
Statistisches L<strong>and</strong>esamt Baden Württemberg<br />
Helmut Maier<br />
Mathematiklehrer Realschule Tiengen<br />
Jutta Markow<br />
Klettgau-Riedern<br />
Otto Mayer<br />
Klettgau<br />
«Maschpi»<br />
Twikeclub CH<br />
Walter Meier<br />
Wilchingen<br />
Werner Mettler<br />
Planungs-und Naturschutzamt Schaffuausen<br />
Georg Minzer<br />
Klettgau-Griessen<br />
Bernhard Müller<br />
Löhningen<br />
Stefan Müller<br />
Twikeclub CH<br />
Werner Müller<br />
Gemeindepräsident Osterfingen<br />
GustavMunz<br />
Hallau<br />
Silvan Munz<br />
Hallau<br />
Andreas Naegeli<br />
Velolaboratorium<br />
Hans Neukomm<br />
Hallau<br />
Herbert Neukomm<br />
Kant. L<strong>and</strong>wirtschaftsamt SH, Neuhausen am<br />
Rheinfall<br />
Reinhard Ochsner<br />
Twikeclub CH<br />
Andreas Oester<br />
Trasadingen<br />
Helmut Opitz<br />
Seelbach<br />
WolfPabst<br />
Gewässerdirektion Rhein, Waldshut-Tiengen<br />
Yvonne Parodi<br />
Hallau<br />
Frau Peson<br />
Klettgau<br />
Walter Plieninger<br />
KIGA Schaffuausen<br />
Matthias Rahm<br />
Zollamt Trasadingen<br />
RobertRahm<br />
Rimuss-Kelterei Rahm, Hallau<br />
Kurt Regli<br />
Gemeindepräsident Hallau<br />
Ernst Reich<br />
Neunkirch<br />
Fritz Rentsch<br />
Wilchingen<br />
Hansruedi Richli<br />
Hablützel AG, Wilchingen<br />
Rainhard Riegel<br />
Dettighofen-Baltersweil<br />
Paul Ritzmann<br />
Osterfingen<br />
Klaus Ritzmann<br />
Erzingen<br />
Heinz Rombach<br />
Sparkasse Hochrhein, Waldshut<br />
HubertRoth<br />
Bürgermeister Klettgau<br />
Karlheinz Rudigier<br />
Volksbank Klettgau<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
11
Dank<br />
_<br />
Dora Rüedi<br />
Gächlingen<br />
Patrik Schellenbauer<br />
Wirtschaftsforschung <strong>ETH</strong> Zürich<br />
Siegfried Schiele<br />
Waldshut-Tiengen<br />
Sibylle Schmoker<br />
Hallau<br />
Wemer Schneider<br />
Hallau<br />
Renate Schubert<br />
Wirtschaftsforschung <strong>ETH</strong> Zürich<br />
Joachim Schütz<br />
Geographie <strong>ETH</strong> Zürich<br />
Günther Schwyn<br />
Neunkirch<br />
Claudia Siebold<br />
Klettgau-Weisweil<br />
Gabi Stamm<br />
Schleitheim<br />
Otto Stehle<br />
Industrievereinigung, Beringen<br />
Sodorai Sunel AG<br />
Effretikon<br />
Richard W. Späh<br />
H<strong>and</strong>werkerring Waidberg, Zürich<br />
Eugen Speidei<br />
Industriepark Gottmadingen<br />
Nico Spengler<br />
Neunkirch<br />
Dieter Starkmann<br />
Gewässerdirektion Rhein, Waldshut-Tiengen<br />
Otto Stehle<br />
Industrievereinigung, Bircher AG Beringen<br />
Michael Stocker<br />
Koordinationsbüro Interreg II<br />
asp Atelier Stern & Partner<br />
Zürich<br />
Martin Stoll<br />
Klettgau<br />
Regula Stoll<br />
Osterfingen<br />
Winfried Stoll<br />
Kadelburg/Küssaberg<br />
Eddi Stolz<br />
Elektromobilclub Schweiz ECS<br />
Fredi Strasser<br />
Unterstammheim<br />
Daniel Stucki<br />
Twikeclub CH<br />
Myrtha Studer<br />
Hallau<br />
Hans Tanner<br />
Oberhallau<br />
Michel Treina<br />
Geograph. Institut Uni Bem<br />
Markus Uehlinger<br />
Neunkirch<br />
Frau Uehlinger<br />
Neunkirch<br />
Joachim Uhlir<br />
Amt f. Flurerneuerung u. L<strong>and</strong>entwicklung<br />
Bad Säckingen<br />
Walter Vogelsanger<br />
Kantonales Laboratorium Schaffhausen<br />
Hans Vorwald<br />
Klettgau-Erzingen<br />
Gertrud Walch<br />
Schaffhausen<br />
Edith Weber<br />
Neunkirch<br />
Erwin Wehrli<br />
Hallau<br />
Urs Weibel<br />
Naturschutzgruppe Perdix, Neunkirch<br />
Rolf Weissenberger<br />
Erzingen<br />
Max Wemer<br />
Twikeclub CH<br />
Bemhard Wütz<br />
L<strong>and</strong>ratsamt Waldshut<br />
Peter Zeller<br />
Twikeclub CH<br />
Koni Zimmermann<br />
Trasadingen<br />
Stefan Zölle<br />
Gemeindeverwaltung Klettgau<br />
Hanspeter Züllig<br />
Buchberg<br />
12<br />
UNS-Fallstudie '98
Synopse<br />
R. Scholz<br />
UNS-Fallstudie '98 13
Synopse ------------------------------------------<br />
Die .~.,~....,..""'."".<br />
fine <strong>Region</strong><br />
«Platon hatte in einer kosmologischen Allegorie die Welt<br />
mit einem Schiff verglichen, das von seinem Steuermann<br />
(Gott) davor bewahrt werden soll, in den Ort der «Unähnlichkeit»,<br />
d.h. in den Ort des kosmischen Chaos zu versinken»<br />
(Sturlese & Blumrich, 1993, S. 479).<br />
Nun, das vorliegende Buch beh<strong>and</strong>elt nicht den Kosmos,<br />
sondern die Klettgaurinne, eine kleine grenzübergreifende<br />
<strong>Region</strong> zwischen der deutschen Kreisstadt Waldshut-Tiengen<br />
und dem schweizerischen Schaffhausen. Auch haben<br />
wir uns in der vorliegenden Studie nicht mit den Steuerungskräften<br />
eines Gottes beschäftigt, sondern vielmehr mit<br />
einem zeitgemässen Verständnis von Planung und Entwicklung.<br />
Der Bezug zu Platon rechtfertigt sich dadurch, dass wir die<br />
Klettgaurinne als eine <strong>Region</strong> betrachten und damit gleichermassen<br />
einen Beitrag dazu leisten wollen, dass der<br />
Klettgau sich nicht zu einer regio dissimilitudines, d.h. zu<br />
einem ungeordneten, wirren, aus unähnlichen Teilen bestehendem<br />
Gebilde entwickelt.<br />
Ein Ziel der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie lag in der Erhaltung des<br />
<strong>Region</strong>scharakters der Klettgaurinne. Dass dies ein redliches<br />
Anliegen ist, wird - um einen zeitnäheren Philosophen<br />
zu zitieren - von Heinrich Seuse in seinem Buch der Wahrheit<br />
(1907, S. 308) bestätigt. Seuse übersetzt den Terminus<br />
<strong>Region</strong> schlichtweg als «vemünftige(s) l<strong>and</strong>» und ich glaube,<br />
ein Niem<strong>and</strong> hat etwas dagegen, dass der Klettgau ein<br />
solches bleibt.<br />
Was deutet nun auf einen Umbruch der <strong>Region</strong> Klettgaurinne<br />
hin?<br />
Von aussen betrachtet, ist die 33 Kilometer lange Klettgaurinne<br />
eine geomorphologische Einheit, die im Norden<br />
und Süden durch zwei Moränenzüge eingefasst wird und<br />
durch eine politische Grenze geteilt wird. Auf der topographischen<br />
L<strong>and</strong>karte wirkt das leicht S-förmige Tal<br />
bisweilen wie ein kleiner Wal (siehe Abbildung 1.1), was auf<br />
die leichten Verengungen im südwestlichen Teil der Rinne<br />
hinweist.<br />
Aus der Luft, z.B. im Anflug auf den Flughafen Zürich<br />
Kloten, dominieren die Strukturmuster intensiver Bodennutzung.<br />
Die Ackerflächen wirken wie ein Schachbrett und<br />
die Weinberge legen sich wie Jahresringe um die Hügel.<br />
Aus der Sicht der L<strong>and</strong>esregierungen, aus Bem, Bonn,<br />
Berlin oder Stuttgart liegt der Klettgau an den äussersten<br />
Rändern der Regienmgsgebiete, abseits der in Nord-Süd<br />
Richtung verlaufenden Hauptverkehrswege.<br />
Diejenigen, die mit dem Auto die Rinne von Lauchringen<br />
nach Beringen durchqueren (siehe Abildung 1.1), erleben<br />
Abb. 1.1: Die Klettgaurinne ist ein 33 km langes Tal zwischen dem deutschen Waldshut-Tiengen und dem schweizerischen<br />
Schaffhausen. Heute leben in den 10 schweizer Gemeinden ca. 12'000 und im deutschen Klettgau etwa 7'000 Einwohner.<br />
Als Teile des Klettgau werden auch bisweilen Schleitheim und Siblingen und das deutsche Lauchringen betrachtet, so dass<br />
der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie eine grenzübergreijende <strong>Region</strong> mit knapp 25'000 Personen zugrunde liegt.<br />
14 UNS-Fallstudie '98
Synopse<br />
Abb.I.2: In den Tallagen<br />
des Klettgau wird<br />
intensiver Ackerbau<br />
betrieben.<br />
Auf schweizerischer<br />
Seite sind 35% der<br />
Gesamtfläche, auf<br />
deutscher Seite 28%<br />
der Fläche der Klettgaurinne<br />
Ackerl<strong>and</strong>.<br />
Der Weinbau ist vor<br />
allem im Schweizer<br />
Klettgau mit 4% der<br />
Gesamtfläche (ca.<br />
370 ha) ein l<strong>and</strong>schaftsprägendes<br />
Element. 1m deutschen<br />
Klettgau finden<br />
wir knapp 25 ha<br />
Rebl<strong>and</strong>.<br />
das l<strong>and</strong>schaftlich reizvolle Gefüge aus Wald, Acker, Wiese<br />
und Reben. Auch erfährt man - im doppelten Sinne - den<br />
starken Pendlerstrom an den westlichen und südlichen Zugängen.<br />
Aber welche Phänomene fallen jem<strong>and</strong>em ins Auge, der<br />
sich mit dem Themenfeld Nachhaltige Entwicklung beschäftigt?<br />
Wo werden Stärken und Schwächen der sozialen,<br />
wirtschaftlichen und geo-ökologischen Stmkturen sichtbar,<br />
die aufeinen Umbruch einer<strong>Region</strong> hinweisen? Als Schlaglichter<br />
werden sichtbar:<br />
Dynamische Siedlungsentwicklung: In den Dörfern<br />
es eine rege bauliche Tätigkeit. Es finden sich in nahezu<br />
allen Gemeinden und Ortschaften Neubausiedlungen.<br />
Aber auch alte Bauernhäuser und Stallungen werden für<br />
Wohnnutzungen erneuert und umgebaut. Die Ortschaften<br />
an den Eingängen zur Rinne Ober-Lauchringen und<br />
Beringen haben ihren dörflichen Charakter weitgehend<br />
verloren. Mehrfamilienhaussiedlungen vermitteln hier<br />
den Eindruck städtischer Vororte.<br />
Unterschiedliche Siedlungstypen: Die Gemeinden und<br />
Ortschaften im Klettgau unterscheiden sich deutlich.<br />
Auffallend ist vor allem der Kontrast zwischen den stattlichen,<br />
z.T. kleinstädtisch anmutenden Weindörfern mit<br />
Zeilenbebauung (vgl. EDI, 1986) und den traditionell auf<br />
Ackerbau- und Viehzucht ausgerichteten Dörfern in den<br />
Tallagen.<br />
intensive L<strong>and</strong>wirtschaft: In der Talsohle finden wir eine<br />
meliorisierte, stark ausgeräumte L<strong>and</strong>schaft mit intensivem<br />
Ackerbau auf den Molasseböden in den Tallagen<br />
und Wiesen an den weniger günstigen nördlichen Lagen<br />
und die grössten zusammenhängenden Weinberge in der<br />
Deutschschweiz vor allem in den Südhängen.<br />
Korrigierte Gewässer: Zumindest im Haupttal sind die<br />
Gewässer stark kanalisierte, zugedolte, begradigte, und<br />
schnell laufende (die Klettgaurinne fällt aufeiner Länge<br />
von nur 33 km um ca. 100 Höhenmeter) Bäche und<br />
Flüsse. Dämme zeugen von der Kunst der Wasserbauingenieure,<br />
Oberflächengewässer zu bändigen und dort,<br />
wo es erschien, hoch aus der L<strong>and</strong>schaft herauszuheben.<br />
Sichtbar sind auch die vielen Pumpenhäuschen,<br />
die aufdie intensive Grundwassernutzung hinweisen.<br />
Verkehrsstrukturen ländlicher Agglomerationen: Der<br />
Verkehr<br />
so lange man sich in der Klettauch<br />
wenn die Strassen keine<br />
Htichstg;esl:h\;virldi;gk(~itf:nerlauben. Jedoch trifft man im<br />
Berufsverkehr an den Ausgängen der Klettgaurinne auf<br />
stark verdichteten Verkehr und ausserhalb des Berufsund<br />
Schulverkehrs auf schwach besetzte Züge und Busse.<br />
Traditionelle und neue Industrien und Gewerbe: Der<br />
Kanton Schaffhausen gilt als Industriekanton (Brugger,<br />
1985). Auch im Klettgau besitzen einige Gemeinden und<br />
Ortschaften grässere Industrie- und Gewerbegebiete.<br />
Neunkirch wird in dem Entwurf zum Richtplan 1997 (S.<br />
31) als Industriegemeinde klassifiziert. Neben dem traditionellen<br />
Maschinen-, Metall- und Apparatebau sind<br />
auch neuere Gewerbe, wie Elektronik und Datenverarbeitung,<br />
sichtbar. Eine Besonderheit ist die Firma Lauffenmühle<br />
im deutschen Lauchringen, welche offenbar<br />
die tiefgreifende Krise in der Textilindustrie überlebt hat<br />
und sich auf dem neugeordneten Markt positionieren<br />
konnte. Deutlich sichtbar werden auch Zeugen der Gewinnung<br />
von Bodenschätzen. Ton- und Kiesgruben, aber<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
15
Synopse ----------------------------------------<br />
auch Flächen von Ziegeleien scheinen verlassen und sind<br />
ganz offensichtlich noch nicht revitalisiert und eingliedert.<br />
- Folgen der politischen Grenze: Politisch ist der Klettgau<br />
eine Zweiheit. Die Grenzsteine trennen in scheinbar willkürlicher<br />
Lage die Ortschaften Erzingen und Weisweil<br />
(D) von den Gemeinden Trasadingen und Wilchingen<br />
(eH) und die Grenze ist von biossem Auge nicht sichtbar.<br />
Geht man jedoch in die Ortschaften, so fallen einige<br />
Andersartigkeiten der beiden Teile des Klettgau auf.<br />
Während etwa auf schweizerischer Seite in den meisten<br />
Gemeinden ein Lebensmittelladen zu finden ist, gibt es<br />
diese auf deutscher Seite nur in den grossen Ortschaften.<br />
Dafür finden sich auf deutscher Seite 1O,3-mal so viele<br />
Fussballplätze pro Einwohner wie bei den Eidgenossen.<br />
Etwas schwieriger zu erkennen, aber leicht zu bestätigen,<br />
wenn man darum weiss, sind die l<strong>and</strong>schaftstrukturellen<br />
Unterschiede der Klettgaurinne in den beiden Ländern. So<br />
besitzt der deutsche Klettgau (im Gegensatz zu früher)<br />
ausser den knapp 23 Hektaren in Erzingen und Rechberg,<br />
vorwiegend im unmittelbaren Anschluss an den schweizerischen<br />
Teil, keinen l<strong>and</strong>schaftsprägenden Weinanbau mehr,<br />
sowie weniger Ackerfläche, dafür aber mehr Grünl<strong>and</strong> und<br />
(auch in der Tallage) grössere Waldstücke. Der Grund dafür<br />
lag darin, dass die bis vor ISO Jahren bis Lauchringen<br />
bestockten Südhänge nach der Reblausseuche nicht wieder<br />
für den Weinbau genutzt wurden. Historisch haben also die<br />
politischen R<strong>and</strong>bedingungen offenbar dazu geführt, dass<br />
die l<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzung und damit das Erscheinungsbild<br />
der L<strong>and</strong>schaft auf beiden Seiten der Grenze<br />
ausein<strong>and</strong>ergedriftet ist.<br />
Zwei Grundlagen: Die <strong>ETH</strong>-UNS<br />
Fallstudie '97 und das EUinterreg<br />
2.1 Ergebnisse des EU-Interreg<br />
Programms<br />
Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie Verantwortungsvoller Umgang<br />
mit Boden und das EU/EG Programm Interreg II Entwicklungskonzeption<br />
Klettgau sind zwei mitein<strong>and</strong>er verzahnte<br />
Grossprojekte, die sich in den vergangenen Jahren mit zwei<br />
wichtigen Fragen des Umweltschutzes im Klettgau beschäftigten<br />
(siehe Abbildung 2.1).<br />
Zielgrösse des Interreg II Projekts war es «Das für uns alle<br />
lebenswichtige Trinkwasser in einw<strong>and</strong>freier Qualität und<br />
in ausreichender Menge sicherzustellen» (Regli et al., 1998,<br />
S.l).<br />
Wenn wir etwas sichtbar machen wollen, was unseren<br />
Sinnesorganen verborgen ist, müssen wir uns Hilfsmittel<br />
verschaffen. So verhält es sich auch mit dem mächtigen<br />
Grundwassersee (siehe Abbildung 2.2) unter der Klettgaurinne.<br />
Der Grundwasserspeicher dient der <strong>Region</strong> als Trinkwasserreservoir.<br />
Die heutige Grundwassernutzung liegt bei<br />
600 Litern pro Sekunde (I/s). Nach neuesten Modellrechnungen<br />
ist die mengenmässige Entnahme als nachhaltig zu<br />
bezeichnen. «Es besteht derzeit weder gesamthaft noch in<br />
Teilgebieten eine Gefahr für mengenmässige Uebernutzung»<br />
(Regli et al., 1998, S. 18).<br />
Probleme bereitet nicht die Quantität sondern die Qualität<br />
des Grundwassers. Seit einiger Zeit werden vor allem im<br />
unteren Teil des Grundwasserleiters Nitratkonzentrationen<br />
Interreg 11 EG/EU<br />
Entwicklungskonzeption Klettgaurinne<br />
UNS Fallstudie 1997/98<br />
<strong>Region</strong> Klettgau<br />
Abb.2.1: Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien<br />
der Jahre 1997 und<br />
1998 wurden in enger Abstimmung<br />
und organisatorisch<br />
vernetzt mit dem EU-1nterreg<br />
ll-Programm geplant.<br />
So nahmen zwei Personen<br />
aus der Fallstudie, darunter<br />
ein Student in den Leitausschuss<br />
des Interreg ll-Programmes<br />
Klettgaurinne Einsitz.<br />
16 UNS-Fallstudie '98
Synopse<br />
Aktuelle Abbaugebiete<br />
11 Kiesgrube >10 ha<br />
illlJ Kiesgrube 1~10 ha<br />
Griengrube<br />
Im! Ton· oder Lössgrube<br />
Ehemalige Abbaugebiete<br />
Kiesgrube<br />
Bohnerzgrube<br />
Griengrube<br />
1 0<br />
~<br />
Grenzen<br />
Cl Grenze Kanton Schaffhausen<br />
Perimeter Ktettgau<br />
N<br />
A<br />
4 5 Kilometer<br />
Oekogeo AG. Schaffhausen 3.12,97<br />
Abb. 2.2: Der Grundwassersee<br />
im Klettgau, hier in der<br />
Darstellung des Modellgebiets<br />
des mathematischen<br />
Grundwassermodells Klettgaurinne.<br />
Die Grundwasserneubildung<br />
im Modellgebiet<br />
beträgt ca. 1'400 !ls. Davon<br />
stammen 600 lIs aus Niederschlägen<br />
und 800 lIs aus Zuflüssen<br />
aus den seitlichen Einflussgebieten,<br />
zB. aus dem<br />
Wangental. «Es bestehtderzeit<br />
weder gesamthaft noch in Teilgebieten<br />
eine Gefahr für mengenmässige<br />
Uebernutzung»<br />
(Projektleitung Interreg ll,<br />
1998,5.19). Probleme jedoch<br />
bereiten die hohen Nitratbelastungen.<br />
gemessen, die den EU-Grenzwert für Trinkwasser von 50<br />
Milligramm pro Liter (mg/l) überschreiten. Bemerkenswert<br />
ist, dass die gegenwärtigen durchschnittlichen Belastungen<br />
von rund 35 mg N031l offenbar nur durch Verdünnungen des<br />
in Ost-West-Richtung fliessenden, die L<strong>and</strong>esgrenze überschreitenden<br />
Klettgaugrundwassers durch Niederschlagsversickerung<br />
aus Waldgebieten und Zuflüssen aus<br />
dem Rheintal bei Enge (ca. 1351/s) und dem Wangental (ca.<br />
85 1/s) zust<strong>and</strong>e kommt. Aus regionalplanerischer Perspektive<br />
ist dies ein weiterer Grund für einen verstärkten Schutz<br />
des ökologisch wertvollen Wangentals einschliesslich seiner<br />
bewaldeten Höhen.<br />
Aus ökologischer und toxikologischer Sicht fordern die<br />
Behörden der Schweiz und der EU, die Nitratkonzentrationen<br />
in genutzten Grundwässern mittelfristig auf unter 25<br />
mg/1 zu senken.<br />
Hauptverursacher der bedenklichen Nitratkonzentrationen<br />
ist die intensive l<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzung. Dies ist<br />
aus Abbildung 2.3 ersichtlich. In die 16.580 ha grosse<br />
Fläche der <strong>Region</strong> werden pro Jahr 500 Tonnen Stickstoff<br />
eingetragen. Dabei gehen allein rund 300 Tonnen unter<br />
Ackerl<strong>and</strong> verloren (Prasuhn, 1998, S. 284 ff.). Gefordert<br />
werden hier von der L<strong>and</strong>wirtschaft eine Reihe von Massnahmen.<br />
Neben einer bedarfs- und zeitgerechten Düngung<br />
(insbesondere Verzicht auf die bei L<strong>and</strong>wirten in der Vergangenheit<br />
so beliebten Sicherheitsdüngung), wird ein<br />
Massnahmepaket empfohlen. Zu diesen Massnahmen ge-<br />
hört eine Anpassung der Fruchtfolgen, Untersaaten mit integrierter<br />
Beikrautregulierung, konservierende Bodenbearbeitung<br />
und Grünl<strong>and</strong>umbruch, sowie eine Ausdehnung der<br />
ökologischen Ausgleichsflächen (siehe Regli et al., 1998, S.<br />
25).<br />
Umwelt- und Grundwasserschutz gibt es nicht zum Nulltarif.<br />
Dies machen betriebswirtschaftliehe Rechnungen<br />
deutlich. Für einen schweizer ackerbaulichen Betrieb führt<br />
ein ökologisch optimiertes Stickstoffmanagement zu Einsparungen<br />
in der Stickstoffmenge (ca. 30 Franken pro Hektar<br />
l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Nutzfläche L<strong>and</strong>, Fr./ha. LN). Demgegenüber<br />
stehen Kosten für Untersuchungen (61 Fr./ha<br />
LN), Stickstoffmessungen (94 Fr./ha LN), Optimierungen in<br />
der Ausbringung durch Breitstreuer und Schleppschläuche<br />
(551 Fr./ha LN) und Zwischenfruchtanbau (277 Fr./ha LN).<br />
Total ergibt sich hierein Minus von rund 960 Fr./ha für einen<br />
schweizer und etwa 890 DM/ha für einen deutschen Betrieb<br />
(Freyer et al., 1998).<br />
Diese hohen Verluste sind natürlich für L<strong>and</strong>wirte wenig<br />
akzeptabel. Eine (Teil-)Lösung wird hier in einer Veränderung<br />
in Richtung einer ökologisch-ökonomischen optimierten<br />
Bodennutzung sowie eine verstärkte Rinder- und<br />
Milchwirtschaft gesehen. Aber für eine solche Umorientierung<br />
sind genauere Konzepte zu entwickeln. So gilt es,<br />
vornehmlich ertragsschwache und besonders grundwassersensible<br />
St<strong>and</strong>orte in eine <strong>and</strong>ere Nutzung zu überführen,<br />
zwischen den L<strong>and</strong>wirten neue Kooperationsformen zu<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
17
Synopse ----------------------------------------<br />
Stickstoffverluste<br />
oberes Einzugsgebiet Klettgau<br />
500t N<br />
Aufschlüsselung der Stickstoffverluste<br />
aus diffusen Quellen im Klettgau<br />
444 t N<br />
diffus anthropogene<br />
Belastung<br />
369 t<br />
natürliche<br />
Hintergrundlast<br />
75 t<br />
Auswaschung<br />
Ackerl<strong>and</strong><br />
67%<br />
punktuelle<br />
Belastung<br />
56 t<br />
-- Erosion 1%<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
Direkteinträge 5%<br />
Abschwemmung 1%<br />
Auswaschung Auswaschung Reben 3%<br />
Wald 11%<br />
Auswaschung Rest<br />
3%<br />
Abb. 2.3: Stickstoffverluste im Klettgau, aufgeschlüsselt nach Quellen der Herkunft (links) sowie differenzierte Aufschlüsselung<br />
der diffusen Belastung (rechts) (d.h. der diffus anthropogenen und natürlichen Hintergrundlast, Prasuhn, 1998,<br />
288-289).<br />
lfiltlleren, mit denen z.B. die Güllebewirtschaftung optimiert,<br />
bei denen die Rahmenbedingungen der Milchkontingentierung<br />
oder die EU Regularien zu berücksichtigt<br />
werden. Inwieweit weitergehende Stützungen notwendig<br />
sein werden, bleibt gegenwärtig offen.<br />
Vermieden werden sollten jedoch auch vorschnelle<br />
Massnahmen. So bedarf etwa die Ueberführung von langjährig<br />
intensiv genutztem l<strong>and</strong>wirtschaftlichem L<strong>and</strong> in üekotope<br />
begleitender Massnahmen, indem die Aushagerung<br />
durch Schnittgutabfuhr gestützt wird. Andernfalls besteht<br />
die Gefahr, dass die altlastenähnlichen Nitratdepots sich<br />
sprungförmig entleeren. Angemerkt sei, dass die seiteinigen<br />
Jahren laufenden Massnahmen und Arbeiten der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />
Beratung erste positive Anzeichen zeigen. So<br />
konnte der Trend zur Erhöhung der Nitratbelastung in den<br />
letzten Jahren deutlich verlangsamt, wenn nicht sogar gestoppt<br />
werden (vgl. Binder & Biedermann, 1997)<br />
Klar ist jedoch, dass sich das Erscheinungsbild der Klettgaurinne<br />
durch diese Massnahmen wieder verändern dürfte,<br />
indem die L<strong>and</strong>schaft zumindest in Teilen eine neue<br />
Möblierung erhalten dürfte.<br />
2.2 Ergebnisse der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie<br />
«Verantwortungsvoller Umgang mit<br />
Boden»<br />
Die Ergebnisse der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie '97 zum Verantwortungsvollen<br />
Umgang Boden finden sich in dem Vorläuferb<strong>and</strong><br />
zu diesem Buch (Scholz, Bösch, Mieg und Stünzi,<br />
1998). Wir präsentieren an dieser Stelle die zentralen<br />
Schlussfolgerungen. Wir gliedern diese nach den Hauptarbeitsgruppen,<br />
den sog. Synthesegruppen.<br />
Wasserhaushalt<br />
Zum Wasserhaushalt wurden die Bereiche Nitratbelastung,<br />
Stör- und Unfallrisiken und Hochwasserschutz Risiko beh<strong>and</strong>elt.<br />
In verschiedenen Befragungen der Bevölkerung<br />
und der Entscheidungsträger wurde deutlich:<br />
- Die Bevölkerung ist sich der bestehenden Probleme bewusst.<br />
- Es gibt in den Bereichen Hoch- und Grundwasser eine die<br />
L<strong>and</strong>esgrenze überschreitende überlieger-Unterlieger<br />
Problematik. Bei gleichem H<strong>and</strong>eln sind die Unterlieger<br />
stärker betroffen und betrachten das Problem relevanter<br />
als die überlieger.<br />
- Bzgl. der Wahl von Massnahmen gibt es Unterschiede<br />
zwischen den beiden Ländern. Während auf deutscher<br />
Seite dem Effekt von Interventionsmassnahmen grössere<br />
Beachtung geschenkt wird, spielt auf schweizerischer<br />
Seite die Konsensusfahigkeit einer Massnahme eine grössere<br />
Rolle.<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
Die L<strong>and</strong>wirtschaft ist heute ein l<strong>and</strong>schaftsprägender, aber<br />
wirtschaftlich nicht mehr der tragende Faktor des Klettgau.<br />
Im schweizerischen Klettgau sind noch etwa 4%, im deutschen<br />
Klettgau rund 1% aller Personen Haupterwerbstreibende<br />
in der L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />
- Wie bereits erwähnt, ist im Agrarbereich ein H<strong>and</strong>eln für<br />
den Grundwasserschutz notwendig. Um den Ertrag und<br />
die l<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzung langfristig zu sichern,<br />
sind weiterhin verstärkt bodenschonende Bearbeitungsmethoden<br />
und -nutzungen zu realisieren.<br />
- Zur wirtschaftlichen Stützung sollte in jedem L<strong>and</strong>esteil<br />
ein <strong>Region</strong>almarketing erfolgen. Neben einem verstärkten<br />
erzeugernahen Vertrieb verspricht eine Orientierung<br />
18 UNS-Fallstudie '98
Synopse<br />
auf Spezialitätenprodukte (Klettgauer-Weine, -Emmer- 3.<br />
brot, aber auch den sich als stabil erweisenden Markt für<br />
Bio-Produkte) eine Stützung des Vertriebs.<br />
Ergebnisse der<br />
Fallstudie 1998 »Nl'ilCflna'Uu!e<br />
Im Agrarbereich ist ein H<strong>and</strong>eln für den Grundwasserschutz<br />
notwendig.<br />
- DaTÜberhinaus sollten unter Nachhaltigkeitsaspekten<br />
verstärkt bodenschonende Bearbeitungsmethoden und<br />
-nutzungen angestrebt werden (z.B. Fruchtfolgen, Optimierungen<br />
im Verhältnis Acker-Grünl<strong>and</strong>nutzungen<br />
etc.).<br />
Kieswirtschaft<br />
Der Verbrauch von S<strong>and</strong> und Kies ist in der Schweiz und in<br />
Deutschl<strong>and</strong> mit 5 m 3 bzw. 10 Tonnen pro Person pro Jahr<br />
(Binswanger & Siegenthaler, 1995) mengenmässig mit Abst<strong>and</strong><br />
der grösste menschliche Ressourcenverbrauch. Im<br />
Klettgau gibt es eine Vielzahl von Abbaugebieten (siehe<br />
Abbildung 2.2). Bezogen auf den Kiesabbau ist festzuhalten:<br />
- Ein verantwortungsvoller, ökologische Aspekte berücksichtigender<br />
Kiesabbau wird von allen Interessengruppen<br />
gewünscht. Dies betrifft sowohl Grundwasserschutz<br />
und einen verantwortungsvollen Umgang mit<br />
der Auffüllung (Grundwassergefahren bei Deponienutzung),<br />
als auch die Naturschutzpotentiale, die bei<br />
einer guten Renaturierungsstrategie gegeben sind.<br />
Die Bevölkerung tendiert zur Beibehaltung des Status<br />
Quo, sie wünscht einen minimalen, auf die regionalen<br />
Bedürfnisse optimierten Abbau, während von Seiten der<br />
politischen Entscheidungsträger und Behörden eher eine<br />
Konzentration gewünscht wird.<br />
Wirtschaft<br />
Die Bereiche L<strong>and</strong>wirtschaft und Kieswirtschaft wurden<br />
sowohl in der Fallstudie zum Verantwortungsvollen Umgang<br />
mit Boden als auch in der Fallstudie zur <strong>Region</strong>alentwicklung<br />
beh<strong>and</strong>elt. Wir fassen deshalb an dieser Stelle<br />
die Hauptergebnisse dieser beiden Studien zusammen.<br />
Diese beiden l<strong>and</strong>schaftsprägenden Wirtschaftszweige<br />
beschäftigen jedoch heute, über die gesamte Klettgaurinne<br />
betrachtet, insgesamt weit weniger als 4% der Bevölkerung.<br />
Dies gilt auch, wenn die Betonverarbeitungs- und Steinzeugindustrie,<br />
welche heute die Stelle der aufdeutscher und<br />
schweizer Seite geschlossenen Ziegeleibetriebe einnehmen,<br />
einbezogen werden.<br />
Die Wirtschaftsstruktur des Klettgau war und ist durch<br />
einige Grossbetriebe im Bereich Textilindustrie und Metall,<br />
Maschinen- und Apparatebau an den «Eingängen zur Klettgaurinne»<br />
in Oberlauchringen und Beringen aber auch in<br />
<strong>and</strong>eren Ortschaften wie Erzingen und GrieBen gekennzeichnet.<br />
In der rund 3'000 Einwohner zählenden Gemeinde<br />
Beringen gab es im Jahr 1994 ca. 1'800 Arbeitsplätze und<br />
in ähnlicher Weise verhielt es sich für Oberlauchringen. Für<br />
die genannten Industriezweige finden sich weiterhin eine<br />
grössere Anzahl von Zulieferbetrieben. Die an der Bahnlinie<br />
gelegenen Ortschaften wie GrieBen, Erzingen und Neunkirch<br />
besitzen neben den vorh<strong>and</strong>enen Betriebsansiedlungen<br />
auch heute grössere, genügend freie Industriezonen.<br />
Der sekundäre Sektor spielt zumindest für den schweizerischen<br />
Sektor noch eine grosse Rolle. Der traditionelle<br />
Industriekanton Schaffhausen wies im Jahre 1991 mit<br />
49.6% einen deutlich höheren Anteil auf als im schweizerischen<br />
Bundesschnitt mit 37.5%.<br />
Während sich in den letztgenannten Agglomerationen,<br />
vor allem am Finanzplatz Zürich, der Dienstleistungssektor<br />
entscheidend ausgedehnt hat, konnte der starke Rückgang<br />
im zweiten Sektor von rund 18'000 Arbeitsplätzen im Jahre<br />
1991 auf nunmehr 14'000 im Kanton Schaffhausen nicht<br />
durch einen Zuwachs im Dienstleistungsbereicherhöht werden.<br />
Obwohl sich die für den Klettgau prägenden Industriezweige<br />
heute in einer Rekonsolidierung befinden, gibt es<br />
seit 1991 deutlich weniger Grenzgänger aus dem deutschen<br />
Klettgau in den Kanton Schaffhausen. Die Synthesegruppe<br />
Wirtschaft hat sich mit diesen Strukturveränderungen beschäftigt<br />
Mit der Methode der Szenarioanalyse hat die Gruppe<br />
verschiedene mögliche Entwicklungen für die Zukunft der<br />
Wirtschaft im Klettgau skizziert. In allen Szenarien war<br />
sichtbar:<br />
Der Klettgau hat als <strong>Region</strong> aus wirtschaftlicher Sicht<br />
keine Chance, selber den Kurs seiner Entwicklung zu<br />
definieren. Er muss sich, um nicht zum Spielball der<br />
umliegenden Wirtschaftszentren zu werden, komplementär<br />
zu den Agglomerationen (speziell zu Zürich) und<br />
als Zulieferer für die umliegenden Zentren definieren.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
19
Synopse ------------------------------------------<br />
Dies bedeutet aber auch, dass die <strong>Region</strong> - um sich auf<br />
dem regionalen Markt zu behaupten - vermehrt auf ihre<br />
Stärken und ihren eigenen Charakter setzen muss.<br />
- Das Kapital der <strong>Region</strong> liegt in der hohen l<strong>and</strong>schaftlichen<br />
Qualität, der guten Wohnqualität eines «gepflegten<br />
ländlichen Raums», sowie im hohen regionalen Arbeitsplatzangebot.<br />
Von diesen Voraussetzungen können neue Typen von<br />
Zulieferern und Gewerben profitieren:<br />
- Der Klettgau ist (trotz nicht immer optimaler Steuerlage)<br />
attraktiv für Firmen, welche nicht aufRepräsentation und<br />
Präsenz in den Ballungszentren angewiesen sind: Kleine<br />
Ingenieurfirmen, Entwickler und Designer wären mögliche<br />
K<strong>and</strong>idaten. Auch das Arbeiten am Wohnort per<br />
Bildschirmanschluss an die Firmenrechner ist in der guten<br />
Wohnlage des Klettgau attraktiv.<br />
Beim Aufbau von solchen neuen Unternehmen, aber<br />
auch bei der Stützung der vorh<strong>and</strong>enen Kleinunternehmen<br />
und Mittellständischen Unternehmen (KMU) spielen<br />
die Banken in der <strong>Region</strong> eine wichtige Rolle:<br />
Die Ansiedlung von kleinen und mittleren Unternehmen<br />
sollte durch ein Angebot an geeigneten und attraktiven<br />
St<strong>and</strong>orten und Gebäuden unterstützt und vorbereitet<br />
werden.<br />
Die Banken besitzen eine Chance, wenn sie im Sinne<br />
einer integrativen Finanzierung Leistungen im<br />
Gesamtpaket anbieten: Es geht (Beispiel Technologieoder<br />
Gewerbeparks) nicht nur darum, Fläche zur Verfügung<br />
zu stellen, sondern es müssen auch Kosten für<br />
Investitionen, St<strong>and</strong>ortveränderung, -konzentration und<br />
-aufbesserung getragen werden.<br />
Neben diesen Aspekten sind sicher auch steuerliche<br />
Optimierungen von Bedeutung, wenn das Potential von<br />
Arbeitsplätzen in der <strong>Region</strong> ausgeschöpft werden soll.<br />
Natur und L<strong>and</strong>schaft<br />
Die Klettgaurinne ist heute ein typisches Kulturl<strong>and</strong>, welches<br />
durch Jahrtausende menschlichen Wirkens geformt ist.<br />
Erste Spuren reichen dabei bis auf die Jungsteinzeit 15<br />
Tausend Jahre vor Christus zurück (siehe Fisler, 1998). Der<br />
Naturraum ist durch die Errichtung von Siedlungen und<br />
Festungen, die Sicherung von Wegen (z.B. durch die Römer<br />
im 1. bis 3. Jahrhundert), durch grossflächige Rodungen von<br />
Wäldern (etwa in der Zeit der L<strong>and</strong>nahme ab dem 10.<br />
Jahrhundert) oder durch Bachverbauungen im grossen Stil<br />
(ab dem 16. Jahrhundert) zurückgedrängt worden. Um die<br />
l<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzung zu optimieren wurden an vielen<br />
Stellen Sümpfe trocken gelegt und Reb-Terrassen angelegt.<br />
Wir gehen heute davon aus, dass an manchen Stellen<br />
des «Guten» zuviel getan wurde. Die Tall<strong>and</strong>schaft vermittelt<br />
an vielen Stellen einen ausgeräumten Eindruck. Gefordert<br />
werden Konzepte für eine angemessene Renaturierung<br />
und die Schaffung von naturnahen Gebieten, um dem heimisehen<br />
Oekosystem, von dem auch der Mensch in vielfältiger<br />
Hinsicht profitiert, einen minimalen Lebensraum zu gewähren.<br />
In dem Entwurf zur kantonalen Richtplanung (Baudepartement<br />
des Kantons Schaffhausen, 1998) im Kapitel Naturund<br />
L<strong>and</strong>schaftsschutz wird unzweideutig festgestellt, dass<br />
«die l<strong>and</strong>schaftlichen Qualitäten als wichtigste Ressource<br />
gepflegt und saniert werden» müssen (S. 106). Das bei<br />
Osterfingen liegende, wertvolle Feuchtgebiete enthaltende<br />
Wangental und der an die Klettgaurinne im Norden angrenzende<br />
R<strong>and</strong>en sind sog. BNL Gebiete (i.e. L<strong>and</strong>schaften von<br />
nationaler Bedeutung) und bilden einen Schwerpunkt im<br />
Biotopschutz. Die in den Tallagen gelegenen Ackerflächen<br />
sind in der Richtplanung 1998 (vgl. S. 43) Schwerpunkt für<br />
den ökologischen Ausgleich.<br />
Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien haben sich in den Jahren 1997<br />
und 1998 anh<strong>and</strong> einer Vielzahl von Methoden damit beschäftigt,<br />
Strategien und Grundlagen zu entwickeln, die für<br />
eine Optimierung des Natur- und L<strong>and</strong>schaftschutzes hilfreich<br />
sind. Als Ergebnisse sind festzuhalten:<br />
- Dem Natur- und L<strong>and</strong>schaftsschutz kommt im Rahmen<br />
einer umfassenden Betrachtung der St<strong>and</strong>ortqualität des<br />
Klettgaus eine besondere Bedeutung zu.<br />
In zwei Transsekten von je 400 m Breite und etwa 5 km<br />
Länge wurden die naturnahen Flächen aufgenommen<br />
und die Erlebnisqualität der L<strong>and</strong>schaft ermittelt. Dabei<br />
zeigte sich: Der Anteil der naturnahen Flächen ist in dem<br />
in Deutschl<strong>and</strong> gelegenem Transsekt mit 14,4% deutlich<br />
höher als derjenige im schweizerischen Transsekt, wo er<br />
5.3% beträgt.<br />
Die intensiv genutzte Klettgauebene und die Rebberge<br />
weisen den geringsten Anteil naturnaher Flächen auf.<br />
Hier besteht H<strong>and</strong>lungsbedarf für die Schaffung neuer<br />
naturnaher Elemente. Gleichzeitig sollten die ökologisch<br />
wertvollen Gebiete in den Grenzertragsflächen erhalten<br />
bleiben und falls notwendig gefördert werden.<br />
Die ökologischen Aufwertungen in der Klettgauebene<br />
würden auch die Erlebnisqualität der L<strong>and</strong>schaft erhöhen.<br />
Eine Erhöhung des Flächenanteils des ökologischen<br />
Ausgleichs erscheint unter Berücksichtigung der R<strong>and</strong>bedingungen<br />
(z.B. für die L<strong>and</strong>wirtschaft) realistisch.<br />
Bei der Planung von ökologischen Ausgleichsflächen<br />
sind ökonomische und soziale zu berücksichtigen.<br />
Von Seiten der Bevölkerung werden insbesondere Renaturierungen<br />
im Bereich Gewässer hoch positiv bewertet.<br />
- Bei wachsender Siedlungsfläche erscheint es nötig, auch<br />
für den Siedlungsraum Konzeptionen und Massnahmen<br />
zu entwickeln, die den Naturraum unterstützen.<br />
- Auch im engeren Kreis der Naturschützer finden sich<br />
Interessenkonflikte. Aus diesem Grund und aus Effizienzgründen<br />
ist eine Koordination der Naturschutzaktivitäten<br />
und Planungen notwendig. Der als Folgeprojekt<br />
erstellte Grundlagenordner zur Naturraumgestaltung<br />
(Fendt und Schaffhauser, 1998) soll diese Koordination<br />
unterstützen. Erfreulicherweise konnte im Rahmen der<br />
Fallstudie ein regionales Kontaktnetz zur grenzüberschreitenden<br />
Koordination l<strong>and</strong>schaftsgestaltender Projekte<br />
angeregt werden.<br />
Siedlung<br />
Nach einer hundertjährigen Stagnation der Bevölkerungszahl<br />
im Klettgau ist seit knapp zehn Jahren eine markante<br />
Bevölkerungszunahme zu beobachten. Dies betrifft<br />
vor allem den schweizerischen Klettgau, während im deutschen<br />
Klettgau vor allem um die Jahrhundertwende (Erzin-<br />
20<br />
UNS-Fallstudie '98
Synopse<br />
gen) und nach dem 2. Weltkrieg starke Zuwächse zu verzeichnen<br />
waren. Aus umweltnaturwissenschaftlicher Sicht<br />
ist bei dieser Zunahme von Bedeutung, dass dieser Trend<br />
sich multiplikativ mit der Zunahme im Flächenverbrauch,<br />
den Mobilitätskilometern und dem Energieverbrauch verknüpft<br />
(siehe Abbildung 3.1).<br />
Die Siedlungsfläche hat sich in den letzten 40 Jahren<br />
verdoppelt und beträgt gegenwärtig 15%. Bei linearer<br />
Fortschreibung dieses Trends ist der Klettgau in rund 100<br />
Jahren vollkommen überbaut.<br />
In den meisten Gemeinden und Ortschaften des Klettgaus<br />
gibt es ein hohes Verdichtungspotential. Eine konzentierte<br />
Siedlungsentwicklung sollte sich in den nächsten<br />
Jahren ausschliesslich auf die vorh<strong>and</strong>enen<br />
«Nutzungsreserven innerhalb der rechtskräftigen Bauzonen»<br />
beschränken (vgl. Kanton Schaffhausen, 1998, S.<br />
24).<br />
Das Leben in den Dörfern befindet sich in einer Veränderung.<br />
Um der Gefahr vorzubeugen, dass die <strong>Region</strong><br />
kulturell verarmt und die umliegenden Städte die kulturellen<br />
Aufgaben übernehmen, sind für nachhaltige<br />
Siedlungsentwicklungen institutionelle Neuerungen und<br />
neue soziale Erfindungen geboten.<br />
Auch für den Klettgau ist eine Orientierung an erneuerbaren<br />
Energien angesagt. Es gibt hierfür gute Ansatzpunkte<br />
im Bereich zentraler Holzenergieheizungen<br />
und dezentraler, in l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Betrieben installierter<br />
Biogasanlagen.<br />
Die Siedlungsplanung im Kanton Schaffhausen sieht für<br />
die Klettgaurinne drei Entwicklungsgemeinden (Beringen,<br />
Neunkirch und Trasadingen) vor. Diese Entwicklungsgemeinden<br />
besitzen Eisenbahnanschluss und liegen<br />
an der Hauptverkehrsachse. Es sollte geprüft werden,<br />
ob eine grösserflächige Ausweitung des schweizerischen<br />
Trasadingen in unmittelbarer Angrenzung zu Erzingen<br />
nicht eine kritische Grösse überschreitet, die unter dem<br />
Gesichtspunkt der L<strong>and</strong>schaftsentwicklung problematisch<br />
ist.<br />
Die grenzübergreifende Raumplanung in der Klettgaurinne<br />
ist zu verstärken. Dies betrifft den Siedlungsbereich<br />
aber auch die Bereiche Natur- und L<strong>and</strong>schaftsschutz<br />
und Siedlung.<br />
Mobilität<br />
Die Mobilität im ländlichen Raum befindet sich in einer<br />
besonderen Lage. Durch die relativ geringe Siedlungsdichte<br />
(siehe Abbildung 3.1) sind Bewohner des ländlichen Raumes<br />
in höherem Masse auf das Auto als Verkehrsmittel<br />
angewiesen als in den Städten, um die Bedürfnisse in vergleichbarer<br />
Weise zu befriedigen. Die Synthesegruppe Mobilität<br />
beh<strong>and</strong>elte die Frage, wie der Verkehr im Klettgau<br />
bezüglich Umweltverträglichkeit, Nachfrage und (externer)<br />
Kosten optimiert werden könnte.<br />
Bevölkerungsentwicklung seit 1950<br />
Siedlungsfläche in m 2 pro Kopf<br />
(St<strong>and</strong> 1980)<br />
1'200 ,........._- m··f5';····_m m...... .·····1 ._m _.__ ,<br />
1'000 i_ --........ _ +""1-_"8 _ {-_ --,<br />
-.>-- Klettgau (tot)<br />
800<br />
8'000 4,S'!<br />
::;;<br />
--+- Klettgau (CH)<br />
---KIeltgau (0)<br />
Schweiz in Mio.<br />
800<br />
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8'000 3 Cl<br />
200<br />
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700<br />
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0 0<br />
400<br />
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200<br />
100<br />
0<br />
0 Ln 0 Ln 0 Ln 0 Ln 0 Ln<br />
Ln Ln Ln Ln "- "- Ln<br />
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ "' ~ '" ~<br />
'"<br />
~<br />
Endenergieverbrauch der Schweiz 1930-1996<br />
0 Ln 0 Ln 0 Ln 0 Ln 0 Ln 0 Ln<br />
'f '!f Ln Ln Ln Ln "- "- co co<br />
'" ~<br />
'" '"<br />
~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~<br />
'"<br />
Synopse ----------------------------------------<br />
Um die Umweltauswirkungen abzuschätzen, wurde ein<br />
Verkehrsbelastungsmodell entwickelt und eine grössere<br />
Umfrage durchgeführt. Die wesentlichen Resultate sind:<br />
Täglich werden im Klettgau pro Person 6.4 Kilometer<br />
mit dem öffentlichen Verkehr und 29.7 Kilometer mit<br />
dem Personenwagen zurückgelegt. Der Freizeitverkehr<br />
nimmt dabei einen grösseren Anteil (41 Prozent) ein als<br />
der Weg zur Arbeit (30 Prozent).<br />
Heute werden im Klettgau bei Ausserachtlassung des<br />
Luftverkehrs (d.h. ausgenommen der L<strong>and</strong>eanflüge nach<br />
ZH-Kloten) täglich 96 Tonnen COz ausgestossen. Damit<br />
liegt der Ausstoss 12% über den Orientierungen der<br />
klimapolitischen Erklärung von Rio. Im Programm 2000<br />
der Eidgenossenschaft wird ein etwas niedrigeres Emissionsniveau<br />
gefordert, indem längerfristiges Einhalten<br />
einer Emissionsmenge von 80 Tonnen Kohlendioxid pro<br />
Tag angestrebt wird.<br />
4. fazit<br />
Der Klettgau zeigt im peripheren Einzugsgebiet der Grossagglomeration<br />
Zürich aktuell eine rasante Siedlungsentwicklung.<br />
Sein Kapital ist die L<strong>and</strong>schaft. Um diese zu<br />
sichern sind in den Bereichen Siedlungsplanung, Natur- und<br />
L<strong>and</strong>schaftsschutz sowie im Bereich Grundwasserschutz<br />
H<strong>and</strong>lungsprogramme zu entwickeln bzw. umzusetzen. In<br />
den Bereichen Mobilität finden wir die für den ländlichen<br />
Raum typischen Verkehrstrukturen, die - mit geeigneten<br />
Ergänzungsmassnahmen - zufriedenstellende Umweltleistungen<br />
erbringen könnten.<br />
Der Klettgau als ländlicher Raum kann die Vorgaben von<br />
Rio und Energie 2000 erfüllen. Mit Hilfe des Verkehrsbelastungsmodells<br />
und der Szenarioanalyse konnte gezeigt<br />
werden: Wenn der Flottenverbrauch auf 6.5 Liter eingeschränkt<br />
und zu 20% aufden öffentlichen Verkehr umgestiegen<br />
wird, zusätzlich die Mobilität um 15% sinkt, erreichen<br />
die Kohlendioxid-Emissionen im Klettgau im Jahr 2010<br />
Werte unter den von Rio geforderten 80 Tonnen pro Tag.<br />
Für das Verkehrssystem wurden folgende Folgerungen<br />
erarbeitet:<br />
Der Klettgau hat bislang kein aussergewöhnliches<br />
Verkehrsproblem. Das Verkehrsproblem ist in dem Sinne<br />
externalisiert, dass die Pendler in den Städten (v.a.<br />
Schaffhausen und Zürich) zum Verkehrsproblem beitragen.<br />
Die wichtigen verkehrspolitischen Entscheide<br />
werden ausserhalb des Klettgau gefallt. Im Klettgau selber<br />
müssen individuelle Lösungen angestrebt werden.<br />
Politisch werden die Weichen jedoch ausserhalb der <strong>Region</strong><br />
gestellt. Eine geplante Autobahn würde für das<br />
Verkehrsproblem im Klettgau (abgesehen vom Grundwasserschutz)<br />
keine wesentliche Verbesserung, jedoch<br />
für die L<strong>and</strong>schaft gravierende Konsequenzen erbringen.<br />
22<br />
UNS-Fallstudie '98
Synopse<br />
Literatur<br />
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UNS-Fallstudie '98<br />
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24 UNS-Fallstudie '98
- <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />
Rol<strong>and</strong> W. Scholz<br />
Mit dem Thema <strong>Region</strong>alentwicklung beh<strong>and</strong>elt die <strong>ETH</strong><br />
UNS Fallstudie zur <strong>Region</strong>alentwicklung Klettgau einen<br />
Gegenst<strong>and</strong>, der traditionell der Geographie und der Raumforschung<br />
zugeordnet ist. Dies wirft die berechtigte Frage<br />
auf, welchen spezifischen Beitrag die Umweltwissenschaften<br />
zu diesem Thema leisten können und inwieweit l<strong>and</strong>schaftsökologische,<br />
raumplanerische, und geographische<br />
Betrachtungsweisen unter dem Aspekt einer nachhaltigen<br />
Entwicklung zu ergänzen sind.<br />
Wir präsentieren dazu zunächst Definitionsvorschläge,<br />
um darauf aufbauend eine spezifische Vorgehensweise vorzustellen,<br />
welche analytische und ganzheitliche Konzeptionen<br />
in der Forschung zur <strong>Region</strong>al- und L<strong>and</strong>schaftsentwicklung<br />
in Beziehung setzt.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
25
<strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />
_<br />
1 Begriff<strong>Region</strong><br />
Allgemein versteht man unter dem Begriff <strong>Region</strong> einen<br />
durch bestimmte Merkmale gekennzeichneten zusammenhängenden<br />
(Teil-)Raum mittlerer GrÖsse. «Der Begriff <strong>Region</strong><br />
bezog sich im Deutschen ursprünglich auf als einheitlich<br />
empfundene L<strong>and</strong>schaften oder auf kulturell oder demographisch<br />
einheitlich geprägte Räume» (Weyl, 1995, S.<br />
413). Heute verwenden viele Wissenschaften wie zum Beispiel<br />
die Medizin oder die Psychologie den <strong>Region</strong>sbegriff<br />
(Sinz, 1995, S. 805).<br />
In der Geographie sind <strong>Region</strong>en grössere Systeme und<br />
werden von Raumeinheiten mit <strong>and</strong>eren Grössenordnungen<br />
unterschieden. Eine umfassende Übersicht über 24 verschiedene<br />
Begriffssysteme mit Bezug zum Begriff <strong>Region</strong><br />
findet sich in Leser (1997, pp. 202; vgl. auch Neef, 1963).<br />
Aus der Perspektive des vorliegenden Falls (d.h. des Klettgaurinne)<br />
erscheint dabei die «Theorie der geographischen<br />
Dimensionen» hilfreich, in der topische (topologische), chorische,<br />
regionische und geosphärische Grössenordnungen<br />
unterschieden werden (siehe dazu den Kasten Tope, Choren,<br />
<strong>Region</strong>en). Diese Begriffe definieren Raumeinheiten mit<br />
überlappenden Grössenordnungen, wobei bei den Topen,<br />
Choren und Sphären eindeutig die geophysikalischen und<br />
geoökologischen Eigenschaften des Raumes im Vordergrund<br />
stehen (s. Abb. 1.1).<br />
___ "Grenzen" verschieden<br />
............ artiger Geoökotope<br />
Abb. 1.1: Die naturräumliche<br />
Ordnung am Beispiel eines Einzugsgebietes<br />
im Hochgebirge.<br />
Die charakteristisch angeordneten<br />
und beschaffenen Geoökotope<br />
(homogene l<strong>and</strong>schaftsökologische<br />
Grundeinheiten) bilden<br />
im Verb<strong>and</strong> ein Chor (heterogenes<br />
Ökotopgejüge). Die Abgrenzung<br />
eifolgt nach dem räumlichen<br />
Kontext und nach aktuelldynamischen<br />
Merkmalen (z.B.<br />
Mesoklima oder Gebietswasserhaushalt)<br />
und umfasst hier beispielsweise<br />
ein Seitental (aus:<br />
Leser, 1997).<br />
26 UNS-Fallstudie '98
------------- <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />
1.1 der KIf~ttf,rau<br />
Die Klettgaurinne ist aus der Sicht der Physischen Geographie<br />
und der L<strong>and</strong>schaftsökologie durchaus als (Klein)-<strong>Region</strong><br />
zu betrachten. Dies ergibt sich durch die geomorphologischen,<br />
geohydrologischen und klimatischen Besonderheiten<br />
der Klettgaurinne. Als geschlossenes Tal wurde die<br />
Klettgaurinne in den <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien über das oberirdische<br />
Einzugsgebiet definiert, unter dem - leicht verschoben<br />
ein Grundwasserspeicher (Aquifer) gelegen ist. Das<br />
Tal unterscheidet sich vom südlich gelegenen Oberrheintal<br />
und dem nördlich gelegenen Wutachtal (siehe Abb. 1.2)<br />
geomorphologisch durch das Fehlen eines Flusses und<br />
weist, im Windschatten des Schwarzwaldes, durchaus ein<br />
eigenes Mikroklima auf.<br />
Aus umweltwissenschaftlicher Sicht ist von Bedeutung,<br />
dass bei dem <strong>Region</strong>sbegriffnicht nurgeotypische Merkmale<br />
zur Kennzeichnung der Areale herangezogen werden,<br />
sondern ein bestimmtes, für den Gesamtraum repräsentatives<br />
Gefüge, zu dem auch die soziokulturelle und die ökonomische<br />
Dimension gehören (vgl. Klink, 1995, S. 669). Mit<br />
diesen eine <strong>Region</strong> definierenden Merkmalen wird der Rahmen<br />
engerer naturwissenschaftlicher Betrachtungen verlassen.<br />
<strong>Region</strong>en sind oder vor für den Menschen<br />
funktionale räumliche Einheiten.<br />
Der ist in diesem Sinne als zu<br />
betrachten. Eine Einordnung des grenzübergreifenden Gebiets<br />
Klettgau(rinne) als macht etwa unter dem<br />
Aspekt einer nachhaltigen Entwicklung dann einen<br />
wenn die Raumabgrenzungen bessere<br />
für<br />
eine positive<br />
erbringen als <strong>and</strong>ere Abgrenzungen.<br />
Eine<br />
in den Bereichen<br />
Grundwasserschutz und Naturschutz lässt sich trivialer Weise<br />
nur erreichen, wenn im deutschen und schweizerischen<br />
Teil ein verantwortungsvoller mit Boden gezeigt<br />
wird (vgl. Scholz et al., 1998; et al., 1998).<br />
Gegenst<strong>and</strong> der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1998 ist es zu<br />
fen, inwieweit dies unter sozialen und wirtschaftlichen<br />
Gesichtspunkten) gegeben ist. In diesem Zusammenhang<br />
spielt auch die<br />
eine Rolle, dass es im<br />
Abb.1.2: Die Klettgaurinne ist ein Einschnitt in einem Juragebirge, welches sich von Oberlauchringen mit einem nördlichen<br />
Kamm über den Hallauerberg in den R<strong>and</strong>en zieht. Südlich wird die Rinne von einem schmalen Jurahang (Südr<strong>and</strong>en)<br />
begrenzt. Die Klettgaurinne velfügt heute über keinen grösseren Flusslauf mehr und unterscheidet sich auch dadurch<br />
l<strong>and</strong>schaftlich von dem in Triasschichten eingekerbten Wutachtal und dem Hochrheintal. Die Böden der Klettgaurinne<br />
bestehen mehrheitlich aus Risseiszeitlichen Schottern, die in der Mitte der Rinne mit einer Schicht von Schwemmlehmen<br />
(
<strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />
_<br />
Zeitalter der Globalisierung für eine nachhaltige Entwicklung<br />
notwendig ist, neue stabile Teilsysteme zu definieren,<br />
die eine gewisse Selbstregulierungsfähigkeit besitzen. Diese<br />
Teilsysteme (das heisst <strong>Region</strong>en) können dann als Trägerelernent<br />
von grösseren Systemen fungieren.<br />
2 Zum Begriff L<strong>and</strong>schaft<br />
Der BegriffL<strong>and</strong>schaft ist ein Begriff, der schon von seinem<br />
etymologischen Ursprung her einen Bezug zu dem «durch<br />
den Menschen Geschaffenen» (siehe Kasten Ursprung des<br />
L<strong>and</strong>schaftsbegriffs) besitzt. Wir führen nun in verschiedene<br />
Zugänge zum Begriff L<strong>and</strong>schaft ein, um den spezifischen,<br />
der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie zugrundeliegenden Zugang<br />
deutlich zu machen.<br />
2.1 l<strong>and</strong>schaft als Begegnungsraum<br />
«Im Lichte der von Polenz entwickelten sprach-archäologischen<br />
Methode erwiesen sich sämtliche älteren L<strong>and</strong>schaftsnamen<br />
als Namen für besiedelte und wirtschaftlich<br />
erschlossene L<strong>and</strong>flächen, die mehrere Siedlungseinheiten<br />
umfassen und sich in der Regel auf den Umkreis beziehen,<br />
den ein Angehöriger der unteren soziologischen Schichten<br />
einer sesshaften Bevölkerung im Laufe seines Lebens kennen<br />
lernen kann, ohne 'reisen' zu müssen, d.h. eine Tagesreise<br />
zu Fuss nach allen Richtungen vom Wohnort aus nicht<br />
überschreiten. Sie sind meist mit einem gewissen L<strong>and</strong>schaftsbewusstsein<br />
verbunden, das sich unter <strong>and</strong>erem im<br />
Marktverkehr, in den Heiratsbeziehungen, in der Entstehung<br />
mundartlicher Kemgebiete und damit im Bewusstsein<br />
der Einwohner einer <strong>Region</strong> manifestierte» (Piepmeier<br />
1980).<br />
Ende des 12. Jahrhunderts kommt eine neue Bedeutung<br />
des Wortes «L<strong>and</strong>schaft» hinzu, nämlich als einheimische<br />
(adelige) Bevölkerung eines L<strong>and</strong>es oder Gebietes (das<br />
heisst die L<strong>and</strong>smannschaft). In dieser Begriffsdeutung ist<br />
«immer eine räumliche Bindung in Form einer gebietsgebundenene<br />
Personengruppe erkennbar» (Haber, 1995, S.<br />
597).<br />
28<br />
UNS-Fallstudie '98
------------------------------------- <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />
In diesen Definitionen werden die soziale Dimension von<br />
L<strong>and</strong>schaft und der Aspekt der sozialen Identität hervorgehoben.<br />
Bemerkenswerte L<strong>and</strong>schaftsdarstellungen gab es bekanntlich<br />
schon in der Freskomalerei der Römerzeit und in der<br />
ostasiatischen L<strong>and</strong>schaftsmalerei (vgl. SchmithÜsen, 1976,<br />
S.79).<br />
In Europa beginnt im 13. Jahrhundert mit dem aufkommenden<br />
Humanismus die Neuentdeckung der antiken Ansichten<br />
der irdischen Umwelt. 1473 schafft Leonardo da<br />
Vinci die erste von allem FigÜrlichen befreite L<strong>and</strong>schaftsdarstellung<br />
(Fassmann, 1976). Das erste neuzeitliche L<strong>and</strong>schaftsgemälde<br />
ohne menschliche Figuren und Gebäude hat<br />
nach Haber (1995, S. 597) Altdorfer um 1530 geschaffen.<br />
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde es Üblich, dass die<br />
Maler Personen vor einem l<strong>and</strong>schaftlichen anstelle eines<br />
einfarbigen Hintergrundes darstellten. Die KÜnstler hatten<br />
«keine Hemmungen, biblische Motive in eine mitteleuropäische<br />
L<strong>and</strong>schaft zu 'versetzen' (Haber, 1995, S.<br />
597)>>, wesentlich war jedoch, dass menschliche H<strong>and</strong>lungen<br />
dargestellt wurden (Eberle, 1980). Unter L<strong>and</strong>schaft<br />
wurde im angehenden Mittelalter ein «gemaltes L<strong>and</strong>schaftsbild»<br />
verst<strong>and</strong>en (Hard, 1970, S. 22). Eine eigenständige<br />
Darstellung von L<strong>and</strong>schaftsausschnitten ist somit zeitgeschichtlich<br />
ein relativ neues Phänomen. Wie von Eberle<br />
(1980) an Beispielen aufgezeigt wird, sind in der Darstellung<br />
von Natur- und L<strong>and</strong>schaft verschiedene Entwicklungsstufen<br />
zu unterscheiden. Dominiert in Bildern des<br />
14./15. Jahrhunderts die Einheit von Stadt und L<strong>and</strong>, st<strong>and</strong><br />
im 16. Jahrhundert die unmittelbare Präsenz von Natur und<br />
L<strong>and</strong>schaft im Vordergrund. Im 17. Jahrhundert schliesslich<br />
wurde L<strong>and</strong>schaft als veredelte und inszenierte Natur<br />
(
<strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />
_<br />
Wissenschaft seit den späten siebzigerJahren. Carl Troll, der<br />
Schöpfer des Begriffs «L<strong>and</strong>schaftsökologie» hatte diesen<br />
Begriff 1964 in «Geoökologie» umgew<strong>and</strong>elt, weil erfürchtete,<br />
dass das Wort «L<strong>and</strong>schaft» und der Begriff<br />
«L<strong>and</strong>schaftsökologie» international missverst<strong>and</strong>en werden<br />
könnte.<br />
2.4 l<strong>and</strong>schaft als wissenschaftlicher<br />
Begriff<br />
Erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurde «L<strong>and</strong>schaft»<br />
ein wissenschaftlicher Begriff. Alex<strong>and</strong>er von Humboldt<br />
definiert «L<strong>and</strong>schaft» als «Totalcharakter einer Erdgegend».<br />
Nach Humboldt sind L<strong>and</strong>schaften als Ganzheiten<br />
zu begreifen, wobei die naturräumlichen Gegebenheiten<br />
betont werden und neben Klima und Oberflächengestalt vor<br />
allem die Vegetation die Charakteristik der L<strong>and</strong>schaft bestimmt.<br />
Nach dem Tode Humboldts 1859 begann das Zeitalter der<br />
Spezialisierung. Nur in der physischen Geographie blieb<br />
L<strong>and</strong>schaft als ein Haupt-Forschungsgegenst<strong>and</strong> erhalten,<br />
und seit Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs langsam auch<br />
die Biologie, insbesondere über die Vegetationskunde<br />
(Pflanzensoziologie), in die l<strong>and</strong>schaftliche Dimension hinein<br />
(Haber, 1995, S. 597).<br />
Es ist jedoch festzuhalten, dass L<strong>and</strong>schaft «im wesentlichen<br />
ein Charakteristikum der deutschen Geographie gewesen<br />
ist» (Hard, 1970, S. 230, vgl. auch Siebert, 1955).<br />
Prägend für den deutschen geographischen L<strong>and</strong>schaftsbegriff<br />
waren die Definitionen von Bürger (1935) und Troll<br />
(1950), von der die neuere präsentiert wird. «Unter einer<br />
geographischen L<strong>and</strong>schaft versteht die ... Geographie einen<br />
Teil der Erdoberfläche, der nach seinem äusseren Bilde<br />
und dem Zusammenwirken seiner «Erscheinungen» sowie<br />
den inneren und äusseren Lagebeziehungen eine Raumeinheit<br />
von bestimmtem Charakter bildet und der an geographischen<br />
natürlichen Grenzen in L<strong>and</strong>schaften von <strong>and</strong>erem<br />
Charakter übergeht» (Troll, 1950). Heute finden wir eine<br />
Mannigfaltigkeit von Zugängen. Ewald (1999) unterscheidet<br />
holistische, analytische, disziplinäre und disziplinenübergreifende<br />
sowie natur- und sozialwissenschaftliche<br />
Konzeptionen.<br />
Um die Vielschichtigkeit des L<strong>and</strong>schaftsbegriffs zu illustrieren,<br />
möchten wir aufden L<strong>and</strong>schaftsbegriffdes deutschen<br />
Geographen Josef Schmithüsen eingehen, wie er ihn<br />
im Rahmen der Allgemeinen Geosynergetik (1976) vorgestellt<br />
hat. Die Allgemeine Geosynergetik ist als Teilgebiet<br />
der Geographie zu verstehen, und wird von ihm auch geographische<br />
L<strong>and</strong>schaftslehre, L<strong>and</strong>schaftsforschung und<br />
L<strong>and</strong>schaftswissenschaft genannt. Ein wesentliches Kennzeichen<br />
ist, dass die «l<strong>and</strong>schaftliche oder die synergetische<br />
Methode... von den Örtlichkeiten» ausgeht, d.h. «den kleinsten<br />
anschaulichen erfassbaren, geographisch relevanten<br />
Einheiten der noch nicht sachanalytisch zergliederten geosphärischen<br />
Wirklichkeit» (J. Schmithüsen, 1976, S.52).<br />
«... (Geo-)Synergie (oder L<strong>and</strong>schaft)>> sind «der Inbegriff<br />
der Beschaffenheit eines nach seinem Gesamtcharakter als<br />
Einheit begreifuaren Teils der Geosphäre von geographisch<br />
relevanterGrössenordnung» (1. Schmithüsen, 1976, S. 147).<br />
Unter Bezug auf die deutsche Philosophie sucht Schmithüsen<br />
mit dem L<strong>and</strong>schaftsbegriff einen ganzheitlichen Zugang.<br />
L<strong>and</strong>schaften werden als Gesamtcharakter geographischer<br />
Wirkungssysteme begriffen. «Ziel der Geographischen<br />
Wissenschaft [ist es] ..., die konkrete räumliche Mannigfaltigkeit<br />
der Geosphäre zu begreifen und darzustellen,<br />
[man] nennt ... sie auch eine chorologische Wissenschaft» (J.<br />
Schmithüsen, 1976, S.28, siehe Kasten I). «Der L<strong>and</strong>schaftsraum<br />
gehört im weiteren Sinne in die Kategorie der<br />
Idiochore [... und] setzt somit den Begriff der L<strong>and</strong>schafts<br />
(-synergie) voraus.... Zwischen dem ... BegriffL<strong>and</strong>schaftsraum<br />
und allen <strong>and</strong>eren L<strong>and</strong>begriffen besteht ein entscheidender<br />
Unterschied. Mit der Idee des L<strong>and</strong>schaftsraumes<br />
haben wir eine Möglichkeit gefunden, Ländereinheiten<br />
nach einem Kriterium abzugrenzen, das dem Wesen der<br />
Geosphäre optimal gerecht wird» (J. Schmithüsen, 1976,<br />
S.55). «L<strong>and</strong>schaft ist die Beschaffenheit eines L<strong>and</strong>schaftsraumes.<br />
Damit ... (ist) L<strong>and</strong>schaft im Gegensatz zu<br />
L<strong>and</strong>schaftsraum kein Raumbegriff, sondern ein qualitativer<br />
(Beschaffenheits-)Begriff» (1. Schmithüsen, 1976, S.<br />
148).<br />
Dieser Ansatz der Geographie der siebziger Jahre wirft<br />
einige grundsätzliche und bis heute unbeantwortete Fragen<br />
auf:<br />
- L<strong>and</strong>schaft als qualitativer (Beschaffenheits-)Begriff<br />
setzt eine subjektive, die Beschaffenheit klassifizierende<br />
und qualifizierende Perspektive voraus. Diese gilt es zu<br />
explizieren.<br />
- Mit den Kategorien «Gesamtcharakter» und «als Einheit<br />
begreifbar» werden ganzheitliche und normative Grössen<br />
eingeführt. Es gilt, die Bezugssysteme für diese<br />
Kategorien zu bestimmen und aufzuzeigen, wie diese<br />
ganzheitlichen Systeme analytisch zugänglich gemacht<br />
werden.<br />
- Es bleibt offen, ob L<strong>and</strong>schaft oder Identität von L<strong>and</strong>schaft<br />
phylogenetische (d.h. stammesgeschichtliche) Invarianten<br />
aufweisen (also bestimmte L<strong>and</strong>schaften für<br />
den Menschen per se attraktiver sind und eine «Identität»<br />
bekommen), oder ob eher ein ontogenetischer (individualpsychologischer)<br />
Zugang gesucht wird.<br />
Den aktuellsten umfassenden Zugang zur L<strong>and</strong>schaft bietet<br />
der systemtheoretische Ansatz von Leser (1997) und<br />
Mosimann (1984). In seinem Buch fasst Leser «L<strong>and</strong>schaftsökologie<br />
als den Fachbereich auf, der sich mit den<br />
Wechselwirkungen der Faktoren des L<strong>and</strong>schaftssystems<br />
beschäftigt, die sich funktional und visuell in der «L<strong>and</strong>schaft»,<br />
zum Beispiel einer sehrkomplexen TerritorialstruktUf,<br />
repräsentieren» (1997, S. 25). Wie Trepl (1987, S. 20)<br />
bemerkt, werden mit L<strong>and</strong>schaft zwei zu unterschiedlichen<br />
Zeitepochen entwickelte Konzeptionen verbunden: Das alte<br />
abiotisch-materielle Kosmosmodell und das neuere, im 18.<br />
Jahrhundert entst<strong>and</strong>ene Modell des lebenden Organismus.<br />
L<strong>and</strong>schaftsökologie ist demnach keine Disziplin, sondern<br />
L<strong>and</strong>schaft gestaltet sich, wie es Ewald (1997) ausdrückte,<br />
undiszipliniert, indem sie sich nicht von einer einzigen<br />
Fachdisziplin abschliessend erfassen lässt.<br />
30<br />
UNS-Fallstudie '98
_____________________________________ <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />
3 Umweltwissenschaftliche<br />
Zugänge zum <strong>Region</strong>sl<strong>and</strong>schaftsbegriff<br />
3.1 Naturwissenschaftliche Zugänge<br />
zum L<strong>and</strong>schaftsbegriffs<br />
Ein Überblick über naturwissenschaftliche Zugänge zum<br />
L<strong>and</strong>schaftsbegriffbeziehungsweise zur L<strong>and</strong>schaftsökologie<br />
findet sich in Leser (1997, S. 136 ff.). Wesentlich sind<br />
die unterschiedlichen, sich ergänzenden Zugänge aus biotischer<br />
und abiotischer Sicht, die wir in Bioökologie und<br />
Geoökologie finden. Beide Wissenschaftsdisziplinen betrachten<br />
ihre Gegenstände als funktional und räumlich. Innerhalb<br />
der räumlichen Betrachtungsweise ist L<strong>and</strong>schaft<br />
als Zusammenwirken von Biotop, Geotop und Anthropotop<br />
zu denken. In der funktionalen Betrachtungsweise wird das<br />
L<strong>and</strong>schaftsökosystem als Interaktion von Biosystem, Geosystem<br />
und Anthroposystem begriffen. Anthropotop und<br />
Anthroposystem sind dabei sowohl naturwissenschaftlich<br />
als auch sozialwissenschaftlich bestimmt.<br />
3.2 Sozialwissenschaftliche Zugfinge<br />
zum L<strong>and</strong>schaftsbegriff<br />
In der Sozialgeographie und in den korrespondierenden<br />
Systemen gibt es traditionell eine Vielzahl von verschiedenen<br />
Zugängen, welche das gesamte Spektrum von Varianten<br />
der Geisteswissenschaften, Psychologie, politischen Wissenschaften,<br />
empirischen Sozialwissenschaften bis hin zu<br />
den Sprachwissenschaften umfassen (vgl. 1. Schmithüsen,<br />
1963). L<strong>and</strong>schaft wird beispielsweise in geisteswissenschaftlichen<br />
Zugängen als ästhetisches Erleben und subjektives<br />
Ereignis oder als «metaphysische Seele» im Sinne<br />
eines «künstlerischen Wesens» aufgefasst (Thoene, 1924).<br />
Einen linguistischen und etymologischen Zugang zum<br />
L<strong>and</strong>schaftsbegriff wählte etwa Hard (1970), indem er die<br />
«Idee derL<strong>and</strong>schaft» mitden Methoden derSprachpsychologie<br />
(vgl. etwa Hörmann 1967) analysierte. Untersucht<br />
werden hier Bedeutungsfelder, die mit dem Begriff L<strong>and</strong>schaft<br />
assoziiert werden. Wir möchten aber darauf verweisen,<br />
dass diese Zugänge eigentlich als Meta-L<strong>and</strong>schaftsforschung<br />
zu betrachten sind, da die L<strong>and</strong>schaft nur mittelbarer<br />
Gegenst<strong>and</strong> der wissenschaftlichen Arbeit ist und letztlich<br />
die mentalen Repräsentationen von L<strong>and</strong>schaft (wie zum<br />
Beispiel Küstenl<strong>and</strong>schaft oder Bauernl<strong>and</strong>schaft) in den<br />
Köpfen von Personen oderin Lexika Gegenst<strong>and</strong> existieren.<br />
Anders verhält es sich mit Forschungsfeldern, in denen<br />
die Wirkung von geoökologischen L<strong>and</strong>schaftssystemen<br />
aufden Menschen betrachtet wird, wie beispielsweise in der<br />
Kulturanthropologie oderin der Psychologie. Ein noch stark<br />
in der philosophischen Psychologie verhafteter und teilweise<br />
in die Metaphysik hineinreichender Ansatz wurde von<br />
Hellpach (1965) vertreten. L<strong>and</strong>schaft wird hier als sinnlicher<br />
Gesamteindruck aufgefasst, der von einem Stück Erdoberfläche<br />
und dem «dazugehörigen Abschnitt von Him-<br />
melsgestirnen» ausgeht. Im weiteren Sinne als eine neuere<br />
Variante des Hellpachschen Ansatzes ist die Biophilia Hypothese<br />
von Wilson und Kellert (1993, vgl. auch Kahn 1997)<br />
zu betrachten, in der die Abhängigkeit des Menschen von<br />
seiner materiellen Umgebung biologisch begründet wird<br />
und physische, intellektuelle, emotionale und spirituelle<br />
Bereiche umfasst. Die beiden vorstehenden Ansätze reichen<br />
beide über den l<strong>and</strong>schaftsästhetischen Bereich hinaus, gelten<br />
aber als nur sehr schwach empirisch belegt.<br />
3.3 Holistische analytische<br />
Konzeptionen<br />
Der L<strong>and</strong>schaftsbegriff hat die (analytische) Wissenschaft<br />
immer wieder zu holistischen, ganzheitlichen Betrachtungen<br />
verführt. Dies gilt insbesondere für den deutschsprachigen<br />
Raum. Eine Ursache dürfte in den Reiseberichterstattungen<br />
liegen, die zwischen 1900 und 1940 im belletristischen<br />
Stil von Geographen und Schriftstellern verfasst wurden<br />
(vgl. Hard, 1970, p. 23).<br />
Grenzen und Möglichkeiten ganzheitlicher wissenschaftlicher<br />
Forschung sind ein altes, aber für die Umweltwissenschaften<br />
relevantes und neu zu diskutierendes Thema. Die<br />
L<strong>and</strong>schaftsanalyse eignet sich sowohl dazu, die Grenzen<br />
der analytischen partikularen und der ganzheitlichen Betrachtungsweise<br />
aufzuzeigen, als auch die Notwendigkeit<br />
der Verbindung dieser beiden Erkenntnistypen, das heisst<br />
intuitiver und analytischer Denkmodi, zu illustrieren.<br />
Wie lassen sich aber nun analytische und ganzheitliche<br />
Zugänge zum L<strong>and</strong>schaftsbegriff mit dem analytischen<br />
Wissen verbinden?<br />
Wir wollen auf zwei Begriffssysteme aus der Erkenntnistheorie<br />
beziehungsweise den Kognitionswissenschaften<br />
zurückgreifen und das Begriffspaar Analysis versus Intuition<br />
sowie das Begriffstripel Erklären, Begreifen und Verstehen<br />
betrachten.<br />
Die Komplementarität zwischen Analysis und Intuition<br />
wird in den Kognitionswissenschaften beziehungsweise der<br />
Kognitionspsychologie in ausführlicher Weise beh<strong>and</strong>elt<br />
(vgl. Hammond, Hamm, Grassia und Pearson, 1983; Fischbein,<br />
1975; Scholz, 1987; Gigerenzer, 1993; Gigerenzer<strong>and</strong><br />
Goldstein, in press; Springer und Deutsch, 1993). Analysis<br />
und Intuition werden dort als Denkmodi begriffen, die sich<br />
unterschiedlicherkognitiver Prozesse und Gedächtnisrepräsentationen<br />
bedienen. Fürdie Komplementaritätvon Analysis<br />
und Intuition findet sich eine operationale Definition in<br />
Scho1z (1987).<br />
Unter Referenz aufdie genannten Arbeiten schliessen wir,<br />
dass Intuition Best<strong>and</strong>teil von Erkenntnis-, Urteils-, Diagnose<br />
und Problemlöseprozessen ist und damit als ein Wesenszug<br />
wissenschaftlicher und planerischer Arbeit zu begreifen<br />
ist. Dies gilt insbesondere für ein Verständnis und die<br />
Entwicklung von L<strong>and</strong>schaft.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
31
<strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />
_<br />
begriffliche Erschliessen eines Gegenst<strong>and</strong>s und ist damit<br />
ebenfalls wie das Erklären, nur in komplexerer Form, dem<br />
analytischen Denken zugeordnet.<br />
Das Begreifen steht in einer gewissen Komplementarität<br />
zu dem dritten Begriff, dem Verstehen. Dem Verstehen<br />
unterliegt, aus der Perspektive der Denkpsychologie, ein<br />
holistischer, paralleler, bildhafter Prozess wie wir ihn beim<br />
intuitiven Denken beschrieben haben. So «weiss» oder zumindest<br />
glaubt der begabte Diagnostiker - Mediziner wie<br />
Psychologe - im günstigsten Falle «sofort», beim ersten<br />
Anblick des «Falles» zu wissen, «was los ist» und bemüht<br />
sich erst nachher um die begrifflich-sprachliche Formulierung<br />
und Einordnung des unmittelbar Gehabten und Verst<strong>and</strong>enen.<br />
Begreifen und Verstehen sind als wechselseitige Akte der<br />
Erkenntnisgewinnung anzusehen. Einschränkend muss ich<br />
dazu anfügen, dass der wechselseitige Bezug der beiden<br />
Formen nicht sehr ausgebildet ist. Zumindest bei experimentellen<br />
Untersuchungen konnten Evidenzien gesammelt<br />
werden, dass Individuen nicht sehr gut in der Lage sind,<br />
beide Formen ergänzend auf eine Problemlösung anzuwenden.<br />
Dies mag auch in folgendem, Hegel zugeschriebenen<br />
Witzwort zum Ausdruck kommen, der gesagt haben soll<br />
«Von allen meinen Schülern hat mich nur ein einziger verst<strong>and</strong>en,<br />
und der hat mich nicht begriffen».<br />
Man muss verst<strong>and</strong>en haben, um endgültig begreifen zu<br />
können. So muss man etwa das Sinngefüge einer Sprache<br />
oder der Mathematik in toto verst<strong>and</strong>en haben, wenn man<br />
imst<strong>and</strong>e sein soll, einen bestimmten mathematischen Satz<br />
zu erfassen, d.h. zu begreifen. Jedoch gibt es kein exaktes<br />
oder kein formales Verstehen sondern nur exaktes Begreifen.<br />
3.5 und Analysis in der<br />
L<strong>and</strong>schaftsforschung<br />
3.4 Verstehen, Rt:ll,arK:.~itt::.n<br />
Eine weitere hilfreiche Unterscheidung, um Strategien für<br />
<strong>Region</strong>al- und L<strong>and</strong>schaftsforschung und <strong>and</strong>ere ökologische<br />
Problemlöseprozesse zu klassifizieren, ist die Unterscheidung<br />
zwischen Verstehen, Begreifen und Erklären.<br />
Erklärungen sind kausale Reduktionen, die Aussagen mittels<br />
logischer Deduktionen aufanerkannte Voraussetzungen<br />
zurückführen. Wir können zum Beispiel erklären, was sich<br />
in einer L<strong>and</strong>schaft in einem bestimmten Zeitrahmen verändert<br />
hat. Zumindest nach Meinung einiger Philosophen (wie<br />
etwa Dilthey) trägt jedoch Erklärung nichts zum Verständnis<br />
eines Wesens bei.<br />
Unter Begreifen wird das «rein logische Erfassen einer<br />
sprachlichen Aussage» gefasst. Begreifen geht über Erklären<br />
hinaus, da beispielsweise mathematische Sinngehalte<br />
nicht kausalanalytisch im Sinne der reinen Naturwissenschaften<br />
erklärt werden können. Kognitionspsychologisch<br />
formuliert bezieht sich das Begreifen auf das sequentielle,<br />
L<strong>and</strong>schaften sind reale, komplexe, historisch geformte Gebilde.<br />
Eine wissenschaftliche L<strong>and</strong>schaftsanalyse bedarf, so<br />
wird behauptet, eines laufenden Wechselspiels der verschiedenen<br />
Ebenen von Erkenntnis.<br />
Dem gesamthaften Erkennen der geologischen, sozioökonomischen,<br />
ökologischen und kulturellen Aspekte aus<br />
einem übergeordneten integralen Verständnis heraus ist bei<br />
der L<strong>and</strong>schaftsforschung (zumindest als Ausgangspunkt<br />
wissenschaftlicher Arbeit) grösste Beachtung zu schenken.<br />
Nur von einem Verständnis der «ganzen» L<strong>and</strong>schaft ausgehend<br />
wird sichtbar, was deren Glieder sind und welche<br />
einzelnen Best<strong>and</strong>teile dafür eine wesentliche Bedeutung<br />
haben (1. Schmithüsen, 1976, S.37). Es sei angemerkt, dass<br />
sich für ein ganzheitliches Erschliessen Strategien und Methoden<br />
entwickeln lassen. Als Beispiel dafür sei die Methode<br />
des experiential case encounter benannt. Bei dieser Methode<br />
können Individuen L<strong>and</strong>schaft dadurch erfahren, indem<br />
sie sich in enaktiver Weise (d.h. in direkter Weise, mit<br />
den Händen oder mit körperlichen Empfindungen) mit der<br />
L<strong>and</strong>schaft ausein<strong>and</strong>ersetzen. Es sei jedoch angemerkt,<br />
dass eine Validierung der auf diesem Wege erworbenen<br />
Erfahrung auf eine (folgende) L<strong>and</strong>schaftsanalyse noch<br />
nicht empirisch vorgenommen wurde.<br />
32 UNS-Fallstudie '98
------------------------------------- <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />
Analytische Partialbetrachtungen und Systemanalysen<br />
sind ein selbstverständlicher und unabdingbarer Gegenst<strong>and</strong><br />
der naturwissenschaftlich orientierten Umweltwissenschaften.<br />
Als Beispiel sei hier die l<strong>and</strong>schaftsökologische<br />
«Komplexanalyse» genannt, bei der L<strong>and</strong>schaften als kybernetische<br />
Systeme aufgefasst und Regelkreise für das<br />
«Geosystem des l<strong>and</strong>schaftsökologischen St<strong>and</strong>orts» modelliert<br />
werden (Mosimann, 1984, S. 17). Eine besondere<br />
Rolle in der Systemanalyse und in der Erkenntnisgewinnung<br />
spielen natürlich mathematische Modellierungen. Indem ein<br />
«(ver)-einfach-(t)-es» Modell konstruiert wird, gelingt es<br />
häufig, den Blick für wesentliche Prozesse zu schärfen.<br />
Allerdings ist es eine alte und leider häufig vergessenen<br />
Erkenntnis, dass «wissenschaftliche Aussagen und theoretische<br />
Gesetze in relativer Distanz und auf dem Boden der<br />
Erfahrung geh<strong>and</strong>habt werden müssen, und ... dass keine<br />
exakten (quantitativen) Modelle zu gewinnen sind, ohne<br />
dass ihrer Auswahl gewisse qualitative Vorstellungen über<br />
die zu modellierenden Gegebenheiten zugrunde liegen»<br />
(Otte, 1994).<br />
4 Integrale IJrn'WfJ1lrn<br />
wissenschaftliche L<strong>and</strong>schafts<br />
<strong>Region</strong>sforschung<br />
Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien sind so organisiert, dass disziplinäres,<br />
analytisches, natur- und gesellschaftswissenschaftliches<br />
Wissen mit Fallverständnis in eine Synthese gebracht<br />
wird.<br />
Wesentlich für die Organisation einer solchen Synthese<br />
sind die drei Ebenen der Fallstudienarbeit (vgl. Abb. 4.1).<br />
Auf der obersten Ebene steht der Fall, zum Beispiel der<br />
Klettgau in seiner Gesamthaftigkeit, mit seiner Geschichte,<br />
Dynamik und Einzigartigkeit. Eine solche Auffassung entspricht<br />
den oben angeführten Grundsätzen der Geosynergetik.<br />
Ein Erfassen der Gesamthaftigkeit des <strong>Region</strong> oder<br />
L<strong>and</strong>schaft ist sowohl Voraussetzung für die Bestimmung<br />
der Grenzen als auch von Bedeutung für ein Erkennen der<br />
relevanten Aspekte. Die Erkenntnisebene umfasst das Verstehen<br />
und die Empathie. Eine Methode, die unterstützend<br />
zu ihrem Aufbau eingesetzt werden kann, ist das «experientiallearning»,<br />
welches in sogenannten Erfahrungstagen organisiert<br />
werden kann. Das Fallstudienteam soll an diesen<br />
Erfahrungstagen zumindest teilweise einen Seitenwechsel<br />
vollziehen (vgl. Scholz und Tietje, in press). Bei einer<br />
L<strong>and</strong>schaftsentwicklungsstudie können dazu etwa professionelle<br />
Tätigkeiten in l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Betrieben, im<br />
Wasserbau, in Kiesgruben oder beim Strassenbau sinnvoll<br />
sein. Der Fallstudienforscher sammelt bei diesen Tätigkeiten<br />
in unmittelbarer, enaktiver Weise Fallerfahrung. Aber<br />
auch durch die Arbeit in Kindergärten oder Altersheimen<br />
kann auf unmittelbare Art und Weise in Erfahrung gebracht<br />
werden, wie L<strong>and</strong>schaften auf den Menschen wirken.<br />
Auf der mittleren Ebene der Fallstudienarchitektur befinden<br />
sich die Synthesen. Die Synthesen beschäftigen sich mit<br />
den relevanten Facetten des Falls, das heisst der <strong>Region</strong>alentwicklung<br />
im Klettgau. Diese Aspekte werden in Kooperation<br />
mit den Akteuren des Falls bestimmt. Die Erkenntnisebenen<br />
sind hier Verstehen und Begreifen. In aller Regel gibt<br />
es kein vollständiges (analytisch/kausales) Erklärungssystem,<br />
welches die Auswahl der Facetten vollständig und<br />
widerspruchsfrei begründen kann. Die Synthesegruppen der<br />
<strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie Nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung<br />
Klettgau lauteten Siedlung, Mobilität, Wirtschaft und L<strong>and</strong>schaft.<br />
Diese Facetten des Falls wurden vom Vorbereitungsteam<br />
der Fallstudie und von den einbezogenen Haupt-Akteuren<br />
des Falls als wichtigste Aspekte beurteilt. Eine Auswahl<br />
der Aspekte erfolgte unter dem Gesichtspunkt der<br />
nachhaltigen Entwicklung. Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1998<br />
zur <strong>Region</strong>alentwicklung setzt somit stärkere Akzente im<br />
gesellschaftlichen Bereich als ihre Vorläuferstudie <strong>Region</strong><br />
Klettgau Verantwortungsvoller Umgang mit Boden (Scholz<br />
et al. 1998).<br />
Für die Synthesearbeit sind spezielle Methoden entwikkelt<br />
worden, welche die Wissensintegration organisieren<br />
(siehe Scholz und Tietje, in press). Innerhalb dieses Modells<br />
werden im Prozess der Synthesearbeit Schritte der analytischen<br />
Dekomposition (d.h. der Zerlegung des Falls) mit<br />
Schritten der Integration und Synthese verbunden. Wichtig<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
33
<strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />
_<br />
Arbeitsweisen, wie sie in der Theorie, Methodik und<br />
Organisation der Fallstudie umrissen werden, sind in dem<br />
Buch The new production 0/ knowledge (Gibbons et al.<br />
1994) mit Mode 2-Forschung bezeichnet. Dieser Mode soll<br />
die klassische, disziplinäre Forschung (den sog. Mode J)<br />
nicht ablösen, sondern ergänzen. Mode 2-Forschung stellt<br />
einen neuen Typ der Kommunikation und Interaktion zwischen<br />
Theorie und Praxis dar, der sich durch die Problemlagen<br />
der Gesellschaft bestimmt, bei dem Aspekte wie «social<br />
accountability <strong>and</strong> reflexivity» eine grosse Bedeutung bekommen<br />
und bei dem <strong>and</strong>ere Gütekriterien als in der traditionellen<br />
Forschung existieren (Gibbons et al., 1994, S. 8).<br />
4.1 «Mutuallearning» als Strategie für<br />
den Umgang mit l<strong>and</strong>schaft<br />
Abb. 3.J : Die Abbildung präsentiert die sog. Architektur des<br />
Wissens in den <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien. Es werden drei Ebenen<br />
von Erkenntnis unterschieden, das heisst Verstehen,<br />
Begreifen und Erklären (siehe Text).<br />
ist, dass die Arbeit auf der Syntheseebene grundsätzlich<br />
perspektiven- und zielgebunden zu erfolgen hat. Die Zielperspektive<br />
in der Studie zur <strong>Region</strong> Klettgau war dabei die<br />
Nachhaltige Entwicklung. Die übergeordnete Zielsetzung<br />
stellt dabei eine Art «Leitstern» dar, der auch dazu beitragen<br />
soll, die Ergebnisse der verschiedenen Synthesegruppen zu<br />
integrieren.<br />
Schliesslich gibt es die Ebene der disziplinbezogenen und<br />
der themenbezogenen (d.h. disziplinären, wissenschaftlichen)<br />
Daten. Diese wurden in den Teilprojekten erarbeitet,<br />
die von den Synthesegruppen definiert und organisiert wurden.<br />
In den Teilprojekten dominiert die analytische Arbeit<br />
und das Erklären. Wichtig in der Fallstudienarbeit ist, dass<br />
die Bearbeitungstiefe nicht durch «das fachwissenschaftlich<br />
Mögliche», sondern durch «das für die Synthesearbeit Notwendige»<br />
bestimmt wird.<br />
Das skizzierte Vorgehen unterscheidet sich grundsätzlich<br />
von der traditionellen disziplinären (naturwissenschaftlichen)<br />
Arbeit. Erkenntnistheoretisch zeigt die <strong>ETH</strong>-UNS<br />
Fallstudie Ähnlichkeiten mit der Bedeutung beziehungsweise<br />
Rolle der Fallstudie in der Medizin (Sacks, 1990) und<br />
in der «nichtformalistischen» Rechtswissenschaft (vgl.<br />
Muntjewerff, 1994; Scholz, 1995; Scholz und Tietje, in<br />
press).<br />
L<strong>and</strong>schaft ist (trotz der subjektiven Betrachtung und Rekonstruktion)<br />
keine individuelle sondern eine kollektive<br />
Kategorie. Dies betrifft sowohl die Geschichte, die Klassifikation<br />
als auch die zukünftige Entwicklung von L<strong>and</strong>schaft.<br />
Die Klettgaurinne wurde seit der Jungsteinzeit durch<br />
menschliche Aktivitäten geformt (vgl. Fisler 1998). Die<br />
gegenwärtige Nutzung der Tall<strong>and</strong>schaft, die Lage der Siedlungen,<br />
die Verkehrsverbindungen sowie die Innen- und<br />
Aussenbeziehungen der Klettgaurinne sind nicht die Leistung<br />
eines Einzelnen, sondern ein gesellschaftliches Produkt.<br />
Dabei spielen die Einwohner des Klettgau (das «Kollektiv<br />
der Klettgauerinnen und Klettgauer»), ihre Identität,<br />
ihre Erfahrungen und ihre Bedürfnisse eine besondere Rolle.<br />
Sie gelten als Experten für den Fall, das heisst für die<br />
<strong>Region</strong> oder die L<strong>and</strong>schaft Klettgau. Die Mitglieder des<br />
Fallstudienteams (die WissenschafterInnen und die Studierenden)<br />
hingegen, sind als Experten für eine wissenschaftliche<br />
Fall- und Systemanalyse zu betrachten. Mit der Konzeption<br />
des «mutual learning between science <strong>and</strong> society»<br />
werden in der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie Prozesse des Austausches<br />
von zwei Wissens- und Erfahrungssystemen organisiert<br />
(Bösch, in diesem B<strong>and</strong>). In Ergänzung zu traditionellen<br />
wissenschaftlichen Auffassungen, in denen das Wissen<br />
der Wissenschafter in exklusiver Art und Weise für die<br />
L<strong>and</strong>schaftsanalyse ausschlaggebend war, wird in den <strong>ETH</strong><br />
Fallstudien das Wissen der Experten des Falls in mannigfaltiger<br />
und direkter Weise einbezogen. Dies betrifft das Wissen<br />
über die Natur- und Sozialgeschichte (oral history), das<br />
Empfinden der Bevölkerung, sowie ihre Bedürfnisse. Die<br />
Konzeption des «wechselseitigen Lernens» ist dabei auch<br />
als ein direkter Beitrag zur <strong>Region</strong>alentwicklung zu begreifen,<br />
da durch die umweltnaturwissenschaftliche Fallstudie<br />
Prozesse bei den Akteuren des Falls induziert werden, die in<br />
unmittelbarer Weise auf die Entwicklung des Falls wirken.<br />
34<br />
UNS-Fallstudie '98
----- <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />
5 Schlussbetrachtung<br />
Folgerungen<br />
5.1 <strong>Region</strong> und l<strong>and</strong>schaft als<br />
interdisziplinärer Gegenst<strong>and</strong><br />
L<strong>and</strong>schafts- und<strong>Region</strong>alentwicklung greifen weit über die<br />
Naturwissenschaften hinaus. Sie sind prototypische interdisziplinäre<br />
Forschungsgegenstände, die natur- und sozialwissenschaftliches<br />
Wissen integrieren. Dies gilt auch, wenn<br />
wir uns aufdie spezifischen Umweltaspekte von <strong>Region</strong> und<br />
L<strong>and</strong>schaft beschränken. «... G(g)rosse Teile der Geo- und<br />
Biowissenschaften verstehen sich als Umweltwissenschaften»<br />
(Leser, 1984, S. 351) und viele Subdisziplinen der<br />
Geographie, Geologie, Biologie und <strong>and</strong>erer Wissenschaften<br />
leisten wesentliche Beiträge zu einem Verständnis der<br />
Dynamik von <strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft. Aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />
Sicht stellen die Wechselwirkungen des<br />
Menschen mit der belebten und unbelebten Natur den Kerngegenst<strong>and</strong><br />
dar (Frischknecht und Frey, 1999, S. 5).<br />
<strong>Region</strong>al- und L<strong>and</strong>schaftsentwicklung können somit als<br />
typische umweltnaturwissenschaftliche Gegenstände begriffen<br />
werden, in denen biologische, anorganische und<br />
soziale Einflussbereiche in Wechselbeziehung stehen. In<br />
besonderer Weise spiegelt sich diese Wechselbeziehung in<br />
der Forschung zur Kulturl<strong>and</strong>schaft wieder. Dieser Ansatz<br />
versucht, unter Entwicklungsgesichtspunkten die Beurteilung<br />
der Leistungsfähigkeit, der Belastbarkeit und der Nutzbarkeit<br />
von Naturräumen vorzunehmen (vgl. Haase und<br />
Richter, 1983). In der Vergangenheit wurde diesem in den<br />
ehemaligen sozialistischen Ländern stark vertretenen Ansatz<br />
vorgehalten, dass eine zu starke Verengung aufaktuelle<br />
ökonomische Ertragsfunktionen gelegt wird. Die Kulturl<strong>and</strong>schaftsforschung<br />
von heute integriert jedoch nicht nur<br />
historische und ästhetische Aspekte, sondern versucht, die<br />
vielfältigen Ansprüche verschiedener Gruppen an die L<strong>and</strong>schaft<br />
als Prozesskomponente einzubauen. Wir vermuten,<br />
dass dieser Forschung bei dem seit einiger Zeit wahrnehmbaren<br />
Druck aufdie L<strong>and</strong>schaft in Mitteleuropa eine erhöhte<br />
Bedeutung zukommen wird.<br />
5.2 Methodengeleitete<br />
Wissensintegration<br />
Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien zur L<strong>and</strong>schafts- und <strong>Region</strong>alentwicklung<br />
sind als spezifische und besonders geeignete<br />
Anwendungsbeispiele zu betrachten, an denen gezeigt werden<br />
kann, wie Wissensintegration organisiert und methodengestützt<br />
realisiert werden kann. Wir unterscheiden dabei<br />
verschiedene Typen der Wissensintegration. Dazu gehören<br />
die Integration von Wissen aus i) verschiedenen Fachdisziplinen,<br />
ii) Umweltsystemen (zum Beispiel Boden, Wasser<br />
und Luft), iii) Interessens-, beziehungsweise Konstruktionsperspektiven<br />
sowie iv) Typen oder Qualitäten von<br />
Wissen (vgl. Scholz und Tietje, in press). Als Typen von<br />
Wissen sind etwa die komplementären Denkmodi Intuition<br />
und Analysis zu betrachten oder die verschiedenen Erkennt-<br />
nisebenen Verständnis, Begreifen und Erklären. Es ist davon<br />
auszugehen, dass diese Typen von Wissen in verschiedenen<br />
Teilen der Gesellschaft und in den Wissenschaften in unterschiedlicher<br />
Art und Weise verfügbar sind. Die Bewohner<br />
einer L<strong>and</strong>schaft sind gleichermassen wie Wissenschafter<br />
als Systemexperten zu begreifen. Sie verfügen jedoch über<br />
ein qualitativ <strong>and</strong>eres Wissen. Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien<br />
versuchen, beide Wissensgrundlagen zu nutzen. Sie organisieren<br />
nicht nur interdisziplinäre, sondern auch transdisziplinäre<br />
Prozesse des «mutual leaming between science <strong>and</strong><br />
society» (Scholz und Tietje, in press), mit denen <strong>Region</strong>alentwicklung<br />
und L<strong>and</strong>schaftsdynamik verst<strong>and</strong>en und gesteuert<br />
werden können.<br />
5.3 Erhaltung der Komplexität<br />
L<strong>and</strong>schaft und <strong>Region</strong> erfordern eine gesamthafte, integrale<br />
Betrachtung (vgl. Scholz, 1995, S. 43). L<strong>and</strong>schaft ist, in<br />
ähnlicher Weise wie der Gesundheitszust<strong>and</strong> oder der Charakter<br />
eines Menschen, nicht als reines gegenständliches<br />
Produkt, sondern nur im Zusammenspiel zwischen theoretischer,<br />
konzeptioneller Analyse einerseits und zwischen direkt<br />
gegenständlicher Betrachtung und Systemerfahrung<br />
<strong>and</strong>ererseits in angemessener Weise verständlich.<br />
5.4 lebensniihe des Gegenst<strong>and</strong>es<br />
ltu·lror,l"iiOJI"f" verstärktes Mletl1VOclellbewusstsein<br />
Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudien teilen mit der Geographie eine<br />
besondere Schwierigkeit, die sich «aus der Lebensnähe des<br />
Faches» ergibt (1. Schmithüsen, 1976). Es ist deshalb wichtig,<br />
die verschiedenen Erkenntnisebenen der wissenschaftlichen<br />
Tätigkeit in nachvollziehbarer Weise zu unterscheiden.<br />
Dies wird in besonderer Weise in Studien zur L<strong>and</strong>schaftsund<br />
<strong>Region</strong>alentwicklung sichtbar. Es gilt, in nachvollziehbarer<br />
Weise aus ganzheitlicher Perspektive abgeleitete Folgerungen<br />
von qualitativen und quantitativen Ergebnissen zu<br />
unterscheiden.<br />
5.5<br />
Voraussetzung<br />
Eine historische Betrachtung von L<strong>and</strong>schaft ist für eine<br />
umweltnaturwissenschaftliche Analyse undabdingbar (vgl.<br />
Scholz, 1995, S. 43). «Gestalt und Inhalt einer L<strong>and</strong>schaft<br />
sind nicht statisch» (Ewald, 1978, S. 272), sondern laufenden<br />
Veränderungen unterworfen. Was zum Beispiel unter<br />
Wald zu verstehen ist, wo und in welcher Weise Wald, Feld<br />
und Weide getrennt sind, ist einem fortlaufenden W<strong>and</strong>el<br />
unterworfen (Schmithüsen, 1998, S. 37ff.). Wichtig für eine<br />
umfassende <strong>Region</strong>al- und L<strong>and</strong>schaftsanalyse ist die «Rekonstruktion<br />
der Veränderung» des Falls, insbesondere seiner<br />
Krisen und historischen Transformationen. Erst auf die-<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
35
<strong>Region</strong> und L<strong>and</strong>schaft<br />
_<br />
ser Grundlage ist es möglich, Bruchstellen zukünftiger Entwicklung<br />
im voraus zu erkennen.<br />
5.6 Dimensionsübergreifende<br />
fokussierung<br />
Der umweltnaturwissenschaftliche Ansatz ist dimensionsübergreifend.<br />
Gefordert wird, dass Stärken und Schieflagen<br />
der <strong>Region</strong>al- und L<strong>and</strong>schaftsentwicklung und deren Dynamik<br />
aus einem naturwissenschaftlichen Gesamtverständnis<br />
heraus erfasst werden. Dies erfordert eine «dimensionsübergreifende<br />
Fokussierung». Ziel ist es im weiteren Sinne,<br />
Stoff- und Energieflüsse und das bioökologische Potential<br />
unter bestimmten Gesichtspunkten (zum Beispiel der nachhaltigen<br />
Entwicklung) zu optimieren. Dies erfordert ein<br />
Grundverständnis der molekularen und zellulären Grundprozesse,<br />
der biotischen und abiotischen Anforderungen<br />
von organismischen Wesen (Pflanze, Tier und Mensch) auf<br />
der individuellen Ebene, als auch der Dynamik und Interaktionen<br />
auf der Ebene von Populationen, Gesellschaften und<br />
kulturellen Entwicklungsstufen. Aus diesem gesamthaften<br />
Verständnis heraus gilt es, diejenigen Bereiche und Dimensionen<br />
zu fokussieren, die für eine zukünftige Entwicklung<br />
entscheidend sind.<br />
5.7 <strong>Region</strong> und l<strong>and</strong>schaft als<br />
transdisziplinärer Gegenst<strong>and</strong><br />
Eine umweltnaturwissenschaftliche <strong>Region</strong>al- und L<strong>and</strong>schaftsentwicklung<br />
ist<br />
interdisziplinär<br />
erfasst die Wechselwirkungen des Menschen mit seiner<br />
biotischen und abiotischen Umwelt<br />
erhält die Komplexität und Ganzheitlichkeit<br />
akzeptiert die Lebensnähe (Realität) des Gegenst<strong>and</strong>es<br />
umfasst historische Betrachtungen und Rekonstruktionen<br />
organisiert multiple Wissensintegration in methodengeleiteter<br />
Form<br />
fokussiert aus einem gesamthaften Verständnis<br />
Schwachstellen<br />
und organisiert Prozesse des «mutual leaming between<br />
science <strong>and</strong> society»<br />
Die Gesamtheit dieser Eigenschaften definieren eine neue<br />
Form wissenschaftlicher Tätigkeit, die als transdisziplinäre<br />
Forschung (Gibbons et al., 1994; Giovannini, in prep.;<br />
Scholz, Mieg et al. in press) aufzufassen ist.<br />
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UNS-Fallstudie '98
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UNS-Fallstudie '98<br />
37
Autor:<br />
S<strong>and</strong>ro Bösch<br />
unter Mitarbeit von:<br />
jenny Oswald<br />
Inhalt<br />
1. Grundlagen und Zielsetzungen<br />
41<br />
2. Aufbau der UNS Fallstudie 1998<br />
3. Ablauf der UNS Fallstudie 1998<br />
43<br />
51<br />
4. Ausblick und Schlussbemerkungen<br />
54
Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
40 UNS-Fallstudie '98
Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
1<br />
Grundlagen<br />
Zielsetzungen<br />
1.1 Was ist fTH-UNS fallstudie?<br />
Die <strong>ETH</strong>-UNS-Fallstudie ist eine Lehrveranstaltung und<br />
wird von der Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften<br />
der <strong>ETH</strong> Zürich durchgeführt. Sie ist ein<br />
wichtiges Element im Ausbildungsgang der Umweltnaturwissenschaften.<br />
Im achten Semester untersuchen die Studierenden<br />
einen komplexen, realen Fall mit gesellschaftlicher<br />
und ökologischer Bedeutung. Die Studierenden lernen, welche<br />
Folgen menschliche Aktivitäten und Technologien auf<br />
die Umwelt haben und wie sie aufden Menschen zurückwirken.<br />
Ziel der Fallstudie ist es, Orientierungsmuster für ökologische<br />
Problemlösungen zu definieren.<br />
Die Fallstudie ist nicht nur Lehre, sondern auch Forschung:<br />
In einem forschenden Lernen werden sowohl klassische<br />
natur- und sozialwissenschaftliche Methoden angewendet<br />
als auch spezifische Fallstudienmethoden zur Wissensintegration<br />
neu- und weiterentwickelt.<br />
Als drittes wichtiges Element neben Lehre und Forschung<br />
steht die Anwendung ausserhalb der Hochschule. Die Fallstudie<br />
strebt ein gegenseitiges Lernen (mutuallearning) von<br />
Hochschule und Gesellschaft an. Bevölkerung, Wirtschaft<br />
und Behörden sollen mit den Studierenden eine neue Sicht<br />
auf den Fall und Orientierungen für künftiges H<strong>and</strong>eln<br />
entwickeln. Als h<strong>and</strong>festes Resultat der Fallstudie wird ein<br />
Bericht in Buchform veröffentlicht. Prozesse, die beim Bearbeiten<br />
des Falles ins Rollen gebracht werden, sind aber<br />
ebenso wichtige Resultate.<br />
1.2 Die UNS fallstudie als neuer Typ<br />
einer Lehrveranstaltung<br />
Die UNS Fallstudie 1998 «Chancen der <strong>Region</strong> Klettgau»<br />
ist die achte Fallstudie der Abteilung Umweltnaturwissenschaften.<br />
Ihre Organisation basiert im Wesentlichen auf den<br />
Erfahrungen aus den UNS Fallstudien 1994 - 1997 (
Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
1.3 Die UNS fallstudie als jahrgangsübergreifender<br />
Prozess<br />
Abb. 1.2: Der Einbezug der Bevölkerung wurde in der UNS<br />
Fallstudie 1998 erstmals in institutionalisierter Form mit<br />
den sogenannten Begleitgruppen versucht. Dabei wurden<br />
die Konzepte und Vorschläge der Studierenden an mehreren<br />
Sitzungen kritisch diskutiert und durch lokales Wissen und<br />
die Ansprüche der <strong>Region</strong> ergänzt.<br />
1998 st<strong>and</strong>en dabei von Anfang an in enger Zusammenarbeit<br />
mit der Gewässerdirektion Rhein in Waldshut, dem<br />
Kanton Schaffhausen und dem EU-Programm «Interreg II».<br />
Die Organisation und Durchführung der einzelnen Fallstudien<br />
seit 1992 baute jeweils auf den Erfahrungen in den<br />
Vorjahren auf. Mit der Fallstudie 1994 «Perspektive Grosses<br />
Moos» wurde ein Neuanfang gewagt, insbesondere wurde<br />
erstmals die Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften<br />
(UNS) mit der Durchführung der Projektorganisation<br />
beauftragt. Seither konnten wichtige Erfahrungen<br />
gesammelt werden, die nicht nur für Fallstudien von<br />
Bedeutung sind. In den Vorbereitungen zur UNS Fallstudie<br />
1994 wurden die Prinzipien der Fallstudienarbeit intensiv<br />
diskutiert und ausformuliert (vgl. Scholz, 1995b). In der<br />
UNS Fallstudie 1995 war eine Inventarisierung und Beschreibung<br />
fallstudienrelevanter Methoden (vgl. Scholz &<br />
Tietje, 1996) ein wichtiger Best<strong>and</strong>teil der Vorbereitungsarbeit.<br />
Für die 1996er Studie bot sich die Möglichkeit, sozia1psycho1ogische<br />
Experimentalforschung zur Meinungsbildung<br />
in Gruppen (erott & Wemer, 1994) in die Fallstudienarbeit<br />
einzubauen. Mit der UNS Fallstudie 1997 «Klettgau»<br />
war erstmals auch eine inhaltliche Verknüpfung der Fallstudien<br />
zweier Jahrgänge geplant. Im Vordergrund st<strong>and</strong> dabei<br />
der Wunsch nach einer Festigung des Fallstudienprozesses<br />
in der <strong>Region</strong> und einer Vertiefung des Fallverständnisses.<br />
Zusätzlich war zu berücksichtigen, dass die über einjährige<br />
Vorbereitungszeit für eine UNS Fallstudie und die dadurch<br />
Tab. 1.1: Die UNS Fallstudien seit 1994 und ihre Vorläufer im Überblick<br />
Jahr Thema / Fall fragestellung Bemerkungen -l<br />
1991 Naturnaher Birsig Renaturierung eines I Klassische naturwissenschaftliche Best<strong>and</strong>esaufnahme<br />
Fliessgewässers I<br />
I<br />
I<br />
1992 Deponie Riet I Gesamtüberblick über I Aufnahme des Istzust<strong>and</strong>es und zusätzliche Ausarbeitung von I<br />
Winterthur I eine Deponie aufein<strong>and</strong>er abgestimmten Verbesserungsvorschlägen<br />
1993 Umweltstudien Umwelth<strong>and</strong>eln von «Umsetzungsorientierung» durch Bewertung nach Wirksamkeit<br />
Arbon und Aarau Kleinstädten und Machbarkeit der ausgearbeiteten Verbesserungsvorschläge<br />
1994 Perspektive Ökologischer «Neuer» Fallstudientyp mit studentischer Führung, Konzept der<br />
Grosses Moos Ausgleich in der externen «Träger» der Fallstudie, Szenarioanalyse als Fallstudien-<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft Methode, weiterführende Diplomarbeiten<br />
1995 Industrieareal Umnutzung eines Kriterienkatalog zur Themenwahl, Kooperation mit .:."L oc_<br />
Sulzer-Escher I Industrieareals abteilung der <strong>ETH</strong>, Kuratorium als unterstützendes Element,<br />
Wyss verbesserte Wissenschaftlichkeit durch definierte Methoden<br />
1996 Zentrum Zürich Nachhaltige Medien- und Kommunikationskonzept, Modularisierung der<br />
Nord Stadtentwicklung Synthesegruppen, Integration sozialwissenschaftlicher Forschung,<br />
Prozess des gemeinsamen Lernens von Hochschule und<br />
Fall wird reaktiviert, Förderung der Kooperation der verschiedenen<br />
Träger des Falls<br />
1997 <strong>Region</strong><br />
I<br />
Klettgau Verantwortungsvoller Zweijährigkeit, Einbezug möglichst aller Studierenden in die<br />
Umgang mit Boden Vorbereitung, Grenzüberschreitung, Kooperation mit Kultur- und<br />
Forstingenieuren der <strong>ETH</strong> und dem EU-Programm Interreg 11<br />
1998 , Chancen der Nachhaltige Aufbauend auf den Arbeiten der Fallstudie 1997,<br />
I <strong>Region</strong> Klettgau <strong>Region</strong>alentwicklung Neues Informationsmanagement (Infoblatt und Intranet),<br />
Einbezug der Bevölkerung mit Begleitgruppen<br />
I<br />
42 UNS-Fallstudie '98
_________________________________ Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
bedingte zeitweise gleichzeitige Ausein<strong>and</strong>ersetzung mit<br />
mehr als einem Fall und verschiedenen regionalen und<br />
thematischen Trägem zu einer organisatorischen Überbeanspruchung<br />
des Fallstudienbüros (siehe Teil 2 Aufbau der<br />
UNS Fallstudie) führte.<br />
Mitentscheidend für eine erfolgreiche zweijährige UNS<br />
Fallstudie ist der Einbezug des nachfolgenden Jahrgangs der<br />
Studierenden bereits zu Beginn der Planung und während<br />
der ganzen Dauer des ersten Fallstudienjahres. So arbeiteten<br />
in der Fallstudienkommission der UNS Fallstudie 1997<br />
Studierende des nachfolgenden Jahrgangs von Anfang mit.<br />
2 1<br />
2. 1 Die organisatorische Grundstruktur<br />
Die UNS Fallstudie kann im Sinne des klassischen Projektmanagements<br />
als Pionierprojekt (Witschi, 1996) bezeichnet<br />
werden. Sie unterscheidet sich von traditionellen Projektund<br />
Ausbildungsformen insbesondere durch das Prinzip der<br />
Wissensintegration (Synthese). Alles Wissen, das für einen<br />
bestimmten Fall relevant ist, soll zu einem Gesamtbild<br />
zusammengeführt werden. Ziel ist ein «ganzheitliches»<br />
Fallverständnis. Alle Personen und Gruppierungen, die in<br />
den Fall involviert sind, sollen von dem neuen, gesamthaften<br />
Fallverständnis profitieren können.<br />
Voraussetzung für eine erfolgreiche Synthese ist die grosse<br />
Zahl der Beteiligten aus verschiedenen Bereichen. In der<br />
UNS Fallstudie 1998 arbeiteten 76 Studierende, betreut von<br />
22 Tutorinnen und Tutoren (Wissenschafterinnen und Wissenschafter<br />
aus Hochschule und Praxis) und dem Fallstudienbüro.<br />
Zusammen mit Institutionen und Entscheidungsträgem<br />
aus der <strong>Region</strong> Klettgau waren an der UNS Fallstudie<br />
1998 um 200 Personen beteiligt.<br />
Abb. 2.1: Organigramm der UNS Fallstudie 1998 «<strong>Region</strong><br />
Klettgau». Die Gesamtleitung der UNS Fallstudie liegt in<br />
den Händen der Fallstudienkommission, die in der Mehrheit<br />
aus Studierenden besteht. Professor Rol<strong>and</strong> W Schotz als<br />
verantwortlicher Hochschullehrer und das UNS-Fallstudienbüro<br />
unterstützen das Projektmanagement. Das Fallstudienkuratorium<br />
sichert die «Schnittstelle» zu den externen<br />
Trägern der Fallstudie. Aufder Ebene der Projektbearbeiter<br />
(der Studierenden) wurden in der UNS Fallstudie 1998<br />
erstmals die Begleitgruppen eingefÜhrt.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
43
Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
Der «Kopf» der Fallstudie - die Fallstudienkommission<br />
Als leitendes Gremium der UNS Fallstudie setzt sich die<br />
Kommission aus etwa 20 Personen zusammen. Die Mehrheit<br />
der Mitglieder sind studentische Vertreterinnen und<br />
Vertreter, ergänzt durch das Fallstudienbüro und Tutorierendeo<br />
Die Zusammensetzung der Kommission kann sich bezüglich<br />
der Studierenden im Verlauf der UNS Fallstudie<br />
ändern (siehe auch Teil 3. Ablaufder UNS Fallstudie). Der<br />
Kommission sind vom verantwortlichen Hochschullehrer<br />
der Fallstudie alle Entscheidungen bis auf die Bereiche<br />
Personal, Finanzen und Testierung der studentischen Leistungen<br />
- übertragen worden.<br />
Die Administration - das Fallstudienbüro<br />
Als Exekutivorgan der Fallstudienkommission ist das Fallstudienbüro<br />
sowohl mit langjährig angestellten Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern als auch mit temporären Projektassistierenden<br />
und studentischen Hilfskräften ausgerüstet. Neben<br />
seiner Funktion als Sekretariat für die UNS Fallstudie<br />
ist es auch die zentrale Schnittstelle zwischen den verschiedenen<br />
beteiligten Personen und Institutionen (siehe auch<br />
Abb. 2.2). Es stellt in Zusammenarbeit mit der Fallstudienkommission<br />
auch die jeweiligen Tutorenteams zusammen<br />
und betreut diese während der Fallstudienzeit.<br />
Das Fallstudienbüro ist immer auch Best<strong>and</strong>teil der Fallstudienkommission<br />
und damit an der inhaltlichen Vorbereitung<br />
der UNS Fallstudien beteiligt. Die Projektplanung und<br />
-koodination läuft zum grössten Teil über das Fallstudienbüro.<br />
Die Lehrenden - die Tutorinnen und Tutoren<br />
Die Tutorinnen und Tutoren sind Wissenschafter aus Praxis<br />
und Forschung mit meist mehrjähriger Berufserfahrung. Sie<br />
unterstützen die Studierenden fachlich und didaktisch in der<br />
Fallstudienarbeit. An der UNS Fallstudie 1998 waren insgesamt<br />
5 Tutorinnen und 17 Tutoren beteiligt.<br />
Der Informationsaustausch - die Infogruppe<br />
Für den Austausch von Informationen unter den Studierenden,<br />
aber auch für die Information von Bevölkerung, Ämtern,<br />
Betrieben und <strong>and</strong>eren Interessierten war eine Gruppe<br />
von 5 Studierenden verantwortlich. Diese sogenannte Infogruppe<br />
wurde durch 2 Tutorierende betreut. Ihre Mitglieder<br />
verfassten Artikel für Lokalzeitungen, publizierten und verteilten<br />
vier Informatiosbroschüren zur UNS-Fallstudie, organisierten<br />
Anlässe im Rahmen der Fallstudie (Pressekonferenzen,<br />
Mobilitätskarawane, Fussballspiel mit anschliessendem<br />
Fest) und unterhielten ein internes Computer-Informationssystem<br />
mit Online-Magazin (
_________________________________ Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
nerhalb und ausserhalb der <strong>ETH</strong>. Die Zusammenarbeit erfolgt<br />
in erster Linie über Tutorate und Vorträge sowie Diplomarbeiten,<br />
die an die Fallstudie anschliessen. In der UNS<br />
Fallstudie 1998 wurden mehrere Kulturingenieur-Studierende<br />
im Rahmen von Semesterarbeiten in die Untersuchungen<br />
eingebunden.<br />
Der Einbezug der Klettgauer Bevölkerungdie<br />
Begleitgruppen<br />
In der UNS Fallstudie 1997 war mit den sogenannten<br />
«Stammtischen» erstmals versucht worden, die Bevölkerung<br />
und ihre Meinungen direkt in die Fallstudienarbeit<br />
einzubeziehen (Bösch, 1998). Um eine konstantere Zusammenarbeit<br />
zu gewährleisten, wurde die Idee in der UNS<br />
Fallstudie mit der Bildung von sogenannten «Begleitgruppen»<br />
weiterentwickelt: Jede Synthesegruppe suchte sich<br />
8-15 interessierte Personen aus der <strong>Region</strong>, die bereit waren,<br />
während insgesamt 3-4 Sitzungen die Fallstudienarbeit<br />
zu begleiten und die Zielsetzungen der einzelen Synthesegruppen<br />
kritisch zu begutachten und zu ergänzen.<br />
Abb. 2.2: Im Verlauf der UNS Fallstudie erstellte die Infogruppe<br />
unter <strong>and</strong>erem auch vier Ausgaben des «lnfoblattes».<br />
Die Infoblätter waren vor allem als Medium gegen<br />
aussen gedacht und brachten neben Berichten zu Zielen,<br />
Ereignissen und Resultaten der Fallstudie '98 auch allgemeine<br />
Informationen zur UNS Fallstudie.<br />
2.4.). Mit diesem relativ breiten Spektrum an Aktivitäten im<br />
Bereich Information und Öffentlichkeitsarbeit leistete die<br />
Infogruppe einen wichtigen Beitrag zur Verankerung der<br />
Fallstudie in der <strong>Region</strong>.<br />
In der fallstudieninternen Organisation löste die Infogruppe<br />
mit einem neuen Konzept die bisherige Mediengruppe<br />
ab, welche in den vorangehenden Jahren jeweils eine eigene<br />
«Fallstudienzeitung» zur Information der <strong>Region</strong> und der<br />
Studierenden herausgegeben hatte. Die wichtigsten Unterschiede<br />
zwischen den zwei Konzepten und ihre Auswirkungen<br />
sind in der Tabelle 2.1 zusammengestellt.<br />
Die regionale Beratung - das FaHstudienkuratorium<br />
Das Fallstudienkuratorium soll die Zielsetzungen der UNS<br />
Fallstudie kritisch beurteilen und zusätzliche Vorschläge<br />
und Impulse einbringen. In der UNS Fallstudie 1998 setzte<br />
es sich aus 11 regionalen und übenegionalen Vertretern aus<br />
Politik und Gewerbe zusammen. Dadurch, dass diese Personen<br />
die Zielsetzungen der UNS Fallstudie mittragen und die<br />
Kooperation mit der <strong>Region</strong> unterstützen, zählen sie zu den<br />
Trägern der UNS Fallstudie. Als Entscheidungsträger aus<br />
der <strong>Region</strong> haben sie häufig auch eine Art von «Türöffner»<br />
Funktion im Zusammenhang mit Informations- und Finanzmittelbeschaffung.<br />
Die Kooperation mit <strong>and</strong>eren Instituten und<br />
Hochschulen<br />
Die Fallstudie steht im Austausch mit den verschiedenen<br />
Instituten und Professuren der Abteilung für Umweltnaturwissenschaften<br />
und <strong>and</strong>eren Forschungseinrichtungen in-<br />
Das <strong>and</strong>ere Grossprojekt im Klettgal.l <br />
das EU Programm Interreg H<br />
Bei den sogenannten Interreg-Programmen der Europäischen<br />
Union (EU) h<strong>and</strong>elt es sich um Förderungsprojekte in<br />
Europäischen R<strong>and</strong>- und Grenzregionen. In der UNS Fallstudie<br />
1997 erfolgte eine Zusammenarbeit mit dem Interreg<br />
II Programm «Klettgaurinne» (Scholz et al., 1998). Da die<br />
Thematik der UNS Fallstudie 1998 nicht mehr mit dem<br />
Interreg II Programm verknüpft war, beschränkte sich die<br />
Zusammenarbeit auf die Projektleitungsebene von Interreg<br />
II (Einsitz von Fallstudienvetretern) und das Kuratorium der<br />
UNS Fallstudie (Einsitz von Interreg lI-Vertretern).<br />
2.2 Die Organisation der Schnittstellen<br />
Ökologische Problemlösung erfordert Daten und Wissen<br />
aus verschiedenen Bereichen. Die postulierte Interdisziplinarität,<br />
die Mitwirkung eines ganzen Jahrgangs von Studierenden<br />
und die Kooperation mit den unterschiedlichen Trägern<br />
führt dazu, dass in der UNS Fallstudie sehr viele<br />
Personen gleichzeitig beschäftigt sind. Abbildung 2.2 zeigt<br />
in einer vereinfachten Übersicht die verschiedenen Schnittstellen.<br />
Nicht berücksichtigt sind dabei die ebenfalls vorh<strong>and</strong>enen<br />
Schnittstellen innerhalb der einzelnen Gruppen. Allgemeine<br />
Erfahrungen mit Projektmanagement zeigen, dass<br />
jede zusätzliche Schnittstelle die Abstimmung und die Koordination<br />
eines Systems erschweren. Eine der Regeln im<br />
Projektmanagement verlangt deshalb die Minimierung der<br />
Schnittstellen (vgl. Daenzer & Huber, 1994).<br />
Für die Organisation der Schnittstellen zwischen den vielen<br />
Gruppen von Beteiligten in einer UNS Fallstudie gibt es<br />
keine Patentrezepte; jede Schnittstelle bedarf ihrer eigenen<br />
Beachtung. Wenn immer möglich wird versucht, bestehende<br />
Verbindungen von Beteiligten, wie beispielsweise die Beziehungen<br />
der Tutorinnen und Tutoren zu ihren Instituten,<br />
auszunützen (vgl. Scholz et al., 1997). Häufig ist das Fallstudienbüro<br />
auch damit beschäftigt, die Belastungen zu<br />
steuern, denen die Kooperationspartner (z.B. die Gewäs-<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
45
Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
Staatliche Institutionen<br />
Universität<br />
Saarbrücken<br />
Forschungsinstitute<br />
"----------- Gesellschaft --'1<br />
Abb. 2.3: Die Schnittstellen in der UNS Fallstudie 1998 in<br />
einer Übersicht. Zusätzlich vorh<strong>and</strong>ene Schnittstellen innerhalb<br />
der einzelnen Gruppen (z.B. bestehende Kooperationen<br />
in der <strong>Region</strong>) sind nicht berücksichtigt.<br />
serdirektion Rhein) durch Untersuchungen und Befragungen<br />
der studentischen Projektgruppen ausgesetzt sind.<br />
Mit zunehmender Anzahl Schnittstellen können Aufgaben<br />
über organisatorische Grenzen hinweg verteilt werden<br />
und interne Hierarchien verflachen (vgl. Ulich, 1992,<br />
McGrath, 1976). Gleichzeitig darf aber nicht vergessen<br />
werden, dass mit zunehmender Anzahl von Schnittstellen<br />
der Anteil an Kommunikation am Gesamtaufw<strong>and</strong> ansteigt.<br />
In der UNS Fallstudie 1998 wurde versucht, möglichst viele<br />
Kontakte nicht mehr über das Fallstudienbüro, sondern direkt<br />
durch die Arbeitsgruppen abzuwickeln. Eine gewisse<br />
Koordination sollte über die Kontaktdatenbank im Intranet<br />
erfolgen (siehe auch Organisationsinstrumente und Infrastruktur).<br />
2.3 Modularisierung Synthese<br />
Die Wissensintegration (Synthese) als Ziel der UNS Fallstudie<br />
wird immerunter Berücksichtigung der Ganzheitlichkeit<br />
des Falls angestrebt. Wie Abbildung 2.3 zeigt, steht die<br />
<strong>Region</strong> Klettgau - mit ihrer Geschichte, Dynamik und Einzigartigkeit<br />
- als Fall stets zuoberst in der Hierarchie der<br />
Betrachtungsebenen.<br />
Durch eine Modularisierung des Themas kann die Komplexität<br />
des Falls reduziert und überschaubarer gemacht<br />
werden (Mieg, Scholz & Stünzi, 1996). Dafür- und dies ist<br />
wichtig bei der UNS Fallstudie - soll die Gruppengrösse für<br />
eine sinnvolle Gruppenarbeit bei maximal 20 Personen liegen<br />
(siehe auch Daenzer & Huber, 1994). Nachdem sich die<br />
Modularisierung in den UNS Fallstudien 1996 und 1997<br />
Abb. 2.4: Die drei Ebenen der UNS Fallstudie 1998. Ziel der<br />
Arbeit ist die Synthese, d.h. die Wissensintegration unter<br />
Berücksichtigung der Ganzheitlichkeit des Falls. Hauptelementfür<br />
die Projektarbeit sind die Synthesegruppen, die den<br />
verantwortungsvollen Umgang mit Boden in der <strong>Region</strong><br />
Klettgau unter spezifischen Fragestellungen beh<strong>and</strong>eln. Detailfragen<br />
und die Organisation von Daten und Fachwissen<br />
werden in den Teilprojekten (hier am Beispiel der Synthesegruppe<br />
Wirtschaft) bearbeitet.<br />
bewährt hatte, wurden 1998 vier Synthesegruppen (
Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
Synthesegruppen sind ein wichtiges organisatorisches<br />
und didaktisches Element der UNS Fallstudie. Jede Synthesegruppe<br />
erarbeitet sich ihre Zielsetzungen - unter Berücksichtigung<br />
der ganzheitlichen Fallbetrachtung und dem<br />
Leitstern der nachhaltigen <strong>Region</strong>alentwicklung - selbst.<br />
Mit der Arbeit in Synthesegruppen werden Bedingungen<br />
geschaffen, wie sie vermehrt auch bei Planungs- und Entscheidungsgremien<br />
im öffentlichen Raum und in grossen<br />
Unternehmen vorkommen (z.B. bei der <strong>Region</strong>alplanung,<br />
«Energietischen», etc.): Eine solche Gruppe setzt sich aus<br />
etwa 20 Teilnehmern verschiedener Interessenverbände mit<br />
gemeinsamem Sachbezug zusammen. Sie muss sich ihre<br />
konkrete Zielsetzung selber formulieren. Zur Organisation<br />
von spezifischen Daten und von Fachwissen teilen sich die<br />
Synthesegruppen in Teilprojektgruppen mit 4-9 Studierenden<br />
auf.<br />
Zur Erarbeitung ihrer Ziele brauchtjede Synthesegruppen<br />
Synthesemethoden. Sie sollen die Wissensintegration, die<br />
Wiederholbarkeit und Verfügbarkeit der Arbeitsergebnisse<br />
(Syntheseleistung) garantieren.<br />
Es sind nur wenige starke Methoden zur Wissensintegration<br />
bekannt bzw. praxistauglich. Deswegen beschäftigen<br />
sich die UNS Fallstudien auch mit der Weiter- und Neuentwicklung<br />
von Synthesemethoden. Die wichtigsten Methoden,<br />
die sich in den bisherigen UNS Fallstudien bewährt<br />
haben, sind (Scholz & Tietje, 1996):<br />
Szenarioanalyse<br />
multikriterielle Bewertungsmodelle<br />
Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen<br />
Ökobilanzierung<br />
System Dynamics<br />
Synthese-Moderation<br />
Eine gute Fallstudienmethode verbindet:<br />
'i<br />
~<br />
i<br />
verschiedene sozial- und natura.<br />
"01 wissenschaftliche Disziplinen.<br />
ß i Sie ist interdisziplinär.<br />
verschiedene Systeme wie Wasser,<br />
Boden, Luft, Biospäre, etc.<br />
Sie ist ganzheitlich.<br />
verschiedene Wissenstypen, wie z.B. das<br />
Erfahrungswissen eines Angestellten mit<br />
dem Expertenwissen eines Professors.<br />
Sie ist sozial integrierend.<br />
verschiedene menschliche<br />
interessengruppen.<br />
Sie ist vermittelnd.<br />
Fallstudienmethoden<br />
Die vier Integrationsebenen<br />
~ji S~e~ Wissen Interessen Synthesegruppen, in<br />
a. ß. Y l~I~I~<br />
denen die Methode<br />
eingesetzt wurde<br />
Mobiliät<br />
Formative<br />
XX X X Wirtschaft<br />
Szenarioanalyse<br />
Siedlung<br />
_._------. --C---' ...<br />
Raum-Nutzungs-<br />
Verh<strong>and</strong>lung (einseh!. X X XX Naturraum<br />
Explorationsparcour)<br />
_._______m<br />
... .._-------<br />
Ökobilanz X XX<br />
----.<br />
Multiattributive<br />
Entscheidungstheorie<br />
ModelIierung<br />
(System Dynamics)<br />
X X X Naturraum<br />
XX<br />
I<br />
Stoffflussanalyse I XX Mobilität<br />
I<br />
Risikoh<strong>and</strong>lungsmodell X X I<br />
Systems Engineering<br />
Ideenwerkstatt<br />
Zukunftswerkstatt<br />
Synthese-Moderation<br />
I<br />
X<br />
XX X Siedlung<br />
X<br />
X<br />
Abb. 2.6: Die Synthesemethoden<br />
haben<br />
ihre Stärken in unterschiedlichen<br />
Anwendungsbereichen.<br />
Xbedeutet<br />
geeignet, XX<br />
sehr geeignet. Eine<br />
gute Fallstudienmethode<br />
verbindet mehrere<br />
Integrationsebenen:<br />
Disziplinen, Systeme,<br />
Wissen und Interessen<br />
(nach Scholz<br />
& Tietje, 1998). In der<br />
letzten Spalte sind die<br />
Synthesegruppen der<br />
UNS Fallstudie 1997<br />
aufgelistet, in denen<br />
die entsprechenden<br />
Methoden eingesetzt<br />
wurden.<br />
UNS-Fallstudie '98 47
Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
2.4 Organisationsinstrumente<br />
Infrastruktur<br />
Die Projektorganisation der UNS Fallstudie hat sich seit<br />
1994 laufend weiterentwickelt. Verschiedene Organisationsinstrumente<br />
wie beispielsweise Tutorate oder Gemeinschaftsfunktionen<br />
(siehe unten) haben sich in der Fallstudie<br />
bewährt. Die Mittel zur Kommunikation und zum Schnittstellen-Management<br />
wurden im Bericht zur UNS Fallstudie<br />
1996 detailliert beschrieben (Scholz et al., 1997).<br />
Selbstorganisation der Gruppen<br />
Die Arbeitsteams (Synthese- und Teilprojektgruppen) in der<br />
UNS Fallstudie sollen - im Rahmen ihres Syntheseauftrages<br />
- möglichst selbständig arbeiten. Es ist nicht vorgesehen,<br />
dass die Tutorinnen und Tutoren als Projektleiter tätig werden,<br />
sie sollen die Verantwortung soweit wie möglich an die<br />
Studierenden abgeben. Hierzu wurde in der Fallstudie 1995<br />
das «2-Phasen-Schwungradmodell» propagiert (vgl. auch<br />
Mieg et al., 1997): Die Tutorierenden sollen den Gruppenprozess<br />
in Gang bringen (Phase 1) und sich dann auf ihre<br />
Beraterfunktion zurückziehen (Phase 2).<br />
In Projekten wie der UNS-Fallstudie, in denen so unterschiedliche<br />
Projektpartner (Träger der Fallstudie) beteiligt<br />
sind, gewinnt die Prozesskontrolle (Projekt-Prozess-Steuerung)<br />
gegenüber der Projektplanung an Bedeutung (Wischnewski,<br />
1993). Um den Gruppenprozess und die eigentliche<br />
Fallstudienarbeit selbständig durchführen zu können,<br />
braucht es klare Funktionsaufteilungen: Auch in der UNS<br />
Fallstudie 1998 wurden einzelne Studierende mit speziellen<br />
Aufgaben und Kompetenzen versehen (seihe Tab. 2.2).<br />
Zeitplanung<br />
Ein für alle einsehbarer und verbindlicher Zeitplan ist für<br />
Grossprojekte wie die UNS Fallstudie von zentraler Bedeutung:<br />
Er hilft auf einfache Weise, die Projektorganisation zu<br />
steuern und trägt zusätzlich zur Kommunikation bei. Die<br />
Zeit als knappe Ressource verlangt nach einem zielorientierten<br />
Projektmanagement. Mit Hilfe des Zeitplans kann die<br />
Realisierbarkeit des Ziels vom Endpunkt her rückblickend<br />
überprüft werden.<br />
Evaluation<br />
Jede UNS Fallstudie wird durch eine Befragung der Studierenden<br />
zu Beginn, in der Mitte (seit der UNS Fallstudie<br />
1996) und am Schluss umfänglich evaluiert. Diese Befragungen<br />
liefern ein Bild von der studentischen Wahrnehmung<br />
der UNS Fallstudie und sind Indikatoren für die<br />
Qualität der Projektorganisation.<br />
Daneben soll auch die Arbeit der Studierenden bewertet<br />
werden. Angaben der Tutorierenden zu den einzelnen Studierenden<br />
ermöglichen es, eine Art Arheitszeugnis für jeden<br />
Studierenden zu erstellen. Die in der UNS Fallstudie 1997<br />
erstmals eingesetzten formativen Tests zur Messung von<br />
Systembezug und Fallverständnis der einzelnen Studierenden<br />
haben sich nicht im erwarteten Umfang bewährt (Böseh,<br />
1998).<br />
Räumlichkeiten<br />
Einer der Leitgedanken der UNS Fallstudie ist die Verankerung<br />
in der <strong>Region</strong>, mit der sie sich ausein<strong>and</strong>ersetzt. Von<br />
den Arbeitsgruppen wurde eine regelmässige Anwesenheit<br />
im Klettgau gefordert, um die <strong>Region</strong> nicht bloss aus der<br />
Distanz zu «begutachten». Diese Anwesenheit bedingte ne-<br />
Tah. 2.2: Die Spezialfunktionen in der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1998. Ein erfolgreicher Projektahlaufverlangt nach gewissen<br />
minimalen Strukturelementen, die einzelnen Verantwortlichen zugewiesen werden können.<br />
funktion<br />
Mitglied der<br />
Fallstudienkommission<br />
Aufgaben und Anforderungen<br />
Die Fallstudienkommission ist die Leitung der UNS Fallstudie. Die Kommission fällt alle die<br />
Gesamtfallstudie betreffenden Entscheide (ausser Finanzen, Bewertung und Anstellungen). Sie<br />
überwacht und koordiniert den ..<br />
Logistik<br />
Finanzverantwortung und Schlüsselverwaltung der Synthesegruppe.<br />
Raum- und Transportorganisation.<br />
Kontakt- und<br />
Nachführung der Kontaktedatenbank der Synthesegruppe.<br />
,<br />
Terminplanung<br />
Nachführen des Synthesegruppen-Zeitplans mit wichtigen Terminen, Anlässen und «Meilensteinen».<br />
I<br />
Dokumentation Übersicht und Kontrolle über die in der Synthesegruppe verwendete Literatur und Karten- I<br />
materialien.<br />
I<br />
Koordination und Kontrolle des Gruppenzugangs zur UNS-Bibliothek<br />
Berichte-<br />
Verfolgen und Aufzeichnen der inhaltlichen Abläufe in der Synthesegruppe.<br />
Verantwortung<br />
Übernahme von Zeitmanagement und Koordination der Berichterstellung gegen Ende der<br />
Projektarbeit (Erstellen Inhaltsverzeichnis und Einforderung der Teilberichte).<br />
Netz- und<br />
EDV-Verantwortung<br />
Spezialkenntnisse zur Netz- und Serverstruktur in der UNS-Fallstudie.<br />
Für die einzelnen Synthesegruppenmitglieder sind die verantwortlichen Personen auch erste<br />
Ansprechpartner bei Fragen zu Programmen und Problemen und sind Verbindung zum EDV<br />
Team des Fallstudienbüros.<br />
48 UNS-Fallstudie '98
Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
ben den Räumlichkeiten an der <strong>ETH</strong> Zürich auch eine<br />
Einrichtung von Arbeitsplätzen im Klettgau. Zu diesem<br />
Zweck wurden in Weisweil von der Gemeinde Klettgau<br />
Büroräumlichkeiten im ehemaligen Gemeindehaus gemietet.<br />
EDV<br />
In der UNS Fallstudie arbeitet eine grosse Anzahl Beteiligter<br />
- räumlich verteilt - am gleichen Fall und teilweise auch<br />
an den gleichen Fragestellungen. In diesem Zusammenhang<br />
hat sich der Einsatz von EDV als Kommunikationsmittel<br />
bewährt (Scholz et al., 1998). Die Hauptziele des Computereinsatzes<br />
in der Fallstudie sind dabei das Schaffen von<br />
Transparenz, das Erzeugen eines kollektiven Fallverständnisses<br />
und das Erstellen eines Ordnungssystems: Alle Arbeitsgruppen<br />
haben die Möglichkeit, jederzeitalle Daten der<br />
<strong>and</strong>eren Arbeitsgruppen einzusehen; die Grundstruktur der<br />
einzelnen Ablagesysteme ist dabei identisch.<br />
Konkret stehen an den verschiedenen St<strong>and</strong>orten mitein<strong>and</strong>er<br />
vernetzte Computer zur Verfügung. Die Daten sind auf<br />
einem zentralen File Server an der <strong>ETH</strong> Zürich gespeichert<br />
(vgl. Abb. 2.7). Die auf den verschiedenen Servern und<br />
Rechnern gelagerten Dokumente werden im Sinne eines<br />
Datenabgleichs jeweils automatisch auf den aktuellsten<br />
St<strong>and</strong> gebracht (Heller et al., 1997)<br />
Die Fallstudien-interne Kommunikation erfolgt seit Beginn<br />
der UNS Fallstudien zu einem grossen Teil via E-mail.<br />
Mit zunehmendem Zugang zum Internet von Institutionen<br />
und Personen ausserhalb der Hochschule hat die elektronische<br />
Post im Rahmen der UNS Fallstudie 1998 noch grössere<br />
Bedeutung bekommen.<br />
Intranet<br />
In der Fallstudie 1998 kam erstmals ein «Intranet» für den<br />
Austausch interner Information und die Verwaltung interner<br />
Daten zur Anwendung. Es h<strong>and</strong>elt sich dabei um eine<br />
UNIX-Datenbank, aufweIche von (durch Passwort) autorisierten<br />
Benutzerinnen und Benutzern via World Wide Web<br />
(WWW) zugegriffen werden kann. Als Benutzeroberfläche<br />
dient ein WWW-Browser(z.B. Netscape).<br />
Der Begriff Intranet wird normalerweise für ein Gefüge<br />
von Web-Seiten benutzt, welche auf einem Rechner abgelegt<br />
sind, der keinen Anschluss an das WWW besitzt. Ein<br />
echtes Intranet kommt beispielsweise in Firmen zum Einsatz,<br />
wo sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter per<br />
Netzwerk an einen Zentralcomputer angeschlossen sind. Da<br />
dieser keine direkte Verbindung mit dem WWW besitzt,<br />
sind die Daten vor externem Zugriff geschützt.<br />
In der Fallstudie st<strong>and</strong>en wir vor der Situation, dass sensible<br />
Daten zwar nicht allgemein zugänglich, aber doch von<br />
extern (zum Beispiel von interessierten Personen im Klettgau<br />
oder von den Fallstudienarbeitsräumen im Klettgau aus)<br />
abrufbar sein sollten. Als Lösung wurde ein durch Passwort<br />
gesicherter Internetbereich gewählt, welcher also eher den<br />
Charakter eines firmen- resp. projekteigenen Netzes trägt<br />
und deshalb «Intranet» genannt wurde.<br />
Das Fallstudien-Intranet umfasst verschiedene Bereiche:<br />
In der Benutzerverwaltung sind die Personendaten der<br />
Zugriffsberechtigten verzeichnet. Jede Person kann ihren<br />
eigenen Datensatz verändern und so Adressmutationen eingeben<br />
oder das Passwort für den Intranetzugang ändern.<br />
In einem Terminkalender sind alle wichtigen Veranstaltungen<br />
verzeichnet. Zu jeder Veranstaltung können Informationen<br />
über Zeit, Ort, Referierende und Inhalt abgerufen<br />
werden. Zudem ist bei jeder Veranstaltung angegeben, für<br />
wen der Besuch obligatorisch oder empfohlen ist. Jeder<br />
UNS Fallstudienbüro<br />
Weisweil (0)<br />
Computerarbeitsplätze<br />
Filiale Fallstudienbüro<br />
Sekretari<br />
Professur UNS<br />
Hochstrasse<br />
Fallstudien-<br />
Professor<br />
UNS Fallstudienbüro<br />
Voltastrasse<br />
Computerarbeitspiätze<br />
CAD/GIS Raum<br />
Fallstudienbüro<br />
Bibliothek UNS<br />
Computerarbeitsplätze<br />
Computerarbeitsraum<br />
<strong>ETH</strong> Hauptgebäude<br />
Tutorinnen<br />
und Tutoren<br />
Abb. 2.7: Ein für die UNS Fallstudie sinnvoller<br />
EDV-Einsatz bedingt eine Vernetzung<br />
der einzelnen Rechner und eine zentrale<br />
Datenverwaltung. Der UNS File<br />
Server «Zaky» istdas Herz der Anlage, auf<br />
ihm sind alle fallstudienrelevanten Daten<br />
gespeichert. Der Zugriff erfolgt via <strong>ETH</strong>internes<br />
Netz (in Zürich), resp. via Modem<br />
(im Klettgau).<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
49
Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
Intranet-Berechtigte kann selbständig neue Veranstaltungen<br />
und Tennine eingeben. Dies soll dazu beitragen, dass auch<br />
interessante Referate in <strong>and</strong>eren als der eigenen Synthesegruppe<br />
besucht und so Synergien genutzt werden.<br />
In der Kontaktdatenbank sind Angaben zu allen Personen<br />
gespeichert, welche im Laufe der Fallstudienarbeit kontaktiert<br />
worden sind. Neben den Personendaten (Name, Adresse,<br />
Telefonnummer, Erreichbarkeit, Beruf etc.) sind zu jedem<br />
einzelnen Kontakt die wichtigsten Infonnationen vermerkt<br />
(Datum, Art des Kontaktes (Brief, Telefon), getroffene<br />
Abmachungen, ausgetauschte Infos). Dadurch werden<br />
doppelte Anfragen von verschiedenen Personen aus der<br />
Fallstudie weitgehend vennieden.<br />
Weiter besteht im Intranet eine Mitfahrzentrale, in der<br />
freie Plätze in Bussen oder Personenwagen nach dem Klettgau<br />
angemeldet und «gebucht» werden können.<br />
Neben diesen administrativen Bereichen findet sich im<br />
Intranet ein Online-Magazin mit aktuellen Artikeln zur Fallstudie<br />
und einem Leser!nnenforum. Dieses Online-Magazin<br />
übernimmt für die Studierenden die Funktion der bisherigen<br />
Fallstudienzeitung - allerdings mit dem Unterschied, dass<br />
die Infonnationen intern bleiben und sich nicht gleichzeitig<br />
noch an weitere Zielgruppen aus dem Fall richten. Jede<br />
Leserin und jeder Leser kann spontan Kommentare oder<br />
eigene Beiträge veröffentlichen, ohne dass diese eine redaktionelle<br />
Bearbeitung durchlaufen.<br />
Eine Evaluation am Ende der Fallstudie ergab, dass das<br />
Intranet noch nicht von allen Studierenden regelmässig benützt<br />
worden war. Als Gründe dafür wurden einerseits die<br />
schlechte Qualität der zur Verfügung stehenden Computer<br />
(langsame Verbindung, häufige Abstürze) angegeben, <strong>and</strong>ererseits<br />
wurde bemängelt, dass in den Gruppenarbeitsräumen<br />
selber keine Computer mit WWW-Anschluss vorh<strong>and</strong>en<br />
waren.<br />
Die regelmässigen Nutzerinnen und Nutzer äusserten sich<br />
zu den Inhalten aber mehrheitlich positiv. Im Vergleich zu<br />
den Fallstudienzeitungen wurde häufiger von der Möglichkeit<br />
zur Diskussion und Rückmeldung zur Fallstudie via<br />
«Leserbrief» Gebrauch gemacht. Dies lässt sich durch die<br />
kürzere Zeit zwischen beurteiltem Vorfall und Publikation<br />
des Leserbriefes, durch das Wegfallen einer redaktionellen<br />
Bearbeitung, vennutlich aber auch durch eine höhere Spontaneität<br />
und Anonymität des Mediums erklären.<br />
In der kommenden Fallstudie soll durch Beheben von<br />
technischen Unzulänglichkeiten und eine bessere Einführung<br />
der Studierenden, besonders aber auch der Tutorierenden,<br />
die Nutzungsfrequenz ausgebaut werden.<br />
Abb. 2.8: Eine Seite aus der Rubrik<br />
«Magazin» im Intranet. Neben<br />
Daten zur UNS Fallstudie '98<br />
(Kontaktadressen, Adressen der<br />
Studierenden, Veranstaltungskalender)<br />
waren im Intranet auch<br />
interne Informationen abrujbar.<br />
50 UNS-Fallstudie '98
_________________________________ Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
3 Ablaufder UNS Fallstudie 1998<br />
Die UNS Fallstudie besteht prinzipiell aus drei Phasen unterschiedlicher<br />
Länge: Vorbereitungs-, Projekt- und Nachbearbeitungsphase.<br />
Wie Tabelle 3.1 zeigt, begann die Vorbereitungsarbeit<br />
für die UNS Fallstudien 1997/98 bereits zwei<br />
Jahre früher.<br />
3. 1 Vorbereitung<br />
Die Vorbereitungsphase der UNS Fallstudie «Klettgau» begann<br />
bereits im Frühling 1995. Im Hinblick auf die UNS<br />
Fallstudie 1996 wurden mit Herrn Wolf Pabst von der Gewässerdirektion<br />
Rhein und Herrn Dr. Roger Biedermann<br />
vom Kantonalen Amt für Lebensmittelkontrolle und Umweltschutz<br />
Schaffhausen erste Kontakte geknüpft und mögliche<br />
Schwerpunktthemen diskutiert. Dabei erwies sich eine<br />
Klettgauer Fallstudie im Jahre 1996 als zu kurzfristig. Mit<br />
dem Entscheid im Juni 1996, die UNS Fallstudien zukünftig<br />
2-jährig zu führen, waren die nötigen Voraussetzungen für<br />
eine UNS Fallstudie 1997/98 im Klettgau gegeben. Noch<br />
vor Ende 1995 f<strong>and</strong> für die Studierenden der UNS Fallstudien<br />
1997 und 98 eine Informationsveranstaltung in Neunkirch<br />
statt - im Anschluss daran wurde der Klettgau definitiv<br />
als Fall gewählt.<br />
Die Vorkommission mit Vertreterinnen und Vertretern aus<br />
beiden Studienjahrgängen begann im Sommer 1995 mit<br />
ihrer Arbeit; neben einer Zusammenarbeit mit dem Interreg<br />
II-Projekt wurden Informationen aus der <strong>Region</strong> gesammelt<br />
und mögliche Schwerpunktthemen für die UNS Fallstudie<br />
ausgearbeitet. Ein Jahr vor Beginn der Projektarbeit der<br />
UNS Fallstudie 1997 erstellte eine Arbeitsgruppe der Fallstudienkommission<br />
ein Dossier mit Detailinformationen zur<br />
UNS Fallstudienarbeit und zur <strong>Region</strong> Klettgau (Bättig et<br />
al., 1996).<br />
Im Sommer 1997 (während der Projektphase der UNS<br />
Fallstudie 1997) setzte sich die Kommission '98 mit möglichen<br />
Leitthemen ausein<strong>and</strong>er. Die Wahl fiel auf die «nachhaltige<br />
<strong>Region</strong>alentwicklung». An einer 1nformationsveranstaltung<br />
im Klettgau im Juni 1997 wurden im Plenum<br />
mögliche Synthesegruppen und -themen dazu ausgearbeitet.<br />
Zusammen mit den Tutorierenden arbeitete die Fallstudienkommission<br />
im Winter 97/98 die möglichen Fragestellungen<br />
und Zielsetzungen der einzelnen Synthesegruppen in<br />
Vorbereitungsgruppen weiter aus.<br />
Mit der offiziellen Schlussveranstaltung der UNS Fallstudie<br />
1997 im April 1998 hatten die Studierenden ein weiteres<br />
mal die Möglichkeit, mit den regionalen Vertreterinnen und<br />
Vertretern Kontakt aufzunehmen und erste Interessentinnen<br />
und Interessenten für die Begleitgruppen zu suchen.<br />
Wichtig für die Vorbereitung der Studierenden ist eine<br />
Einführung in die Methoden der UNS Fallstudie. Seit 1997<br />
wird die Methodeneinführung in einem obligatorischen,<br />
zweitägigen «Crash-Kurs» unmittelbar vor Fallstudienbeginn<br />
durchgeführt. Die Studierenden und Tutorierenden lernen<br />
dabei in Gruppenarbeit und anh<strong>and</strong> konkreter Beispiele<br />
die Anwendung der wichtigsten Fallstudienmethoden (vgl.<br />
auch Abb. 2.4) kennen.<br />
Um den Start der Arbeit in den Themengruppen zu erleichtern,<br />
ruft die Fallstudienkommission für jede Synthesegruppe<br />
vor Beginn der Projektphase eine vorbereitende<br />
Arbeitsgruppe aus Tutorierenden und interessierten Studierenden<br />
ins Leben. Diese Vorbereitungsgruppen gehen anschliessend<br />
in den Synthesegruppen auf.<br />
Tab. 3.1: Die wichtigsten Termine im Ablaufder UNS Fallstudien 1997/98 (siehe auch Scholz et al., 1998).<br />
I Datum Anlass Bemerkungen<br />
11995 Wahl des Falls «Klettgau» UNS Fallstudie «Klettgau» als mögliches Thema<br />
i vorgesehen für 1996<br />
I<br />
1996 Erstellung Falldossier Förderung des Fallverständnisses<br />
Informations-Wochenende im Klettgau<br />
Ende 1996<br />
Tutorinnen und Tutoren '97 eingestellt<br />
Sommer Durchführung der UNS Fallstudie 1997 Einbezug studentischer Vertreter aus UNS<br />
1997 Wahl des Leitthemas «Nachhaltige <strong>Region</strong>al- Fallstudie 1998<br />
entwicklung»<br />
Vorbereitungswochenende für UNS Fallstudie Wahl der Synthesegruppen<br />
1998<br />
Ende 1997<br />
Tutorinnen und Tutoren '98 eingestellt<br />
März 1998 Crash-Kurs zu den Fallstudienmethoden obligatorisch für alle Studierenden<br />
April 1998 Schlussveranstaltung der UNS Fallstudie 1997 in Offizielle Vorstellung der Resultate und<br />
Trasadingen Präsentation des Fallstudienb<strong>and</strong>es<br />
Beginn der UNS Fallstudie 1998<br />
Erster Aufruf für Interessentinnen und<br />
Interessenten für die Begleitgruppen<br />
UNS-Fallstudie '98 51
Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
3.2 Projektphase (fallbearbeitung)<br />
Die UNS Fallstudie umfasst als Lehrveranstaltung von Mittwoch<br />
bis Freitag 18 Semesterwochenstunden (zusätzlich ca.<br />
6 Stunden «Hausarbeit»). Die Studierenden in der UNS<br />
Fallstudie 1998 arbeiteten 14 Semesterwochen vom April<br />
bis zum Juli 1998 in 4 Synthesegruppen und einer Infogruppe.<br />
In der Projektphase w<strong>and</strong>elte sich auch die Zusammensetzung<br />
der Fallstudienkommission. Neben dem Fallstudienbüro<br />
war nun jede Synthesegruppe mit einem Studierenden<br />
und einer Tutorin oder einem Tutoren vertreten.<br />
Die Organisation und damit der Ablauf der UNS Fallstudie<br />
ist ganz auf die Synthese ausgerichtet. Die Fallstudien<br />
Projektarbeit lässt sich in vier Phasen gliedern, welche die<br />
gesamten 14 Wochen des Sommersemesters 1997 ausfüllten<br />
(s. Abb. 3.1).<br />
Einfiihrungsphase<br />
In der Einführungsphase galt es, die Grundlagen für die<br />
Arbeit der Synthesegruppen zu schaffen. Zu vermitteln waren:<br />
- Die Organisation der UNS Fallstudie 1998.<br />
- Die Ziele der UNS Fallstudie: Einführungstag im Klettgau:<br />
Vertreterinnen und Vertreter aus dem Fallstudienbüro<br />
und der <strong>Region</strong> erläutern an einem Postenlauf für die<br />
Studierenden die Probleme des Falls und die Ziele der<br />
UNS Fallstudie 1998.<br />
- Der Fall «Klettgau»: Vorträge zur <strong>Region</strong> und zu den<br />
thematischen Schwerpunkten der UNS Fallstudie 1998.<br />
- Spezialfunktionen: Die einzelnen Studierenden werden<br />
in ihre Spezialaufgaben eingeführt.<br />
Synthesephase I: Orientierungsphase<br />
Die Synthesegruppen hatten in den ersten 2-3 Wochen ihre<br />
Zielsetzungen zu erarbeiteten und ihre Untersuchungen zu<br />
planen. Jede Synthesegruppe wurde dabei von einem Tutorenteam<br />
aus 4-5 Tutorierenden unterstützt (siehe auch<br />
Anhang):<br />
- Didaktiktutorin oder -tutor übernimmt die Hauptbetreuung<br />
der Synthesegruppe.<br />
- Mehrere Fachtutorinnen und -tutoren stehen der Gruppe<br />
für fachliche Fragen zur Verfügung.<br />
- Methodentutorinnen oder -tutoren (für UNS Fallstudienmethoden<br />
und sozialwissenschaftliche Methoden) beraten<br />
die Gruppe insbesondere hinsichtlich der Synthesemethoden.<br />
- Systemtutorin oder -tutor beraten die Gruppe bezüglich<br />
des Falls «Klettgau».<br />
Die Synthesegruppen müssen in dieser Phase den Fall soweit<br />
erfassen, dass sie ihr Arbeitsziel und die nötigen Detailuntersuchungen<br />
planen oder konzipieren können. Die Spe-<br />
Abb. 3.1: Der Ablaufplan der UNS Fallstudie 1998 «Chancen der <strong>Region</strong> Klettgau - nachhaltige Reginalentwiclung». Um<br />
die zentrale 1dee der Synthese zu unterstreichen, ist das Ende der Teilprojektphase fest terminiert (29. Mai). Ansonsten<br />
können die Übergänge zwischen den einzelnen Phasen flexibel gestaltet werden.<br />
52 UNS-Fallstudie '98
_________________________________ Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
zialfragen und Detailuntersuchungen werden in Teilprojekten<br />
durchgeführt. Jede Synthesegruppe definiert, ausgehend<br />
vom Gruppenziel, ihre eigenen Teilprojekte.<br />
Teilprojektphase<br />
Für die anschliessenden 5-6 Wochen unterteilten sich die<br />
Synthesegruppen in einzelne Teilprojektgruppen (siehe Tab.<br />
3.2). In dieser Zeit wurde in jeder Teilprojektgruppe ein<br />
Erfahrungstag durchgeführt (siehe Kasten «Verankerung in<br />
der <strong>Region</strong>»).<br />
Die Unterscheidung zwischen Teilprojekten und Synthesegruppe<br />
ist in erster Linie organisatorisch begründet. Die<br />
Teilprojektgruppen sind Untergruppen einer Synthesegruppe.<br />
Sie sollen sich seit der UNS Fallstudie 1996 an der<br />
übergeordneten Zielsetzung der Synthesegruppe ausrichten.<br />
Weil selbst für Spezialfragen nicht immer geeignete wissenschaftliche<br />
Fachmethoden zur Verfügung stehen, kommt in<br />
den Teilprojekten oftmals eine Mischung von klassischen,<br />
fachlichen Methoden und Synthesemethoden zum Einsatz.<br />
Abb. 3.2: Eine Teilnehmerin der UNS Fallstudie '98 beim<br />
RÜbenstechen. Mit der DurchfÜhrung eines Elfahrungstages<br />
hatten die Studierenden die Chance, durch emotionale, persönliche<br />
Kontakte eine <strong>and</strong>ere Sicht aufden Fall zu bekommen.<br />
Synthesephase II<br />
Nach der Teilprojektphase beginnt mit der eigentlichen Synthese<br />
die kritische Phase jeder UNS Fallstudie. Beim Versuch,<br />
die Ergebnisse der Teilprojekte zu integrieren, zeigt<br />
sich, wie gut die Synthesegruppe vor der Teilprojektphase<br />
ihre Zielsetzungen bestimmt hat. Als hilfreich haben sich in<br />
der Synthesephase II Synthesemethoden und moderierte<br />
Gruppendiskussionen erwiesen (vgl. Mieg et al., 1997).<br />
Ausgehend von der Zielsetzung und den Resultaten aus<br />
den Teilprojektgruppen erstellte jede Synthesegruppe einen<br />
Projektbericht als Grundlage für den vorliegenden B<strong>and</strong>.<br />
Dieser wurde nach Ende der Projektarbeit von einzelnen<br />
Mitgliedern der Synthesegruppe redaktionell bearbeitet<br />
(siehe unten).<br />
Das Ende der Projektarbeit der Fallstudie wurde durch die<br />
interne Schlussveranstaltung im Juli gesetzt. Die externe<br />
Schlusspräsentation erfolgt erst nach Fertigstellung des<br />
Schlussberichts und findet gemeinsam mit den Trägem der<br />
UNS Fallstudie statt.<br />
3.3<br />
Prozesse<br />
Mit dem Ende der Projektphase - zum Semesterende <br />
beendet auch die Fallstudienkommission ihre Arbeit. Die<br />
Nachbearbeitung der Ergebnisse für den vorliegenden Berichtb<strong>and</strong><br />
wird gemeinsam vom Fallstudienbüro und studentischen<br />
Redaktionsteams (in Zusammenarbeit mit Tutorierenden)<br />
sowie einer verantwortlichen Redaktorin geleistet.<br />
Sie beinhaltet<br />
- Redaktion des Schlussberichts (in der hier vorliegenden<br />
Form)<br />
- weitere Öffentlichkeitsarbeit (unter <strong>and</strong>erem Schlussveranstaltung<br />
mit Pressekonferenz)<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
53
Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
Tab. 3.2: Die Synthesegruppen der Fallstudie «Klettgau» und ihre Tei/projekte. Jede Synthesegruppe bildet Tei/projekte, in<br />
denen während derfünjvvöchigen Tei/projektphase Spezialjragen bearbeitet werden.<br />
Wirtschaft Mobilität Naturraum Siedlung<br />
- Gewerbe und Industrie - Einkaufs- und Freizeit- - Bewertungskriterien für - Lebensqualität<br />
- L<strong>and</strong>wirtschaft verkehr l<strong>and</strong>schaftsökologische - <strong>Region</strong><br />
- Dienstleistungen i - Pendlerverkehr Projekte - Haus<br />
- Syntheseteam I - Kommunikation und Methodik für l<strong>and</strong>schafts- - Siedlung<br />
Sensibilisierung ökologische Projekte<br />
- Grenzüberschreitende<br />
Koordination von Projekten<br />
im Bereich des<br />
ökologischen Ausgleichs<br />
(IG Klettgau)<br />
I<br />
- Diplom- und Semesterarbeiten<br />
- <strong>and</strong>ere Folgeprojekte<br />
Seit 1994 ergaben sich aus den UNS Fallstudien immer<br />
wieder Diplomarbeiten mit anwendungsorientierten Fragestellungen.<br />
Resultate der UNS Fallstudien sind jedoch nicht<br />
nur Produkte im engeren Sinn, sondern auch Prozesse. So<br />
wurde im Anschluss an die UNS Fallstudie 1995 «Industrieareal<br />
Sulzer-Escher Wyss» der Workshop «Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen»<br />
mit Interessenvertretern aus Wirtschaft<br />
und Politik durchgeführt. Die Raum-Nutzungs-Verh<strong>and</strong>lungen<br />
erbrachten eine Neubelebung kommunaler Kooperationsprozesse,<br />
nunmehr unter Einbezug von engagierten<br />
Architekten. Die UNS Fallstudie 1996 «Zentrum Zürich<br />
Nord» führte zu einer verstärkten Zusammenarbeit der ABB<br />
und der Stadt Zürich mit dem Anwohnerverein «Züri 50!».<br />
In den beiden UNS Fallstudien 1997 und 1998 wurden<br />
folgende zusätzlichen Produkte erarbeitet oder initiiert:<br />
- Rezeptbroschüre «Das kleine Emmer-Büchlein» als Instrument<br />
für <strong>Region</strong>almarketing (üsterwalder et al.,<br />
1998)<br />
- W<strong>and</strong>er- und Radbroschüre «Klettgau erfahren» (Schenkel<br />
& Mathis, 1998)<br />
- Bevölkerungsinitiative «Nachhaltige Kreditvergabe»<br />
- Runder Tisch der <strong>Region</strong>albanken zum Thema «Ideencafe»<br />
zur Förderung der Begegnungen über die L<strong>and</strong>esgrenzen<br />
hinweg<br />
- «Interessengemeinschaft Klettgau» zur Förderung von<br />
l<strong>and</strong>schaftsökologischen Projekten<br />
4 Ausblick und<br />
Schlussbemerkungen<br />
Das Problem der Zweijährigkeit<br />
Die UNS Fallstudien 1997/98 f<strong>and</strong>en zum ersten Mal als<br />
zweijährige Veranstaltung statt. Es zeigte sich, dass die<br />
inhaltliche Koordination zwischen den beiden Semestern<br />
zumindest für den nachfolgenden Jahrgang zum Teil<br />
schwierig war. Mit «Chancen der <strong>Region</strong> Klettgau - nachhaltige<br />
<strong>Region</strong>alentwicklung» wurde für die UNS Fallstudie<br />
1998 ein Thema gewählt, das sowohl auf Erarbeitetem<br />
aufbaute als auch ganz neue Themen anschneiden konnte.<br />
Dies wird umso deutlicher, wenn man die einzelnen Synthesegruppen<br />
betrachtet: Während die Gruppen Siedlung und<br />
Naturraum sehr leicht Anknüpfungspunkte in den entsprechenden<br />
Synthesegruppen des Vorjahres finden konnten,<br />
haben Wirtschaft (Industrie, Gewerbe und L<strong>and</strong>wirtschaft)<br />
und insbesondere Mobilität eher Neul<strong>and</strong> betreten.<br />
Befürchtungen, dass der erste Jahrgang bereits alle relevanten<br />
Fragestellungen bearbeitet und somit das «Feld abgegrast»<br />
haben wird, haben sich nicht bewahrheitet. Es hat<br />
sich viel mehrgezeigt, dass die Komplexität des Falls es dem<br />
zweiten Jahrgang ermöglicht hat, sich viel zu wenig auf<br />
Resultate und Folgerungen der UNS Fallstudie 1997 zu<br />
berufen. Es scheint uns deshalb wichtig, die Zweijährigkeit<br />
auch inhaltlich besser auszunutzen und die möglichen Leitthemen<br />
und Fragestellungen der beiden Jahrgänge besser<br />
aufein<strong>and</strong>er abzustimmen. Bedingung ist es in diesem Zusammenhang<br />
jedoch, dass die Ergebnisse des ersten Jahres<br />
dem zweiten Jahrgang nutzbar präsentiert werden.<br />
54<br />
UNS-Fallstudie '98
Die Organisation der UNS-Fallstudie<br />
Bättig, M., Holy, R., Jung, T., König, F., Lippuner, L. & Roth, C.<br />
(1996). Dossier UNS-Fallstudien 97/98: Klettgau. Zürich: Eidgenössische<br />
Technische Hochschule Zürich, Professur für Umweltnatur-<br />
und Umweltsozialwissenschaften.<br />
Bösch, S. (1998). Die Organisation der UNS Fallstudie. In R. W.<br />
Scholz, S. Bösch, H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau:<br />
Verantwortungsvoller Umgang mit Boden. UNS-Fallstudie 1997<br />
(S. 43-60). Zürich: Rüegger.<br />
Crott, H. W & Wemer, J. (1994). The norm-information-distance<br />
model: A stochastic approach to preference change in group interaction.<br />
Journal ofExperimental <strong>Social</strong> Psychology, 30, 68-95.<br />
Daenzer, W F. & Huber F. (Hrsg.). (1994). Systems engineering:<br />
h<br />
Methodik und Praxis (8 t ed.). Zürich: Verlag Industrielle Organisation.<br />
Frischknecht, P. (1997). Wegleitung für den Studiengang Umweltnaturwissenschaften.<br />
Studienjahr 98/98. Zürich: Eingenössische<br />
Technische Hochschule Zürich, Abteilungssekretariat Umweltnaturwissenschaften.<br />
Heller, S., Bösch, S. & Lippuner, L. (1997): Organisationsdossier<br />
zur UNS Fallstudie «Klettgau». Zürich: Eidgenössische Technische<br />
Hochschule Zürich, Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften.<br />
McGrath, J. E. (1976). Stress <strong>and</strong> behavior in organizations. In M.<br />
E. Dunette, H<strong>and</strong>book ofindustrial <strong>and</strong> organizational psychology<br />
(S. 1351-1395). Chicago: R<strong>and</strong> McNally.<br />
Mieg, H. A. (1996). Managing the interface between science,<br />
industry, <strong>and</strong> society: Case studies for environment, education, <strong>and</strong><br />
knowledge integration at the Swiss Federal Institute of Technology.<br />
In UNESCO (Ed.), Proceedings of the World Congress of<br />
Engineering Educators <strong>and</strong> Industry Leaders (pp. 529-533). Paris:<br />
Unesco.<br />
Mieg, H. A., Bösch, S. & Bächtiger, C. (1996). Die Organisation<br />
der Fallstudie. In R. W Scholz, S. Bösch, T. Koller, H. A. Mieg &<br />
J. Stünzi (Hrsg.), Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und<br />
Bauen: Wertschöpfung durch Umnutzung. UNS-Fallstudie 1995<br />
(S. 71-82). Zürich: vdf.<br />
Mieg, H. A., Bösch, S., Stünzi, J. & Zwicker, K. (1997). Fallstudien-Organisation.<br />
In R. W. Scholz, S. Bösch, H. A. Mieg & J. Stünzi<br />
(Hrsg.), Zentrum Zürich Nord: Stadt im Aufbruch. Bausteine für<br />
eine nachhaltige Stadtentwicklung. UNS-Fallstudie 1996 (S.<br />
65-79).Zürich:vd[<br />
Mieg, H. A., Scholz, R. W & Stünzi, J. (1996). Das Prinzip der<br />
modularen Integration: Neue Wege von Führung und Wissensintegration<br />
im Management von Umweltprojekten. Organisationsentwicklung,<br />
15 (2),4-15.<br />
Osterwalder, K., Wolf, C. & Major, P. (1998). Das kleine Emmer<br />
Büchlein. Zürich: Eingenössische Technische Hochschule Zürich,<br />
Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften.<br />
Schenkel, P. & Mathis, P. (1998). Klettgau erfahren. W<strong>and</strong>er- und<br />
Radbroschüre. Zürich: Eidgenössische Technische Hochschule<br />
Zürich, Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften.<br />
Scholz, R. W (1995). Zur Theorie der Fallstudie. In R. W Scholz,<br />
T. Koller, H. A. Mieg & C. Schmidlin (Hrsg.), Perspektive Grosses<br />
Moos. Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft. UNS-Fallstudie<br />
1994 (S. 39-46). Zürich: vdf.<br />
Scholz, R. W, Bösch, S., Koller, T., Mieg, H. A. & Stünzi, J.<br />
(Hrsg.) (1996). Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und<br />
Bauen: Wertschöpfung durch Umnutzung. UNS-Fallstudie 1995.<br />
Zürich: vdf.<br />
Scholz, R. W, Bösch, S., Mieg, H. A. & Stünzi, J. (Hrsg.) (1997).<br />
Zentrum Zürich Nord: Stadt im Aufbruch. Bausteine für eine<br />
nachhaltige Stadtentwicklung. UNS-Fallstudie 1996. Zürich: vdf.<br />
Scholz, R. W, Bösch, S., Mieg, H. A. & Stünzi, J. (Hrsg.) (1998).<br />
<strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller Umgang mit Boden.<br />
UNS-Fallstudie 1997. Zürich: Rüegger.<br />
Scholz, R. W, Bösch, S. & Oswald, J. (1997). Kommunikation in<br />
der Fallstudie. In R. W Scholz, S. Bösch, H. A. Mieg & J. Stünzi<br />
(Hrsg.), Zentrum Zürich Nord: Stadt im Aufbruch. Bausteine für<br />
eine nachhaltige Stadtentwicklung. UNS-Fallstudie 1996 (S.<br />
45-64). Zürich: vd[<br />
Scholz, R. W, Koller, T., Mieg, H. A. & Schmidlin, C. (Hrsg.)<br />
(1995a). Perspektive Grosses Moos. Wege zu einer nachhaltigen<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft. UNS-Fallstudie 1994. Zürich: vdf.<br />
Scholz, R. W, Koller, T., Mieg, H. A. & Schmidlin, C. (1995b). Die<br />
Organisation der Fallstudie. In R. W Scholz, T. Koller, H. A. Mieg<br />
& C. Schmidlin (Hrsg.), Perspektive Grosses Moos. Wege zu einer<br />
nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft. UNS-Fallstudie 1994 (S. 25-38).<br />
Zürich: vdf.<br />
Scholz, R. W. & Tietje, O. (1996). Methoden der Fallstudie. In R.<br />
W Scholz, S. Bösch, T. Koller, H. A. Mieg & 1. Stünzi (Hrsg.),<br />
Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen: Wertschöpfung<br />
durch Umnutzung. UNS-Fallstudie 1995 (S. 31-70).<br />
Zürich: vdf.<br />
Scholz, R. W & Tietje, O. (1998). Theorie. Hintergrunde und<br />
Methodik der Fallstudie (third ed.). Zürich: Eingenössische Technische<br />
Hochschule Zürich, Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften.<br />
Schwenk, C. & Valacich, J. S. (1994). Effects ofdevil's advocacy<br />
<strong>and</strong> dialectical inquiry on individuals versus groups. Organizational<br />
Behaviour <strong>and</strong> Human Decision Processes, 59, 210-222.<br />
Stewart, D. D. & Stasser, G. (1995). Expert role assignment <strong>and</strong><br />
information sampling during collective recall <strong>and</strong> decision making.<br />
Journal ofPersonality <strong>and</strong> <strong>Social</strong> Psychology, 69, 619-628.<br />
Ulich, E. (1992). Arbeitspsychologie (2 nd ed.). Zürich: vdf.<br />
Wischnewski, E. (1993). Modemes Projektmanagement (4 th ed.).<br />
Wiesbaden: Vieweg.<br />
Witschi, U. (1996). Projekt-Management: Der BWI-Leitfaden zu<br />
Teamführung und Methodik (4 th ed.). Zürich: Verlag Industrielle<br />
Organisation.<br />
Züst, R. (1997). Einstieg in das sytems-engineering. Zürich: Verlag<br />
Industrielle Organisation.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
55
Autoren:<br />
Si/via Frey<br />
Alex Reichenbach<br />
Andreas Hlflltt:htr<br />
Aufbauend aufden<br />
Ergebnissen der<br />
Arbeitsgruppe:<br />
Adrian Epp<br />
Si/via Frey<br />
lukas Huber<br />
Michael Kost<br />
jörgMäder<br />
Christian Prim<br />
Alex<strong>and</strong>er Reichenbach<br />
Peter Stofer<br />
Patrick Wetli<br />
Urs Wüst<br />
Matthias Wüthrich<br />
Philippe Zimmermann<br />
Alvaro Zorzi<br />
Paul 80th (Tutor)<br />
Andreas Hofer (Tutor)<br />
Matthias lebküchner (Tutor)<br />
Christoph Schreyer (Tutor)<br />
Michael Stauffacher (Tutor)<br />
inhalt<br />
1. Einleitung 59<br />
2. Theoretische Grundlagen 59<br />
3. Ziele 66<br />
4. Vorgehen und Methoden 66<br />
5. Resultate 76<br />
6. Veranstaltung: Mobilitätskarawane im Zuge des sanften Verkehrs 92<br />
7. Ausblick 95
Mobilität im Klettgau<br />
58 UNS-Fallstudie '98
Mobilität im Klettgau<br />
1 Einleitung 2<br />
Theoretische Grundlagen<br />
Dem Klettgau kommt von alters her eine Bedeutung als<br />
Ost-West-Traverse zu. Bereits in der Römerzeit führte eine<br />
Strasse von Schleitheim und Gächlingen nach Erzingen und<br />
dann weiter nach Zurzach. Während der Kriege im Mittelalter<br />
zogen oft Truppen durch das Tal. Im 19. Jahrhundert<br />
wurde die Ost-West-Verbindung mit dem Bau der Eisenbahnlinie<br />
von Waldshut nach Schaffhausen noch einmal<br />
deutlich verstärkt (Scholz et al., 1998).<br />
Dieser Verkehrsausrichtung konnte auch die senkrecht<br />
dazu verlaufende, seit dem 16. Jahrhundert bestehende L<strong>and</strong>esgrenze<br />
zwischen Deutschl<strong>and</strong> und der Schweiz nichts<br />
anhaben. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als<br />
das Auto grosse Verbreitung f<strong>and</strong> und die Menschen mobiler<br />
wurden, begann sich derVerkehr vom Klettgau aus vermehrt<br />
nach dem Süden, nach Zürich hin, auszurichten.<br />
Die Verkehrsversorgung unterliegt im Klettgau den gleichen<br />
Schwierigkeiten wie in <strong>and</strong>eren ländlichen Räumen.<br />
Deshalb gehen wir im nächsten Kapitel kurz auf die allgemeine<br />
Mobilitätsproblematik im ländlichen Raum (vgl.<br />
Kap. 2.1) und die generellen Umweltauswirkungen des Verkehrs<br />
(vgl. Kap. 2.2) ein. Über die Betrachtung der historischen<br />
Entwicklung der Verkehrswege im Klettgau (vgl.<br />
Kap. 2.3) und der regionalen Besonderheiten (vgl. Kap. 2.4<br />
bis 2.7) werden die Fragestellungen und Ziele unserer Untersuchung<br />
erarbeitet (vgl. Kap. 3). Anschliessend erläutern<br />
wir unser Vorgehen und die benutzten Methoden (vgl. Kap.<br />
4) und gehen aufdie gewonnenen Resultate und Erkenntnisse<br />
ein (vgl. Kap. 5). Kapitel 6 ist der sogenannten Mobi1itätskarawane<br />
gewidmet, einer Veranstaltung, die das Ziel hatte,<br />
der Bevölkerung die Ergebnisse unserer Arbeit zu präsentieren<br />
und auf alternative Verkehrsmittel aufmerksam zu machen.<br />
2. 1 MobiJitiit im liindlichen Raum<br />
Räumliche Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für den<br />
modemen Wohlst<strong>and</strong> und eine wichtige Komponente unserer<br />
Lebensqualität (Frey, 1994). Wohn- und Arbeitsort können<br />
weitgehend unabhängig vonein<strong>and</strong>er gewählt und geographisch<br />
ausgedehnte Sozialbeziehungen gepflegt werden.<br />
Zusätzlich profitieren wir von der Mobilität, da unserer<br />
Freizeit- und Feriengestaltung räumlich fast keine Grenzen<br />
mehr gesetzt sind (Güller, 1991). Ein Leben ohne diese<br />
räumliche Flexibilität erscheint unvorstellbar und als ein<br />
gesellschaftlicher Rückschritt.<br />
Die Vorteile unserer räumlichen Flexibilität drohen jedoch<br />
durch den Verkehr - insbesondere den motorisierten<br />
Individualverkehr (MIV) - auch wieder verschlungen zu<br />
werden. Der massive Anstieg des Verkehrsvolumens in den<br />
letzten Jahrzehnten (Infras, 1991) und damit einhergehende,<br />
schwerwiegende Umwelt- und Gesundheitsbelastungen<br />
weisen auf einen janusköpfigen Charakter der räumlichen<br />
Mobilität hin. Bedeutende verkehrsbedingte Probleme stellen<br />
Luftschadstoffemissionen, Klimabelastung, Lärm, Zerschneidung<br />
von Lebensräumen und Flächenverbrauch<br />
durch Verkehrswege, Unfallrisiko, Rohstoff- sowie Energieressourcenverbrauch<br />
dar (Infras/Econcept/Prognos,<br />
1996; Bickel & Friedrich, 1994).<br />
Die private Massenmotorisierung in der zweiten Hälfte<br />
dieses Jahrhunderts führte zu einem erheblichen prozentualen<br />
Rückgang in der Leistungsnachfrage des öffentlichen<br />
Verkehrs (ÖV) und zu stark steigendem Autoverkehr. Als<br />
direkte Folge davon entwickelten sich disperse Siedlungsformen<br />
wie zum Beispiel Einfamilienhaussiedlungen in<br />
ländlichen <strong>Region</strong>en. Das Auto ermöglichte es, den Wohnort<br />
in erholsame, ländliche Gegenden zu verlegen und zugleich<br />
den in der Stadt gelegenen Arbeitsplatz zu behalten.<br />
Viele ländliche Gegenden wurden zu Pendelregionen.<br />
Der Modalsplit (prozentuale Verteilung des Verkehrs auf<br />
MIV, ÖV und Langsamverkehr (LV) wie beispielsweise<br />
Radfahrende und zu Fuss Gehende) im ländlichen Raum ist<br />
deshalb zugunsten des MIV verschoben. Diese Verschiebung<br />
fällt oft umso deutlicher aus, je zersiedelter und strukturschwächer<br />
die jeweilige Gegend ist. Die MIV-Iastige<br />
Situation ist auf die Schwierigkeiten zurückzuführen, welche<br />
eine Erschliessung durch den konventionellen ÖV mit<br />
sich bringt. Dessen Betriebsablauf gestaltet sich nämlich<br />
durch strenge räumliche und zeitliche Bindungen relativ<br />
unflexibel. Ein Grund für sein schlechtes Image, welches<br />
sich nebst <strong>and</strong>eren Faktoren wie beispielsweise der hohen<br />
individuellen Verfügbarkeit des Autos (Arnet et al., 1998)<br />
nachteilig aufdie ÖV-Nachfrage auswirkt. Aufeine geringe<br />
Nachfrage folgen jedoch eine ungenügende Kostendeckung<br />
des Betriebs und ein allfälliger Abbau von Fahrkursen (Infras,<br />
1998). Massnahmen zur Aufwertung des ÖV-Angebotes<br />
im ländlichen Raum werden zusätzlich erschwert, weil<br />
die negativen Folgen des MIV nicht dort, sondern erst an den<br />
Zielorten des Pendelverkehrs in den städtischen Agglomerationen<br />
sichtbar werden. Staus und konzentrierte Lärmund<br />
Schadstoffemissionen sind dort an der Tagesordnung.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
59
Mobilität im Klettgau<br />
Der stadttypische verkehrsbedingte Leidensdruck existiert<br />
in L<strong>and</strong>regionen (noch) nicht.<br />
Eine ökologische Optimierung des Verkehrs im ländlichen<br />
Raum muss aufdie obenerwähnten besonderen Probleme<br />
Rücksicht nehmen. Eine Möglichkeit bietet sich über<br />
organisatorische Massnahmen wie zum Beispiel die Modifikation<br />
des konventionellen Linienbetriebs des ÖV<br />
Para-ÖV) an, die wir in der Massnahmenerarbeitung für<br />
eine umweltverträgliche Mobilität im Klettgau (vgl. Kapitel<br />
5.4) berücksichtigt haben.<br />
«Gefragt sind kostenoptimale Erschliessungssysteme für<br />
kleinste Verkehrsströme. Zwei Anliegen stehen dabei im<br />
Vordergrund: Eine Leistung soll flexibel erbracht werden,<br />
das heisst, wenn sie gebraucht wird. Eine Leistung soll<br />
möglichst kostengünstig erbracht werden. Gesucht sindprimär<br />
organisatorische-institutionelle Lösungen, bei denen<br />
die Angebotsqualität erhöht und gleichzeitig die Kosten<br />
spürbar gesenkt werden.» (Infras, 1998,5.2)<br />
Zusätzlich bedarf es jedoch nicht nur organisatorischer<br />
oder umwelttechnischer Massnahmen (Bsp. Katalysatoren)<br />
sondern auch einer gesamthaften Mobilitätsreduktion, um<br />
eine Herabsetzung der negativen Umweltauswirkungen zu<br />
erreichen (Güller, 1991).<br />
«Wieweit man den Mobilitätsansprüchen entgegenkommen<br />
kann, will oder darf, ist nicht mehr nur eine technische,<br />
sondern vielleicht bald eine existenzielle Frage.» (Rotach,<br />
1990)<br />
Die Mobilitätsnachfrage kann über monetäre Signale beeinflusst<br />
werden. Aus ökologischer Sicht würde Kostenwahrheit<br />
als Folge der Internalisierung der externen Kosten<br />
im Verkehr massgeblich zu einer nachhaltigen Mobilitätsentwicklung<br />
beitragen. Im nächsten Kapitel wird dieser<br />
umweltökonomische Ansatz deshalb näher beschrieben.<br />
2.2 Kostenwahrheit als ökologische<br />
Zielsetzung<br />
Bei knappen, nichterneuerbaren Ressourcen oder Gütern<br />
mit unvollständig definierten Eigentumsrechten (Umwelt)<br />
h<strong>and</strong>elt es sich um Allgemeingüter. Diese zeichnen sich<br />
dadurch aus, dass jede Person sie nutzen kann, ohne dafür<br />
den vollen Preis bezahlen zu müssen. Die Folge ist eine<br />
Übernutzung der jeweiligen Ressource oder des jeweiligen<br />
Gutes, was Kosten verursacht. Die Nutzniessenden tragen<br />
weder die Auswirkung bzw. die Kosten noch berücksichtigen<br />
sie diese bei ihren Entscheidungen. Das heisst, dass<br />
Dritte oder die Allgemeinheit diese Kosten übernehmen<br />
müssen, welche dementsprechend als externe Kosten bezeichnet<br />
werden. Sie werden im Bereich des motorisierten<br />
Individualverkehrs (MIV) als auch des öffentlichen Verkehrs<br />
(ÖV) verursacht. Demgegenüber entsteht im Verkehr<br />
auch ein externer Nutzen, welcher für die Allgemeinheit<br />
jedoch eher klein einzuschätzen ist oder bereits von allen<br />
Verkehrsteilnehmenden gleichennassen in Anspruch genommen<br />
werden kann (Bsp. Notfalltransporte). Im Verkehr<br />
lassen sich folgende externen Effektbereiche definieren, die<br />
zu externen Kosten führen: Verkehrsinfrastruktur, Stau, Gesundheitsschäden,<br />
Unfälle, Länn, Luftverschmutzung, Klima,<br />
Natur- und L<strong>and</strong>schaft, Gebäudeschäden, Störfälle und<br />
wissenschaftlich schwer erfassbare externe Effekte wie beispielsweise<br />
psychische Beeinträchtigungen (Infras/Econcept/Prognos,<br />
1996).<br />
Liegen externe Kosten vor, so wird die Knappheit der<br />
Ressourcen nicht in den Preisen, an denen sich die Verkehrsteilnehmenden<br />
bei ihren Fahrentscheiden orientieren, widerspiegelt<br />
(Frey, 1994). Die Folge dieses nicht funktionierenden<br />
Verkehrsmarktes ist fehlende Kostenwahrheit. Der<br />
Verkehr ist dann zu billig, die Mobilität dadurch zu hoch und<br />
die Gesellschaft erleidet Verluste hinsichtlich der Wohlfahrt<br />
und der Lebensqualität. Fehlende Kostenwahrheit begünstigt<br />
den Raubbau von natürlichen Ressourcen wie beispielsweise<br />
die Abholzung von Wäldern.<br />
Das Berücksichtigen von externen Kosten in den Marktpreisen<br />
wird Internalisierung genannt. Internalisierung wäre<br />
eine Voraussetzung für Kostenwahrheit im Verkehr. Durch<br />
die Internalisierung könnten die Verkehrskosten gerecht<br />
verteilt werden, indem das in der Schweiz in der Umweltschutzgesetzgebung<br />
verankerte Verursacherprinzip umgesetzt<br />
würde. Zusätzlich könnten im Sinne des Vorsorgeprinzips<br />
hohe, zukünftige Folgekosten vennieden werden. Lebenswichtige<br />
Ressourcen und Güter könnten geschützt und<br />
die Umweltbelastungen reduziert werden. Die Verkehrsleistungen<br />
würden nicht mehr zu billig angeboten und die<br />
Nachfrage wäre dadurch rückläufig (Infras/Econcept/Prognos,<br />
1996; Frey, 1994).<br />
Die Bewertung der externen Kosten ist nicht einfach, da<br />
für nicht nonnativ erfassbare Grössen ein monetärer Wert<br />
ennittelt werden muss.<br />
,
Mobilität im Klettgau<br />
der Volkswirtschaft, die externen Kosten über die Marktpreise<br />
abgelten.<br />
Mit Lenkungsabgaben werden die Preiserhöhungen eher<br />
auf ein politisch wünschbares Mass festgesetzt als anh<strong>and</strong><br />
der tatsächlichen externen Kosten berechnet (InfraslEconcept/Prognos,<br />
1996).<br />
Die Internalisierung von externen Kosten im Verkehr<br />
führt aus ökologischer Sicht zu wünschbaren Reaktionen<br />
der Verkehrsteilnehmenden wie beispielsweise zur Anpassung<br />
des Fahrverhaltens, zum Umsteigen auf umweltfreundliche<br />
Verkehrsmittel, zur Erhöhung des Auslastungsgrades<br />
der Fahrzeuge und zur Verkürzung der zurückgelegten<br />
Distanzen (Frey, 1994). Diese Auswirkungen wurden<br />
bei der Entwicklung und Auswertung der Mobilitätsszenarien<br />
für den Klettgau miteinbezogen (vgl. Kapitel 4.5 und<br />
5.3).<br />
2.3 Geschichte der Verkehrswege<br />
KJettgau<br />
Verkehrswege stellen ein zentrales Element der Mobilität<br />
dar. Sie beeinflussen die Mobilitäts- sowie die Siedlungsentwicklung<br />
in einem Gebiet. Nachfolgend sei ihre Entwicklung<br />
im Klettgau deshalb kurz in den zeitlichen Rahmen<br />
gestellt.<br />
2.3.1 Vom Marterweg zur A98: Strassen im Klettgau<br />
Das Aufstreben von H<strong>and</strong>el und Gewerbe im 19. Jahrhundert<br />
sowie die aufkommende Industrie erforderten gut ausgebaute<br />
Verkehrswege (Wanner et al., 1991). Im Klettgau<br />
f<strong>and</strong> deshalb ein gewaltiger Ausbau bestehender Strassen<br />
und die Verwirklichung neuer Verkehrswege zwischen 1850<br />
und 1880 statt.<br />
als Verbindung zwischen benachbarten Orten und zu Nachbartälern.<br />
In neuerer Zeit gewannen vor allem jene Strassen<br />
an Bedeutung, welche die Nord-Süd Verbindung in das für<br />
den Klettgau heute wichtige Wirtschaftszentrum Zürich ermöglichen.<br />
Diesbezüglich sind vor allem die Verbindungen<br />
über Jestetten oder Griessen-Riedern nach dem Rafzer-Feld<br />
zu erwähnen.<br />
Zusätzlich zum bestehenden Strassennetz wird im nächsten<br />
Jahrtausend eventuell ein Abschnitt der Hochrheinautobahn<br />
(A98) durch den Klettgau führen. Sie soll die verkehrstechnische<br />
Verbindung von Westen nach Osten entlang<br />
des Rheins und den Anschluss ans schweizerische Verkehrsnetz<br />
sichern. Im Bedarfsplan der Bundesrepublik Deutschl<strong>and</strong><br />
und des L<strong>and</strong>es Baden-Württemberg hat der A98-Abschnitt<br />
östlich von Geisslingen jedoch nur nachrangige<br />
Dringlichkeit. Die Diskussionen über die Anschlüsse ans<br />
schweizerische Strassennetz werden deshalb erst nach 2012<br />
wieder aufgenommen.<br />
Einen allfälligen Ausbau der A98 durch den Klettgau<br />
haben wir nicht in unsere Fallbetrachtungen einbezogen, da<br />
die im Rahmen der Szenarioanalyse (vgl. Kapitel 5.3) betrachtete<br />
Mobilitätsentwicklung im Klettgau sich auf einen<br />
Zeithorizont bis ins Jahr 2010 beschränkt. Dieser Zeithorizont<br />
wurde durch die Verfügbarkeit von Umweltbelastungsfaktoren<br />
festgelegt, die für die Bewertung der verschiedenen<br />
Mobilitäts-Szenarien benötigt wurden. Im gegenüberliegenden<br />
Kasten sind jedoch zusätzliche Informationen zur<br />
A98 angebracht.<br />
«Neben der Eisenbahn begann man in dieser Zeit auch die<br />
Strassen - im Klettgau auch Marterwege genannt - auszubauen.<br />
Die Strassen ähnelten bis dahin miserablen Wegen,<br />
die mit Kuhmist und Pferdebollen übersät waren, dementsprechend<br />
stanken und durch den Regen völlig zelfressen<br />
und uneben waren.» (Scholz et al., 1998, S. 79)<br />
Pferd und Kutsche sowie das Fahrrad waren die gängigen<br />
Verkehrsmittel. Erst um die Jahrhundertwende wurde das<br />
erste Auto im Kanton Schaffhausen eingesetzt. Das Postauto<br />
löste die Postkutsche ab. Die Motorisierung der grossen<br />
Masse erfolgtejedoch erst um 1960 und brachte eine weiterführende,<br />
umfassendere Erschliessung der <strong>Region</strong> mit sich<br />
(Scholz et al., 1998).<br />
Die wichtigste Verbindung im Klettgau ist dabei bis heute<br />
eine Strasse, welche durch die Klettgaurinne von Schaffhausen<br />
nach Waldshut-Tiengen führt. Gesetzlich wird sie im<br />
deutschen Teil des Klettgaus von Lauchringen bis Trasadingen<br />
als Bundesstrasse (B34) und im schweizerischen Teil<br />
nach dem Grenzübergang bei Trasadingen bis Schaffhausen<br />
als Europastrasse (E54) klassifiziert. Zwischen 1850 und<br />
1950 verkehrten die Pendelströme vornehmlich in Richtung<br />
der Industriezentren Schaffhausen, Waldshut und Neuhausen<br />
durch die Klettgaurinne. Die übrigen Strassen dienten<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
61
Mobilität im Klettgau<br />
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Mobilität im Klettgau<br />
Linie ist bis heute nicht elektrifiziert und wird mit Dieselzügen<br />
befahren (Abb. 2.3). Es verkehren Nahverkehrszüge,<br />
die an allen Stationen halten, und <strong>Region</strong>alExpress (RE-)<br />
Züge. Letztere halten im Klettgau allerdings nur in Erzingen<br />
und Lauchringen. Ein Anschluss an das Ie-Netz und an den<br />
internationalen Schienenverkehr erfolgt an den beiden Endpunkten<br />
der Linie bei Basel und Singen. Seit diesem Jahr<br />
wird die Strecke Basel-Singen alle zwei Stunden durch<br />
einen Neigetechnik-Zug (NeiTec, VT 610) bedient. Er soll<br />
zeitliche Einsparungen und mehr Komfort für die Reisenden<br />
bringen.<br />
Während ab 1880 bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts das<br />
Fahrrad den ÖV im Klettgau ernsthaft konkurrenzierte ist es<br />
seit 1960 aufgrund der individuellen Massenmotorisierung<br />
um dessen Attraktivität geschehen.<br />
2.4 Einfluss der Stadtnähe aufdie<br />
Mobilität im Klettgau<br />
Von der 1863 eröffneten Eisenbahnlinie versprachen sich<br />
die Gemeinden wirtschaftlichen Aufschwung und boten<br />
deshalb grosse Industrieflächen an. Vereinzelt siedelten sich<br />
im Klettgau Industriebetriebe an - 1898 beispielsweise die<br />
Ziegelwerke in Erzingen oder 1928 die Konservenfabrik<br />
Hero in Hallau (Scholz et al., 1998) -, insgesamt erfolgte die<br />
Industrialisierung jedoch nicht im erwarteten Ausrnass. Die<br />
Lage der Bauern wurde durch die Eisenbahn verschlimmert.<br />
Denn nun war es möglich, Produkte rasch und günstig aus<br />
weit entfernten Gebieten heranzutransportieren. Vor allem<br />
der Import von billigem ausländischen Wein und Getreide<br />
verstärkte die Armut unter dem bäuerlichen Volk (Rieder &<br />
Anw<strong>and</strong>er Phan-Huy, 1994).<br />
Im Gegenzug bot die Eisenbahn aber auch einen Ausweg<br />
aus der Not: Begünstigt durch die Nähe zu den Städten<br />
Waldshut und Schaffhausen entwickelte sich im Klettgau<br />
der sogenannte «Rucksackbauer, der in der Industrie arbeitete<br />
aber im Klettgau wohnte und dort weiterhin ein Stück<br />
L<strong>and</strong> bewirtschaftete. Den Weg in die Stadt legten sie jeden<br />
Tag zu Fuss, perVelo oder Zug zurück.» (Scholz et al., 1998,<br />
S.263)<br />
Zum Teil zogen die Menschen - vor allem die aus dem<br />
Schweizer Klettgau - auch ganz in die Stadt. Dies besonders,<br />
nachdem sich Schaffhausen vom H<strong>and</strong>els- und<br />
Marktort zum Industriezentrum der<strong>Region</strong> entwickelt hatte.<br />
Mit dem Aufkommen des Automobils wurden die Pendlerbewegungen<br />
noch einmal deutlich verstärkt.<br />
«1901 erscheint im Kanton Schaffhausen das erste Automobil.<br />
Um 1927 gab es im ganzen Kanton 200 Automobile.<br />
DerAusbau des Strassennetzes nach dem zweiten Weltkrieg<br />
führte bis heute zu einer breiten Motorisierung. Hinzu kam<br />
der Niedergang des Produktionssektors anfangs der 70er<br />
Jahre. Dadurch geriet die <strong>Region</strong> Klettgau, die aufL<strong>and</strong>wirtschaft<br />
und Produktion ausgerichtet war, unter Druck.<br />
Die Zahlen der Pendler nahmen drastisch zu [im Schweizer<br />
Klettgau von 1'217 Wegpendlern um 1950 auf 2'475 im<br />
Jahre 1980, wie aus einer Graphik am angegebenen Ort<br />
herauszulesen ist; Anm. d. Vr Noch zwischen 1985 und<br />
1995 stieg in der Gemeinde Klettgau der PKW-Best<strong>and</strong> um<br />
144% - zehn Prozent mehr als im L<strong>and</strong> Baden-Württemberg.»<br />
(Scholz et al., 1998, S. 263)<br />
Mit dem Auto wurden die Menschen also deutlich mobiler.<br />
Diese erhöhte Mobilität der Leute konnte den Abw<strong>and</strong>erungstrend<br />
stoppen und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts<br />
sogar umkehren. Denn nun wurde der Klettgau als<br />
Wohnort attraktiv, als Ort, wo sich der Traum vom Einfamilienhaus<br />
im Grünen realisieren liess. In der Folge verdoppelte<br />
sich die Siedlungsfläche im Klettgau in den letzten 40<br />
Jahren (Scholz et al., 1998). Besonders stark veränderten<br />
sich dabei verkehrsmässig gut erschlossene Dörfer.<br />
«Nur die verkehrsabgelegenen Dörfer konnten ihr ursprüngliches<br />
Ortsbild bewahren. Die verkehrsgünstig gelegenen<br />
Dörfer hingegen erhielten neue Eirifamilienhaussiedlungen<br />
und neue Strassen.» (Scholz et al., 1998, S. 263)<br />
Zusammenfassend hält die Synthesegruppe Siedlung der<br />
UNS-Fallstudie '97 fest:<br />
«Betrachtet man die Klettgauer Siedlungs- und Mobilitätsentwicklung<br />
der letzten Jahrzehnte, so liegt eine Entwicklung<br />
zurWohn- undPendlerregion nahe.» (Scholz etal.,<br />
1998, S. 263f)<br />
Diese Beurteilung macht deutlich, dass der Klettgau gewissermassen<br />
in einem Grenzgebiet liegt: an der Peripherie<br />
nämlich - und dies sowohl in Deutschl<strong>and</strong> als auch in der<br />
Schweiz.<br />
«Es scheint als hätten die positiven wie negativen Auswirkungen<br />
des Industrieaufschwungs des zwanzigsten Jahrhunderts<br />
den Klettgau nicht wirklich erreicht.» (Scholz et<br />
al., 1998, S. 258)<br />
Der Ausdruck «Grenzgebiet» erhält für den Klettgau somit<br />
eine doppelte Bedeutung. Jetzt bleibt noch abzuklären,<br />
welchen Einfluss die eigentliche Grenze, die L<strong>and</strong>esgrenze<br />
aufdas Gebiet und speziell aufdie Mobilität in diesem Raum<br />
ausübt.<br />
2.5 Einfluss der Grenze<br />
im Klettgau<br />
die Mobilitiit<br />
Die Teilung des Klettgaus in eine Schweizer und eine deutsche<br />
Hälfte begann mit dem Schweizer- oder Schwabenkrieg<br />
(je nachdem von welchem L<strong>and</strong> aus dieser Konflikt<br />
betrachtet wird) von 1499. In diesem Krieg sympathisierten<br />
Neunkirch, Hallau, Wilchingen und Osterfingen mit den<br />
Eidgenossen und wurden von diesen verschont, im Gegensatz<br />
zu Erzingen, welches niedergebrannt wurde. Schaffhausen,<br />
das 1501 als Folge des Krieges in die Eidgenossenschaft<br />
aufgenommen wurde, erwarb 1525 Hallau und Neunkirch.<br />
Rund ein Jahrhundert später, im Jahre 1657, erlangte<br />
die Stadt Schaffhausen die sogenannte Gerichtsbarkeit über<br />
grosse Teile des Klettgaus und kam so in den Besitz der<br />
vollen L<strong>and</strong>eshoheit in diesen Gebieten. Der heutige Grenzverlauf<br />
wurde schliesslich zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />
UNS-Fallstudie '98 63
Mobilität im Klettgau<br />
festgelegt - im Anschluss an die Besetzung der Eidenossenschaft<br />
durch die Franzosen (Scholz et al., 1998).<br />
Die Grenze beeinflusst viele Bereiche des Lebens - so<br />
auch die Mobilität. Ganz allgemein stellt die Grenze einerseits<br />
ein Hindernis dar für den Transport von Gütern und<br />
Personen. Andererseits ist sie dafür verantwortlich, dass auf<br />
geographisch kleinem Raum unter <strong>and</strong>erem verschiedene<br />
Lohn- und Preisniveaus nebenein<strong>and</strong>er existieren. Diese<br />
Preisunterschiede können - man denke an den Einkaufstourismus<br />
- das Verkehrsaufkommen erhöhen.<br />
«Die Grenze prägt das Mobilitätsverhalten der Menschen<br />
im Klettgau. Gut 50% der Wege führen die Menschen im<br />
Klettgau nie über die Grenze [...}. Im Vergleich zu den<br />
Schweizern überqueren die deutschen Klettgauer häufiger<br />
die Grenze, vor allem beruflich und zum Tanken.» (Scholz et<br />
al., 1998, S. 266)<br />
Diese Aussagen können mit Zahlen verdeutlicht werden<br />
(Scholz et al., 1998):<br />
Tanken: Rund 70% der deutschen Klettgauer tanken <br />
offensichtlich aufgrund der Preisunterschiede - oft auf<br />
der <strong>and</strong>eren Klettgauseite. 90% der Schweizertanken nie<br />
im Nachbarl<strong>and</strong>.<br />
Einkaufen: Knapp die Hälfte der deutschen Klettgauer<br />
überqueren die L<strong>and</strong>esgrenze oft für Einkäufe. Bei den<br />
Schweizern sind es nur rund 20%.<br />
Beruflich: Aus beruflichen Gründen halten sich beinahe<br />
30% der deutschen Klettgauer oft in der Schweiz auf,<br />
während umgekehrt nur ein sehr kleiner Anteil der<br />
Schweizer (5%) berufeshalber nach Deutschl<strong>and</strong> geht.<br />
Mit der L<strong>and</strong>esgrenze einerseits und seiner ländlichen<br />
Lage in der Nähe von (Gross-) Städten <strong>and</strong>ererseits haben<br />
wir zwei Merkmale des Klettgaus gefunden, welche die<br />
Mobilität wesentlich beeinflussen. Von ihnen gingen wir in<br />
der Folge auch bei der Suche der Problemfelder aus, die wir<br />
in unserer Arbeit untersuchen wollten.<br />
2.6 In die Stadt für Arbeit, Einkäufe<br />
Unterhaltung<br />
Wie in Kapitel 2.4 gesehen, finden zwischen dem Klettgau<br />
und den Städten in seiner Umgebung Verkehrsbewegungen<br />
statt. In seiner unmittelbaren Nachbarschaft finden sich die<br />
Städte Waldshut-Tiengen, Schaffhausen und Zürich.<br />
Waldshut-Tiengen und Schaffhausen liegen im Westen beziehungsweise<br />
im Osten des Klettgaus, und die Stadt Zürich<br />
reicht mit ihrer ausgedehnten Agglomeration vom Süden<br />
her beinahe bis an ihn heran.<br />
Um zu klären, welche Einrichtungen oder Angebote die<br />
Menschen aus dem Uml<strong>and</strong> letztlich veranlassen, in die<br />
Städte zu fahren, kann auf die Siedlungssoziologie zurückgegriffen<br />
werden, die wissenschaftliche Disziplin der Siedlungsformen<br />
des Menschen und der Organisation menschlicher<br />
Gemeinschaften.<br />
Der amerikanische Soziologe Ernest W. Burgess zum<br />
Beispiel hat ein Stadtmodell entwickelt, das die räumliche<br />
Verteilung von Nutzungs- und Bevölkerungsstrukur be-<br />
schreibt. Ursprünglich für die USA erstellt, besitzt es auch<br />
für die restlichen Industrieländer Gültigkeit (Harnm, 1982).<br />
Nach dem Burgess-Modell besteht eine Stadt aus fünf<br />
konzentrischen Zonen (Harnm, 1982):<br />
1. Im Kern der Stadt liegt der zentrale Geschäftsbezirk mit<br />
den grossen Kaufhäusern, spezialisierten Geschäften,<br />
Hotels, Restaurants, Unterhaltungsmöglichkeiten und<br />
mit den Verwaltungsgebäuden von Banken und Versicherungen.<br />
Permanente Wohnbevölkerung ist nur sehr<br />
spärlich vorh<strong>and</strong>en oder fehlt ganz.<br />
2. In der zweiten Zone, der Übergangszone, befinden sich<br />
Betriebe der Leichtindustrie und des H<strong>and</strong>werks, einige<br />
Geschäfte und Vergnügungsbetriebe. Hauptsächlich ist<br />
sie aber das Wohngebiet von jungen Erwachsenen, Studenten<br />
sowie von ethnischen und nationalen Minderheiten<br />
(Unterschicht).<br />
3. Die dritte Zone wird durch Arbeiterwohngebiete gebildet.<br />
4. Mittel- und Oberschichtsangehörige leben vorwiegend<br />
in der vierten Zone, in derZone der besseren Wohngebiete.<br />
5. Der fünfte konzentrische Ring heisst Pendlerzone. In ihr<br />
wohnt die Mittelschicht, meist Familien mit kleinen<br />
Kindern.<br />
Das Burgess-Modell kann zwar nicht direkt aufdie <strong>Region</strong><br />
Klettgau übertragen werden, es verdeutlicht aberdie auch<br />
dort beobachtbare Entmischung der Funktionen Wohnen,<br />
Arbeiten und Erholung und ihre räumliche Verteilung ausgehend<br />
vom Zentrum. Als Folge der räumlichen Trennung<br />
der sozialen Aktivitäten entsteht Verkehr (Schliebe, 1985),<br />
wie mit Zürich illustriert werden kann:<br />
«So führte zum Beispiel in Zürich die räumliche Verlagerung<br />
von Wohn- undArbeitsplätzen zwischen 1980 und1990<br />
zu einer Zunahme der täfjlichen Berufspendler von 150'000<br />
auf510'000 Personen.» (Vester, 1996, S. 96)<br />
Anreize für das Pendeln in die Städte hinein bieten in<br />
erster Linie Arbeits-, Einkaufs- und Unterhaltungsmäglichkeiten.<br />
Für den Arbeitsbereich von Bedeutung ist die<br />
Tatsache, dass in den Stadtzentren vorwiegend Unternehmungen<br />
des Dienstleistungssektors anzutreffen sind, jenes<br />
Wirtschaftssektors also, der in den letzten Jahrzehnten am<br />
stärksten gewachsen ist und mittlerweile die meisten Leute<br />
beschäftigt - in der Schweiz rund 67% (Bundesamt für<br />
Statistik, 1997). Etwas weiter vom Zentrum entfernt finden<br />
sich mit Betrieben der Leichtindustrie und des H<strong>and</strong>werks<br />
Arbeitgeber aus dem sekundären, dem Produktionssektor.<br />
Diese beiden Sektoren sind auch im Klettgau von grosser<br />
I Die Bezugsgrösse dieser Zahlen ist nicht eindeutig - zum Vergleich die<br />
Beschäftigten-Zahlen des Kantons Zürich: 1985: 687'000 Beschäftigte,<br />
1995: 720'000 Beschäftigte (Bundesamt für Statistik, 1997) und die Beschäftigten-Zahlen<br />
der Stadt Zürich: 1985: 336'000 Beschäftigte, 1991:<br />
359'000 Beschäftigte (Statistisches Amt der Stadt Zürich, 1994). Die<br />
Grössenordnung und vor allem derbeobachtete Trend mögen aber stimmen.<br />
64<br />
UNS-Fallstudie '98
Mobilität im Klettgau<br />
Wichtigkeit. Denn im primären Beschäftigungssektor, der<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft, arbeiten - trotz dem ländlichen Charakter<br />
ihrer Heimatregion - nur gerade 6% der Bewohner des<br />
Klettgaus (Scholz et al., 1998).<br />
Die Arbeitsgewohnheiten haben sich in diesem Jahrhundert<br />
stark verändert, so dass der Freizeit und dem damit<br />
verbundenen Verkehrsaufkommen eine immer grössere Bedeutung<br />
zukommt. In Deutschl<strong>and</strong> wurde die Arbeitszeit<br />
von 48 Stunden pro Woche im Jahre 1950 auf 38 Stunden<br />
pro Woche 1990 reduziert. Die Anzahl der freien Tage<br />
wurde in derselben Zeitperiode beinahe verdoppelt (von 86<br />
auf 165 freie Tage im Jahr, Seitz, 1996). So erstaunt es nicht,<br />
dass derzeit rund die Hälfte aller Personenkilometer eines<br />
bundesdeutschen Autos für Freizeit- und Erholungszwecke<br />
gefahren werden (Vester, 1996). Dasselbe gilt für die<br />
Schweiz: 1994 wurden 50% aller Personenkilometer - hier<br />
von allen Verkehrsmitteln zusammen - in der Freizeit zurückgelegt<br />
(Bundesamt für Statistik, 1996).<br />
Der durch die räumliche Trennung von Arbeits-, Einkaufs-<br />
und Unterhaltungsmöglichkeiten im Klettgau verursachte<br />
Verkehr bildete denn auch den Gegenst<strong>and</strong> unserer<br />
Untersuchung. Zunächst gilt es, die betrachteten<br />
Verkehrszwecke genauer zu definieren. Bei den folgenden<br />
Begriffsbeschreibungen orientierten wir uns an den in der<br />
Publikation «Verkehrsverhalten in der Schweiz 1994»<br />
(Bundesamt für Statistik, 1996) benutzten Ausdrücken.<br />
Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil wir diese Untersuchung<br />
später für Vergleichsbetrachtungen heranziehen werden.<br />
- «Sonstige Produkte des täglichen Bedarfs»: Andererseits<br />
zählen wir aber auch länger haltbare Produkte wie Reis,<br />
Teigwaren, Konserven sowie Haushaltsartikel (Waschund<br />
Putzmittel, Abfallsäcke etc.) dazu.<br />
2.7.3 Freizeitverkehr<br />
In der Kategorie Freizeit nicht enthalten ist der Urlaub.<br />
Gemessen wurden im Freizeit-Bereich sämtliche Wege vom<br />
Wohnort zum Freizeitplatz hin und zurück sowie allenfalls<br />
die Aktivität selber (W<strong>and</strong>ern, Joggen, Velofahren etc.).<br />
Konkret betrachteten wir die Kategorien:<br />
- Vereine (Musik-, Trachten-, Schützenvereine etc.,jedoch<br />
ohne Sportvereine)<br />
- Sport (individuell oder in einem Verein nachgegangen)<br />
- KinofI'heater/Konzerte<br />
- Unterhaltung (Disco, Bar)<br />
- Aktivität im Freien (W<strong>and</strong>em, Spazieren,Veloausflüge)<br />
Besuch von Museen und Sehenswürdigkeiten<br />
- Besuch von Restaurants<br />
- Weiterbildungskurse und<br />
- Besuch von Freunden, Bekannten und Verw<strong>and</strong>ten.<br />
2.7 Untersuchte Verkehrszwecke<br />
2.7.1 Pendelverkehr<br />
Unter Pendelverkehr verstehen wir Personenverkehr, der<br />
sich regelmässig zwischen normalerweise gleichbleibenden<br />
Punkten abwickelt, das heisst vom Wohnort zum Arbeitsort<br />
oder zur Ausbildungsstätte und wieder zurück. Pendler sind<br />
sowohl Arbeitspendler als auch Schülerinnen und Schüler.<br />
2.7.2 finkaufsverkehr<br />
Bei der Analyse des Einkaufsverkehrs 2 beschränkten wir<br />
uns auf die Einkäufe von Produkten des täglichen Bedarfs:<br />
«Frischprodukte»: Mit Produkten des täglichen Bedarfs<br />
sind einerseits Frischwaren wie Brot, Gemüse, Obst,<br />
Fleisch oder Milchprodukte gemeint, die in der Regel<br />
täglich oder zwei- bis dreimal pro Woche gekauft werden.<br />
2Eine besonders auch im Klettgau wichtige Unterkategorie des Einkaufsverkehrs,<br />
das «Tanken», wurde bereits in der UNS-Fallstudie '97 (Scholz et<br />
al., 1998) ausführlich untersucht undentfällt deshalb in unseren Betrachtungen<br />
(vgl. Kap. 2.5).<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
65
Mobilität im Klettgau<br />
3 Ziele 4 Vorgehen und Methoden<br />
Wegen der ländlichen Lage des Klettgaus in unmittelbarer<br />
Nähe zu den Städten Waldshut-Tiengen, Schaffhausen und<br />
Zürich sowie wegen der L<strong>and</strong>esgrenze, die mitten durch die<br />
<strong>Region</strong> verläuft und für ein unterschiedliches Preisniveau in<br />
beiden Teilen des Klettgaus verantwortlich ist, erachteten<br />
wir die Bereiche Pendel-, Einkaufs- und Freizeitverkehr als<br />
besonders geeignet und interessant für Untersuchungen zur<br />
Mobilität in diesem Gebiet. Da unsere Arbeit im Zusammenhang<br />
mit der Zielsetzung der gesamten Fallstudie '98<br />
st<strong>and</strong> - dem Aufzeigen von Chancen der <strong>Region</strong> durch eine<br />
nachhaltige Entwicklung -, setzten wir uns als Synthesegruppe<br />
Mobilität folgende zwei Ziele:<br />
I. Es soll aufgezeigt werden, wie die Mobilität im Klettgau<br />
bezüglich Umweltverträglichkeit, Nachfrage und (externer)<br />
Kosten optimiert werden könnte.<br />
2. Die Klettgauer Bevölkerung soll über Angebote umweltverträglicher<br />
Mobilität informiert werden. Weiter sollen<br />
Vorschläge für eine Image-Stärkung des öffentlichen<br />
Verkehrs gesucht werden.<br />
Um die im ersten Ziel angesprochene Umweltverträglichkeit<br />
beurteilen zu können und Zielwerte für die Optimierung<br />
zu haben, definierten wir in Anlehnung an das Energieprogramm<br />
2000 (Internet: Bundesamt für Statistik) folgende<br />
Vorgaben 3 :<br />
Der Energieverbrauch im Verkehrsbereich soll bis ins<br />
Jahr 2010 auf dem St<strong>and</strong> von 1990 stabilisiert werden.<br />
Somit dürfen im Klettgau pro Tag 1'870 Gigajoules<br />
verbraucht werden (Bundesamt für Statistik, 1998).<br />
Bis 2010 soll der Kohlendioxid-Ausstoss des Verkehrs<br />
auf 80% des St<strong>and</strong>es von 1990 gesenkt werden. Im<br />
Klettgau dürften - dem schweizerischen Durchschnitt<br />
entsprechend - demnach nur noch 80 Tonnen COz pro<br />
Tag emittiert werden (Bundesamt für Umwelt, Wald und<br />
L<strong>and</strong>schaft, 1995).<br />
4.1 Überblick: Vom Ist-Zust<strong>and</strong> zur<br />
zukünftigen Entwicklung<br />
Nachdem die Ziele festgelegt waren, wurde für die weitere<br />
Arbeit ein zweistufiges Vorgehen gewählt.<br />
1. In einem ersten Schritt erhoben die Teilprojekte «Pendelverkehr»<br />
und «Einkaufs- & Freizeitverkehr» die heutige<br />
Verkehrssituation im Klettgau.<br />
2. Um im Anschluss Aussagen zu einer zukünftigen Verkehrsentwicklung<br />
machen zu können, erstellte das Teilprojekt<br />
«Szenarien & Kommunikation» drei Rahmenszenarien<br />
(vgl. Abb. 4.1).<br />
Für die Analyse des Ist-Zust<strong>and</strong>es konstruierten wir ein<br />
Verkehrs-Belastungsmodell, das auf verschiedenen Verkehrs-<br />
und Volkszählungsdaten basierte. Mit diesem Modell<br />
war es möglich, die Distanzen zu berechnen, die im Klettgau<br />
mit den öffentlichenund privaten Verkehrsmittelnjeden Tag<br />
zurückgelegt werden. Mit Hilfe dieser Kilometerangaben<br />
quantifizierten wir anschliessend Umweltbelastungen wie<br />
Lärm- oder Schadstoffemissionen.<br />
Um die Zahlen aus dem Verkehrs-Belastungsmodell überprüfen<br />
zu können, befragten wir mehr als hundert im Klettgau<br />
wohnende Personen. Die Umfrage lieferte auch wertvolle<br />
Informationen zum individuellen Verkehrsverhalten<br />
(Gründe, Motivation, Akzeptanz der unterschiedlichen Verkehrsträger).<br />
So interessierte uns beispielsweise, welchen<br />
Ruf die öffentlichen Verkehrsmittel im Klettgau haben oder<br />
welche Produkte bevorzugt aufder <strong>and</strong>eren Seite der Grenze<br />
eingekauft werden und warum.<br />
Für Aussagen zur zukünftigen Mobilitätsentwicklung<br />
kreierten wir mittels einer formativen Szenarioanalyse die<br />
drei Rahmenszenarien Trend, Trendwende und Trendumkehr.<br />
Diese Szenarien sind als politische, wirtschaftliche<br />
und technologische Zukunftsbilder zu verstehen, die eine<br />
grossräumige Entwicklung beschreiben, in die der Klettgau<br />
zwar eingebettet ist, auf die er selbst aber keinen Einfluss<br />
hat. Die Auswirkungen der Rahmenszenarien auf die regionale<br />
Verkehrssituation wurden in derFolge zu quantifizieren<br />
versucht und auf das Verkehrs-Belastungsmodell übertragen,<br />
um die zukünftige verkehrsbedingte Umweltbelastung<br />
abschätzen zu können.<br />
Je nach Ergebnis suchten wir dann noch nach Massnahmen,<br />
mit welchen die Zielvorgaben bezüglich Kohlendioxid-Ausstoss<br />
und Energieverbrauch erreicht werden könnten.<br />
4.2 Systemabgrenzung<br />
3Diese Zielvorgaben wurden ausgehend vom durchschnittlichen Energieverbrauch<br />
und Kohlendioxid-Ausstoss in der Schweiz berechnet und sind<br />
proportional zur Bevölkerungszahl des Klettgaus.<br />
Besonders für das Verkehrs-Belastungsmodell, aber auch<br />
für die <strong>and</strong>eren Arbeiten ist es notwendig, zunächst eine<br />
Systemabgrenzung vorzunehmen. Zu unserem System gehören<br />
folgende Gemeinden:<br />
Auf Schweizer Seite die Gemeinden Beringen, Guntmadingen,<br />
Löhningen, Siblingen, Gächlingen, Oberhallau,<br />
66<br />
UNS-Fallstudie '98
Mobilität im Klettgau<br />
Synthesephase I Teilprojektphase Synthesephase 11<br />
Abb. 4.1: Die Architektur<br />
der Synthesegruppe<br />
Mobilität<br />
mit den<br />
drei Ablaufphasen<br />
«Synthesephase<br />
l» (Zielfindung),<br />
«Teilprojektphase»<br />
(Datenbeschaffung)<br />
und «Synthesephase<br />
ll» (eigentliche<br />
Synthese).<br />
Die einzelnen<br />
Phasen sind im<br />
Kapitel Die Organisation<br />
der<br />
UNS Fallstudie<br />
beschrieben.<br />
Hallau, Neunkireh, Osterfingen, Wilchingen und Trasadingen.<br />
Auf deutscher Seite die Gemeinde Lauchringen mit den<br />
Ortsteilen Ober- und Unterlauchringen und die Gemeinde<br />
Klettgau mit den Ortsteilen Erzingen, Weisweil, Riedem,<br />
Griessen, Rechberg, und Geisslingen (ohne Bühl).<br />
Die Verkehrsströme aus dem System hinaus untersuchten<br />
wir im Norden bis nach Schleitheim, im Osten bis Schaffhausen,<br />
im Süden bis Zürich und im Westen bis nach<br />
Waldshut-Tiengen.<br />
4.3 Verkehrs-Belastungsmodell<br />
Um die Verkehrssituation im Klettgau und die damit einhergehende<br />
Umweltbelastung erfassen und beschreiben zu<br />
können, erstellten wir ein einfaches Verkehrs-Belastungsmodell<br />
mit dem<br />
einerseits die Umweltauswirkungen und<br />
<strong>and</strong>ererseits die Auswirkungen derRahmenszenarien auf<br />
den Verkehr im Klettgau quantitativ abgeschätzt werden<br />
konnten.<br />
Das Modell entst<strong>and</strong> in drei Schritten:<br />
1. Zuerst errechneten wir die im Klettgau pro Tag gesamthaft<br />
zurückgelegten Distanzen. Diese Berechnungen<br />
wurden für die Kategorien Motorisierter Individualverkehr<br />
(MIV) und Öffentlicher Verkehr (ÖV) durchgeführt.<br />
DerMIV umfasstPersonenwagen, Motorräderund<br />
Mofas (Bundesamt für Statistik, 1996). Bei der späteren<br />
Berechnung der Umweltbelastung wurden aber jeweils<br />
nur die Emissionsfaktoren der Autos berücksichtigt (vgl.<br />
Kap. 4.3.2). Beim ÖV unterschieden wir die Fahrzeugty-<br />
pen (Diesel-) Bus, Dieselbahn und elektrisch betriebene<br />
Bahn.<br />
2. In einem zweiten Schritt wurden die berechneten Tagesdistanzen<br />
auf die Bereiche Pendel-, Einkaufs-, Freizeitund<br />
Geschäftsverkehr aufgeteilt. (Unter die Kategorie<br />
«Geschäftsverkehr» fallen sämtliche Fahrten, die während<br />
der Arbeit ausgeführt werden.)<br />
3. Zuletzt ermittelten wir anh<strong>and</strong> von Emissionsfaktoren<br />
die Umweltbelastung des Verkehrs im Klettgau.<br />
Aufdie einzelnen Vorgehensschritte wird in den nächsten<br />
zwei Kapiteln noch etwas näher eingegangen.<br />
4.3.1 Berechnung der Verkehrsbelastung<br />
Bei der Erstellung des Verkehrs-Belastungsmodells folgten<br />
wir nicht dem üblichen Weg der Verkehrsplanung, der für<br />
unsere Zwecke zu detaillierte Ergebnisse geliefert hätte.<br />
Gewisse Teilschritte des klassischen Modells führten wir<br />
aber dennoch durch. Aus diesem Grund und um später (vgl.<br />
Kap. 5.5) unsere Arbeit in Beziehung zur herkömmlichen<br />
Methodik setzen zu können, wird an dieser Stelle kurz auf<br />
die gebräuchliche Vorgehensweise bei der Konstruktion<br />
eines Verkehrsmodells eingegangen.<br />
«Zur Erklärung und Prognose der interzonalen Verkehrsbeziehungen<br />
stehen eine Vielzahl von Verkehrsmodellen zur<br />
Veifügung. Die bekanntesten Verkehrsmodelle, die sogenannten<br />
«traditionellem> Verkehrsmodelle, können durch<br />
folgende 4-stufige Model/sequenz charakterisiert werden,<br />
wobei die einzelnen Modellstufen die Entscheidungsmöglichkeiten<br />
des potentiellen Nachfragers nach Verkehrsleistungen<br />
eifassen:<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
67
Mobilität im Klettgau<br />
(i) Soll eine Fahrt unternommen werden? (wenn ja, zweite<br />
Teilentscheidung)<br />
(ii) Wohin soll gefahren werden?<br />
(iii) Welches Verkehrsmittel soll in Anspruch genommen<br />
werden?<br />
(iv) Aufwelcher Route soll gefahren werden?<br />
Entsprechend den Teilentscheidungen (i) - (iv) gliedern sich<br />
die traditionellen Verkehrsmodelle infolgende Submodelle:<br />
(j) Modelle des Verkehrsaufkommens<br />
(jj) Modelle der Verkehrsverteilung<br />
(jjj) Modelle der Verkehrsmittelwahl<br />
(jv) Modelle der Routenwahl.» (Baumann, 1984, S.ll)<br />
Je nach Literatur werden die vier Teilmodelle <strong>and</strong>ers<br />
benannt, beispielsweise (Dorfwirth, Gobiet & Sammer,<br />
1980):<br />
- Verkehrserzeugungsmodell<br />
Verkehrsverflechtungsmodell (Verteilung)<br />
Verkehrsteilungsmodell (Verkehrsmittelwahl, Modal<br />
Split)<br />
- Wegewahl- und Verkehrsumlegungsmodell<br />
Im Gegensatz zu den drei ersten Modellschritten, die wir<br />
zumindest teilweise durchgeführt haben (vgl. Kap. 5.5),<br />
verzichteten wir aufden vierten Schritt, das Wegewahl- und<br />
Verkehrsumlegungsmodell. Ein Prinzip der Verkehrsumlegung<br />
- die Verkehrsnetzmodellierung - bildete dafür den<br />
Ausgangspunkt für unser eigenes Verkehrs-BelastungsmodelI.<br />
«Verkehrsumlegungsmodelle bilden [...] die Wegewahl<br />
der Verkehrsteilnehmer in einem Verkehrsnetzmodell nach.<br />
[...]<br />
Das konkret vorh<strong>and</strong>ene Verkehrsnetz mit seiner Vielzahl<br />
von Knoten und Strecken muss vereinfacht und schematisiert<br />
werden. Dabei sind diefür den jeweiligen Planungsfall<br />
undfür die Durchführung der Planungsaufgabe wichtigen<br />
Elemente des Verkehrsnetzes in das Verkehrsnetzmodell einzubeziehen.<br />
Das Verkehrsnetzmodell bildet dann die wesentliche<br />
Netzgestalt nach.<br />
Die Darstellung des Verkehrsnetzes erfolgt im allgemeinen<br />
durch Strecken und Knoten, wobei jede Strecke durch<br />
Knoten begrenzt ist [. ..].» (Schnabel & Lohse, 1997, S.<br />
268f)<br />
Die in unserem Modell verwendeten Begriffe «Strecke»<br />
und «Knoten» haben eine leicht <strong>and</strong>ere Bedeutung als in der<br />
zitierten Literatur. Wir kennen zwei Arten von Strecken,<br />
einerseits Strassen beziehungsweise Strassenabschnitte und<br />
<strong>and</strong>ererseits Schienenabschnitte. Als Verkehrsknoten 4 gelten<br />
bei uns Dörfer, wichtige Kreuzungen oder neuralgische<br />
Punkte (Engpässe) (vgl.Abb. 4.2).<br />
Gebildet wurde das «Netz» für den Klettgau aus 32 Verkehrsknoten<br />
und 60 Verbindungsstrecken (vgl. Abb. 4.2).<br />
Verkehrszählungen (Tiefbauamt Schaffhausen, 1997,<br />
Strassenbauverwaltung Baden-Württemberg, 1995) gaben<br />
Auskunft über die Anzahl Fahrzeuge der Kategorie MIV, die<br />
pro Tag auf den Strassen im Klettgau unterwegs sind. Und<br />
aus Fahrplänen (Waldshuter Tarif-Verbund, 1997, Schweizerische<br />
Bundesbahnen, 1997) ermittelten wir für jede<br />
Teilstrecke das Angebot der öffentlichen Verkehrsmittel.<br />
Durch Multiplikation dieser Fahrzeugfrequenzen mit den<br />
Längen der jeweiligen Teilstrecken berechneten wir die pro<br />
Tag im Klettgau von den beiden Modi ÖV und MIV gefahrenen<br />
Kilometer (sogenannte Fahrzeugkilometer, abgekürzt<br />
Fzgkm).<br />
Im nächsten Arbeitsschritt wurden die Gesamtdistanzen<br />
aufdie Zwecke Pendel-, Einkaufs-, Freizeit- und Geschäftsverkehr<br />
aufgeteilt. Da das Netzmodell keine Informationen<br />
über den Fahrtzweck enthielt, musste zusätzliches Datenmaterial<br />
herangezogen werden.<br />
Für den Pendelverkehr aufder Schweizer Seite des Klettgaus<br />
konnten wir auf die Volkszählung von 1990 zurückgreifen<br />
(Bundesamt für Statistik, 1994). Aus dieser konnten<br />
wir für jede Gemeinde die Anzahl Zu- und Wegpendler<br />
herauslesen - je mit Start- und Zielort-und somit die für den<br />
Arbeitsweg absolvierten Strecken berechnen. Diese Strekkenlängen<br />
weisen allerdings die Einheit Personenkilometer<br />
(Pkm) auf. Bei der Volkszählung wird nicht berücksichtigt,<br />
wieviele Menschen sich in einem Fahrzeug aufhalten. Um<br />
die Personen- in Fahrzeugkilometer umzurechnen, orientierten<br />
wir uns am durchschnittlichen Autobelegungsgrad<br />
im ländlichen Raum (Bundesamt für Statistik, 1996) (vgl.<br />
Tab. 4.1). Die Umrechnung von Pkm in Fzgkm und umgekehrt<br />
benötigten wir später auch für den Vergleich der<br />
Verkehrsmenge im Klettgau mit dem durchschnittlichen<br />
Verkehrsaufkommen im ländlichen Raum (vgl. Kap. 5).<br />
Den Anteil des Pendelverkehrs am Gesamtverkehr aufder<br />
Schweizer Seite konnten wir also ermitteln, nicht jedoch die<br />
der <strong>and</strong>eren Bereiche. Damit wir trotzdem eine Klassifizierung<br />
vornehmen konnten, teilten wir die restlichen Distanzen<br />
gemäss dem schweizerischen Mittel für den ländlichen<br />
Raum zwischen den übriggebliebenen Zwecken Einkaufs-,<br />
Freizeit- und Geschäftsverkehr auf (Bundesamt für Statistik,<br />
1996).<br />
Tab. 4.1: Verwendeter Autobelegungsgradfür verschiedene<br />
Verkehrszecke (Bundesamtfür Statistik, 1996)<br />
4Ein ähnlicher Begriffwird ebenfalls in der Raumplanung verwendet. Unter<br />
«Verkehrsschwerpunkten» versteht die deutsche Raumplanung «Städte mit<br />
i. allg. mehr als 50'000 Einwohnern, die im jeweiligen Einzugsgebiet<br />
innerhalb einerStunde Pkw-Fahrzeit im Bundesfernstrassennetz erreichbar<br />
sind» (ScWiebe, 1985, S. 152). Der von uns verwendete Ausdruck «Verkehrsknoten»<br />
stellt damit eine Kombination der in der Verkehrs- und<br />
Raumplanung gebräucWichen Bezeichnungen dar.<br />
Pendelverkehr Arbeit:<br />
Pendelverkehr Ausbildung:<br />
Einkauf:<br />
Freizeit:<br />
Geschäft:<br />
1,14 Personen/Auto<br />
1,39 Personen/Auto<br />
1,65 Personen/Auto<br />
1,87 Personen/Auto<br />
1,29 Personen/Auto<br />
68 UNS-Fallstudie '98
Mobilität im Klettgau<br />
Verkeh rsknoten<br />
Systemgrenze<br />
innerhalb des Syslems: ausserhalb des Systems (als Zielorte '''''''''''' ? FzIT<br />
BE Beringen für den Verkehr aus dem Kletlgau):<br />
EN En\)e JL JestetteniLotlstetlen ............ < 1'000 FzIT<br />
ER Erzmgen NH Neuhausen __ 1'000 - 4'999 FzfT<br />
GA Gächlingen RF Rafzerfeld<br />
GE Geisslingen SH Schaffhausen SS 5'000 - 9'999 FzfT<br />
GU Guntmadingen SS Schleitheim:T\ = :2: 10'000 FzIT<br />
GK Gunlmadingen Kreuzung WO Wutöschingen : : ,<br />
GR Griessen WT Waldshut-Tiengen f j \ ,- - - Dieselbahn<br />
HA Hallau ZF Zürich Flughafen f j \ _._._ Bus<br />
LA Lauchringen ZH Zürich ..L--'-+- .----.. --....<br />
LO Löhningen /_.. i j \ "'-<br />
NK Neunkirch / f i \ SI<br />
OF Oslerfingen / i j \<br />
OK Osterfingen Kreuzung / f i \ /<br />
OH Oberhallau / i 'OH \ ./<br />
RB Rechberg ,f : \ /<br />
RI Riedern / HA f ....···.6,·:··.....
Mobilität im Klettgau<br />
4.3.2 Berechnung der Umweltbelastung<br />
Um nach der Bestimmung der Verkehrsbelastung die Umweltauswirkungen<br />
analysieren zu können, wählten wir verschiedene<br />
Indikatoren. Umweltindikatoren geben die Umweltbelastung<br />
pro Transporteinheit (z.B. pro Pkm) an und<br />
gelten somit als Mass für die Umwelteffizienz eines Verkehrsmittels<br />
(Eidgenössisches Verkehrs- und Energiedepartement,<br />
1997). Für die Bewertung berücksichtigten wir:<br />
den Energieverbrauch<br />
die Klimabeeinflussung (Kohlendioxid-Ausstoss)<br />
- die Luftbelastung (Partikel- und Stickoxid-Ausstoss)<br />
- den Lärm und<br />
den Flächenverbrauch.<br />
Einen weiteren Indikator stellten die<br />
- externen Kosten<br />
dar, welche die Umweltauswirkungen zu monetarisieren<br />
versuchen (vgl. Kap.2.2). (Eine Zusammenstellung der für<br />
die Indikatoren verwendeten Werte findet sich in Tabelle<br />
4.2.)<br />
Energieverbrauch<br />
Im Energieverbrauch sind sowohl die für den Betrieb des<br />
Transportmittels benötigten Energiequellen (z.B. Benzin)<br />
als auch die graue Energie enthalten. Als graue Energie wird<br />
die Energie bezeichnet, welche für die Herstellung der Fahrzeuge,<br />
der Treibstoffe und der Infrastruktur (z.B. Strasse)<br />
benötigt wird (Infras, 1995). Angegeben wir der Energieverbrauch<br />
in Megajoules pro Fzgkm.<br />
Kohlendioxid-Ausstoss<br />
Kohlendioxid (C02) ist kein Schadstoff wie Stickoxid<br />
(NO x) oder Kohlenmonoxid (CO), welche beispielsweise<br />
aufden Menschen direkt toxisch wirken. Die Bedeutung des<br />
Kohlendioxids liegt in dessen Klimarelevanz, das heisst,<br />
C02 ist ein wichtiges Treibhausgas, welches sich in der<br />
Atmosphäre anreichert und langfristig zur Klimaerwärmung<br />
beiträgt. Gemessen wird der Kohlendioxid-Ausstoss<br />
in Gramm pro Fzgkm.<br />
Partikel (Gesamtstaub)<br />
Unter dem Begriff Partikel werden feste Teilchen unterschiedlicher<br />
Grösse und Zusammensetzung verst<strong>and</strong>en. In<br />
der Publikation, aus der die entsprechenden Zahlenwerte<br />
stammen, werden Betrachtungen für die Kategorie «Gesamtschwebestaub»<br />
angestellt.<br />
«Unter der Bezeichnung 'Gesamtschwebestaub' sind<br />
Grobstaub, Feinstaub, Russ, Partikel und Aerosole zusam-<br />
70<br />
UNS-Fallstudie '98
Mobilität im K1ettgau<br />
Tab. 4.2: Umweltindikatoren im Überblick (1997) (Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft (B UWAL) , 1995;<br />
Schweizerischer Stab für Gesamtverkehrsfragen, 1997; Infras, 1995, Mauch & Rothengattel~ 1995)<br />
Indikator Einheit MIV (Pkw) I Bus Dieselbahn E-Bahn<br />
Energieverbrauch MJ/Fzgkm 5,25 I<br />
17,33 28,98 39,1<br />
Kohlendioxid<br />
I<br />
g/Fzgkm 164 I 766 2117 162<br />
Partikel I g/Fzgkm I 0,09 0,49 0,481 1,26<br />
Stickoxide<br />
g/Fzgkm<br />
I<br />
0,66 11,26 I 41,6 0,323<br />
Lärm m 2 /Fzgkm 64,8 145 I -*) 1150<br />
Flächenverbrauch m 2 a/Fzgkm 0,013 0,063 - 0,009<br />
Externe Kosten Rp/Fzgkm 11 - - 175<br />
i<br />
I<br />
,<br />
*) Für die mit - gekennzeichneten Kategorien konnten in derLiteraturkeine entsprechenden Emissionsfaktoren oder Umweltindikatoren gefunden werden.<br />
Dies bedeutet nicht, dass die entsprechenden Umweltbelastungen vernachlässigt werden dürfen.<br />
mengefasst. Darin können zahlreiche anorganische Verbindungen<br />
(z.B. Schwermetalle) und organische Verbindungen<br />
(z.B. polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Dioxine/Furan)<br />
enthalten sein.» (BUWAL, 1995, S. 29)<br />
Feinstäube und Russ (Dieselmotoren) können zu Erkrankungen<br />
der Atemwege führen und die Mortalität sowie das<br />
Krebsrisiko erhöhen. Sedimentstaub (Staubniederschlag)<br />
belastet den Boden, Pflanzen und - über die Nahrungskette<br />
- auch den Menschen durch im Staub enthaltene Schwermetalle<br />
und Dioxine/Furane (BUWAL, 1995).<br />
Stickoxide<br />
Die durch den Verkehr verursachte Luftverschmutzung wird<br />
durch die Indikatoren Stickoxide (NOx) und Partikel gemessen.<br />
«Unter dem Begriff Stickoxide werden Stickstoffdioxid<br />
(N02) und Stickstoffmonoxid (NO) zusammengefasst. Da<br />
NO rasch zu N02 oxidiert, werden die Emissionen gesamthaft<br />
als Stickstoffdioxid (N02)-Aequivalente angegeben.»<br />
(Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft (BUWAL),<br />
1995, S.27)<br />
Hauptquelle für diese Schadstoffe ist der Strassenverkehr.<br />
Stickoxide haben verschiedene Auswirkungen auf Mensch<br />
und Umwelt. Sie können zu einer Erkrankung der menschlichen<br />
Atemwege führen, eine Überdüngung von Ökosystemen<br />
bewirken und- in Kombination mit <strong>and</strong>eren Schadstoffen<br />
- Pflanzen und empfmdliche Ökosysteme aufvielfältige<br />
Weise schädigen. Zudem sind sie Vorläufersubstanzen für<br />
die Bildung von sauren Niederschlägen, sekundären Aerosolen<br />
und - zusammen mit flüchtigen organischen Verbindungen<br />
(VOC) - von Photooxidantien (Ozon / Sommersmog)<br />
(BUWAL, 1995).<br />
Lärm<br />
Lärm wird in derEinheit [m 2 mit dB(A)/Fzgkm] angegeben.<br />
DerIndikator zeigt die Fläche in m 2 pro Fzgkm, die während<br />
einer Stunde bei maximalem, monomodalem Verkehr einem<br />
Lärm von 60 dB(A) ausgesetzt ist (Infras, 1995).<br />
Flächenverbrauch<br />
Der Flächenverbrauch der Verkehrsträger ist vor allem von<br />
Bedeutung, weil die beanspruchte Fläche zum grössten Teil<br />
versiegelt ist und somit als Lebensraum für Pflanzen und<br />
Tiere verlorengeht.<br />
«Die Flächenkennzifferwird ausgedrücktdurch die einem<br />
Verkehrsmittel pro Zeiteinheit zur Verfügung stehenden Infrastrukturfläche<br />
dividiert durch die Verkehrsleistung.» (lnfras,<br />
1995, S. 79)<br />
Je grösser und schlechter ausgelastet ein Verkehrsmittel<br />
ist, desto höher ist die spezifische Flächenbelastung (Einheit:<br />
m 2 a/Fzgkm).<br />
Externe Kosten<br />
Die von uns verwendeten externen Kosten enthalten Unfallkosten<br />
sowie Kosten, die durch Lärmbelastung, Luftverschmutzung<br />
und Klimabeeinflussung entstehen (Mauch &<br />
Rothengatter,1995).<br />
4.4 Umfrage zur Mobilität im KIeltgau<br />
Die Umfrage «Mobilität im Klettgau» verfolgte mehrere<br />
Ziele:<br />
Sie diente zur Verifikation der Zahlen aus dem Verkehrs<br />
Belastungsmodell, indem sie erkundete, welche Verkehrsmittel<br />
(Kategorien: Zu FussNelo, MIV, ÖV,<br />
MIV/ÖV 5 ) zu welchen Zwecken (Arbeit, Einkauf, Frei-<br />
5Die Kategorie «MIV/ÖV" enthält Wege, auf denen sowohl motorisierte<br />
individuelle als auch öffentliche Verkehrsmittel benutzt werden.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
71
Mobilität im Klettgau<br />
zeit) benutzt werden und welche Distanzen mit ihnen<br />
zurückgelegt werden.<br />
- Weiter lieferte sie für die Bereiche Einkaufs- und Freizeitverkehr<br />
qualitative Informationen zum entsprechenden<br />
Verkehrsverhalten. Aus den Ergebnissen der <strong>ETH</strong><br />
UNS Fallstudie '97 wussten wir zum Beispiel, dass die<br />
Deutschen häufiger auf der <strong>and</strong>eren Seite der Grenze<br />
einkaufen als die Schweizer (Scholz et al., 1998). Eine zu<br />
untersuchende Frage war deshalb, bei welchen Produkten<br />
und warum dies der Fall ist.<br />
- Schliesslich hatte die Umfrage auch den Zweck, abzuklären,<br />
welchen Ruf die öffentlichen Verkehrsmittel im<br />
Klettgau haben und wie bekannt alternative Fortbewegungsmittel<br />
(z.B. Twike) und Verkehrsformen (z.B. Car<br />
Sharing) in dieser <strong>Region</strong> sind.<br />
Als Untersuchungsorte wurden Neunkirch und Hallau auf<br />
der SchweizerSeite sowie Erzingen und Geisslingen aufder<br />
deutschen Seite des Klettgaus gewählt. Neben der L<strong>and</strong>eszugehörigkeit<br />
diente die Erschliessung durch Bahn und<br />
Strasse als wichtiges Auswahlkriterium für die Dörfer. Erzingen<br />
und Neunkirch sind verkehrsgünstig gelegen, beide<br />
liegen unmittelbar an der Eisenbahnlinie und an der Hauptstrasse<br />
B 34. Zudem verfügen beide Dörfer über zahlreiche<br />
Busverbindungen. Im Gegenteil dazu haben Geisslingen<br />
und Hallau keinen direkten Bahnanschluss, und auch die B<br />
34 führt nicht direkt an ihnen vorbei. Die Wahl dieser vier<br />
Dörfer als Untersuchungsgebiete hatte weiter den Vorteil,<br />
dass wir für Erzingen, Hallau und Neunkirch bereits auf<br />
Informationen der Befragung der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie '97<br />
zurückgreifen konnten.<br />
Durchgeführt wurde die Umfrage mittels telefonischer<br />
und persönlicher Befragungen. Damit eine möglichst grosse<br />
Repräsentativität erreicht werden konnte, arbeiteten wir mit<br />
Quoten (vgl. Tab. 4.3). Die Zahl der Interviews wurde den<br />
Einwohnerzahlen entsprechend auf die verschiedenen Dörfer<br />
verteilt. Weiter bildeten wir zwei Alterskategorien (19 <br />
64-jährig und 65-jährig oder älter), denen wir wieder entsprechend<br />
den Anteilen in der Bevölkerung die Interviews<br />
zuordneten. Eine letzte Quotierung erfolgte nach Geschlecht.<br />
In einem Zeitraum von <strong>and</strong>erthalb Wochen wurden an<br />
verschiedenen Tagen und zu unterschiedlichen Zeiten 116<br />
Personen befragt.<br />
4.5 Die formative Szenarioanalyse<br />
Die Methode der formativen Szenarioanalyse (Hassler &<br />
Schärli, 1995/96) dient dazu, Einblicke in mögliche zukünftige<br />
Entwicklungen und Zustände zu gewinnen. Ein sich<br />
veränderndes System wird dabei als Untersuchungsgrundlage<br />
betrachtet. Das System kann einen Markt, ein Areal oder<br />
wie bei unserer Betrachtungsweise eine <strong>Region</strong> umfassen.<br />
Bei der Szenarioanalyse geht es im Gegensatz zu einer<br />
prognostizierenden Aussage nicht um die Extrapolation aktueller<br />
Strömungen. Vielmehr dient sie einerseits dem genauen<br />
Verständnis eines Systems, seiner Abhängigkeiten<br />
und den wirkenden Einflussgrössen. Andererseits können<br />
mit der formativen Szenarioanalyse H<strong>and</strong>lungsstrategien<br />
zur Umsetzung von fördernswerten bzw. nachhaltigen Entwicklungen<br />
im betrachteten System erarbeitet werden. Die<br />
Analyse ermöglicht zusätzlich die Diskussion verschiedener<br />
umweltwissenschaftlich relevanter Fragen über Einflussauswirkungen<br />
politischer, ökonomischer, ökologischer<br />
und sozialer Art (Scholz et al., 1996, 1997).<br />
Tab. 4.3: Bei der Umfrage zur Mobilität im Klettgau wurde mit Quoten gearbeitet, um eine möglichst grosse Repräsentativität<br />
erreichen zu können. Die Prozentzahlen bei den Dörfern geben an, welcher Anteil der Interviews im entsprechenden<br />
Ort durchgeführt werden musste. Eine anteilsmässige Aufteilung der Befragungen f<strong>and</strong> auch zwischen den<br />
beiden Alterskategorien statt. In den Spalten drei und vier sind die tatsächlich durchgeführten Interviews vermerkt.<br />
I Ort Altersklasse I Männer frauen<br />
I Neunkirch I 16-64 (77,8%)<br />
11 12<br />
(23%)<br />
I<br />
> 65 (22,2%) 3 3<br />
I<br />
Hallau 16-64 (77,8%)<br />
10 12<br />
(25%) > 65 (22,2%) I<br />
3 4<br />
i Erzingen<br />
16-64 (80,6%) 15 20<br />
(40%) ><br />
I<br />
65 (19,4%) 5 4<br />
Geisslingen 16-64 (80,6%) 6 5<br />
I<br />
(12%)<br />
I > 65 (19,4%) 1 2<br />
Total 16-64 (78%) 42 49<br />
0<br />
(100 Yo)<br />
0<br />
> 65 (22 Yo)<br />
12<br />
13<br />
I<br />
54 62<br />
I<br />
I<br />
•<br />
72 UNS-Fallstudie '98
Mobilität im Klettgau<br />
4.5.1 Ziel<br />
Mit der Methode Szenarioanalyse wurden verschiedene Ziele<br />
verfolgt:<br />
- Systemverständnis<br />
Durch die Szenarioanalyse konnten wir ein vertieftes<br />
Verständnis von politischen, sozialen und ökonomischen<br />
Zusammenhängen rund um die Mobilität in der <strong>Region</strong><br />
Klettgau aufbauen.<br />
Darstellung zukünftiger Altemativzustände (Szenarien)<br />
Mit Hilfe der Szenarioanalyse wurden zukünftige Rahmenbedingungen<br />
für die Mobilitätsentwicklung im<br />
Klettgau bis 2010 definiert. Die ausgewählten Szenarien<br />
dienten einerseits als Grundlage für die Quantifizierung<br />
der zukünftigen Verkehrsleistung im Klettgau. Andererseits<br />
konnte die verkehrsbedingte Umweltbelastung unter<br />
den verschiedenen Szenarienbedingungen über das<br />
Verkehrs-Belastungsmodell (vgl. Kap. 4.3) bewertet<br />
werden.<br />
Szenarioanalyse als Kommunikationsmittel<br />
Die Entwicklung und Bewertung der Szenarien führte zu<br />
einem interaktiven Gruppenprozess. In der Synthesegruppe<br />
wurden die Rahmenbedingungen mehrmals hinsichtlich<br />
ihrer Konkretisierungsmöglichkeiten im Verkehrs-Belastungsmodell<br />
(vgl. Kap. 4.3) diskutiert und<br />
abgestimmt.<br />
Entwicklung von H<strong>and</strong>lungsstrategien<br />
Der durch die Szenarien beschriebene Zukunftsraum zur<br />
Verkehrsentwicklung im Klettgau bot uns die Möglichkeit,<br />
H<strong>and</strong>lungsstrategien zur Förderung einer nachhaltigen<br />
Mobilität für die <strong>Region</strong> zu entwickeln. Unser Augenmerk<br />
richtete sich dabei auf die Erarbeitung regionaler<br />
Massnahmen, um die unter den szenarischen Rahmenbedingungen<br />
quantifizierte Umweltbelastung aufeinen<br />
vorgegebenen Zielwert zu bringen (vgl. Kap. 3 und<br />
5.4).<br />
4.5.2 Vorgehen<br />
Es bestehen st<strong>and</strong>ardisierte Schrittabfolgen zur Durchführung<br />
einer formativen Szenarioanalyse. Eine detaillierte<br />
Einführung und Hinweise zum Vorgehen finden sich in<br />
Götze (1993) und Missler-Beer (1993). In der Regel ist die<br />
Analyse ein zeitaufwendiger Prozess, der jedoch die Möglichkeit<br />
einer Wissensintegration aus unterschiedlichen Disziplinen<br />
beinhaltet und einen grossen Beitrag zur Entwicklung<br />
der Systemkenntnisse leistet (Scholz et al., 1996).<br />
Bestimmung der Einflussgrössen<br />
Als erstes wurden in einem Gruppenprozess die Strukturen<br />
der Mobilität im Klettgau modelliert und Einflussgrössen<br />
definiert. Einflussgrössen stellen grundlegende Faktoren<br />
dar, welche die zukünftige Entwicklung der räumlichen<br />
Mobilität entscheidend beeinflussen. Es wurde Wert darauf<br />
gelegt, sowohl Faktoren aus den ökonomischen, sozialen als<br />
auch politischen Bereichen zu berücksichtigen.<br />
Eine Teilgruppe erarbeitete ein «Set» von sieben Einflussfaktoren,<br />
indem aus einer grösseren Anzahl Faktoren nach<br />
jeweiliger Einflussstärke selektioniert und ähnliche Einflussgrössen<br />
zu einem übergeordneten Begriff zusammen-<br />
Tab. 4.4: Die 5 ausgewählten Einflussgrössen dargestellt<br />
nach ihrer Bereichszuteilung<br />
Bereich<br />
Politik<br />
Soziales<br />
Ökonomie<br />
gefasst wurden. Anschliessend mussten die Einflussfaktoren<br />
hinsichtlich ihrer Kompatibilität mit dem Verkehrs-Belastungsmodell<br />
überprüft werden. Schliesslich konnte eine<br />
reduzierte Anzahl von fünf Einflussfaktoren über einen<br />
Gruppenkonsens definiert werden, welche wir den Bereichen<br />
Politik, Ökonomie und Soziales zugeteilt haben (vgl.<br />
Tab. 4.4).<br />
Definition der Ausprägungen<br />
Einflussgrösse<br />
EU-Beitritt<br />
Kostenwahrheit<br />
Image der Verkehrsmittel<br />
Wirtschaftliche Entwicklung<br />
Technische Innovationen<br />
Zu jedem Einflussfaktor wurden anschliessend mindestens<br />
zwei Ausprägungen definiert. Die Ausprägungen widerspiegeln<br />
einerseits den IST-Zust<strong>and</strong>, <strong>and</strong>ererseits auch mögliche<br />
zukünftige Entwicklungsformen der Einflussfaktoren.<br />
Durch die Wahl von unterschiedlichen Ausprägungskombinationen<br />
zu den Einflussgrössen können in der Folge verschiedene<br />
zukünftige Zustände eines Systems beschrieben<br />
werden.<br />
Um die begriffliche Ebene zu klären und um die Kommunikation<br />
mit den <strong>and</strong>eren beiden Teilgruppen zu vereinfachen,<br />
wurden die Einflussgrössen und ihre Ausprägungen<br />
ausformuliert (vgl. Tab. 4.5).<br />
Auswahl der Szenarien<br />
Die Ermittlung konsistenter, möglichst wiederspruchsfreier<br />
Szenarien (d.h. Bündel von Ausprägungen der Einflussgrössen)<br />
erfolgt über die sogenannte Konsistenzanalyse. Fürdie<br />
Analyse wird eine Konsistenzmatrix erstellt, in welcher die<br />
einzelnen Einflussgrössen mit ihren Ausprägungen gegenübergestellt<br />
werden. Anh<strong>and</strong> der Matrix kann beschrieben<br />
werden, welche Ausprägungen zweier Einflussgrössen<br />
gleichzeitig zu erwarten sind. Als Konsistenzmass wird ein<br />
Zahlenschlüssel verwendet, der für die «Stärke» der Vereinbarkeit<br />
der Ausprägungen steht. Je grösser das Produkt aus<br />
den Konsistenzmassen der einzelnen Ausprägungskombinationen<br />
eines Szenarios ist, desto mehr Konsistenz weist es<br />
auf (Scholz et al., 1997).<br />
Die theoretische Anzahl konsistenter Szenarien kann sehr<br />
hoch sein. Um bei einer überschaubaren Anzahl Szenarien<br />
mit der Auswahl ansetzen zu können, beschrieben wir deshalb<br />
bereits im Vorfeld der Konsistenzanalyse drei Mobilitäts-Szenarien<br />
mit folgenden einschlägigen Kemaussagen:<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
73
Mobilität im Klettgau<br />
Tab. 4.5: Die durch die Szenarioanalyse gewonnenen Einflussgrössen mit ihren Ausprägungen. Die angegebenen Quantifizierungseinheiten<br />
geben jeweils an, wie die Ausprägungen der Einflussfaktoren im Verkehrs-Belastungsmodell berücksichtigt<br />
bzw. quantifiziert wurden (vgl. Kap. 5.3).<br />
Einflussgrössen<br />
Kostenwahrheit<br />
(KW)<br />
• Kostenwahrheit ist die Folge eines funktionierenden<br />
Marktes. Die Verkehrsteilnehmenden tragen alle durch sie<br />
verursachten Kosten selbst und orientieren sich bei ihren<br />
Fahrentscheiden und ihrer Verkehrsmittelwahl nach den<br />
tatsächlichen gesamtwirtschaftlichen Kosten.<br />
Quantifizierungseinheit [Fr./Fzgkm] [oder Fr.jl]<br />
EU-Beitritt<br />
• Die Beziehung der Schweiz zur EU (Mitglied oder<br />
Nichtmitglied) nimmt Einfluss auf ihre wirtschaftliche<br />
Entwicklung und das Verkehrsverhalten der Bevölkerung,<br />
indem durch einen EU-Beitritt der freie Personenverkehr<br />
ermöglicht wird. Die Grenze als verkehrsförderndes oder<br />
-behinderndes Element wird hier beeinflusst.<br />
• Quantifizierungseinheit [%] Zuwachs an zurückgelegten<br />
Distanzen oder [%] Mobilitätszunahme<br />
Image<br />
• Das Image ist ein weicher Faktor, der die individuelle<br />
Wahl des Verkehrsmittels mitbeeinflusst. Er hängt mit Faktoren<br />
der Angebots- und Servicequalität (Fahrpl<strong>and</strong>ichte,<br />
Preis, Zeitbedarf, Komfort), dem Lifestyle (Lebensgewohnheiten,<br />
Werthaltung) sowie mit dem Umweltbewusstsein<br />
der Bevölkerung zusammen.<br />
• keine Quantifizierungseinheit<br />
Technische Innovationen (TI)<br />
• Technische Innovationen im Verkehrsbereich haben<br />
einen entscheidenden Einfluss auf den künftigen<br />
Ressourcenverbrauch und auf die Umweltverträglichkeit<br />
der einzelnen Verkehrsmodi.<br />
• Quantifizierungseinheit [1/ 100 km] (Treibstoffverbrauch)<br />
Wirtschaftliche<br />
Entwicklung<br />
• Die wirtschaftliche Entwicklung beeinflusst das<br />
Mobilitätsverhalten (Arbeitsweg), indem regionale<br />
Erwerbsstrukturen gestärkt oder geschwächt werden.<br />
• Quantifizierungseinheit [%] Zuwachs an zurückgelegten<br />
Distanzen oder [%] Mobilitätszunahme<br />
Ausprägungen<br />
• Volle KW: Die gesamten (bis heute berechenbaren)<br />
externen Kosten des MIV (Fr. 0.13/Fzkm = Fr. 1.30/1<br />
Benzinpreiserhöhung) und des öffentlichen Verkehrs<br />
werden internalisiert. 1<br />
• Umlagerung MIV: Eine teilweise angew<strong>and</strong>te Kostenwahrheit<br />
im Bereich MIV führt dazu, dass 10% der MIV<br />
Benutzenden auf die öffentlichen Verkehrsmittel umgelagert<br />
werden (Modal-Split-Aenderung um 10% zugunsten<br />
ÖV bedeutet eine Benzinpreiserhöhung um Fr. 0.35/1<br />
(= 3Rp.jFzgkm bei einem Benzinverbrauch von<br />
91j100km), Basis heutiger Benzinpreis Fr. 1.20/1).2<br />
• keine KW: Die externen Kosten werden weiterhin von<br />
Dritten oder der Allgemeinheit getragen. Die Kostenwahrheit<br />
im Verkehr fehlt.<br />
• Ja: Das gesamte Verkehrsaufkommen in der Schweiz<br />
nimmt zu. Der Einkaufsverkehr vermindert sich aufgrund<br />
von Preisausgleichen (Benzin), die Verkehrsdistanzen im<br />
Bereich Pendeln nehmen jedoch zu.<br />
• Nein: Die bestehende L<strong>and</strong>esgrenze wirkt sich stabilisierend<br />
auf die heute zurückgelegten Verkehrsdistanzen<br />
und die Mobilitätszunahme aus.<br />
• MIV St<strong>and</strong>ard: Stellt das heutige Image des motorisierten<br />
Individualverkehrs dar. Diese Ausprägung impliziert<br />
das schlechte Image des öffentlichen Verkehrs.<br />
• ÖV St<strong>and</strong>ard: MIV-Benutzerlnnen steigen in vermehrtem<br />
Masse auf öffentliche Verkehrsmittel um, da der MIV<br />
einem Imageverlust und der ÖV einem Imagegewinn<br />
unterliegen.<br />
• keine TI: Die Umsetzung von emissionsvermindernden<br />
Innovationen auf dem Markt gelingt nicht.<br />
• wenig TI: Die Durchsetzbarkeit von technischen<br />
Innovationen in Richtung Umweltverträglichkeit der<br />
einzelnen Verkehrsmittel tritt langsam ein.<br />
• viel TI: Die Emissionen des MIV werden aufgrund der<br />
marktwirtschaftlichen Durchsetzbarkeit von bahnbrechenden<br />
Technologien gesenkt.<br />
• lentralisierung: Wie bisher erstarken die städtischen<br />
Wirtschaftszentren auf Kosten der ausserstädtischen<br />
Erwerbszentren. Diese Entwicklung führt im Verkehr zu<br />
einer Erhöhung der zurückgelegten Distanzen.<br />
• <strong>Region</strong>alisierung: Es findet eine Arbeitsplatzverlagerung<br />
durch Strukturstärkung der ländlichen <strong>Region</strong>en statt, was<br />
zu einer Arbeitswegverkürzung resp. Senkung der<br />
Erwerbsmobilität führt.<br />
IQuelle: Infras/Econcept/Prognos (1996); 2Quelle: Infras (1995)<br />
74<br />
UNS-Fallstudie '98
Mobilität im Klettgau<br />
Kernaussage I: Der heutige Trend der zunehmenden Nicht<br />
Umweltverträglichkeit der Mobilität wird weiterverfolgt.<br />
Die Kostenwahrheit im Verkehr fehlt.<br />
Kernaussage 2: Es wird ein Weg in Richtung umweltverträgliche<br />
Mobilität eingeschlagen, indem durch regulative<br />
Massnahmen im Verkehrsmarkt ein Teil der externen<br />
Kosten internalisiert wird.<br />
Kernaussage 3: Der Forderung nach einer umweltverträglichen<br />
Entwicklung der Mobilität wird umweltökonomisch<br />
Rechnung getragen, indem die gesamten externen Kosten<br />
des Verkehrs internalisiert werden.<br />
Wir entwickelten die drei Szenarien in der Folge auf zwei<br />
verschiedene Arten. Einerseits mittels einer Konsistenzanalyse<br />
und <strong>and</strong>ererseits rein intuitiv im Hinblick auf die<br />
Kernaussagen. Interessanterweise differierten die aus den<br />
zwei unterschiedlichen Angehensweisen resultierenden<br />
Szenarien kaum. Die Unterschiede konnten in einer Gruppendiskussion<br />
und in Abstimmung mit dem Verkehrs-Belastungsmodell<br />
bereinigt werden.<br />
Zum Schluss liessen wir die ausgewählten Szenarien (vgl.<br />
Tab. 4.6) von Fachpersonen validieren.<br />
4.5.3 Beschreibung der zur Bewertung vorgelegten<br />
Szenarien<br />
Szenario Trend<br />
Die Schweiz hat sich durch einen EU-Beitritt in den europäischen<br />
Raum integriert. Durch den Wegfall der Grenze als<br />
Verkehrshindernis und durch die wirtschaftliche Zentralisierung<br />
werden immer grössere Distanzen zurückgelegt,<br />
besonders im Pendelverkehr. Das Abflachen des Preisgefälles<br />
zwischen den Ländern vermindert den Benzin- und<br />
Einkaufsverkehr.<br />
Da keine Schritte in Richtung Kostenwahrheit im Verkehr<br />
unternommen worden sind, werden die externen Kosten<br />
nach wie vor der Allgemeinheit aufgebürdet. Die Mobilität,<br />
speziell die Autornobilität, ist «zu billig». Durch diese Preisverzerrung<br />
ist der ÖV gegenüber dem motorisierten Individualverkehr<br />
nicht konkurrenzfähig. Bisher bestehende Angebote<br />
zu R<strong>and</strong>zeiten und in R<strong>and</strong>gebieten werden abgebaut.<br />
Das Image des ÖVs ist schlecht, und das Auto ist<br />
St<strong>and</strong>ard-Fortbewegungsmittel. Die Umweltbelastungen<br />
durch den MIV sind hoch und können durch die fehlende<br />
marktwirtschaftliche Durchsetzbarkeit von technologischen<br />
Innovationen in Richtung Ökoeffizienz der Motorfahrzeuge<br />
nicht reduziert werden.<br />
Szenario Trendwende<br />
Für die Schweiz scheint der EU-Beitritt für längere Zeit<br />
nicht zu verwirklichen. Trotz bleibender Grenze durch die<br />
<strong>Region</strong> Klettgau sind neue Wege der Einflussnahme auf das<br />
Mobilitätsverhalten beschritten worden. Durch die Umsetzung<br />
der vom Europaparlament geforderten Massnahmen<br />
ist einerseits auf der deutschen Seite eine Teilkostenwahrheit<br />
im Bereich Verkehr erreicht worden. Auf Schweizer<br />
Seite ist mittels Benzinpreiserhöhung eine verstärkte Umlagerung<br />
vom motorisierten Individualverkehr aufden öffentlichen<br />
Verkehr verwirklicht worden. Die Massnahmen beidseits<br />
der Grenze wirken sich bremsend auf den bisherigen<br />
Verkehrszuwachs aus.<br />
Die fortschreitende Zentralisierung der Wirtschaft jedoch<br />
vergrössert die Distanzen zwischen Wohnort und Arbeitsplatz<br />
und erfordert von den Pendelnden eine erhöhte Mobilitätsbereitschaft.<br />
Der Benzintourismus hat abgenommen,<br />
da die Benzinpreise beidseits der Grenze ähnlich sind.<br />
Technologische Innovationen zur Optimierung der Umweltverträglichkeit<br />
des Verkehrs werden nur zaghaft umgesetzt.<br />
Durch intensive Öffentlichkeitsarbeit und flankierende<br />
Massnahmen ist jedoch das Image des öffentlichen Verkehrs<br />
angehoben geworden, was sich im vermehrten Gebrauch<br />
ausdrückt.<br />
Szenario Trendumkehr<br />
Politisch hat sich die Schweiz geöffnet. Als EU-Mitglied hat<br />
sie sich erfolgreich für eine volle Kostenwahrheit im gesamten<br />
EU-Raum eingesetzt und damit eine signifikante Senkung<br />
des allgemeinen Verkehrsaufkommens erwirkt.<br />
Die <strong>Region</strong>alisierung der Wirtschaft verkürzt die Distanzen<br />
zwischen Wohnort und Arbeitsplatz. Die von den Pendlerinnen<br />
und Pendlern gefahrenen Kilometer nehmen trotz<br />
Grenzöffnung und freiem Personenverkehr ab. Das Abflachen<br />
des Preisgefalles vermindert den Einkaufsverkehr.<br />
Die Verteuerung der Verkehrsmittel durch Anwendung<br />
der vollen Kostenwahrheit und die Durchsetzung bahnbrechender<br />
technologischer Innovationen im Verkehr machen<br />
die Mobilität insgesamt nachhaltiger. Zusätzlich ist der Gebrauch<br />
des öffentlichen Verkehrs durch ein gesteigertes<br />
Umweltbewusstsein und ein verbessertes Angebot St<strong>and</strong>ard<br />
geworden.<br />
Tab. 4.6: Die drei aus derformativen Szenarioanalyse ermittelten Szenarien im Überblick<br />
IEinflussfaktoren<br />
Mobilitäts-Szenarien<br />
Trend I<br />
Trendwende<br />
Trendumkehr<br />
,<br />
EU-Beitritt<br />
Ja<br />
Nein Ja I<br />
Kostenwahrheit Keine Nur beim MIV Volle<br />
Image MIV ist St<strong>and</strong>ard ÖV ist St<strong>and</strong>ard ÖV ist St<strong>and</strong>ard<br />
Technische Innovationen Keine Wenig Viele<br />
Wirtschaftliche Entwicklung Zentralisierung Zentralisierung I <strong>Region</strong>alisierung I<br />
UNS-Fallstudie '98 75
Mobilität im Klettgau<br />
Methodenkritik<br />
Bei der Betrachtung der Resultate sind folgende Anmerkungen<br />
zu den Methoden zu beachten.<br />
Verkehrs-Belastungsmodell:<br />
In unserem Verkehrs-Belastungsmodell sind diejenigen<br />
Schritte eines klassischen Verkehrsmodells enthalten, die<br />
für unsere Zwecke- grobe Abschätzung der Umweltauswirkung<br />
des Verkehrs und des Einflusses der Rahmenszenarien<br />
aufdie Verkehrssituation im Klettgau ausreichten. Für das<br />
Verkehrserzeugungs-, das Verkehrsverflechtungs- und das<br />
Verkehrsteilungsmodell hatten wir Daten aus der Pendlermatrix<br />
(Bundesamt für Statistik, 1994) und aus unserer<br />
Umfrage. Letztere wurden jedoch nicht ins Verkehrs-Belastungsmodell<br />
eingegeben, sondern dienten lediglich zur Verifikation<br />
der Verkehrszählungen (Tiefbauamt Schaffhausen,<br />
1997, Strassenbauverwaltung Baden-Württemberg,<br />
1995).<br />
In unserem Verkehrs-Belastungsmodell teilten wir aufder<br />
deutschen Seite des Klettgaus - dadas entsprechende Datenmaterial<br />
nicht verfügbar war- den Anteil der verschiedenen<br />
Verkehrszwecke am Gesamtverkehr gemäss dem schweizerischen<br />
Durchschnitt im ländlichen Raum auf. Dieser Schritt<br />
ist mit Unsicherheiten behaftet, da diese Aufteilung in<br />
Deutschl<strong>and</strong> <strong>and</strong>ers aussehen könnte. Andererseits haben<br />
wir in Kapitel 2.6 gesehen, dass der Freizeitverkehr in<br />
beiden Ländern je ungefähr die Hälfte des gesamten Verkehrsaufkommens<br />
verursacht, die verschiedenen<br />
Verkehrszwecke scheinen also in etwa die gleichen Anteile<br />
aufzuweisen. Aus diesem Grund erachten wir unser Vorgehen<br />
als gerechtfertigt.<br />
Umfrage:<br />
Um eine möglichst hohe Repräsentativität erreichen zu können,<br />
wurde bei der Umfrage mit Quoten gearbeitet (vgl.<br />
Kap. 4.4). Bei einer Stichprobenzahl von n = 116 ist es<br />
trotzdem möglich, dass die Antworten einer Minderheit der<br />
Befragten die Resultate stark beeinflussen, wie das Beispiel<br />
Freizeitverkehr eindrücklich demonstriert (vgl. Kap. 5.2.3).<br />
Szenarioanalyse:<br />
Die formative Szenarioanalyse wurde gleich zu Beginn<br />
durchgeführt - parallel zur Erstellung des Verkehrs-Belastungsmodells.<br />
Wegen des Systemverständnisses, das zuerst<br />
erworben werden muss, dürfte sie eigentlich erst nach<br />
der Analyse des Ist-Zust<strong>and</strong>es erarbeitet werden. Da es sich<br />
bei unseren Szenarien aber um Rahmenszenarien h<strong>and</strong>elt<br />
auf die der Klettgau keinen Einfluss hat, erachten wir unse;<br />
Vorgehen trotzdem als zulässig.<br />
5 Resultate<br />
5.1 Gesamtes Verkehrsaufkommen im<br />
Klettgau<br />
5. 1. 1 Gesamte Verkehrsbelastung<br />
Pro Tag fahren die Klettgauerinnen und Klettgauer (Deutsche<br />
und Schweizer zusammen) rund 60'000 Kilometer mit<br />
dem Bus, 110'000 km mit der Bahn und 790'000 km mit<br />
dem Auto. Auf die Einzelperson umgerechnet sind das<br />
täglich 6,4 km mit öffentlichen Verkehrsmitteln und 29,7 km<br />
mit dem Auto (vgl. Tab. 5.1). Hauptsächlich geschieht dies<br />
in der Freizeit (41 %) und für den Weg zur Arbeit (30%) (vgl.<br />
Abb.5.1).<br />
Nicht enthalten sind in diesen Zahlen, die allesamt aus<br />
dem Verkehrs-Belastungsmodell stammen, die zu Fuss oder<br />
mit dem Fahrrad beWältigten Strecken. Informationen zu<br />
diesen Modi haben wir aus den Umfrageergebnissen. In der<br />
Umfrage sind allerdings nur die drei Bereiche Pende1-,<br />
Einkaufs- und Freizeitverkehr enthalten, der Geschäftsverkehr<br />
fehlt.<br />
Was die Verkehrsmenge betrifft, zeichnete sich auch in der<br />
Umfrage ab, dass diese zum grössten Teil durch Freizeitaktivitäten<br />
bedingt ist (vgl. Abb. 5.2).<br />
In Abbildung 5.3 sind die mittleren Tagesdistanzen- nach<br />
Verkehrsmittel aufgeteilt - dargestellt, die wir aus dem<br />
Verkehrs-Belastungsmodell und der Umfrage ermittelten.<br />
Als Vergleich finden sich dort auch die durchschnittlich im<br />
ländlichen Raum der Schweiz pro Tag zurückgelegten<br />
Distanzen (
Mobilität im Klettgau<br />
Tab. 5.1: Mit dem Verkehrs-Belastungsmodell konnten die im Klettgau zurückgelegten Tagesdistanzen berechnet werden<br />
(aufgeteilt nach Verkehrsmodus und Verkehrszweck).<br />
MIV<br />
MIV<br />
ÖV (Total)<br />
ÖV (Total)<br />
Verkehrszweck<br />
TotaId'<br />
Istanz O' Istanz pro Emwohner TotaId'<br />
Istanz I Olstanz pro Emwohner I<br />
[Pkm/fag] [Pkm/Ein.*Tag] ! [Pkm/fag] [Pkm/Ein.*Tag]<br />
Arbeitsweg 223'050 8,4 61 '350 2,3<br />
Einkauf 73'180 2,7<br />
i<br />
8'520 0,3<br />
Freizeit 333'360 12,5 64760 2,4<br />
I Geschäft 164'680 6,2 35790 1,3<br />
I<br />
I Total 794'260 29,7 170'410<br />
i<br />
I<br />
6,4<br />
Bus Bus I SBB SBB OB OB<br />
[Pkm/fag] [Pkm/E. Tag] I [Pkm/fag] [Pkm/E. Tag] [Pkm/fag] [Pkm/E. Tag]<br />
i Arbeitsweg 21 '340 0,8 16'530 0,6 23'480 I 0,9<br />
Einkauf 2'960 0,1 2'300 0,1 3'260<br />
Freizeit 22'530 0,8 17'440 0,7 24780 I 0,9<br />
Geschäft 12'450 0,5 9'640 0,4 i 13700 I 0,5<br />
I !<br />
I !<br />
I<br />
!<br />
Total i 59'290 2,2 45'900 I 1,7 I 65'220<br />
!<br />
I<br />
I<br />
I<br />
0,1<br />
2,4<br />
Anteile der verschiedenen Verkehrszwecke am ÖV und MIV im Klettgau<br />
Verkehrsbelastungsmodell<br />
Für verschiedene Zwecke<br />
zurückgelegte Personenkilometer<br />
Geschäft 21%<br />
Arbeit 30%<br />
Arbeit<br />
Einkauf<br />
Freizeit<br />
Geschäft<br />
10.7 km/Pers.*Tag<br />
3.0 km/Pers.*Tag<br />
14.9 km/Pers.*Tag<br />
7.5 km/Pers.*Tag<br />
Freizeit 41 %<br />
Einkauf 8%<br />
Abb. 5.1: Anteile der verschiedenen Verkehrszwecke am gesamten durch öffentliche und motorisierte individuelle Verkehrsmittel<br />
(ohne Kategorie «Zu FusslVelo») verursachten Verkehr im Klettgau (deutsche und Schweizer Seite), berechnet mit<br />
dem Verkehrs-Belastungsmodell.<br />
UNS-Fallstudie '98 77
Mobilität im Klettgau<br />
Umfrage<br />
Für verschiedene Zwecke<br />
zurückgelegte Personenkilometer<br />
Anteile der verschiedenen Verkehrszwecke am Gesamtverkehr<br />
(ohne Geschäftsverkehr) im Klettgau<br />
Arbeit 44%<br />
Arbeit<br />
Einkauf<br />
Freizeit<br />
13.7 km/Pers.*Tag<br />
2.3 km/Pers.*Tag<br />
15.2 km/Pers.*Tag Freizeit 49%<br />
Einkauf 7%<br />
Abb. 5.2: Anteile der verschiedenen Verkehrszwecke (ohne Geschäftsverkehr) am Gesamtverkehr (alle Verkehrsmittel<br />
zusammen) im Klettgau (deutsche und Schweizer Seite), aus den Umfrageergebnissen berechnet.<br />
40<br />
Cl<br />
35<br />
~ . 30<br />
...<br />
(l)<br />
c<br />
.J::.<br />
25<br />
0 20<br />
~<br />
c 15<br />
üJ<br />
..... 10<br />
E<br />
..I
Mobilität im Klettgau<br />
Tab. 5.2: Aus den mittleren Tagesdistanzen und den Emissionsfaktoren derjeweiligen Verkehrsmittel konnte die im Klettgau<br />
durch den Verkehr verursachte Umweltbelastung berechnet werden (aufgeteilt nach Verkehrsmitteln).<br />
Energieverbrauch [MJjT]<br />
MIV Bus i<br />
,<br />
Dieselbahn E-8ahn ÖV-Total Gesamttotal<br />
2'873'260<br />
i<br />
73'880 44'540 124'610 243'030 3'116'290<br />
(02 [gjT] 89'855'820 3'266'610 3'254'140 516'290<br />
i<br />
7'037'040<br />
96'922'860<br />
Partikel [g/TJ 49'260 2'090 740 4'020 6'850 56'110<br />
NOx [gjT] 361'250 I 47'990 63'950 1'030 , 112'970 474'220<br />
Lärm [m 2 a] 35'468'280 617'990 - *) 3'665'050 - -<br />
Flächenverbrauch 7'120 270 - 30<br />
-<br />
,<br />
-<br />
[m 2 mit dB(A)]<br />
externe Kosten [SFr./T]<br />
I<br />
60'210 - - 5'580 - -<br />
*) Fürdie mit - gekennzeichneten Kategorien konnten in der Literaturkeine entsprechenden Emissionsfaktoren oder Umweltindikatoren gefunden werden.<br />
Dies bedeutet nicht, dass die entsprechenden Umweltbelastungen vernachlässigt werden dürfen.<br />
5.2 Einzelne Verkehrszwecke<br />
5.2.1 Pendelverkehr<br />
Mit 10,7 Kilometern pro Tag und Einwohner ist der mit dem<br />
Verkehrs-Belastungsmodell berechnete Weg zur Arbeit<br />
gleich lang wie im schweizerischen Durchschnitt (ländlicher<br />
Raum) (vgl. Abb. 5.4). Im zum Vergleich herangezogenen<br />
Durchschnittswert sind jedoch alle Verkehrsmodi enthalten,<br />
im Modell nur der ÖV und der MIV. Es ist also<br />
anzunehmen, dass, wenn noch die Kategorie «Zu<br />
FussNelo» dazugerechnet wird, im Klettgau etwas längere<br />
Strecken zurückgelegt werden als in <strong>and</strong>eren ländlichen<br />
Räumen. Tatsächlich zeigen Berechnungen aus den Umfrageergebnissen,<br />
dass eine Person aus dem Klettgau im Mittel<br />
rund 28% weiter fährt, um zum Arbeitsort zu gelangen (vgl.<br />
Abb. 5.4). Dies ist wohl auf die recht grosse Distanz zum<br />
wichtigen Arbeitsort Zürich zurückzuführen. Als Indiz für<br />
diese Annahme kann auch der Unterschied dienen, der<br />
zwischen dem Schweizer und dem deutschen Klettgau beobachtet<br />
werden kann. Die Schweizer absolvieren im<br />
Schnitt 39% mehr Kilometer auf dem Weg zur Arbeit als<br />
ihre deutschen Nachbarn (vgI. Abb. 5.4).<br />
Ebenfalls unterschiedlich fällt die Wahl des für den Arbeitsweg<br />
benutzten Verkehrsmittels aus (statistisch signifikant<br />
nach dem Chiquadrat-Test für Unabhängigkeit in Kontingenztafeln,<br />
p < 0,001). Im deutschen Klettgau fahren<br />
beinahe drei Viertel der Leute mit dem Auto zur Arbeit, in<br />
der Schweiz nur 46% (vgl. Abb. 5.5).<br />
Der Klettgau als Ganzes betrachtet liegt dann aber wieder<br />
ziemlich exakt im schweizerischen Mittel. Einzig die Kategorie<br />
«Zu FussNelo» tritt häufiger auf (vgl. Abb. 5.5).<br />
5.2.2 finkaufsverkehr<br />
Der Einkaufsverkehr fällt im Klettgau geringer aus als in<br />
<strong>and</strong>eren ländlichen Räumen, er ist nur etwa halb so gross<br />
(vgl. Abb. 5.6). Dies lässt auf eine gute Versorgung der<br />
<strong>Region</strong> mit Lebensmittelgeschäften schliessen.<br />
Dass die Deutschen rund ein Drittel längere Strecken<br />
fahren müssen, um einkaufen zu können, als die Leute in der<br />
Schweiz, liegt wohl daran, dass im deutschen Klettgau nicht<br />
jedes Dorf über eigene Lebensmittelgeschäfte verfügt. So<br />
auch Geisslingen nicht, in dem ein Teil der Befragungen<br />
durchgeführt wurde.<br />
18<br />
0> 16<br />
: 14<br />
a; 12<br />
c:<br />
.
Mobilität im Klettgau<br />
CH-Klettgau<br />
D-Klettgau<br />
Klettgau Total<br />
CH-Schnitt (Iändl. Raum)<br />
Abb. 5.5: Diefür den Arbeitsweg benutzten<br />
Verkehrsmittel aufgeteilt nach<br />
Schweizer, deutschem und gesamtem<br />
Klettgau (Umfrageergebnisse) und als<br />
Vergleich im ländlichen Raum der<br />
Schweiz (Bundesamtfür Statistik, 1996).<br />
5 Mittlere Tagesdistanzen für Einkäufe<br />
................................................................................................................,CH·Durchschnitt<br />
4,5 (Iändl. Raum)<br />
4<br />
0><br />
~ 35<br />
• 3<br />
Qj<br />
.§ 2.5<br />
o<br />
:;: 2<br />
Mobilität im Klettgau<br />
CH-Klettgau<br />
D-Klettgau<br />
Klettgau Total<br />
CH-Schnitt (Iändl. Raum)<br />
Abb. 5.7: Für den Einkauf benutzte Verkehrsmittel<br />
aufgeteilt nach Schweizer, deutschem<br />
und gesamtem Klettgau (Umfrageergebnisse)<br />
und als Vergleich im ländlichen<br />
Raum der Schweiz (Bundesamtfür Statistik,<br />
i996).MiV = Motorisierter individualverkehr,<br />
ÖV =Öffentlicher Verkehr<br />
Tab. 5.3: Laut der Umfrage werden «Frischprodukte» vorwiegend im eigenen Dorfeingekauft.<br />
gar nicht eigen. Dorf D-Klettgau D-sonst I CH-Klettg. CH-sonst.<br />
CH-Klettgau 6,9% 84,5% 1,7% i 5,2% 1,7%<br />
D-Klettgau 6,9% 67,2% 13,8% 10,3% I 1,7% I<br />
Total 6,9% 75,9% 7,8% 5,2% I 2,6% 1,7%<br />
I<br />
Sonstige Produkte des täglichen Bedarfs<br />
Bei den «sonstigen Produkten des täglichen Bedarfs» lassen<br />
sich zwei Kategorien abgrenzen, für die das Einkaufsverhalten<br />
<strong>and</strong>ers ist als für den Rest. Es sind dies «Teigwaren und<br />
Reis» sowie «Schokolade».<br />
Teigwaren und Reis werden von den Bewohnern des<br />
Klettgaus hauptsächlich in der Schweiz gekauft (80%). Die<br />
Schweizer kaufen diese Produkte nur im eigenen L<strong>and</strong>. Bei<br />
den Deutschen sind es über 55%, die Teigwaren und Reis in<br />
der Schweiz besorgen (vgl. Abb. 5.8) (statistisch signifikanter<br />
Unterschied nach dem Chiquadrat-Test für Unabhängigkeit<br />
in Kontingenztafeln, p < 0,001). Dies vor allem wegen<br />
der besseren Qualität (76%) und zum Teil auch noch wegen<br />
den tieferen Preisen (24%).<br />
Bei der Schokolade liegt der Fall ähnlich wie bei den<br />
Teigwaren. Rund 82% der von Klettgauern getätigten Schokoladeeinkäufe<br />
finden in der Schweiz statt. Die Deutschen,<br />
die Schokolade in der Schweiz erwerben, tun dies aus Qualitätsgründen<br />
(96%). Aus Abbildung 5.9 kann der Unterschied<br />
zwischen den beiden Ländern herausgelesen werden<br />
(statistisch signifikant nach dem Chiquadrat-Test für Unabhängigkeit<br />
in Kontingenztafeln, p < 0,01).<br />
5.2.3 Freizeitverkehr<br />
Im Bereich Freizeit fällt das sehr unterschiedliche Verhalten<br />
zwischen den Menschen im Schweizer Klettgau und den<br />
Leuten im deutschen Klettgau auf (vgl. Abb. 5.10). Die<br />
Schweizer legen über 80% längere Distanzen zurück als die<br />
Deutschen. Diese Differenz kommt durch für die beiden<br />
Freizeitkategorien «Unterhaltung (Disco, Bar)>> und «Weiterbildung»<br />
zurückgelegte Strecken zust<strong>and</strong>e (siehe unten).<br />
Der gesamte Klettgau liegt dann wieder ziemlich genau im<br />
Durchschnitt <strong>and</strong>erer ländlicher Räume (vgl. Abb. 5.10).<br />
Bei der Verkehrsmittelwahl hingegen existiert praktisch<br />
kein Unterschied zwischen den beiden Ländern. Im gesamten<br />
Klettgau werden im Vergleich zum schweizerischen<br />
Durchschnitt (ländlicher Raum) die öffentlichen Verkehrsmittel<br />
und das Auto etwas weniger häufig benutzt und dafür<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
81
Mobilität im Klettgau<br />
CH-Kletlgau:<br />
Einkauf von Teigwaren und Reis<br />
D-Klettgau:<br />
Einkauf von Teigwaren und Reis<br />
Abb. 5.8: Einkauf von Teigwaren und Reis in den<br />
beiden L<strong>and</strong>esteilen des Klettgaus<br />
CH-Klettgau:<br />
Einkauf von Schokolade<br />
D-Klettgau:<br />
Einkauf von Schokolade<br />
Abb. 5.9: Einkauf von Schokolade in den beiden<br />
Teilen des Klettgaus<br />
25<br />
Cl<br />
~<br />
« 20<br />
Q;<br />
Mobilität im Klettgau<br />
CH-Klettgau<br />
D-Klettgau<br />
Klettgau Total<br />
CH-Schnitt (Iändl. Raum)<br />
Abb. 5.11: In der Freizeit benutzte Verkehrsmittel<br />
aufgeteilt nach Schweizer, deutschem und gesamtem<br />
Klettgau (Umjrageergebnisse) und als Vergleich<br />
im ländlichen Raum der Schweiz (BundesamtfÜr<br />
Statistik, 1996).<br />
Vereine<br />
Besuche<br />
Sport<br />
Ak1ivität im Freien<br />
o<br />
Die vier häufigsten Freizeitbescl1äffigungen im Kletlgeu<br />
10 20 30 40 50 60 70<br />
Anzahi Freizeilbescl1äffigungen / Person und Jahr<br />
80<br />
91.6<br />
90 100<br />
Abb. 5.12: Am häufigsten gehen<br />
die Klettgauerinnen und Klettgauer<br />
in ihrer Freizeit W<strong>and</strong>ern,<br />
Spazieren oder auf Veloausjl.Üge<br />
(
Mobilität im Klettgau<br />
Die vier Freizeitbeschäfligungen, bei denen pro Ausflug am weitesten gefahren wird<br />
Besuche<br />
Kino<br />
Weiterbildung<br />
Unterhaltung<br />
60<br />
Kilometer! Aktivität<br />
113.18<br />
120<br />
Abb. 5.14: Für einen Discobesuch<br />
wird im Schnitt über 110 km<br />
weit gefahren. Die kürzesten<br />
Wege werdenfür Vereinsaktivitäten<br />
und den Sport zurückgelegt<br />
(rund 6 und 10 km, nicht in Abbildung).<br />
Für Discobesuche legen 17% der befragten Schweizerinnen<br />
und Schweizer pro Jahr über 1'300 km zurück, bei den<br />
Deutschen sind es nur 5% der Befragten, die solche Strecken<br />
fahren. Ebenfalls 5% der befragten Deutschen absolvieren<br />
im Jahr mehr als 1'200 km für die Weiterbildung, in der<br />
Schweiz sind es 12%. Obwohl diese Unterschiede nicht<br />
signifikant sind, hat das in Bezug auf die Mehrheit abweichende<br />
Mobilitätsverhalten einer Minderheit bei der Stichprobenzahl<br />
von 116 Personen grosse Auswirkungen auf die<br />
Berechnung der in der Freizeit zurückgelegten Distanzen.<br />
5.2.4 Image des öffentlichen Verkehrs<br />
Im Klettgau werden die öffentlichen Verkehrsmittel<br />
kaum benutzt<br />
Die Klettgauer Bevölkerung ist mit den Leistungen des<br />
öffentlichen Verkehrs grundsätzlich mehr oder weniger zufrieden<br />
(vgl. Abb. 5.15). Es ist diesbezüglich einzig anzumerken,<br />
dass auf deutscher Seite die Fahrpreise als viel zu<br />
hoch (vgl. Abb. 5.16) erachtet werden. Insgesamt beurteilt<br />
die Bevölkerung aber die Qualität der Leistungen als genügend<br />
bis gut, was die Abbildung 5.17 veranschaulicht. Generell<br />
äussem sich dazu Personen positiver, die öfters (täglich)<br />
Bahn und Bus benützen.<br />
Trotzdem wird der ÖV im Klettgau kaum benutzt, denn<br />
51,8% der scheizerischen und 74,2% der deutschen Bevölkerung<br />
fahren selten bis nie, also weniger als zwei Mal im<br />
Monat, mit einem öffentlichen Verkehrsmittel (vgl. Abb.<br />
5.18). Was führt zu dieser marginalen Stellung des ÖVs in<br />
der Verkehrsmittelwahl?<br />
Die geringe Benutzung des öffentlichen Verkehrs ist auf<br />
die Lebensgewohnheiten und die gängigen Wertvorstellungen<br />
zurückzuführen, welche zusätzlich zu den Qualitätsfaktoren<br />
das Image eines Verkehrsmittels ausmachen. Auf<br />
Schweizer Seite können sich nur 28% der Personen vorstellen,<br />
ohne Probleme aufs Auto zu verzichten, auf deutscher<br />
Seite sind es sogar nur 9% (vgl. Abb. 5.19). Dies liegt wohl<br />
einerseits am dispersen Charakter der Siedlungen, <strong>and</strong>ererseits<br />
an der Stellung des Autos als gesellschaftliches Statussymbol<br />
und st<strong>and</strong>ardisiertes Fortbewegungsmittel.<br />
Die gängigen Werthaltungen und Lebensgewohnheiten<br />
führen zu einem relativ schlechten Image des ÖV und zur<br />
Diskrepanz zwischen der eigentlich guten Qualitätsbeurteilung<br />
und der Nicht-Benutzung des Öv. Das will nicht heissen,<br />
dass technische Optimierungsmassnahmen wie beispielsweise<br />
im Bereich der Anschlusssicherung im Klettgau<br />
voll ausgeschöpft sind. Ihre Wirkung in Bezug auf einen<br />
Umsteigeeffekt vom MIV auf den ÖV ist allerdings als<br />
gering einzuschätzen, denn es besteht bereits ohne techni-<br />
Wie zufrieden sind Sie mit den Leistungen des ÖV im Klettgau insgesamt?<br />
50~------------N=107-------------<br />
GCH<br />
lEID<br />
5<br />
o<br />
vollkommen zufrieden sehr zufrieden mehr oder weniger<br />
zufrieden<br />
unzufrieden<br />
sehr unzufrieden<br />
Abb. 5.15: Die Darstellung zeigt,<br />
dass sich insgesamt über 50% der<br />
Klettgauer Bevölkerung zur Frage<br />
nach ihrer Zufriedenheit mit den<br />
Leistungen des ÖV als «mehr oder<br />
weniger zufrieden» und «sehr zufrieden»<br />
äussern.<br />
84<br />
UNS-Fallstudie '98
Mobilität im Klettgau<br />
Beurteilung der Fahrkosten<br />
CH: N=58; 0: N=58 / Daten signifikant nach Mann-Whitney U Test<br />
100,---------------------------<br />
9Ot-------------r::::,::::::::,:::::::::::;-------<br />
80+----------------1<br />
70t----------------j<br />
60<br />
[%] 50t------<br />
40t------<br />
30t------<br />
20t------<br />
10<br />
ungenügend/schlecht<br />
genügend/gut/sehr gut<br />
OCH<br />
ll1lo<br />
Abb. 5.16: Hinsichtlich der Fahrkostenfür<br />
die öffentlichen Verkehrsmittel lassen sich<br />
unterschiedliche Ansichten beidseits der<br />
Grenze feststellen. Im deutschen Teil des<br />
Klettgaus werden die Fahrkosten mehrheitlich<br />
als zu hoch (ungenügend bis<br />
schlecht) berachtet. Demgegenüber werden<br />
im schweizerischen Teil die Fahrkosten<br />
als angebracht bzw. gut beurteilt<br />
(genügend bis sehr gut).<br />
Qualitätsbeurleilung des ÖV im Klettgau nach total zehn Kriterien<br />
(in Abhängigkeit von der Häufigkeit der ÖV-Benutzung)<br />
N=116<br />
38,---------------------<br />
3.7 t----------------+<<br />
~36+----------------<br />
~<br />
Mobilität im Klettgau<br />
[%]<br />
Auf mein Auto kann ich problemlos verzichten<br />
90,------------CH: N=58/ 0:N=58----------<br />
80+----_<br />
70+-----<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
o -1------'__<br />
stimme nicht zu/gar nicht zu stimme teilweise zu stimme zu/voll und ganz zu<br />
DCH<br />
imD<br />
Abb. 5.19: Bei der spontanen Bewertung<br />
von Aussagen zum Autogebrauch wie<br />
beispielsweise «Freiwillig wÜrde ich nie<br />
auf mein Auto verzichten» ergibt sich,<br />
dass fÜr 66,0% der schweizerischen<br />
Klettgauerinnen und Klettgauer der Verzicht<br />
aufdas Auto nicht ohne Probleme<br />
machbar ist. Aufder deutschen Seite hingegen<br />
sind sogar 81,8% der gleichen<br />
Meinung wie ihre Nachbarinnen und<br />
Nachbarn. Der Verzicht auf das Auto<br />
wird nur von 9,1% der Bevölkerung im<br />
deutschen Teil des Klettgaus als problemlos<br />
gewertet.<br />
sche Optimierungsmassnahmen eine eher grosse Zufriedenheit<br />
bezÜglich der ÖV-Leistungen (vgl. Abb. 5.15). Sicherlich<br />
besteht aber ein H<strong>and</strong>lungsbedarf hinsichtlich der<br />
Imageaufwertung, wodurch eine effektive Wirkung aufeine<br />
Verhaltensänderung der Bevölkerung und auf eine erhöhte<br />
Auslastung der öffentlichen Verkehrsmittel zu erwarten ist.<br />
«Die mangelnde Informiertheit der «Wahlfreien» (Anm.:<br />
Darunter sind Individuen zu verstehen, denen zur Befriedigung<br />
ihre MobilitätsbedÜrfnisse sowohl private als auch<br />
öffentliche Verkehrsmittel zur VeifÜgung stehen) ist aufein<br />
Desinteresse gegenÜber dem Angebot des ÖV zurückzuführen,<br />
wobei als Hauptgrund dafÜr dessen eher schlechtes<br />
Image genannt wird.» (Arnet et al., 1998, S. 1)<br />
Es war im Rahmen einer Massnahmenerarbeitung zur<br />
Optimierung der Mobilität im Klettgau nicht unser einziges<br />
Ziel, das Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel zu fördern.<br />
Es sollte auch auf weitere, zum MIV alternative Verkehrsmitteloder<br />
Mobilitätsformen hingewiesen werden<br />
(vgl. Kap. 5.4). Deshalb haben wir die Erkenntnis als sehr<br />
wertvoll erachtet, dass das Image eines Verkehrsmittel einen<br />
entscheidenden Einfluss auf die Fahrzeugwahl hat.<br />
5.3 Bewertung der Szenarien<br />
Die Bewertung der Szenarien erfolgte über das Verkehrs<br />
Belastungsmodell (vgl. Kap. 4.3). In einem ersten Schritt<br />
wurden die Auswirkungen auf die Verkehrsleistungen im<br />
Jahre 2010 in Bezug zum IST-Zust<strong>and</strong> im Klettgau anh<strong>and</strong><br />
von definierten Modellvariablen (zurückgelegte Distanzen,<br />
Mobilitätszuwachs, Umlagerungsanteil vom MIV zum ÖV,<br />
Flottentreibstoffverbrauch) bestimmt. In einem zweiten<br />
Schritt ermittelten wir analog zur Bewertung der Umweltbelastung<br />
des IST-Zust<strong>and</strong>es (vgl. Kap. 5.1) die Werte für die<br />
verschiedenen Umweltbelastungsindikatoren unter den<br />
Rahmenbedingungen der 3 Szenarien. Wir haben aufgrund<br />
der Struktur des Verkehrs-Belastungsmodells (vgl. Kap.<br />
4.3) folgende Annahmen für die Bewertung getroffen, die<br />
bei der Interpretation unserer Resultate berücksichtigt werden<br />
mÜssen:<br />
- Als Zeithorizont wählten wir das Jahr 2010 (diese Wahl<br />
ist durch die VerfÜgbarkeit der Emissionsfaktoren zur<br />
Berechnung der Umweltbelastung begründet)<br />
Die Bevölkerung wächst wie bisher (Durchschnitt 1990<br />
1996) weiter, was einer Zunahme von 2,.9% bis 2010<br />
entspricht<br />
Die Anteile der Verkehrszwecke Pendel-, Freizeit- und<br />
Einkaufsverkehr bleiben konstant<br />
Das Verkehrsnetz bleibt konstant<br />
Die Daten der szenarischen Auswirkungen auf den IST<br />
Zust<strong>and</strong> (vgl. Kap. 5.3.1) wurden anh<strong>and</strong> von Berechnungen<br />
mit Elastizitäten und realistischen Annahmen<br />
abgeschätzt.<br />
5.3. 1 Auswirkungen der szenarischen Rahmenbedingungen<br />
auiden IST-Zust<strong>and</strong> (vgJ. Tab. 5.4)<br />
Szenario Trend<br />
Ein Mobilitätszuwachs wird nicht angenommen, d.h. das<br />
Verhältnis vom Verkehrsaufkommen zur Bevölkerungszahl<br />
bleibt konstant. Die zurÜckgelegten Distanzen nehmen aufgnmd<br />
des EU-Beitritts (freier Personenverkehr) und der<br />
wirtschaftlichen Zentralisierung um je 10% zu. Aufgrund<br />
der fehlenden Kostenwahrheit im Verkehr und dem schlechten<br />
Image des ÖVs findet keine Personenumlagerung vom<br />
MIV zum ÖV statt. Die fehlende Umsetzung technologischer<br />
Innovationen führt dazu, dass die Motorfahrzeugzusammensetzung<br />
auf dem St<strong>and</strong> von 1997 mit einem durchschnittlichen<br />
Treibstoffverbrauch (Flottenwert) von 9,5<br />
1/100km bleibt.<br />
Szenario Trendwende<br />
Aufgrund der eingeführten partiellen Kostenwahrheit im<br />
Bereich des motorisierten Individualverkehrs nimmt der<br />
Verkehr nicht gleich stark zu wie die Bevölkerung. Wird das<br />
Bevölkerungswachstum mit 100% bezeichnet, so steigt das<br />
Verkehrsaufkommen um 90%. Es h<strong>and</strong>elt sich deshalb im<br />
86<br />
UNS-Fallstudie '98
Mobilität im Klettgau<br />
Tab. 5.4: Die drei Szenarien und ihre Auswirkungen aufdie Verkehrsleistung des IST-Zust<strong>and</strong>s im Ueberblick<br />
Einflussfaktoren<br />
Trend<br />
Mobilitäts-Szenarien<br />
Trendwende<br />
Trendumkenr<br />
EU-Beitritt<br />
Ja<br />
r<br />
Nein<br />
Ja<br />
i i<br />
Kostenwahrheit<br />
I<br />
Keine Nur beim MIV Volle<br />
I,<br />
[Image<br />
I MIV ist St<strong>and</strong>ard ÖV ist St<strong>and</strong>ard ÖV ist St<strong>and</strong>ard<br />
I Technische Innovationen Keine I<br />
Wenig Viele<br />
I Wirtschaftliche Entwicklung Zentralisierung Zentralisierung <strong>Region</strong>alisierung<br />
.~.<br />
I<br />
I Auswirkungen<br />
I<br />
I Zurückgelegte Distanzen<br />
i<br />
+ 20% +10% i +10%<br />
Mobilitätszuwachs<br />
I I<br />
0% -10% -15%<br />
Umlagerung MIV auf ÖV i<br />
I<br />
0% +10% + 20%<br />
Flottenverbrauch<br />
~.<br />
9,5 1/100 km<br />
L.<br />
8 1/100 km<br />
_._~<br />
6,5 1/100 km<br />
I<br />
~<br />
[<br />
I<br />
I<br />
Vergleich zum IST-Zust<strong>and</strong> um eine Mobilitätsabnahme<br />
von 10%. Demgegenüber werden jedoch die zurückgelegten<br />
Distanzen aufgrund der weiteren Erstarkung städtischer<br />
Wirtschaftszentren um 10% grösser.<br />
Die Teilinternalisierung externer Kosten des MIV führt<br />
zudem zu einer Personenumlagerung vom motorisierten<br />
Individualverkehr zum öffentlichen Verkehr von 10%. Die<br />
vermehrte Benützung von Kleinwagen und die damit verbundene<br />
Änderung der Zusammensetzung des Fahrzeugpools<br />
bedingt eine Abnahme des Flottenwertes von den<br />
heutigen 9,5 1/100km auf 8 1/100km.<br />
Szenario Trendumkehr<br />
Die Anwendung der vollen Kostenwahrheit im Verkehr hat<br />
eine Mobilitätsabnahme von 15% zur Folge. Zusätzlich<br />
führt sie zu einem Umsteigeeffekt im Bereich des MIV und<br />
verändert den Modal-Split um 20% zugunsten des öffentlichen<br />
Verkehrs.<br />
Die wirtschaftliche <strong>Region</strong>alisierung bewirkt eine Abnahme<br />
der gefahrenen Verkehrsdistanzen um 10%. Der durchschnittliche<br />
Treibstoffverbrauch kann aufgrund der Akzeptanz<br />
und Durchsetzung von technologischen Innovationen<br />
auf6,51/100km, also auf70% des heutigen St<strong>and</strong>es gesenkt<br />
werden.<br />
5.3.2 Bewertung der verkehrsbedingten Umweltbelastung<br />
unter den szenarischen Rahmenbedingungen<br />
Die Bewertung der verkehrsbedingten Umweltbelastung<br />
unter den Szenarienbedingungen wurde analog zur Bewertung<br />
des IST-Zust<strong>and</strong>es (vgl. Kap. 5.1) durchgeführt. Unser<br />
Augenmerk lag vor allem aufdem Klimaindikator COz und<br />
dem Energiebedarf des MIV und ÖV, da diese Indikatoren<br />
zur Beurteilung der Nachhaltigkeit der Mobilität und für die<br />
damit verbundene Massnahmenerarbeitung verwendet wur-<br />
den (vgl. Kap. 3 und 5.4). In den Abbildungen 5.20-5.26<br />
sind die Werte aller benutzten Indikatoren zur Bewertung<br />
der Umweltbelastung des Verkehrs dargestellt.<br />
Die verkehrsbedingte Umweltkrise naht (Szenario<br />
Trend)<br />
Das Szenario Trend zeichnet sich durch eine Steigerung der<br />
Umweltbelastung im Vergleich zum IST-Zust<strong>and</strong> aus. Alle<br />
verwendeten Umweltbelastungsindikatoren liegen über den<br />
heutigen Werten. Die Klimabelastung durch den COz-Ausstoss<br />
und der Verbrauch von Energie sind je um rund 45%<br />
höher als heute. Beachtenswert ist hierbei der hohe Anteil<br />
der vom MIV verursachten Umweltbelastung, der jeweils<br />
zirka 80-95% des Wertes pro Indikator ausmacht. Einerseits<br />
kommen weder die Internalisierung der externen Kosten des<br />
Verkehrs - insbesondere des MIV - noch technologische<br />
Massnahmen in diesem Zukunftsraum zum Zuge (vgl. Tab.<br />
5.5). Andererseits werden die durch den Wegfall der Grenze<br />
(EU-Beitritt) und durch die vermehrte Erstarkung der Wirtschaftszentren<br />
grösseren Distanzen vor allem mit dem Auto<br />
zurückgelegt, da dieses das St<strong>and</strong>ard-Verkehrsmittel darstellt,<br />
was dem heutigen Trend entspricht.<br />
Im Hinblick auf unsere Zielvorgaben bezüglich der COz<br />
Emissionen und des Energieverbrauchs, stimmten uns die<br />
Resultate zu diesem Szenario sehr nachdenklich (vgl. Abb.<br />
5.20 und 5.21). Der COz-Indikatorwert überschreitet nämlich<br />
die Zielvorgabe um rund 76%. Noch drastischer stellt<br />
sich der Energiebedarfdar: Er übersteigt die Verbrauchsvorgabe<br />
um 140%! Dieses Ergebnis wurde von uns als eine<br />
äusserst problematisch zu betrachtende Übernutzung der<br />
Energieressourcen gewertet, da der grösste Anteil auf die<br />
nicht erneuerbaren Energien fällt.<br />
Wir konnten unter den Rahmenbedingungen «Trend» in<br />
Verbindung mit dem Verkehrs-Belastungsmodell keine realistischen,<br />
regionalen Massnahmen in Richtung nachhaltige<br />
Mobilität im Klettgau erarbeiten. Eine Senkung der Indika-<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
87
Mobilität im Klettgau<br />
C02-Emissionen MIV & ÖV im Vergleich zur Zielwertvorgabe<br />
140<br />
120<br />
100<br />
'öl<br />
~ 80<br />
Döv<br />
IIMIV<br />
Zielwert 80tfTag<br />
oÜ 60<br />
==.<br />
40<br />
20<br />
o.l-._l--_-'-_-'-_-l-_-I.._-'-_-'-_--'_--'-_-'-__'--_<br />
IST-Zust<strong>and</strong> Trend Trend-Wende Trend-Umkehr<br />
Abb. 5.20: Die C02-Emissionen des<br />
MIV und des ÖV dargestellt unter den<br />
Rahmenbedingungen der drei Szenarien<br />
und im IST-Zust<strong>and</strong>. Zusätzlich<br />
ist die C02-Zielwertvorgabe von 80t<br />
C02lTag den berechneten Werten gegenÜbergestellt.<br />
Primärenergiebedarf MIV & ÖV im Vergleich zur Zielwertvorgabe<br />
5000<br />
4500<br />
4000<br />
3500<br />
~ 3000<br />
...., 2500<br />
0<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
IST-Zust<strong>and</strong> Trend Trend-Wende Trend-Umkehr<br />
Döv<br />
mlMIV<br />
Zielwert<br />
1'870 GJfTag<br />
Abb. 5.21: Der totale Primärenergiebedarf<br />
des ÖV und des MIV dargestellt<br />
unter den szenarischen Rahmenbedingungen<br />
sowie im IST-Zust<strong>and</strong>.<br />
Zusätzlich ist die Zielwertvorgabe fÜr<br />
den Energiebedarf von 1870 GI/Tag<br />
den berechneten Werten gegenÜbergestellt.<br />
Partikel-Emissionen MIV & ÖV<br />
90<br />
80<br />
70<br />
0> 60<br />
~<br />
50<br />
Q;<br />
""" t 40<br />
ctl<br />
C-<br />
O> 30<br />
"""<br />
20<br />
10<br />
0<br />
IST-Zust<strong>and</strong><br />
Trend Trend-Wende Trend-Umkehr<br />
Döv<br />
11 MIV<br />
Abb. 5.22: Die Partikelbelastung der<br />
Luft erhöht sich im Szenario Trend im<br />
Vergleich zum IST-Zust<strong>and</strong>. Erst unter<br />
den Rahmenbedingungen des Szenarios<br />
Trendwende sowie erst recht im<br />
Szenario Trendumkehr können die<br />
Partikel-Emissionen (PMlO) gegen<br />
Über heute aufgrund der Verminderung<br />
des Treibstoffverbrauchs undder<br />
durch die Anwendung der Kostenwahrheit<br />
bedingten Mobilitätsabnahme<br />
verringert werden.<br />
88<br />
UNS-Fallstudie '98
Mobilität im Klettgau<br />
NOx-Emissionen MIV & ÖV<br />
700<br />
600<br />
500<br />
0><br />
~ 400<br />
o z 300<br />
F<br />
200<br />
100<br />
o<br />
IST-Zust<strong>and</strong> Trend Trend-Wende Trend-Umkehr<br />
Döv<br />
IlIllMIV<br />
Abb. 5.23: Die hauptsächlich durch<br />
den Strassenverkehr verursachten<br />
NOx-Emissionen werden im Szenario<br />
Trendwende wie auch im Szenario<br />
Trendumkehr gegenüber heute verringert.<br />
Diese Verringerung wird durch<br />
den Umlagerungseffekt vom MIV zum<br />
ÖV aufgrund der Kostenwahrheit erreicht.<br />
Zusätzlich wirkt sich der geringere<br />
Treibstojfverbrauch unter den<br />
Rahmenbedingungen des Trendumkehr-Szenarios<br />
auf die Emissionen<br />
aus. Im Szenario Trend steigt die NOx<br />
Belastung gegenüber heute an.<br />
Externe Kosten MIV & ÖV (ÖV nur E-Bahn)<br />
100<br />
0><br />
~<br />
Li<br />
-0 c:<br />
Ql<br />
Cf)<br />
::><br />
~<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
IST-Zust<strong>and</strong><br />
Trend<br />
-----------------<br />
Trend-Wende<br />
Trend-Umkehr<br />
Döv<br />
IlIllMIV<br />
Abb. 5.24: Die dargestellten externen<br />
Kosten des MIV sowie der Eisenbahn<br />
steigen unter den Rahmenbedingungen<br />
des Trend-Szenarios, die keine Internalisierungsmassnahmen<br />
beinhalten,<br />
gegenüber dem IST-Zust<strong>and</strong> an.<br />
Anders sieht es beim Szenario Trendwende<br />
aus, da die externen Kosten<br />
beim MIV durch Internalisierung gesenkt<br />
werden können. Im Szenario<br />
Trendumkehr sind keine externen Kosten<br />
vorh<strong>and</strong>en, da deren Internalisierung<br />
eine Rahmenbedingung darstellt.<br />
Flächenverbrauch MIV & ÖV (ÖV ohne Dieselbahn)<br />
12'000<br />
10'000<br />
....<br />
r::<br />
-, eil<br />
....<br />
'"E<br />
8'000<br />
6'000<br />
4'000<br />
2'000<br />
0<br />
IST-Zust<strong>and</strong> Trend Trend-Wende<br />
Döv<br />
m!l MIV<br />
Abb. 5.25: Der Flächenverbrauch, welcher vor<br />
allem durch den MIV verursacht wird, steigt im<br />
Trend-Szenario gegenüber heute an. Demgegenüber<br />
kann der Flächenverbrauch der Verkehrsmittel<br />
unter den Rahmenbedingungen des Trendwende-Szenarios<br />
unter den heutigen St<strong>and</strong> gesenkt<br />
werden. Unter den Rahmenbedingungen des<br />
Trendumkehr-Szenarios konnten diese Berechnungen<br />
nicht gemacht werden.<br />
UNS-Fallstudie '98 89
Mobilität im Klettgau<br />
übermässig lärmbelastete Fläche durch MIV & ÖV (ohne Dieselbahn)<br />
70 ,------------------<br />
60<br />
50<br />
co<br />
u<br />
0 40<br />
(0<br />
1\<br />
E 30<br />
'" E<br />
-"<br />
20<br />
10<br />
0<br />
IST-Zust<strong>and</strong><br />
Trend<br />
Trend-Wende<br />
Döv<br />
lIml MIV<br />
Abb. 5.26: Da im Szenario Trend grässere Distanzen zurückgelegt<br />
werden, steigt die durch Lärm übermässig beanspruchte<br />
Fläche durch den MIV im Vergleich zu heute<br />
besonders an. Die Mobilitätsabnahme im Trendwende<br />
Szenario sowie die vermehrte Umlagerung vom MIV zum<br />
ÖV bringen die Lärmbelastung insgesamt unter das heutige<br />
Niveau. Unter den Rahmenbedingungen des Trendumkehr-Szenarios<br />
konnten die Berechnungen nicht gemacht<br />
werden.<br />
torwerte auf die Zielvorgaben könnte nur durch überregionale<br />
Massnahmen erreicht werden.<br />
Aufbruch in Richtung Umweltverträglichkeit (Szenario<br />
Trendwende)<br />
Im Vergleich zu heute nimmt die Umweltbelastung unter<br />
Betrachtung des gesamten Verkehrsaufkommens (MIV und<br />
ÖV) ab.<br />
Die «Teilkostenwahrheit» im motorisierten Individualverkehr<br />
in Kombination mit der vermehrten Benutzung von<br />
Kleinwagen senkt die Indikatorwerte unter den heutigen<br />
St<strong>and</strong>. Eine Wende im heutigen Trend lässt sich ausmachen,<br />
indem vermehrt vom MIV auf den ÖV umgestiegen wird.<br />
Anders sieht es beim öffentlichen Verkehr aus. Die dort<br />
fehlende Kostenwahrheit und der vermehrte Gebrauch<br />
durch den Umlagerungseffekt vom MIV bewirken, dass die<br />
Umweltbelastung durch den ÖV durch das Ansteigen aller<br />
Indikatorwerte im Vergleich zu heute zunimmt.<br />
Obwohl die negativen Umweltauswirkungen unter den<br />
Rahmenbedingungen dieses Szenarios im Vergleich zum<br />
IST-Zust<strong>and</strong> geringer sind, verbleiben der C02-Ausstoss<br />
um rund 15% und der Energiebedarf um 57% über dem<br />
entsprechenden Zielwert (vgl. Abb. 5.20 und 5.21).<br />
Unter den Rahmenbedingungen dieses Alternativzust<strong>and</strong>es<br />
war es möglich, Massnahmen zur Optimierung der<br />
Mobilität im Klettgau in Richtung Nachhaltigkeit zu erarbeiten.<br />
Auf der Basis dieser regionalen Massnahmenentwicklung<br />
in Abstimmung mit dem Verkehrs-Belastungsmodell<br />
konnten die Indikatorwerte auf die Zielvorgaben reduziert<br />
werden (vgl. Kap. 5.4).<br />
Mehr Umwelt für die Nachwelt (Szenario Trendumkehr)<br />
Die verkehrsbedingte Umweltbelastung ist im Vergleich<br />
zum IST-Zust<strong>and</strong> gering. Eine Umkehr des heutigen Trends<br />
ist erkennbar. Bemerkenswert ist hierbei die Abnahme des<br />
durch den MIV verursachten C02-Ausstosses und Energiebedarfs<br />
vonje rund 48% gegenüberheute. Die Indikatorwerte<br />
des öffentlichen Verkehrs bewegen sich im Gegensatz zu<br />
den <strong>and</strong>eren Szenariobedingungen ebenfalls unter den heutigen<br />
Belastungswerten. Die Einführung der vollen Kostenwahrheit<br />
für MIV und ÖV trägt Früchte. Die daraus resultierende<br />
Personenumlagerung vom MIV zum ÖV, die Gesamtabnahme<br />
des Verkehrs und die der Knappheit der Energieressourcen<br />
entsprechenden Preise haben wir als «Motoren»<br />
dieser umweltverträglichen Mobilität gewertet. Die <strong>Region</strong>alisierung<br />
der Wirtschaft und damit die Verkürzung der<br />
zurückgelegten Verkehrsdistanzen unterstützt diese Entwicklung<br />
zusätzlich.<br />
Die Zielvorgaben werden im Bereich des Energieverbrauchs<br />
um 8% und hinsichtlich der C02-Belastung gar um<br />
34% unterschritten (vgl. Abb. 5.20 und 5.21). Wir haben<br />
dieses Resultat als Ausdruck einer insgesamt nachhaltigen<br />
Mobilität gewertet. Eine Massnahmenerarbeitung für die<br />
<strong>Region</strong> Klettgau im Szenario Trendumkehr wurde somit<br />
hinfällig.<br />
5.4 Massnahmen - Wege zu einer<br />
umweltverträglicheren Mobilität<br />
Wie im vorangehenden Kapitel gesehen, werden im Szenario<br />
Trendumkehr die Zielvorgaben bezüglich Energieverbrauch<br />
und Kohlendioxid-Ausstoss alleine durch die veränderten<br />
Rahmenbedingungen erreicht. Im Szenario Trend<br />
liegt die Umeltbelastung hingegen so drastisch über den<br />
Zielwerten, dass diese mit regionalen Massnahmen im Verkehrsbereich<br />
nicht erreichbarsind. Im SzenarioTrendwende<br />
werden die Ziele ebenfalls überschritten, allerdings nicht in<br />
dem Masse, dass weitere Massnahmen von vornherein aussichtslos<br />
erscheinen. Aus diesem Grund haben wir für dieses<br />
Szenario nach Mitteln gesucht, mit welchen es möglich sein<br />
könnte, die Umweltbelastung des Verkehrs im Klettgau auf<br />
unsere Zielvorgaben zu reduzieren.<br />
Die Massnahmen für das Szenario Trendwende setzen an<br />
folgenden Punkten an:<br />
I. Senkung des Treibstoffverbrauchs<br />
2. Umlagerung aufden ÖV<br />
3. Generelle Mobilitätsreduktion<br />
90 UNS-Fallstudie '98
Mobilität im Klettgau<br />
Diese Massnahmenansätze werden im folgenden eingehender<br />
beschrieben. Zum Schluss werden einzelne Vorschläge<br />
aus den drei Ansätzen zu einem Massnahmenbündel<br />
zusammengefasst.<br />
Treibstoffverbrauch<br />
Was den Treibstoffverbrauch anbelangt, so müsste dieser<br />
von 8 Litern pro 100 Kilometer (sog. Flottenwert) auf 5,5<br />
Liter reduziert werden, wenn im Szenario Trendwende die<br />
Zielvorgaben einzig mit diesem Massnahmenansatz erreicht<br />
werden sollen. Um den Flottenwert zu senken, stehen beispielsweise<br />
folgende Möglichkeiten zur Verfügung:<br />
Angebot von «Eco-Fahrkursen»: In solchen Kursen lernen<br />
Autolenker eine Fahrweise, mit welcher der Treibstoffverbrauch<br />
und somit auch die Emission von Schadstoffen<br />
vermindert werden kann. Wenn bei niedriger<br />
Motorendrehzahl der grösstmögliche Gang gewählt wird<br />
(niedertouriges Fahren), kann der Benzin- oder Dieselverbrauch<br />
um 10 bis 20% reduziert werden, ohne dass<br />
langsamer gefahren werden muss (Cercl'Air, 1996, Internet:<br />
Bundesamt für Statistik).<br />
Förderung von Leichtmobilen: Kantone und Gemeinden<br />
könnten Leichtmobile durch finanzielle Anreize wie tiefere<br />
Motorfahrzeugsteuern fördern (Schweizerischer<br />
Stab für Gesamtverkehrsfragen, 1997). Um allein mit<br />
dieser Massnahme die Ziele erreichen zu können, müssten<br />
50% der Autos einen Treibstoffverbrauch von 4 bis 5<br />
Litern auf 100 km aufweisen.<br />
Förderung von ökologischen Leichtmobilen: Auf die<br />
selbe Weise, wie oben beschrieben, könnten ökologische<br />
Leichtmobile (Elektromobile, Twikes) gefördert werden.<br />
Weiter könnten, um den Flottenwert zu senken, folgende<br />
unterstützende Instrumente eingesetzt werden:<br />
PR-Aktionen zugunsten verbrauchsärmerer Fahrzeuge<br />
(vgl. Mobilitätskarawane, Kap. 6)<br />
(Billiges) Angebot an alternativem Treibstoff (Strom,<br />
Biogas)<br />
Sperrung für verbrauchsintensive Fahrzeuge (nicht relevant<br />
im ländlichen Raum).<br />
Umlagerung aufden ÖV<br />
Um die Zielvorgaben für Energieverbrauch und C02-Emission<br />
erreichen zu können, müssen der häufige Gebrauch der<br />
öffentlichen Verkehrsmittel attraktiv gemacht und vermehrt<br />
Leute zum Umsteigen vom Auto auf die Bahn angeregt<br />
werden. Folgende Massnahmen sind im Klettgau denkbar:<br />
Das ÖV-Angebot könnte noch mehr verdichtet werden<br />
(bis zu einer Verdreifachung, speziell auf Strecken der<br />
DB und den Busbetrieben). Allein schon ein Halt des RE<br />
(<strong>Region</strong>alExpress) in Neunkirch bewirkt eine Verdoppelung<br />
des DB-Angebotes. Falls das im Szenario Trendwende<br />
erwartete Mobilitätswachstum ausschliesslich<br />
mit dem ÖV abgefangen werden könnte, würden die<br />
Zielvorgaben erreicht.<br />
Rufbussystem mit Zentralen in Neunkirch und Erzingen<br />
Unterstützt werden könnte die Förderung des öffentlichen<br />
Verkehrs durch folgende Aktionen:<br />
PR-Aktionen zugunsten Benützung des ÖV (
Mobilität im Klettgau<br />
2. Förderung des ÖV (10% des MIV wird auf den ÖV<br />
umgelagert):<br />
- Halt des RE (<strong>Region</strong>alExpress) in Neunkirch<br />
- Stundentakt auf allen Bus-Linien<br />
3. Mobilitätsverhalten (Mobilitätsreduktion um 10%):<br />
- 10% der Autofahrer benützen Car-Pooling<br />
- Siedlungsentwicklung (ausreichendes Angebot an Lebensmittelgeschäften,<br />
Schaffung höherer Erlebniswerte)<br />
6 Veranstaltung:<br />
Mobilitätskarawane im Zuge<br />
des sanften Verkehrs<br />
Die Veranstaltung war wie die im dritten Kapitel aufgeführten<br />
Methoden ein integrativer Best<strong>and</strong>teil zur Verfolgung<br />
der Lernziele der umweltnaturwissenschaftlichen Fallstudie<br />
(Scholz et al. , 1997). Sie sollte der Umsetzung und Kommunikation<br />
von wissenschaftlich erarbeiteten Erkenntnissen<br />
dienen. Aufgrund der Unkonventionalität ihrer Gestalt wird<br />
diese kommunikative Methode in einem eigenen Kapitel<br />
beschrieben.<br />
6.1 Intention<br />
Durch die Veranstaltung sollte unsere zweite Zielsetzung,<br />
die Klettgauer Bevölkerung über Angebote umweltverträglicher<br />
Mobilität zu informieren (vgl. Kap. 3), eingelöst<br />
sowie einige Erkenntnisse aus der Umfrage (vgl. Kap.<br />
5.2.4), der Szenarioanalyse und der darauf basierenden<br />
Massnahmenerarbeitung (vgl. Kap. 5.4) umgesetzt werden:<br />
- Information der Klettgauer Bevölkerung über Angebote<br />
umweltverträglicher Mobilität in Form einer Fahrzeugkarawane<br />
- Nachhaltigkeitsmarketing für die in unserem Massnahmenpaket<br />
erwähnten Klein- bzw. Alternativfahrzeuge<br />
- Erlebnisraum schaffen für das Potential umweltverträglicher<br />
Fortbewegungsarten<br />
- Imagestärkung des ÖV in Form einer Marketing-Aktion<br />
- Kontaktaufnahme mit der Klettgauer Bevölkerung durch<br />
eine Fallstudienveranstaltung<br />
Umsetzung einer unkonventionellen Aktion für Nachhaltigkeit<br />
im Verkehr<br />
6.1.1 Nachhaltigkeitsmarketing<br />
Wie aus der Umfrage zum Image des ÖV hervorging (vgl.<br />
Kap. 5.2.4), besteht ein H<strong>and</strong>lungsbedarf im Bereich der<br />
Attraktivitätssteigerung des Öv. Durch eine höhere Attraktivität<br />
könnte die Konkurrenzfähigkeit gegenÜber dem MIV<br />
verbessert werden. Die im Sinne einer umweltverträglicheren<br />
Mobilität erwÜnschte Umsteigewirkung vom MIV zum<br />
ÖV (vgl. Kap. 5.3.2) würde daraus resultieren.<br />
«Es scheint deshalb angezeigt, neben Investitionen in die<br />
Infrastruktur (
Mobilität im Klettgau<br />
Abb. 6.1: Mit der «Mobilitätskarawane » sollte die Klettgmler<br />
Bevölkerung Über die verschiedenen Aspekte umweltverträglicher<br />
Mobilität informiert werden. Durch eine<br />
aktive Teilnahme von Klettgauerinnen und Klettgauern mit<br />
dem Fahrrad. durch die Mitfahrt im Bus des öffentlichen<br />
Verkehrs oder durch das Probefahren der verschiedenen<br />
mitfahrenden Vehikel konnte eine nachhaltige Mobilität<br />
erlebt }verden.<br />
Da durch die Fahrzeugkarawane für eine umweltverträglichere<br />
Mobilität geworben wurde, kann deren zentrale<br />
Funktion als Nachhaltigkeitsmarketing bezeichnet werden.<br />
In diesem Sinne haben wir den Inhalt des folgenden Zitates<br />
auch aufdie alternativen Fortbewegungsmittel angewendet.<br />
«Dementsprechend werden zur Imageverbesserung des<br />
ÖVPublic-Awareness-Kampagnen empfohlen mit dem Ziel,<br />
den ÖV zu einer auch subjektiv wählbaren Alternative zum<br />
MIV zu machen.» (Arnet et al., 1998)<br />
Der Anlass best<strong>and</strong> aus einer Karawane und einem Bahnhofsfest.<br />
Für die durch verschiedene Dörfer des Klettgaus<br />
ziehende Karawane wurde eine breite Auswahl an nachhaltig<br />
rollenden Verkehrsmitteln wie Elektrofahrzeuge CE-Mobile,<br />
E-Bikes), Twikes und Futurebikes, ein Solar-Eismobil<br />
sowie ein Bus des ÖV der Südbadischen Bus-Gesellschaft<br />
organisiert. Das Erleben einer nachhaltigen Mobilität<br />
sollte durch die aktive Teilnahme von Klettgauerinnen und<br />
K!ettgauern mit dem guten alten Fahrrad, durch die Mitfahrt<br />
im Bus des öffentlichen Verkehrs oder durch das Probefahren<br />
der sanften Vehikel Gestalt annehmen. Mittels Rundschreiben,<br />
H<strong>and</strong>zettel und Werbung in Lokalzeitungen wurde<br />
die Bevölkerung über den Anlass infonniert.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
93
Mobilität im Klettgau<br />
Bekanntheit von Verkehrsmitteln und -formen<br />
100 r------N=116/ Daten signifikant nach Mann-Whilney UTesl--<br />
90+------------------------<br />
80<br />
70<br />
60<br />
[%]60<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
Pendolino Park&Ride Carsharing Rufbus Mobility Twike<br />
EJ Bekannt<br />
llIlI Unbekannt<br />
Abb. 6.2: In der Umfrage (vgl. Kap. 4.4)<br />
haben wir die Bekanntheit von verschiedenen<br />
Verkehrsbegriffen untersucht. So<br />
kennen beispielsweise 81% der Bevölkerung<br />
im Klettgau den neueingeführten<br />
Neigetechnik-Zug (Pendolino). Auch das<br />
Park & Ride-System ist der Bevölkerung<br />
im Klettgau ein Begriff Demgegenüber<br />
sind ihnen Verkehrsoptimierungsformen<br />
wie Mobility, Car-Sharing und das Rufbussystem<br />
weniger bekannt. Am wenigsten<br />
kennt die Bevölkerung das Twike,<br />
welches zu den sanften, umweltverträglichen<br />
Verkehrsmitteln gehört.<br />
An verschiedenen Stationen legte die Karawane einen<br />
Halt ein. So konnten einerseits Resultate aus der Fallstudie<br />
präsentiert und <strong>and</strong>ererseits die verschiedenen alternativen<br />
Verkehrsmittel vorgestellt werden.<br />
An der letzten Station, dem Bahnhof in Erzingen, führten<br />
wir einen Infomarkt durch. Mittels Gesprächen und anschaulichen<br />
Darstellungen auf Schautafeln konnte über die<br />
Arbeit und die Resultate aller vier Synthesegruppen der<br />
Fallstudie informiert werden.<br />
Den mit sanften Verkehrsmitteln teilnehmenden Personen<br />
und Vereinen sowie der Südbadischen Bus-Gesellschaft sei<br />
hier ganz speziell für ihren Einsatz und ihre Unterstützung<br />
gedankt.<br />
6.3 Bewertung der Veranstaltung<br />
Die Motivation und Bereitschaft der Bevölkerung, spontan<br />
selber bei der Karawane mitzufahren, war leider nur<br />
gering. Eine Verbesserung wäre durch eine Optimierung der<br />
Zusammenarbeit mit lokalen Vereinen im Vorfeld der Veranstaltung<br />
zu erreichen.<br />
Es zeigte sich, dass es für ein erfolgreiches Marketing im<br />
Bereich nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum mehrerer<br />
Anstösse der Bevölkerung braucht. Ängste müssen zuerst<br />
abgebaut und eine Akzeptanz für fremde Verkehrsmittel und<br />
-formen aufgebaut werden. Die Änderung von Mobilitätsverhalten<br />
bedingt auch eine Änderung von Lebensgewohnheiten<br />
und Werten. Das braucht - wie in <strong>and</strong>eren gesellschaftlichen<br />
Themenkreisen - Zeit. Dies benötigt sowohl<br />
Zeit als auch einen intelligenten und breiten Einsatz in den<br />
Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Marketing.<br />
Mit der Mobilitätskarawane im Zuge des sanften Verkehrs<br />
wurde ein Anlass mit einer Mischung wohldosierter wissenschaftlicher<br />
Information, erlebnisreicher Anschaulichkeit<br />
und integrativer Aktion über ein Nachhaltigkeitsmarketing<br />
im Bereich Mobilität durchgeführt. Ein wichtiger Aspekt<br />
dabei war, dass ein Beitrag an den Bekanntheitsgrad und an<br />
die Attraktivitätssteigerung der einzelnen umweltverträglich<br />
rollenden Verkehrsmittel und des ÖV geleistet werden<br />
konnte. Den Begriff «Twike» (hergeleitet von englisch<br />
«Twin-Bike», Zwillingsfahrrad; ein zweiplätziges Leichtelektromobil<br />
mit zusätzlichem unterstützendem Pedalantrieb)<br />
kannten beispielsweise gemäss unserer Umfrage (vgl.<br />
Kap. 4.4) nur rund 13% der Bevölkerung im Klettgau (vgl.<br />
Abb.6.2).<br />
Unser Veranstaltungsmodell erfüllte auch unseren Anspruch,<br />
die Menschen der <strong>Region</strong> eine sanfte Mobilität<br />
erleben zu lassen.<br />
«Umso wichtiger erscheint es, Denkanstösse zu geben,<br />
Bewusstsein und Neugier für neue umweltfreundliche Verkehrsträger<br />
zu schaffen beziehungsweise zu wecken, was der<br />
«Mobilitätskarawane» zweifellos gelungen ist.» (Südkurier,<br />
30.6.1998)<br />
94<br />
UNS-Fallstudie '98
Mobilität im Klettgau<br />
7 Ausblick<br />
literatur<br />
Wird der heutige Verkehrstrend weiterverfolgt, so können<br />
die Zielvorgaben des Energieprogramms 2000 bis 20 I0 im<br />
Klettgau nicht erreicht werden, was zu einem ökologischen<br />
Problem hinsichtlich der C02-Emissionen und dem Energieverbrauch<br />
führt.<br />
Eine ökologische Optimierung der Mobilität im ländlichen<br />
Raum ist mit bestimmten Massnahmen möglich. Der<br />
H<strong>and</strong>lungsbedarf im Bereich Optimierung der Transportketten<br />
ist offensichtlich. Die Modifikation des konventionellen<br />
Linienbetriebs des ÖV sowie kommunikative Massnahmen<br />
zugunsten der ÖV-Benutzung könnten einen Umsteigeeffekt<br />
vom MIV her bewirken und die Mobilität umweltverträglicher<br />
gestalten.<br />
Die Studierenden hoffen mit dem vorliegenden Bericht<br />
neue Impulse zur Bearbeitung von Mobilitätsplanungsaufgaben<br />
im Klettgau - sowie in <strong>and</strong>eren ländlichen <strong>Region</strong>en<br />
- vermittelt zu haben.<br />
Arnet, 0., Holzinger, S. & Maissen, S. (1998). Intelligente Kundeninformation<br />
im öffentlichen Verkehr: Überblick und Grundlagen.<br />
Bern: Eidgenössische Drucksachen- und Materialzentrale.<br />
Autobahnbetriebsamt Singen, Bauleitung Lauchringen. (1998).<br />
Aktenvermerk zur A98 Hochrheinautobahn Waldshut!fiengen <br />
Geisslingen. Singen: Autobahnbetriebsamt Singen.<br />
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Bättig, M., Holy, R., Jung, T., König, F., Lippuner, L. & Roth, C.<br />
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UNS-Fallstudie '98<br />
95
Mobilität im Klettgau<br />
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Wanner, H. P., Pfund, R., Hablützel, H. & Stählin, A. (1991).<br />
Geschichte von Hallau. Hallau: Gemeinde Hallau.<br />
96<br />
UNS-Fallstudie '98
.......<br />
Autor:<br />
Björn Reineking<br />
unter Mitarbeit von:<br />
Roman Fendt<br />
Inhalt<br />
1. Vom l<strong>and</strong>schaftsschutz zur l<strong>and</strong>schaftsgestaltung 99<br />
Aufbauend aufden<br />
Ergebnissen der<br />
Arbeitsgruppe:<br />
Matteo Buzzi<br />
Christian Drack<br />
Roman Fendt<br />
Marc Huber<br />
Tobias jung<br />
Claudia Kopp<br />
Thibault Lachat<br />
Ulrich Leupold<br />
Werner Liechtenhan<br />
Valerie Maeder<br />
Bruno Meyer<br />
Björn Reineking<br />
Christine Roth<br />
Mario Schaffhauser<br />
Patrik Schöb<br />
Christoph Strasser<br />
Marianne Suter<br />
jan Sutter<br />
Roger Tanner<br />
Stefan Vollenweider<br />
Peter Frischknecht (Tutor)<br />
Markus jenny (Tutor)<br />
Raimund Rodewald (Tutor)<br />
Regula Steiner (Tutorin)<br />
Olaf Weber (Tutor)<br />
2. l<strong>and</strong>schaft im Klettgau - Entwicklungsfaktoren, Nutzungsdynamik<br />
und Gestaltungsstrategien 102<br />
3. Ein partizipatives Bewertungsinstrument für konkrete Massnahmen<br />
zur nachhaltigen l<strong>and</strong>schaftsgestaltung 119<br />
4. Ein regionales Kontaktnetz zur grenzüberschreitenden Koordination<br />
l<strong>and</strong>schaftsgestaltender Projekte im Klettgau 134<br />
5. Schlussfolgerungen und Ausblick: Schritte zu einer integrativen<br />
l<strong>and</strong>schaftsgestaltung im Klettgau 136
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
98 UNS-Fallstudie '98
______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
1 Vom l<strong>and</strong>schaftsschutz zur<br />
l<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
1.1 Die Grenzen des l<strong>and</strong>schaftsschutzes<br />
L<strong>and</strong>schaften werden seit langem von Menschen geformt.<br />
Beweidung und (Br<strong>and</strong>-) Rodung führten bereits seit 1000<br />
v. Chr. in Mitteleuropa zu einer wesentlichen Umgestaltung<br />
der ursprünglichen L<strong>and</strong>schaft (Ellenberg, 1996). Währen.d<br />
des Hochmittelalters wurden in grossem Umfang L<strong>and</strong>strIche<br />
gerodet, so dass um 1300 nur noch ein Fünftel derFläche<br />
Mitteleuropas bewaldet war. Es entst<strong>and</strong> eine reich strukturierte<br />
Agrarl<strong>and</strong>schaft, die in ihren wesentlichen Zügen über<br />
Jahrhunderte Best<strong>and</strong> hatte. Seit den fünfziger Jahren dieses<br />
Jahrhunderts veränderten sich jedoch Art und Geschwindigkeit<br />
der L<strong>and</strong>schaftsformung dramatisch (Broggi, 1997):<br />
Die L<strong>and</strong>wirtschaft wurde intensiviert, die Kulturl<strong>and</strong>schaft<br />
melioriert. Aus strukturreichen L<strong>and</strong>strichen entst<strong>and</strong>en in<br />
der Ebene vielfach monotone Agro-Produktionsstätten. Ein<br />
zunehmend enger geschnürtes Geflecht von asphaltierten<br />
Erschliessungsstrassen zerschnitt die L<strong>and</strong>schaft (s. Abbildung<br />
1.1). Siedlungen und Verkehrsinfrastruktur bre!teten<br />
sich rasant aus - in Deutschl<strong>and</strong> wuchs der AnteIl der<br />
überbauten Flächen in nur vier Jahrzehnten von gut 6 % auf<br />
11.3% an (Bundesforschungsanstalt für L<strong>and</strong>eskunde und<br />
Raumordnung, 1994). Diese Veränderungen blieben nicht<br />
ohne Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt und die ästhetische<br />
Qualität der L<strong>and</strong>schaft. Seit den 60er Jahren hat sich<br />
die Abnahme der Artenvielfalt in den Agrarökosystemen<br />
rapide beschleunigt (Broggi & Schlegel, 1989), und viele<br />
attraktive L<strong>and</strong>schaften wurden zerstört (Ewald, 1997). Obwohl<br />
auch Erfolge erzielt wurden, indem beispielsweise<br />
einzelne Arten gefördert wurden und wichtige Naturschönheiten<br />
und Biotope erhalten werden konnten (Gigon et al.,<br />
1996), blieben die ergriffenen Schutzmassnahmen insgesamt<br />
unbefriedigend. In seinem Sondergutachten von 1996<br />
hält der deutsche Sachverständigenrat für Umweltfragen<br />
hierzu fest: «Die Bilanz der Naturschutzpolitik muss in<br />
bezug auf die wesentlichen Ziele als wenig erfolgreich<br />
eingeschätzt werden» (Rat der Sachverständigen für Umweltfragen,<br />
1996, S. 53). Gleiches gilt für die Schweiz (z.B.<br />
Organisation for Economic Co-operation <strong>and</strong> Development,<br />
1998).<br />
Was sind die Gründe für das Ausbleiben grösserer Erfolge?<br />
Welche Ansätze erscheinen heute erfolgversprechender?<br />
Für Mario F. Broggi, Direktor der Eidgenössischen<br />
Forschungsanstalt für Wald, Schnee und L<strong>and</strong>schaft (WSL),<br />
ist der bislang im Natur- und L<strong>and</strong>schaftsschutz vorrangig<br />
verfolgte Ansatz der Segregation, d.h. der Ausscheidung<br />
von Naturvorrangflächen an «wertvollen» St<strong>and</strong>orten, an<br />
seine Grenzen gestossen: Die unter Schutz gestellten Flächen<br />
reichen nicht aus, um die Schutzziele zu erreichen, eine<br />
Ausdehnung der Schutzflächen stösst aber aufgrund von<br />
Nutzungskonflikten (z.B. mit L<strong>and</strong>wirtschaft, Siedlung,<br />
Verkehr) an Grenzen (Broggi, 1997). Die Lösung sieht<br />
Broggi daher in einer ergänzenden integrierten L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
(vgl. Tab. 1.1):<br />
1. Aufder Ebene der Schutzgüter (funktionale Integration)<br />
sollen biotischer, st<strong>and</strong>örtlicher und l<strong>and</strong>schaftlicher<br />
Ressourcenschutz gemeinsam umgesetzt werden. Dabei<br />
bezieht sich biotischer Ressourcenschutz vor allem auf<br />
die Erhaltung der biologischen Vielfalt. St<strong>and</strong>örtlicher<br />
Ressourcenschutz zielt auf die Qualitätssicherung des<br />
Bodens und des Wasserhaushaltes ab und l<strong>and</strong>schaftlicher<br />
Ressourcenschutz auf die Wahrung von Charakter<br />
und Schönheit der L<strong>and</strong>schaft.<br />
2. Der nachhaltige Umgang mit der Natur soll aufdie ganze<br />
L<strong>and</strong>schaft ausgedehnt werden, es soll also eine räumliche<br />
Integration erfolgen.<br />
3. Im Sinne einer zeitlichen Integration soll die kurzfristigstatische<br />
einer langfristig-dynamischen Betrachtungsweise<br />
weichen.<br />
4. Schliesslich gilt es, eine sozioökonomische Integration<br />
der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung zu erreichen. Diese sozioökonomische<br />
Integration hat zwei Dimensionen: Inhaltlich<br />
müssen ein «wirtschaftlich-räumlicher» und ein sozialer<br />
Bezug zu den zu schützenden Naturwerten hergestellt<br />
werden. Auf der Verfahrensseite müssen die Betroffenen<br />
insbesondere die L<strong>and</strong>nutzer, in einer aktiven, am<br />
Ent~cheidungsprozess mitwirkenden Rolle beteiligt<br />
werden. Die inhaltliche und verfahrensbezogene Berücksichtigung<br />
von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />
Anliegen bildet eine entscheidende Grundlage für<br />
die Akzeptanz der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung (Luz, 1994).<br />
Dabei betreffen wichtige Fragen das Ausrnass der Bürgerbeteiligung<br />
bei der konkreten Zielfindung, die Organisation<br />
des Verfahrens und die Einbindung in den demokratischen<br />
Entscheidungsprozess.<br />
1.2 Wege zu einer integrierten<br />
l<strong>and</strong>schaftsgestaltung im KJettgau<br />
Der Wechsel von einem segregativen L<strong>and</strong>schaftsschutz zu<br />
einer integrierten L<strong>and</strong>schaftsgestaltung bildete den Leitgedanken<br />
für die Arbeiten der Synthesegruppe Naturraum und<br />
Tab. 1.1: Die vier Integrationsebenen der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung (nach Broggi 1997).<br />
1. funktional Umsetzung von biotischem, st<strong>and</strong>ärtlichem und l<strong>and</strong>schaftlichem Ressourcenschutz<br />
2. räumlich Ausweitung auf die gesamte L<strong>and</strong>schaft<br />
3. zeitlich langfristig-dynamische anstelle kurzfristig-statischer Betrachtungsweise<br />
4. sozioäkonomisch wirtschaftlich-räumlicher und sozialer Bezug<br />
Kontakt zum L<strong>and</strong>nutzer, Akzeptanz für die L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
I<br />
I<br />
UNS-Fallstudie '98 99
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
Abb. 1.1: Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich der Druck auf die L<strong>and</strong>schaft intensiviert, wie hier am Fall von<br />
Rainau-Schwabsberg in Baden-Württemberg eindrücklich gezeigt wird. Die linke Aufnahme stammt aus dem Jahr 1966, die<br />
rechte aus dem Jahr 1990 (Brugger 1990).<br />
L<strong>and</strong>schaft der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1998. Ziel der Studie<br />
ist es, Schritte auf dem Weg zu einer integrierten L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
in der Klettgaurinne aufzuzeigen. Diese<br />
ländliche <strong>Region</strong> ist ein ehemaliges Rheintal mit einer Ausdehnung<br />
von 156 km 2 und 24'000 Einwohnern (vgl. Abb.<br />
1.2). Es liegt an der schweizerisch-deutschen Grenze zwischen<br />
Schaffhausen (CH) und Waldshut (D), etwa 35 km<br />
nordwestlich von Zürich (CH). Mehrere Gründe empfahlen<br />
die Klettgaurinne als ideales Untersuchungsobjekt: Die<br />
grenzüberschreitende Lage erlaubt es, den Einfluss unterschiedlicher<br />
Rahmenbedingungen auf die L<strong>and</strong>schaftsentwicklung<br />
zu untersuchen. Die Talebene wird intensiv l<strong>and</strong>wirtschaftlich<br />
genutzt, so dass Nutzungskonflikte mit Naturschutz<br />
und l<strong>and</strong>schaftlicher Erlebnisqualität deutlich hervortreten.<br />
Insbesondere auf Schweizer Seite bestehen Bestrebungen,<br />
die <strong>Region</strong> stärker für den Tourismus zu öffnen,<br />
wodurch die Attraktivität der L<strong>and</strong>schaft zusätzliche Aufmerksamkeit<br />
erhält. Schliesslich waren vom Agrarökologi-<br />
Abb.l.2: Übersichtskarte des Klettgaus. Die L<strong>and</strong>esgrenze verläuft zwischen Erzingen (D) und Trasadingen (eH). Ebenfalls<br />
hervorgehoben sind die Gemeindegrenzen.<br />
100 UNS-Fallstudie '98
------------------ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
sehen Projekt Klettgau, das 1984 vom Forschungsinstitut<br />
für Biologischen L<strong>and</strong>bau (FiBL) initiiert und durch das<br />
Planungs- und Naturschutzamt des Kantons Schaffhausen<br />
umgesetzt wurde, von der Vogelwarte Sempach und von der<br />
<strong>ETH</strong>-UNS-Fallstudie 1997 wichtige Vorarbeiten geleistet<br />
worden.<br />
Wie detailliert können und müssen Schritte auf dem Weg<br />
zu einer integrierten L<strong>and</strong>schaftsgestaltung dargestellt werden?<br />
Wir entschieden uns zum einen gegen eine stark detailbezogene<br />
Diskussion einzelner Massnahmen (beispielswei-<br />
se, wie eine Trockenmauer in den Rebbergen anzulegen ist<br />
und welche Stellen im Klettgau sich besonders dazu eignen),<br />
zum <strong>and</strong>eren bemühten wir uns um ein höheres Mass an<br />
Konkretheit, als dies in Diskussionen um allgemeine Naturund<br />
L<strong>and</strong>schaftsschutzkonzepte üblicherweise gegeben ist<br />
(z.B. Kästli et al., 1998). Wir wählten daher verschiedene<br />
Massnahmentypen (Bachrenaturierung, Kiesgrubenrenaturierung,<br />
Anlage von Buntbrachen) als Bezugspunkte für<br />
unsere Arbeit. Diese sind so konkret, dass ihre Bedeutung<br />
für den Klettgau anschaulich dargestellt werden kann, aber<br />
auch allgemein genug, um angemessen besprochen werden<br />
zu können, ohne dass der genaue Ort und die spezifische Art<br />
der Umsetzung schon festgelegt werden müssen. Zudem<br />
stellen sie gesellschaftlich anerkannte und im Klettgau bereits<br />
bekannte Mittel dar, um das allgemeine Ziel einer<br />
ökologischen und ästhetischen Aufwertung der L<strong>and</strong>schaft<br />
zu erreichen.<br />
Im Hinblick auf die vier oben genannten Integrationsebenen<br />
identifizierten wir folgende Aufgaben:<br />
Erstens sollten H<strong>and</strong>lungskonzepte und Massnahmen auf<br />
eine Verbesserung der l<strong>and</strong>schaftlichen Situation ausserhalb<br />
bestehender Schutzgebiete abzielen. Wir konzentrierten uns<br />
daher auf die l<strong>and</strong>schaftliche Aufwertung in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone.<br />
Zweitens werden Angaben über die naturräumlichen Gegebenheiten<br />
und über die sozio-ökonomische Situation der<br />
betrachteten <strong>Region</strong> benötigt. In zwei Transekten (Querschnittsbändern)<br />
von rund 400 m Breite,je einer in Deutschl<strong>and</strong><br />
und in der Schweiz, wurden naturnahe Flächen aufgenommen<br />
und, als ästhetisches Mass, die Erlebnisqualität der<br />
L<strong>and</strong>schaft erhoben. Mögliche Konflikte zwischen biotischem<br />
Naturschutzwert und Erlebnispotential einer L<strong>and</strong>schaft<br />
werden ebenso diskutiert wie die Auswirkungen einer<br />
weiteren Zunahme der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzung, der<br />
Siedlungstätigkeit oder des Verkehrs.<br />
Drittens werden Kriterien benötigt, mit denen Massnahmen<br />
zur ökologischen und ästhetischen Aufwertung der<br />
L<strong>and</strong>schaft integrierend bewertet werden können. Es wird<br />
ein Verfahren entwickelt, das in Verbindung mit diesen<br />
Kriterien eine integrierte und transparente Bewertung von<br />
Massnahmentypen durch die Bevölkerung erlaubt. Durch<br />
das Verfahren sollen einerseits die Akzeptanz der Massnahmen<br />
geklärt sowie mögliche Konflikte frühzeitig erkannt<br />
und einer konstruktiven Lösung zugänglich gemacht werden,<br />
<strong>and</strong>ererseits soll das Wissen der lokalen Bevölkerung<br />
für eine bessere L<strong>and</strong>schaftsgestaltung genutzt werden.<br />
Viertens gilt es, die vorh<strong>and</strong>enen Kräfte im Bereich des<br />
L<strong>and</strong>schaftsschutzes effizienter zu nutzen. Die Koordination<br />
von Projekten sollte verbessert, der Erfahrungsaustausch<br />
beschleunigt werden. Zu diesem Zweck wurde mit dem<br />
Aufbau eines Kontaktnetzes (
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
Anatyse der regionalen<br />
Schieflagen im Bereich<br />
Natur und L<strong>and</strong>schaft<br />
~ ~<br />
Lebensraumkartierung und Beb:~t~i~1h~ft~~aLad~~~~~s~r~~~<br />
sekten<br />
Erarbeiten eines möglichen SOUzust<strong>and</strong>es<br />
der beiden Transekte<br />
Zielsetzung; - Erarbeiten von Bewertungskrite-<br />
Aufzei~en kon~reter ~ rien<br />
Schritte zu einer ~ Auswahl von Massnahmentypen<br />
integrativen L<strong>and</strong>-<br />
~<br />
"';;haft'kll:;;~':.':.,ung;m~ A<br />
~-=~::::":':ns:n:~~:'ft:t;;:nn:9:e:;n:a:r:B:a:w:a:r:tu:n:g:s:-~<br />
Erstellen eines Grundtagenordners<br />
Sondierungstretfen tur eine «IG<br />
Klettgau»<br />
Brainstorming über<br />
mögliche Zielsetzungen<br />
'l """ "2-:J Aufbau eines regionalen Kontaktnetzes<br />
(
______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
9.0 o e, mit Durchschnittswerten von -D.9°e im Januar und<br />
18.4oe im Juli (Fisler, 1998). Die Niederschläge sind mit ca.<br />
800 bis 850 mm/Jahrrecht gering; die Ursache hierfür ist die<br />
Regenschattenwirkung des Schwarzwalds. Ein Drittel der<br />
Niederschläge fällt im Sommer, der Rest verteilt sich gleichmässig<br />
aufdie drei <strong>and</strong>eren Jahreszeiten. Die Sonnenscheindauer<br />
beträgt etwa l'100 Stunden zwischen Mai und September.<br />
Die Winde kommen vorrangig aus westlicher Richtung.<br />
Da der Klettgau während der Würmeiszeit vor 20'000 bis<br />
70'000 Jahren nicht mehr vom Eis erreicht wurde, ist die<br />
Entwicklung der Böden weit fortgeschritten. Die zum Teil<br />
sehr fruchtbaren, tiefgründigen Böden auf Löss und tonreichen<br />
Seesedimentenführen zusammen mit den klimatischen<br />
Bedingungen dazu, dass der Klettgau sehr geeignet für den<br />
Reb-, Obst- und Ackerbau ist (Waldvogel & Graf, 1981).<br />
Die geringen Niederschläge erschweren hingegen die Grasund<br />
somit auch die Viehwirtschaft.<br />
2.1.2 Nutzungsgeschichte und gegenwärtige<br />
L<strong>and</strong>nutzung<br />
Nutzungsgeschichte<br />
Im folgenden werden die wichtigsten Veränderungen der<br />
L<strong>and</strong>schaft kurz beschrieben. Der Schwerpunkt liegt bei der<br />
Entwicklung seit Mitte des 19. Jahrhunderts (s. Tabelle 2.1).<br />
Eine ausführlichere Darstellung findet sich in Kästli et al.<br />
(1998).<br />
Die wichtigsten l<strong>and</strong>schaftsprägenden Veränderungen des<br />
Klettgaus durch den Menschen f<strong>and</strong>en, wie auch in <strong>and</strong>eren<br />
Teilen Mitteleuropas, bereits vor etwa eintausend Jahren<br />
während des Hochmittelalters statt. Weite L<strong>and</strong>striche wurden<br />
gerodet, um Acker- und Weideflächen zu gewinnen und<br />
so die wachsende Bevölkerung zu ernähren. Aus überwiegend<br />
dicht bewaldeten Gebieten entst<strong>and</strong>en lichte «Weidewälder»<br />
und eine reich strukturierte Agrarl<strong>and</strong>schaft (Mühlenberg<br />
& Slowik, 1997). Die gezielte Regulation des Wasserhaushaltes<br />
begann im 16. Jahrhundert. Erste Bachverbauungen<br />
im Klettgau zum Schutz der Felder flacher Tallagen<br />
stammen aus dieser Zeit. Nach der Aufgabe von Dreifelderwirtschaft<br />
und Flurzwang Ende des 18. Jahrhunderts war es<br />
eine technische Innovation, die in der zweiten Hälfte des 19.<br />
Jahrhunderts die weitere l<strong>and</strong>schaftliche Entwicklung im<br />
Klettgau wesentlich prägte - der Bau der Eisenbahn. Eine<br />
Tab. 2.1: Wesentliche l<strong>and</strong>schaftsgestaltende Entwicklungen in Mitteleuropa seit 1800, mit Schwergewicht aufEreignissen<br />
in Deutschl<strong>and</strong> (nach Mühlenberg & Slowik 1997).<br />
I<br />
Zeitabschnitt l<strong>and</strong>schaftsgestaltende Entwicklungen in<br />
Mitteleuropa, insbesondere Deutschl<strong>and</strong><br />
vor 1800 Flächendeckende Rodungen, extensive Waldweide, Dreifelderwirtschaft.<br />
1800 Beginn der Industrialisierung, Ausweitung der Verkehrsinfrastruktur, Beginn der<br />
Grossstadtentwicklung.<br />
1840 Beginn der grossen Gewässerkorrektionen in der Schweiz.<br />
ab 1850<br />
Industrielle Revolution.<br />
Beginn überlieferter Aufzeichnungen über das Verbreitungsgebiet einzelner Pflanzen- und Tierarten,<br />
Anfänge der Naturschutzbewegung.<br />
i Aufforstungen im Rahmen einer «ordnungsgemässen Fortwirtschaft».<br />
1880 I Beginn einer nennenswerten Mineraldüngung.<br />
Moorkultivierung und Moorbesiedlung, Brenntorfgewinnung.<br />
Erste grosse Flussausbauten (Tullas Rheinkorrektur) abgeschlossen.<br />
Trockenlegungen (Meliorationen).<br />
1920 Ausweitung der Düngung, Siedlungserweiterung und Ausbau des Strassennetzes.<br />
ab 1950<br />
Sprunghafter Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsflächen (über 10% der Fläche der alten BRD wurden<br />
in den letzten Jahrzehnten überbaut).<br />
Radikale Umstellung der Agrarökosysteme ausschliesslich nach technischen Gesichtspunkten.<br />
Intensivdüngung, enge Fruchtfolgen und chemische Steuerung.<br />
I<br />
I Umbruch von Grünl<strong>and</strong> (Kunstwiesen in Fruchtfolge statt Naturwiesen). Drainage grosser Gebiete,<br />
Rodung von Streuobstbeständen.<br />
Folge: Verlust nährstoffarmer, artenreicher St<strong>and</strong>orte vor allem in der Ebene, Einsetzen eines starken<br />
Artenschwundes.<br />
I<br />
I<br />
1970 Anliegen des Naturschutzes werden ernster genommen: neues Naturschutzgesetz in Deutschl<strong>and</strong>,<br />
neues Flurbereinigungsgesetz, Verordnungen für die Zusammenarbeit von Strassenbaubehörden und<br />
I<br />
i Naturschutz, etc.<br />
I<br />
I<br />
UNS-Fallstudie '98 103
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
unmittelbare Folge waren grossflächige Rodungen in den<br />
Jahren 1860 bis 1864, mit denen Schulden aus dem Eisenbahnbau<br />
beglichen wurden. Die Möglichkeit, per Bahn zur<br />
Industriearbeit nach Schaffhausen oder Waldshut zu pendeln,<br />
führte auch dazu, dass immer mehr L<strong>and</strong>wirtschaftsbetriebe<br />
im Nebenerwerb geführt wurden. Dieser Trend wurde<br />
durch die nun möglichen günstigen Importe von l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />
Produkten verstärkt.<br />
Der Beginn des 20. Jahrhunderts brachte Anfänge der<br />
Mechanisierung und Chemisierung in der L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
mit sich - H<strong>and</strong>arbeit und tiergezogene Pflüge wurden von<br />
den ersten Traktoren und Sämaschinen abgelöst, Rebkrankheiten<br />
wurden chemisch bekämpft. Nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg beschleunigten sich der W<strong>and</strong>el in der L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
und die Überformung der L<strong>and</strong>schaft (Tabelle 2.1).<br />
Motorisierung, verstärkter Einsatz von Pestiziden und<br />
Mineraldüngern sowie die Einfuhr von neuen Kulturen<br />
(Raps, Zuckerrüben, Mais) veränderten die L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />
Im Schweizer Teil des Klettgaus f<strong>and</strong>en in den Jahren 1945<br />
und 1956 l<strong>and</strong>wirtschaftliche Gesamtmeliorationen statt.<br />
Geprägt durch die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges, wurde<br />
der Selbstversorgung der Schweiz ein hoher Stellenwert<br />
eingeräumt. Entsprechend zielte das Meliorationsprogramm<br />
darauf ab, das l<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktionspotential maximal<br />
zu nutzen. Im Zuge von L<strong>and</strong>zusammenlegungen<br />
wurden vormals stark gegliederte Flächen durch zusammenhängende<br />
Monokulturen ersetzt, Hochstammobstgärten<br />
mussten aus Effizienzgründen (und aufgrund des Siedlungsdrucks)<br />
weichen, und viele traditionelle Dauerwiesen wurden<br />
in Ackerl<strong>and</strong> umgew<strong>and</strong>elt. Im deutschen Klettgau<br />
f<strong>and</strong>en die Meliorationen erst ab 1960 und weniger tiefgreifend<br />
statt.<br />
Gegenwärtige L<strong>and</strong>nutzung<br />
Die gegenwärtigen Flächennutzungen im Klettgau sind in<br />
Tabelle 2.2 dargestellt. Der Anteil der Siedlungsfläche ist im<br />
deutschen Klettgau höher als im schweizerischen Klettgau.<br />
Dies kann jedoch zumindest teilweise auf die unterschiedliche<br />
Klassifizierung zurückgeführt werden, da in Deutschl<strong>and</strong><br />
die Verkehrsflächen als Teil der Siedlungsflächen aufgeführt<br />
werden. Während im deutschen Klettgau der Anteil<br />
der Siedlungsfläche grösser als im Durchschnitt des L<strong>and</strong>kreises<br />
ist, liegt im schweizerischen Klettgau der Anteil der<br />
Siedlungsfläche unterhalb des Kantonsdurchschnitts. Dies<br />
liegt vor allem darin begründet, dass die Stadt Schaffhausen<br />
ein relativ grosses und dicht besiedeltes Zentrum innerhalb<br />
des Kantons bildet, die Agglomeration Waldshut-Tiengen<br />
hingegen bezogen auf die Fläche des L<strong>and</strong>kreises keinen so<br />
bedeutenden Effekt auf den durchschnittlichen Anteil der<br />
Siedlungsfläche ausübt.<br />
Der Anteil der Waldfläche liegt im deutschen Gebiet<br />
deutlich, im schweizerischen Gebiet leicht unterhalb des<br />
L<strong>and</strong>kreis- bzw. Kantonsdurchschnitts. In beiden Teilen des<br />
Klettgaus wird der Wald aus finanziellen Gründen, d.h.<br />
aufgrund der geringen Holzpreise, zunehmend extensiv bewirtschaftet<br />
(Meier et al., 1998).<br />
Der Anteil der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzfläche beträgt in<br />
beiden Teilen des Klettgaus ca. 54% und liegt damit über<br />
dem Durchschnitt des L<strong>and</strong>kreises bzw. des Kantons. Eine<br />
Aufschlüsselung der verschiedenen Nutzungsformen der<br />
l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzfläche ist in Tabelle 2.3 gegeben.<br />
Der Rebbau ist zumindest im Schweizer Klettgau charakterprägend.<br />
Heute liegt die Rebfläche bei 373 ha im Schweizer<br />
Klettgau. Im deutschen Klettgau beträgt sie lediglich 22<br />
ha.<br />
Ackerl<strong>and</strong> ist aufgrund der genannten klimatischen und<br />
bodenbedingten Gegebenheiten die dominierende Nutzungsform<br />
im L<strong>and</strong>wirtschaftsgebiet. Die wichtigsten Feldfrüchte<br />
sind Getreide, Mais und Raps.<br />
Im deutschen Klettgau ist der Anteil von Wiesl<strong>and</strong> und<br />
Weiden mit 42% bedeutend grösser als im Schweizer Klettgau,<br />
wo er lediglich 26% ausmacht. Dies ist zum einen eine<br />
Spätfolge der unterschiedlichen Meliorationspraxis in der<br />
Mitte des Jahrhunderts, aber auch ein Ergebnis der grösseren<br />
Breite des ackerbaulich ideal nutzbaren Talbodens in der<br />
Schweiz.<br />
2.1.3 Fauna und Flora<br />
Die Flora und Fauna des Klettgaus wurden durch den Menschen<br />
radikal verändert. Vor der Nutzbarmachung, die vermutlich<br />
in römischer Zeit begann, war der Klettgau reich an<br />
Feucht- und Überschwemmungsgebieten (Wernet, 1971).<br />
Die heutige Tier- und Pflanzenwelt des Klettgaus ist weitgehend<br />
typisch für eine l<strong>and</strong>wirtschaftlich intensiv genutzte<br />
<strong>Region</strong> des Schweizer Mittell<strong>and</strong>es. Unterschiede ergeben<br />
sich vor allem durch das tendenziell trockenere und wärmere<br />
Klima.<br />
Es gibt nur wenige Grossäugetiere. Wildschweine und der<br />
ostasiatische Sikahirsch sind heute die grössten vorkommenden<br />
Säugetiere. DerSikahirsch gelangte Ende des Zweiten<br />
Weltkrieges aus Gehegen bei der Küssaburg ins Freie<br />
und bildet jetzt die einzige freilebende Population dieser Art<br />
in der Schweiz. Ob diese Besiedlung stabil ist, ist jedoch<br />
nicht sicher bekannt. Die Fuchspopulation ist nach der tollwutbedingten<br />
intensiven Verfolgung der 70er und frühen<br />
Tab. 2.2: Flächennutzungen im Klettgau (Schlatter et al., 1998).<br />
I Gemeinde<br />
I Zum Vergleich:<br />
i L<strong>and</strong>kreis/Kanton<br />
[<br />
Klettgau (D), 1993 (1 Gemeinde)<br />
Siedlung Wald I l<strong>and</strong>wirt-<br />
(+ Verkehr) (+ Wasser) schaft<br />
9.3%<br />
8.6%<br />
34.2%<br />
49.7%<br />
54.5%<br />
41.1%<br />
Klettgau (eH), 1991 (13 Gemeinden)<br />
Bauzonen I Wald l<strong>and</strong>wirtschaft<br />
I<br />
(+ übriges Gebiet)<br />
I 5.7% I 40.8%<br />
53.4%<br />
8.2% 41.4%<br />
50.4%<br />
104<br />
UNS-Fallstudie '98
----- L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
Tab. 2.3: L<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzfläche (LN) im Klettgau (Bundesamt für Statistik, 1997, Statistisches L<strong>and</strong>esamt<br />
Baden-Württemberg, 1995).<br />
i<br />
i<br />
Rebbau<br />
Ackerl<strong>and</strong> Wiesl<strong>and</strong> und Weide i Andere<br />
LN total I<br />
in ha : in% in ha ! in % I in ha I in% I in ha I in% in ha I<br />
I<br />
, ! I<br />
eH 373 7 3201 60 1381<br />
I I 26 373 7 I<br />
I<br />
5334<br />
I<br />
i<br />
(1995)<br />
I<br />
-)<br />
D 22 1 976 56 1066 42 33 1<br />
I<br />
I I I 1788 I<br />
I<br />
I I<br />
(1993)<br />
i I ! I<br />
i<br />
80er Jahre während der letzten zehn Jahre aufdas Vierfache<br />
gewachsen. Wie gross der Einfluss dieser erhöhten Prädatorendichte<br />
auf die Feldhasen und verschiedene Arten von<br />
Bodenbrütern ist, ist nicht genau bekannt.<br />
Der Feldhasenbest<strong>and</strong> in der Schweiz nimmt seit etwa 40<br />
Jahren ab (Achermann et al., 1995). Die Feldhasenpopulation<br />
des Klettgaus gehört heute zu den grössten der Schweiz.<br />
Seit Dezember 1991 wird von der Vogelwarte Sempach eine<br />
jährliche Hasenzählung durchgeführt. Dabei wurde in den<br />
letzten Jahren eine Verschiebung der Populationen aus den<br />
Tallagen des Klettgaus in die Rebberge beobachtet: Die<br />
heute weitverbreitete Begrünung der Rebberge, die in der<br />
Schweiz Bedingung für Bundesbeiträge im Rahmen der<br />
Integrierten Produktion (IP) ist, ersetzt Ruhe- und Futterplätze<br />
in der Klettgaurinne, die durch die intensive Bewirtschaftung<br />
verlorengegangen sind. In der Feldflur, dem angestammten<br />
Lebensraum des Hasen, sind die Best<strong>and</strong>sdichten<br />
im internationalen Vergleich besorgniserregend gering (1.6<br />
7.7, Median 5.8 Tiere/km 2 ) (Jenny, 1994).<br />
Die Best<strong>and</strong>esentwicklung von vier Vogelarten, die eine<br />
Indikatorfunktion für die Intensität der L<strong>and</strong>nutzung haben,<br />
ist in Abb. 2.2 dargestellt.<br />
Die Vogelwarte Sempach führt ein spezielles Förderprogramm<br />
für die Wiederansiedlung des Rebhuhns im Klettgau<br />
durch; erste Aussetzungen f<strong>and</strong>en 1998 statt. Zuvor waren<br />
die letzten Exemplare 1993 beobachtet worden. Die Wiederbesiedlung<br />
wird vermutlich vorrangig durch einen Mangel<br />
an geeigneten Habitatstrukturen (Heckengruppen mit<br />
Krautsäumen, Brachstreifen, Wiesen) erschwert. Hinzu<br />
kommt eventuell eine hohe Prädatorendichte, insbesondere<br />
von Füchsen, aber auch von Hunden. Bei kleinen Populationen<br />
können zudem ungünstige Witterungsverhältnisse während<br />
der Aufzuchtzeit oder <strong>and</strong>ere zufällige Prozesse einen<br />
bedeutenden Einfluss ausüben. Das Wetter kann jedoch<br />
kaum für den allgemeinen Rückgang der Rebhuhnbestände<br />
verantwortlich gemacht werden (Jenny et al. 1997).<br />
Die Feldlerche zeigt seit Anfang der achtzigerJahre starke<br />
Best<strong>and</strong>esrückgänge in vielen europäischen Ländern. Als<br />
wesentlicher Grund hierfür wird die abnehmende Strukturvielfalt<br />
in der Feldflur und insbesondere die Abnahme<br />
grasartiger Kulturen zugunsten von Mais genannt. Im Klettgau<br />
ist die Best<strong>and</strong>esdichte für schweizerische Verhältnisse<br />
sehr hoch: Sie liegt bei drei bis vier Brutpaaren je 10 ha. Die<br />
Grösse der Reviere schwankt je nach Habitatqualität zwischen<br />
weniger als 1.0 und 2.9 ha (Jenny et al., 1997).<br />
18<br />
16<br />
...<br />
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
Abb. 2.3: Die Population des Feldhasen (u.l.) im Klettgau zählt<br />
heute zu den grässten der Schweiz. Die Strukturarmut der<br />
Klettgauebene erschwert die Wiederansiedlung des Rebhuhns<br />
(0.1'.). Zauneidechsen (0.1.) jlnden sich entlang der Bahnlinie.<br />
Der seltene Venusspiegel (LU:) profitiert von Buntbrachen.<br />
(Bildquellen: 0.1.: NaUaj'orschende Gesellschaft Schaffhausen.<br />
Neujahrsblatt NI'. 49/1997. Foto: Herbert Billing. 0.1'.: Foto<br />
Markus Jenny. u.!:.' Nauaj'orschende Gesellschaft Schaffhau··<br />
sen. Neujahrsblatt NI'. 5011998. Foto: Martin Bolliger. u.l.:<br />
Foto: Markus .Jenny).<br />
Aufgrund der günstigen klimatischen Bedingungen<br />
kommt im Klettgau und dem angrenzenden Uml<strong>and</strong> eine<br />
grössere Zahl von Reptilienarten vor. An stmkturreichen<br />
Stellen der Trockenhänge und der Bahnlinie sind Zaun- und<br />
Mauereidechse sowie die im Mittell<strong>and</strong> praktisch ausgestorbene<br />
Schlingnatter beheimatet. Auch Blindschleichen und<br />
Ringelnattern kommen vor, und im Wangental kann die<br />
Waldeidechse angetroffen werden. Die weitgehende Armut<br />
an naturnahen Strukturen in der Klettgauebene und in den<br />
Rebhängen von Gächlingen bis Trasadingen beschränkt jedoch<br />
die vorh<strong>and</strong>enen Best<strong>and</strong>sdichten wesentlich.<br />
Der Klettgau ist botanisch eines der artenreichsten Gebiete<br />
im Kreis Waldshut (Fisler, 1998). Zu den besonders<br />
schönen und geschützten Arten gehören Ackerrittersporn<br />
und Adonisröschen (beides Arten der Ackerbegleitflora)<br />
sowie verschiedene Lilien- und Orchideenarten. In den Reb-<br />
bergen wachsen Zwiebelgeophyten wie Gelbstern oder<br />
Traubenhyazinthe. Durch die Begrünung der Rebberge werden<br />
diese jedoch benachteiligt. Der Wechsel zwischen BegrÜnung<br />
und freiem Oberboden von Rebenreihe zu Rebenreihe<br />
soll die positiven Effekte der Begrünung (grundwasserschützende,<br />
bodenökologische und erosionshemmende<br />
Wirkung) zur Geltung bringen und gleichzeitig den Bedürfnissen<br />
der Zwiebelgeophyten Rechnung tragen. Der Venusspiegel<br />
ist eine der seltenen Arten der Ackerbegleitflora, die<br />
durch die Anlage von Buntbrachen gefördert werden. Eine<br />
attraktive Kuriosität ist der geschützte, an Trockenhängen<br />
vorkommende «feuerspeiende» Diptam: Die Staude gibt so<br />
reichlich ätherische Öle ab, dass diese an windstillen Sommertagen<br />
über der Pflanze angezündet werden können.<br />
106<br />
UNS-Fallstudie '98
______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
2.1.4 Der Klettgau im regionalen Kontext<br />
Um die ökologische Bedeutung des Klettgaus einschätzen<br />
zu können, ist es wichtig, ihn in einen grösseren geographischen<br />
Zusammenhang einzuordnen. Dabei wird deutlich,<br />
dass der Klettgau sich wie ein Keil zwischen die beiden<br />
wertvollen Gebiete «R<strong>and</strong>en» im Nordosten und «Wangenund<br />
Osterfingertal» im Süden schiebt. Die Kulturl<strong>and</strong>schaft<br />
R<strong>and</strong>en wurde 1977 in das Bundesinventar der L<strong>and</strong>schaften<br />
und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN)<br />
aufgenommen, das Wangen- und Osterfingerta11996. L<strong>and</strong>schaften,<br />
die im BLN verzeichnet sind, geniessen insofern<br />
Schutz, als der Bund bei eigenen Werken (Militär, Post etc.)<br />
grösstmögliche Schonung anordnen muss. Der R<strong>and</strong>en umfasst<br />
mit 7'432 ha ein Viertel der Schaffhauser Kantonsfläche.<br />
Besonders wertvoll sind seine Halbtrockenrasen. Das<br />
BLN-Gebiet «Wangen- und Osterfingertal» ist bedeutend<br />
kleiner. Es nimmt mit 839 ha lediglich 2.8% der Kantonsfläche<br />
ein und enthält nebst trockenen Kalk-Flaumeichenwä1<br />
dem auch grössere Überschwemmungs- und Feuchtgebiete<br />
(Billing & Bolliger, 1998). In diesen beiden Vorranggebieten<br />
sollen jeweils mindestens 12-15% naturnahe Flächen<br />
erhalten bleiben (Baudepartement des Kantons Schaffhausen,<br />
1995). Dies soll sicherstellen, dass auch anspruchsvolle<br />
Tier- und Pflanzenarten langfristig überleben können. Es ist<br />
eines der wichtigsten Naturschutzziele im Kanton Schaffhausen,<br />
die Vorranggebiete R<strong>and</strong>en und Wangen- und Osterfingertal<br />
durch die ökologische Aufwertung der l<strong>and</strong>wirtschaftlich<br />
intensiv genutzten Klettgauebene besser mitein<strong>and</strong>er<br />
zu vernetzen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der<br />
Kanton Bewirtschaftungsvereinbarungen mit L<strong>and</strong>wirten<br />
getroffen. Sie sichern etwa 40 ha ökologische Ausgleichsflächen<br />
in strukturarmen l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Gunstlagen<br />
und werden aus dem Natur- und Heimatschutzbudget finanziert.<br />
2.2 Wieviel Raum hat die Natur im<br />
Klettgau? Exemplarische fUJflß4'lßll1e<br />
naturnaher flächen<br />
Die Aufnahme der naturnahen Flächen eines Gebietes liefert<br />
notwendige Informationen, um eine L<strong>and</strong>schaft ökologisch<br />
zu beurteilen. Durch den Vergleich mit angestrebten Zielen<br />
können Defizite erkannt und geeignete Gegenrnassnahmen<br />
ausgewählt werden.<br />
2.2.1 Leitfragen<br />
Unsere Leitfragen waren: Wie gross ist der Anteil naturnaher<br />
Flächen in den Untersuchungsgebieten? Welche Qualität<br />
weisen diese Flächen auf? Wo liegen sie? Sind sie ausreichend<br />
mitein<strong>and</strong>er vernetzt? Gibt es Unterschiede zwischen<br />
dem deutschen und schweizerischen Klettgau, und worin<br />
bestehen sie? Geben die bestehenden Inventare naturnaher<br />
Flächen ein ausreichend präzises Bild der l<strong>and</strong>schaftlichen<br />
Situation? Was kann für die zukünftige L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
gefolgert werden?<br />
2.2.2 Vorgehen<br />
Zunächst wurden zwei Transekte (Querschnittsbänder) von<br />
je400 m Breite und5.4km (im deutschen Klettgau) bzw. 5.7<br />
km (im Schweizer Klettgau) Länge ausgewählt. Dabei galt<br />
es möglichst «typische» L<strong>and</strong>schaftsausschnitte zu finden.<br />
Zudem sollten die Transekte so liegen, dass die angestrebte<br />
Verbindung des R<strong>and</strong>ens mit dem Wangen- und Osterfingertal<br />
beispielhaft diskutiert werden konnte. Die genauen Lagen<br />
der beiden Transekte ist in Abbildung 2.4 dargestellt.<br />
Die naturnahen Flächen wurden nach einem vereinfachten<br />
Schlüssel zur «Inventarisierung naturnaher Lebensräume»<br />
der Schweizerischen Vogelwarte Sempach (Schweizerische<br />
Vogelwarte 1995) aufgenommen. Es wurden insgesamt<br />
zehn L<strong>and</strong>nutzungskategorien verwendet (vgl. Tabelle<br />
2.5). Die ökologische Qualität der Flächen wurde auf einer<br />
dreistufigen Skala geschätzt (wertvoll, mässig wertvoll,<br />
nicht wertvoll). Alle Aufnahmen wurden am seiben Tag<br />
(14.5.1998) in vier Gruppen zu zwei Personen durchgeführt.<br />
Innerhalb der Siedlungsgebiete wurden keine Daten erhoben.<br />
Die aufgenommenen Flächen wurden in das Geoinformationssystem<br />
(GIS) ArcView® übertragen. Als Grundlage<br />
diente im schweizerischen Klettgau ein digitaler Übersichtsplan<br />
im Rasterformat, der auf dem Übersichtsplan der amtlichen<br />
Vermessung im Massstab 1:5 '000 basiert. Für den<br />
deutschen Klettgau diente ein Ausschnitt aus den Katasterplänen<br />
mit Originalmassstab 1:250.<br />
Vor der statistischen Analyse glichen wir unsere eigenen<br />
Aufnahmen mit den entsprechenden Inventaren naturnaher<br />
Flächen der Gemeinden Hallau/Wilchingen und Klettgau<br />
ab.<br />
2.2.3 Ergebnisse: Rebberge und Talebene als<br />
ökologische Schwachstellen<br />
Anteile naturnaher Flächen<br />
Im Schweizer Transekt beträgt der Anteil naturnaher Flächen<br />
in den l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Gunstlagen der Klettgaurinne<br />
lediglich 3.5%. Aufder Kuppe und an den Hängen des<br />
Rötibergs im Norden der Talebene sind im Schweizer Transekt<br />
viele extensiv genutzte Wiesen und Obstbaumanlagen<br />
zu finden; der Anteil naturnaher Flächen in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone<br />
liegt in diesem Gebiet bei 9.6%. Südlich der<br />
Talebene sind es ebenfalls die Hanglagen, die einen erhöhten<br />
Anteil naturnaher Flächen (18.5%) aufweisen. Für das<br />
Gebiet des gesamten Transektes ergibt sich ein Durchschnitt<br />
von 5.3% ökologisch zumindest mässig wertvoller Flächen<br />
in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone. Wenn das Rebbaugebiet und die<br />
offene Feldflur mitberücksichtigt werden, sinkt der Durchschnitt<br />
auf 4.8%, da der Anteil naturnaher Flächen im Rebbaugebiet<br />
sehr gering ist. Als offene Feldflur wurden alle<br />
Gebiete klassifiziert, die nicht in einer der folgenden Zonen<br />
liegen: Wald, Siedlung, L<strong>and</strong>wirtschaft oder Rebberge, also<br />
beispielsweise Gebiete in Schutzzonen.<br />
Im deutschen Untersuchungsgebiet ist der Anteil von<br />
Flächen vergleichbarer Qualität mit 14.4% der Gesamtfläche<br />
insgesamt deutlich höher; in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone<br />
beträgt der Anteil sogar 15.3%. Der Grund hierfür liegt in<br />
den ausgedehnten Streuobstbeständen mit extensiv genutz-<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
107
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
Abb. 2.4: Die Lage<br />
der beiden Transekte<br />
im Klettgau.<br />
Die Buchstaben<br />
bezeichnen die<br />
St<strong>and</strong>orte, von denen<br />
aus die Photographien<br />
aufgenommen<br />
wurden,<br />
die in Abbildung<br />
2.6 gezeigt sind:<br />
(a) Pferdeweide,<br />
(b) enger Talabschnitt,<br />
(c) Rebberg,<br />
(d) Klettgauebene.<br />
108<br />
UNS-Fallstudie '98
- L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
ten Wiesen, die vielfach sehr wertvolle Lebensräume bieten.<br />
In der Talebene beträgt der Anteil naturnaher Flächen 8%.<br />
Die geringsten Anteile naturschützerisch wertvoller<br />
L<strong>and</strong>schaftselemente finden sich in den Rebbaugebieten.<br />
Dies gilt sowohl für den schweizerischen als auch für den<br />
deutschen Klettgau. Ihr Anteil beträgt gegenwärtig lediglich<br />
etwa 2% der Rebfläche im deutschen und 1.2% im schweizerischen<br />
Gebiet. Die Parzellen werden maximal ausgenutzt,<br />
es fehlen für naturnahe Rebberge typische Strukturelemente<br />
wie Lesesteinhaufen, Trockenmauern oder Hekken<br />
und Gebüsche.<br />
Die Verteilung der naturnahen Flächen aufdie verschiedenen<br />
Habitattypen ist in Tabelle 2.4 angegeben.<br />
Tab. 2.4: Verteilung der naturnahen Flächen von mindestens<br />
mässigem Naturschutzwert auf die verschiedenen Habitattypen<br />
in den beiden Transekten.<br />
,<br />
eH [%] I 0[%]<br />
I Bach/Graben 2.0 4.4<br />
Hecke/Gehölz 9.3 I 3.5<br />
I Kies-/Lehmgrube 0 7.6<br />
I Obstgarten 25.2 60.7<br />
I<br />
I Tümpel 0 2.2<br />
I<br />
I Waldr<strong>and</strong><br />
I 10.6 2.3<br />
I<br />
Wiese I 52.6 18.9<br />
<strong>and</strong>ere* 0.3 0.4<br />
I Total [ha] I 11 I 24.2<br />
*Die Typen «Bahndamm» und «Lesesteinhaufen» wurden unter «<strong>and</strong>ere»<br />
zusammengefasst, da sie insgesamt lediglich zu unter zwei Prozent der<br />
naturnahen Flächen vertreten waren.<br />
Habitatqualität<br />
Die qualitativ hochwertigen naturnahen Flächen liegen<br />
meist am R<strong>and</strong> oder ausserhalb der Talebene. Eine Ausnahme<br />
bildet die renaturierte Lehmgrube im deutschen Untersuchungsgebiet,<br />
die unter Naturschutz steht. In der Schweiz<br />
sind 71 % der aufgenommenen Flächen von mindestens<br />
mässiger und insgesamt 31 % der aufgenommenen Flächen<br />
von hoher Qualität. In Deutschl<strong>and</strong> liegt der Anteil naturnaher<br />
Flächen von mindestens mässiger Qualität mit 94%<br />
deutlich höher, der Anteil naturnaher Flächen von hoher<br />
Qualität mit 23% jedoch niedriger als in der Schweiz. Diese<br />
Angaben sindjedoch insofern mit Vorsicht zu interpretieren,<br />
als die Qualitäten in Deutschl<strong>and</strong> und in der Schweiz von<br />
verschiedenen Personen erhoben wurden (s.u.).<br />
Räumliche Anordnung der Flächen<br />
Die Entfernung zwischen zwei naturnahen Flächen kann <br />
entlang der Transektachse - bis zu 290 m (CH) bzw. bis zu<br />
440 m (D) betragen. Bei dieser Betrachtung bleibt jedoch<br />
unberücksichtigt, dass im allgemeinen nicht die Entfernung<br />
zwischen zwei naturnahen Flächen irgendeines Typs für<br />
Tiere und Pflanzen von Bedeutung ist, sondern die Entfernung<br />
zwischen Flächen gleichen Typs. Für die Distanzen<br />
zwischen Obstgärten ergeben sich beispielsweise Maximalwerte<br />
von 1330 m (CH) und 660 m (D). Wertvolle Wiesen<br />
liegen bis zu 820 m (CH) bzw. 760 m (D) ausein<strong>and</strong>er. Für<br />
Hecken, Feldgehölze und Buschgruppen liegt der Abst<strong>and</strong><br />
bei maximal 420 m (CH) bzw. 930 m (D). Dabei ist zu<br />
beachten, dass die Feldgehölze in der Talebene des Schweizer<br />
Transekts häufig sehr klein und daher nur von eingeschränkter<br />
ökologischer Bedeutung sind. Der Transekt-Ansatz<br />
führt dazu, dass die von uns erhobenen Werte tendenziell<br />
zu hoch sind: Da L<strong>and</strong>schaftselemente ausserhalb der<br />
400 m schmalen Transekte nicht berücksichtigt werden,<br />
entstehen R<strong>and</strong>effekte, wenn der Abst<strong>and</strong> zwischen den<br />
L<strong>and</strong>schaftselementen grösser ist als die Breite des Transekts.<br />
Inventardaten<br />
Der Unterschied zwischen den bestehenden Inventaren und<br />
unserer Aufnahme erschien insgesamt gering; eine detaillierte<br />
Statistik bezüglich der Übereinstimmung wurde daher<br />
nicht erstellt. Die meisten Abweichungen entst<strong>and</strong>en durch<br />
Flächen, die von uns aufgenommen wurden, aber nicht in<br />
den Inventaren verzeichnet waren. Alle Flächen mit besonders<br />
hoher Qualität waren in den Inventaren enthalten. Sie<br />
bilden somit eine verlässliche und wertvolle Arbeitsgrundlage<br />
für die zukünftige L<strong>and</strong>schaftsgestaltung.<br />
2.2.4 Methodenkritik<br />
Die Kartierung wurde durch eine Gruppe von Studierenden<br />
im 8. Semester der Umweltnaturwissenschaften vorgenommen.<br />
Da der Schlüssel viele nichtquantitative Elemente<br />
enthält, entst<strong>and</strong>en hierdurch möglicherweise Abweichungen<br />
zwischen den Aufnahmeteams. Davon betroffen war<br />
vor allem die Beurteilung von Flächenqualitäten, aber in<br />
Einzelfällen auch die Entscheidung, eine Fläche überhaupt<br />
aufzunehmen. Zusätzlich wurden beim Übertragen der<br />
Felddaten in das Geoinformationssystem kleine Flächen<br />
vermutlich tendenziell zu gross dargestellt. Der resultierende<br />
Fehler für die Flächengrössen wurde insgesamt auf etwa<br />
15% geschätzt.<br />
Zweitens begrenzt die Wahl eines relativ schmalen Ausschnittes<br />
aus der L<strong>and</strong>schaft (Transekte von 400 m Breite)<br />
die Aussagekraft der Ergebnisse. Auch wenn die gewählten<br />
Ausschnitte als «typisch» gelten sollten, ist es natürlich<br />
problematisch, die Ergebnisse zu verallgemeinern. Dies<br />
trifft insbesondere auf L<strong>and</strong>schaftselemente zu, die relativ<br />
gross sind, aber weit verstreut auftreten, wie z.B. Kiesgruben<br />
oder bestimmte Pflanzengesellschaften. Diese werden<br />
durch den verwendeten Transekt-Ansatz nicht angemessen<br />
repräsentiert. Auf der <strong>and</strong>eren Seite ist festzuhalten, dass<br />
diese Methode es erlaubt, mit wenig Aufw<strong>and</strong> einen Eindruck<br />
der l<strong>and</strong>schaftlichen Situation zu bekommen.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
109
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
Kleingliedrige und gleichmässig verteilte L<strong>and</strong>schaftselemente<br />
(z.B. Hecken oder Buntbrachen) lassen sich vermutlich<br />
hinreichend genau quantifizieren. In drei <strong>and</strong>eren Gebieten<br />
des Klettgaus, die ähnlich intensiv l<strong>and</strong>wirtschaftlich<br />
genutzt werden wie die Talebene des Schweizer Transekts,<br />
wurden in einer Studie der Schweizerischen Vogelwarte<br />
Sempach die Anteile ökologischer Ausgleichsflächen erhoben,<br />
bevor und nachdem Aufwertungsmassnahmen durchgeführt<br />
worden waren (Jenny et al., 1997). Die Ergebnisse<br />
sind unseren vergleichbar: Der Anteil aller ökologischen<br />
Ausgleichsflächen an der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzfläche<br />
betrug nach den Aufwertungen im Gebiet Widen 3.1 %, im<br />
Gebiet Langfeld 2.5% und im Gebiet Plomberg 2.8%. Dass<br />
diese Werte geringer ausfallen als die von uns ermittelten, ist<br />
vermutlich durch eine strengere Unterscheidung des L<strong>and</strong>wirtschaftsgebietes<br />
von übrigem L<strong>and</strong> in der Studie der<br />
Vogelwarte zu erklären. Bei diesem Vergleich von naturnahen<br />
Flächen mit ökologischen Ausgleichsflächen ist weiterhin<br />
zu berücksichtigen, dass einerseits eine Fläche, die den<br />
Bedingungen für ökologische Ausgleichsflächen entspricht,<br />
nicht unbedingt von hohem Naturschutzwert sein muss (z.B.<br />
eine zweischnittige Glatthaferwiese am Nordhang), <strong>and</strong>ererseits<br />
nicht jede ökologisch wertvolle Fläche als ökologische<br />
Ausgleichsfläche angemeldet ist.<br />
Drittens kann es problematisch sein, sich bei der Aufnahme<br />
ausschliesslich auf Habitattypen zu konzentrieren. Es<br />
wurden weder Vegetationsaufnahmen noch Erhebungen zur<br />
Fauna durchgeführt, da solche Aufnahmen den Projektrahmen<br />
gesprengt hätten. Insbesondere bei faunistischen Untersuchungen<br />
ist ein erheblicher Aufw<strong>and</strong> nötig, da das<br />
einmalige Antreffen von Individuen einer Art an einem Ort<br />
nichts darüber aussagt, ob sie sich dort auch fortpflanzen, ob<br />
die Populationen stabil sind etc. Die durchgeführten Aufnahmen<br />
naturnaher Flächen erlauben jedoch schon weitgehend<br />
die Identifikation von Vorrangflächen für den Naturschutz<br />
innerhalb des Untersuchungsgebietes und eine Analyse<br />
der Schwachstellen bezüglich ihres Anteils und ihrer<br />
räumlichen Anordnung. Für detailliertere Aussagen müssen<br />
entsprechend zusätzliche Daten erhoben werden.<br />
2.2.5 Naturnahe flächen und zukünftige<br />
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung im Klettgau<br />
Flächenanteile<br />
Der Anteil naturnaher Flächen von 3.5% im Talgrund des<br />
schweizerischen Klettgaus steht in deutlichem Kontrast zum<br />
kantonsweiten Durchschnitt von 7% (Baudepartement des<br />
Kantons Schaffhausen, 1995). Auch liegt er unter dem für<br />
Ökobeiträge nach dem Eidgenössischen L<strong>and</strong>wirtschaftgesetz<br />
verlangten Anteil ökologischer Ausgleichsflächen von<br />
7% der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzfläche (vgl. Anhang 6.2,<br />
Artikel 7 Direktzahlungsverordnung). Grundsätzlich ist davon<br />
auszugehen, dass eine gewisse Streuung in den Anteilen<br />
naturnaher Flächen innerhalb der Kulturl<strong>and</strong>schaft sinnvoll<br />
ist, da anspruchsvolle Arten häufig einen Anteil naturnaher<br />
Flächen benötigen, der höher als der flächendeckend durchsetzbare<br />
Anteil ist. Die entscheidende Frage istjedoch, ob es<br />
eine untere akzeptable Grenze für den Anteil naturnaher<br />
Flächen gibt und wo diese gegebenenfalls in der Klettgaurinne<br />
unterschritten ist. Das Verschwinden des Rebhuhns<br />
aus dem Klettgau und die Schwierigkeiten bei der Wiederansiedlung<br />
sind Zeichen dafür, dass zumindest für diesen<br />
Vogel die Lebensbedingungen gegenwärtig unzureichend<br />
sind. Man geht davon aus, dass «sich die Lebensraumsituation<br />
für das Rebhuhn erst ab einem hohen Flächenanteil<br />
(5-10% der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzfläche) an Saumbiotopen<br />
und übrigen naturnahen Flächen entscheidend verbessert»<br />
(Jenny et al., 1997). Zumindest in den Tallagen der<br />
Klettgaurinne ist daher gegenwärtig grosser H<strong>and</strong>lungsbedarf<br />
gegeben, um eine angemessene Lebensraumsituation<br />
für das Rebhuhn zu schaffen. Weitere positive Effekte naturnaher<br />
Flächen sind die Entlastung des Bodens und des<br />
Grundwassers: das flächenspezifische Stickstoffreduktionspotential<br />
von ökologischen Ausgleichsflächen liegt bei<br />
über 40 kg N pro ha und Jahr (Prasuhn et al., 1998).<br />
H<strong>and</strong>lungsbedarfist auch in den intensiv genutzten Rebhängen<br />
gegeben: In ihrem Fall ist es insbesondere die geringe<br />
Reptiliendichte, die ökologische Aufwertungen nahelegt.<br />
Relative Bedeutung der verschiedenen Habitattypen<br />
Welche Habitattypen sollten besonders gefördert werden?<br />
Es ist auffällig, dass insbesondere in der Talebene sehr<br />
wenige vertikale Gestaltungselemente wie Hecken oder<br />
Feldgehölze vorh<strong>and</strong>en sind. Diese sind für viele Tierarten<br />
von grosser Bedeutung, weil sie Deckungs- und Niststrukturen<br />
bieten. Gegenüber Massnahmen wie z.B. Buntbrachen<br />
sind sie visuell prominentere und sehr viel beständigere<br />
Elemente in der L<strong>and</strong>schaft. Durch ihre Beständigkeit können<br />
sie zusätzlich die bodenökologisch wichtige Funktion<br />
übernehmen, dauerhaft ungepflügte Bereiche zu schaffen.<br />
Andererseits sind sie aus Sicht der L<strong>and</strong>wirte aufgrund<br />
dieser Beständigkeit weniger attraktiv. Da sie das Gepräge<br />
der L<strong>and</strong>schaft ändern, besitzen sie zudem grösseres Konfliktpotential<br />
mit ästhetischen Werten. Eine detaillierte und<br />
gleichzeitig praxisnahe Diskussion der Bedeutung verschiedener<br />
Habitattypen geben beispielsweise Blab (1993) und<br />
Baur et al. (1997).<br />
Habitatqualität<br />
Für die naturnahen Flächen besteht sowohl im deutschen als<br />
auch im schweizerischen Untersuchungsgebiet bedeutendes<br />
Potential für die qualitative Aufwertung. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />
dass das düngungsbedingte hohe Nährstoffniveau<br />
in den Böden der Klettgauebene die St<strong>and</strong>ortbedingungen<br />
mittelfristig prägen und gewisse Pflanzengesellschaften<br />
ausschliessen wird. Eine grosse Zahl von Pflegemassnahmen<br />
für Naturvorzugsflächen in der Kulturl<strong>and</strong>schaft<br />
wird beispielsweise von Firbank et al. (1993) vorgestellt<br />
und diskutiert.<br />
Räumliche Anordnung der Flächen<br />
Es ist schwierig, eine maximal zulässige Distanz festzulegen,<br />
bei der die Vernetzungsfunktion zwischen L<strong>and</strong>schaftselementen<br />
noch gewährleistet ist. Für die wenigsten Arten<br />
ist hinreichend genau bekannt, was die Konsequenzen verschiedener<br />
Abstände sind, auch wenn Richtwerte für die<br />
üblicherweise maximal zurückgelegten Distanzen vorh<strong>and</strong>en<br />
sind (s. Abbildung 2.5). Gestützt auf eine Reihe von<br />
Arbeiten über Insekten, Kleinsäuger und Vögel schlagen<br />
Broggi und Schlegel (1989) Z.B. eine Maximaldistanz von<br />
IlO<br />
UNS-Fallstudie '98
______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
Abb. 2.5: Die Aktionsradien<br />
verschiedener<br />
Tierarten variieren beträchtlich.<br />
150-200 m zwischen einzelnen Hecken vor. Dieser Wert<br />
wird insbesondere in der Talebene allgemein erheblich überschritten.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Eine Erhöhung des Anteils naturnaher Flächen ist insbesondere<br />
in der Klettgauebene und in den Rebbergen erforderlich.<br />
Dabei sollte nicht allein auf einen Massnahmentyp<br />
abgestellt werden, sondern es sollte eine Mischung verschiedener<br />
Massnahmen zum Einsatz kommen.<br />
2.3 Aufnahme l<strong>and</strong>schaftlichen<br />
frJebnisqualität<br />
Die L<strong>and</strong>schaft wird einerseits vom Menschen gestaltet,<br />
<strong>and</strong>ererseits wirkt sie auf das Wohlbefinden der Bewohnerinnen<br />
und Besucher zurück. Touristenströme zu attraktiven<br />
L<strong>and</strong>schaften oder höhere Grundstückspreise in Lagen mit<br />
schöner Aussicht belegen, dass attraktive L<strong>and</strong>schaften<br />
wertvoll sind - auch in monetärer Hinsicht. Ob wir uns in<br />
einer L<strong>and</strong>schaft wohlfühlen, hängt jedoch nicht nur von<br />
ihrer unmittelbaren ästhetischen Qualität, d.h. ihrer Naturnähe,<br />
Eigenart, Harmonie und Vielfalt ab, sondern auch<br />
davon, ob ihr Charakter als bestimmungsgemäss empfunden<br />
wird.<br />
In der Literatur sind viele Faktoren beschrieben worden,<br />
die das L<strong>and</strong>schaftserleben beeinflussen: Alter, Geschlecht,<br />
Herkunft, Wohnumgebung, ökologische Bildung (Perpeet,<br />
1992; Kästli et al., 1998). Hinzu kommen noch individuelle<br />
Stimmungen, die bei einer bestimmten Person dieselbe<br />
L<strong>and</strong>schaft unterschiedlich erscheinen lassen. Die Fragen,<br />
ob die Erlebnisqualität einer L<strong>and</strong>schaft überhaupt erfassbar<br />
ist, und wenn ja, welche Methoden dazu geeignet sind, hat<br />
dieser Komplexität entsprechend eine lange Geschichte und<br />
ist nicht abschliessend geklärt (vgl. Perpeet, 1992). Die<br />
Skeptiker führen an, dass zum einen die zuverlässige Erfassung<br />
der Empfindungen einzelner Personen nicht möglich<br />
sei, zum <strong>and</strong>eren die Unterschiede zwischen Personen zu<br />
grass seien, um allgemein gültige Aussagen zu treffen<br />
(Buchwald & Engelhardt, 1978). Unter denjenigen, die ein<br />
Erfassen der Erlebnisqualität grundsätzlich für möglich halten,<br />
werden zwei verschiedene Ansätze verfolgt: Auf der<br />
einen Seite stehen die intuitiven Methoden, denen häufig<br />
Willkürlichkeit und fehlende Objektivität vorgeworfen werden<br />
(Loidl, 1981), aufder <strong>and</strong>eren Seite stehen formalisierte<br />
Bewertungsverfahren, deren Vermögen, dem individuellen<br />
Erlebnisempfinden gerecht zu werden, bezweifelt wird<br />
(Schwahn, 1990).<br />
2.3.1<br />
Die folgenden Fragen stehen im Vordergrund: Unterscheiden<br />
sich unterschiedliche L<strong>and</strong>schaftsabschnitte innerhalb<br />
der beiden Transsekte hinsichtlich ihrer Erlebnisqualität?<br />
Beurteilen Studierende der Umweltnaturwissenschaften die<br />
Erlebnisqualität dieser Abschnitte <strong>and</strong>ers als Bürgerinnen<br />
und Bürger des Klettgaus? Was macht für die lokale Bevölkerung<br />
das Typische der L<strong>and</strong>schaft aus; welche Elemente<br />
der L<strong>and</strong>schaft werden besonders geschätzt? Welche<br />
Schlussfolgerungen lassen sich für die zukünftige L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
ziehen?<br />
2.3.2 A/~ge!nei!llesVorgehen<br />
Zunächst wurden innerhalb der Transekte L<strong>and</strong>schaftsräume<br />
identifiziert, die je eine eigene l<strong>and</strong>schaftliche Einheit<br />
bilden. Dies waren die Rebberge, die südexponierten Hänge<br />
des R<strong>and</strong>ens ausserhalb des Rebbaugebietes, die Klettgauebene<br />
und schliesslich der enge Talabschnitt im Vorl<strong>and</strong> des<br />
Südr<strong>and</strong>ens (vgl. Abbildung 2.6). Sie unterscheiden sich vor<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
III
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
Ahh. 2.6: Die Klettgaurinne ist l<strong>and</strong>schaftlich vielfältig: (aj Pferdeweide, (h) enger Talahschnitt, (cj Rehherg, (dj<br />
Klettgauehene. Die Beohachterst<strong>and</strong>punkte, von denen die Aufnahmen gemacht wurden, sind in Ahb. 2.4 dargestellt.<br />
Zusammengehörige Photographien und Betrachterst<strong>and</strong>punkte sind mit dem gleichen Buchstahen hezeichnet.<br />
allem in topographischer Hinsicht, aber auch durch die<br />
deutlich unterschiedliche Art und Intensität der Bewirtschaftung.<br />
Die Erlebnisqualtität der L<strong>and</strong>schaft wurde von Studierenden<br />
anh<strong>and</strong> eines umfangreichen Bewertungsbogens<br />
(nach Perpeet, 1992) im Gelände erhoben.<br />
Personen der lokalen Bevölkerung wurden anh<strong>and</strong> von<br />
Dias zu ihrer Wahrnehmung der in den Transekten gelegenen<br />
L<strong>and</strong>schaftsräume befragt.<br />
2.3.3 Wahrnehmung der l<strong>and</strong>schaft durch<br />
Studierende<br />
Vorgehen<br />
Für die Aufnahme der l<strong>and</strong>schaftlichen Erlebnisqualität<br />
nach Perpeet (1992) füllten jeweils zwei Studierende zusammen<br />
an einem geeigneten Betrachterst<strong>and</strong>ort einen Bewertungsbogen<br />
aus. Dieser Bewertungsbogen arbeitet mit<br />
«speziell formulierten Detailfragen zurErlebniswirkung der<br />
L<strong>and</strong>schaft [... J, die nur mit «ja» oder «nein» zu beantworten<br />
sind» (Perpeet, 1992, S. 114). Zusätzlich wurde auf einer<br />
dreistufigen Skala eine intuitive Einschätzung der drei<br />
Aspekte «Erlebnisqualität», «Beeinträchtigung des L<strong>and</strong>schaftsbildes»<br />
und «Eindruck der ökologischen Situation»<br />
gegeben (perpeet 1992). Die Aufnahmen erfolgten alle am<br />
selben Tag bei trocken-warmer Witterung und guten Sichtbedingungen.<br />
Jeder L<strong>and</strong>schaftsraum wurde von je einer<br />
Betrachterposition aufgenommen. Jede Zweiergruppe nahm<br />
eine bis zwei L<strong>and</strong>schaften auf.<br />
Ergehnisse<br />
Die Erlebnisqualitäts (EQ)-Werte sind in Tab. 2.5 zusammengefasst.<br />
Die Pferdeweide liegt mit einem EQ-Wert von<br />
84 deutlich an der Spitze, der enge Talabschnitt und die<br />
Rebberge liegen mit EQ-Werten von 49 und 45 dicht beiein<strong>and</strong>er,<br />
die Talebene kommt lediglich aufeinen EQ-Wert von<br />
18.<br />
Die Pferdeweide (Abb. 2.6a) wird besonders bezüglich<br />
der L<strong>and</strong>nutzung positiv bewertet, da sie extensiv bewirtschaftet<br />
wird, nicht monofunktional wirkt und natürliche<br />
wie auch gewachsene Strukturen aufweist. Zudem erhält sie<br />
in den Bereichen Stimmung, Phantasie und Schönheit bessere<br />
Noten als die drei <strong>and</strong>eren L<strong>and</strong>schaftsräume: Die<br />
Pferdeweide vermittelt ein Gefühl l<strong>and</strong>schaftlicher Ausgewogenheit<br />
und wirkt erbaulich. Zudem regt sie die Phantasie<br />
stärker an als die <strong>and</strong>eren L<strong>and</strong>schaften.<br />
Der enge, im südlichen Transektbereich liegende Talabschnitt<br />
(Abb. 2.6b) ist eine kontrastreiche L<strong>and</strong>schaft. Das<br />
1]2<br />
UNS-Fallstudie '98
______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
Tab. 2.5: Ergebnisse der Erlebnisqualitätsanalyse mit dem Bewertungsbogen nach Perpeet (1992). Jeder L<strong>and</strong>schaftsausschnitt<br />
wurde von zwei Personen gemeinsam bewertet, die Talebene von insgesamt vier Personen.<br />
i Rebberg Pferdeweide Taiebene<br />
I<br />
Talabschnitt<br />
I<br />
!<br />
Erlebnisqualitätswert<br />
I<br />
45 84 18<br />
49 I<br />
I<br />
I<br />
Erlebnisqualität (intuitiv) I mittel<br />
!<br />
hoch niedrig mittel<br />
I<br />
Beeinträchtigung des L<strong>and</strong>schaftsbildes I gering gering mittel gering I<br />
Eindruck der ökologischen Situation<br />
I<br />
gestört intakt gestört I gestört<br />
I<br />
Verhältnis künstlicher und natürlicher Linien ist ausgewogen;<br />
die Linien üben eine positive raumbildende Wirkung<br />
aus.<br />
DerRebberg (Abb. 2.6c) gewinnt durch die ausgeglichene<br />
Oberflächenform, und die Kultur wirkt hier bereichernd für<br />
die L<strong>and</strong>schaft. Die geometrische, aber nicht starre Strukturierung<br />
des Rebbergs vermittelt positive Eindrücke.<br />
Die Talebene (Abb. 2.6d) hat gegenüber den <strong>and</strong>eren<br />
L<strong>and</strong>schaftsräumen grosse Defizite im Bereich der Raumwirkung<br />
und Perspektive. Zwar ist durch die klare, menschengemachte<br />
Strukturierung Übersicht gegeben, aber es<br />
fehlen markante Elemente, die als Entfemungsmassstäbe<br />
dienten. Die L<strong>and</strong>schaftsstruktur wirkt starr und langweilig.<br />
Insgesamt vermitteln die Pferdeweide eine hohe Erlebnisqualität,<br />
und der Talabschnitt und der Rebberg eine mittlere;<br />
die Erlebnisqualität der Talebene ist niedrig. Während die<br />
l<strong>and</strong>schaftliche Beeinträchtigung bei den drei <strong>and</strong>eren<br />
L<strong>and</strong>schaftsbereichen als gering beurteilt wird, erscheint die<br />
Talebene beeinträchtigt, wenn auch nicht stark. Nur bei der<br />
Pferdeweide wurde die ökologische Situation als intakt<br />
empfunden, in den übrigen Fällen wurde sie als gestört<br />
beurteilt.<br />
2.3.4 Wahrnehmung der l<strong>and</strong>schaft durch<br />
KJettgauerinnen und KJettgauer<br />
Vorgehen<br />
Die Befragung der Personen aus dem Klettgau wurde an<br />
einer Sitzung der Begleitgruppe (s. Abbildung 1.3) durchgeführt,<br />
an der zehn Klettgauerinnen und Klettgauer teilnahmen.<br />
Für die Befragung entwickelten wir einen Katalog von<br />
acht Fragen (s. Tabelle 2.6), die anh<strong>and</strong> der in Abbildung<br />
2.6 gezeigten Photographien auf einer fünfstufigen Skala<br />
(
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
Tab. 2.7: Die Ergebnisse der Befragung von Klettgauer Bürgerinnen undBürger zu ihrer Wahrnehmung der L<strong>and</strong>schaft. Für<br />
die Auswertung wurden jeweils die Aussagen «trifft zu» und «trifft in höchstem Masse zu» bzw. «trifft nicht zu» und «trifft<br />
überhaupt nicht zu» zusammengefasst. Die Tabelle zeigt, ob sich die Antworten für die verschiedenen L<strong>and</strong>schaften<br />
signifikant unterscheiden: L<strong>and</strong>schaften mit gleichem Grossbuchstaben werden gleich bewertet. Beispielsweise ergibt sich<br />
bei Frage 1 ein signifikanter Unterschied in der Bewertung zwischen Pferdeweide und dem Rebberg, nicht aber zwischen<br />
Pferdeweide und Talabschnitt (X 2 -Anpassungstest mit gruppierten Daten; n = 10,. Signifikanzniveau: 5%).<br />
frage Reb- Pferde- Tal- Talab- Kommentar<br />
berg weide ebene schnitt<br />
Empfinden Sie die L<strong>and</strong>- X Y X X, Y i Der Rebberg und die Talebene werden als<br />
schaft als typisch für den<br />
I typischer wahrgenommen als die<br />
Klettgau?<br />
Pferdeweide.<br />
Überwiegt die Kulturl<strong>and</strong>- X Y X Y I Für den Rebberg und die Talebene wird<br />
schaft gegenüber der Natur-<br />
I die Kulturl<strong>and</strong>schaft als dominant wahrl<strong>and</strong>schaft?<br />
I , genommen, bei der Pferdeweide und<br />
dem Talabschnitt weniger.<br />
Lädt diese L<strong>and</strong>schaft zum X Y X X, Y Die Pferdeweide lädt eher zum Spazieren<br />
Spazieren ein?<br />
ein als der Rebberg und die Talebene.<br />
Empfinden Sie diese L<strong>and</strong>- X X X X Die L<strong>and</strong>schaften werden nicht als signifischaft<br />
als schön?<br />
kant unterschiedlich schön beurteilt.<br />
I<br />
I Erscheint die L<strong>and</strong>schaft X Y X X, Y Die Pferdeweide wird als weniger ausgeausgeräumt<br />
und leer? Y Z Z räumt empfunden als der Rebberg und<br />
i die Klettgau-Ebene.<br />
Wird von menschlicher I X X X X I Es gibt keine signifikanten Unterschiede<br />
Seite pflegend und rück- I I in der Beurteilung der Rücksicht, wie mit<br />
sichtsvoll mit der L<strong>and</strong>-<br />
I der L<strong>and</strong>schaft umgegangen wird.<br />
schaft umgegangen? ,<br />
I<br />
Hat sich diese L<strong>and</strong>schaft X X X X Die Veränderungen der verschiedenen<br />
positiv verändert?<br />
L<strong>and</strong>schaften werden nicht signifikant<br />
verschieden beurteilt.<br />
Die L<strong>and</strong>schaft wird zu<br />
intensiv bewirtschaftet.<br />
X<br />
I<br />
I<br />
Z X, Y<br />
I,<br />
Y,Z<br />
I,<br />
I<br />
i<br />
I<br />
Die Bewirtschaftung der Pferdeweide<br />
wird als weniger intensiv eingeschätzt als<br />
I diejenige des Rebbergs oder der<br />
Klettgau-Ebene.<br />
L<strong>and</strong>schaft und der Einladung zum Spazierengehen ergibt<br />
sich die gleiche Reihenfolge wie bei der Erhebung der<br />
Erlebnisqualität. Der Rebberg und die intensiv l<strong>and</strong>wirtschaftlich<br />
genutzte Talebene werden als besonders typisch<br />
für den Klettgau empfunden. In beiden L<strong>and</strong>schaftsräumen<br />
überwiegt in der Beurteilung der Befragten der Charakter<br />
der Kulturl<strong>and</strong>schaft eindeutig gegenüber demjenigen der<br />
Naturl<strong>and</strong>schaft. Für alle vier Fälle gilt, dass der Umgang<br />
mit der L<strong>and</strong>schaft als überwiegend pflegend und rücksichtsvoll<br />
eingestuft wird. Nur die Pferdeweide wird in den<br />
Augen der Befragten signifikant nicht zu intensiv bewirtschaftet.<br />
Als «Lieblingsl<strong>and</strong>schaft» wird - nach dem ansonsten<br />
sehr guten Abschneiden der Pferdeweide vielleicht etwas<br />
überraschend - einstimmig der enge Talabschnitt mit intensiver<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft in der Ebene und Streuobstbeständen<br />
im Vordergrund gewählt (Abb. 2.6b). Interessanterweise<br />
werden die Kutschenfahrten für Touristen ausschliesslich in<br />
die Rebberge geführt, L<strong>and</strong>schaftskammem wie der Pferde-<br />
weide oder dem engen Talabschnitt wird keine Beachtung<br />
geschenkt.<br />
2.3.5 Methodenkritik<br />
Die Erfassung der l<strong>and</strong>schaftlichen Erlebnisqualität steht im<br />
Spannungsfeld zwischen dem individuellen Erlebnisempfinden<br />
und den Anforderungen nach Vergleichbarkeit. Das<br />
kombinierte Verfahren von Perpeet (1992) zielt darauf ab,<br />
mit der Kombination aus intuitivem Erlebnisgutachten und<br />
formalisiertem Fragebogen dieser kritischen Situation zu<br />
begegnen. Die Studierenden, die die ausführliche Aufnahme<br />
mittels des Bewertungsbogens durchführten, hatten den<br />
Eindruck, ihr Erleben der L<strong>and</strong>schaft spiegele sich in den<br />
verschiedenen Bewertungen der L<strong>and</strong>schaft wider. Einige<br />
Fragen des Bewertungsbogens nach Perpeet wurden bei der<br />
Auswertung nicht berücksichtigt, da ihre Interpretation<br />
nicht eindeutig war. Dies hat vermutlich keinen bedeuten-<br />
114<br />
UNS-Fallstudie '98
______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
den Einfluss, weil das Fragenkollektiv so gross ist, dass<br />
Ausreisser in einzelnen Fragen ausgeglichen werden (Perpeet,<br />
1992). Schwerer mag wiegen, dass die L<strong>and</strong>schaften<br />
jeweils nur von einer Position aus bewertet wurden und dass<br />
verschiedene Personen die Aufnahmen durchführten. Die<br />
Ebene der Klettgaurinne, die als einziger L<strong>and</strong>schaftsraum<br />
von zwei verschiedenen Gruppen, allerdings von zwei verschiedenen<br />
Positionen aus, bewertet wurde, wies jedoch<br />
sehr ähnliche EQ-Werte auf (18 resp. 20).<br />
Die zehn Klettgauerinnen und Klettgauer waren mit der<br />
Bewertungsweise nur beschränkt zufrieden. Als Nachteile<br />
wurden die Fonnulierung einzelner Fragen und die Verwendung<br />
von Dias anstelle einer Ortsbegehung angegeben. Eine<br />
Bewertung im Feld war aus tenninlichen Gründen nicht<br />
möglich gewesen. Die Frage, ob sich die L<strong>and</strong>schaft positiv<br />
verändert habe, bereitete Schwierigkeiten, weil keine Vergleichsmöglichkeiten<br />
präsentiert wurden. Die Frage nach<br />
dem pflegenden und rücksichtsvollen Umgang mit der<br />
L<strong>and</strong>schaft liess die Möglichkeit nicht zu, dass die Bewirtschaftung<br />
Z.T. pflegend, aber gleichzeitig rücksichtslos sein<br />
kann. So kann beispielsweise der augenscheinliche Eindruck<br />
einer gepflegten Agrarl<strong>and</strong>schaft bestehen, während<br />
gleichzeitig die Nitratbelastung des Grundwassers einen<br />
rücksichtslosen Einsatz von Düngemitteln anzeigt.<br />
2.3.6 l<strong>and</strong>schaftliche frlebnisqualität und zukünftige<br />
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
Die vierL<strong>and</strong>schaften wurden sowohl von den Studierenden<br />
als auch von den zehn Klettgauerinnen und Klettgauem als<br />
insgesamt signifikant unterschiedlich bewertet. Die Bewertung<br />
der beiden Gruppen deckte sich weitgehend. Trotzdem<br />
lassen sich hinsichtlich der Allgemeingültigkeit der Ergebnisse<br />
keine zuverlässigen Aussagen treffen. Dazu war das<br />
Kollektiv der beteiligten Personen zu klein und im Fall der<br />
Studierenden zu homogen: junge Menschen, vorwiegend<br />
Männer, mit - so sollte man meinen - einer guten Umweltbildung.<br />
Dass die einstimmig gewählte Lieblingsl<strong>and</strong>schaft der<br />
zehn befragten Klettgauer Bürgerinnen und Bürger nicht die<br />
L<strong>and</strong>schaft mit der höchsten Erlebnisqualität nach Perpeet<br />
(1992) ist, bildet vennutlich das interessanteste Ergebnis der<br />
Befragung. Trotz der möglicherweise beschränkten Aussagekraft<br />
wegen der kleinen Stichprobengrösse zeigt jedoch,<br />
dass «Lieblingsl<strong>and</strong>schaft» eine <strong>and</strong>ere Bedeutung haben<br />
kann als «L<strong>and</strong>schaft mit der höchsten Erlebnisqualität».<br />
Insbesondere die bestimmungsgemässe Nutzung scheint<br />
eine wesentliche Rolle zu spielen, wenn es um die Wahl der<br />
Lieblingsl<strong>and</strong>schaft geht. Wenn die zehn Klettgauer auch<br />
die Pferdeweide als schöner empfinden, so wirkt sie ihnen<br />
vennutlich zu wenig produktiv und zu museal, um als<br />
Lieblingsl<strong>and</strong>schaft gelten zu können. Es wäre interessant<br />
zu überprüfen, wie Besucher des Klettgaus die verschiedenen<br />
L<strong>and</strong>schaften beurteilten. Besucher erleben die L<strong>and</strong>schaft<br />
in erster Linie als Erholungsl<strong>and</strong>schaft - würden sie<br />
mehrheitlich die Pferdeweide als Lieblingsl<strong>and</strong>schaft wählen?<br />
Eine weitere interessante Frage ist diejenige nach dem<br />
Einfluss, den die Anwesenheit von Pferden auf die L<strong>and</strong>schaftsbewertung<br />
hat. Würde die Pferdeweide noch immer<br />
erbaulicher wirken als die <strong>and</strong>eren L<strong>and</strong>schaftskammem,<br />
wenn dieser Aspekt der eleganten Belebtheit fehlen würde?<br />
Um wieviel schöner würde die intensiv genutzte Klettgaurinne<br />
beurteilt werden, wenn eine Pferdeweide vorh<strong>and</strong>en<br />
wäre?<br />
Bei der Wahl der Lieblingsl<strong>and</strong>schaft gewichten Vertreter<br />
der lokalen Bevölkerung das Kriterium der bestimmungsgernässen<br />
Nutzung anscheinend stärker als den unmittelbaren<br />
persönlichen Erlebniswert. Politisch mehrheitsfähige L<strong>and</strong>schaftsentwicklungskonzepte<br />
dürften daher diejenigen sein,<br />
die von dem primär begründenden Argument einer Kulturl<strong>and</strong>schaft<br />
der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzung ausgehen.<br />
Die L<strong>and</strong>schaft kann dabei hin zu einer durch st<strong>and</strong>ortgerechte<br />
Nutzung getragenen Vielfalt entwickelt werden, die<br />
ästhetische wie funktionale und wirtschaftliche Aspekte<br />
berücksichtigt.<br />
Der Zusammenhang zwischen<br />
frlebnisqualität ökologischem<br />
Das erste amtliche Naturschutzgebiet Deutschl<strong>and</strong>s - der<br />
Drachenfelsen im Siebengebirge bei Bonn - wurde aufgrund<br />
seiner l<strong>and</strong>schaftlichen Schönheit ausgewählt (Buchwald<br />
& Engelhardt, 1978). Auch bei den <strong>and</strong>eren seither<br />
ausgewiesenen Naturschutzgebieten spielte ihre Schönheit<br />
eine bedeutende Rolle. Gibt es so etwas wie eine natürliche<br />
Hannonie zwischen der Schönheit einer L<strong>and</strong>schaft und<br />
ihrem ökologischen Wert? Zwei kurze Beispiele zeigen,<br />
dass dem zumindest nicht immer so ist: Rebberge können,<br />
auch wenn sie intensiv genutzt werden und einen geringen<br />
ökologischen Wert besitzen, eine hohe Erlebnisqualität vermitteln.<br />
Andererseits kann starke Verwilderung Ausdruck<br />
eines hochwertigen Biotops sein, aber als wenig attraktiv<br />
oder gar abstossend empfunden werden (Perpeet, 1992). Es<br />
besteht also kein einfaches Verhältnis zwischen diesen beiden<br />
wichtigen Wertdimensionen der L<strong>and</strong>schaft. Um dem<br />
Verhältnis näher auf den Grund zu gehen, könnte man nun<br />
fragen, welche Faktoren und Elemente die Erlebnisqualität<br />
und welche den ökologischen Wert einer L<strong>and</strong>schaft bestimmen.<br />
Auf dieser Grundlage könnten Konfliktbereiche und<br />
Bereiche der gegenseitigen Ergänzung der beiden Wertdimensionen<br />
erkannt werden. Dabei ergibt sich jedoch das<br />
Problem, dass keine der beiden Fragen allgemeingültig beantwortet<br />
werden kann. Die Erlebnisqualität ist, neben <strong>and</strong>eren<br />
Faktoren, zeit-, kultur- und traditionsabhängig: Der<br />
französische Barockgarten zur Zeit des Absolutismus mit<br />
seiner strengen Geometrie unterscheidet sich wesentlich<br />
vom englischen L<strong>and</strong>schaftsgarten des 18. Jahrhunderts mit<br />
den geschwungenen Wegen, weiten Rasenflächen und natürlichen<br />
Baumgruppen. Beide sind jedoch Ausdruck einer<br />
zeitgenössischen weltanschaulichen Position, und beide<br />
wurden in ihrerZeit als besonders schön und bedeutungsvoll<br />
empfunden. Der ökologische Wert bestimmter L<strong>and</strong>schaftselemente<br />
hängt nicht nur von ihrem zeitlichen und räumlichen<br />
Kontext ab, sondern auch von den individuellen Wertvorstellungen<br />
des Betrachters. Die Entscheidung, einen bestimmten<br />
Habitattyp oder eine bestimmte Art zu fördern, ist<br />
praktisch immer eine Entscheidung, <strong>and</strong>ere Habitattypen<br />
und Arten zu benachteiligen (Blab, 1993). Ein Beispiel soll<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
115
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
diesen Punkt verdeutlichen: Der Mittelwald ist eine traditionelle<br />
Bewirtschaftungsform, bei der in ein dichtes, alle 10<br />
bis 15 Jahre geschlagenes und immer wieder neu austreibendes<br />
Unterholz grössere und ältere Stämme eingestreut sind.<br />
Die Aufrechterhaltung bestehender und die Wiederherstellung<br />
ehemaliger Mittelwälder wurde - und wird nach wie<br />
vor als gutes Naturschutzmanagement empfohlen, da es<br />
die lokale Habitat- und Artenvielfalt erhöhe. Der positive<br />
Effekt auf seltene lichtliebende Arten wie z.B. bestimmte<br />
Schmetterlinge ist nachweisbar. Ebenso wurde aber mittlerweile<br />
gezeigt, dass <strong>and</strong>ere Arten, insbesondere viele Spinnenarten,<br />
darunter auch seltene, in Hochwäldern wesentlich<br />
bessere Lebensbedingungen finden und durch die Praxis des<br />
regelmässigen Holzschlages benachteiligt werden (Sterling<br />
& Hambier, 1988; Hambler & Speight, 1995).<br />
L<strong>and</strong>schaftliche Schönheit und hoher ökologischer Wert<br />
bedingen sich also nicht notwendigerweise gegenseitig.<br />
Kann die L<strong>and</strong>schaft in den beiden Wertdimensionen im<br />
Klettgau gleichzeitig verbessert werden? Die Antwort ist<br />
eindeutig: Gegenwärtig besteht ein bedeutendes Potential,<br />
ökologische Aufwertungen durchzuführen, die auch die Erlebnisqualität<br />
der L<strong>and</strong>schaft verbessern. Folgende Gründe<br />
stützen diese Aussage:<br />
In der <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie 1997 wurde gezeigt, dass<br />
eine Agrarl<strong>and</strong>schaft mit Buntbrachen von Klettgauerinnen<br />
und Klettgauern zwar als weniger sauber und ordentlich,<br />
aber als signifikant schöner und vielfältiger bewertet<br />
wird als eine L<strong>and</strong>schaft ohne Buntbrachen. Befragt wurden<br />
118 Personen in den Gemeinden Hallau und Erzingen<br />
anh<strong>and</strong> von Fotos einer Agrarl<strong>and</strong>schaft vor und<br />
nach der Anlage einer Buntbrache. 82% der Befragten<br />
bevorzugen die Naturschutzvariante, 18% die «klassische<br />
Ackerl<strong>and</strong>schaft» (Kästli et al., 1998).<br />
- Die Massnahmen Bachrenaturierung, Anlegen von Buntbrachen<br />
und Kiesgrubenrenaturierung erhielten bei einer<br />
Bewertungsveranstaltung in Wilchingen, an der 44 Personen<br />
aus dem Klettgau teilnahmen, sämtlich gute Beurteilungen<br />
im Bereich Erholungswert und regionale Identifikation<br />
(vgl. Kapitel 3.6).<br />
Ausgehend von der gegenwärtigen Situation kann die<br />
L<strong>and</strong>schaft vielfältig aufgewertet werden, ohne dass ihr<br />
Charakter verändert würde. Dies gilt insbesondere im<br />
Bereich des Rebbaus und der intensiv genutzten Talebeneo<br />
Bereits realisierte Beispiele sind Bodenbegrünung in<br />
Rebbergen und Buntbrachen in der Ebene. Weitere attraktive<br />
Möglichkeiten sind die Renaturierung von<br />
Bachläufen, das Anlegen von Lesesteinhaufen in Rebbergen<br />
oder die Vergrösserung von Streuobstbeständen<br />
mit extensiv genutzten Weiden.<br />
2.5 Druck aufdie l<strong>and</strong>schaft<br />
In diesem Kapitel werden die gegenwärtigen Veränderungstendenzen<br />
der L<strong>and</strong>schaft im Klettgau untersucht. Dabei<br />
werden vorrangig die zu erwartenden Auswirkungen der<br />
Zunahme von l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Nutzung, Siedlungsfläche<br />
und Verkehr diskutiert.<br />
2.5.1 L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
Die L<strong>and</strong>wirtschaft ist im Umbruch. Der Verlust des Agrarkonsens<br />
in der Schweiz sowie veränderte wirtschaftliche<br />
und politische Rahmenbedingungen in beiden Ländern haben<br />
zu einer Phase der Revision der L<strong>and</strong>wirtschaftsgesetze<br />
geführt, die noch <strong>and</strong>auert. Eine wichtige Tendenz ist dabei<br />
die schrittweise Liberalisierung der Agrarmärkte. In der<br />
Fallstudie 1997 wurden verschiedene mögliche Rahmenbedingungen<br />
daraufhin untersucht, wie sie die Entwicklung<br />
der Betriebsstrukturen und der Produktionsformen (Bio, IP,<br />
konventionell) beeinflussen (Meier et al., 1998). Für die<br />
Schweiz wurden die Umsetzung der Agrarpolitik 2002 (im<br />
folgenden mit AP 2002 bezeichnet) sowie ein möglicher<br />
EU-Beitritt betrachtet. Für die deutsche Seite wurde die<br />
Umsetzung der Beschlüsse der Uruguay-Runde des GATT<br />
vom April 1994 beleuchtet, die am 1. Januar 1995 in Kraft<br />
getreten sind und die EU-Länder zu einer tiefgreifenden<br />
Liberalisierung des Agrarh<strong>and</strong>els verpflichtet haben. Dabei<br />
ergab sich als gemeinsamer Trend in beiden Ländern, dass<br />
die durchschnittliche Grösse l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Haupterwerbsbetriebe<br />
zunimmt. Im Schweizer Klettgau wird bis<br />
zum Jahr 2015 ein Wachstum um 30% auf 42 ha für Akkerbaubetriebe<br />
bzw. um 50% auf 27 ha bei der Tierhaltung<br />
erwartet. Für den deutschen Teil wird eine dramatischere<br />
Entwicklung prognostiziert, die zu durchschnittlichen Betriebsgrössen<br />
von 100 ha für die Tierhaltung und von 175<br />
ha für Ackerbaubetriebe führen kann (Meier, Stricker,<br />
Wehrli & Bächtiger, 1988).<br />
Falls nicht geeignete Regelungen gefunden werden, wird<br />
eine Zunahme der durchschnittlichen Hofgrösse vermutlich<br />
auch eine Erhöhung der durchschnittlichen Feldgrösse nach<br />
sich ziehen. Eine Erhöhung der Feldgrösse kann verschiedene<br />
negative Folgen für das L<strong>and</strong>schaftsbild und die ökologische<br />
Qualiät der L<strong>and</strong>schaft haben: Zum einen geht die als<br />
reizvoll empfundene Kleingliedrigkeit verloren, zum <strong>and</strong>eren<br />
wird die kleinräumige Vernetzung von Lebensräumen<br />
durch den Verlust von Saumbiotopen beeinträchtigt und die<br />
Ausbreitung von Schädlingen durch ein uniformeres Futterangebot<br />
vereinfacht.<br />
2.5.2 Siedlungsgebiete<br />
Das starke Siedlungswachstum der letzten 40 Jahre im<br />
Klettgau hat sich nicht in Form einer inneren Verdichtung<br />
der Dorfkerne, sondern in Form peripheren Hinauswachsens<br />
in die L<strong>and</strong>schaft abgespielt. Die Siedlungsfläche hat<br />
sich in diesem Zeitraum verdoppelt. Ein besonders starker<br />
Druck entwickelt sich dabei auf die Südhänge, welche bevorzugte<br />
Wohnlagen darstellen (Schlatter et al., 1998).<br />
Mit einer zunehmenden Bautätigkeit sind eine Reihe<br />
möglicher negativer Folgen für die ästhetische und ökologische<br />
Qualität der L<strong>and</strong>schaft verbunden. Die ästhetischen<br />
Beeinträchtigungen können insbesondere dann bedeutend<br />
sein, wenn durch die zusätzlichen Bauten der Charakter<br />
einer Siedlung verändert wird und von einem dörflichen in<br />
einen halb-städtischen Charakter umschlägt.<br />
Die ökologischen Auswirkungen einer Zersiedlung betreffen<br />
die unmittelbare Zerstörung wertvoller Lebensräume,<br />
wie z.B. Hochstammobstgärten der Siedlungsränder<br />
116<br />
UNS-Fallstudie '98
______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
oder potentiell wertvolle Südhänge. Eine indirekte ökologische<br />
Folge ist ein erhöhter Zerschneidungsgrad der L<strong>and</strong>schaft.<br />
Zudem kann die Siedlungstätigkeit auf l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />
Gunstflächen dazu führen, dass die L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
im Sinne einer Suche nach Realersatz die Bewirtschaftung<br />
bisher nur extensiv genutzter Gebiete intensiviert<br />
und dort natürliche und kulturl<strong>and</strong>schaftliche Bewirtschaftungshemmnisse<br />
beseitigt (Broggi & Schlegel, 1989).<br />
2.5.3 Verkehrswege und Verkehr<br />
Die ökologischen Auswirkungen von Strassen sind beträchtlich<br />
(Forman & Alex<strong>and</strong>er. 1998). Im Hinblick auf<br />
Tierpopulationen sind insbesondere der direkte und indirekte<br />
Verlust von Lebensraum zu nennen, zudem die erhöhte<br />
Mortalität und schliesslich der Barriereneffekt, der vormals<br />
zusammenhängende Populationen vonein<strong>and</strong>er trennt.<br />
Strassennetzwerke bestimmen wesentlich den Zerschneidungsgrad<br />
der L<strong>and</strong>schaft.<br />
Der Strassenlärm, der wiederum stark von der Verkehrsdichte<br />
abhängt, ist vermutlich der bedeutendste Faktor für<br />
die indirekten Lebensraumverluste. In den Niederl<strong>and</strong>en<br />
wurde für Brutvögel in Offenl<strong>and</strong>schaften aufgrund von<br />
empirischen Studien geschätzt, dass die Besiedlungsdichte<br />
einzelner Arten bis in eine Entfernung von 1'700 m zu<br />
Strassen mit 5'000 Fahrzeugen täglich verringert ist. Bei<br />
Autobahnen mit 50'000 Fahrzeugen täglich steigt diese<br />
Distanz auf 3'700 man (Reijnen et al., 1996). In Wäldern<br />
war die Brutvogeldichte in einer Entfernung von 250 m von<br />
einer Autobahn um 20% bis 98% reduziert (Reijnen et al.,<br />
1995).<br />
Eine möglicherweise einschneidende Veränderung der<br />
Klettgauer L<strong>and</strong>schaft droht durch den Weiterbau der<br />
Hochrheinautobahn A 98. Gegenwärtiger Endpunkt in östlicher<br />
Richtung ist Geisslingen. Im Bedarfsplan der Bundesrepublik<br />
Deutschl<strong>and</strong> und des L<strong>and</strong>es Baden-Württemberg<br />
hat der Abschnitt der A 98 östlich von Geisslingen nur<br />
nachrangige Dringlichkeit. Die Planungen über die Anbindung<br />
an das Schweizer Strassennetz werden daher erst wieder<br />
2012 aufgenommen. Bezüglich der Realisierung des<br />
bereits geplanten Abschnitts von Lauchringen nach Geisslingen<br />
bestehen gegenwärtig Unstimmigkeiten zwischen<br />
der Gemeinde Klettgau, die den Bau des Teilstücks ablehnt,<br />
und der Gemeinde Lauchringen, die den sofortigen Weiterbau<br />
fordert.<br />
Als negative Entwicklung ist auch der in den letzten<br />
Jahrzehnten verstärkte Einsatz von Hartbelägen auf Gütererschliessungsstrassen<br />
zu nennen. Einerseits kann dadurch<br />
der Barriereneffekt dieser Strassen auf Kleintiere stark erhöht<br />
werden, <strong>and</strong>ererseits führt die Verbesserung - aus Sicht<br />
der Autofahrer - der Strassenoberfläche häufig zu höherem<br />
Verkehrsaufkommen auf diesen Strassen, so dass sie zu<br />
einer stärkeren Quelle von Störungen (z.B. Lärm) werden.<br />
Glücklicherweise hat sich der Trend zur Verwendung von<br />
Hartbelägen aufdiesen Strassen in den letzten Jahren wieder<br />
weitgehend abgeschWächt.<br />
2.6 Aktuelle Antwortstrategien:<br />
Chancen Grenzen<br />
2.6.1 Ökologische Aufwertungsmassnahmen in der<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
Für die zukünftige Entwicklung der L<strong>and</strong>schaft in ländlichen<br />
Räumen ist es entscheidend, ob, in welcher Weise und<br />
in welchem Umfang Anreize zur Verringerung der Umweltbelastungen<br />
durch die L<strong>and</strong>wirtschaft geschaffen werden.<br />
Dies zeigt sich beispielsweise in der vorhergesagten unterschiedlichen<br />
Entwicklung der Produktionsformen in<br />
Deutschl<strong>and</strong> und der Schweiz: Während in Deutschl<strong>and</strong><br />
sowohl unter dem Szenario «EU» als auch unter dem Szenario<br />
«GATT» dem konventionellen Anbau das grösste Entwicklungspotential<br />
zugesprochen wird, scheinen in der<br />
Schweiz Bio- und IP-Produktion Chancen auf weitere Verbreitung<br />
zu besitzen. Der biologische L<strong>and</strong>bau schneidet<br />
dabei unter den Bedingungen von AP 2002 besser ab als<br />
unter denjenigen eines EU-Beitritts. Der Grund für diese<br />
unterschiedlichen Entwicklungspotentiale der Bioproduktion<br />
wird in den ökologischen Direktzahlungen in der<br />
Schweiz gesehen. Diese werden vermutlich sowohl unter<br />
den Bedingungen von AP 2002 als auch unter denjenigen<br />
eines EU-Beitrittes zunehmen (Meier et al., 1998). Für die<br />
Entwicklung des L<strong>and</strong>schaftsbildes ist jedoch nicht in erster<br />
Linie die Produktionsform bedeutsam. Wichtig sind insbesondere<br />
Art, Umfang und relative Lage ökologisch wertvoller<br />
Flächen. Auch eine einseitige Förderung bestimmter<br />
Arten von ökologischen Ausgleichsflächen kann zu einer<br />
Vereinheitlichung der L<strong>and</strong>schaft beitragen. Ob eine Vernetzung<br />
der naturnahen Flächen durch die Vergütungsmodelle<br />
gefördert wird, hängt davon ab, ob die Vergütung an geeignete<br />
Vergabekriterien gebunden ist. Die Erarbeitung solcher<br />
Kriterien wird gegenwärtig noch durch eine Reihe von<br />
offenen wissenschaftlichen Fragen erschwert; zudem erschweren<br />
Probleme der Rechtsgleichheit die rechtliche Implementierung.<br />
Im Kanton Schaffhausen arbeitet eine Fachgruppe<br />
«Natur und L<strong>and</strong>schaft» der kantonalen Umweltschutzkomission<br />
gegenwärtig an einer Revision der bestehenden<br />
Abgeltungsrichtlinien.<br />
In Deutschl<strong>and</strong> wurden 1996 mehr als 5.2 Mio. ha, das<br />
sind bundesweit über 30% der l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutzten<br />
Fläche, gemäss den Richtlinien von Agrarumweltprogrammen<br />
bewirtschaftet und gefördert. Der Marktentlastungsund<br />
Kulturl<strong>and</strong>schaftsausgleich (MEKA) des L<strong>and</strong>es Baden-Württemberg<br />
ist ein Beispiel für ein solches Agrarumweltprogramm:<br />
Die Beteiligung am MEKA-Programm ist<br />
freiwillig. Die L<strong>and</strong>wirte können weitgehend nach dem<br />
Baukastenprinzip die Massnahmen mitein<strong>and</strong>er kombinieren,<br />
die ihnen für den eigenen Betrieb am geeignetsten<br />
erscheinen. Die Berechnung der Ausgleichsleistungen erfolgt<br />
über einen Punkteschlüssel. Jede Einzelmassnahme ist<br />
mit einer bestimmten Punktezahl bewertet, jederPunkt wird<br />
mit 20 DM honoriert. Bezüglich der Förderhöhe gelten<br />
Obergrenzen von 550 DM/ha beziehungsweise 40.000 DM<br />
je Betrieb. Die beantragten Massnahmen müssen für eine<br />
Dauer von fünf Jahren durchgeführt werden (Ministerium<br />
für ländlichen Raum, 1995).<br />
Die Einstellung der L<strong>and</strong>wirte und L<strong>and</strong>besitzer gegenüber<br />
der Honorierung ökologischer Leistungen ist von zen-<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
117
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
traler Bedeutung für deren Erfolg. Bislang ist unter L<strong>and</strong>wirten<br />
die Auffassung noch zu wenig weit verbreitet, dass<br />
die «Erbringung ökologischer Leistungen eine der Produkteerzeugung<br />
gleichwertige Aufgabe ist und ein ebenso faires<br />
und berechenbares Einkommen verdient» (Rat der Sachverständigen<br />
für Umweltfragen, 1996, S. 16f). In einer Umfrage<br />
bei L<strong>and</strong>wirten in der Schweiz lehnten 1987, vor dem<br />
Inkrafttreten des neuen L<strong>and</strong>wirtschaftsgesetzes, drei von<br />
vier L<strong>and</strong>wirten Direktzahlungen ab (Roux, 1988). Auch<br />
noch 1994, zwei Jahre nach der Einführung von Direktzahlungen,<br />
bevorzugten 79% der befragten L<strong>and</strong>wirte im Grossen<br />
Moos (einer <strong>Region</strong> zwischen dem Neuenburger-, dem<br />
Murten- und dem Bie1ersee) die Abgeltung des Mehraufw<strong>and</strong>es<br />
bei umweltgerechter Produktion über den Produktepreis<br />
(Carabias et al., 1995). Wenn auch heute die Stimmung<br />
bei L<strong>and</strong>wirten im K1ettgau zugunsten einer erhöhten Akzeptanz<br />
von naturschützerischen und l<strong>and</strong>espflegerischen<br />
Massnahmen umzuschwingen beginnt, ist noch beträchtlicher<br />
kultureller und mentaler W<strong>and</strong>el nötig.<br />
2.6.2 Das Naturschutzkonzept und der Richtplan des<br />
Kantons Schaffhausen<br />
Das Naturschutzkonzept für den Kanton Schaffuausen wurde<br />
im Dezember 1995 vorgelegt. Es richtet sich in erster<br />
Linie an die kantonalen und kommunalen Behörden, wobei<br />
es für den Kanton behördenverbindlich und für die Gemeinden<br />
ein Leitbild ist. Seine Aufgabe ist es, die Ziele, Prioritäten<br />
und Massnahmen für die 10 Jahre nach seinem Erscheinen<br />
festzulegen (Baudepartement des Kantons Schaffhausen,<br />
1995). Die raumwirksamen Teile des Konzeptes sind in<br />
den kantonalen Richtplan aufzunehmen. Das im Konzept<br />
festgelegte Hauptziel des Naturschutzes ist die «Erhaltung<br />
und Förderung von grossflächigen Lebensraum-Verbundsystemen,<br />
in denen die einheimischen Tier- und Pflanzenarten<br />
langfristig überleben können» (Baudepartement des Kantons<br />
Schaffhausen, 1995, S. 7). Als wichtigste Massnahmen<br />
zur Erreichung dieses Zieles werden «Erhaltung und Förderung<br />
der verbleibenden naturnahen Lebensräume», «Schaffung<br />
von neuen naturnahen Flächen sowie Erhaltung von<br />
R<strong>and</strong>strukturen in intensiv genutzten Gebieten zur Vernetzung<br />
der Lebensräume» und schliesslich «gezielte Förderung<br />
von stark gefährdeten Tier- und Pflanzenarten» angeführt<br />
(Baudepartement des Kantons Schaffuausen, 1995, S.<br />
7).<br />
Der intensiv l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutzte Klettgau wird als<br />
Gebiet mit den grössten ökologischen Defiziten ausgewiesen.<br />
Aufgrund seiner Lage zwischen den beiden Vorranggebieten<br />
«R<strong>and</strong>en» und «Wangen- und Osterfingertal» ist die<br />
ökologische Aufwertung der Klettgaurinne zur Vernetzung<br />
der beiden Vorranggebiete eines der wichtigsten Naturschutzziele<br />
des Kantons Schaffhausen (Baudepartement des<br />
Kantons Schaffuausen, 1995). Die im Natuschutzkonzept<br />
vorgesehenen Bewirtschaftungsvereinbarungen zwischen<br />
dem Kanton und L<strong>and</strong>wirten im Klettgau haben einen Umfang<br />
von etwa40 ha. Sie zielen spezifisch aufdie Anlage von<br />
ökologischen Ausgleichsflächen in den strukturarmen l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />
Gunstlagen ab. Finanziert werden sie aus<br />
dem Natur-und Heimatschutzbudget. Weitere direkt für den<br />
Klettgau bedeutsame kantonsweite Ziele sind: die Erhaltung<br />
und Förderung von Biotopen ausserhalb der Vorranggebiete,<br />
die ökologische Aufwertung der Fliessgewässer, der<br />
Einbezug der traditionellen Bewirtschafter in die Naturschutzarbeiten,<br />
die Förderung der Zusammenarbeit aller im<br />
Kanton Schaffhausen am Naturschutz Beteiligten, die Koordination<br />
der Massnahmen mit den Nachbarkantonen und<br />
dem Bundesl<strong>and</strong> Baden-Württemberg sowie die Verbreitung<br />
des Naturschutzgedankens in der Bevölkerung.<br />
Das Naturschutzkonzept legt hinsichtlich der oben genannten<br />
Einflussfaktoren auf die zukünftige Natur- und<br />
L<strong>and</strong>schaftsentwicklung den Schwerpunkt auf die L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />
Die beiden <strong>and</strong>eren Faktoren, Siedlung und Verkehr,<br />
werden im kantonalen Richtplan beh<strong>and</strong>elt.<br />
Der kantonale Richtplan bef<strong>and</strong> sich zur Zeit der Redaktionsarbeiten<br />
noch in der verwaltungsinternen Vernehmlassung.<br />
Die endgültige Fassung kann daher noch leicht von der<br />
hier gegebenen Darstellung abweichen. Im Entwurf zum<br />
kantonalen Richtplan wird die hohe Bedeutung der L<strong>and</strong>schaft<br />
für den Kanton Schaffhausen betont. Ein zentraler<br />
Planungsgrundsatz lautet: «Die l<strong>and</strong>schaftlichen Qualitäten<br />
als wichtigste Ressource im Kanton Schaffhausen müssen<br />
gepflegt und wo nötig saniert werden» (Planungs- und Naturschutzamt,<br />
1998, S. 107). Entsprechend wird für den<br />
Bereich der Siedlungsentwicklung festgehalten, dass der<br />
Natur und L<strong>and</strong>schaftsraum vom Siedlungsdruck dauernd<br />
zu entlasten sei. Um dieses Ziel zu erreichen, wird das<br />
Konzept der Entwicklungsgemeinden eingeführt, in denen<br />
sich die weitere Siedlungsentwicklung konzentrieren solL<br />
Es werden jedoch keine langfristigen Obergrenzen für die<br />
Siedlungsentwicklung in ländlichen Räumen angegeben.<br />
Bezüglich der weiteren Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur<br />
wird festgestellt, dass st<strong>and</strong>ortgebundene Infrastrukturanlagen<br />
und Bauten ausserhalb der Bauzone l<strong>and</strong>schafts-<br />
und umweltverträglich anzuordnen seien. Neue<br />
Strassen seien nur zur Entlastung von Agglomerationen und<br />
Dörfern vom Durchgangsverkehr vorzusehen. Für die weitere<br />
Entwicklung des öffentlichen Verkehrs sind schnelle<br />
Verbindungen zwischen Zentren und Zubringerdiensten zu<br />
lokalen Zentren vorgesehen. Siedlungsgebiete, die mehr als<br />
300 Einwohner und/oder Arbeits- und Ausbildungsplätze<br />
aufweisen, sollen grundsätzlich mit dem öffentlichen Linienverkehr<br />
erschlossen werden. Für kleinere Siedlungsgebiete<br />
sollen Sonderlösungen geprüft werden (Planungs- und<br />
Naturschutzamt, 1998).<br />
2.6.3 Erste Erfolge des ökologischen Ausgleichs<br />
Die Bemühungen um ökologische Aufwertungen in der<br />
Klettgaurinne haben bereits erste Erfolge gezeitigt, wie am<br />
Beispiel der Feldlerche zu sehen ist. Zwar zeigen die ökologischen<br />
Ausgleichsrnassnahmen insgesamt noch keinen<br />
quantitativ signifikanten Einfluss auf die Best<strong>and</strong>esdichte<br />
der Feldlerche. In einigen Gebieten mit einer starken Erhöhung<br />
des Anteils naturnaher Flächen, vor allem Buntbrachen,<br />
konnte jedoch eine bedeutende Abnahme der durchschnittlichen<br />
Reviergrösse festgestellt werden (Jenny et al.,<br />
1997). Dies deutet darauf hin, dass die Ressourcenbasis für<br />
die Vögel in diesen Gebieten verbessert wurde, und lässt<br />
langfristig auf eine Erhöhung der Best<strong>and</strong>esdichte hoffen.<br />
Zudem sind in einigen der seit 1988 angelegten Buntbrachen<br />
118<br />
UNS-Fallstudie '98
______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
mittlerweile spontan einige sehr seltene Ackerblumen wie 3<br />
der Kleine Venusspiegel aufgetreten (Billing & Bolliger,<br />
1998).<br />
2.7 Zusammenfassung<br />
Die intensive l<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzung bestimmt den<br />
L<strong>and</strong>schaftscharakter im Klettgau. Dabei bestehen deutliche<br />
Unterschiede zwischen dem deutschen und dem<br />
Schweizer Klettgau. In einem 400 m breiten Transekt im<br />
deutschen Teil des Klettgaus liegt der Anteil der naturnahen<br />
Flächen bei 14.4%, im Transekt im Schweizer Klettgau bei<br />
5.3%. Die Werte für den deutschen Transekt liegen vermutlich<br />
über dem Durchschnitt im deutschen Klettgau, so dass<br />
der tatsächliche Unterschied etwas geringer sein wird. Die<br />
Entfernung zwischen zwei naturnahen Flächen- entlang der<br />
Transsektachse - kann innerhalb der L<strong>and</strong>wirtschaftszone<br />
bis zu 290 m (CH) bzw. 440 m (D) betragen. Wertvolle<br />
Wiesen liegen bis zu 820 m (CH) bzw. 760 m (D) ausein<strong>and</strong>er.<br />
Für Hecken, Feldgehölze und Buschgruppen liegt der<br />
Abst<strong>and</strong> bei maximal 420 m (CH) bzw. 930 m (D). Sowohl<br />
im Schweizer als auch im deutschen Klettgau bestehen<br />
Defizite insbesondere in der Klettgaurinne und in den Rebbergen.<br />
Hier sind zusätzliche Anstrengungen erforderlich,<br />
um eine umweltgerechte Nutzung der L<strong>and</strong>schaft zu erreichen.<br />
Dabei besteht gegenwärtig ein bedeutendes Potential,<br />
ökologische Aufwertungen durchzuführen, die auch die Erlebnisqualität<br />
der L<strong>and</strong>schaft verbessern.<br />
Zukünftig wird bei einer Zunahme von den Bereichen<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft, Siedlung und Verkehr weiterhin Druck auf<br />
die L<strong>and</strong>schaft ausgeübt werden. Die Ökologisierung der<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft steht gegenwärtig im Mittelpunkt vieler Bemühungen<br />
auf Bundes-, Länder- bzw. Kantons- und kommunaler<br />
Ebene sowie zahlreicher privater Organisationen.<br />
Verkehr und Siedlung als mögliche L<strong>and</strong>schaftsstressoren<br />
finden im Klettgau gegenwärtig weniger Beachtung.<br />
partizipatives Bewertungsa<br />
instrument<br />
Massnahmen zur naChha,'fI~ren<br />
l<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
3. 1 Einführung<br />
Welcher Massnahme zur Erhaltung und Förderung von Natur-<br />
und L<strong>and</strong>schaftswerten soll unter gegebenen Umständen<br />
der Vorzug gegeben werden? Dies ist eine der zentralen<br />
Fragen für Behörden und private Organisationen des Naturschutzes<br />
und der L<strong>and</strong>schaftspflege. In den meisten Fällen<br />
werden diese Fragen behörden- oder organisationsintern<br />
geklärt. Dieses Vorgehen birgt die Gefahr, dass die Bevölkerung<br />
mit den vorgeschlagenen Massnahmen wenig anfangen<br />
kann und Konflikte mit betroffenen Interessengruppen<br />
erst spät erkannt werden. Verfahren, die dieser Gefahr begegnen<br />
und eine Beteiligung der Bevölkerung an der Entscheidungsfindung<br />
ermöglichen, sind hingegen häufig zu<br />
aufwendig, um auf regionaler Ebene durchgeführt zu werden.<br />
Es war daher unser Ziel, ein Verfahren zu entwickeln,<br />
bei dem die Bevölkerung in nachvollziehbarer Weise in die<br />
Bewertung der zur Wahl stehenden Massnahmen einbezogen<br />
wird und das sich zugleich durch geringen zeitlichen<br />
Aufw<strong>and</strong> für die Beteiligten auszeichnet.<br />
Die grundlegende Idee war folgende: Die zur Auswahl<br />
stehenden Massnahmen werden anh<strong>and</strong> von neun universellen<br />
Kriterien bewertet. Die beteiligten Personen bestimmen<br />
- jeweils für sich - wie wichtig die einzelnen Kriterien<br />
relativ zuein<strong>and</strong>er sind und wie die verschiedenen Massnahmen<br />
hinsichtlich der Kriterien abschneiden. Aus diesen<br />
Angaben wird dann die Reihenfolge der Massnahmen ermittelt.<br />
Das Ausrnass, in dem Entscheidungen schon vor dem<br />
Einbezug der Bevölkerung getroffen werden, bestimmt wesentlich<br />
den zeitlichen Aufw<strong>and</strong>, den die beteiligten Personen<br />
erbringen müssen. In unserem Fall wurden den beteiligten<br />
Personen bereits Massnahmen und Entscheidungskriterien<br />
vorgegeben. Dies geschah im Hinblick aufdie Praktikabilität<br />
- ein gemeinsames Entwickeln der Kriterien und<br />
Auswählen der Massnahmen ist möglich und prinzipiell<br />
wünschenswert. Der Zeitbedarf steigt jedoch bei einem solchen<br />
Verfahren gewaltig an, so dass die Zahl der Personen,<br />
die beteiligt werden können, stark begrenzt wird.<br />
Im folgenden werden zunächst die theoretischen Grundlagen<br />
des Bewertungsverfahrens eingehender erläutert. Danach<br />
werden die Kriterien entwickelt, mit denen die wichtigsten<br />
Merkmale der Massnahmen erfasst und bewertet<br />
werden sollen. Anschliessend werden drei Massnahmen im<br />
Detail vorgestellt, die im Rahmen einer Bewertungsveranstaltung<br />
probehalber mitein<strong>and</strong>er verglichen wurden <br />
Bachrenaturierung, Anlegen von Buntbrachen und Kiesgrubenrenaturierung.<br />
Viertens wird, ausgehend von der Istsituation<br />
in den zwei L<strong>and</strong>schafts-Transekten (siehe Kapitel<br />
2), ein möglicher Sollzust<strong>and</strong> für die Zukunft entwickelt. Es<br />
wird gezeigt, welchen Beitrag die verschiedenen Massnahmen<br />
zur Erreichung dieses Sollzust<strong>and</strong>es leisten würden.<br />
Das fünfte Unterkapitel bilden die Schilderung der Bewer-<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
119
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
tungsveranstaltung im Klettgau und die Präsentation der<br />
Ergebnisse. Abschliessend werden die wesentlichen Ergebnisse<br />
zusammengefasst und H<strong>and</strong>lungsoptionen aufgezeigt.<br />
Die Idee der multikriteriellen<br />
fntscheidungsfindung<br />
Der Kern der gewählten Bewertungsmethode ist ein «multikriterielles<br />
Entscheidungsverfahren». Was bedeutet das? Einer<br />
Entscheidung liegen immer mehrere Kriterien, d.h. entscheidungsrelevante<br />
Merkmale der vorh<strong>and</strong>enen Alternativen,<br />
zugrunde. So entscheidet bei der Wahl eines neuen<br />
Autos nicht allein der Kaufpreis darüber, welches Modell<br />
gekauft wird, sondern es fliessen auch <strong>and</strong>ere Merkmale wie<br />
Komfort, Sicherheit, Prestige, Praxistauglichkeit, Langlebigkeit,<br />
Energieverbrauch etc. in die Entscheidung ein. Dabei<br />
berücksichtigen verschiedene Personen unterschiedliche<br />
Kriterien, geben den verwendeten Kriterien unterschiedliches<br />
Gewicht und schätzen die angebotenen Modelle<br />
hinsichtlich der verschiedenen Merkmale unterschiedlich<br />
ein. Das Ergebnis ist eine Vielzahl verschiedener Automodelle,<br />
die nachgefragt werden. Im täglichen Leben wird man<br />
die verschiedenen Kriterien nicht ausdrücklich angeben,<br />
sondern letztlich «aus dem Bauch heraus» die Entscheidung<br />
treffen. Bei der multikriteriellen Entscheidungsfindung<br />
wird versucht, möglichst genau zu bestimmen, welche Faktoren<br />
die Entscheidung beeinflussen. Dabei gibt es drei<br />
wesentliche Schritte: erstens die Benennung aller relevanten<br />
Kriterien, zweitens ihre Gewichtung relativ zuein<strong>and</strong>er und<br />
drittens die Bewertung für jede der betrachteten Alternativen,<br />
wie gut sie hinsichtlich der einzelnen Kriterien abschneidet.<br />
Das Verfahren ist aufwendig, hat aber mehrere<br />
Vorteile. Zunächst entspricht es den Forderungen der intellektuellen<br />
Redlichkeit, sich selbst Rechenschaft darüber<br />
abzulegen, warum man diese und nicht jene Entscheidung<br />
getroffen hat. Weiterhin ermöglicht es, Aussenstehenden die<br />
Gründe für eine Entscheidung transparent darzustellen. Darüber<br />
hinaus hat es die Funktion eines gewissen Selbstschutzes,<br />
d.h. mit seiner Hilfe soll verhindert werden, dass man<br />
sich durch unüberlegtes H<strong>and</strong>eln Schaden zufügt. Drittens<br />
hilft es der Kommunikation: Meistens ist man nicht allein an<br />
einer Entscheidung beteiligt, sondern muss diese <strong>and</strong>eren<br />
gegenüber vertreten und mit diesen verh<strong>and</strong>eln. In einem<br />
solchen Fall hilft ein multikriterielles Entscheidungsverfahren,<br />
festzustellen, worüber geredet wird, und zu klären, wo<br />
die Differenzen liegen.<br />
Ein prominentes Beispiel für die mögliche konfliktlösende<br />
Wirkung von multikriterieller Entscheidungsfindung ist<br />
die Planung einer Umgehungsstrasse in der österreichischen<br />
Stadt Klagenfurt (Organisation for Economic Co-operation<br />
<strong>and</strong> Development, 1994): Die Planung für die Umgehungsstrasse<br />
begann 1938. Bis zum Jahr 1985 waren mehrere<br />
Alternativen entwickelt, diskutiert und zurückgewiesen<br />
worden. Es konnte keine Einigung darüber erzielt werden,<br />
welcher der beiden zuletzt am intensivsten diskutierten Varianten<br />
der Vorzug gegeben werden sollte. Daraufhin wurde<br />
beschlossen, eine multikriterielle Umweltverträglichkeitsprüfung<br />
unter Einbeziehung von Vertretern unterschiedlicher<br />
gesellschaftlicher Gruppen durchzuführen. Das Ergeb-<br />
nis war einerseits, dass eine Kombination der beiden zuletzt<br />
diskutierten Alternativen den höchsten Nutzenwert erhielt<br />
(was zeigt, dass die Methode auch kreatives Potential besitzt),<br />
<strong>and</strong>ererseits, dass diese Variante eine breite Zustimmung<br />
erhielt und so der 50jährige Planungsprozess zu einem<br />
Abschluss gebracht werden konnte.<br />
Es gibt eine Vielzahl verschiedener Verfahren für die<br />
multikriterielle Entscheidungsfindung. Sie unterscheiden<br />
sich vor allem darin, wie die Gewichtungsfunktionen (relative<br />
Gewichtung der Kriterien und Kriterienerfüllungsgrad)<br />
ermittelt werden. Eine Übersicht findet sich in Scholz &<br />
Tietje (1995).<br />
3.3 Kriterien für die Bewertung<br />
l<strong>and</strong>schaftsgestaItender<br />
Massnahmen<br />
3.3. 1 Anforderungen an die Kriterien<br />
Die Kriterien stehen im Zentrum jedes multikriteriellen<br />
Entscheidungsverfahrens. Von ihrer Qualität hängt entscheidend<br />
ab, ob das Verfahren Erfolg haben kann. Es ist<br />
daher nützlich, sich zuerst zu überlegen, welche Anforderungen<br />
die verwendeten Kriterien erfüllen müssen. Die Anforderungen,<br />
die unserer Wahl der Kriterien zugrunde lagen,<br />
sind in Tabelle 3.1 dargestellt.<br />
Zwischen einzelnen dieser Anforderungen ergeben sich<br />
Zielkonflikte, beispielsweise legen Praxisrelevanz und<br />
Kommunizierbarkeit eine möglichst geringe Zahl an Kriterien<br />
nahe, während die Validität der Bewertung vermutlich<br />
mit einer grösseren Zahl an Kriterien besser gewährleistet<br />
werden kann. Eine Gewichtung der Anforderungen ist daher<br />
unausweichlich. Dabei ist die wichtigste Anforderung letztlich<br />
die Validität. Ein praxisnahes multikriterielles Entscheidungsverfahren<br />
schadet mehr als es nützt, wenn die verwendeten<br />
Kriterien dazu führen, dass tendenziell die falsche<br />
Entscheidung getroffen wird. Dabei stellt sich natürlich das<br />
Problem, anh<strong>and</strong> welcher <strong>and</strong>erer Kriterien entschieden<br />
werden kann, was die richtige Entscheidung wäre.<br />
3.3.2 Auswahl der Kriterien<br />
Die Auswahl der Kriterien basierte auf einem Studium<br />
entsprechender Fachliteratur. In mehreren vonein<strong>and</strong>er unabhängigen<br />
Kleingruppen wurden Kriterien zusammengetragen.<br />
Die verschiedenen Kleingruppen konzentrierten sich<br />
auf jeweils einen Massnahmenbereich. Die Kriterien wurden<br />
in einer Plenumssitzung diskutiert, den drei Überbegriffen<br />
Ökologie, Ökonomie und Sozial-Kulturelles zugeordnet<br />
und anschliessend nach Wichtigkeit sortiert.<br />
Die drei Bereiche Ökologie, Ökonomie und Sozial-Kulturelles<br />
bilden das «magische Dreieck» einer «nachhaltigen<br />
Entwicklung», die seit der UN-Konferenz für Umwelt- und<br />
Entwicklung 1992 in Rio auf internationaler, nationaler und<br />
lokaler Ebene zu einem Leitbild für die zukünftige Gesellschaftsentwicklung<br />
avanciert ist. Wenngleich die normative<br />
Grundlage von nachhaltiger Entwicklung im allgemeinen<br />
unscharfbleibt, so bildet doch die Verantwortung gegenüber<br />
zukünftigen Generationen den gemeinsamen Kern der verschiedenen<br />
Nachhaltigkeitskonzepte (Renn & Kastenholz,<br />
120<br />
UNS-Fallstudie '98
______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
Tab. 3.1: Anforderungen an Kriterien für die Bewertung l<strong>and</strong>schaftsgestaltender Massnahmen. Verändert nach SRU (Rat<br />
der Sachverständigen für Umwelt/ragen, 1994).<br />
Inhaltliche Anforderung<br />
Validität (Gültigkeit)<br />
I Allgemeine wissenschaftliche Anforderungen<br />
Transparenz (Durchschaubarkeit)<br />
Werden die Kriterien den Anforderungen des Leitbildes für eine integrative<br />
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung gerecht? Kann damit der Inhalt des Leitbildes<br />
erfasst und beschrieben werden?<br />
Wird deutlich, welche Annahmen getroffen werden und an welcher<br />
Stelle welche normativen Elemente einfliessen? Wie wird mit Unsicherheit<br />
umgegangen?<br />
1 Reliabilität (Verlässlichkeit)<br />
Sind die Ergebnisse verlässlich? Ist die Bewertung reproduzierbar?<br />
-------------------+-----------<br />
1, Plausibilität (Nachvollziehbarkeit)<br />
Ist die Auswahl der Kriterien nachvollziehbar?<br />
Pragmatische Anforderungen<br />
Praxisrelevanz (H<strong>and</strong>lungsbezug)<br />
Ist eine Unterscheidung verschiedener Massnahmen im Hinblick auf<br />
eine nachhaltige L<strong>and</strong>schaftsgestaltung möglich? Leisten die Kriterien<br />
Hilfestellung bei der Auswahl und Gestaltung zukünftiger Massnahmen?<br />
I Kommunizierbarkeit (Vermittelbarkeit) Sind die Kriterien allgemeinverständlich?<br />
Praktikabilität (Umsetzbarkeit)<br />
Ist der Aufw<strong>and</strong> für die Datenerhebung und Auswertung im Vorfeld<br />
der Bewertung und bei der Bewertung vertretbar? Sind die Kriterien<br />
für eine Vielzahl von Massnahmen und Entscheidungssituationen anwendbar?<br />
1996). Die drei Bereiche Ökologie, Ökonomie und Sozial<br />
Kulturelles gelten als die entscheidenden Aspekte dieser<br />
Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen, weil<br />
sie die natürlichen Grundlagen menschlicher Gesellschaften,<br />
ihren materiellen Wohlst<strong>and</strong> und den psychischen, sozialen<br />
und kulturellen Bereich abbilden.<br />
Für jeden dieser drei Überbegriffe wurden jeweils drei<br />
Kriterien ausgewählt. Diese gleichmässige Verteilung der<br />
Kriterien erfolgte, um nicht allein durch die unterschiedliche<br />
Anzahl von Kriterien eine unterschiedliche Gewichtung der<br />
Bereiche nahezulegen. Da die Kriterien aufalle betrachteten<br />
Massnahmen anwendbar sein sollten, musste der Abstraktionsgrad<br />
der Kriterien relativ hoch sein.<br />
Die Entscheidung, insgesamt nur neun Kriterien zu verwenden,<br />
war ein Gebot der Vermittelbarkeit und Umsetzbarkeit.<br />
Um die Kriterien gegenein<strong>and</strong>er gewichten zu können,<br />
muss eine minimale Vertrautheit mit ihnen gewährleistet<br />
sein. Innerhalb des sehr begrenzten Zeitrahmens, der für die<br />
Bewertung zur Verfügung st<strong>and</strong>, schien uns eine grössere<br />
Zahl von Kriterien nicht vermittelbar.<br />
Im Bereich der Ökologie enstprechen die drei gewählten<br />
Kriterien den drei Dimensionen der lokalen Qualität, der<br />
räumlichen Ausdehnung und Anordnung und der Zeit.<br />
Im Bereich der Ökonomie werden die direkten materiellen<br />
Auswirkungen der Massnahmen auf die individuell Betroffenen<br />
sowie die direkten und indirekten materiellen Auswirkungen<br />
aufdie Allgemeinheit betrachtet.<br />
Das Sozial-Kulturelle wird durch den Erholungswert, das<br />
Traditionelle bzw. Spezifische der <strong>Region</strong> und die Art der<br />
Beteiligung der Bevölkerung repräsentiert.<br />
Der vielleicht grösste Kritikpunkt an den vorgestellten<br />
Kriterien ist, dass sie nicht ausreichend präzise formuliert<br />
und nicht mit Erhebungsvorschriften verbunden sind. Diese<br />
fehlende Operationalisierung verhindert eine detaillierte<br />
Diskussion der Kriterien und schränkt damit die Anforderungen<br />
der Transparenz und Plausibilität ein.<br />
Die gewählten Kriterien sind in Tabelle 3.2 dargestellt.<br />
Zusätzlich ist das Gewicht angegeben, das den einzelnen<br />
Kriterien an der unten beschriebenen Bewertungsveranstaltung<br />
von den teilnehmenden Personen gegeben wurde (vgl.<br />
Kap. 3.6).<br />
3.4 Massnahmen zur Aufwertung der<br />
l<strong>and</strong>schaft<br />
Neben den Kriterien bildet die Auswahl der zu bewertenden<br />
Massnahmen ein weiteres zentrales Element bei der multikriteriellen<br />
Entscheidungsfindung. Im Hinblick auf die Vermittelbarkeit<br />
der Bewertungsveranstaltung beschränkten<br />
wir uns auf drei Massnahmen: Bachrenaturierung, Anlage<br />
von Buntbrachen und Kiesgrubenrenaturierung. Diese wurden<br />
aufgrund von Gesprächen mit Vertretern der Bevölkerung<br />
in den Begleitgruppensitzungen (s. Kap. 1.2), Diskussionen<br />
mit Fachleuten aus dem Bereich des L<strong>and</strong>schaftsschutzes<br />
und aufgrund eigener Vorstellungen ausgewählt.<br />
Im einzelnen sprachen folgende Gründe für die Wahl der<br />
Massnahmen:<br />
UNS-Fallstudie '98 121
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
Tab. 3.2: Die neun Kriterien zur Bewertung von Massnahmen zur Aufwertung der L<strong>and</strong>schaft im Klettgau. Die in Klammern nach jedem<br />
Hauptkriterium angegebene Zahl entspricht der in der Bewertungsveranstaltung ermittelte Gewichtung (vgl. Kapitel 3.6).<br />
i<br />
I Unterkriterien Beschreibung (Beispiele) Die Bewertung ist umso höher •••<br />
Biotop- Artenvielfalt Anzahl verschiedener Arten, z.B. Schmetter- je höher die Artenvielfalt ist<br />
qualität<br />
linge, Frösche, Vögel, Blumen<br />
(14)<br />
Fläche Grösse der einzelnen naturnahen Flächen; Anteil je höher der Anteil naturnaher Fläche und je<br />
naturnaher Flächen im Perimeter<br />
grösser die einzelne naturnahe Fläche ist<br />
Störungen negative menschliche Einflüsse auf die natur- je geringer die Störungen sind<br />
nahe Fläche, z.B. Lärm, Pestizide, Eutrophierung,<br />
Auslösen von Fluchtverhalten bei Wildtieren<br />
durch W<strong>and</strong>erer und v.a.m.<br />
extensive Nutzung beispielsweise ungedüngtes Grünl<strong>and</strong>, biolo- je extensiver die Nutzung ist (dies gilt nur<br />
gischer Anbau, extensive Weidewirtschaft tendenziell, je nach Habitattyp ist ein Mindestmass<br />
an regelmässiger Intervention nötig)<br />
St<strong>and</strong>orteignung Ist die Massnahme ökologisch sinnvoll für diesen je geeigneter der St<strong>and</strong>ort für die ökologische<br />
St<strong>and</strong>ort? Bei schlechter Wasserqualität bringt Aufwertungsmassnahme ist<br />
eine Bachrenaturierung beispielsweise nicht viel.<br />
Aus einer Fettwiese kann kurzfristig keine<br />
Magerwiese entstehen.<br />
Strukturvielfalt Garantiert höheren Anteil an Brutmöglichkeiten, je mehr Strukturen vorh<strong>and</strong>en sind<br />
Überwinterungsmöglichkeiten, Trittsteinen für<br />
w<strong>and</strong>ernde Tiere, Deckung für die Tiere. Bsp.:<br />
Viele Nützlinge überwintern in Altgras und<br />
Staudensäumen.<br />
Verbund Raumanordnung Relative Lage von naturnahen Flächen im Raum. je geringer die Abstände zwischen benachbarten<br />
(13) Eine im Raum verstreute Anordnung der natur- Flächen sind<br />
nahen Fläche hat eine Biotopverbundfunktion<br />
Zerstückelung Zerschneidung der L<strong>and</strong>schaft durch Strassen, je geringer der Widerst<strong>and</strong> ist, der von der<br />
Gebäude, Siedlungen. Konsequenzen: für Tiere Matrix, das heisst dem L<strong>and</strong> zwischen den<br />
kaum überwindbare Barrieren und Verkleine- Flächen, ausgeübt wird<br />
rung des Lebensraumes<br />
Lang- natürliche Die Natur soll die Möglichkeit haben, sich je höher Persistenz und Resilienz sind<br />
fristigkeit Entwicklung spontan zu entfalten. Bsp.: periodische Über-<br />
(15) f1utung eines Bachabschnittes<br />
Flächensicherung Die naturnahe Fläche bleibt langfristig ge- je geringer die mit der Massnahme verbunsichert,<br />
z.B. Heckenpflazung, Trockenmauer denen Nutzungskonflikte sind<br />
Pflege Um die ökologische Qualität aufrechtzuer- je geringer der explizite Pflegebedarf ist (wobei<br />
halten, brauchen bestimmte naturnahe Flä- sich Pflege auf die Arbeit bezieht, die<br />
I,<br />
chen Pflege.<br />
ausschliesslich oder in erster Linie für den Erhalt<br />
Bsp.: Trockenst<strong>and</strong>orte müssen gemäht wer- der Habitatqualität eingesetzt wird)<br />
den, damit sie nicht verbuschen.<br />
Synergien indirekte positive Positive Effekte aufTourismus, <strong>Region</strong>al- Die Synergien sind umso höher,<br />
(8) Effekte auf <strong>and</strong>ere entwicklung, <strong>Region</strong>almarketing<br />
Bereiche der<br />
je grösser die indirekten positiven Effekte sind<br />
Wirtschaft und<br />
Gesellschaft<br />
Fortsetzung nächste Seite<br />
122 UNS-Fallstudie '98
________________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
Tab. 3.2: Fortsetzung<br />
Unterkriterien Beschreibung (Beispiele) Oie Bewertung ist umso höher ...<br />
Kosten/ Arbeitsmöglich- Werden bei der Ausführung des Projekts je mehr und je längerfristiger Arbeitsmöglich-<br />
Nutzen für keiten Arbeitsmöglichkeiten geschaffen? keiten geschaffen werden und je geringer die Kosten<br />
die<br />
sind, je grösser und gleichmässiger verteilt der Nutzen ist<br />
Allgemeinheit<br />
(9) Sponsoring Könnte das Projekt finanzielle oder perso- je besser ein spezifischer Privatnutzen (z.B. Werbewirknelle<br />
Mittel von Privatpersonen, Unterneh- samkeit für einen Sponsoren) durch einen speziellen<br />
men oder öffentlichen Stellen erhalten? Beitrag dieses Privaten am Realisierungsaufw<strong>and</strong> wieder<br />
dem Projektziel zugute kommt<br />
Projektausführung Kosten für die Projektausführung: Material, je leichter/billiger/konfliktärmer die Realisierung ist<br />
Personal<br />
Pflege Kosten für den Pflegeaufw<strong>and</strong> je geringer Folge- und Unterhaltsaufw<strong>and</strong> sind<br />
Kosten/ Subventionen/ Ausgleichszahlungen, Beiträge für ökolo- je höher und verlässlicher der Gewinn für den Direkt-<br />
Nutzen für Einkünfte gisehe Massnahmen, die der Flächenbe- betroffenen ist<br />
Eigentümer/<br />
sitzer erhält. Bsp.: Wechsel von intensiver<br />
Eigentümerin<br />
zu extensiver Nutzung oder Anlegen von<br />
oder<br />
Buntbrachen bedeuten einen Einkommens-<br />
Bewirtschaf-<br />
ausfall, dieser wird jedoch durch Subventer/Bewirt-<br />
tionen kompensiert<br />
schafterin<br />
(10) Pflege Pflegeaufw<strong>and</strong> (Personal, Arbeitsmittel, je geringer der Pflegeaufw<strong>and</strong> ist<br />
Zeit) nach Umsetzung der Massnahme<br />
Erholungs- Naturerfahrung Wahrnehmung von Geräuschen, z.B. des je intensiver die positive Naturerfahrung ist<br />
wert (10)<br />
Plätscherns von Wasser; von Düften,<br />
Farben und Stimmungen aus der Natur.<br />
Die Massnahme ermöglicht eine zusätzliche,<br />
im Klettgau kaum vorh<strong>and</strong>ene<br />
Naturerfahrung<br />
L<strong>and</strong>schaftsbild Optische Wahrnehmung des L<strong>and</strong>schafts- je harmonischer das L<strong>and</strong>schaftsbild ist<br />
bildes (Strukturen und Formenvielfalt)<br />
Naturbeobachtung Möglichkeit zur Beobachtung von Tieren je mehr Möglichkeiten zur Beobachtung bestehen<br />
und Pflanzen<br />
Erlebniswert Die L<strong>and</strong>schaft bietet die Möglichkeit zur je höher der Erlebniswert ist<br />
seelischen, geistigen und körperlichen<br />
Erholung<br />
Zugänglichkeit Der Ort der Massnahme kann ungehindert je besser zugänglich die Fläche ist und je weniger die<br />
erreicht werden, z.B. keine Einzäunung Fläche durch den Besuch gestört wird<br />
<strong>Region</strong>ale L<strong>and</strong>schafts- Die typische Eigenart der L<strong>and</strong>schaft bleibt je mehr die L<strong>and</strong>schaft durch die Massnahme in den<br />
Identifikation charakter erhalten und wird gestärkt positiv empfundenen Aspekten ihrer Eigenart bestärkt<br />
(9) wird<br />
Kulturelles Die L<strong>and</strong>schaft lässt die kulturelle Vergan- je stärker die Massnahme kulturell verankert ist und/<br />
Verständnis genheit ihrer Bevölkerung erkennen oder zu einer fruchtbaren Erweiterung der Kultur beiträgt<br />
Beteiligung Einbezug der Information der Bevölkerung und öffent- je mehr die Bevölkerung das Projekt als das ihre<br />
der Bevölke- Bevölkerung liehe Diskussion in den betroffenen Ge- empfindet<br />
rung(12)<br />
meinden<br />
Gerechte Die Lasten werden gerecht über alle Betei- je gerechter die Kosten und Nutzen verteilt sind<br />
Lastenverteilung ligten verteilt. Es werden keine Ungerechtigkeiten<br />
,<br />
geschaffen<br />
Akzeptanz Die Massnahme trifft auf eine breite Akzep- je höher die Akzeptanz in der Bevölkerung für die<br />
tanz<br />
Massnahme ist<br />
UNS-Fallstudie '98 123
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
Das natürliche Gewässersystem der Klettgaurinne gestaltete<br />
wesentliche Teile der Ebene und verunmöglichte mit<br />
regelmässigen Überschwemmungen eine intensive Nutzung<br />
vieler Gebiete. Die vorh<strong>and</strong>enen Bäche im Klettgau sind<br />
weitgehend von Menschen geschaffen worden, um den Boden<br />
zu entwässern und Ackerl<strong>and</strong> zu gewinnen (Gmür et al.,<br />
1958). In vielen Fällen kann daher streng genommen nur<br />
eingeschränkt von einer «Renaturierung» dieser Wasserläufe<br />
gesprochen werden. Da Bäche aber zur «natürlichen<br />
Ausstattung» der Klettgaurinne gehörten, bevor die Kulturtätigkeit<br />
des Menschen die L<strong>and</strong>schaft überformte, und sie<br />
wichtige ökologische Funktionen ausüben sowie einen hohen<br />
Erholungswert besitzen, bildet die natürlichere Gestaltung<br />
der vorh<strong>and</strong>enen Wasserläufe eine attraktive l<strong>and</strong>schaftsgestaltende<br />
Massnahme.<br />
Kiesgruben bilden markante künstliche Elemente in der<br />
Klettgauer L<strong>and</strong>schaft. Zudem besitzen stillgelegte und renaturierte<br />
Kiesgruben ein bedeutendes Naturschutzpotential<br />
(Classen et al., 1998).<br />
Das Anlegen VOn Buntbrachen und Ackerr<strong>and</strong>streifen<br />
wird im schweizerischen Klettgau seit 1989 aktiv vom Kanton<br />
Schaffhausen wie auch VOn der Vogelwarte Sempach<br />
gefördert, seit 1992 zusätzlich durch Bundesbeiträge im<br />
Rahmen des Art. 31 b des alten L<strong>and</strong>wirtschaftsgesetzes. In<br />
Baden-Württemberg wird die Anlage von Buntbrachen über<br />
das Programm zum Marktentlastungs- und Kulturl<strong>and</strong>schaftsausgleich<br />
(MEKA) gefördert (Ministerium für ländlichen<br />
Raum, 1995). In der l<strong>and</strong>wirtschaftlich intensiv genutzten<br />
Klettgaurinne bieten Buntbrachen eine bedeutende<br />
Möglichkeit, Lebensräume mitein<strong>and</strong>er zu vernetzen und<br />
neue Lebensräume zu schaffen.<br />
Eine detaillierte Beschreibung der drei Massnahmen ist in<br />
Tabelle 3.3 und Abbildung 3.1 gegeben; dieselben Informationen<br />
wurden auch in der Bewertungsveranstaltung verwendet.<br />
3.5 Entwickeln eines möglichen<br />
Sol/zust<strong>and</strong>s<br />
Um einen Anhaltspunkt für den Beitrag der verschiedenen<br />
Massnahmen zu einer zukünftigen L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
zu geben, entwickelten wir ein Sollszenario für die beiden in<br />
Kapitel 2.2 beschriebenen Transekte.<br />
3.5.1 Vorgehen<br />
Dabei gingen wir VOn folgenden Fragen aus: Wieviel naturnahe<br />
Fläche wird benötigt? Wo soll diese liegen? Wie sollen<br />
die Flächen beschaffen sein, d.h. unter <strong>and</strong>erem, welche<br />
Vegetation soll dort gedeihen? Über welchen Zeitraum muss<br />
die Fläche erhalten werden; welche Gestaltungs- und Pflegemassnahmen<br />
sind nötig?<br />
Bei der Beantwortung dieser Fragen stützten wir uns auf<br />
Forderungen aus der Naturschutzliteratur und aufdie Gesetzesgrundlagen<br />
in der Schweiz. Nach dem Art. 7 der Verordnung<br />
über die Direktzahlungen an die L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
(DZV) ist ein Anteil von 7% der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzfläche<br />
als ökologische Ausgleichsfläche auszuscheiden, um<br />
ökologische Direktzahlungen erhalten zu können (s. Anhang<br />
6.2, Artikel 7 der Direktzahlungsverordnung). Im Rahmen<br />
der Agrarpolitik 2002 ist vorgesehen, diesen Anteil bis<br />
zum Jahr 2006 auf 10% zu erhöhen. Für das schweizerische<br />
Mittell<strong>and</strong> wird von mehreren Autoren ein Anteil von 10<br />
12% naturnaher Fläche an der Gesamtfläche gefordert<br />
(Broggi & Schlegel, 1989; Jenny et al., 1997). Dieser Anteil<br />
entspricht demjenigen der frühen sechziger Jahre, die als<br />
Referenzpunkt genommen werden, weil damals noch eine<br />
deutlich höhere Artenvielfalt im Mittell<strong>and</strong> zu verzeichnen<br />
war. Ob ein Flächenanteil von 12% ausreicht, um die Artenvielfalt<br />
der sechziger Jahre wieder zu erreichen, ist nicht<br />
sicher, er beschreibt eine untere Grenze des möglichen<br />
Bedarfes an naturnahen Flächen im Schweizer Mittell<strong>and</strong>.<br />
Bei der Herleitung von Regeln für die räumliche Verteilung<br />
von ökologisch wertvollen Flächen stützten wir uns auf<br />
die Empfehlung VOn Broggi und Schlegel (1989), dass der<br />
Abst<strong>and</strong> zwischen einzelnen Hecken nicht mehr als 150 bis<br />
200 m betragen sollte. Diese Regel übertrugen wir in erster<br />
Näherung auf naturnahe Flächen im allgemeinen, d.h. wir<br />
arbeiteten mit einer weniger strikten Vorgabe.<br />
Der zeitliche Aspekt der verschiedenen Massnahmen<br />
wurde nicht berücksichtigt, da er für den spezifischen<br />
Zweck der Sollkarte nicht relevant war. Die ausgewählten<br />
Massnahmen und die zugrundeliegende Literatur sind in<br />
Tabelle 3.4 beschrieben.<br />
3.5.2 Ergebnis und Diskussion<br />
Ausgehend VOn der gegenwärtigen Verteilung der naturnahen<br />
Flächen in den beiden Transekten bestimmten wir unter<br />
Verwendung der oben beschriebenen Regeln Lage und Typ<br />
zusätzlicher naturnaher Flächen und visualisierten diese<br />
mittels des Geoinformationssystems ArcView®.<br />
Die Karten für die erarbeiteten Sollzustände der beiden<br />
Transekte sind in Anhang 1 dargestellt. Die Auswertung der<br />
erhaltenen Flächenanteile für die verschiedenen Zonen ergab<br />
folgendes Bild (vgl. Kap. 2.2 für den Istzust<strong>and</strong>):<br />
In der L<strong>and</strong>wirtschaftszone des SchweizerTransekts liegt<br />
der Anteil naturnaher Flächen insgesamt bei 8.3%, in der<br />
Talebene bei 6.4%. Im deutschen Untersuchungsgebiet wurde<br />
der Anteil in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone insgesamt auf<br />
16.5%, in der Talebene auf8.0% angehoben. In den Rebbaugebieten<br />
wurde der Anteil sowohl im deutschen als auch im<br />
schweizerischen Untersuchungsgebiet auf5.0% angehoben.<br />
Diese Massnahmen führen zu einem Gesamtergebnis von<br />
7.9% naturnaher Flächen im schweizerischen und 15.5% im<br />
deutschen Transekt.<br />
Wie sich in den Diskussionen mit L<strong>and</strong>wirten an der<br />
Bewertungsveranstaltung (vgl. Kapitel 4.6) zeigte, war die<br />
genaue Orientierung der Flächen häufig ungünstig, da viele<br />
quer zur Bewirtschaftungsrichtung der Felder lagen. Es<br />
stellt sich die Frage, in welchem Ausrnass die Orientierung<br />
der naturnahen Flächen ihren ökologischen Wert beeinflusst.<br />
Dass die Lage von Habitatflächen relativ zurZugrichtung<br />
VOn Zugvögeln für die Artenvielfalt und Siedlungsdichte<br />
bedeutsam ist, ist empirisch belegt (Gutzwiller &<br />
Anderson, 1992). Ob und in welchem Masse ähnliche Effekte<br />
bei ökologischen Ausgleichsflächen in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone<br />
auftreten, beispielsweise bezüglich der Orien-<br />
124<br />
UNS-Fallstudie '98
e<br />
zCIl<br />
-N Ut<br />
(1992), Bossert et al. (1996), al. (1985)<br />
Fortsetzung nächste Seite<br />
Tab. 3.3: Die drei Massnahmentypen «Bachrenaturierung», «Buntbrache» und «Kiesgrubenrenaturierung» in der Übersicht.<br />
Bachrenaturierung Buntbrache/Ackerr<strong>and</strong>streifen Kiesgrubenrenaturierung<br />
Ziel Der Seegraben soll durch bauliche Massnahmen Strukturarme Lebensräume, primär Ackerbau- Durch die Renaturierung einer erschöpften Kiesl<strong>and</strong>schaftlich<br />
und ökologisch aufgewertet gebiete, sollen durch Buntbrachestreifen von je 5 grube sollen Ersatzlebensräume für Pflanzen und<br />
werden. Der relativ gleichförmige Kanal wird x 200 m Fläche l<strong>and</strong>schaftlich und biologisch Tiere geschaffen werden, deren ursprüngliche<br />
stärker strukturiert und die Fischgängigkeit wird aufgewertet werden. Lebensräume in der heutigen Kulturl<strong>and</strong>schaft<br />
sichergestellt. Die Grasböschung soll durch eine<br />
verschwunden sind.<br />
st<strong>and</strong>ortgerechte Bepflanzung mit Gehölzen<br />
ersetzt werden.<br />
Durchführende CH CH CH<br />
Instanz .. Gemeinden Wilchingen und Osterfingen .. Grundeigentümer, Bewirtschafter .. Kiesunternehmer (Gestaltung)<br />
.. Tiefbauamt Schaffhausen .. finanziert durch ökolog. Direktzahlungen .. Gemeinde Wilchingen, kantonale<br />
.. Planungs- und Naturschutzamt nach LWG Art. 31 b unter Mithilfe der Naturschutzbehörde oder Private (Pflege)<br />
Schaffhausen Gemeinde (Jagdpacht) und Privater D<br />
D D .. Kiesunternehmer (Gestaltung)<br />
.. Gemeinde Klettgau .. Grundeigentümer, Bewirtschafter .. Gemeinde Klettgau, Naturschutzbehörde<br />
Amt für Wasserbau .. gestützt auf MEKA (Marktentlastungs- und oder Private (Pflege)<br />
"<br />
Naturschutzbehörde<br />
Kulturl<strong>and</strong>schaftsausgleichsprogramm des<br />
..<br />
"<br />
L<strong>and</strong>es Baden-Württemberg)<br />
Flurbereinigungsbehörde<br />
Zeitlicher Aufw<strong>and</strong> 3 Monate baulicher Veränderungen Anlage (Pflügen, Eggen, Säen) und Pflege: 1 Monat baulicher Veränderungen<br />
ca. 11 h pro 10'000 m' und Jahr<br />
Pflegemassnahmen .. Erfolgskontrolle mit allfälligen .. Mähen der Hälfte der Fläche 1x pro Jahr Verhinderung einer allzu starken<br />
"<br />
Nachbesserungen (zw. März und September) Verbuschung (jährlich)<br />
.. Langfristig keine Pflege notwendig Einzelstockbekämpfung von<br />
"<br />
.. Schaffung vegetationsfreier Pionierflächen<br />
Problemunkräutern (Ackerkratzdistel)<br />
(alle paar Jahre)<br />
.. Verhinderung der Verl<strong>and</strong>ung von<br />
Flachwasserbereichen<br />
Ort der Durchführung CH Ackerbaugebiete, vor allem in der Klettgaurinne CH<br />
Seegraben in der Nähe von Wilchingen CH Kiesgrube in Wilchingen (ca. 60'000 m 2 )<br />
Streckenlänge: 670 m 71 '000 m 2 (= 71 Buntbrachestreifen a 5 x D<br />
0 200 m) Kiesgrube in Geisslingen (ca. 100'000 m 2 von<br />
Seegraben in der Nähe von Riedern 0 insgesamt 400'000 m')<br />
Streckenlänge: 700 m<br />
167'000 m' (= 167 Buntbrachestreifen a 5 x<br />
200 m)<br />
Folgen Die Massnahme stellt eine Erhöhung der l<strong>and</strong>- Die Massnahme stellt eine Aufwertung der Es entsteht ein vielfältiger Lebensraum für<br />
schaftlichen Attraktivität dar und ist ein wichtiges l<strong>and</strong>schaftlichen Attraktivität dar und ist ein gefährdete Tiere und Pflanzen. Wenn das Projekt<br />
Element der Vernetzung verschiedener Biotope. wichtiges Element der Vernetzung verschiedener nicht durchgeführt wird, muss der Kiesunter-<br />
Sie bietet Lebensraum für bedrohte Tierarten Biotope. Sie bietet Lebensraum für bedrohte nehmer mangels geeignetem Auffüllmaterial<br />
(Überwinterung, Fortpflanzungshabitat) und Tierarten (Überwinterung, Fortpflanzungshabitat) trotzdem eine Renaturierung vornehmen.<br />
fördert eine vielfältige Pflanzen- und Tierwelt. und fördert eine vielfältige Pflanzen- und Dadurch wäre die Pflege jedoch nicht gesichert,<br />
Tierwelt.<br />
und die Grube würde längerfristig zum grossen<br />
Teil verbuschen.<br />
Quellen AGW (1996), AGW (1997), Kiene (1996), LfU BLW (1997a); BLW (1997b); MLR (1995) Assmann (1990), Lenzin (1987), Kemmerling et<br />
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Fortsetzung nächste Seite<br />
Tab. 3.3: Fortsetzung<br />
Bachrenaturierung Buntbrache/Ackerr<strong>and</strong>streifen Kiesgrubenrenaturierung<br />
Biotopqualität Durch die Verbreiterung des Bachlaufes von 12 Die extensive Nutzung nimmt zu. 200'000 SFr. Die Fläche beträgt ca. 60 ha. Die Störungen<br />
auf 20 m werden die Störungseinflüsse (Stoff- werden eingesetzt als Ertragsausgleich (Ersatz durch allfällige Kiesgrubenbesucher sind gering.<br />
eintrag, grössere Entfernung zur Strasse) ver- Weizen durch Buntbrache). Dies ergibt eine Infolge der Vielfältigkeit der St<strong>and</strong>orte ist eine<br />
ringert, zudem werden 5360 m 2 Ackerl<strong>and</strong>/ Fläche von 71 '000 m' (entspricht 71 Buntbrache- bedeutende Artendiversität zu erwarten. Die<br />
Wiese in extensive Fläche umgew<strong>and</strong>elt. Durch streifen a 5 x 200 m). Die Anzahl/Stärke der Massnahme ist an diesem St<strong>and</strong>ort geeignet, da<br />
eine st<strong>and</strong>ortgerechte Uferbepflanzung und ein Störungen bleibt unverändert. Die Massnahme bereits heute schützenswerte Pflanzen und Tiere<br />
strukturiertes Bachbett wird die Biodiversität erhöht die Artenvielfalt. Der St<strong>and</strong>ort ist vorh<strong>and</strong>en sind. Das Gestaltungskonzept<br />
gefördert. geeignet. Die Strukturvielfalt nimmt zu. garantiert eine grosse Strukturvielfalt.<br />
Verbund Die engere Verzahnung zwischen Wasser und Buntbrachestreifen tragen zur Vernetzung des Die renaturierte Kiesgrube ist eine Insel in der<br />
L<strong>and</strong> fördert vor allem den kleinräumigen Lebensraums bei. Kulturl<strong>and</strong>schaft, da in der Umgebung keine<br />
Q)<br />
'50<br />
Verbund. Der grossräumige Verbundeffekt ist ähnlichen Lebensräume vorh<strong>and</strong>en sind.<br />
0 begrenzt, da der renaturierte Bachabschnitt in<br />
(5<br />
-"L<br />
der Länge (nur ein Teilabschnitt wird renaturiert)<br />
:0 isoliert ist. Da der Bach nur durch eine schmale<br />
Wiese vom Waldr<strong>and</strong> getrennt ist, sollte der<br />
Zugang für Tiere zumindest einseitig<br />
gewährleistet sein.<br />
Langfristigkeit Da die Investitionskosten relativ hoch sind und Die natürliche Entwicklung ist nur beschränkt Die Qualität der Fläche ist langfristig (10 Jahre)<br />
die Entwicklung eines naturnahen Baches einige gewährleistet. Die naturnahe Fläche und gesichert.<br />
Jahrzehnte beansprucht, muss eine langfristige zugleich auch deren Pflege bleiben auf zehn<br />
Flächensicherung garantiert sein. Da sich das Jahre gesichert.<br />
System längerfristig selbst regulieren sollte, muss<br />
die Sicherung der Pflege nicht berücksichtigt<br />
werden.<br />
Synergien Durch die Verbreiterung des Bachbettes und die Die Buntbrache hat einen positiven Effekt auf Das Projekt hat keinen Einfluss auf <strong>and</strong>ere<br />
geringere Fliessgeschwindigkeit entsteht ein den Tourismus. Bereiche der Wirtschaft.<br />
leicht vergrössertes Wasserrückhaltevermögen.<br />
Dies wirkt sich positiv auf die Hochwassersicherheit<br />
aus. Die breitere Pufferzone zum Ackerl<strong>and</strong><br />
bzw. Wiesl<strong>and</strong> vermindert den Stoffeintrag<br />
(Dünger, Pflanzenschutzmittel ), was sich positiv<br />
auf die Wasserqualität auswirkt.<br />
Q) Allgemeine Die Projektkosten von 200'000 SFr. fliessen Die öffentliche H<strong>and</strong> zahlt an Okobeiträgen Die Pflege kann an die Gemeinde, an die<br />
'E Kosten/Nutzen grösstenteils dem lokalen Baugewerbe zu. Die 3'000 SFr. pro 10'000 m' und Jahr. Es werden kantonale Naturschutzbehörde oder an Private<br />
0<br />
c Kostenbeteiligung von Privatpersonen, Unter- keine zusätzlichen Arbeitsmöglichkeiten (z.B. Bauern) übergeben werden. Sponsoring ist<br />
0<br />
-"L<br />
nehmen oder Naturschutzorganisationen geschaffen. möglich.<br />
:Q könnte die Umsetzung des Projektes erleichtern.<br />
Individuelle Die angrenzenden L<strong>and</strong>eigentümer werden für Der Bewirtschafter erhält die Okobeiträge, muss Der Kiesunternehmer übernimmt die Endge-<br />
Kosten/Nutzen den L<strong>and</strong>bedarf entschädigt. seinerseits aber mit rund 600 SFr. Kosten für die staltung. Dafür kann auf die vollständige Auf-<br />
Bewirtschaftung rechnen (Saatgut, Maschinen, füllung und Rekultivierung verzichtet werden.<br />
Lohn etc.). Der Deckungsbeitrag (Erträge minus Daher entstehen dem Eigentümer keine Mehr-<br />
Kosten) beträgt 200'000 SFr.<br />
kosten. Nach der Endgestaltung tritt der Eigentümer<br />
das Grundstück an die Gemeinde, an die<br />
kantonale Naturschutzbehörde oder an Private<br />
ab, welche die Pflegekosten übernehmen.<br />
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Tab. 3.3: Fortsetzung<br />
Bachrenaturierung Buntbrache/Ackerr<strong>and</strong>streifen Kiesgrubenrenaturierung<br />
Erholungswert Der Bachlauf wird aufgeweitet und naturnäher Buntbrachen werten das L<strong>and</strong>schaftsbild auf. Die Die Massnahme ermöglicht eine zusätzliche, im<br />
gestaltet. Da sich der renaturierte Bachabschnitt Naturerfahrung durch Wahrnehmung von Klettgau natürlicherweise kaum vorh<strong>and</strong>ene<br />
nahe am Waldr<strong>and</strong> befindet, wird das gross- Düften und Farben und die Beobachtung von Naturerfahrung. Die Kiesgrube ist l<strong>and</strong>schaftsräumige<br />
L<strong>and</strong>schaftsbild nicht stark verändert. Pflanzen und Tieren ist beschränkt möglich, da fremd. In der renaturierten Grube können<br />
Eine gute Zugänglichkeit ist durch den angren- die Zugänglichkeit eingeschränkt ist. Amphibien, Reptilien und Vögel beobachtet<br />
zenden Weg gewährleistet und ermöglicht all-<br />
werden. Die Grube soll frei zugänglich gestaltet<br />
Qj<br />
fällige Naturbeobachtungen.<br />
werden, wobei die steilen Böschungen durch<br />
~<br />
Zäune gesichert werden.<br />
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:>
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
Abb. 3.1: Neu angelegte TÜmpel mit offenen Schotterflächen (0.1.). Endzust<strong>and</strong> einer renaturierten Grube mit TÜmpeln,<br />
BÖschung und offenen Flächen (o.r.).lntensiv<br />
(m.l.) und Buntbrache (mI.). Der lstzust<strong>and</strong> des Seegrabens:<br />
Zu steile BÖschung, ungenÜgende Beschattung (u.l.) kontrastiert mit dem Beispiel eines renaturierten Baches (u.r.).<br />
(Bildquellen: LU.: Foto R. Haupt 1998, S. 236), . Bilder Fallstudie.)<br />
128 UNS-Fallstudie '98
----- L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
Tab. 3.4: Massnahmen, die für die Erstellung des möglichen Sollszenarios verwendet wurden (nach Achermann et al., 1995;<br />
Amstutz et al., 1990; Bundesanstaltfür L<strong>and</strong>wirtschaft, 1997 und Kästli et al., 1998.<br />
Massnahme/Objekt Nutzen zu beachten literatur<br />
Buntbrache: mit Wild- I z.B. Nützlingsförderung, Förderung St<strong>and</strong>ortwahl wichtig; Kontinuität, Altieri (1995)<br />
kräutern angesäter, der Artenvielfalt, Entlastung der Mindestbreite, Schnittzeitpunkt Bundesamt für<br />
mehrjähriger Streifen Böden beachten; die Hälfte der Fläche L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
muss über das ganze jahr blühend/ (1997b)<br />
ungeschnitten sein<br />
Hecken z.B. Windschutz, Artenvielfalt, Ver- verschiedene Arten von einhei- Forman (1995)<br />
netzung von Gehölz- und Saum- mischen Sträuchern in st<strong>and</strong>ortbiotopen<br />
gerechten Kombinationen pflanzen<br />
Ackerschonstreifen, z.B. Nützlingsförderung, Vernet- unbeabsichtigte Dünger- und Altieri (1995)<br />
Ackerr<strong>and</strong>streifen : mit zung, Artenvielfalt Pestizideinträge (Wind, Abhang)<br />
Ackerkultur angesäter vermeiden; wenn möglich in<br />
oder angepflanzter grossen Feldern auch in der Mitte<br />
R<strong>and</strong>streifen, extensiv extensive Streifen anlegen<br />
bewirtschaftet.<br />
naturnahe Waldränder z.B. Artenvielfalt, Vernetzung mit Saumstrukturen auf der Kultur- Kaule (1991)<br />
unterschiedlicher Lebensräume, I fläche kombinieren<br />
Schutz des Waldklimas<br />
I<br />
I<br />
Pufferzone entlang von z.B. Gewässerschutz, Wiederher- Gehölze anpflanzen oder aufkom- Bundesamt für<br />
Fliessgewässern stellung von Auendynamik, Arten- men lassen, für Renaturierungen Umwelt, Wald<br />
vielfalt, Vernetzung, Stauraum für genügend Raum einsetzen (damit und L<strong>and</strong>schaft<br />
Hochwasser eine dynamische Entwicklung, evtl. (1995)<br />
Verlagerung des Gewässers möglich<br />
wird)<br />
Ruderalflächen, Stein- z.B. Artenvielfalt (besonders Le- nicht düngen, Pufferstreifen an le- Kaule (1991) I<br />
haufen, -wälle bensraum für Reptilien, Amphi- gen<br />
I<br />
bien, Kleinsäuger), Überwinte-<br />
I<br />
rungsmöglichkeiten für Insekten<br />
Einzelbäume und z.B. Vogelschutz, L<strong>and</strong>schaftsbild I jedicke (1990)<br />
-sträucher im Rebberg<br />
extensiv genutzte z.B. Artenvielfalt (z.B. spät im jahr i Düngereintrag von umliegenden Blab (1993)<br />
Wiesen und Weiden, blühende Pflanzen; Schmetter- I Feldern vermeiden, späten Schnitt-<br />
Magerwiesen linge, Heuschrecken und Laufkäfer, I zeitpunkt beachten<br />
Feldhasen), Bodenschutz, Grundwasserschutz<br />
I Ob,'",,,o<br />
z.B. Vogelschutz, L<strong>and</strong>schaftsbild<br />
I<br />
AG Natur und<br />
L<strong>and</strong>schaft<br />
(1995)<br />
I<br />
I<br />
,<br />
tierung der Flächen zur Sonneneinstrahlung und zur<br />
Hauptwindrichtung, bleibt zu überprüfen. Sollte die relative<br />
Ausrichtung der Buntbrachen ihren ökologischen Wert substantiell<br />
beeinflussen, müsste über Strategien nachgedacht<br />
werden, die das Konfliktpotential mit den betroffenen L<strong>and</strong>wirten<br />
verringern. Einstweilen scheint es sinnvoll, die Ausrichtung<br />
der Buntbrachen so zu wählen, dass sie den Wünschen<br />
der L<strong>and</strong>wirte entgegen kommt.<br />
3.6 Bewertung der Massnahmen<br />
Die Bewertungsmethode im<br />
Praxistest<br />
Die Bewertungsveranstaltung diente der Beantwortung der<br />
folgenden Fragen:<br />
Was ist die Rangfolge der Massnahmen? Was sind ihre<br />
Stärken und Schwächen? Wie werden die Kriterien zuein<strong>and</strong>er<br />
gewichtet? Werden die Kriterien als tauglich beurteilt?<br />
Gibt es in der Bewertung Unterschiede zwischen verschiedenen<br />
Interessengruppen? Wo verlaufen mögliche Konfliktlinien?<br />
Was ist das Potential der Bewertungsmethode, um<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
129
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
lokale Entscheidungen in der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung partizipativ<br />
vorzubereiten?<br />
3.6.1 Vorgehen<br />
Die Bewertungsveranstaltung f<strong>and</strong> in der Woche vom 15.<br />
bis 19. Juni 1998 im alten Rathaus in Weisweil statt. Etwa<br />
300 Personen aus dem Klettgau, die bereits mit der Fallstudie<br />
in Kontakt gekommen waren, schrieben wir direkt an,<br />
wobei wir um eine repräsentative Verteilung bezüglich Berufsgruppen,<br />
Geschlecht, Alter und Nationalität bemüht waren.<br />
Die Veranstaltung war zudem sowohl in einem Infoblatt<br />
der Fallstudie als auch in Inseraten in Klettgauer <strong>Region</strong>alzeitungen<br />
angekündigt worden. Es nahmen schliesslich<br />
insgesamt 44 Personen aus dem Klettgau und, zu einem<br />
späteren Termin, 14 Studierende und 5 Tutoren der<strong>ETH</strong> teil.<br />
Die Teilnehmenden wurden gebeten, sich eineroder mehreren<br />
Interessengruppen zuzuordnen. Diese waren L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
(L), Gewerbe (G), Naturschutz (N), Verwaltung<br />
(V), Anwohner (A) und Forschung (F). Die Berufe der<br />
Teilnehmenden, ihr Geschlecht, ihre Herkunft und ihre Interessengruppen<br />
sind in Tabelle 3.5 aufgeführt. Es fällt auf,<br />
dass die Verteilung bezüglich Geschlecht (12.5 % w) und<br />
Herkunft (26.6 % D) nicht repräsentativ war. Das Verhältnis<br />
von deutschen zu schweizerischen Einwohnern des Klettgaus<br />
beträgt etwa 49:51.<br />
Um herauszufinden, ob die Eignung der Massnahmen für<br />
den deutschen Klettgau <strong>and</strong>ers eingeschätzt wird als für den<br />
Schweizer Klettgau, wurde jedem Teilnehmer und jeder<br />
Teilnehmerin von uns eine bestimmte Klettgauseite zugewiesen.<br />
Diese Zuweisung war unabhängig von der Herkunft<br />
der Person. Die Beteiligten wurden anschliessend jeweils<br />
vordie folgende fiktive Situation gestellt: Es stehen SFr/DM<br />
200'000.- aus der öffentlichen H<strong>and</strong> für eine l<strong>and</strong>schaftsgestaltende<br />
Massnahme im schweizerischen bzw. deutschen<br />
Klettgau zur Verfügung. Die gesamte Summe muss für eine<br />
von drei Alternativen verwendet werden: Bachrenaturierung,<br />
Anlegen von Buntbrachen oder Kiesgrubenrenaturierung.<br />
Eine Aufteilung des Geldes aufmehrere Massnahmen<br />
ist nicht möglich. Die Teilnehmenden wurden nach der<br />
Vorstellung der Massnahmen gebeten, zunächst spontan<br />
eine Massnahme zu wählen. Danach waren alle Massnahmen<br />
anh<strong>and</strong> der von uns entworfenen neun Kriterien zu<br />
bewerten (vgl. Kap. 3.3). Dies geschah in zwei Schritten:<br />
Zuerst gewichtete jede Person für sich die Kriterien einmalig<br />
relativ zuein<strong>and</strong>er. Diese relative Gewichtung der Kriterien<br />
wurde anschliessend für alle drei Massnahmen verwendet.<br />
Im zweiten Schritt wurden die Massnahmen jeweils<br />
einzeln hinsichtlich der verschiedenen Kriterien eingeschätzt.<br />
Die drei Massnahmen wurden in st<strong>and</strong>ardisierter Form<br />
vorgestellt, um den Einfluss der Darstellung aufdie Beurteilung<br />
zu minimieren. Jede Massnahme wurde aufeiner SteIlw<strong>and</strong><br />
dargestellt und in einem aufTonb<strong>and</strong> aufgezeichneten<br />
Text beschrieben.<br />
Um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie sich die drei<br />
Massnahmen jeweils aufden Raum auswirken und welchen<br />
Beitrag sie zu einem möglichen Sollzust<strong>and</strong> leisten würden,<br />
wurden sie auf Karten der beiden Transekte im deutschen<br />
und Schweizer Klettgau präsentiert (vgl. Anhang 6.3). Die<br />
Tab. 3.5: Berufe, Geschlecht, Herkunft und Interessengruppen<br />
der Teilnehmenden an der Bewertungsveranstaltungfür<br />
l<strong>and</strong>schaftsgestaltende Massnahmen. Die Interessengruppen<br />
wurden mitfolgenden Kürzlen bezeichnet: L = L<strong>and</strong>wirtschaft;<br />
G = Gewerbe; N = Naturschutz; V = Verwaltung; A<br />
= Anwohner; F = Forschung.<br />
Beruf<br />
I<br />
Geschlecht I Herkunft Interessenm<br />
w D eH gruppe<br />
Bankleiter 1 1 V<br />
Beamter 1 1 N<br />
Briefträger 1 1 A,N<br />
Förster 2 1 1 2 N, sonst.<br />
Ingenieur 4 3 1 A, G, L, 2<br />
sonst., 2 V<br />
Inspektor 1 1 V<br />
Kaufmann 2 2 A, N,<br />
sonst.<br />
Konditor 1 1 G<br />
L<strong>and</strong>wirt 8 1 7 I A, G, 8 L,<br />
2N<br />
Lehrer/Lehrerin , 6 1 4 3 3 A, F, 6<br />
N, sonst.<br />
Metzger 1 1 N<br />
Naturwissen- 2 1 1 2 A, F, 3 N<br />
schaftier<br />
Pensionär 1 1 L, V<br />
Planer 3 1 2 2 sonst., V<br />
Praktikantin 1 1 L, N<br />
Raumplaner 1 1 A,N<br />
Redaktor 1 1 A,G,N<br />
Student/Studentin 11 3 3 11 11 F,2 N,<br />
3 sonst.<br />
Tierärztin 1 1 N<br />
Tutor/Tutorin 4 1 5 5 F, G, 2 N<br />
Unternehmer 1 1 G<br />
Verwaltungs- 2 1 1 A,2 V<br />
beamter<br />
Winzer 1 1 L<br />
Total 55 8 17 46<br />
130<br />
UNS-Fallstudie '98
______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
Karten im Massstab 1:5'000 zeigten sowohl die gegenwärtige<br />
Verteilung naturnaher Flächen als auch das Sollszenario,<br />
das wir in Anlehnung an bestehende Forderungen aus<br />
der naturschutzfachlichen Diskussion entworfen hatten<br />
(vgl. Kap. 3.5).<br />
Da die Präsentationsreihenfolge das individuelle Entscheidungsverhalten<br />
beeinflussen kann, wurde die Reihenfolge<br />
der Präsentation jeden Tag geändert. Dadurch wurde<br />
die mögliche Beeinflussung des Gesamtergebnisses durch<br />
diesen Effekt vermindert.<br />
Die Einführung und Vorstellung der Massnahmen dauerten<br />
etwa 20 bis 40 Minuten, das Ausfüllen der Fragebögen<br />
etwa eine Stunde.<br />
3.6.2 Ergebnisse und Diskussion<br />
Gruppenunterschiede<br />
Wir f<strong>and</strong>en keine statistisch signifikanten Unterschiede in<br />
der Gewichtung der Kriterien oder der Bewertung der Massnahmen<br />
zwischen den verschiedenen Interessen- und Berufsgruppen<br />
oder zwischen den Geschlechtern. Es gibt jedoch<br />
eine statistisch signifikante Wechselwirkung zwischen<br />
Herkunft der Personen und Massnahmenbewertung (Varianzanalyse<br />
mit Messwiederholung; pww=O.03, dF=2,<br />
F=3.6): Schweizer Staatsangehörige bewerten die Anlage<br />
von Buntbrachen höher als die Deutschen (t-Test; p = 0.02,<br />
dF = 43, t = 2.4).<br />
Massnahmen<br />
Die Rangfolge der Massnahmen ist: (1) Bachrenaturierung,<br />
(2) Anlage von Buntbrachen und (3) Kiesgrubenrenaturierung<br />
(Abbildung 3.2). Die Rangmittelwerte der drei Massnahmen<br />
sind signifikant unterschiedlich (Friedman-Test;<br />
p < 0.001, dF = 2, X 2 = 16.0). Die spontane und die<br />
multikriterielle Bewertung lieferten die gleiche Rangfolge<br />
der Massnahmen. In der multikriteriellen Bewertung vergrössert<br />
sich der Abst<strong>and</strong> zwischen den Häufigkeiten, mit<br />
denen die einzelnen Massnahmen die erste Priorität erhielten,<br />
aber nicht signifikant (X 2 -Test in Kontingenztafel;<br />
p > 0.2, dF = 2, X 2 =3.15). Auch auf individueller Ebene<br />
war die Übereinstimmung von spontaner und multikriterieller<br />
Bewertung hoch: In 30 von 44 Fällen (68.2%) entsprach<br />
die intuitiv gewählte Massnahme derjenigen mit der höchsten<br />
Priorität in der multikriteriellen Bewertung.<br />
Die Stärken und Schwächen der Massnahmen aus Sicht<br />
der an der Bewertungsverantstaltung Teilnehmenden sind in<br />
Tabelle 3.6 gegeben.<br />
Die Zufriedenheit mit den Massnahmen war recht hoch,<br />
doch gaben immerhin 20% der Teilnehmenden an, dass<br />
<strong>and</strong>ere Massnahmen besser gewesen wären. Die Vorschläge<br />
für weitere Massnahmen sind in Abbildung 3.4 zusammengefasst.<br />
Kriterien<br />
Die Gewichtung der Kriterien ist signifikant unterschiedlich<br />
(Varianzanalyse mit Messwiederholung; p < 0.0001, dF = 8,<br />
F = 13.3) (Abbildung 3.5). Die Gewichte der einzelnen<br />
Kriterien sind in Tab. 10 angegeben.<br />
Die ökologischen Kriterien wurden insgesamt höher gewichtet<br />
als die ökonomischen oder sozial-kulturellen Kriterien.<br />
Es ist möglich, dass die Teilnehmenden - bewusst oder<br />
unbewusst - zunächst die verschiedenen Übergruppen gewichteten<br />
und dann innerhalb dieser Gruppen die Gewichte<br />
verteilten.<br />
Es fällt auf, dass es keine Kriterien gibt, die sehrviel höher<br />
oder sehr viel geringer gewichtet wurden als <strong>and</strong>ere, auch<br />
wenn das Kriterium mit dem höchsten Gewicht (15), Langfristigkeit,<br />
fast doppelt so viel zählt wie das Kriterium mit<br />
dem geringsten Gewicht (8), Synergien. Dies legt nahe, dass<br />
die ausgewählten Kriterien alle relevant waren. Die Zufriedenheit<br />
mit den Kriterien stützt diese Aussage: 82% der<br />
Abb. 3.2: Während der Bewertungsveranstaltung<br />
entwickelten<br />
sich spannende<br />
Diskussionen über die zukünftige<br />
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
im Klettgau.<br />
UNS-Fallstudie '98 131
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
t::<br />
(1)<br />
2.6<br />
2.4<br />
2.2<br />
3:<br />
~ 2.0<br />
'E<br />
Cl<br />
e<br />
co<br />
0:<br />
1.8<br />
1.6<br />
1.4<br />
2<br />
Buntbrache<br />
Abb. 3.3: Rangreihenfolge der drei Massnahmen «Bachrenaturierung»,<br />
«Buntbrache» und «Kiesgrubenrenaturierung»<br />
in der multikriteriellen Bewertung der lokalen Bevölkerung<br />
(n = 44). Dargestellt sind die Mittelwerte und St<strong>and</strong>ardabweichungen.<br />
Erweiterung, Neuanlage und Aufwertung von Streuobstwiesen<br />
Anlage von Hecken<br />
Anlage und Vergrösserung von Feldgehölzinseln<br />
Anlage von Feuchtbiotopen<br />
Aufwertung von Waldrändern<br />
- Anlage von Sukzessionsflächen<br />
Erhöhung des Flächenanteils extensiv genutzter<br />
Wiesen<br />
- naturnahe Gestaltung von Industriezonen<br />
Abb. 3.4: Vorschläge der Teilnehmenden an der Bewertungsveranstaltung<br />
fiir weitere l<strong>and</strong>schaftsgestaltende Massnahmen.<br />
Teilnehmenden gaben an, dass <strong>and</strong>ere Kriterien nicht besser<br />
gewesen wären. Bei vorgegebenen Kriterien stellt sich jedoch<br />
grundsätzlich das Problem, dass die Gewichtung der<br />
Kriterien von der Annahme der Bewertenden beeinflusst<br />
sein kann, alle Kriterien seien bedeutsam - sonst wären sie<br />
nicht ausgewählt worden.<br />
Bachrenaturierung<br />
Kiesgrubenrenaturierung<br />
25.-----------------,.-<br />
20<br />
5<br />
0<br />
-0 e ce<br />
~ -<br />
e= t:: e Cl<br />
e '(jj (1) (1)'- (1)(1) (1) 0 e<br />
:::l .::,(.<br />
N(1)<br />
.~ N:::l<br />
3: :::l<br />
ca .0 Cl -E --0 ~<br />
:::l<br />
g<br />
(1) :::l(1) :::l.- (J)<br />
0- ~<br />
~<br />
~<br />
e E.Q1 Z.::: Cl<br />
'(jj<br />
0.. 'C ;>, e- ---0 e<br />
0 Ce :::l<br />
cn Cf) (1) co (1).-<br />
E Qi<br />
a (1)<br />
Ö e CO<br />
U5 U5 .c 32<br />
CO<br />
co<br />
....J<br />
0 0<br />
UJ<br />
~ ~<br />
Abb. 3.5: Die Gewichtung der neun Kriterien durch die<br />
lokale Bevölkerung. Dargestelltsinddie Gewichtungsmittelwerte<br />
und die St<strong>and</strong>ardabweichungen.<br />
Wie robust die relative Gewichtung der Kriterien ist, ist<br />
schwierig abzuschätzen. Wichtige Faktoren, welche die Gewichtung<br />
der Kriterien beeinflusst haben können, sind:<br />
1. die Zusammensetzung der Gruppe der Teilnehmenden.<br />
Es ist möglich, dass Personen, die freiwillig zu einer<br />
Bewertungsveranstaltung einer Fallstudie von Umweltnaturwissenschaftern<br />
gehen, die Kriterien signifikant <strong>and</strong>ers<br />
gewichten, als es die Gesamtbevölkerung täte. Diese<br />
Vermutung wird durch die Höhergewichtung ökologischer<br />
Kriterien gegenüber wirtschaftlichen Kriterien nahegelegt.<br />
2. die für die Veranstalter vermutete Einstellung - würden<br />
dieselben Leute die Kriterien gleich gewichten, wenn<br />
nicht Studierende der Umweltnaturwissenschaften, sondern<br />
der Ökonomie die Veranstaltung durchgeführt hätten?<br />
3. der Planspielcharakter der Bewertungsveranstaltung <br />
würden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Kriterien<br />
<strong>and</strong>ers gewichten oder die Massnahmen <strong>and</strong>ers einschätzen,<br />
wenn von ihrer Entscheidung direkt abhinge,<br />
welche Massnahme tatsächlich umgesetzt wird?<br />
Tab. 3.6: Stärken und Schwächen der Massnahmen aus Sicht der an der Bewertungsveranstaltung Teilnehmenden.<br />
Massnahme<br />
Bachrenaturierung<br />
Stärken<br />
langfristig, Synergieeffekt, hoher ökonomischer Allgemeinnutzen<br />
(Hochwassersicherheit), hoher Erholungswert,<br />
Akzeptanz<br />
I Schwächen<br />
Buntbrache Verbundeffekt, persönlicher ökonomischer Nutzen wenig langfristig<br />
I (Ausgleichszahlungen)<br />
Kiesgrubenrenaturierung schlechter Verbund, wenige i<br />
Synergien, geringe Identifi- I Ii<br />
kation<br />
I<br />
132 UNS-Fallstudie '98
______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
Ein zentrales Problem des verwendeten Ansatzes besteht<br />
darin, dass die relative Gewichtung der Kriterien als konstant<br />
angenommen wird. Im allgemeinen Fall wird es so<br />
sein, dass auch die relative Bedeutung eines Kriteriums<br />
sowohl von seiner Ausprägung als auch der Ausprägung der<br />
<strong>and</strong>eren Kriterien in dem betrachteten Fall abhängt. Diese<br />
nichtlinearen Abhängigkeiten sind im Prinzip erfassbar; die<br />
Erfassung erfordert jedoch einen wesentlich grösseren Aufw<strong>and</strong>.<br />
Mutuallearning und Praxistauglichkeit<br />
Von seiten der Studierenden wurde die Bewertungsveranstaltung<br />
als lohnende und bereichernde Erfahrung eingestuft.<br />
Die Zufriedenheit der Teilnehmenden mit der Bewertungsveranstaltung<br />
war ebenfalls hoch. Eine Person gab<br />
jedoch auf dem Evaluationsbogen an, dass sie nicht zufrieden<br />
sei und mehr erwartet hätte.<br />
Im Hinblick aufden Einbezug des Wissens und der Erfahrungen<br />
der lokalen Bevölkerung ist festzuhalten, dass eine<br />
Reihe von wertvollen Vorschlägen für weitere Massnahmen<br />
gemacht wurden. Während der Vorstellung der Massnahmen<br />
und im Anschluss an die Bewertung entwickelten sich<br />
häufig fruchtbare Diskussionen. Es zeigte sich aber auch,<br />
dass der von uns verfolgte Ansatz an Grenzen stösst: In dem<br />
engen Zeitrahmen von etwas mehr als einer Stunde, der zu<br />
einem wesentlichen Teil mit der Vermittlung von Informationen<br />
und recht abstrakten Konzepten ausgefüllt ist, lässt<br />
sich die Fülle der vorh<strong>and</strong>enen Erfahrungen und Ideen der<br />
lokalen Bevölkerung vermutlich kaum in eine Verbesserung<br />
vorh<strong>and</strong>ener oder gar die Erarbeitung von neuen Alternativen<br />
umsetzen.<br />
Der Test auf das Potential des hier vorgestellten multikriteriellen<br />
Verfahrens als partizipatives Instrument zur Vorbereitung<br />
lokaler Entscheidungen in der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
steht noch aus - dazu wird eine Anwendung in einer<br />
realen Entscheidungssituation notwendig sein.<br />
der teilnehmenden Personen und vor allem von der Kriterienwahl<br />
ab - nur wenn das Merkmal der Massnahmen, an<br />
dem sich die Geister scheiden, berücksichtigt wird, kann ein<br />
möglicher Konflikt erkannt werden. Wir gehen davon aus,<br />
dass die Kriterien in ihrer jetzigen Form die kritischen<br />
Merkmale der Massnahmen erfassen und die Abwesenheit<br />
von Gruppenunterschieden in diesem Fall darauf zurückzuführen<br />
ist, dass die Bachrenaturierung von der Bevölkerung<br />
im allgemeinen tatsächlich als die beste Variante angesehen<br />
wird. Ob die Bachrenaturierung umzusetzen ist, hängt ganz<br />
entscheidend von den Vorstellungen der betroffenen L<strong>and</strong>eigentümer<br />
ab. Da sie eine dauerhafte Nutzungsänderung<br />
bedeutet, ist vermutlich mit Widerständen zu rechnen.<br />
Ein wichtiges Ergebnis der Bewertungsveranstaltung ist<br />
die Liste weiterer möglicher Massnahmen. Diese zeigt, dass<br />
die Methode zumindest teilweise das Ziel erreichen kann,<br />
lokales Wissen für die integrierte L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
fruchtbar zu machen. Das Potential der Methode als partizipatives<br />
Instrument zur Vorbereitung konkreter lokaler Entscheidungen<br />
in der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung schätzen wir insgesamt<br />
als hoch ein - die Umsetzung in einer realen Entscheidungssituation<br />
muss dies allerdings noch bestätigen.<br />
3.7 Zusammenfassung der<br />
Bewertungsergebnisse<br />
Die Bachrenaturierung wird insgesamt eindeutig gegenüber<br />
den beiden Alternativen - Anlegen von Buntbrachen und<br />
Kiesgrubenrenaturierung - bevorzugt. Dieses Ergebnis ist<br />
unabhängig von Beruf, Interessengruppe, Geschlecht und<br />
Herkunft der Befragten und gilt sowohl für den deutschen<br />
als auch für den Schweizer Klettgau. Die Stärken der Bachrenaturierung<br />
sind insbesondere ihre Langfristigkeit, ihr<br />
grosser ökonomischer Allgemeinnutzen, der hohe Erholungswert<br />
und die grosse Akzeptanz in der Bevölkerung.<br />
DerZeitbedarffür die Bewertung liegt mit einer Stunde an<br />
der oberen Grenze, wenn viele Personen mit einbezogen<br />
werden sollen. Die Kriterien werden als geeignet beurteilt,<br />
und die Übereinstimmung zwischen spontaner und multikriterieller<br />
Bewertung ist hoch, d.h. die Kriterien bilden vermutlich<br />
aus Sicht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die<br />
relevanten Wertdimensionen der Massnahmen ab. Das Potential<br />
der Methode, Interessenkonflikte zu erkennen, hängt<br />
unter <strong>and</strong>erem von der Heterogenität der Werthaltungen<br />
innerhalb der betrachteten Interessengruppen, von der Zahl<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
133
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
4 Ein regionales Kontaktnetz zur<br />
grenzüberschreitenden Koordination<br />
l<strong>and</strong>schaftsgestaltender<br />
Projekte im Klettgau<br />
4. 1 Die Notwendigkeit einer<br />
Koordination<br />
Der Klettgau besitzt eine Fülle von L<strong>and</strong>schaftselementen<br />
und ökologischen Funktionen, deren Erhaltung eine wichtige<br />
Aufgabe für die Zukunft ist. Es gibt bereits eine Reihe<br />
von Behörden, Interessenverbänden und Einzelpersonen,<br />
die sich diesem Ziel verpflichtet sehen. Beim Planen und<br />
Durchführen konkreter Projekte für die umweltgerechte<br />
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung ergeben sich jedoch häufig Probleme:<br />
Zum einen mangelt es an Ressourcen, sowohl in personeller<br />
als auch in finanzieller Hinsicht. Zum <strong>and</strong>eren fallen<br />
die Grenzen wertvoller L<strong>and</strong>schaftselemente nicht mit den<br />
kommunalen oder nationalen Grenzen zusammen. In der<br />
Folge können sich durch eine Gemeindegrenze z. B. die<br />
Finanzierungsmöglichkeiten oder aber durch die Grenze<br />
zwischen der Schweiz und Deutschl<strong>and</strong> die Rechtsgrundlagen<br />
im L<strong>and</strong>schaftsschutz wesentlich verändern. Durch die<br />
grenzüberschreitende Lage ergeben sich zudem häufig Probleme<br />
hinsichtlich der Frage, wer bei der Umsetzung welche<br />
Kompetenzen hat. Eine mögliche Lösung bietet eine grenzüberschreitende<br />
Koordination l<strong>and</strong>schaftsgestaltender Projekte<br />
im Klettgau und dazu der Aufbau eines regionalen<br />
Kontaktnetzes. So können der Klettgau auch vermehrt als<br />
Gesamtheit wahrgenommen und Projekte auch unter diesem<br />
Gesichtspunkt realisiert werden. Wichtig ist, dass sich die<br />
verschiedenen Interessengruppen (Behörden, nicht-behördliche<br />
Organisationen und Privatpersonen) gemeinsam an<br />
einen Tisch setzen. Ein Kontaktnetz im Umweltbereich<br />
kann Überschneidungen von Aktivitäten reduzieren. Damit<br />
lassen sich einerseits Kraft und Geld sparen, <strong>and</strong>ererseits<br />
wird der Erfahrungsaustausch gefördert und der Zusammenhalt<br />
innerhalb des Klettgaus verstärkt werden.<br />
Als Arbeitsmittel kann ein Grundlagenordner dienen, der<br />
durchgeführte und geplante l<strong>and</strong>schaftsgestaltenden Projekte<br />
beschreibt und Möglichkeiten der Umsetzung aufzeigt<br />
(Abbildung 4.1).<br />
4.2 Aufbau des Kontaktnetzes<br />
In einer telefonischen Umfrage bei Personen, die privat oder<br />
geschäftlich an naturraumrelevanten Projekten im Klettgau<br />
beteiligt sind, erkundigten wir uns nach den Bedürfnissen<br />
im Bereich des Umweltschutzes, mit folgendem Ergebnis:<br />
- Eine koordinierende Gruppe wird im Klettgau als willkommen<br />
und nötig erachtet.<br />
- Wichtig ist der Einbezug beider Länder in Entscheidungsprozesse<br />
bezüglich grösserer Projekte im Umweltbereich.<br />
Für das praktische Ausarbeiten umweltrelevanterProjekte<br />
sind bestehende kommunale und kantonale Gruppie-<br />
Abb. 4.1: Der Grundlagenordner ist eines der praktischen<br />
Ergebnisse der UNS Fallstudie 1998. Er dient als ArbeitsmittelfÜr<br />
naturraumrelevante Projekte in der <strong>Region</strong> Klettgau.<br />
rungen besser geeignet, da sie über bereits bestehende<br />
Strukturen verfügen.<br />
Ein schriftliches Arbeitsmittel im Stil eines Grundlagenordners<br />
sei nur schwer auf dem neuesten St<strong>and</strong> zu<br />
halten, wird jedoch prinzipiell befürwortet<br />
Der nächste Schritt best<strong>and</strong> in der personellen Zusammenstellung<br />
eines Kontaktnetzes. Dabei galt es alle Interessengruppen<br />
einzubeziehen, die an der Realisierung eines Projektes<br />
beteiligt sein können. Wie oben erwähnt, h<strong>and</strong>elt es<br />
sich dabei sowohl um Personen im Öffentlichen Dienst als<br />
auch um Vertreterinnen und Vertreter von nicht-behördlichen<br />
Organisationen und um betroffene Private. Daneben<br />
war es jedoch auch wichtig, eine Balance zwischen Vertretern<br />
des deutschen und des Schweizer Teils des Klettgaus zu<br />
finden.<br />
Es war von Anfang an klar, dass mit dem Kontaktnetz kein<br />
neuer Verein gegründet werden sollte, sondern ein Organ,<br />
das bestehende Strukturen und Aktivitäten in der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
koordiniert. Im Rahmen einer ersten Zusammenkunft<br />
interessierter Personen entschied man sich<br />
entsprechend für lockere, bedürfnisorientierte Treffen (ein<br />
bis drei mal pro Jahr) anstelle von regelmässigen, monatlichen<br />
Treffen. Dies hat den Vorteil, dass so ein grösserer Teil<br />
der Bevölkerung mitmachen kann, weil der Zeitaufw<strong>and</strong><br />
geringer ist.<br />
134<br />
UNS-Fallstudie '98
______________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
4.3 Der Grundlagenordner <br />
Arbeitsmittel für naturraumrelevante<br />
Projekte im Klettgau<br />
Um eine Koordination von Projekten durchführen zu können,<br />
bedarf es eines zentralen Büros als Schaltstelle oder<br />
eines umfassenden Arbeitsmittels. Wir entschieden uns bei<br />
der Abklärung aus folgenden Gründen für einen Grundlagenordner<br />
und gegen eine zentrale Stelle:<br />
Ein schriftliches Arbeitsmittel ist wesentlich flexibler in<br />
der H<strong>and</strong>habung. Ziel ist es, dass jede interessierte Person<br />
und Institution im Klettgau im Besitz eines aktuellen<br />
Grundlagenordners ist.<br />
Ein Arbeitsmittel, das an eine relativ grosse Zahl von<br />
Personen abgegeben wird, ist weniger stark von einer<br />
Person abhängig.<br />
Der Grundlagenordner fördert eine unabhängige Arbeitsweise.<br />
Es ist sehr aufwendig, einen zentralen Ort für die Koordination<br />
zu besetzen.<br />
4.4 Umsetzung<br />
DerGrundlagenordner wurde nach Abschluss der Fallstudie<br />
im Rahmen einer Semesterarbeit an der <strong>ETH</strong> fertiggestellt<br />
(Fendt & Schaffhauser, 1998). Dabei wurde den Rechtsgrundlagen<br />
besondere Beachtung geschenkt. Anschliessend<br />
wurde er gemäss dem beschriebenen Verteiler weitergeleitet.<br />
Der Zeitpunkt für die erste Aktualisierung st<strong>and</strong> zur Zeit<br />
der Redaktionsarbeiten noch nicht fest.<br />
Das Ziel, ein regionales Kontaktnetz aufzubauen, ist<br />
hochgesteckt und die Umsetzung wird nur durch das Engagement<br />
aller seiner Mitglieder erreicht werden können. In<br />
der ersten Gesamtsitzung wurden diese Probleme erkannt<br />
und intensiv diskutiert. Ob eine solche Gruppe den «Test der<br />
Zeit» bestehen wird, vermag im Moment niem<strong>and</strong> zu beantworten.<br />
Von seiten der Studierenden wurde der erste Schritt<br />
als konstruktiv empfunden.<br />
Ziel des Ordners ist es, eine umfassende Einsicht in die<br />
Grundzüge von umweltrelevanten Projekten zu ermöglichen.<br />
Der Ordner enthält neben Finanzierungsmöglichkeiten<br />
und Rechtsgrundlagen auch eine Adressammlung und<br />
eine Auflistung von gegenwärtig bestehenden und geplanten<br />
Projekten. Entscheidend für die Bekanntheit eines<br />
Schriftstücks ist die Auswahl der Adressaten. So soll der<br />
Grundlagenordner in allen aktiven Organisationen breit abgestützt<br />
sein, zuden sollen einige Exemplare für die gesamte<br />
Bevölkerung aufden Gemeinden öffentlich zugänglich sein.<br />
Es ist wünschenswert, den Grundlagenordner in einer breiten<br />
Bevölkerungsschicht via Medien bekanntzumachen.<br />
Aufgrund dieser Überlegungen arbeiteten wir folgenden<br />
provisorischen Verteiler aus:<br />
je ein Exemplar an alle Mitglieder des Kontaktnetzes;<br />
je ein Exemplar für alle Gemeinden des Klettgaus, öffentlich<br />
zugänglich;<br />
- je ein Exemplar an die Behörden des L<strong>and</strong>es Baden<br />
Württemberg und des Kantons Schaffhausen im Bereich<br />
des Natur- und L<strong>and</strong>schaftsschutzes;<br />
jeein Exemplar an nicht-behördliche Gruppierungen und<br />
Einzelpersonen, die im Klettgau aktiv ein Projekt betreuen<br />
oder planen;<br />
- diverse Exemplare für involvierte Personen an der <strong>ETH</strong>.<br />
Dies ergibt insgesamt eine Auflage von etwa70 Exemplaren.<br />
Die Kosten für die Fertigstellung des Grundlagenordners<br />
wurden aus dem Etat der Fallstudie, der zu Teilen aus<br />
der <strong>Region</strong> finanziert wurde, beglichen. Für die Folgekosten<br />
stehen noch verschiedene Szenarien zur Diskussion. Möglich<br />
ist, dass die Aktualisierung von je einer Gemeinde auf<br />
deutscher wie auf Schweizer Seite getragen wird oder aber<br />
dass eine koordinierende Behörde diese Aufgabe und die<br />
Finanzierung übernimmt.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
135
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
5 Schlussfolgerungen<br />
Ausblick: Schritte zu pUl/pr<br />
integrativen L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
Klettgau<br />
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />
Das relativ trockene und warme Klima des Klettgaus bietet<br />
günstige Lebensbedingungen für viele, zum Teil seltene,<br />
Tier- und Pflanzenarten. Aber auch im Klettgau hat die<br />
Intensivierung der L<strong>and</strong>nutzung dazu geführt, dass die Lebensgrundlage<br />
für viele Tierarten schmaler geworden ist.<br />
Die Daten zweier Transekte von je 400 m Breite im schweizerischen<br />
und deutschen Klettgau verdeutlichen dies (siehe<br />
Kapitel 2.2). Flora und Fauna haben auf diese Situation<br />
reagiert: Der Hase ist in die Rebberge ausgewichen, wo er<br />
von der seit einigen Jahren geförderten Begrünung profitiert.<br />
Das Rebhuhn verschw<strong>and</strong> 1993 aus dem Klettgau, und<br />
es ist noch offen, ob der Aussetzungsversuch von 1998<br />
erfolgreich sein wird. Die Populationsgrösse vieler Reptilienarten<br />
wird durch den Mangel an geeigneten Habitatstrukturen<br />
begrenzt. Im Naturschutzkonzept des Kantons Schaffhausen<br />
wird der Klettgau, abgesehen von Teilgebieten in<br />
Seitentälern, als Gebiet mit den grössten ökologischen Defiziten<br />
ausgewiesen.<br />
Der Klettgau ist eine l<strong>and</strong>schaftlich schöne <strong>Region</strong> mit<br />
reizvollen L<strong>and</strong>schaftsabschnitten. In einer Erhebung der<br />
Erlebnisqualität beurteilten Studierende das L<strong>and</strong>schaftsbild<br />
in der Talebene jedoch als beeinträchtigt. Es fehlen<br />
markante Elemente, die Strukturierung der L<strong>and</strong>schaft wirkt<br />
starr und langweilig. Die Klettgauerinnen und Klettgauer<br />
bewerten eine Agrarl<strong>and</strong>schaft mit Buntbrachen als signifikant<br />
schöner und vielfältiger als eine L<strong>and</strong>schaft ohne Buntbrachen,<br />
wie in der UNS Fallstudie 1997 eine Umfrage bei<br />
118 Personen gezeigt hat. In einer weiteren Befragung mit<br />
zehn Vertretern der lokalen Bevölkerung zur L<strong>and</strong>schaftswahrnehmung<br />
zeigte sich, dass der Charakter des Klettgaus<br />
als l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutzte Kulturl<strong>and</strong>schaft für diese<br />
Vertreter eine hohe Bedeutung hat.<br />
In der gegenwärtigen Situation besteht im Klettgau bedeutendes<br />
Potential, die L<strong>and</strong>schaft ökologisch aufzuwerten<br />
und gleichzeitig ihre Erlebnisqualität zu erhöhen. Damit<br />
entsprechende Massnahmen aber erfolgreich sind, müssen<br />
bei ihrer Planungen die Vorstellungen der betroffenen Bevölkerung<br />
möglichst frühzeitig mit einbezogen werden.<br />
Im Rahmen einer multikriteriellen Bewertung wurden 44<br />
Klettgauer Bürgerinnen und Bürgern drei l<strong>and</strong>schaftsgestaltende<br />
Massnahmentypen zur Auswahl vorgelegt. Dabei<br />
wurde die Bachrenaturierung insgesamt eindeutig gegenüber<br />
den beiden <strong>and</strong>eren Alternativen - Kiesgrubenrenaturierung<br />
und Anlage von Buntbrachen - bevorzugt. Dieses<br />
Ergebnis ist unabhängig von Beruf, Interessengruppe, Geschlecht<br />
oder Herkunft der Befragten und gilt sowohl für<br />
den deutschen wie für den Schweizer Klettgau. Als Stärken<br />
der Bachrenaturierung werden insbesondere ihre Langfristigkeit,<br />
ein grosser ökonomischer Allgemeinnutzen, ein<br />
hoher Erholungswert und die grosse Akzeptanz in der Bevölkerung<br />
angesehen. Von seiten der Teilnehmenden wurde<br />
eine Reihe weiterer attraktiver l<strong>and</strong>schaftsgestaltender<br />
Massnahmen vorgeschlagen. Auch wenn sich multikriterielle<br />
Bewertungen zum Entwickeln und Auswählen von<br />
Vorschlägen zur L<strong>and</strong>schaftsaufwertung erst in realen Entscheidungssituationen<br />
bewähren müssen, glauben wir, dass<br />
die verwendete Methode ein nützliches Instrument für die<br />
partizipative Vorbereitung lokaler Entscheidungen in der<br />
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung darstellt.<br />
In einer Umfrage bei Personen, die aktiv im Bereich der<br />
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung im Klettgau arbeiten, wurde eine koordinierende<br />
Gruppe im Klettgau als willkommen und nötig<br />
erachtet. Dabei wurde die Notwendigkeit eines Einbezugs<br />
beider Länder in den Entscheidungsprozess grösserer Projekte<br />
im Umweltbereich betont. Zur Unterstützung des Erfahrungsaustauschs<br />
wurde ein Grundlagenordner, der bestehende<br />
und geplante Projekte vorstellt sowie Umsetzungsmöglichkeiten<br />
aufzeigt, prinzipiell befürwortet. Ein solches<br />
Instrument konnte im Rahmen der Fallstudie erarbeitet und<br />
interessierten Kreisen zur Verfügung gestellt werden.<br />
5.2 Optionen für eine integrierte<br />
L<strong>and</strong>schaftsentwicklung im Klettgau<br />
Im Entwurf zum revidierten kantonalen Richtplan Schaffhausens<br />
werden die l<strong>and</strong>schaftlichen Qualitäten «als wichtigste<br />
Ressource im Kanton Schaffhausen» bezeichnet, die<br />
zu pflegen und wo nötig zu sanieren seien (Planungs- und<br />
Naturschutzamt, 1998, S. 107). Um dieses Ziel zu erreichen,<br />
stehen verschiedene Optionen offen. Aufgrund unserer<br />
Analysen erscheinen uns die folgenden Optionen als besonders<br />
bedeutsam. Sie ergänzen sich wechselseitig.<br />
- Entwicklung der L<strong>and</strong>schaft in Richtung einer durch<br />
st<strong>and</strong>ortgerechte Nutzung getragenen ökologischen<br />
Vielfal, die ästhetische wie funktionale und wirtschaftliche<br />
Aspekte berücksichtigt.<br />
- Erhaltung und Förderung der bestehenden wertvollen<br />
St<strong>and</strong>orte. Hierzu zählen beispielsweise Hochstammobstgärten,<br />
Trockenst<strong>and</strong>orte oder artenreiche Wiesen.<br />
- Schaffung neuer naturnaher Flächen. Dies ist insbesondere<br />
in der intensiv l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutzten Kulturfläche<br />
der Talebene und in den Rebbergen von Bedeutung.<br />
Eine Kooperation mit den L<strong>and</strong>wirten ist dabei<br />
zentral. Das Planungs- und Naturschutzamt des Kantons<br />
Schaffhausen und die Vogelwarte Sempach haben hier<br />
bereits beispielhafte Pionierarbeit geleistet. Neue naturnahe<br />
Flächen sind zwar meistens kostenintensiver als die<br />
Erhaltung bereits bestehender ökologisch wertvoller Flächen.<br />
Dies gilt vor allem in l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Gunstlagen.<br />
Die Schaffung neuer naturnaher Flächen istjedoch<br />
in Anbetracht ihres heutigen Mangels notwendig, um<br />
Tierarten der offenen Feldflur im Klettgau langfristig zu<br />
erhalten.<br />
- Verstärkte Förderung von Bachrenaturierungen im Klettgau.<br />
Bachrenaturierungen stellen aus umweltnaturwissenschaftlicher<br />
Sicht und aus der Perspektive der lokalen<br />
Bevölkerung eine besonders attraktive Möglichkeit zur<br />
ökologischen und ästhetischen Aufwertung der L<strong>and</strong>schaft<br />
dar.<br />
136<br />
UNS-Fallstudie '98
________________________________________ L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
Entwicklung von Konzepten und Massnahmen, die den<br />
Naturraum bei einer Zunahme der Siedlungsfläche und<br />
des Verkehrs schützen. Es sind jedoch zusätzliche ortsspezifische<br />
Untersuchungen dieser beiden möglichen<br />
Stressoren der L<strong>and</strong>schaft nötig, werden ihre Auswirkungen<br />
doch gegenwärtig kaum beachtet.<br />
Möglichst frühzeitige und aktive Beteiligung der lokalen<br />
Bevölkerung an l<strong>and</strong>schaftsgestaltenden Prozessen. Die<br />
hier vorgestellte Methodik der multikriteriellen Bewertung<br />
von verschiedenen Massnahmentypen, deren<br />
Raumbezug beispielhaft dargestellt wird, ist unserer Ansicht<br />
nach ein erfolgversprechender Ansatz.<br />
Förderung der länderübergreifenden Planung und Koordination<br />
von l<strong>and</strong>schaftsgestaltenden Projekten.<br />
5.3 Ausblick<br />
Es gibt eine Fülle von umweltrelevanten Projekten im gesamten<br />
Klettgauraum. Die Bemühungen um ökologische<br />
Aufwertungen zeigen bereits erste Erfolge. So sind in einigen<br />
der seit 1988 angelegten Buntbrachen mittlerweile<br />
spontan einige sehr seltene Ackerblumen wie der Kleine<br />
Venusspiegel aufgetreten. Ein regionales Kontaktnetz zur<br />
grenzüberschreitenden Koordination l<strong>and</strong>schaftsgestaltender<br />
Projekte wurde durch die UNS-Fallstudie angeregt und<br />
steht in der Entwicklungsphase. Der Grundlagenordner<br />
«Arbeitsmittel für naturraumrelevante Projekte im Klettgau»<br />
ist in einer ersten Auflage erschienen. Mit dem multikriteriellen<br />
Bewertungsverfahren wird ein Instrument bereitgestellt,<br />
das demokratische Entscheidungsprozesse unterstützt<br />
und inhaltlich absichert. Einer engagierten Bevölkerung<br />
kann gemeinsam mit kooperativen Behörden der<br />
Wechsel von einem eher segregativen L<strong>and</strong>schaftsschutz zu<br />
einer integrativen L<strong>and</strong>schaftsgestaltung gelingen.<br />
6 Anhang<br />
6. 1 literatur<br />
6. 1. 1 Karten<br />
Bundesamt für L<strong>and</strong>estopographie. (1988). Eglisau. L<strong>and</strong>eskarte<br />
der Schweiz I:25'000, Blatt 1051. Wabern: Bundesamt für L<strong>and</strong>estopographie.<br />
Bundesamt für L<strong>and</strong>estopographie. (1988). Neunkirch. L<strong>and</strong>eskarte<br />
der Schweiz I: 25'000, Blatt 1031. Wabern: Bundesamt für<br />
L<strong>and</strong>estopographie.<br />
Gemeinde Hallau. (undatiert). Übersichtsplan 1:5000. Kant. Planungs-und<br />
Naturschutzamt Schaffhausen.<br />
Gemeinde Klettgau. (1972-78). Übersichtsplan der Gemarkung<br />
Erzingen I: 10000. Gemeinde Klettgau, Erzingen.<br />
Kamm, M., & Güdemann, H. R. (1994/95). L<strong>and</strong>schaftsplan Gemeinde<br />
Klettgau. Planungsgruppe Süd-West, Lörrach.<br />
Kant. Planungs- und Naturschutzamt Schaffhausen. (1985). Hekkenkataster<br />
Hallau. Schaffhausen: Kant. Planungs-und Naturschutzamt<br />
Schaffhausen.<br />
Kant. Planungs- und Naturschutzamt Schaffhausen. (1986).Trokkenst<strong>and</strong>orte<br />
Hallau. Schaffhausen: Kant. Planungs- und Naturschutzamt<br />
Schaffhausen.<br />
Kant. Planungs-und Naturschutzamt Schaffhausen. (1990). Kantonales<br />
Naturschutzinventar Schaffhausen, Blatt Hallau. Schaffhausen:<br />
Kant. Planungs-und Naturschutzamt Schaffhausen.<br />
L<strong>and</strong>esvermessungsamt Baden-Württemberg. (1979). Griessen<br />
Ost 1:5000 (aktualisiert 1989). Karlsruhe: L<strong>and</strong>esvermessungsamt<br />
Baden-Württemberg.<br />
L<strong>and</strong>esvermessungsamt Baden-Württemberg. (1993). Klettgau.<br />
Topographische Karte 1:25000, Normalausgabe. Karlsruhe: L<strong>and</strong>esvermessungsamt<br />
Baden-Württemberg.<br />
L<strong>and</strong>schaftsplan Gemeinde Klettgau (verschiedene Karten, bei der<br />
Gemeindeverwaltung Klettgau einsehbar).<br />
Ministerium für Umwelt, Baden-Württemberg. (1992). Wasserschutzgebiete<br />
in Baden-Württemberg, WO, Blatt L 8316 Stühlingen.<br />
Planungsgruppe Süd-West. (1995a). Flächennutzungsplan Gemeinde<br />
Klettgau, Exemplar Offenlegung, 1: 5000.<br />
Planungsgruppe Süd-West. (1995b). Gemeinde Klettgau. Thematische<br />
Karte zum L<strong>and</strong>schaftsplan: Bodenpotential- Restriktionen<br />
der Bodennutzung, Bodentypen, Wasserdargebotspotential, GeologielRohstoffpotential,<br />
Relief, Naturschutz-/Biotopschutzpotentia!.<br />
Übersichtsplan der Flächen mit Bewirtschaftungsverträgen.<br />
(1997). Meliorations- und Vermessungsamt des Kantons Schaffhausen.<br />
Zonenplan Gemeinde Hallau. (aktueller St<strong>and</strong> 1997). Hallau: Gemeinde<br />
Hallau.<br />
6.1.2 Texte<br />
Achermann, G., Achermann, N., Bollens, U., Freidig, A., Füchslin,<br />
H.-P. et a!. (1995). Ökologie. In R. W. Scholz, T. Koller, H. A.<br />
Mieg, & C. Schmidlin (Hrsg.), Perspektive Grosses Moos. Wege<br />
zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft. UNS-Fallstudie 1994 (S.<br />
47-73). Zürich: vdf.<br />
AG Natur und L<strong>and</strong>schaft (ANL). (1995). Förderung von Obstgärten<br />
aus Naturschutzkrediten: Kosten-Nutzen-Überlegungen (Entwurf).<br />
Aarau: Baudepartement des Kantons Aarau.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
137
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
Altieri, M. A. (1995). Agroecology: the science of sustainable<br />
agriculture. (2 nd ed.). Boulder, CO: Westview Press.<br />
Amstutz, M., Dick, M. & Hufschmid, N. (1990). Natur aus Bauemh<strong>and</strong>.<br />
Ein Leitfaden zur ökologischen L<strong>and</strong>schaftsgestaltung.<br />
Oberwi1: Forschungsinstitut für biologischen L<strong>and</strong>bau (FibL).<br />
Amt für Gewässerschutz und Wasserbau des Kantons Zürich<br />
(AGW). (1996). Wiederbelebung von Fliessgewässem im Kanton<br />
Zürich (Sonderdruck Nr. 1378 aus gwa 7/96 des Schweizerischen<br />
Vereins des Gas- und Wasserfaches). Zürich: AGW.<br />
Assmann, O. (1990). S<strong>and</strong> und Kiesgruben - Lebensräume für<br />
Amphibien. (Heft 3/90). München: Bayerischer Industrieverb<strong>and</strong><br />
Steine und Erden e.v., Fachabteilung S<strong>and</strong>- und Kiesindustrie.<br />
Baudepartement des Kantons Schaffhausen (1995). Naturschutzkonzept<br />
für den Kanton Schaffhausen. Schaffhausen: Baudepartement.<br />
Baur, B., Ewald, K. c., Freyer, B., & Erhardt, A. (1997). Ökologischer<br />
Ausgleich und Biodiversität. Basel: Birkhäuser.<br />
Billing, H. & Bolliger, M. (1998). Naturschutzgebiete im Kanton<br />
Schaffhausen. In M. Baumann et al., 50 Jahre L<strong>and</strong>schaftsw<strong>and</strong>el<br />
und Naturschutz in der <strong>Region</strong> Schaffhausen. Neujahrsblatt der<br />
Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen. Nr. 50/1998, Jubiläumsausgabe<br />
(S. 35-42). Schleitheim: stamm.<br />
Blab,J. (1993). Grundlagen des Biotopschutzes für Tiere. (4 th ed.).<br />
Bonn-Bad Godesberg: Ki1da.<br />
Böseh, S. (1998). Die Organisation der UNS Fallstudie. In R. W.<br />
Scholz, S. Böseh, H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau:<br />
Verantwortungsvoller Umgang mit Boden. UNS-Fallstudie 1997<br />
(S. 43-60). Zürich: Rüegger.<br />
Bossert, A. et al. (1996). Bonitierung naturnaher Flächen bei<br />
Gesamt- und Umweltmeliorationen: Erfassung und Bewertung<br />
von naturnahen Flächen , die dem ökologischen Ausgleich im<br />
L<strong>and</strong>wirtschaftsgebiet dienen. Bem: Amt für L<strong>and</strong>wirtschaft des<br />
Kantons Bem, Abteilung Meliorationswesen.<br />
Broggi, M. F. (1997). Vom L<strong>and</strong>schaftsschutz zur L<strong>and</strong>schaftsgestaltung.<br />
Gaia, 6 (4), 5-6.<br />
Broggi, M. F. & Schlegel, H. (1989). Mindestbedarfan naturnahen<br />
Flächen in der Kulturl<strong>and</strong>schaft. Bericht 31 des Nationalen Forschungsprogrammes<br />
«Boden». Liebefeld-Bem: Nationales Forschungsprogramm<br />
«Nutzung des Bodens in der Schweiz».<br />
Brugger, A. (1990). Baden-Württemberg - L<strong>and</strong>schaft im W<strong>and</strong>el.<br />
Eine kritische Bilanz in Luftbildern aus 35 Jahren. Stuttgart:<br />
Konrad Theiss Verlag GmbH & Co.<br />
Buchwald, K., & Engelhardt, W. (1978). H<strong>and</strong>buch für Planung,<br />
Gestaltung und Schutz der Umwelt. 4 Bde. München: BLV Verlagsgesellschaft.<br />
Bühl, H. (1998). Geologie. In R. W. Scho1z, S. Böseh, H. A. Mieg,<br />
& J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> K1ettgau: Verantwortungsvoller Umgang<br />
mit Boden. UNS-Fallstudie 1997 (S. 65). Zürich: Rüegger.<br />
Bundesamt für L<strong>and</strong>wirtschaft (BLW). (1997a). Direktzahlungen<br />
1996 an die L<strong>and</strong>wirtschaft. Bem: BLW.<br />
Bundesamt für L<strong>and</strong>wirtschaft (BLW). (1997b). Wegleitung für<br />
den ökologischen Ausgleich auf dem L<strong>and</strong>wirtschaftsbetrieb.<br />
Bem:BLW.<br />
Bundesamt für Statistik (BFS). (1997). Bodeneignungskarte der<br />
Schweiz. Bem: BFS.<br />
Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft (BUWAL). (1995).<br />
Vollzugshilfe zur Auenschutzverordnung. Bem: BUWAL.<br />
Bundesforschungsanstalt für L<strong>and</strong>eskunde und Raumordnung<br />
(BfLR). (1994). Die Flächenerhebung 1993 (Arbeitspapiere<br />
11/94). Bonn: BfLR.<br />
Carabias, v., Erzinger, S., Oglesby, L., Theves, C., Zobrist, D. &<br />
Mieg, H. A. (1995). Soziale Dimensionen. In R. W. Scholz, T.<br />
Koller, H. A. Mieg & C. Schmidlin (Hrsg.), Perspektive Grosses<br />
Moos. Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft. UNS-Fallstudie<br />
1994 (S. 107-128). Zürich: vdf.<br />
Classen, M., Gall, P., Stünzi, J. & Witt, A. (1998). Rohstoff Kies.<br />
In R. W. Scholz, S. Böseh, H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong><br />
Klettgau: Verantwortungsvoller Umgang mit Boden. UNS-Fallstudie<br />
1997 (S. 129-163). Zürich: Rüegger.<br />
Ellenberg, H. (1996). Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in<br />
ökologischer, dynamischer und historischer Sicht. Stuttgart: UImer.<br />
Ewald, K. C. (1997). Die Natur des Naturschutzes im l<strong>and</strong>schaftlichen<br />
Kontext. Probleme und Konzeptideen. Gaia, 6 (4), 253-264.<br />
Fendt, R. & Schaffhauser, M. (1998)Grundlagenordner - Arbeitsmittel<br />
für naturraumrelevante Projekte in der <strong>Region</strong> Klettgau.<br />
Zürich: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, Professur<br />
für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften.<br />
Firbank, L. G., Amold, H. R., Eversham, B. c., Mountford, J. 0.,<br />
Radford, G. L., Telfer, M. G., Treweek, 1. R., Webb, N. R. C. &<br />
Wells, T. C. E. (1993). Managing set-aside l<strong>and</strong> for wi1dlife.<br />
London: HMSO.<br />
Fis1er, J. (1998). Der Fall - Geschichte des K1ettgaus. In R. W.<br />
Scholz, S. Böseh, H. A. Mieg &J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau:<br />
Verantwortungsvoller Umgang mit Boden. UNS-Fallstudie 1997<br />
(S. 61-89). Zürich: Rüegger.<br />
Forman, R. T. T. (1995). L<strong>and</strong> mosaics. The ecology ofl<strong>and</strong>scapes<br />
<strong>and</strong> regions. Cambridge: Cambridge University Press.<br />
Forman, R. T. T., & Alex<strong>and</strong>er, L. E. (1998). Roads <strong>and</strong> their major<br />
ecologica1 effects. Annu. Rev. Ecol. Syst., 29, 207-231.<br />
Gigon, A., et al. (1996). «Blaue Listen» der erfolgreich erhaltenen<br />
oder geförderten Tier- und Pflanzenarten der Roten Listen: mit<br />
Hinweisen zur Förderung gefährdeter Arten. Bem: Schweizerischer<br />
Wissenschaftsrat.<br />
Gmür, v., et al. (1958). Melioration Unterklettgau - Schlussbericht.<br />
Hallau: Buchdruckerei Fritz Gruninger.<br />
Göldi, C., et al. (1997). Gewässer im GEP: Teil Hochwasser.<br />
Zürich: Amt für Gewässerschutz und Wasserbau (AGW).<br />
Gutzwiller, K. J. & Anderson, S. H. (1992). Interception ofmoving<br />
organisms: influences of patch shape, size, <strong>and</strong> orientation on<br />
community structure. L<strong>and</strong>scape Ecology, 6, 293-303.<br />
Hamb1er, c., & Speight, M. R. (1995). Biodiversity Conservation<br />
in Britain: science replacing tradition. British Wildlife, 6, 137-147.<br />
Jedicke, E. (1990). Biotopverbund: Grundlagen und Massnahmen<br />
einer neuen Naturschutzstrategie. Stuttgart: Ulmer.<br />
Jenny, M. (1994). Fallbeispiel K1ettgau. In H. P. Pfister, et al.,<br />
(Hrsg.), Ökologischer Ausgleich in der Kulturl<strong>and</strong>schaft (S. 16<br />
19). Bem / Sempach: Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft<br />
/ Schweizerische Vogelwarte.<br />
Jenny, M., Lugrin, B., Weibel, U., Regamey, J.-L. & Zbinden, N.<br />
(1997). Der ökologische Ausgleich in intensiv genutzten Akkerbaugebieten<br />
der Champagne genevoise GE und des Klettgaus<br />
SH und seine Bedeutung für Vögel, Pflanzen und ausgewählte<br />
Wrrbellose. Schweizerische Vogelwarte, Sempach.<br />
Kästli, P., Krapf, H., Weber, P., Wüthrich, F. & Weber, O. (1998).<br />
Natur und L<strong>and</strong>schaft. In R. W. Scholz, S. Böseh, H. A. Mieg & J.<br />
Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller Umgang<br />
mit Boden. UNS-Fallstudie 1997 (S. 207-254). Zürich: Rüegger.<br />
Kaule, G. (1991). Arten- und Biotopschutz. (2 nd ed.). Stuttgart:<br />
Ulmer.<br />
138<br />
UNS-Fallstudie '98
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
Kemmerling, W. (1985). Revitalisierung von Kiesgruben. 4. Seminar<br />
L<strong>and</strong>schaftswasserbau. Wien: Technische Universität Wien.<br />
Kiene, S. (1996). Synthese von biologischer und wasserbaulicher<br />
Analyse zur Bewertung von renaturierten Fliessgewässem in der<br />
Oberrheinebene. Dissertation. Karlsruhe: Universität Fridericiana<br />
zu Karlsruhe (TH).<br />
L<strong>and</strong>esanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU).<br />
(1992). Gewässerentwicklungsplanung - Leitlinien. (Bd. 2). Stuttgart:<br />
Kurz<br />
Lenzin, H. (1987). Pflegekonzept für vier schützenswerte Gruben<br />
im Kanton Basell<strong>and</strong>schaft anh<strong>and</strong> von Artenlisten, pflanzensoziologischen<br />
Aufnahmen und deren Einordnung in Sukzessionsreihen.<br />
Basel: Universität Basel (Bot. Institut).<br />
Loidl, H. J. (1981). L<strong>and</strong>schaftsbildanalyse - Ästhetik in der<br />
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung? L<strong>and</strong>schaft und Stadt, 13 (1), 7-19.<br />
Luz, F. (1994). Zur Akzeptanz l<strong>and</strong>schaftsplanerischer Projekte.<br />
Frankfurt am Main: Europäische Hochschulschriften.<br />
Meier, M. S., Stricker, L. E., Wehrli, M. & Bächtiger, C. (1998).<br />
L<strong>and</strong>- und Forstwirtschaft im Klettgau. In R. W. Scholz, S. Bösch,<br />
H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller<br />
Umgang mit Boden. UNS-Fallstudie 1997 (S. 91-128).<br />
Zürich: Rüegger.<br />
Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung, L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
und Forsten Baden-Württemberg (MLR). (1995). Marktentlastungs-<br />
und Kulturl<strong>and</strong>schaftsausgleich: MEKA (MLR-17-95).<br />
Stuttgart: MLR.<br />
Mühlenberg, M. & Siowik, J. (1997). Kulturl<strong>and</strong>schaft als Lebensraum.<br />
Wiesbaden: Quelle & Meyer.<br />
Organisation for Economic Co-operation <strong>and</strong> Development<br />
(OECD). (1994). Environmental impact assessment of roads. Paris:<br />
OECD.<br />
Organisation for Economic Co-operation <strong>and</strong> Development<br />
(OECD). (1998). Environmental performance reviews: Switzerl<strong>and</strong>.<br />
Paris: OECD.<br />
Perpeet, M. (1992). L<strong>and</strong>schaftserlebnis und L<strong>and</strong>schaftsgestaltung.<br />
Dissertation. Freiburg im Breisgau: Albert-Ludwigs-Universität<br />
Freiburg.<br />
Planungs- und Naturschutzamt (PNA). (1998). Entwurf zum revidierten<br />
kantonalen Richtplan. Schaffhausen: Baudepartement des<br />
Kantons Schaffhausen.<br />
Prasuhn, V. (1998). Abschätzung der Stickstoffverluste aus diffusen<br />
Quellen in die Gewässer und der Wirkung von Massnahmen in<br />
der L<strong>and</strong>wirtschaft im Klettgau. In R. W. Scholz, S. Bösch, H. A.<br />
Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), <strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller<br />
Umgang mit Boden. UNS-Fallstudie 1997 (S. 284-294). Zürich:<br />
Rüegger.<br />
Rat der Sachverständigen für Umweltfragen (SRU). (1994). Umweltgutachten<br />
1994. Stuttgart: Metzler-Poeschel.<br />
Rat der Sachverständigen für Umweltfragen (SRU). (1996). Konzepte<br />
einer dauerhaft umweitgerechten Nutzung ländlicher Räume.<br />
Sondergutachten. Stuttgart: Metzler-Poeschel.<br />
Reijnen, R., Foppen, R., & Meeuwsen, H. (1996). The effects of<br />
traffic on the density of breeding birds in dutch agricultural grassl<strong>and</strong>s.<br />
Biological Conservation, 75, 255-260.<br />
Reijnen, R., Foppen, R., Ter Braak, C. & Thissen, J. (1995). The<br />
effects ofcar traffic on breeding bird populations in woodl<strong>and</strong>. III.<br />
Reduction of density in relation to the proximity of main roads.<br />
Journal ofApplied Ecology, 32,187-202.<br />
Renn, O. & Kastenholz, H. G. (1996). Ein regionales Konzept<br />
nachhaltiger Entwicklung. Gaia, 5 (2), 86-102.<br />
Roux, M. (1988). Umweltrelevantes H<strong>and</strong>eln von L<strong>and</strong>wirten.<br />
Wie hauptberufliche L<strong>and</strong>wirte der Kantone Zürich und Thurgau<br />
die Umweltprobleme der L<strong>and</strong>wirtschaft beuteilen und wie es um<br />
die Chancen für die Verbreitung umweltschonender bewirtschaftungsformen<br />
steht. Liebefeld-Bern: Nationales Forschungsprogramm<br />
«Nutzung des Bodens in der Schweiz».<br />
Schlatter, c., Oberholzer, S., Jäger, c., Mieg, H. A. & Reutemann,<br />
1. (1998). Verantwortungsvoller Umgang mit Boden im Siedlungsraum.<br />
In R. W. Scholz, S. Bösch, H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.),<br />
<strong>Region</strong> Klettgau: Verantwortungsvoller Umgang mit Boden.<br />
UNS-Fallstudie 1997 (S. 255-274). Zürich: Rüegger.<br />
Scholz, R. W. & Tietje, O. (1995). Methoden der Fallstudie. In R.<br />
W. Scholz, S. Bösch, T. Koller, H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.),<br />
Industrieareal Sulzer-Escher Wyss. Umwelt und Bauen: Wertschöpfung<br />
durch Umnutzung. UNS-Fallstudie 1995 (S. 31-70).<br />
Zürich: vdf.<br />
Schwahn, C. (1990). L<strong>and</strong>schaftsästhetik als Bewertungsproblem.<br />
Zur Problematik der Bewertung ästhetischer Qualität als Entscheidungshilfe<br />
bei der Planung von l<strong>and</strong>schaftsverändernden Massnahmen.<br />
Hannover: Institut für L<strong>and</strong>schaftspflege und Naturschutz,<br />
Universität Hannover.<br />
Schweizer Fachverb<strong>and</strong> für S<strong>and</strong> und Kies (FSK). (1993). Naturschutz<br />
und Kiesabbau. Richtlinie für die Naturschutzarbeit im<br />
Kiesgewerbe. Nidau: FSK.<br />
Schweizerische Vogelwarte Sempach. (1995). Anleitung zur Inventarisierung<br />
naturnaher Lebensräume (Lebensrauminventar).<br />
Sempach: Schweizerische Vogelwarte Sempach.<br />
Statistisches L<strong>and</strong>esamt von Baden-Württemberg. (1993). Statistik<br />
von Baden-Württemberg. Agrarberichterstattung 1995. Stuttgart:<br />
Statistisches L<strong>and</strong>esamt von Baden-Württemberg.<br />
Sterling, P. H. & Hambier, C. (1988). Coppicing for conservation:<br />
do hazel communities benefit? In K. J. Kirby & F. J. Wright (Hrsg.),<br />
NCC research <strong>and</strong> survey in nature conservation No 15. Woodl<strong>and</strong><br />
conservation <strong>and</strong> research in the c1ay vale of Oxfordshire <strong>and</strong><br />
Buckinghamshire (S. 69-80). Peterborough: NCC.<br />
Waldvogel, K. & Graf, M. (1981). L<strong>and</strong>wirtschaft im Kanton<br />
Schaffhausen. Schaffhausen: L<strong>and</strong>wirtschaftsdirektion im Kanton<br />
Schaffhausen.<br />
Wernet, K. F. (1971) Gefüge und Gestalt der L<strong>and</strong>schaft - Die<br />
Auswirkungen. In F. Schmidt (Hrsg.) Der Klettgau. Im Auftrag der<br />
Stadt Tiengen/Hochrhein (S. 35-56). Bretten: Buch- und<br />
Offsetdruckerei Esser.<br />
6.2 RechtsgrundJagen in der Schweiz<br />
Ökobeitra'ge des Bundes<br />
Bundesgesetz über die L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
(L<strong>and</strong>wirtschaftsgesetz, LwG)<br />
vom 29. April 1998 (St<strong>and</strong> arn 24. Dezember 1998)<br />
Inkrafttreten: 1. Januar 1999<br />
Art, 70 Grundsatz und Voraussetzungen<br />
1 Der Bund richtet Bewirtschaftern und Bewirtschafterinnen<br />
von bodenbewirtschaftenden bäuerlichen Betrieben unter<br />
der Voraussetzung des ökologischen Leistungsnachweises<br />
allgemeine Direktzahlungen und Ökobeiträge aus.<br />
2 Der ökologische Leistungsnachweis umfasst:<br />
a. eine tiergerechte Haltung der Nutztiere;<br />
b. eine ausgeglichene Düngerbilanz;<br />
c. einen angemessenen Anteil an ökologischen Ausgleichsflächen;<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
139
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
d. eine geregelte Fruchtfolge;<br />
e. einen geeigneten Bodenschutz; sowie<br />
f. eine Auswahl und gezielte Anwendung der Pflanzenbeh<strong>and</strong>lungsmittel.<br />
3 Er fördert mit Ökobeiträgen Produktionsformen, die besonders<br />
naturnah, umwelt-und tierfreundlich sind; die Beiträge<br />
müssen sich wirtschaftlich lohnen.<br />
4 Die Einhaltung der für die l<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktion<br />
massgeblichen Bestimmungen der Gewässerschutz-, der<br />
Umweltschutz- und der Tierschutzgesetzgebung ist Voraussetzung<br />
und Auflage für die Ausrichtung von Direktzahlungen.<br />
5 Der Bundesrat bestimmt für den Bezug von allgemeinen<br />
Direktzahlungen und Ökobeiträgen:<br />
a. eine Mindestgrösse des bewirtschafteten Betriebes;<br />
b. ein minimales Arbeitsaufkommen aufdem bewirtschafteten<br />
Betrieb;<br />
c. eine Altersgrenze;<br />
d. Grenzwerte bezüglich Fläche oder Tierzahl je Betrieb, ab<br />
denen die Beitragssätze abgestuft werden;<br />
e. Grenzwerte für die Summe der Beiträge pro st<strong>and</strong>ardisierte<br />
Arbeitskraft; f. Grenzwerte bezüglich steuerbarem<br />
Einkommen und Vermögen der Bewirtschafter oder<br />
Bewirtschafterinnen, ab denen die Summe der Beiträge<br />
gekürzt wird oder keine Beiträge ausgerichtet werden.<br />
6 Der Bundesrat kann:<br />
a. die Direktzahlungen unter Berücksichtigung der Produktionserschwernisse<br />
abstufen; sowie<br />
b. die Ausrichtung der Beiträge mit Auflagen verknüpfen.<br />
Art. 76 Ökobeiträge<br />
I Der Bund fördert besonders naturnahe, umwelt- und tierfreundliche<br />
Produktionsformen und deren Ausdehnung mit<br />
Ökobeiträgen.<br />
2 Der Bundesrat kann im Interesse einer flächendeckenden<br />
ökologischen Bewirtschaftung bestimmte Ökobeiträge auch<br />
für nichtbäuerliche Betriebe vorsehen.<br />
3 Der Bund fördert in Ergänzung zum Bundesgesetz vom 1.<br />
Juli 19667 über den Natur- und Heimatschutz die natürliche<br />
Artenvielfalt. Er gewährt Beiträge für die Förderung eines<br />
angemessenen ökologischen Ausgleichs auf der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />
Nutzfläche.<br />
4 Er kann die extensive Bewirtschaftung von l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />
Nutzflächen mit Beiträgen fördern.<br />
5 Er bemisst die Beiträge so, dass sich die besondere ökologische<br />
Leistung lohnt. Er berücksichtigt dabei die am Markt<br />
erzielbaren Mehrerlöse.<br />
6 Richtet der Bund für die gleiche Leistung auf derselben<br />
l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Nutzfläche gleichzeitig einen Beitrag<br />
nach den Artikeln 18a-18d des Bundesgesetzes vom 1. Juli<br />
1966 über den Natur- und Heimatschutz aus, so wird der<br />
Bundesbeitrag aufgrund des Bundesgesetzes über den Natur-<br />
und Heimatschutz um den Beitrag nach diesem Artikel<br />
gekürzt.<br />
7 Den Krediten, welche die Bundesversammlung für Ökobeiträge<br />
bewilligt, werden auch die Abgeltungen nach Artikel62a<br />
des Gewässerschutzgesetzes vom 24. Januar 19918<br />
belastet.<br />
Verordnung über die Direktzahlungen an die L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
(Direktzahlungsverordnung, DZV)<br />
vom 7. Dezember 1998 (St<strong>and</strong> am 19. Januar 1999)<br />
Inkrafttreten: I. Januar 1999<br />
Art. 7 Angemessener Anteil an ökologischen Ausgleichsflächen<br />
I Die ökologischen Ausgleichsflächen müssen mindestens<br />
3,5 Prozent der mit Spezialkulturen belegten l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />
Nutzfläche und 7 Prozent der übrigen l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />
Nutzfläche des Betriebs betragen.<br />
2 Anrechenbar sind die ökologischen Ausgleichsflächen<br />
nach Ziffer 3.1 des Anhangs.<br />
3 Bäume nach Artikel 54 und Anhang Ziffer 3.1.2.3 und<br />
3.1.2.4 werden mit einer Are angerechnet, jedoch höchstens<br />
100 Bäume pro Hektare bestockte Fläche.<br />
4 Der ökologische Ausgleich nach Absatz I darf höchstens<br />
zur Hälfte durch die Anrechnung von Bäumen nach Absatz<br />
3 erbracht werden.<br />
5 Entlang von Oberflächengewässern, Hecken, Feld- und<br />
Ufergehölzen und Waldrändern ist ein extensiver Grünoder<br />
Streueflächenstreifen von mindestens 3 Metern Breite<br />
anzulegen.<br />
6.3 Karten der beiden L<strong>and</strong>schaftstransekte<br />
(siehe folgende Seiten)<br />
140<br />
UNS-Fallstudie '98
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
1 o 1<br />
2 Kilometer<br />
N<br />
w<br />
E<br />
s<br />
"SOLL"<br />
"IST"<br />
o Transekt<br />
Obstgarten<br />
Tümpel, Bach/Graben, renaturierter Bach<br />
artenreiche Rebbauparzelle, Trockenmauer, Le:,esteillhaIUf€,l')<br />
Wiese<br />
Buntbrache<br />
Waldr<strong>and</strong>, Gehölz, Hecke<br />
Bäume<br />
Schweizer Transekt<br />
Nutzung der Rasterdaten mit Bewilligung des Meliorations- und<br />
Vermessungamts des Kantons Schaffhausen vom 26.5.i 998<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
141
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
_<br />
1 o 1 2 Kilometer<br />
N<br />
w<br />
E<br />
s<br />
"SOLL"<br />
"IST"<br />
Transekt<br />
Kies-/Lehmgrube<br />
Tümpel, Bach/Graben, renaturierter Bach<br />
artenreiche Rebbauparzelle, Trockenmauer, Lesesteinhaufen<br />
Wiese<br />
Buntbrache<br />
Waldr<strong>and</strong>, Gehölz, Hecke<br />
@ Bäume<br />
• Obstbäume<br />
Deutscher Transekt<br />
142 UNS-Fallstudie '98
Autoren:<br />
Markus Lerch<br />
Si/via Tobias<br />
Thomas Gloor<br />
Martin fritsch<br />
Aufbauend aufden Ergebnissen der<br />
Arbeitsgruppe:<br />
Markus Lerch<br />
franrois Rütimann<br />
Christoph Strasser<br />
fan Sutter<br />
Inhalt:<br />
1. Einleitung<br />
2. Material und Methoden<br />
3. Resultate des Fallbeispiels Bäumliacker<br />
4. Diskussion<br />
5. Zusammenfassung und Schlussfolgerung<br />
145<br />
146<br />
155<br />
156<br />
158<br />
Der vorliegende Beitrag wurde durch Studenten<br />
der Abt. VIII (Kultur- und Umwelttechnik)<br />
der <strong>ETH</strong>Z geleistet. Die Studenten<br />
nahmen im Rahmen ihrer eigenen<br />
Semesterarbeit an der Fallstudie teil.<br />
Durch die Zusammenarbeit sollten einerseits<br />
der fachliche Austausch unter verschiedenen<br />
Studienrichtungen, <strong>and</strong>ererseits<br />
die Fähigkeit zur disziplinübergreifenden<br />
Teamarbeit gefördert werden.
Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
144 UNS-Fallstudie '98
____________________________ Nutzungsalternativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
1 Einleitung<br />
1.1 Bedeutung des Kiesabbaus für die<br />
<strong>Region</strong> Klettgau<br />
Unter den abgebauten Rohstoffen stellt Kies weltweit den<br />
grössten Mengenanteil dar. In der Schweiz ist er der einzige<br />
natürliche Rohstoff, der in grösseren Mengen abgebaut<br />
wird, so dass Kies- und S<strong>and</strong>rnassen den Umschlag aller<br />
<strong>and</strong>eren Rohstoffe - auch der fossilen Energieträger - bei<br />
weitem übersteigen. Pro Person und Jahr werden rund fünf<br />
Kubikmeter S<strong>and</strong> und Kies verbraucht (Konsel, 1989; Binswanger<br />
& Siegenthaler, 1995). Kies ist ein wesentlicher<br />
Best<strong>and</strong>teil des Baustoffs Beton, für den auch im Klettgau<br />
zum Ausbau von Siedlungen und die Verdichtung des Infrastruktumetzes<br />
eine grosse Nachfrage besteht. Aufgrund der<br />
hohen Transportkosten für Kies, gemessen am Verkaufspreis,<br />
beziehen kiesverarbeitende Betriebe den Rohstoffaus<br />
der nächsten Umgebung (Binswanger & Siegenthaler,<br />
1995). Daher ist die Kieswirtschaft durch einen regional eng<br />
begrenzten Absatzmarkt gekennzeichnet und stellt deswegen<br />
auch für den Klettgau einen wesentlichen regional-ökonomischen<br />
Faktor dar, der Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung<br />
schafft. Zugleich bieten Kiesgruben Lebensräume<br />
für seltene Pflanzen und Tiere.<br />
Demgegenüber ist der Abbau von Kies auch ein massiver<br />
Eingriff in das System Boden-L<strong>and</strong>schaft. Der Boden kann<br />
für einen längeren Zeitraum weder l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutzt<br />
werden, noch steht er als Baugrund für Siedlungen und<br />
für Gewerbe- oder Industriebauten zur Verfügung. Die fehlende<br />
oberste Bodenschicht erhöht zudem das Risiko für den<br />
Eintrag von Schadstoffen in tiefere Bodenschichten und in<br />
das Grundwasser. Nicht zuletzt empfindet die Bevölkerung<br />
Kiesgruben als offene Wunden in der L<strong>and</strong>schaft, an denen<br />
sie sich stört.<br />
Im Sinne eines nachhaltigen Umgangs mit Boden sollte<br />
nach Abschluss des Kiesabbaus der Boden wieder einer<br />
Nutzung zugeführt werden. Der Kiesabbau ist zwar eine<br />
Nutzungsart von beschränkter Dauer, diese kann aber bisweilen<br />
mehrere Jahrzehnte betragen. In diesem Zeitraum<br />
kann die L<strong>and</strong>schaft um die Kiesgruben einem W<strong>and</strong>el<br />
unterliegen. Daher ist es möglich, dass nach dem Abbau der<br />
Kiesreserven die ursprünglich geplanten Folgenutzungen<br />
nicht mehr den aktuellen regionalen Entwicklungszielen<br />
entsprechen (Scholz et al., 1997).<br />
Aufgabe<br />
Die Aufgabe best<strong>and</strong> darin, Konzepte für eine möglichst<br />
optimale und st<strong>and</strong>ortgerechte Nachnutzung von ehemali-<br />
Tab. 1.2.1: Inhaltliche Haupt-, Unter- und Teilziele der Arbeit<br />
Entwicklung von Nachnutzungskonzepten<br />
für stillgelegte<br />
Kiesgruben im Klettgau,<br />
die den aktuellen naturräumlich-ökologischen,<br />
raumplanerisch-regionalökonomischen<br />
und sozialen<br />
Rahmenbedingungen<br />
entsprechen.<br />
Bestimmung naturräumlichökologischer,<br />
raumplanerischregionalökonomischer<br />
sowie<br />
sozialer Kriterien zur lokalen<br />
und regionalen Bewertung der<br />
Nachnutzungsalternativen.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
145
Nutzungsalternativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
gen Kiesabbaugebieten im Klettgau zu entwickeln. Mittels<br />
einer multikriteriellen Nutzwertanalyse waren für die Kiesgruben<br />
Nutzungsalternativen zu bewerten. Dies hatte im<br />
Hinblick auf ihre Eignung unter den aktuellen naturräumlieh-ökologischen,<br />
raumplanerisch-regionalökonomischen<br />
und sozialen Rahmenbedingungen zu erfolgen. Die Evaluation<br />
sollte systematisch und transparent sein und sowohl<br />
lokalen als auch regionalen Aspekten Rechnung tragen.<br />
In der vorliegenden Arbeit wurde ein Modell der Bewertungsmethode<br />
entwickelt und exemplarisch umgesetzt. Aufgrund<br />
dessen wird die Vorgehensweise der Methode aufgezeigt<br />
und diskutiert.<br />
2 Material<br />
Für unsere Untersuchungen beschränkten wir uns auf zwei<br />
Methoden; den paarweisen Vergleich und die Nutzwertanalyse<br />
(Multi Attribute Utility Theory) (Danzer & Huber,<br />
1997). Die verwendeten Methoden sind typische Beispiele<br />
einer multikriteriellen Analysemethode (vgl. Exkurs). Zur<br />
regionalen Bewertung der Nutzungsaltemativen wurde der<br />
paarweise Vergleich (vgl. Abschnitt 2.3.2) einer Nutzwertanalyse<br />
(vgl. Abschnitt 2.4.3) vorgezogen. Dies ist dadurch<br />
zu begründen, dass uns hinsichtlich der regionalen Aspekte<br />
zu wenig konkrete Informationen für die Definition eindeutiger<br />
Nutzenfunktionen vorlagen, mit denen die Ausprägungen<br />
der Beurteilungskriterien mittels Modellen oder Funktionen<br />
quantifiziert werden könnten.<br />
146<br />
UNS-Fallstudie '98
_____________________________ Nutzungsalternativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
A) Nutzungsalternativen<br />
Die Entwicklung und Bestimmung der Nutzungsalternativen<br />
basiert auf dem Studium bereits realisierter Folgenutzungen<br />
in <strong>and</strong>eren <strong>Region</strong>en, der Befragung der Bevölkerung<br />
anlässlich eines Begleitgruppentreffens sowie aufAussagen<br />
der Umweltverträglichkeitsberichte und Materialabbaukonzepte.<br />
2.1 Vorgehen<br />
Das methodische Vorgehen für die Bewertung der verschiedenen<br />
Nutzungsalternativen wird in Abbildung 2.1.1 veranschaulicht.<br />
Das gewählte Vorgehen gliedert sich in vier<br />
Teilschritte:<br />
B) <strong>Region</strong>ale Betrachtung<br />
Die Bestimmung der regionalen Kriterien für die Nutzungsalternativen<br />
bezieht sich auf die Richtplanung. Die Bewertung<br />
der Alternativen erfolgte mittels Paarvergleich.<br />
C) Lokale Betrachtung<br />
Die Bestimmung lokaler Kriterien für die Nutzungsalternativen<br />
beruht auf einer Literaturrecherche sowie einem<br />
Brainstorming in Zusammenarbeit mit den Fallstudiengruppen.<br />
Durch ein Ausschlussverfahren (Outranking) wurden<br />
NACHNUTZUNGSALTERNATlVEN<br />
NNl,NNz,NN3,NN4,NNs,NN6<br />
K,<br />
NORMIERUNG ~~i~~lT. NN 1<br />
NNx<br />
NUTZWERT NUiLWERT NUTZWERT<br />
IK<br />
KN,<br />
KNx<br />
TOTAL<br />
REGIONALE GEWICHTUNGSFAKTOREN<br />
NUTZWERTE DER LOKALEN BEWERTUNG<br />
Abb. 2.1.1: Ablaufschema für die regionale und lokale Bewertung der Nutzungsalternativen: Die in der Bewertung nach<br />
lokalen Aspekten berechneten Nutzwerte der einzelnen Nutzungsalternativen werden mitden dazu gehörenden Gewichtungsfaktoren<br />
nach regionalen Aspekten multipliziert. Als beste Variante wird diejenige Nutzungsalternative betrachtet, welche<br />
nach regionalen und lokalen Bewertungsaspekten den grössten Nutzwert aufweist.<br />
UNS-Fallstudie '98 147
Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
technisch nicht realisierbare Alternativen verworfen. Die<br />
verbliebenen Alternativen wurden mittels Nutzwertanalyse<br />
bewertet.<br />
D) Synthese der regionalen und lokalen Bewertung<br />
Die in der Bewertung nach lokalen Aspekten berechneten<br />
Nutzwerte der einzelnen Nutzungsalternativen werden mit<br />
den dazu gehörenden Gewichtungsfaktoren nach regionalen<br />
Aspekten multipliziert. Als beste Variante wird diejenige<br />
Nutzungsalternative betrachtet, welche nach regionalen und<br />
lokalen Bewertungsaspekten den grössten Nutzwert aufweist.<br />
Die Nutzungsalternativen wurden im Hinblick auf eine<br />
nachhaltige Nutzung stillgelegter Kiesgruben bestimmt. Bei<br />
deren Bestimmung wurde darauf geachtet, dass sie einerseits<br />
den spezifischen St<strong>and</strong>ortvorteilen entsprechen und<br />
<strong>and</strong>ererseits zur Erreichung der regionalen Entwicklungsziele<br />
beitragen. Die Grundlagen dazu lieferten Brainstormings<br />
unter Teilnehmenden der Fallstudie und der Bevölkerung<br />
des Klettgaus anlässlich eines Begleitgruppentreffens<br />
in Wilchingen. Weitere Informationen lieferten Umweltverträglichkeitsberichte,<br />
Abbaubewilligungen und Publikationen<br />
über bereits realisierte Folgenutzungen von Kiesgruben<br />
(Institut für L<strong>and</strong>schaftspflege und Umweltschutz, 1996;<br />
Müller, 1996; Kruttwig, 1977; Böcker & Kohler, 1997). Zur<br />
Bewertung wurden schliesslich sechs Folgenutzungen ausgewählt.<br />
Sie werden im folgenden Abschnitt genauer beschrieben.<br />
Die Abbildung 2.2.1 veranschaulicht unsere Ergebnisse.<br />
Intensive L<strong>and</strong>wirtschaft: Bei der intensiven l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />
Folgenutzung wählten wirAckerbau, insbesondere<br />
Weizenanbau. Weizen ist ein typisches Produkt aus<br />
dem Klettgau, weil Boden und Klima sich dazu gut eignen.<br />
Wir rechneten mit Erstellungskosten von ca. 150000 Franken<br />
pro Hektare für die fachgerechte Rekultivierung und<br />
Drainage, sofern genügend rekultivierungsfähiger Boden<br />
auf dem Gebiet der Kiesgrube verfügbar ist. Dabei muss der<br />
Unterboden 80 Zentimeter, der Oberboden 30 Zentimeter<br />
mächtig geschüttet werden können. Das Einlagern von sauberem<br />
Aushub- und Gesteinsmaterial zur Auffüllung der<br />
Gruben soll jeweils von den Deponieeinnahmen finanziert<br />
werden (Diese Annahmen sind gültig für alle Nutzungsalter-<br />
Technische Voraussetzungen zur<br />
Realisierung der Nachnutzungen<br />
Nachnutzungsklassen<br />
Konkrete Beispiele. aus denen<br />
die bewerteten<br />
Nachnutzungsalternativen<br />
hervorgehen<br />
Ackerbau<br />
Milchwirtschaft<br />
Rebbau<br />
Buntbrache<br />
Rotationsbrache<br />
Hochstammobstanlage<br />
Nutzwald<br />
Ungenutzter Wald<br />
Einkaufszentrum<br />
Ausbildungszentrum<br />
Kleines mittleres<br />
Unternehmen<br />
Wohnsiedlung<br />
Campingplatz<br />
Motocrosspiste<br />
Freizeitpark mit See<br />
Sportstadion<br />
Wechselfeuchter St<strong>and</strong>ort<br />
Pioniergesellschaft<br />
Kiesw<strong>and</strong><br />
Trockenst<strong>and</strong>ort<br />
Abb.2.2.1:<br />
Nutzungsalternativen<br />
148<br />
UNS-Fallstudie '98
____________________________ Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
nativen, die eine Auffüllung erfordern). Für die öffentliche<br />
H<strong>and</strong> entstehen keine Unterhaltskosten. Die Bewirtschaftung<br />
von 10 Hektaren Ackerl<strong>and</strong> erfordert zwei Arbeitskräfte<br />
(Scholz et al., 1997; FSK- Schweiz, 1987; Baudirektion<br />
und Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich, 1991;<br />
Baudepartement des Kanton Schaffhausen, 1997a; Flury,<br />
1998).<br />
Extensive L<strong>and</strong>wirtschaft: Extensiv genutzte Flächen sind<br />
im intensiv l<strong>and</strong>wirtschaftlich genutzten Klettgau selten.<br />
Die vermehrte extensive Nutzung von l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />
Flächen würde die bestehende L<strong>and</strong>schaft ästhetisch und<br />
ökologisch aufwerten, insbesondere wenn die Flächen die<br />
Funktion von ökologischen Trittsteinen oder Korridoren<br />
wahrnehmen könnten. Für unsere Bewertung wählten wir<br />
das Beispiel Buntbrache.Für die Rekultivierung des Bodens<br />
wurden dieselben Annahmen wie für den Ackerbau getroffen.<br />
Die Unterhaltskosten für die öffentliche H<strong>and</strong> (Mähen,<br />
Entbuschen) belaufen sich aufetwa 160 Franken pro Hektare<br />
und Jahr. Die zur Pflege von Buntbrache benötigten<br />
Arbeitskräfte sind marginal und wurden in unserer Bewertung<br />
als null festgesetzt (Riese, 1997; Bayrisches Staatsministerium,<br />
1982).<br />
Forstwirtschaft: Als Bewertungsgrundlage für die Folgenutzung<br />
Forstwirtschaft trafen wir Annahmen für einen<br />
Nutzwald. Die Grundlage bildete der in der Klettgaurinne<br />
häufig anzutreffende Typ des Mischwaids. Die Kostenabschätzung<br />
wurde für flaches bis mässig steiles Gelände unter<br />
der Annahme einer Bepflanzungsdichte von 5'000 Pflanzen<br />
pro Hektare gemacht, wobei der Laubholzanteil 90 Prozent<br />
und derNadelholzanteill0 Prozent betragen. Die Kosten für<br />
die Pflanzung belaufen sich auf etwa 20'000 Franken pro<br />
Hektare. Bei der Rekultivierung von Waldböden wird in der<br />
Regel aufHumus verzichtet. Dafür muss ein 150 Zentimeter<br />
mächtiger Unterboden geschüttet werden. Wir rechneten<br />
deshalb mit den gleichen Rekultivierungskosten wie für den<br />
Ackerbau. Für die öffentliche H<strong>and</strong> entstehen keine Unterhaltskosten.<br />
Die Bewirtschaftung von 10 Hektaren Mischwald<br />
erfordert eine halbe Arbeitskraft (Bayrisches Staatsministerium<br />
für L<strong>and</strong>esentwicklung und Umweltfragen,<br />
1982; Eidg. Forschungsanstalt für l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />
Pflanzenbau Zürich/FSK-Schweiz, 1987; FSK, 1991; Flury,<br />
1996).<br />
Industrie: Als Beispiel für die Folgenutzungsklasse Industrie<br />
wählten wir einen Kleinbetrieb. Dies, weil die relativ<br />
kleinen Abbauflächen grössere Anlagen nicht zulassen würden<br />
und es unter den zum Zeitpunkt der Untersuchung<br />
gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen kaum wahrscheinlich<br />
ist, dass sich grössere Betriebe ansiedeln werden.<br />
Produktionsbetriebe, die durch den Einsatz oder die Lagerung<br />
von Stoffen das Grundwasser gefährden, wurden ausgeschlossen.<br />
Der Kleinbetrieb besteht aus einer Produktionshalle<br />
mit integrierten Büroräumen (5'500 m 3 ) und einer<br />
Lagerhalle (5'000 m\ Die gesamten Erstellungskosten belaufen<br />
sich aufca. 8 Mio. Franken. Für die öffentliche H<strong>and</strong><br />
entstehen keine Unterhaltskosten. Das Unternehmen bietet<br />
Arbeitsplätze für 25 Personen (Schweizerischer Baumeisterverb<strong>and</strong>,<br />
1991).<br />
Grubenbiotop: Kiesabbaugebiete sind als Lebensraum für<br />
verschiedene Pflanzen und Tiere von grosser Bedeutung.<br />
Die Abbauarbeit setzt eine Dynamik in Gang, welche die<br />
Existenz spezialisierter, oft vom Aussterben bedrohter<br />
Pflanzen und Tiere ermöglicht. Die von uns gewählte Folgenutzung<br />
Pionierst<strong>and</strong>ort hat zum Ziel, die für Grubenbiotope<br />
typischen Sukzessionsphasen über den Abbaubetrieb<br />
hinaus zu erhalten, sowie die Neuentwicklung derselben zu<br />
unterstützen. Die Erstellungskosten sind marginal. Sie setzen<br />
sich aus Aufwendungen für Absperrungen oderBeschilderungen<br />
zusammen und wurden in der Bewertung als null<br />
festgesetzt. Unterhaltskosten fallen durch Pflegemassnahmen<br />
an (Mähen und Forstarbeiten zur Verhinderung der<br />
natürlichen Sukzession). Sie belaufen sich auf etwa 100<br />
Franken pro Hektare und Jahr. Die zur Pflege von 10 Hektaren<br />
benötigten Arbeitsplätze sind marginal und werden in<br />
unserer Bewertung als null festgesetzt (Bayrisches Staatsministerium,<br />
1992).<br />
Erholung und Freizeit: Unter dem Oberbegriff Freizeit und<br />
Erholung entschieden wir uns für die Folgenutzung Freizeitpark<br />
mit See. Im Zentrum steht eine Wasserfläche, die etwa<br />
20 Prozent der Gesamtfläche ausmacht. Sie wird von einer<br />
flachen Uferzone umgeben. Für das restliche Grubengebiet<br />
sind keine gestalterischen Massnahmen vorgesehen. Die<br />
anfallenden Erstellungskosten für Abdichtungen, ohne<br />
Wasserzufuhr, bewegen sich in der Grössenordnung von<br />
25'000 bis 100'000 Franken pro Hektare. Kosten für Erdbewegungen<br />
hängen stark von der Form der Grube ab und<br />
lassen sich während des Abbauprozesses in gewissem Rahmen<br />
steuern. Sie wurden nicht erhoben. Ebenfalls wurden<br />
anfallende Kosten für Einrichtungen wie Grillplätze, Bänke<br />
und Tische sowie zu erstellende Parkplätze nicht berücksichtigt.<br />
Die Aufwendungen der öffentlichen H<strong>and</strong> für Pflege<br />
und Unterhalt der Anlage (Mähen der Böschungen, Forstarbeiten,<br />
Reinigung) wurden im Vergleich mit denen für<br />
Buntbrache und Pionierst<strong>and</strong>ort als hoch eingeschätzt. Zur<br />
Pflege von 10 Hektaren wird eine Arbeitskraft benötigt<br />
(Bayrisches Staatsministerium für L<strong>and</strong>esentwicklung und<br />
Umweltfragen, 1982; Schulz, 1977).<br />
2.3 Die regionale HewertLJrnf!<br />
Die regionale Bewertung der Nutzungsalternativen erfolgte<br />
unabhängig vom St<strong>and</strong>ort der Kiesgrube, nach regionalen<br />
Gesichtspunkten. Als Grundlage diente dazu ein von der<br />
Arbeitsgruppe zusammengestelltes Leitbild zur regionalen<br />
Entwicklung des Klettgaus in Bezug auf die nachhaltige<br />
Folgenutzung von Kiesgruben, da eine entsprechende und<br />
umfassende Sachplanung weder in Deutschl<strong>and</strong> noch in der<br />
Schweiz vorh<strong>and</strong>en ist. Unser regionales Entwicklungsleitbild<br />
basiert auf den Zielen der Richtplanung, des Materialabbaukonzeptes<br />
des Kantons Schaffhausen sowie aus Aussagen<br />
der Fallstudie 97. Im folgenden Abschnitt werden<br />
diese Ziele vorgestellt.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
149
Nutzungsalternativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
2.3.1 <strong>Region</strong>ales Entwicklungsleitbild bezüglich der<br />
nachhaltigen Nutzung der Kiesgruben im<br />
Klettgau<br />
Naturschutz: Die <strong>Region</strong> Klettgau ist als Vorranggebiet für<br />
ökologische Ausgleichsrnassnahmen zu betrachten. Auf regionaler<br />
Ebene muss mit ökologischen Trittsteinen und<br />
Korridoren eine bessere Vernetzung der verbliebenen naturnahen<br />
Lebensräume angestrebt werden. Dies erfolgt beispielsweise<br />
mit Hilfe einer geeigneten räumlichen Anordnung<br />
von ökologischen Ausgleichsflächen. Die Vielfalt der<br />
Lebensräume soll erhöht werden, indem Kiesgruben, welche<br />
ökologisch besonders attraktiv sind, erhalten werden.<br />
Enthalten sie gar Arten der Roten Liste, hat der Naturschutz<br />
Priorität.<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft: Die l<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktion soll auf<br />
regionaler Ebene erhalten bleiben. Die l<strong>and</strong>wirtschaftlich<br />
genutzten Flächen dürfen deshalb nicht vermindert werden.<br />
Zweckentfremdete Fruchtfolgeflächen sind zu kompensieren.<br />
Folgenutzungen von Kiesgruben für die l<strong>and</strong>wirtschaftliche<br />
Produktion sollen dort vorgenommen werden, wo sie<br />
den benachbarten Nutzungen entsprechen und die Flächen<br />
mit geringem Aufw<strong>and</strong> bewirtschaftet werden können. Gruben<br />
mit einer kleinen Grundfläche (4 ha) werden daher<br />
sinnvollerweise für die L<strong>and</strong>wirtschaft wiederaufgefüllt.<br />
Wald: Der Waldbest<strong>and</strong> der <strong>Region</strong> muss sowohl quantitativ<br />
als auch qualitativ erhalten werden. Die Folgenutzung von<br />
Gruben als Wald soll aus regionaler Sicht vor allem dort<br />
vorgenommen werden, wo sie die Funktion eines ökologischen<br />
Trittsteines oder Korridors wahrnehmen kann.<br />
Grundwasserschutz: Das Grundwasser muss in der ganzen<br />
<strong>Region</strong> geschützt werden. Daher dürfen in den Kiesgruben<br />
grundsätzlich keine Folgenutzungen realisiert werden, die<br />
ein hohes Gefahrenpotential zur Grundwasserverunreinigung<br />
mit sich tragen. Da die Grundwassergefährdung jedoch<br />
st<strong>and</strong>ortbedingt sehr unterschiedlich sein kann, muss<br />
das Risiko jeweils für den konkreten Fall abgeschätzt werden.<br />
Eine Folgenutzung mit erhöhter Gefahr für das Grundwasser<br />
kann nur gewählt werden, wenn die Rohplanie dicht<br />
gebaut wird.<br />
L<strong>and</strong>schaft: Die Folgenutzungen müssen sich ins regionale<br />
L<strong>and</strong>schaftsbild einfügen. Grubenst<strong>and</strong>orte, die besonders<br />
gut einsehbar sind, sollen nach Möglichkeit aufgefüllt werden,<br />
insbesondere wenn ihre Grundfläche im Vergleich zur<br />
Tiefe klein ist. Sonst werden sie als störendes Element im<br />
L<strong>and</strong>schaftsbild wahrgenommen.<br />
Erholung und Freizeit: Den Bedürfnissen der Bewohner<br />
nach Naherholung und Freizeiteinrichtungen sollen Rechnung<br />
getragen werden. Besteht diesbezüglich ein Bedürfnis,<br />
ist eine derartige Folgenutzung in Betracht zu ziehen.<br />
Siedlung: Die Besiedlung der <strong>Region</strong> soll geordnet und<br />
zweckmässig erfolgen. Es ist also bei der Wahl der Folgenutzung<br />
darauf zu achten, dass sie sich bestehenden Strukturen<br />
anpasst. Industrie- und Gewerbezonen sind in der<br />
<strong>Region</strong> ausreichend vorh<strong>and</strong>en, um den Bedarfder nächsten<br />
15 Jahre abzudecken. Eine Umzonung der Kiesgruben ist<br />
nur sinnvoll, wenn eine grosse zusammenhängende Fläche<br />
erforderlich ist. Dies trifft beispielsweise auf öffentliche<br />
Anlagen, Freizeiteinrichtungen oder Lagerhalien zu. Ebenfalls<br />
ist eine Umzonung sinnvoll, wenn die lärmdämpfenden<br />
Eigenschaften und die Nicht-Einsehbarkeit der Grube erwünscht<br />
sind. Aus regionaler Sicht eignen sich dazu Kiesgruben,<br />
die in der unmittelbaren Umgebung der Entwicklungsgemeinden<br />
liegen. Derartige Umzonungen müssen <strong>and</strong>erenorts<br />
kompensiert werden. Benachbarte Nutzungen<br />
sollten ähnlich sein, damit Synergien entstehen und es zu<br />
keinen Nutzungskonflikten mit Wohn- oder Erholungsgebieten<br />
kommt (Baudepartement des Kantons Schaffhausen,<br />
1998; Baudepartement des Kantons Schaffhausen, 1997b ;<br />
Scholz et al.,1998).<br />
2.3.2 Paarweiser Vergleich<br />
Anh<strong>and</strong> der im regionalen Entwicklungsleitbild formulierten<br />
Ziele (vgl. Abschnitt2.3.1) werden die Nutzungsalternativen<br />
paarweise auf ihre Eignung gegenein<strong>and</strong>er abgewogen.<br />
Dabei wird im wesentlichen die von Forman (1990)<br />
beschriebene Methode des «Analytic Hierarchy Process<br />
(AHP)>> angewendet. Es werden jeweils 100 Nutzenpunkte<br />
auf ein Paar aufgeteilt. Ziel ist es, den Nutzenunterschied<br />
zwischen den Alternativen zu erfassen (vgl. Tab. 3.1). Die<br />
Summe aller Punkte einer Nutzungsalternative ergibt ihre<br />
Teilsumme. Die sechs Teilsummen werden arithmetisch gemittelt.<br />
Aus der Division der Teilsummen mit ihrem arithmetischen<br />
Mittel ergeben sich die regionalen Gewichtungsfaktoren.<br />
Die Arbeitsgruppe führte diesen paarweisen Vergleich<br />
unabhängig vonein<strong>and</strong>er durch und die Ergebnisse wurden<br />
anschliessend diskutiert, bis man sich geeinigt hatte. Mit der<br />
100-Punkte-Regellässt sich die relative Bedeutung jeweils<br />
zweier Alternativen sehr anschaulich ausdrücken, die absolute<br />
Bedeutung dieser Alternativen innerhalb der Gesamtmenge<br />
der Alternativen ist daraus allerdings nicht ersichtlich.<br />
Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen: Die<br />
Bevorzugung von Alternative a gegenüber Alternative b sei<br />
80:20, die von c gegenüber d sei 50:50. Rein aus diesen<br />
Zahlenwerten ergibt sich eine Bevorzugung von a > c = d<br />
> b. Ebenso möglich ist aber auch eine Bevorzugung der<br />
beiden Alternativen c und d gegenüberdem Paar a und b, das<br />
heisst (c, d) > (a, b). Dieser zweite Sachverhalt wird jedoch<br />
aus den oben erwähnten Zahlenwerten nicht offensichtlich.<br />
2.4 Die lokale Bewertung<br />
2.4.1 Fallbeispiel Bäumliacker<br />
In diesem Beitrag soll am Fallbeispiel der Kiesgrube<br />
Bäumliacker exemplarisch eine Bewertung durchgeführt<br />
werden. Das Abbaugebiet der Grube Bäumliacker liegt am<br />
südlichen R<strong>and</strong> des Dorfes Beringen und wird durch die<br />
Strasse nach Trasadingen im Süden, sowie durch die Bahnlinie<br />
Schaffhausen-Waldshut im Norden begrenzt.<br />
150<br />
UNS-Fallstudie '98
____________________________ Nutzungsaitemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
Tab. 2.4.1.1: Angaben zur Bewertung der Outranking-Kriterien (vgl. Abschnitt 2.4.2)<br />
Angaben zum St<strong>and</strong>ort: St<strong>and</strong> 1998<br />
Verfügbarkeit von Ober- und Unterbodenmaterial<br />
Wasserverfü gbarkeit<br />
Beschreibung<br />
Vor Ort deponiert<br />
Kein natürlicher Wasserzufluss<br />
Arten der Roten Liste<br />
Keine bekannt<br />
I<br />
Verfügbarkeit von sauberem Aushubmaterial Gesichert<br />
I<br />
Tab. 2.4.1.2: Angaben zur Bewertung der Folgenutzungskriterien (vgl. Abschnitt 2.4.3)<br />
Angaben zum St<strong>and</strong>ort: St<strong>and</strong> 1998<br />
Abbaufläche<br />
Beschreibung<br />
4,7 Hektaren<br />
Arbeitsplätze 3<br />
Endgestaltungsbestimmungen Auffüllung, l<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzung<br />
keine Fruchtfolgefläche<br />
Benachbarte Nutzungen Industrie; Wohn- und Gewerbezone; L<strong>and</strong>wirtschaft, Materialabbauzone<br />
L<strong>and</strong>schaftsumgebung<br />
Lebensraumtypen<br />
Luft-/Lärmbelastung<br />
Gewässerschutzbereich<br />
Grube ist isoliert durch Eisenbahn und Strasse<br />
In der Nachbarschaft: intensive l<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzung, grosse<br />
Industriezonen<br />
Es fehlen Kleinstrukturen<br />
Es fehlen anschliessende naturnahe Korridore (Entfernung zum Wald ist<br />
grösser als 300 Meter)<br />
Ruderalfluren (einjährig)<br />
Ruderalfluren (zwei bis mehrjährig)<br />
Hecke entlang der Eisenbahnlinie<br />
Baufahrzeuge sind die einzige Emissionsquelle<br />
A<br />
Beeinträchtigung des L<strong>and</strong>schaftsbildes Grube mit Kratercharakter (Verhältnis Grubenradius zu Grubentiefe ist<br />
kleiner drei)<br />
Grube ist von der Wohnzone einsehbar<br />
2.4.2 Outranking für die lokale Bewertung<br />
Zweck dieses Verfahrens ist es, Nutzungsalternativen, die<br />
aus technischen oder ökologischen Gründen nicht realisierbar<br />
sind, auszuschliessen bevor sie das eigentliche Bewertungsverfahren<br />
durchlaufen. Die Ausprägung der einzelnen<br />
Kriterien wird mit einem (+) versehen, falls die bei der<br />
Grube vorherrschenden Bedingungen das Outranking-Kriterium<br />
erfüllen. Eine (0) steht, wenn das Kriterium für die<br />
betreffende Folgenutzung indifferent ist. Ist ein Outranking<br />
Kriterium nicht erfüllt und für die betreffende Folgenutzung<br />
eine zwingende Voraussetzung, ist bei der Ausprägung ein<br />
(-) einzusetzen. Ein einziges (-) bewirkt den Ausschluss der<br />
Nutzungsaitemative aus dem Bewertungsverfahren.<br />
Outranking-Kriterien:<br />
Verfügbarkeit von Ober- oder Unterbodenmaterial: Die<br />
Folgenutzung L<strong>and</strong>wirtschaft setzt einen mindestens 30<br />
Zentimeter hohen rekultivierungsfähigen Humus (Oberboden)<br />
und einen mindestens 80 Zentimeter mächtigen Verwitterungshorizont<br />
(Unterboden) voraus. Die Folgenutzung<br />
Forstwirtschaft bedingt einen mindestens 150 Zentimeter<br />
mächtigen Unterboden. Ist dieses Material regional nicht<br />
ausreichend vorh<strong>and</strong>en, müssen diese Folgenutzungen ausser<br />
Betracht gelassen werden.<br />
Wasserverfügbarkeit: Die Folgenutzung Freizeitpark mit<br />
See setzt voraus, dass der See mit Wasser gespiesen werden<br />
kann, entweder mit Oberflächenwasser oder durch Grundwasserzufluss.<br />
Die Speisung des Sees mit Wasser darf<strong>and</strong>erenorts<br />
aber nicht zu Wassermangel führen.<br />
Arten der Roten Listen: Grubenbiotope bieten oft seltenen,<br />
vom Aussterben bedrohten Pflanzen und Tieren Lebensraum.<br />
Neben Uferschwalben nutzen Amphibien die Abbaugebiete<br />
als Habitat, darunter die stark gefährdeten Arten<br />
Kreuzkröte, Laubfrosch, Gelbbauchunke oder verschiedene<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
151
NUlzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
Molcharten. Das Vorkommen von Arten der Roten Liste<br />
führt zum Ausschluss von Nutzungsalternativen, die diese<br />
Arten gefährden können.<br />
Veifügbarkeit von sauberem Aushubmaterial: Um die<br />
Grube bis aufdas projektierte Rohplanieniveau aufzufüllen,<br />
wird inertes, sauberes Aushub- und Gesteinsmaterial benötigt.<br />
Ist das Material in der <strong>Region</strong> Klettgau nicht verfügbar,<br />
sind die genannten Folgenutzungen unverhältnismässig und<br />
darum als nicht realisierbar zu betrachten.<br />
Nach dem Outranking verbleiben die Nutzungsalternativen<br />
Ackerbau, Buntbrache, Nutzwald, Kleinbetrieb und<br />
Pionierst<strong>and</strong>ort in der Bewertung. Die Folgenutzung Freizeitpark<br />
mit See fällt weg, weil für die Speisung eines Sees<br />
nicht genügend Wasser verfügbar ist. (vgl. Tab. 2.4.1.1)<br />
2,4.3 Nutzwertanalyse für die lokale Bewertung<br />
Die Nutzwertanalyse stellt anh<strong>and</strong> einer Bewertungsmatrix<br />
die Beziehung zwischen sämtlichen zur Auswahl stehenden<br />
Nutzungsalternativen (vgl. Abschnitt 2.1) und allen Bewertungskriterien<br />
her. Jedem Folgenutzungskriterium wird eine<br />
Nutzenfunktion zugeordnet, welche die Nutzwerte von den<br />
verschiedenen Sachdimensionen in eine einheitliche Wertdimension<br />
überführt. Die Nutzenpunkte jedes Kriteriums<br />
werden auf einen maximalen Nutzwert von drei normiert.<br />
Die Folgenutzungskriterien wurden so definiert, dass sie<br />
die verschiedenen Nutzenaspekte der Alternativen beschreiben.<br />
Dabei wurden drei Kategorien unterschieden: Raumplanerisch-regionalökonomische,<br />
naturräumlich-ökologische<br />
und soziale Nutzenaspekte (Teilnutzen). Bei der Bestimmung<br />
der Kriterien wurde einerseits darauf geachtet,<br />
dass sie für alle Nutzungsalternativen gelten. Andererseits<br />
sollten aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten eindeutige<br />
Nutzenfunktionen hergeleitet werden können.<br />
Innerhalb einer Nutzenkategorie werden die Kriterien<br />
nach Prioritäten einzeln gewichtet. Diese Gewichtung der<br />
Einzelkriterien wurde innerhalb der einzelnen Kategorien<br />
mittels paarweisem Vergleich bestimmt und von den Autoren<br />
durchgeführt (vgl. Tab. 3.2). Die Summe der Gewichte<br />
einer Kategorie beträgt eins. Somit beträgt die maximale<br />
Summe der Nutzwerte aller normierten, gewichteten Folgenutzungskriterien<br />
einer Kategorie drei.<br />
Die Summe aller Nutzwerte einer Folgenutzung ergibt<br />
deren Nutzwerttotal. Sie beträgt für jede Nutzungsalternative<br />
maximal neun. Die Nutzungsalternative mit dem höchsten<br />
Nutzwerttotal ist die beste Variante der lokalen Bewertung<br />
(vgl. Tab. 3.3).<br />
Tab. 2.4.2.1: Ausschlussverfahren von Nachnutzungsvarianten aufgrund der Outranking - Kriterien für das Fallbeispiel<br />
Beringen-Bäumliacker (+ Kriterium erfüllt; 0 Kriterium indifferent, - Kriterium nicht erfüllt)<br />
Beringen Bäumliacker<br />
Outranking - Kriterien<br />
+ unterstützt Nachnutzung<br />
o neutral<br />
• Nachnutzung nicht möglich<br />
o<br />
o<br />
+<br />
+<br />
o<br />
+<br />
+<br />
o<br />
+<br />
+<br />
o<br />
o<br />
o<br />
+<br />
+<br />
Die Spalten enthalten die Alternativen, die für die Bewertung folgendermassen definiert sind (vgl. Kap. 2.2):<br />
Ackerbau: Intensive L<strong>and</strong>wirtschaft, Weizenanbau; Rekultivierungskosten ca. Fr. 150'000 pro Hektare; keine Unterhaltskosten für die<br />
öffentliche H<strong>and</strong>; zwei Arbeitsplätze pro 10 ha<br />
Buntbrache: Extensive L<strong>and</strong>wirtschaft; Rekultivierungskosten wie für Ackerbau; Unterhaltskosten von Fr. 160 pro ha für die öffentliche<br />
H<strong>and</strong>; keine Arbeitsplätze<br />
Nutzwald: Forstwirtschaft, Mischwald; Rekultivierungskosten wie für Ackerbau, Pflanzung ca. Fr. 20'000 pro ha; keine Unterhaltskosten<br />
für die öffentliche H<strong>and</strong>; ein halber Arbeitsplatz pro 10 ha<br />
Kleinbetrieb: Industrie; Erstellungskosten ca. 8 Mio Fr.; keine Unterhaltskosten für die öffentliche H<strong>and</strong>; 25 Arbeitsplätze<br />
Freizeitpark mit See: Erholungs- und Freizeitnutzung; Erstellungskosten Fr. 25'000 bis 100'000 pro ha; hohe Unterhaltskosten für die öffentliche H<strong>and</strong>;<br />
ein Arbeitsplatz pro 10 ha<br />
Pionierst<strong>and</strong>ort: Grubenbiotop; keine Erstellungskosten; Unterhaltskosten ca. Fr. 100 pro ha; keine Arbeitsplätze<br />
152 UNS-Fallstudie '98
____________________________ Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
Folgenutzungskriterien:<br />
Bewertungskrite<br />
Raumplanerisch-regionalökonomische<br />
rien:<br />
I<br />
Arbeitsplätze nehmen ab<br />
Mindestens Halbierung der<br />
Arbeitsplätze<br />
(Ai) Erhaltung der Arbeitsplätze: Eine genügende Anzahl<br />
Arbeitsplätze ist bedeutend für eine gesunde, nachhaltige<br />
<strong>Region</strong>alwirtschaft. Sie verhindert u. a. grössere Pendlerströme<br />
in die Stadt Schaffhausen. Die Nutzenfunktion bezeichnet<br />
die Veränderung der Anzahl Arbeitsplätze der bewerteten<br />
Nutzungsalternative im Vergleich zur bestehenden<br />
Nutzungsart.<br />
I Mindestens Verdoppelung<br />
5<br />
I Arbeitsplätze<br />
,-'--------------+------1<br />
I Arbeitsplätze nehmen zu<br />
4<br />
i<br />
Erhaltung der Arbeitsplätze<br />
3<br />
2<br />
(A4) Erstellungskosten: Die Erstellungskosten umfassen<br />
sämtliche Kosten, die bei einer Folgenutzung am Anfang<br />
investiert werden müssen (Anfangsinvestitionen). Aufgrund<br />
von Erfahrungswerten aus der <strong>Region</strong> Schaffhausen<br />
und Konsultationen von Experten wurde eine Kostenrangordnung<br />
unter den X zu bewertenden Folgenutzungen erstellt.<br />
Folgenutzung mit den niedrigsten<br />
Erstellungskosten<br />
Folgenutzen mit den zweitniedrigsten<br />
Erstellungskosten<br />
Folgenutzung mit den höchsten<br />
Erstellungskosten<br />
(AS) Unterhaltskosten: Es wurden nur diejenigen Unterhaltskosten<br />
betrachtet, die von der öffentlichen H<strong>and</strong> getragen<br />
werden müssen (Strassenunterhalt, Beleuchtung, Reinigung,<br />
etc.). Investitionen der Unternehmer wurden nicht<br />
berücksichtigt, wie beispielsweise die jährlichen Ansaatkosten<br />
im Ackerbau.<br />
X-l<br />
(A2) Übereinstimmung mit den Endgestaltungsbestimmungen:<br />
Die Nutzungsalternative entspricht den Endgestaltungsbestimmungen<br />
die in der Abbaubewilligung oder Umweltverträglichkeitsprüfung<br />
(UVP) aufgeführt sind.<br />
Unterhaltskosten 50 bis 500 Franken<br />
pro Jahr und Hektare<br />
2<br />
Die Endgestaltungsbestimmungen<br />
werden erfüllt<br />
Die Endgestaltungsbestimmungen<br />
werden teilweise erfüllt oder es<br />
besteht keine Abbaubewilligung oder<br />
UVP<br />
Die Endgestaltungsbestimmungen<br />
werden nicht erfüllt<br />
(A3) Wechselwirkungen mit benachbarten Nutzungen: Zwei<br />
ähnliche oder sich ergänzende Nutzungsarten können Synergien<br />
ermöglichen, indem sie einen effizienten Stoff- oder<br />
Energieaustausch erlauben. Entstehen zwischen zwei Zonen<br />
grosse Nutzungskonflikte, kann eine Umzonung die Lösung<br />
sein. Dies ist aber nicht immer möglich und kostet Geld und<br />
Zeit. Aus diesen Gründen wurden Synergieeffekte positiv,<br />
Konfliktpotentiale negativ bewertet.<br />
3<br />
2<br />
Unterhaltskosten grösser als 500<br />
Franken pro Jahr und Hektare<br />
Naturräumlich-ökologische Bewertungskriterien:<br />
(Bi) Vernetzung der Lebensräume: In intensiv genutzten<br />
Kulturl<strong>and</strong>schaften stellt die Verinselung von Lebensräumen<br />
für verschiedene Tier- und Pflanzenarten ein grosses<br />
Problem dar. Die Aufwertung einer Kiesgrube zu einem<br />
Grubenbiotop oder einer ökologischen Ausgleichsfläche<br />
macht im Hinblick auf die Vernetzung jedoch nur einen<br />
Sinn, wenn sich im Umkreis von etwa 300 Metern weitere<br />
ökologische Trittsteine oder Korridore befinden. In diesem<br />
Fall stellt ein Grubenbiotop oder eine ökologische Ausgleichsfläche<br />
eine Verbesserung dar. Beurteilt wurden die<br />
Nutzungsalternativen in Bezug auf den Vernetzungsgrad<br />
zum heutigen Zust<strong>and</strong> (Flury, 1996).<br />
Konflikte möglich<br />
2<br />
Keine Änderung des Biotopverbunds<br />
Verschlechterung des Biotopverbunds<br />
2<br />
UNS-Fallstudie '98 153
Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
_<br />
(B2) Vielfalt der Lebensraumtypen: Die Anzahl unterschiedlicher<br />
Lebensraumtypen verwendeten wir als Indikator<br />
für die ökologische Qualität des St<strong>and</strong>orts. Eine hohe<br />
Lebensraum - und Strukturvielfalthat eine grasse Artenvielfalt<br />
zur Folge. Die Lebensraumtypen wurden aufgrund der<br />
Typologie der Lebensräume der Schweiz (Gall<strong>and</strong> & Gonseth,<br />
1991) definiert. Beurteilt wurden die Alternativen in<br />
Bezug auf die Lebensraumtypen des heutigen Zust<strong>and</strong>es.<br />
Mässige Gefährdung des<br />
Grundwassers<br />
Erhebliche Gefährdung des<br />
, Grundwassers<br />
2<br />
Soziale Bewertungskriterien:<br />
Keine Änderung der Vielfalt der<br />
Lebensraumtypen<br />
Verminderung der Vielfalt der<br />
Lebensraumtypen<br />
2<br />
(Cl) Vertretbarkeit der Änderung des L<strong>and</strong>schaftsbildes:<br />
Eine Kiesgrube ist ein starker lokaler Eingriff in das L<strong>and</strong>schaftsbild.<br />
Eine Folgenutzung mit Totalauffüllung würde<br />
den ursprünglichen Zust<strong>and</strong> wieder herstellen. Falls die<br />
Grube aber in ihrem Endzust<strong>and</strong> belassen wird, ist ihre<br />
optische Wirkung auf den Mensch und das L<strong>and</strong>schaftsbild<br />
von Bedeutung.<br />
Die Bewertung wurde von den Autoren anlässlich der<br />
Eröffnungsexkursion vorgenommen.<br />
(B3) Bedarfeiner Folgenutzung: Je nach St<strong>and</strong>ortgemeinde<br />
gibt es unterschiedliche ökologische, ökonomische und soziale<br />
Bedürfnisse abzudecken. Die Bedarfsabklärung für<br />
eine bestimmte Folgenutzung wurde im Rahmen eines Begleitgruppentreffens<br />
in Wilchingen mit Vertretern der lokalen<br />
Bevölkerung durchgeführt. Die Vertretbarkeit ist gut, wenn die<br />
3<br />
Hoher Bedarf 3<br />
Mittlerer Bedarf<br />
Kein Bedarf<br />
(B4) Luft-/Lärmbelastung: Es wurde abgeschätzt, wie grass<br />
die Luft-und Lärmbelastung beim Endzust<strong>and</strong> der Nutzungsalternative<br />
sein wird. Die während der Erstellung einer<br />
bestimmten Folgenutzung entstehende Belastung wurde<br />
vernachlässigt.<br />
I Mässige Luft- und Lärmbelastung<br />
Belastung schliesst Wohnen auf<br />
Nachbarparzelle aus<br />
2<br />
2<br />
Folgenutzung in ihrem<br />
Erscheinungsbild als nicht störend<br />
empfunden wird.<br />
Nur unter Vorbehalten vertretbar. 2<br />
Die Vertretbarkeit ist schlecht, wenn<br />
die Folgenutzung von weither<br />
einsehbar ist und als störendes<br />
Element in der topographischen<br />
Einheit und dem L<strong>and</strong>schaftsbild wirkt.<br />
(C2) Akzeptanz in der Bevölkerung: Für die Realisierung<br />
einer Nutzungsalternative ist die Akzeptanz einer breiteren<br />
Bevölkerungsschicht notwendig. Je nach Gemeinde und je<br />
nach Informationsgrad sowie wirtschaftlicher Situation haben<br />
die Bewohner in der Nähe einer Kiesgrube Wünsche<br />
und Vorstellungen, wie Kiesgruben nachgenutzt werden<br />
sollen. Bewertungsgrundlage bildete das Begleitgruppentreffen<br />
in Wilchingen.<br />
(B5) Gefährdung des Grundwassers: Das Gefahrdungspotential<br />
des Grundwassers ist je nach Folgenutzungsart<br />
unterschiedlich. Neben der Gefahr, die bei der Erstellung<br />
einer Endnutzung durch Auffüllarbeiten und Transporte<br />
besteht, wird das Gefahrdungspotential bei der endgültigen<br />
Folgenutzung abgeschätzt.<br />
Hohe Akzeptanz 3<br />
Neutrale Meinung<br />
2<br />
Grosse Ablehnung<br />
154 UNS-Fallstudie '98
_____________________________ Nutzungsalternativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
3 Resultate des fal/beispie/s<br />
Bäumliacker<br />
Die regionale Bewertung:<br />
Die Kiesgrube Bäumliacker befindet sich in der Entwicklungsgemeinde<br />
Beringen.<br />
Tab. 3.1: Paarweiser Vergleich der Nutzungsalternativen<br />
für Beringen<br />
Den grässten regionalen Gewichtungsfaktor weist die<br />
Nutzungsalternative Kleinbetrieb auf. Am wenigsten Gewicht<br />
erhält der Pionierst<strong>and</strong>ort.<br />
Die lokale Bewertung:<br />
Die lokale Bewertung favorisiert Ackerbau als Folgenutzung<br />
für die Kiesgrube Bäumliacker. Als gleichwertige<br />
Nutzungsalternativen folgen Buntbrache und Kleinbetrieb.<br />
Nutzwald und Pionierst<strong>and</strong>ort werden als für diese Kiesgrube<br />
weniger geeignet eingestuft.<br />
Paarweiser Vergleich der<br />
Nachnutzungsalternativen<br />
für die<br />
Gebietsklasse<br />
Entwicklungsgemeinde<br />
Die Synthese aus der regionalen und lokalen<br />
Bewertung:<br />
Sowohl nach der lokalen als auch nach der regionalen Bewertung<br />
setzt sich von allen Nutzungsalternativen Ackerbau<br />
durch. Aufgrund der regionalen Gewichtung tauschen Pionierst<strong>and</strong>ortundNutzwalddie<br />
Plätze. Der Kleinbetrieb liegt<br />
nun vor der Buntbrache alleine auf dem zweiten Platz.<br />
55 50<br />
50 50 40<br />
Tab. 3.2: Paarweiser<br />
Vergleich<br />
zur Gewichtung<br />
der<br />
Einzelkriterien<br />
UNS-Fallstudie '98 155
Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
Tab. 3.3: Lokales Bewertungssystem<br />
Normierung<br />
Gewicht<br />
Einzel-<br />
kriterium<br />
Raumplanerisch~ regionalökonomische Bewertungskriterien<br />
Al Erhaltung der Arbeitsplätze 0.60 0,210 1 0.13 1 0.13 1 0.13 5 0,63<br />
A2 Übereinstimmung mit den Endgestaltungsbestimmungen 1,00 0.120 3 0,36 1 0,12 1 0,12 1 0,12<br />
A3 Wechselwirkungen mit benachbarten Nutzungen 1,00 0.280 2 0,56 2 0,56 2 0,56 3 0,84<br />
A4 Erstellungskosten 0,60 0.195 3 0,35 4 0,47 2 0,23 1 0,12<br />
A5 Unterhaltskosten 1,00 0.195 3 0.59 2 2 3<br />
Zwischensumme 1,000<br />
Naturräumlich-ökologische Bewertungskriterien<br />
81 Vernetzung der Lebensräume 1,00 0,205 0,41 0,41 0,41 0,41<br />
82 Vielfalt der Lebensraumtypen 1.00 0,165 0,17 0,33 0,33 0.17<br />
83 Bedarf einer Nachnutzung 1.00 0,160 0,32 0.32 0.16 0.32<br />
84 Lutt-j Lärmbelastung 1.00 0,210 0,42 0,63 0,42 0,42<br />
85 Gefährdun des Grundwassers 1.00 0,260<br />
Zwischensumme 1,000<br />
Soziale Bewertungskriterien<br />
C1 Vertretbarkeit der Änderung des L<strong>and</strong>schaftsbildes 1,00 0,500 1.50 1,50 1,00<br />
C2 Akze tanz in der Bevölkerun 1,00 0,500<br />
Zwischensumme 1,000<br />
Total<br />
Tab. 3.4: Die Synthese aus der regionalen und lokalen Bewertung<br />
4 Diskussion<br />
Die Nutzungsalternative intensive L<strong>and</strong>wirtschaft erhält<br />
den höchsten Nutzwert. Den Rang zwei belegt die Alternative<br />
Kleinbetrieb (Industrie), dahinter folgen extensive<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft (Buntbrache) auf Rang 3, Grubenbiotop<br />
(Pionierst<strong>and</strong>ort) auf Rang 4 und Wald (genutzter Mischwald)<br />
auf Rang 5 (vgl. Abb. 4.1.1).<br />
Aus dieser Abbildung geht ebenfalls hervor, dass die<br />
Gewichtung der Nutzungsalternativen nach regionalen<br />
Aspekten im wesentlichen als Massstabsfaktor wirkt, der<br />
das Ergebnis der Bewertung deutlicher hervorhebt.<br />
Zur Überprüfung derAussagekraft des Ergebnisses wurde<br />
einerseits dessen Genauigkeit, <strong>and</strong>ererseits dessen Differenziertheit<br />
abgeschätzt. Der mittlere Fehler der Bewertung<br />
nach lokalen Gesichtspunkten wurde nach der Methode der<br />
kleinsten Quadrate bestimmt. Dabei wurde davon ausgegangen,<br />
dass die Bestimmung der Ausprägung der einzelnen<br />
Kriterien eine Genauigkeit von einer Einheit der Nutzenfunktionen<br />
aufweist. Nach der Normierung ergibt das bei<br />
einer 3-Stufenskala einen Fehler von 1.0 Nutzwert, bei einer<br />
5-Stufenskala einen solchen von 0.6 Nutzwerten. Die Summe<br />
der gewichteten Fehlerquadrate ergibt schliesslich einen<br />
Fehler von 2.7, was 30% des maximal erzielbaren Nutzwerts<br />
entspricht (vgl. Tab. 4.1.1). Letztererberechnet sich aus dem<br />
maximalen Nutzwert aus lokaler Bewertung multipliziert<br />
mit der maximalen Gewichtung nach regionalen Aspekten<br />
(9 x 1.12 = 10.08). Die Ursache für diesen relativ grossen<br />
Fehler liegt vermutlich in der groben Skala der Nutzenfunktionen,<br />
wo jeweils nur drei bzw. fünf Stufen unterschieden<br />
wurden.<br />
Die grobe Skala der Nutzenfunktionen führt aber auch<br />
dazu, dass das Ergebnis nicht sehr differenziert ausfallt. Die<br />
minimale Ausprägung eines Kriteriums kann den Wert 1<br />
nicht unterschreiten und die maximale Ausprägung den<br />
Wert 3 (nach der Normierung) nicht überschreiten. Während<br />
nun der maximal zu erzielende Nutzwert 10.08 beträgt, liegt<br />
156 UNS-Fallstudie '98
_______________________________ Nutzungsalternativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
8.0,---0 lokale Bewertung<br />
lokale und regionale<br />
Bewertung<br />
7.0<br />
6.0<br />
5.0<br />
CD<br />
t::<br />
CD<br />
~ 4.0<br />
Sz<br />
3.0<br />
2.0<br />
1.0<br />
0.0<br />
Ackerbau Buntbrache l'Jutzwald<br />
Kleinbetrieb<br />
Pionierst<strong>and</strong>ort<br />
Abb. 4.1.1: Die Nutzwerte der einzelnen<br />
Alternativen, einerseits gemäss lokaler<br />
Bewertung, <strong>and</strong>ererseits nach lokaler<br />
und regionaler Bewertung<br />
Tab. 4.1.1: Fehlerrechnug zur Abschätzung der Zuverlässigkeit der errechneten Nutzwerte<br />
Fehlerrechnung<br />
Fehler a<br />
priori<br />
Raumplanerisch- regionalökonomische Bewertungskriterien<br />
A1 Erhaltung der Arbeitsplätze 1,00 0,60 0,21 5.000 0.630 0,600 0.360 0,076<br />
A2 Übereinstimmung mit den Endgestaltungsbestimmungen 1.00 1,00 0,12 3.000 0.360 1.000 1.000 0,120<br />
A3 Wechselwirkungen mit benachbarten Nutzungen 1,00 1.00 0,28 3.000 0.840 1.000 1,000 0.280<br />
A4 Erstellungskosten 1.00 0,60 0,20 5.000 0,585 0.600 0,360 0,070<br />
A5 Unterhaltskosten 1.00 1.00 0,20 3,000 0,585 1,000 1,000 0,195<br />
Zwischensumme 1,00 3,000 0,741<br />
Naturräumlich-ökologische Bewertungskriterien<br />
B1 Vernetzung der Lebensräume 1,00 1,00 0,21 3,000 0,615 1,000 1,000 0,205<br />
B2 Lebensraumtypenvielfalt 1,00 1,00 0,17 3,000 0,495 1,000 1,000 0,165<br />
B3 Bedarf einer Nachnutzung 1,00 1,00 0,16 3,000 0,480 1,000 1,000 0,160<br />
B4 Luft-j Lärmbelastung 1,00 1,00 0,21 3,000 0,630 1,000 1,000 0,210<br />
B5 Gefährdung Grundwasser 1,00 1,00 0,26 3,000 0,780 1,000 1,000 0,260<br />
Zwischensumme 1,00 3,000 1,000<br />
Soziale Bewertungskriterien<br />
C1 Vertretbarkeit der Änderung des L<strong>and</strong>schaftsbildes 1,00 1,00 0,50 3,000 1,500 1,000 1,000 0,500<br />
C2 Akzeptanz in der Bevölkerung 1,00 1,00 0,50 3,000 1,500 1,000 1,000 0,500<br />
Zwischensumme 1,00 3,000 1,000<br />
9,000<br />
der minimal zu erzielende Nutzwert bei 2.64. Diesen erhält<br />
man aus dem minimalen Nutzwert aus lokaler Bewertung<br />
multipliziert mit der minimalen Gewichtung nach regionalen<br />
Aspekten (3 x 0.88 = 2.64). Die Ergebnisse der Bewertung<br />
können also nur in einem Wertebereich von 2.64 und<br />
10.08 (Differenz =7.44) liegen. Daher lässt sich die Bevorzugung<br />
einzelner Varianten nur mit beschränkter Deutlichkeit<br />
wiedergeben.<br />
Aus diesen Gründen legten die Autoren für die weitere<br />
Interpretation der Resultate zwei Schwellenwerte fest: Eine<br />
Präferenzschwelle von 2.7, die dem mittleren Fehler der<br />
Bewertung entspricht, und eine Indifferenzschwelle von<br />
l.l, die 15% der Differenz zwischen dem maximal und<br />
minimal erzielbaren Nutzwert entspricht. Ist die Differenz<br />
zwischen den Nutzwerten zweier Nutzungsalternativen grösser<br />
als der Präferenzschwellenwert, ist die Alternative mit<br />
dem höheren Nutzwert eindeutig vorzuziehen (
Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
_<br />
Abb. 4.1.1 macht deutlich, dass im vorliegenden Fall<br />
keine «strenge Bevorzugung» erreicht werden konnte. Allerdings<br />
herrscht eine «schwache Bevorzugung» der NutzungsalternativenAckerbau<br />
(intensive L<strong>and</strong>wirtschaft) und<br />
Kleinbetrieb (Industrie) gegenüber den übrigen Alternativen.<br />
Die Alternativen Ackerbau und Kleinbetrieb sowie die<br />
drei Folgenutzungen extensive L<strong>and</strong>wirtschaft, Wald und<br />
Pionierst<strong>and</strong>ort sind unter sich jeweils als gleichwertig<br />
einzustufen. Als H<strong>and</strong>lungsempfehlung schlagen die Autoren<br />
für die Kiesgrube Bäumliacker bei Beringen die Folgenutzungen<br />
Ackerbau oder Kleinbetrieb vor.<br />
5 Zusammenfassung<br />
Schlussfolgerung<br />
In der vorliegenden Arbeit wurde aufder Basis der multikriteriellen<br />
Analyse eine Methode entwickelt, mit der Konzepte<br />
für die Folgenutzung stillgelegter Kiesgruben im Klettgau<br />
erstellt werden können. Die Methode erlaubt eine Bewertung<br />
von Nutzungsalternativen im Hinblick auf die aktuellen<br />
Rahmenbedingungen der <strong>Region</strong>.<br />
In einem ersten Schritt werden aufgrund eines regionalen<br />
Entwicklungsleitbildes geeignete Folgenutzungen bestimmt<br />
und bewertet, was zu einer Gewichtung derselben<br />
nach regionalen Gesichtspunkten führt. In einem zweiten<br />
Schritt werden die Nutzungsalternativen für jede einzelne<br />
Kiesgrube nach den lokal herrschenden Rahmenbedingungen<br />
bewertet. Die regionale Gewichtung wird durch einen<br />
paarweisen Vergleich der Alternativen herbeigeführt, die<br />
lokale Bewertung wird anh<strong>and</strong> einer Nutzwertanalyse vollzogen.<br />
Die verwendeten Methoden sind an den Konkretisierungsgrad<br />
derjeweils zur VerfÜgung stehenden Information<br />
angepasst. Bei der Bewertung werden sowohl naturräumlich-ökologische,<br />
raumplanerisch-regionalökonomische als<br />
auch soziale Aspekte berücksichtigt. Durch ein der Bewertung<br />
vorgeschaltetes Outranking lässt sich der zur Bewertung<br />
erforderliche Zeitaufw<strong>and</strong> herabsetzen.<br />
Anh<strong>and</strong> einer Bewertung des Fallbeispiels Beringen<br />
Bäumliacker durch die Studenten wurde die Durchführbarkeit<br />
des Bewertungsverfahrens getestet. Die ökologischen,<br />
ökonomischen, raumplanerischen und technischen Kriterien<br />
wurden dabei aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen<br />
(Literatur, raumplanerische Leitbilder, etc.) abgeleitet.<br />
Diese Kriterien bauen grundsätzlich auf objektiven Fakten<br />
auf, so dass ihre Herleitung in den meisten Fällen plausibel<br />
erscheint. Zum Teil ist die Herleitung allerdings aufgrund<br />
mangelnder Quellen nur sehr grob möglich (z. B. Tab.<br />
2.4.1.1, Verfügbarkeit von Aushubmaterial = gesichert).<br />
Schwierigkeiten ergaben sich aber insbesondere bei den<br />
sozialen Kriterien. Diese auf subjektiven Grössen basierenden<br />
Kriterien wurden vor allem unter sehr geringem Einbezug<br />
der lokalen Bevölkerung bestimmt, d.h. aufgrund nur<br />
eines Begleitgruppentreffens. Zudem haben die sozialen<br />
Kriterien vermutlich ein zu hohes Gewicht im Verhältnis zur<br />
Unschärfe der eingesetzten Daten und im Verhältnis zu den<br />
beiden Gruppen von raumplanerisch-regionalökonomischen<br />
und naturräumlich-ökologischen Bewertungskriterien.<br />
Weitere praktische Schwierigkeiten ergaben sich aus der<br />
groben Skala der Nutzenfunktionen (vgl. Kap. 4). Daraus<br />
ergibt sich ein relativ grosser Fehler des Resultats. Doch<br />
trotz der eingeschränkten Genauigkeit ist das Resultat zu<br />
einem bestimmten Mass dennoch aussagekräftig. Dies belegen<br />
die Schwellenwerte für Präferenz bzw. Indifferenz, die<br />
zur Interpretation der Resultate eingeführt wurden.<br />
Um möglichst objektive Datengrundlagen aufzubauen,<br />
konnten sich die Studenten deshalb auch bei derErarbeitung<br />
des Leitbildes für die regionale Bewertung lediglich auf<br />
schriftliche Unterlagen sowie auf Aussagen von Vertretern<br />
der lokalen Bevölkerung an einem Begleitgruppentreffen<br />
stützen. Den Paarvergleich zur Bewertung der Alternativen<br />
158<br />
UNS-Fallstudie '98
_____________________________ Nutzungsalternativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
führten die Studierenden aus den oben erwähnten Gründen<br />
selbst durch. Dadurch konnte wohl das methodische Vorgehen<br />
Schritt für Schritt klar aufgezeigt werden, die Resultate<br />
widerspiegeln jedoch vermutlich nicht in allen Fällen die<br />
Haltung der Klettgauer Bevölkerung.<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, das sich grundsätzlich<br />
anh<strong>and</strong> der aufgezeigten Methode ein Bewertungssystem<br />
für Nachnutzungen stillgelegter Kiesgruben aufbauen lässt.<br />
Für ein stichhaltiges Resultat müssen allerdings noch einzelne<br />
Verbesserungen angebracht werden, vor allem in Bezug<br />
auf die Modellansätze zur Beschreibung des Bewertungssystems,<br />
die den Nutzenfunktionen zugrunde gelegt werden.<br />
Die ingenieurtechnische Seite der Bewertung ist in ihrem<br />
Grundprinzip nachvollziehbar, die sozialwissenschaftliche<br />
Seite weist jedoch erhebliche Mängel auf. Diese Mängel<br />
liessen sich durch eine noch intensivere Zusammenarbeit<br />
mit technisch ausgebildeten und sozialwissenschaftlich ausgebildeten<br />
Fachleuten vermeiden. Die vorgestellte Methode<br />
ist in dieser Form deshalb eher als Prototyp zu verstehen.<br />
Dennoch empfehlen die Autoren, für die Erteilung von<br />
Kiesabbaubewilligungen anstelle der Erstellung strenger<br />
Gestaltungspläne vor Abbaubeginn eine multikriterielle<br />
Evaluation von Folgenutzungen nach Abbauende vorzuschreiben.<br />
Denn diese Methode erlaubt eine umfassende und<br />
flexible Berücksichtigung der aktuellen Bedürfnisse der<br />
<strong>Region</strong>. Zudem zeigt sie den Entscheidungsprozess transparent<br />
und für alle Beteiligten nachvollziehbar auf. Somit<br />
könnten nach Meinung der Autoren die aktuellen Chancen<br />
der <strong>Region</strong> Klettgau besser ausgenutzt werden.<br />
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UNS-Fallstudie '98<br />
159
Nutzungsaltemativen ehemaliger Kiesabbaugebiete<br />
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160 UNS-Fallstudie '98
Autoren:<br />
Jane Muncke<br />
Christian Rudolf<br />
Inhalt:<br />
1. Der Klettgau: l<strong>and</strong>schaft am R<strong>and</strong>? - Oie Ausgangslage 163<br />
Aufbauend aufden Ergebnissen der<br />
Arbeitsgruppe:<br />
Florian Baumann<br />
Judith Eichenberger<br />
Frank Eyhom<br />
Patrick Gomez<br />
Oliver Kleiber<br />
Peter Kleinert<br />
O/ofKühnholz<br />
Daniellang<br />
Markus lerch<br />
Claudia Meyer<br />
Alice Müller<br />
JaneMuncke<br />
Senta Niederegger<br />
Thomas Rotondo<br />
Christian Rudolf<br />
Fram;ois Rüttimann<br />
Romina Salemo<br />
Markus Seiler<br />
Arik Spengler<br />
Dirk Steinbach<br />
Christoph Sutter<br />
Petra Widmer<br />
lucZwank<br />
MiguelBaeriswyl (Tutor)<br />
Susanne Gatti (Tutorin)<br />
Georg Michalik (Tutor)<br />
Konrad Schleiss (Tutor)<br />
2. Viele Einflüsse auf viele Akteure - ökonomisches H<strong>and</strong>eln<br />
im Klettgau und Zieldefinition für die Synthesearbeit 174<br />
3. Viele Wege in die Zukunft - Oie formative Szenarioanalyse 179<br />
4. Einsichten und Aussichten - Kritik und Schlussfolgerungen 206
Wirtschaft<br />
162 UNS-Fallstudie '98
________________________________________ Wirtschaft<br />
1 Der KJettgau: l<strong>and</strong>schaft am<br />
R<strong>and</strong>? - Die Ausgangslage<br />
In diesem Kapitel wird die Arbeit der Synthesegruppe Wirtschaft<br />
dargestellt. Ziel war die Entwicklung einer Vision für<br />
die Wirtschaftsregion Klettgau, welche sich stark an der<br />
Strategie Nachhaltiger Entwicklung orientiert. Dabei soll<br />
nachhaltige Entwicklung als ein Idealzust<strong>and</strong> und nicht als<br />
eine zu verwirklichende Zielgrösse aufgefasst werden.<br />
Das Kapitel gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil wird<br />
die wirtschaftshistorische Entwicklung der <strong>Region</strong> beschrieben.<br />
Die Notwendigkeit, die Entwicklung des zu analysierenden<br />
Systems zu betrachten, begründet Dahlin<br />
(1975) folgendermassen: «A case study ... is an attempt to<br />
focus attention on the process of change, especially the<br />
critical factors that influence the direction <strong>and</strong> the quality of<br />
change effort.» Ergänzend dazu erwähnen Scholz et al.<br />
(1995a, S.43): «Fallstudienarbeit in den Umweltwissenschaften<br />
muss deshalb grundsätzlich eine Analyse der Vergangenheit<br />
und der Geschichte des untersuchten Systems<br />
beinhalten.»<br />
Im zweiten Teil wird die SystemmodelIierung erläutert<br />
und das spezielle Vorgehen verständlich gemacht. Ein Wirkungsgefüge<br />
wird für den Klettgau entworfen, anschliessend<br />
werden die drei Wirtschaftssektoren eingehend analysiert<br />
und in das Wirkungsgefüge integriert. Dieses Wirkungsgefüge<br />
dient als Basis bei der Szenarienauswahl, aus<br />
der letztendlich eine Vision für den Klettgau entwickelt<br />
wird. Abschliessend werden im Rahmen einer Synthese die<br />
Resultate aus Systemmodellierung und Szenarioanalyse in<br />
Form von H<strong>and</strong>lungsansätzen dargestellt.<br />
1.1 Wie alles kam - Historische<br />
Entwicklung der Wirtschaftszweige<br />
im Klettgau<br />
Um die gegenwärtige ökonomische Situation im Klettgau<br />
verstehen zu können, ist es nützlich, sich die Geschichte der<br />
<strong>Region</strong> vor Augen zu halten. Betrachten wir zunächst die<br />
schweizer Seite. Dort entwickelte sich der Klettgau von<br />
einer L<strong>and</strong>schaft der einflussreichen Stadt Schaffhausen zur<br />
wirtschaftlich unterstrukturierten Grenzregion am R<strong>and</strong>e<br />
der Eidgenossenschaft.<br />
Die Zusammenstellung wesentlicherEreignisse und Wirtschaftsweisen<br />
der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte<br />
ist nicht vollständig, sondern vielmehr eine Skizze, welche<br />
die heutige Situation im deutschen und schweizerischen<br />
Klettgau verständlich machen soll. Umbruch und Neubeginn<br />
in verschiedenen Epochen werden anh<strong>and</strong> von ausgewählten<br />
Beispielen dargestellt. Dabei soll stets die umweltnaturwissenschaftliche<br />
Perspektive gewahrt bleiben.<br />
Im Lauf der Jahrhunderte veränderte sich das Verhältnis<br />
von Wald-, Wiesen-, Acker- und Rebflächen, wuchs oder<br />
verringerte sich zugunsten einer <strong>and</strong>eren Nutzung (vgl.<br />
Stein, 1971, S.482; Scholz et al., 1998; Hornstein, 1951). In<br />
der Chronik des Kreises Waldshut (Schäfer, 1957) liest man:<br />
«Grass waren die Umwälzungen in der L<strong>and</strong>wirtschaft. Die<br />
Dreifelderwirtschaft verschw<strong>and</strong>, der künstliche Dünger<br />
hielt seinen Einzug. Der Spelz hörte auf, das «Kom» zu sein,<br />
und das Wiesenareal dehnte sich aus. Der Anbau von Hanf,<br />
Flachs, Bohnen, Erbsen und Mohn und der einstens bis auf<br />
die Höhe des Sparrenberges hinaufgestiegene Rebbau gingen<br />
katastrophal zurück.»<br />
Der Klettgau beliefert seine Bewohner mit verschiedenen<br />
Bodenschätzen. Während der kalten Jahreszeit f<strong>and</strong>en die<br />
Bauern in diesem Bereicheine alternative Betätigung (Wildberger,<br />
1917). Abgebaut wurden beispielsweise Erz, Kalk,<br />
Gips und Quarzs<strong>and</strong> (nachzulesen bei Bächtold und Wanner,<br />
1983, S.lOOff sowie Schmidt, 1971, S. 415ff). Die<br />
Bohnerzförderung f<strong>and</strong> vermutlich schon lange vor dem<br />
Dreissigjährigen Krieg (1618-48) statt, doch erst durch den<br />
erhöhten Bedarfan Rüstungen wurde der Abbau intensiviert<br />
(Schmidt, 1971). Aufgrund des Holzmangels mussten<br />
Schmelzen und Eisenwerke jedoch vielerorts vorübergehend<br />
eingestellt werden. Diese Abbauorte sind nach wie vor<br />
sichtbare Elemente der L<strong>and</strong>schaft und prägten damals wie<br />
heute das Leben und Wirtschaften der <strong>Region</strong>, allerdings in<br />
jeweils unterschiedlichem Ausmass.<br />
1.1.1 Die Erfindung der L<strong>and</strong>wirtschaft-<br />
Von der Dreifelderwirtschaftzum modemen<br />
Wirtschaftsunternehmen<br />
Der Klettgau ist eine der am frühesten besiedelten <strong>Region</strong>en<br />
Europas. Seine Geschichte beginnt während der neolithischen<br />
Revolution (um 3000 v.Chr.), einer Periode von allgemein<br />
grosser Bedeutung für die Entwicklung der Menschheit.<br />
Eine vertiefte Betrachtung würde den Rahmen dieser<br />
Darstellung jedoch sprengen.<br />
Die Erwerbstätigkeit der Klettgauer Bevölkerung beschränkte<br />
sich bis zur Industriellen Revolution vorwiegend<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
163
Wirtschaft<br />
Natur immer mehr L<strong>and</strong> abgerungen. Jene L<strong>and</strong>nahme führte<br />
zur Umnutzung von Waldflächen zu Ackerl<strong>and</strong> (Biekel,<br />
1973, S.165). Im Hochmittelalter hatte man den Wald auf<br />
ein Minimum reduziert, so dass aufdiesem Weg keine neuen<br />
Ackerflächen gewonnen werden konnten (Hornstein, 1951).<br />
Nahrungsmittelknappheit und Unzufriedenheit in der Bevölkerung<br />
waren die Folge, und über Jahrhunderte hinweg<br />
immer wieder Auslöser von Raubzügen und Kriegen. Auch<br />
im Klettgau war man immer wieder in so arger Bedrängnis,<br />
dass man sich gezwungen sah, zu den Waffen zu greifen.<br />
Aus diesen Ereignissen ergaben sich Schwankungen der<br />
Bevölkerungsdichte, auf Bevölkerungswachstum und begrenzte<br />
L<strong>and</strong>ressourcen folgten Kriege, welche die Populationen<br />
dezimierten und der siegreichen Partei neues L<strong>and</strong><br />
einbrachten, welches bewirtschaftet werden konnte. Auch<br />
Krankheitsepidemien, wie die Pest im 15. Jahrhundert, verringerten<br />
die Bevölkerung.<br />
Abb. 1.1: Pflege einer alten Tradition, die aber wirtschaftlich<br />
schon lange keine Bedeutung mehr besitzt: Eine Klettgauerin<br />
bedient die Hanfbreche. Nach dem Einweichen des<br />
Hanfs Über Nacht in einem Bach werden die geschmeidigen<br />
Fasern von den spröden Pflanzenteilen befreit. Dies ist der<br />
erste Produktionsschritt bei der Herstellung von Geweben<br />
aus Hanf. Foto: Werner BÜtzberger, Neunkirc'h.<br />
auf die L<strong>and</strong>wirtschaft. Zum einen, weil die Böden dafür<br />
sehr geeignet waren, vor allem aber, weil die Bewohner des<br />
Klettgaus im Gegensatz zur städtischen Bevölkerung<br />
Schaffhausens unfrei waren und sich nach der Zunftverordnung<br />
von 1411 zu richten hatten, welche die Ausübung<br />
h<strong>and</strong>werklicher Berufe stark einschränkte. Die strenge<br />
Richtlinie der Dreifelderwirtschaft, auch ZeIgenwirtschaft<br />
genannt, schrieb die l<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktion genau<br />
vor. Während eines Jahres sollte ein Feld immer brachliegen,<br />
es wurde meist als Viehweide verwendet. Ein Feld<br />
wurde mit Wintergetreide (Weizen, Roggen, Dinkel), das<br />
<strong>and</strong>ere mit Sommergetreide (Hafer, Gerste) bestellt. Ausser<br />
dem Brachfeld st<strong>and</strong> für die Viehhaltung nur die Allmend<br />
zur Verfügung. Der Düngemittelertrag war gering, was sich<br />
wiederum auf den Ertrag der bestellten Felder auswirkte<br />
(Bächtold und Wanner, 1983). Die Bevölkerung musste<br />
zudem Steuern sowie den Zehnten von ihren Erträgen bezahlen.<br />
Für den eigenen Lebensbedarfblieb nicht mehr viel.<br />
Die ZeIgenwirtschaft sollte noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
beibehalten werden, in manchen Orten sogar bis<br />
zur Gesamtmelioration 1945. Infolge des Bevölkerungswachstums<br />
seit der neolithischen Revolution wurde der<br />
Einst sakrales Gut - Die Anfänge des Weinbaus im<br />
Klettgau<br />
Neben dem Anbau von Getreide war der Rebbau im Klettgau<br />
wichtig. Er begann, wie man heute annimmt, mit dem<br />
Siegeszug der Römer nach Norden. Vermutlich brachten sie<br />
den Wein in diese L<strong>and</strong>schaft, welche sich wegen geringer<br />
Niederschlagsmengen und einem milden Klima für den<br />
Weinanbau sehr gut eignet. Seit der Christianisierung im 7.<br />
Jahrhundert (Schäfer, 1957, S.133) waren es die Klosterbewohner,<br />
die den Wein in ihren Gärten kultivierten und das<br />
Wissen um seine Verarbeitung am Leben erhielten (vgl.<br />
Stein, 1971; Scholz et al., 1998, S.70ff). Seit dem späten<br />
Mittelalter wurde im Klettgau auch von Bauern Wein angebaut,<br />
und bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gab es dort kein<br />
Dorf ohne Rebbau. Wein war das wichtigste Exportgut der<br />
Stadt Schaffhausen (Bächtold und Wanner, 1983).<br />
Der Weinbau in Hallau wurde um das Jahr 1280 erstmals<br />
erwähnt. Die Rebberge entsprachen bis vor 100 Jahren nicht<br />
im geringsten ihrem heutigen Erscheinungsbild. Pflanzen<br />
wuchsen wild durchein<strong>and</strong>er, rote und weisse Trauben wurden<br />
vermischt angebaut und gekeltert. Erst im 19. Jahrhundert<br />
setzen sich die l<strong>and</strong>schaftsprägenden Rebzeilen durch.<br />
Der Vorteil dieser Anbauweise ist die bessere Qualität,<br />
nachteilig sind die geringeren Erträge. Dank dieser neuen<br />
Anbauweise, welche von einem Hallauer Bauern eingeführt<br />
wurde, erlangte der Hallauer Wein - und allgemein der Wein<br />
aus dem Klettgau - über die Grenzen des Kantons hinaus<br />
einen guten Ruf (Bächtold und Wanner, 1983, S.79).<br />
Weitere wichtige Kulturpflanzen, die in der <strong>Region</strong> angebaut<br />
wurden, sind Hanf (siehe Abbildung 1.1) und Flachs.<br />
Man verwendete sie hauptsächlich I zur Tuchproduktion.<br />
Erst im 19. Jahrhundert wurden diese Pflanzen mit dem<br />
Aufkommen der Baumwolle verdrängt.<br />
IHanf wurde auch als Dichtungsmaterial bei Wasserrohren, das sog. Abwerg,<br />
bis Mitte des 20. Jahrhunderts verwendet.<br />
164<br />
UNS-Fallstudie '98
~ Wirtschaft<br />
Abb. 1.2: Traubenlese in Hallau, 1932. Quelle: Archiv Foto<br />
Koch, Schaffhausen, R. WessendOll<br />
Der Ruf der Ferne - Krisen in der L<strong>and</strong>wirtschaft und<br />
deren Folgen<br />
Nach dem Beitritt Badens zum Deutschen Zollverein im<br />
Jahr 1835 (siehe Kapitel 1.1.2) wurde der Wein als wichtigster<br />
Schaffhauser Exportartikel mit hohen Zöllen versehen.<br />
Ebenso wurde die Einfuhr in den Kanton erschwert (Scholz<br />
et al., 1997). Für die Rebbauern und L<strong>and</strong>wirte des Klettgaus<br />
bedeutete dies eine schwere Krise. Aufgrund des veränderten<br />
Absatzmarktes sanken die Preise tief und stürzten<br />
viele Bauern nahezu in den Ruin. Kurt Bächtold und Hermann<br />
Wanner schreiben hierzu: «Jahrelange Misswirtschaft<br />
und Rückständigkeit, fehlende Initiative, jaResignation und<br />
Hoffnungslosigkeit trugen dazu bei, dass sich auch hier ein<br />
allgemeiner Notst<strong>and</strong> breit machte; die allgemeine Armut<br />
zehrte am Vermögen der Gemeinden. Die errungene politische<br />
Freiheit hatte die wirtschaftliche Not nicht überwinden<br />
können, und so suchte man das Heil in der Neuen Welt»<br />
(Bächtold und Wanner, 1983, S. 42). Die Kartoffelkrankheit,<br />
deren Auftreten im Klettgau in den Jahren 1842/43 zu<br />
grossen Missernten führte, wird von den Autoren als Auslöser<br />
für die grosse Ausw<strong>and</strong>erung Klettgauer Bauern nach<br />
Übersee genannt. 1851/52 emigrierten fast 2% der Kantonsbevölkerung.<br />
Selbst dreissig Jahre später w<strong>and</strong>erten aus dem<br />
Kanton Schaffhausen mehr Menschen aus, als aus den <strong>and</strong>eren<br />
Schweizer Kantonen. Die meisten von ihnen gingen<br />
nach Nordamerika, einen kleineren Teil zog es nach Brasilien<br />
(Bächtold und Wanner, 1983). Schmidt (1971) nennt<br />
ebenfalls Missernten, Güterzerstückelung und «Wucherspekulation»<br />
als Verstärker der Missstimmung in der Bevölkerung.<br />
Ausserdem erwähnt er die Überbevölkerung Badens,<br />
gemessen an seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten.<br />
Um sich aus dieser misslichen Lage befreien zu können,<br />
beispielsweise durch Einführung neuer Anbaumethoden<br />
und Produktionsumstellungen, benötigten die Bauern Kredite.<br />
Die 1838 gegründete Ersparniskasse in Schleitheim<br />
fungierte als erster Kreditgeber in der <strong>Region</strong> (vgl. Bächtold<br />
und Warmer 1983, S.258). Milch- und Viehwirtschaft, aber<br />
auch neuartige Maschinen halfen den Bauern, wenigstens<br />
vorübergehend wieder Gewinne einzufahren. Zum erhofften<br />
Erfolg führte dies allerdings nicht, da die klimatischen<br />
Bedingungen für die Tierhaltung weniger geeignet sind als<br />
für den Anbau von Wein, Obst und Getreide.<br />
Abb. 1.3: Hallau, 1894. Hallau ist als<br />
Weinzentrum des Klettgaus bekannt.<br />
1m 19. Jahrhundert wurde hier die<br />
Anbauweise in Rebzeilen eingeführt.<br />
1m Vordergrund des Bildes sind die<br />
Rebhänge zu erkennen, die Tallage<br />
wird von Acker- und Grasl<strong>and</strong> dominiert.<br />
Quelle: Archiv Foto Koch,<br />
Schaffhausen, R. Wessendorf.<br />
UNS-Fallstudie '98 165
Wirtschaft<br />
_<br />
Auf deutscher Seite war der Beitritt des Kreises Waldshut<br />
zum Grossherzogtum Baden wenig vorteilhaft. Obwohl<br />
man in der Chronik des Kreises Waldshut (Schäfer, 1957,<br />
S.140) nachlesen kann, dass die wirtschaftlichen Beziehungen<br />
auch weiterhin best<strong>and</strong>en, findet man dort ebenfalls die<br />
Feststellung, dass die bereits seit Jahrhunderten bestehende<br />
Grenze erstmals die Menschen tatsächlich vonein<strong>and</strong>er<br />
trennte.<br />
Globalisierungstendenzen in der Wirtschaft <br />
Der W<strong>and</strong>el der ländlichen Produktion<br />
Nach der Rekordernte 1875 wurde die L<strong>and</strong>wirtschaft wiederum<br />
in eine tiefe Krise gestürzt, deren Ursachen sich in<br />
ganz Europa folgenschwer auswirkten. Gründe dafür waren<br />
die verbesserten Transportmöglichkeiten für den Import<br />
billig produzierter Güter aus dem Ausl<strong>and</strong>. Die Preise einheimischer<br />
Produkte fielen. Gleichzeitig stiegen die Produktionskosten,<br />
sowohl durch den Kampfgegen Schädlinge<br />
und Krankheitserreger, und durch von Temperaturschwankungen<br />
und erhöhten Niederschlagsmengen ausgelöste Ertragsschwankungen,<br />
als auch durch Kreditrückzahlungspflichten.<br />
So wurde beispielsweise Getreide aus Russl<strong>and</strong><br />
eingeführt, Wein kam durch den neu gebauten Gotthard<br />
Tunnel aus Italien. Bächtold und Wanner (1983, S.43)<br />
schreiben hierzu: «Auch die Krise der Achtziger Jahre wurde,<br />
wie diejenige der Fünfziger Jahre, als Kreditkrise aufgefasst.»<br />
und stellten fest, dass «...die Gründe <strong>and</strong>ere, tiefere<br />
waren, nämlich der Beginn eines weltweiten Austausches<br />
der Güter...».<br />
Eine Selbsthilfemassnahme stellte die Gründung des<br />
L<strong>and</strong>wirtschaftlichen Vereins Unterhallau im Jahre 1886<br />
dar, dessen Ziel der günstige Erwerb von Maschinen und<br />
Material durch Grosseinkäufe war. Erst im zwanzigsten<br />
Jahrhundert wurden weitere Massnahmen umgesetzt, weIche<br />
insbesondere die Reben gegen Schädlinge resistenter<br />
machten (Bächtold und Wanner, 1983).<br />
Im Westen nichts neues - Weltkriege und Faschismus<br />
Die Zeit des Ersten Weltkrieges schädigte die regionale<br />
Wirtschaft, insbesondere die L<strong>and</strong>wirte in der Schweiz,<br />
deren Absatzmarkt plötzlich dramatisch kleiner geworden<br />
war. Man musste sich neu orientieren. Lebensmittel wurden<br />
erst seit 1917 rationiert, den Bauern schrieb man vor, was<br />
angebaut werden sollte (Scholz et al., 1997, S.82). Generell<br />
aber ging es der ländlichen Bevölkerung etwas besser als<br />
den Menschen in den umliegenden Städten.<br />
Nach der Kriegsmobilmachung, die sowohl in Deutschl<strong>and</strong>,<br />
als auch in der Schweiz im Sommer 1914 erfolgte,<br />
wurde die anstrengende L<strong>and</strong>arbeit hauptsächlich von Frauen<br />
erledigt. Der markanteste Unterschied zwischen dem<br />
Leben auf beiden Seiten der Grenze waren die Meldungen<br />
über den Tod der Angehörigen, mit denen die deutschen<br />
Frauen täglich zu rechnen hatten. Der Lebensmittelverknappung<br />
begegnete man in beiden Ländern mit Rationierung (in<br />
Deutschl<strong>and</strong> 1915, in der Schweiz erst zwei Jahre später).<br />
Missernten trugen dazu bei, dass die Bevölkerung Hunger<br />
litt. Auch in den darauffolgenden Jahren, bis 1921, musste<br />
man mit Ertragsschwankungen kämpfen.<br />
Eine während der Zwischenkriegszeit durchgeführte Rebbergmelioration<br />
durch die beiden Gemeinden Osterfingen<br />
und Wilchingen brachte die Vereinfachung der Bewirtschaftung<br />
und die Verbesserung der Erträge. Vorteile der Melioration<br />
waren der geringere Arbeitsaufw<strong>and</strong>, der mit Hilfe<br />
von Maschinen weiter reduziert werden konnte, der Bau von<br />
Wirtschaftswegen, Drainagen und Bewässerungssystemen,<br />
sowie die teilweise Umstellung von weissen auf rote, rentablere<br />
Reben und später die Einführung des Riesling x Sylvaner<br />
(Müller-Thurgau). Dagegen war man Risiken wie Hagel<br />
und Frost weitaus stärker ausgesetzt, weil diese die grossen<br />
Monokulturen dramatisch schädigen und die gesamte Ernte<br />
vernichten konnten (Bächtold und Wanner, 1983).<br />
Mit der Ernennung Hitlers zum Deutschen Reichskanzler<br />
brach das dunkelste Kapitel europäischer Geschichte an.<br />
Abb. 1.4: Gächlingen, 1929: Die<br />
moderne Technik hält im Klettgau<br />
und in der L<strong>and</strong>wirtschaftEinzug.<br />
Bald gehören auch hier Strommasten<br />
zum Dorjbild. In der Bildmitte:<br />
Eine Shell-Tankstelle. Quelle:<br />
Archiv Foto Koch, Schaffhausen,<br />
R. Wessendorj.<br />
166 UNS-Fallstudie '98
__________________________________________ Wirtschaft<br />
Abb. 1.5: Dorfansicht von Beggingen,<br />
1921. Quelle: Archiv Foto Koch, Schaffhausen,<br />
R. Wessendorf.<br />
Sehr bald schon wurden die Grenzen nach Deutschl<strong>and</strong><br />
geschlossen, auf eingeführte Waren wurden massive Zölle<br />
erhoben. Der Kontakt der Klettgauer über die Grenze hinweg<br />
wurde nahezu abgebrochen. Auch der Übergang vom<br />
schweizerischen Klettgau in die Schweiz wurde ein mühsames<br />
Unterfangen, da man plötzlich grosse Umwege in Kauf<br />
nehmen musste. Im deutschen Teil wurden die Gemeinden<br />
gemäss der «Gleichschaltung» umgestaltet, demokratisch<br />
gewählte Gemeinderäte und Bürgerausschüsse löste man<br />
auf, neue «Wahlen» wurden durchgeführt. Alle wichtigen<br />
Ämter, auch in Vereinen und Gesellschaften, waren fortan<br />
mit Anhängern der faschistischen Regierung besetzt (Matt<br />
Willmatt und Hoggenmüller, 1985).<br />
Baby Boom? - Ländliche Produktion nach 1945<br />
Die Nachkriegszeit im Klettgau ist, wie überall in den<br />
westlichen Industrienationen, geprägt von technischem<br />
Fortschritt und Innovationen im industriellen Bereich. So ist<br />
es nicht verwunderlich, dass die Bedeutung der L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
als Arbeitgeber im Klettgau zusehends abnahm, während<br />
der 2. Sektor, später in geringerem Masse auch der 3.<br />
Sektor, dazugewannen.<br />
Dennoch blieben die Räder auch in der L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
nicht stehen. Auf Schweizer Seite führte man in den Jahren<br />
1945-50 eine Melioration im gesamten Kanton Schaffhausen<br />
durch, ein bedeutendes Ereignis, welches das L<strong>and</strong>schaftsbild<br />
bis heute nachhaltig prägt (sieheAlifdem Weg zu<br />
einer integrierten L<strong>and</strong>schaftsgestaltung Das Beispiel<br />
Klettgau und Scholz et al., 1998, S.215) und wie bereits<br />
erwähnt viele Vorteile brachte. Fortan besassen L<strong>and</strong>wirte<br />
grosse, zusammenhängende Parzellen, die Anzahl der<br />
Grundstücksbesitzernahm ab. Im deutschen Klettgau wurde<br />
während der sechziger Jahre ebenfalls eine Flurbereinigung<br />
durchgeführt, allerdings von geringerem Ausrnass und mit<br />
weitaus weniger dramatischen Folgen (Scholz et al., 1998).<br />
Schon lange war die L<strong>and</strong>wirtschaft nicht mehr der einzige<br />
wichtige Wirtschaftszweig. Viele Klettgauerinnen und<br />
Klettgauer mussten sich im Verlauf der Jahrzehnte neu<br />
orientieren, nahmen Stellen bei der aufblühenden Industrie<br />
an oder verliessen ihre Heimat um in der Stadt ihr Glück zu<br />
suchen. L<strong>and</strong>wirtschaftliche Betriebe wurden zusehends zu<br />
Grossbetrieben, deren Bewirtschaftungsflächen in den Siebziger-<br />
und Achtzigerjahren über dem Schweizer Durchschnitt<br />
lagen (Bächtold und Wanner, 1983).<br />
In der Schweiz führte man 1952 den Agrarprotektionismus<br />
ein durch Sicherung der Preise und Absatzmärkte für<br />
inländische Produkte.<br />
1.1.2 Original Klettgauer Wertarbeit - H<strong>and</strong>werk und<br />
Gewerbe im W<strong>and</strong>el der Zeit<br />
In den Klettgauer Gemeinden gab es während der Vorherrschaft<br />
der Stadt Schaffhausen nur wenige Personen, die das<br />
Recht hatten, ein H<strong>and</strong>werk auszuüben. Die Zunftordnung<br />
von 1411, später die revidierte Fassung von 1688, schrieben<br />
den Bewohnern der L<strong>and</strong>schaft ganz genau vor, wer das<br />
Recht hatte, einer h<strong>and</strong>werklichen Tätigkeit nachzugehen.<br />
Zum H<strong>and</strong>werk aufdem L<strong>and</strong> berechtigt waren Bauern, die<br />
eine besondere Fähigkeit besassen und so dem Allgemeinwohl<br />
dienen konnten, wobei nur die nötigsten Berufe erlaubt<br />
waren, wie Küfer, Schlosser, Wagner, Schmied und Schneider.<br />
Eine Ausnahme bildete die Tuchproduktion. Hier wurde<br />
nicht ausschliesslich für den Eigenbedarfproduziert. H<strong>and</strong>werkliche<br />
Betriebe durften zudem eine bestimmte Grösse<br />
nicht überschreiten (Bächtold und Wanner, 1983, S.131).<br />
Der H<strong>and</strong>el in der Stadt Schaffhausen florierte. Die Lage<br />
am Rhein erlaubte einen raschen Gütertransport, L<strong>and</strong>strassen<br />
wurden vor Dieben geschützt. Schaffhausen verfügte<br />
über das grösste Salzlager in der Gegend, ausserdem<br />
wurden Wein und Kom von hier aus nach Süddeutschl<strong>and</strong><br />
exportiert. Das Zeitalter der Reformation prägte die Bevölkerung<br />
und das Wirtschaften in der <strong>Region</strong> in starkem<br />
Masse. Strenge Richtlinien legten den H<strong>and</strong>el in Stadt und<br />
L<strong>and</strong>schaft genau fest. Fleiss, Pünktlichkeit, Sittsamkeit<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
167
Wirtschaft<br />
und Pflichtbewusstsein wurden von den Untertanen verlangt.<br />
Die Kirche, durch den Zehnten finanziert, übte ebenfalls<br />
eine starke Macht aus (Bächtold, 1994).<br />
Im Achtzehnten Jahrhundert litt jedoch auch die Stadt<br />
Schaffuausen unter wirtschaftlichem Druck, was wiederum<br />
die Unterdrückung möglicher Konkurrenz aus der L<strong>and</strong>schaft<br />
zur Folge hatte. Es war den Klettgauern strengstens<br />
verboten, H<strong>and</strong>el mit Dritten zu betreiben. Die H<strong>and</strong>els- und<br />
Gewerbefreiheit, welche endlich den H<strong>and</strong>werkern aufdem<br />
L<strong>and</strong> die gleichen Rechte zubilligte wie den städtischen,<br />
wurde 1798 proklamiert als ein Gesetz der Helvetischen<br />
Republik. Allerdings dauerte diese freiheitliche Phase nicht<br />
sehr lange an. Im Jahre 1801 gründete die Stadt ein Kaufmännisches<br />
Direktorium, welches die Aufgabe hatte, die<br />
wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Vorbild dafür<br />
waren die Ideen Colberts, einst französischer Finanzminister,<br />
der in seinem L<strong>and</strong> den Merkantilismus durchgesetzt<br />
hatte (Bächtold und Wanner, 1983). 1808 wurde die Neugründung<br />
h<strong>and</strong>werklicher Betriebe einer Billigung durch<br />
den Kleinen Rat der Stadt Schaffuausen unterworfen. Die<br />
endgültige Liberalisierung von H<strong>and</strong>el und Gewerbe erfolgte<br />
schrittweise, ihre Grundlage war aber mit der Bundesverfassung<br />
der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1848 gelegt.<br />
Nie mehr würden die Interessen der städtischen Händler<br />
und H<strong>and</strong>werker höher gewichtet werden als jene der<br />
L<strong>and</strong>bevölkerung.<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft Ade! - Gewerbe als letzte Rettung<br />
Einen schweren Schlag erlitt die Schaffuauser Wirtschaft<br />
1835, als das Grossherzogtum Baden dem Deutschen Zollverein<br />
beitrat. Diesem Beitritt wurde der Weg geebnet, als<br />
nach zwei verlorenen Kriegen mit Frankreich das Heilige<br />
Römische Reich Deutscher Nation massiv umgestaltet wurde<br />
und die schwarzenbergische L<strong>and</strong>grafschaft Klettgau<br />
1806 an das neue Badische Grossherzogtum überging. 1809<br />
wurde der Klettgau dem Seekreis einverleibt - einem von 10<br />
badischen Kreisen - später wurde die Anzahl Kreise auf<br />
neun verringert und der Klettgau wurde Teil des Kreises<br />
Waldshut. Im Jahre 1819 wurden die Besitztümer Badens<br />
von den Grossmächten verbürgt und die Grenze zwischen<br />
Baden und der Eidgenossenschaft festgelegt. Die Bevölkerung<br />
des deutschen Klettgaus profitierte von ihrer neuen<br />
Zugehörigkeit zu Baden, denn der Grossherzog Karl Friedrich<br />
regierte für seine Untertanen und nicht über sie; ihm ist<br />
beispielsweise die Abschaffung der Leibeigenschaft im Jahre<br />
1783 und die Beseitigung der Folter (1767) zu verdanken.<br />
Auch die Anbauerlaubnis für Kartoffeln, Runkelrüben und<br />
Tabak sind ihm zu verdanken (Schmidt, 1971). Der H<strong>and</strong>el<br />
mit den deutschen Nachbarn wurde fortan mit hohen Zöllen<br />
belegt und führte zur wirtschaftlichen Unrentabilität vieler<br />
Produkte.<br />
Die Gewerbefreiheit führte in den Fünfzigerjahren des 19.<br />
Jahrhunderts kurzfristig zu einer Übersättigung des Marktes.<br />
So betätigten sich 1857 in Sch1eitheim 162 der 2476<br />
Einwohner als H<strong>and</strong>werker, darunter allein 21 als Weber, 13<br />
als Wannenmacher, 18 als Schuhmacher und 13 als Schneider.<br />
In Wilchingen siedelte sich eine Strohhutfabrik an, in<br />
Hallau eine Produktionsstätte für Pflüge; es gab Mechanikerwerkstätten<br />
in vielen der grösseren Ortschaften und Detailläden<br />
in fast allen (Bächtold und Wanner, 1983, S.135).<br />
Viele Bauern, die ständig am Abgrund der Existenz wirtschafteten,<br />
suchten eine Chance im Gewerbe und orientierten<br />
sich neu. Auch im deutschen Klettgau waren viele<br />
H<strong>and</strong>werkerberufe zahlreich vertreten.<br />
Allerdings litt das H<strong>and</strong>werk unter den Innovationen,<br />
welche die Industrialisierung mit sich brachte. Die Betriebe<br />
wuchsen dank neuer Technologien so stark an, dass sie<br />
kleine H<strong>and</strong>werksbetriebe vom Markt drängten. Die Gründung<br />
des H<strong>and</strong>werker- und Gewerbevereins Klettgau zu<br />
Beginn des 20. Jahrhunderts sollte die Existenzen der letzten<br />
H<strong>and</strong>werker in der <strong>Region</strong> sichern.<br />
Identitätskrise im Klettgau - Politische und territoriale<br />
Neugestaltung<br />
Mit der Depression der Dreissigerjahre kam für viele Betriebe<br />
das Aus. Die Machtergreifung Hitlers führte zu Erschwernissen<br />
für den Export regionaler Produkte nach<br />
Deutschl<strong>and</strong>. Wegen seiner geographischen Lage war der<br />
Klettgau besonders benachteiligt, denn der Weg in die<br />
Schweiz führte für Schweizer Klettgauer entweder durch<br />
Deutschl<strong>and</strong> oder über lange Umwege durch Schaffuausen<br />
und Neuhausen.<br />
Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde sofort in<br />
beiden Ländern die Rationierung eingeführt. Viele Materialien<br />
wurden gesammelt und wiederverwertet, beispielsweise<br />
Metalle, Gummi, Kaffeesatz und Knochen. Mit dem<br />
Krieg wurde eine stärkere Kontrolle der Wirtschaft durch<br />
den Staat eingeführt. In der Schweiz wurden die Löhne<br />
durch den Staat festgeschrieben. Wieder einmal litt die<br />
Wirtschaft unter den Folgen des Krieges. Hitler verbot die<br />
Einfuhr von Tabak und Schokolade, Klettgauer Händler<br />
verloren einen Teil ihrer Kundschaft. Während des Krieges<br />
blieb die <strong>Region</strong> von Kriegsh<strong>and</strong>lungen weitgehend verschont,<br />
im Gegensatz zu den grossen Industriegebieten<br />
Deutschl<strong>and</strong>s.<br />
Nach Kriegsende im Frühling 1945 begann die Zeit der<br />
französischen Besatzung im deutschen Teil des Klettgaus.<br />
Ausgangssperren wurden verhängt, Radios beschlagnahmt.<br />
In der Chronik der Gemeinde Lauchringen (Matt-Willmatt<br />
und Hoggenmüller, 1985) liest man: «Die Schulen waren<br />
geschlossen, es gab keine Zeitung, keinen Telefonverkehr,<br />
keine Post, jeder Ort war für sich völlig abgeschlossen.«<br />
Sämtliche Verkehrsmittel wurden beschlagnahmt oder stillgelegt,<br />
alle arbeitsfähigen Männer schickte die Militärregierung<br />
nach Frankreich ins Arbeitslager. Auch Holz- und<br />
Viehbestände gingen in französischen Besitz über. Allgemeine<br />
Güterknappheit führte dazu, dass der H<strong>and</strong>el aufdem<br />
Schwarzmarkt florierte. Die von den Alliierten durchgeführte<br />
Entnazifizierung läutete das neue Kapitel des Wiederaufbaus<br />
ein.<br />
Die Konjunktur der Nachkriegszeit liess H<strong>and</strong>el und Gewerbe<br />
im Kanton Schaffuausen florieren. Dennoch war der<br />
Einfluss exp<strong>and</strong>ierender Grossunternehmen spürbar, und<br />
dieser Trend hat sich bis heute fortgesetzt.<br />
168<br />
UNS-Fallstudie '98
__________________________________________ Wirtschaft<br />
1. 1.3 Vom Hanfhemd zum Kugellager -<br />
Industrie im Klettgau<br />
Abb. 1.6: Mit dem<br />
Bau der Eisenbahnlinie<br />
durch den<br />
Klettgau ist ein erster<br />
wichtiger<br />
SchrittfÜr die Industrialisierung<br />
geschafft.<br />
Das Bild<br />
zeigt eine SBB<br />
Dampflokomotive<br />
mit dem Baujahr<br />
1906. Quelle:<br />
Franz Lüthi,<br />
Schaffhausen;<br />
Sammlung Stadtarchiv<br />
Schaffhausen.<br />
Dank Gewerbefreiheit und politischer Gleichstellung mit<br />
der Schaffhauser Stadtbevölkerung ging es den Klettgauerinnen<br />
und Klettgauern ab Mitte des 19. Jahrhunderts bedeutend<br />
besser: die Wirtschaft blühte auf. Bedeutend für den<br />
Aufschwung war der Bau der Kleugauer Eisenbahnlinie,<br />
welche grosse Industriebetriebe anlockte. 1863 wurde die<br />
Strecke Waldshut-Konstanz in Betrieb genommen. Die<br />
«L<strong>and</strong>schaft» erwachte aus ihrem Dornröschenschlaf.<br />
Die Gewerbefreiheit führte dazu, dass Industrie- und Gewerbebetriebe<br />
keine Grössenbeschränkungen mehr zu beachten<br />
hatten. Sie siedelten sich entlang der Bahnlinie an<br />
und verhalfen den angeschlossenen Dörfern zu industriellern<br />
Aufschwung. Die zunehmende Industrialisierung bedeutete<br />
aber auch eine wachsende Abhängigkeit von Rohstofflieferanten,<br />
oftmals aus dem Ausl<strong>and</strong>.<br />
Um die Jahrhundertwende wurde das erste Automobil<br />
gebaut. Es dauerte nicht lange, bis treibstoffbetriebene Fahrzeuge<br />
den Klettgau erreichten. Nach und nach lösten<br />
Postautos die lange Tradition der Postkutschen ab.<br />
Mit dem Umbau des Rheinkraftwerkes hielt ebenfalls zur<br />
Jahrhundertwende die Elektrizität Einzug in die Klettgauer<br />
Gemeinden. Den Anfang hatte 1896 Hallau gemacht: Eine<br />
anhaltende Dürre hatte die Suche nach neuen Wegen der<br />
Wasserversorgung erzwungen. Dabei stiess man auf den<br />
Weiler Wunderklingen, wo man dank dem Gefälle der Wutach<br />
Strom produzieren konnte (Bächtold, 1994).<br />
Ein wichtiger Industriezweig im Klettgau war die Textilindustrie.<br />
Seit 1835/36 wurde die alte Lauffenmühle in<br />
Unterlauchringen als Spinnerei und Weberei genutzt. Das<br />
Erstarken dieses Industriezweiges auf der deutschen Seite<br />
des Klettgaus ist auf den Beitritt Badens zum deutschen<br />
Zollverein zurückzuführen. Zahlreiche Schweizer Fabrikanten<br />
errichteten auf deutschem Gebiet Unternehmen, um<br />
sich den weitläufigen deutschen Absatzmarkt zu erhalten<br />
(Schäfer, 1957, 1956). So wurde die bereits 1483 erwähnte<br />
Lauffenmühle 1834 an den Schweizer Johannes Müller aus<br />
Gossau ZH verkauft. 1861 gewannen die Baumwollstoffe<br />
der Lauffenmühle an der L<strong>and</strong>esausstellung in Karlsruhe<br />
eine Goldmedaille (Schmidt, 1971, S. 430). Ausserdem gab<br />
es 1926 auf deutscher Seite weitere Textilunternehmen,<br />
nämlich in Oberlauchringen und Stühlingen. Im selben Jahr<br />
wurde in Erzingen das Unternehmen Stehli & Co. gegründet<br />
und trug dazu bei, «aus dem ehemaligen Bauerndorf eine<br />
Industriegemeinde zu machen» (Schmidt, 1971).<br />
Weitere grosse Projekte markierten die Zeit des Fortschritts<br />
im Kleugau. Während der Jahre 1850 bis 1880<br />
wurden Feldwege zu Strassen ausgebaut. Neunkirch erhielt<br />
im Jahre 1863 ein Telegrafenamt, und 1894 wurden in<br />
Hallau die ersten Telefone in Betrieb genommen (Scho1z et<br />
al., 1998).<br />
Abb. 1.7: Siblingen, 1901. Noch<br />
wird die Strassenbeleuchtung (siehe<br />
Laterne links der Bildmitte) von<br />
H<strong>and</strong> angezündet, einige Jahre<br />
später ist auch dieses Dorf mit<br />
elektrischem Strom versorgt. Quelle:<br />
Archiv Foto Koch, Schaffhausen,<br />
R. Wessendorf<br />
UNS-Fallstudie '98 169
Wirtschaft<br />
_<br />
Abb. 1.8: Werbeschrift der Spinnerei Denzler<br />
Ruoss, Schleitheim. Die Nähe der Eisenbahnstation<br />
Stühlingen wird als Marketingargument<br />
verwendet. Abwerg ist ein Nebenprodukt<br />
bei der Tuchherstellung aus Hanf und wurde<br />
bis ins 20. Jahrhundert zur Abdichtung der<br />
Schraubgewinde von Sanitärrohren verwendet.<br />
Quelle: Staatsarchiv Schaffhausen.<br />
Abb. 1.9: Anfänge der Industrialisierung im Klettgau und<br />
grenzüberschreitende Kooperation. Werbeschrift der S.<br />
Stamm & eie, Schleitheim-Stühlingen. Quelle: Staatsarchiv<br />
Schaffhausen.<br />
Für die H<strong>and</strong>werker im Klettgau bedeutete Innovation im<br />
technischen Bereich der Verlust ihrer angestammten Plätze<br />
in der Gesellschaft. Maschinen ersetzten zeitraubende und<br />
kostspielige manuelle Produktion. Entsprechend waren viele<br />
der nach Übersee migrierten Klettgauer H<strong>and</strong>werker.<br />
Postindustrielle L<strong>and</strong>sch.aft - Nach.kriegszeiten und<br />
Postmoderne im Klettgau<br />
Der Einzug der Industrie in den Klettgau ist spätestens seit<br />
der Jahrhundertwende unaufhaltbar. In Oberlauchringen<br />
wird 1932 die Konfitürefabrik Simmler gegründet, in<br />
Griessen lässt sich die Helvetia-Konservenfabrik Gross<br />
Gerau nieder, ein weiteres Schweizer Unternehmen auf<br />
deutschem Boden (Schmidt, 1971). 1923 gründet Johann<br />
Bucher in Griessen die Bucher Hydraulik, eine Werkstätte<br />
zur Herstellung von Obstpressen und Güllepumpen. Seit<br />
1933 werden hydraulische Obst- und Traubenpressen hergestellt,<br />
später kommen Ölhydraulikgeräte, Wegeventile für<br />
Lasthebersteuerungen und Axialkolbenmotoren, Innenzahnradpumpen<br />
und Stromventile hinzu. Heute ist die Bueher<br />
Hydraulik ein weltweit vertretener Konzern mit Sitz im<br />
Klettgau (http://www.bucherklettgau.de/entwick.htm). Als<br />
weitere Beispiele erfolgreicher Unternehmensgründung im<br />
Klettgau ist die SIG in Beringen zu nennen. 1853 wurde sie<br />
durch Friedrich Pexer, Heinrich Moser und Conrad Neher<br />
als «Eisenbahnwaggon-Fabrik» gegründet. Im Jahre 1860<br />
wurden H<strong>and</strong>feuerwaffen produziert, 1906 kamen Verpakkungsmaschinen<br />
hinzu, später auch Elektrofahrzeuge. Heute<br />
ist das Unternehmen aufgeteilt in drei Teilunternehmen,<br />
davon sind zwei in Beringen angesiedelt (SIG Verpakkungstechnik,<br />
SIG Flüssigverpackungssysteme) mit Niederlassungen<br />
auf der ganzen Welt (http://www.siggroup.com/de/history.html).<br />
Auch zu erwähnen ist die Rimuss<br />
AG in Hallau, deren Gründer Jakob Rahm 1945 für<br />
verrückt erklärt wurde, alkoholfreien Traubensaft zu produzieren.<br />
Bereits zwei Jahre später überstiegen die Verkaufszahlen<br />
seine kühnsten Erwartungen. Dieser Betrieb hat seit<br />
seiner Gründung eine stete Expansion erfahren und ist noch<br />
heute erfolgreich (www.rimuss.ch/kellerei/rückblick.html).<br />
Der New Yorker Börsenkrach am 29. Oktober 1929 war<br />
der Beginn einer weltweiten Wirtschaftskrise. Erst mit der<br />
Währungsabwermng in der Schweiz Mitte der dreissiger<br />
Jahre wurde die Exportindustrie wieder konkurrenzfähig.<br />
Ein wichtiger Arbeitgeber in dieser Zeit war die alte Lauffenmühle.<br />
1946 beschäftigte das Unternehmen 499 Arbeits-<br />
170<br />
UNS-Fallstudie '98
Wirtschaft<br />
kräfte, im Jahre 1958, der Zeit des allgemeinen Wirtschaftsbooms,<br />
waren es 1319 Personen. Bis zur Rezession der<br />
Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts ging diese Zahl jedoch<br />
um gut ein Viertel zurück (Matt-Willmatt und Hoggenmüller,<br />
1985, S. 168f1).<br />
Einen weiteren wichtigen Industriezweig stellt die Metallund<br />
Maschinenindustrie dar. Im Klettgau entst<strong>and</strong>en zahlreiche<br />
Zulieferbetriebe, die sich nach der Rezession der<br />
vergangenen Jahre heute wieder erholt haben und von einem<br />
Aufschwung profitieren (Bauer, Interview mit Lang,<br />
14.4.1998).<br />
Die Boomjahre nach dem Zweiten Weltkrieg brachten<br />
eine rege Bautätigkeit. 1966 wurde in Neunkirch eine Produktionsstätte<br />
der Schweizerischen Steinzeugfabrik errichtet,<br />
die reichhaltigen Kiesvorkommen der <strong>Region</strong> nach dem<br />
2. Weltkrieg forciert abgebaut und zur Zementproduktion<br />
weiterverkauft. Ein jähes Ende jedoch f<strong>and</strong> der Bauboom<br />
mit der Ölkrise 1974 (Bächtold und Wanner, 1983).<br />
1988 stimmten die Schweizer Wahlberechtigten gegen<br />
einen EG-Beitritt und zementierten die Unterschiede in<br />
beiden Teilen des Klettgaus, die bis zum heutigen Tag<br />
fortbestehen.<br />
1.1.4 Das Entstehen von Dienstleistungsbetrieben im<br />
Klettgau<br />
Dienstleistungen sind bereitgestellte Leistungen, welche<br />
keine physischen Konsumprodukte beeinhalten. Sie werden<br />
meist vor Ort konsumiert, dass heisst, ihrer Bereitstellung<br />
folgt unmittelbar der Konsum (vgl. Hotz-Hart et al., 1995).<br />
In den Kapiteln 2 und 3 beschränkte sich die Betrachtung des<br />
Tertiärsektors aufdie regionalen Kreditinstitute, da die Banken<br />
im Klettgau eine massgebliche Rolle bei der wirtschaftlichen<br />
Entwicklung spielten. Als im 19. Jahrhundert die<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft stark gebeutelt wurde durch den Beitritt<br />
Badens zum Deutschen Zollverein, konnte die Krise dank<br />
Krediten von der 1838 gegründeten Erspamiskasse in<br />
Sch1eitheim gemindert und vergleichsweise schnell überwunden<br />
werden. Es folgten einige weitere Neueröffnungen<br />
von Kreditanstalten (Tab. 1.1).<br />
Tab. 1.1: Neugründungen von Kreditinstituten im Schweizer<br />
Teil des Klettgaus (aus: Bächtold und Wanner, 1983). In<br />
späteren Jahren wurden viele Institute zusammengeschlossen.<br />
Heutefinden sich im Klettgau drei grosse Kreditanstalten,<br />
eine aufSchweizer und zwei aufDeutscher Seite.<br />
1838 Ersparniskasse Schleitheim<br />
1954 Ersparniskasse Wilchingen<br />
1861 Spar- und Leihkasse Hallau<br />
1869 Spar- und Vorschusskasse Beringen<br />
1872 Spar- und Leihkasse Neunkirch<br />
1874 Leihkasse Wilchingen<br />
1906 Spar- und Leihkasse Trasadingen<br />
Der Bericht der Projektgruppe Wirtschaftsentwicklung<br />
<strong>Region</strong> Schaffhausen, kurz WERS (Wirtschaftsentwicklung<br />
<strong>Region</strong> Schaffhausen 1997) stellt die heutige Situation des<br />
Tertiärsektors im Kanton Schaffhausen als sehr unbefriedigend<br />
dar. Es kann davon ausgegangen werden, dass dies für<br />
die Gebiete auf beiden Seiten der Grenze in gleichem Masse<br />
zutrifft.<br />
1.2 Sog von Zürich und Schaffhausen<br />
- Einblick in die aktuelle Lage der<br />
<strong>Region</strong><br />
Obwohl der Klettgau eine <strong>Region</strong> l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Prägung<br />
ist, arbeiten heute nur noch wenige Menschen im<br />
Primärsektor. Im deutschen Teil des Klettgaus sind es sogar<br />
weniger als 1% (vgl. Abbildungen 1.l0a und b). Seit der<br />
Industrialisierung haben sich viele Klein- und Mittelständische<br />
Unternehmen in der <strong>Region</strong> angesiedelt. Noch heute<br />
bilden sie den grössten Sektor im Klettgau. Im Gegensatz<br />
dazu ist heute der 3. Sektor unterentwickelt im Vergleich zu<br />
<strong>and</strong>eren wirtschaftlich erfolgreichen <strong>Region</strong>en. Diese<br />
Strukturschwäche bedeutet auch nicht zuletzt fehlende Einnahmen<br />
für die öffentliche H<strong>and</strong> (Wirtschaftsentwicklung<br />
<strong>Region</strong> Schaffhausen, 1998).<br />
Leithammel Brüssel oder Bem? - L<strong>and</strong>wirtschaft auf<br />
heiden Seiten der Grenze<br />
Im Bereich der L<strong>and</strong>wirtschaft sind positive Tendenzen,<br />
besonders im Schweizerischen Klettgau, auszumachen. Die<br />
Wiedereinführung der alten Getreidesorte Emmer und deren<br />
erfolgreiche Vermarktung stehen für den Aufbruch in eine<br />
neue Produktions- und Vermarktungsstrategie. Ab 2002 sollen<br />
in der Schweiz Bauern nur noch Dirkektzahlungen erhalten,<br />
die Preisstützen werden wegfallen. Vom Rebbau allein<br />
können nur noch sehr wenige Familien leben. Viele Winzerbetriebe<br />
werden nebenberuflich, einige sogar als Freizeitbeschäftigung<br />
geführt. Die Produktion des Weines hat ein<br />
völlig <strong>and</strong>eres Gesicht als vor hundert Jahren. Der nach und<br />
nach eingeführte Drahtbau ist zur Regel geworden. Leistungsfähige<br />
Maschinen werden zu Pflege und Ernte eingesetzt.<br />
Auch die Pflanzen werden an die Bedingungen angepasst,<br />
die im Klettgau aufgrund geringer Niederschlagsmengen<br />
günstig sind. So veredelt man heute mit robusten Wurzeln<br />
amerikanischer Sorten, die resistent gegen die Reblaus<br />
sind (Bächtold und Wanner, 1983). Die wichtigsten derzeit<br />
angebauten Sorten sind der Riesling x Sylvaner (ein trokkener<br />
Weisswein) und der Blauburgunder (ein Rotwein).<br />
Der Klettgau hat sich zu einem der wichtigsten Weinbaugebiete<br />
der Ostschweiz entwickelt.<br />
Im deutschen Teil der <strong>Region</strong> wird die L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
durch die Politik in Brüssel bestimmt. Rund die Hälfte des<br />
Haushaltes der europäischen Union wird für die Finanzierung<br />
der L<strong>and</strong>wirtschaft ausgegeben. Die Bauern in den<br />
Gemeinden Lauchringen und Klettgau sind bei der Suche<br />
nach neuen Vermarktungsstrategien weniger stark auf Eigeninitiative<br />
angewiesen als ihre Nachbarn in der Schweiz.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
171
Wirtschaft<br />
_<br />
Anpassung oder Abgrenzung - Umgang mit dem<br />
Globa!isierungsdruck der Wirtschaft<br />
Die Globalisierungstendenzen auf dem Weltmarkt machen<br />
sich auch in der Klettgauer Wirtschaft bemerkbar. Die Ausweitung<br />
und Verschärfung des Wettbewerbs auf dem Weltmarkt<br />
führen dazu, dass Betriebe gezwungen sind, ihre<br />
Strukturen zu verändern und zu rationalisieren. Folgen sind<br />
Arbeitslosigkeit und Verlagerung von Produktionsstätten<br />
ins kostengünstige Ausl<strong>and</strong>.<br />
Im Klettgau sind diese Tendenzen erst schwach spürbar.<br />
Arbeitslosigkeit ist kein drängendes Problem in der <strong>Region</strong>.<br />
Betroffen sind allenfalls jeneBranchen, die besonders anfällig<br />
aufTrends der Weltwirtschaft reagieren, wie die Maschinen-<br />
und Textilindustrie. Zurzeit jedoch erlebt das produzierende<br />
Gewerbe im Klettgau, besonders die Maschinenindustrie,<br />
wieder einen Aufschwung. Die Unternehmer auf beiden<br />
Seiten der Grenze sind sich dennoch bewusst, dass es<br />
zum Bestehen auf dem Weltmarkt innovativer Ideen bedarf.<br />
Zudem sind sie aufgrund der Grenzlage der <strong>Region</strong> stärker<br />
als Betriebe im L<strong>and</strong>esinneren abhängig von aussenpolitischen<br />
Entwicklungen (Bauer, Interview mit Lang,<br />
14.6.1998). Während im gesamten Kanton Schaffhausen die<br />
Zahl der Grenzgänger von 5000 im Jahr 1990 innerhalb von<br />
sechs Jahren auf 3000 absank, stieg sie im Klettgau an. 1986<br />
waren es 400 Erwerbstätige, die täglich von ihrem Wohnort<br />
in Deutschl<strong>and</strong> zur Arbeitsstelle in der Schweiz pendelten,<br />
bis 1996 war diese Zahl um 50% auf 600 Personen gestiegen<br />
(Waldvogel, 1996). Was des einen Freud, ist des <strong>and</strong>ern<br />
Leid: Schweizer Unternehmer profitieren von einem grossen<br />
Arbeitskräfteangebot, deutsche Firmen sind gezwungen,<br />
ihren qualifizierten Angestellten überdurchschnittlich<br />
hohe Löhne zu bezahlen um sie nicht zu verlieren.<br />
Auch der H<strong>and</strong>el und das Gastgewerbe profitieren von der<br />
Grenze. Billigere Konsumgüter auf der deutschen Seite der<br />
<strong>Region</strong> locken schweizer Konsumenten an. Die Nähe zum<br />
Schwarzwald hat sich bisher aber hemmend aufden Tourismus<br />
ausgewirkt.<br />
Generation (1975-1995) nicht nur in angestammten grossen<br />
Branchen zu restrukturieren, sondern in der gleichen Zeitperiode<br />
im gleichen Ausrnass wie die übrige Schweiz zu<br />
wachsen, existierten heute mit Schwergewicht im Dienstleistungssektor<br />
rund 5-6000 Arbeitsplätze mehr im Kanton.»<br />
Vorsichtig wird geschätzt, dass aufgrund der fehlenden<br />
Steuereinnahmen der öffentlichen H<strong>and</strong> rund 20-30 Mio. Fr.<br />
an Steuergeldern verloren gehen, ein Betrag, der für den<br />
ganzen Kanton gilt. Aber auch für den Klettgau wirkt sich<br />
diese Strukturschwäche negativ aus. Weiterhin ist dem Bericht<br />
zu entnehmen, dass der Kanton Schaffhausen gesamtschweizerisch<br />
weit hinten rangiert was wirtschaftsfördernde<br />
Massnahmen anbelangt, die Steuerbelastung für Holdingund<br />
Domizilgesellschaften hingegen ist äusserst günstig.<br />
Arbeitseinkommen werden im gesamtschweizerischen Vergleich<br />
oberhalb des Mittelwertes versteuert, was mit ein<br />
Grund für die unterdurchschnittliche Bevölkerungszunahme<br />
der vergangenen Jahre sein dürfte.<br />
Einen groben Überblick über das aktuelle privatwirtschaftliche<br />
Angebot im Klettgau kann man sich im «Chläggi-Netz»<br />
(http://www.klettgau.ch/liste.html) verschaffen.<br />
Nachholbedarf- Der Tertiärsektor<br />
Im Bereich der Dienstleistungen ist der Klettgau eher strukturschwach.<br />
Mit nur knapp 50% in beiden Teilen des Klettgaus<br />
ist hier ein Entwicklungsbedarf. Problematisch bei der<br />
Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen des dritten Sektors<br />
ist u.a. die Rekrutierung von qualifiziertem Fachpersonal.<br />
Schlechte Verkehrsanbindung an die Agglomeration<br />
Zürich durch Strassen- und Schienenverkehr und das Fehlen<br />
eines breiten kulturellen Angebots wirken abschreckend.<br />
Dennoch scheinen die Bedingungen für eine Besserung<br />
günstig. Durch die Fortschritte in der Telekommunikation<br />
wird möglicherweise die On-Line Arbeit zuhause (
- Wirtschaft<br />
1.2.1 Strukturdaten<br />
Anteil Erwerbspersonen Klettgau (0) 1990 Anteil Erwerbspersonen Klettgau (eH) 1990<br />
82.8%<br />
Sektor 1I-------,6+-<br />
2.3%<br />
,..----- Sonstige<br />
2%<br />
Sonstige------;;>-<<br />
12%<br />
Sektor I: L<strong>and</strong>- und<br />
Forstwirtschaft<br />
0.1%------'<br />
Sektor I<br />
'----14.8%<br />
Sektor 111<br />
50%----<br />
Sektor 111:<br />
Dienstleistungen<br />
:.-----36%<br />
Sektor 11:<br />
Industrie und Gewerbe<br />
Abb. 1.10a (links): Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Jahr 1990 in den Wirtschaftssektoren der<br />
Gemeinden Klettgau undLauchringen (Deutschl<strong>and</strong>). Die Wirtschaftsbereiche beinhaltenfolgende Wirtschaftsabteilungen:<br />
1. L<strong>and</strong>- und Forstwirtschaft, Tierhaltung undFischerei; ll. Produzierendes Gewerbe (Energiewirtschaft und Wasserversorgung,<br />
Bergbau, Verarbeitendes Gewerbe, Baugewerbe) und H<strong>and</strong>el, Verkehr und Nachrichtenübermittlung; 111. übrige<br />
Wirtschaftsbereiche (Kreditinstitute und Versicherungsgewerbe, Dienstleistungen durch Unternehmer und Freie Berufe,<br />
Organisationen ohne Erwerbscharakter und private Haushalte, Gebietskörperschaften und Sozialversicherung).<br />
Abb. 1.10b (rechts): Anteil Erwerbspersonen im Jahr 1990 in den Wirtschaftssektoren im Klettgau (Schweizer Gemeinden).<br />
Tab. 1.2: Bevölkerungsentwicklung im Klettgau (eH) seit der Nachkriegszeit (Quelle: Bundesamtfür Statistik).<br />
Wohnbevölkerung 1950 1960 1970 1980 1990 1997<br />
Ausländer 407 728 1197 868 1113 1327<br />
Schweizer 11'159 10'687 10'244 11 '168 12'478 13'494<br />
Summe 11 '566 11'415 11'441 12'036 13'591 14'821<br />
Tab. 1.3: Bevölkerungsentwicklung im Klettgau (D) seit der Nachkriegszeit (Quelle: Statistisches L<strong>and</strong>esamt Baden-Württemberg).<br />
Wohnbevölkerung 1950 1960 1970 1980<br />
I<br />
1990 I 1997<br />
Ausländer k.A. k.A. 395 569 742 I 931<br />
Deutsche k.A. k.A. 5898 5770 6112<br />
,<br />
6412<br />
Summe 4673 5710 6293 6339 6854<br />
I<br />
7343<br />
UNS-Fallstudie '98 173
Wirtschaft<br />
_<br />
2 Viele Einflüsse aufviele<br />
Akteure - ökonomisches<br />
H<strong>and</strong>eln im Klettgau und<br />
Zieldefinition für die Synthesearbeit<br />
2.1 Abhängig von BrüsseJ und Bern <br />
die l<strong>and</strong>wirtschaft im KJettgau<br />
Der Klettgau ist ein Gebiet l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Prägung<br />
(Bättig et al., 1997). 1995 arbeiteten 12% der Bevölkerung<br />
des Schweizer Klettgaus im ersten Sektor (Quelle: Bundesamt<br />
für Statistik, Bem), im deutschen Teil sind es aber<br />
weniger als 1%. Die gute Eignung derL<strong>and</strong>schaft für Ackerund<br />
Rebbau führten zu einer sehr intensiven Nutzung. Eine<br />
Folge davon ist ein massiver Nitrateintrag ins Grundwasser,<br />
der zum grössten Teil durch die Auswaschung aus Akkerflächen<br />
verursacht wird (Prasuhn, 1998). Das Klettgauer<br />
Grundwasser enthält - je nach Einzugsgebiet - 25 bis 40 mg<br />
Nitrat pro Liter. Ein Wert von über 40 mg/l wird vom<br />
schweizerischen Lebensmittelrecht für Trinkwasser nicht<br />
mehr toleriert. Surbeck & Leu (1998) schreiben hierzu: «Die<br />
Situation im Klettgau wird von den Lebensmittelbehörden<br />
als kritisch, aber jedoch nicht besorgniserregend eingeschätzt.»<br />
Trotzdem bleibt die Forderung zur Senkung der<br />
I<br />
Belastung. Im Rahmen des Interreg II Programms wurden<br />
dazu verschiedene Massnahmen erarbeitet, die aufeine Verringerung<br />
der Stickstoffauswaschung abzielen und im Bereich<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft ansetzen (vgl. Prasuhn, 1998). Weitere<br />
Impulse für die L<strong>and</strong>wirtschaft auf der Schweizer Seite<br />
können durch die Umsetzung der Agrarpolitik 2002 2 entstehen,<br />
die Direktzahlungen stärker an ökologische Leistungen<br />
binden wird. Die Bauern aufder deutschen Seite sind abhängig<br />
von der L<strong>and</strong>wirtschaftspolitik der EU. Veränderungen<br />
dieser Politik sind vor allem durch die Umsetzung des<br />
GATT-Übereinkommens über die L<strong>and</strong>wirtschaft (General<br />
Agreement on Tarifs <strong>and</strong> Trade, heute World Trade Organisation,<br />
WTO) zu erwarten. Dessen langfristiges Ziel besteht<br />
darin, eine schrittweise Senkung der Stützungs- und Schutzmaßnahmen<br />
für die L<strong>and</strong>wirtschaft zu erreichen, damit Beschränkungen<br />
und Verzerrungen auf den Weltagrarmärkten<br />
korrigiert bzw. verhütet werden. Diese Faktoren wurden in<br />
der Fallstudie 1997 «Verantwortungsvoller Umgang mit<br />
Boden» betrachtet und eine Synthesegruppe erarbeitete Ansätze<br />
für eine st<strong>and</strong>ortgerechte Bodennutzung für die L<strong>and</strong>und<br />
Forstwirtschaft im Klettgau (vgl. Teilbericht «L<strong>and</strong>und<br />
Forstwirtschaft im Klettgau» in Scholz et al. (1998».<br />
Als H<strong>and</strong>lungsansätze werden die Einführung eines <strong>Region</strong>almarketings<br />
und die Direktsaat diskutiert.<br />
2.2 Biorebbau und Integrierte<br />
Produktion - Reb- Weinbau im<br />
KJettgau<br />
Wegen des relativ trockenen Klimas bieten die Südhänge<br />
des Klettgaus für den Rebbau ideale Bedingungen, im<br />
Schweizer Teil nimmt er denn auch eine wichtige Stellung<br />
ein. In einer Untersuchung des Reb- und Weinbaus wurde<br />
der bestehende Anbau nach den Richtlinien der Integrierten<br />
Produktion (IP) mit dem Biorebbau verglichen. Im Klettgau<br />
ist Bioanbau noch fast nicht vorh<strong>and</strong>en, in <strong>and</strong>eren <strong>Region</strong>en<br />
ist er schon wesentlich weiter fortgeschritten. Der ökonomische<br />
Vergleich ergab, daß für Reben aus Biorebbau<br />
immer höhere Preise erzielt werden müssen, weil die Ar-<br />
IDie Initiative Interreg II der Europäischen Kommission, an der auch die<br />
Schweiz beteiligt ist, bezweckt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit<br />
zwischen Nachbarregionen an den Innen- und Aussengrenzen der EU. Das<br />
Projekt «Entwicklungskonzeption Klettgau» im Programmgebiet «Bodensee-Hochrhein»<br />
verfolgt das Ziel, die grenzüberschreitende Kooperation<br />
zwischen dem L<strong>and</strong> Baden-Württemberg und dem Kanton Schaffhausen<br />
auf dem Gebiet des Grundwasserschutzes zu intensivieren (Bättig et al.,<br />
1997)<br />
2Der Begriff«Agrarpolitik 2002» bezeichnet einen Vorschlag für ein neues<br />
L<strong>and</strong>wirtschaftsgesetz auf der Basis von markwirtschaftlichen Reformen.<br />
Abb. 2.1: Rebberg im Klettgau. Der Rebbau ist zwar wirtschaftlich<br />
wenig wichtig, prägt aber wesentlich das Image<br />
der <strong>Region</strong>.<br />
174<br />
UNS-Fallstudie '98
Wirtschaft<br />
beitsaufwendungen höher sind, als bei IP Rebbau. Je nach<br />
Sorte liegt dieser «Biobonus» zwischen 15 und 30%. Ökologisch<br />
zeigte sich, daß bei der Integrierten Produktion v.a.<br />
mit dem Pestizideinsatz starke potentielle Umwelteinwirkungen<br />
verbunden sind. Der Bioanbau zeigt potentielle<br />
Umweltbelastungen durch den zusätzlichen Traktoreinsatz<br />
und den Einsatz von Kupfer zur Mehltaubekämpfung (soweit<br />
es sich um nicht resistente Reben wie den Blauburgunder<br />
h<strong>and</strong>elt). Ein detaillierter Bericht über diese Untersuchung<br />
ist im Kapitel Ökonomische, ökologische und soziale<br />
Betrachtungen zum Reb- und Weinbau im Klettgau zu finden.<br />
2.3 Im Wirbel der Globalisierung <br />
Produzierendes Gewerbe<br />
Klettgau<br />
Der zweite Sektor spielt eine wichtige Rolle in der <strong>Region</strong><br />
Klettgau, denn gerade die im wesentlichen regional ausgerichteten<br />
Gewerbebetriebe sorgen für ein relativ stabiles<br />
Beschäftigungspotential. Allerdings vermittelt die Entwicklung<br />
von Beschäftigten und Arbeitsstätten im sekundären<br />
Sektor für den Kanton Schaffhausen ein ungünstiges Bild<br />
(Wirtschaftsentwicklung <strong>Region</strong> Schaffhausen 1997). Zwischen<br />
1991 und 1995 sank die Zahl der Beschäftigen um<br />
21,6% ab, während im Schweizer Durchschnitt lediglich ein<br />
Rückgang von ca. 14% zu verzeichnen war. Für die Klettgauer<br />
Gemeinden in der Schweiz ergibt sich ein besseres<br />
Bild, so ist nur im Bezirk Unterklettgau der Rückgang mit<br />
22% ebenso stark wie im kantonalen Durchschnitt. Allerdings<br />
liegen die drei Klettgauer Bezirke mit über 16%<br />
weniger Beschäftigten im zweiten Sektor ebenfalls über<br />
dem Gesamtschweizer Schnitt. Nach dem Bundesamt für<br />
Statistik arbeiteten 1995 in Schweizer Gemeinden des<br />
Klettgau mehr als 40% der Beschäftigten im sekundären<br />
Sektor. Von Gemeinde zu Gemeinde sind diese Anteile<br />
jedoch unterschiedlich. Im Kanton Schaffhausen wird für<br />
1995 ein Anteil von 40,2% der Beschäftigen im zweiten<br />
Sektor ausgewiesen. Im Schweizer Klettgau arbeiten die<br />
meisten Erwerbstätigen in der Maschinen- und Metallindustrie,<br />
was den Einfluss des Giesserei- und Maschinenzentrums<br />
Schaffhausen widerspiegelt. Die Arbeitslosenquote<br />
betrug im März 1998 im Bezirk Unterklettgau 2,5%, in<br />
Oberklettgau 2,1% und in Schleitheim 2,4%. Dies liegt<br />
deutlich unter der Arbeitslosenquote des Kantons, die im<br />
Jahresdurchschnitt 1997 5,3% betrug.<br />
Im deutschen Teil des Klettgaus ist dies <strong>and</strong>ers. In Lauchringen<br />
lag die Arbeitslosenquote 1995 bei 9,2%, in der<br />
Gemeinde Klettgau bei 8,4%. Beide Quoten liegen höher als<br />
die des L<strong>and</strong>kreis Waldshut mit 7,6%. Die im L<strong>and</strong>kreis<br />
vorherrschenden Branchen sind hier das Textil- und Bekleidungsgewerbe,<br />
mit einem Anteil von 23% der Beschäftigten<br />
und die chemische Industrie, wo 15% der Beschäftigten<br />
arbeiten.<br />
Die am 1. Januar 1999 gestartete Gemeinschaftswährung<br />
Euro wird Auswirkungen auf die Beschäftigung haben. Die<br />
Preistransparenz wird die räumlichen Preisdifferenzierungen<br />
für identische Produkte beseitigen. Pharmaprodukte<br />
und langlebige Konsumgüter werden - abgesehen von mar-<br />
ginalen Differenzen - in Sizilien und Sk<strong>and</strong>inavien den<br />
gleichen Preis haben. Theiler (1998) vermutet, dass so Rationalisierungs-<br />
und Innovationsdruck geschaffen wird, der<br />
bei den Unternehmen in den Ländern der Gemeinschaft den<br />
Strukturw<strong>and</strong>el beschleunigt und mindestens vorübergehend<br />
zu höherer Arbeitslosigkeit führt.<br />
Die Schweizer Wirtschaft würde durch allfällige Euro<br />
Turbulenzen stärker getroffen werden als die der Teilnehmerländer<br />
(Theiler, 1998). Die EU-Unternehmen operieren<br />
nach der Umstellung weitgehend in einem Heimmarkt. Der<br />
Ausl<strong>and</strong>anteil ist, verglichen mit der Schweiz, gering. Ob<br />
der Euro stark oder schwach ist, hat für sie nicht die gleiche<br />
Bedeutung wie für einen Schweizer Unternehmer, der bei<br />
einer Frankenaufwertung gleich eine Verteuerung seiner<br />
Produkte im ganzen Eurogebiet hinnehmen muss.<br />
Die durch den Klettgau verlaufende Grenze zwischen der<br />
Bundesrepublik Deutschl<strong>and</strong> und der Schweiz macht die<br />
Betriebe der <strong>Region</strong> auch stärker abhängig von aussenpolitischen<br />
Entwicklungen als Betriebe im L<strong>and</strong>esinneren (Bauer,<br />
Interview am 14.6.1998). Zum Beispiel stieg die Zahl der<br />
Grenzgänger in den vergangenen Jahren (Waldvogel, 1996;<br />
vgl. Kap. 1.2).<br />
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die für die<br />
Gemeinden der <strong>Region</strong> eine wichtige wirtschaftliche Stütze<br />
sind (Gwerbi Beringen, 1998) werden nun auch vom weltweiten<br />
Globalisierungsprozess erfasst. So sind sie nicht nur<br />
den Einflüssen des Binnenmarktes ausgesetzt, sondern müssen<br />
im Konkurrenzkampf auch gegen leistungsstarke ausländische<br />
Anbieter bestehen (
Wirtschaft<br />
_<br />
werden? Ein bisher weitgehend ungenutztes Potential liegt<br />
in der überbetrieblichen Kooperation. Je nach Art und Weise<br />
der Zusammenarbeit sind Kosten- und/oder Flexibilitätsvorteile<br />
realisierbar. «Stärkung durch Kooperation» ist denn<br />
auch eine Forderung, die man bei Hotz-Hart et al. (1995)<br />
findet. Gleichzeitig stellt er aber die Frage: Ist die durchschnittliche<br />
schweizerische Unternehmung kooperationswillig<br />
und -fähig?<br />
Eine Interessenvertretung der Gewerbetreibenden im<br />
Klettgau sind die Gewerbevereine. Im Gewerbeverein<br />
Klettgau sind ca. 75% der ansässigen Betriebe Mitglied, im<br />
Gewerbeverein Beringen ca. 80%. Deren Gründung geht auf<br />
die Krise von 1948 zurück. In der Hochkonjunktur verschw<strong>and</strong>en<br />
die Vereine fast, aber mit abnehmender Konjunktur<br />
gewannen sie wieder an Bedeutung. Die Mitglieder<br />
sind aus allen Sparten des Gewerbes, auch die Post, Banken<br />
und Versicherungen sind angeschlossen. Die Vereine möchten<br />
das Zusammengehörigkeitsgefühl fördern und als soziales<br />
Netzwerk für die Mitglieder darstellen. Darüber hinaus<br />
sind sie auch politisch tätig, indem sie einen einheitlichen<br />
Auftritt der Gewerbetreibenden nach aussen anstreben und<br />
politische Stellungnahmen und Wahlempfehlungen abgeben<br />
(Hausen und Leuenberger, Interview am 13.05.98).<br />
Weitergehende Zusammenarbeit zwischen einzelnen Betrieben<br />
war nur in Einzelfällen auszumachen. So sind z.B.<br />
einige RadiorrV-Fachgeschäfte zusammengeschlossen und<br />
betreiben einen gemeinsamen Einkauf. Als wichtiger Einflussfaktor<br />
auf die Wirtschaft in der <strong>Region</strong> wurde von fast<br />
allen befragten Experten 3 die Planung der Gemeinden genannt.<br />
Hier wurde dann auch einstimmig die fehlende Koordination<br />
bemängelt. Ein gemeinsames regionales Konzept<br />
und eine gemeinsame Zonungspolitik sind nicht vorh<strong>and</strong>en.<br />
Weiterhin ergibt sich auch das Problem der schlechten verkehrstechnischen<br />
Erschliessung des Klettgaus. Bemängelt<br />
wurde der schlechte öffentliche Verkehr und die wenigen<br />
guten Verbindungen innerhalb der <strong>Region</strong>.<br />
2.4 Nur langsamer Strukturw<strong>and</strong>el <br />
Der Tertiärsektor im Klettgau<br />
Der Bereich der Dienstleistungen ist im Klettgau eher wenig<br />
ausgeprägt. Im Vergleich zu <strong>and</strong>eren wirtschaftlich erfolgreicheren<br />
<strong>Region</strong>en ist der Anteil der Erwerbstätigen im<br />
dritten Wirtschaftssektor zu gering (vgl. Kap. 1.2; Wirtschaftsentwicklung<br />
<strong>Region</strong> Schaffhausen, 1998).<br />
3Befragt wurden: R. Hauser, Gewerbepräsident Klettgau; T. Holenstein,<br />
Wirtschaftsförderung Schaffuausen; H. Leuenberger, Gewerbepräsident<br />
Beringen und Umgebung; Hr. Plieninger, KlGA Schaffuausen.<br />
2.5 Vielen Ansprüchen ausgesetzt <br />
Situation der Banken<br />
Die Banken werden mit ihrer finanziellen Dienstleistung<br />
dem Tertiärsektor zugerechnet, der als Residualaggregat<br />
charakterisiert ist und alles aufnimmt, was nicht in die ersten<br />
beiden Sektoren passt (Hotz-Hart et al., 1995). Im Wirtschaftskreislauf<br />
übernehmen die Banken eine zentrale Stellung,<br />
indem sie Finanzmittel von den Anlegern zu den<br />
Investoren transferieren. Dieses Kreditgeschäft ist das Kerngeschäft<br />
der Banken (Hotz-Hart et al., 1995). Grundsatz der<br />
Kreditvergabe ist, dass Kredite dazu dienen sollen beim<br />
Kreditnehmer Ertragskraft zu schaffen, aus welcher der<br />
Kredit getilgt und verzinst werden kann (Bühler, 1988). Mit<br />
einer Bonitätsprüfung soll festgestellt werden, ob der Kreditsuchende<br />
potentiell fähig und willig ist, seinen Verbindlichkeiten<br />
termingerecht nachzukommen. Fünf Aspekte stehen<br />
dabei im Vordergrund:<br />
Rechtliche Kreditfähigkeit<br />
- Kreditwürdigkeit<br />
- wirtschaftliche Kreditfähigkeit<br />
- Sicherheiten und<br />
- allgemeine wirtschaftliche Gesichtspunkte.<br />
Die rechtliche Kreditjähigkeit ist dann gegeben, wenn der<br />
Antragsteller rechtswirksame Verpflichtungen gegenüber<br />
der Bank eingehen darf. Geprüft wird die Rechts- und<br />
Geschäftsfähigkeit, sowie die ausreichende Vertretungsbefugnis.<br />
Die Kreditwürdigkeit ist eine Frage des Vertrauens.<br />
Hier fliessen zum einen materielle Gesichtspunkte, also<br />
Vermögenslage und Einkommensverhältnisse, zum <strong>and</strong>eren<br />
persönliche Gesichtspunkte in die Beurteilung mit ein.<br />
Wichtig sind die Erfahrungen aus den bisherigen Geschäftsverbindungen,<br />
sowie die menschliche Beurteilung des Kunden.<br />
Bei der wirtschaftlichen Kreditjähigkeit wird geprüft,<br />
ob der Kreditnehmer in der Lage ist, den Kredit zu verzinsen<br />
und zu tilgen. Berücksichtigt werden die konjunkturellen<br />
Rahmenbedingungen, die Produkte und ihre Qualität, die<br />
Branchen- und Konkurrenzsituation. Ebenso spielen Leumund<br />
und Goodwill des Unternehmens und des Unternehmers<br />
eine Rolle. Aber auch mögliche Umweltrisiken und die<br />
zukünftige Rohstoffversorgung werden in die Überlegungen<br />
mit einbezogen. Die Prüfung der Sicherheiten schliesst<br />
sich an die Prüfung der Kreditwürdigkeit und -fähigkeit an,<br />
da diese nicht immer notwendig sind. Unterschieden wird<br />
zwischen personellen (z.B. Bürgen, Wechselverpflichtungen<br />
oder Drittschuldnern) und materiellen Sicherheiten (Immobilien,<br />
bewegliche Sachen oder Wertpapiere). Abschliessend<br />
wird entschieden, ob die Kreditvergabe sowohl konjunkturell<br />
und wirtschaftspolitisch, als auch bankpolitisch<br />
vertretbar und mit der Liquidität der Bank vereinbar ist.<br />
<strong>Region</strong>albanken sind in ihrer Geschäftstätigkeit geographisch<br />
begrenzt. Ihr Aktivgeschäft besteht zumeist aus Hypothekar-<br />
und kommerziellen Krediten. Sowohl im deutschen,<br />
als auch im Schweizer Klettgau sind verschiedene<br />
<strong>Region</strong>albanken wie Sparkassen, Volksbanken und Sparund<br />
Leihkassen aktiv.<br />
Ebenso wie <strong>and</strong>ere Unternehmen sehen sich auch die<br />
Banken vielerlei Ansprüchen ausgesetzt. Diese werden von<br />
unterschiedlichen Gruppierungen an sie herangetragen. Dy-<br />
176<br />
UNS-Fallstudie '98
__________________________________________ Wirtschaft<br />
Abb. 2.2a, b, c: Banken im Klettgau sind vielfältigen AnsprÜchen<br />
ausgesetzt. Ein durch die Fallstudie initiierter Arbeitskreis<br />
«Nachhaltige Kreditvergabe» soll in bankÜbergrezfender<br />
Zusammenarbeit Wege finden, die Arbeit der regionalen<br />
Banken nachhaltiger zu gestalten.<br />
lick, Belz, Hugenschmidt, Koller, Laubseher, Paulus, Sahlberg<br />
und Schneidewind (1994) beschreiben dieses Unternehmensumfeld<br />
als die Stakeholder. Die gesellschaftliche<br />
Integration einer Unternehmung ist nur dann möglich, wenn<br />
deren Entscheidungen von der Öffentlichkeit akzeptiert sind<br />
(Ulrich und Probst, 1990). Dies bedeutet, dass Unternehmen<br />
auch der Befriedigung von Bedürfnissen dienen, wenn diese<br />
über ihren wirtschaftlichen Zweck hinaus gehen (Scholz,<br />
Weber und Michalik, 1995). Kummrich und Emde (1997)<br />
sehen sogar, dass Kreditinstituten generell eine höhere gesellschaftliche<br />
Verantwortung zugeschrieben wird als <strong>and</strong>eren<br />
Unternehmen. Sie dürfen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit<br />
auf den Finanzmärkten nicht eingeschränkt werden. Darum<br />
muss nach Möglichkeiten gesucht werden, wie die gesellschaftliche<br />
Forderung nach umweltgerechtem Wirtschaften<br />
in die ökonomischen Interessen der Banken integriert werden<br />
kann. Ein erster Blick auf die Entscheidungskriterien an<br />
den Finanzmärkten verdeutlicht aber zunächst die Probleme<br />
für eine solche Integration: Finanzmärkte orientieren sich an<br />
der kurzfristigen Ertragserzielung, langfristige Überlegungen<br />
spielen kaum eine Rolle. Starke Diskontierung forciert<br />
diese Begünstigung von Investitionen mit kurzem Zeithorizont.<br />
Derzeit zahlt sich die Ökoeffizienz von Unternehmen<br />
ertragsmässig (noch) nicht aus. Auch können Rechnungsund<br />
Berichtswesen der Unternehmen selten Risiken und<br />
Chancen der Umweltproblematik erfassen. So entstehen<br />
Informationsdefizite bei den Entscheidungen auf den Finanzmärkten<br />
(Kumrnrich und Emde, 1997).<br />
Andererseits konnten Scholz und Weber (1995) reale Kreditausfälle<br />
aufGrund ökologischer Risiken dokumentieren.<br />
Der Grossteil der Fälle wurde durch Altlasten und die damit<br />
verbundene Wertminderung von Sicherheiten verursacht.<br />
Solche Ausfallrisiken werden als Besicherungsrisiken bezeichnet<br />
(Scholz et a!., 1995b). Kreditausfälle im Zusam-<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
177
Wirtschaft<br />
menhang mit Umweltinvestitionen, Umweltkatastrophen<br />
und ökologischen Marktveränderungen hängen mit der Fähigkeit<br />
eines Unternehmens zusammen, seinen Verpflichtungen<br />
aus dem Kreditverhältnis gegenüber dem Bankinstitut<br />
nachzukommen. Sie zählen darum zum Bonitätsrisiko.<br />
Ausserdem kann eine Bank Imageverluste erleiden, wenn<br />
von ihr finanzierte Unternehmen in Umweltsk<strong>and</strong>ale verstrickt<br />
werden. Schliesslich wirkt sich die ökologisch bedingte<br />
Veränderung von Geschäftsfeldern auch auf Banken<br />
aus. Gerade bezüglich des Marketings müssen diese Veränderungen<br />
Beachtung finden.<br />
Die meisten Kreditinstitute versuchen bereits, solche ökologischen<br />
Kreditrisiken zu steuern. Allerdings fehlt häufig<br />
eine Strategie für den Umgang mit der Umweltproblematik.<br />
Weber und Scholz (1997) schlagen vor, den Grundsatz der<br />
Kreditvergabe um das Konzept der Nachhaltigkeit zu erweitern.<br />
So dient die Kreditvergabe zur Schaffung zukünftiger<br />
Erträge, die ökonomische, soziale und ökologische Ressourcen<br />
nicht vermindern. Mit den Erträgen können Kredit und<br />
Zinsen zurückgezahlt werden. Die Zukunftsfähigkeit des<br />
Kreditgebers und -nehmers sollen gesichert werden. So<br />
bleibt für die Zukunft ein Steuerungs- und Reaktionspotential<br />
erhalten. Ebenso sehen es Schmidheiny und Zorraquin<br />
(1996) als wichtige Aufgabe, eine Umweltrisikoprüfung in<br />
die allgemeine Bonitätsbeurteilung zu integrieren. Die Regelung<br />
ökologischer Vorgaben obliegt der Legislative und<br />
ist eine Aufgabe, die nicht zu lange aufgeschoben werden<br />
darf.<br />
2.6 Vision «Nachhaltiger Klettgaw>:<br />
fragestellung undZiel der<br />
Synthesearbeit<br />
Die Wirtschaft der <strong>Region</strong> besteht, wie bereits gezeigt wurde,<br />
aus vielen Akteuren, die unter verschiedenen Anforderungen<br />
und Beeinflussungen agieren. In Ihren H<strong>and</strong>lungen<br />
beeinflussen sie sich gegenseitig und auch ihr nicht-ökonomisches<br />
Umfeld. Dies bedeutet, dass diese Vernetzung von<br />
Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt verst<strong>and</strong>en und die<br />
Wechselwirkungen der verschiedenen Bereiche mitein<strong>and</strong>er<br />
berücksichtigt werden muss, wenn man sich mit der zukünftigen<br />
Entwicklung der Wirtschaft im Klettgau beschäftigt.<br />
Das Ziel der Synthesegruppenarbeit ist es, die Frage zu<br />
beantworten, wie die Wohn- und Naturqualität und das<br />
Arbeitsangebot der <strong>Region</strong> erhalten und vergrössert werden<br />
können. Die Antwort auf diese Frage soll eine Vision ein<br />
wünschenswerter zukünftiger Zust<strong>and</strong> - sein, die das abstrakte<br />
Konzept Nachhaltigkeit für den Klettgau konkretisiert<br />
und mit den tatsächlichen Entwicklungsmöglichkeiten<br />
verbindet. Dazu sollen die regionalen Entwicklungsmöglichkeiten<br />
aufgezeigt und bezüglich Nachhaltigkeit bewertet<br />
werden. Die Vision soll es regionalen Entscheidungsträgern,<br />
wie den Wirtschaftsorganisationen, den Unternehmerinnen<br />
und Unternehmern, den Banken und der öffentlichen<br />
H<strong>and</strong> ermöglichen, Zielsetzungen und H<strong>and</strong>lungsstrategien<br />
für eine Veränderung in die gewünschte Richtung abzuleiten.<br />
Eine wissenschaftliche Methode zur Konstruktion von<br />
möglichen zukünftigen Systemzuständen ist die formative<br />
Szenarioanalyse (Scholz und Tietje, 1998). Sie erzeugt<br />
mögliche Zukunftszustände aus den gegebenen Strukturen<br />
eines Untersuchungsgegenst<strong>and</strong>es. Mit Hilfe eines Bewertungsinstruments<br />
soll aus den vielen Möglichkeiten der<br />
zukünftigen regionalen Entwicklung eine Auswahl getroffen<br />
werden, die dem Anspruch einer Vision für einen nachhaltigen<br />
Klettgau st<strong>and</strong>halten. Wichtig sind hierbei auch die<br />
Besonderheiten der <strong>Region</strong>, also Funktionen, die das Wirtschaftssystem<br />
Klettgau in einer überregionalen Sicht übernimmt.<br />
2.7 Vorgehen in drei Phasendie<br />
Projektarchitektur<br />
Das Projekt wurde in drei Einheiten unterteilt, die in Abbildung<br />
2.1 dargestellt sind. Die Synthesephase I diente der<br />
Definition der Fragestellung, des Ziels und des gewünschten<br />
Produktes, wie sie im vorhergehenden Abschnitt beschrieben<br />
wurden. Hierzu wurden Vorträge von Experten aus den<br />
Bereichen Nachhaltigkeit und Wirtschaft, sowie Wirtschaftsförderung<br />
gehört. Durch Literaturarbeit wurde zusätzliches<br />
Fachwissen auf diesen Gebieten angeeignet. Es<br />
entst<strong>and</strong> die Idee, ein Modell zu erarbeiten, das das Wirtschaftssystem<br />
im Klettgau vereinfacht darstellt und mit<br />
dessen Hilfe eine Vision zu erarbeiten. Bei einem Treffen<br />
mit interessierten Personen aus der Bevölkerung wurde über<br />
Probleme und mögliche Verbesserungen im Klettgau gesprochen.<br />
Die dabei gewonnenen Einsichten flossen in die<br />
Zielfindung mit ein.<br />
Die Teilprojektarbeit wurde nach den drei Wirtschaftssektoren<br />
aufgeteilt. Die Bereiche Reb- und Weinbau, überbetriebliehe<br />
Kooperation in Industrie und Gewerbe und die<br />
Kreditvergabepraxis der <strong>Region</strong>albanken wurden genauer<br />
untersucht. Ein viertes Teilprojekt erhielt die Aufgabe, die<br />
Vernetzung des Wirtschaftssystems Klettgau mit <strong>and</strong>eren<br />
Bereichen darzustellen und die Gesamtsicht zu wahren,<br />
während die <strong>and</strong>eren Teilprojekte vertiefend arbeiten sollten.<br />
Diese Arbeiten wurden während der Teilprojektphase in<br />
Kleingruppen geleistet, die sich chronologisch an die Synthesephase<br />
I anschloss.<br />
Zu Beginn der Synthesephase II wurde wieder in der<br />
Grossgruppe gearbeitet. Gemeinsam entschied man sich für<br />
die Methode der Szenarioanalyse, welche nach Ansicht der<br />
Studierenden für die gesetzten Rahmenbedingungen <br />
Zeitknappheit, zur Verfügung stehende Informationen und<br />
Wissen der Beteiligten - die besten Ergebnisse versprach.<br />
In dieser Phase wurde versucht, die Ergebnisse der Teilprojektphase<br />
auf einer die Gesamtsicht wahrenden Ebene weiterzuverarbeiten.<br />
Die Ergebnisse der Teilprojektphase wurden<br />
hier integriert und aggregiert, um relevante Zusammenhänge<br />
zu erkennen. Mit diesen Erkenntnissen wurde eine<br />
Szenarioanalyse durchgeführt, die Entwicklungsmöglichkeiten<br />
für die gesamte <strong>Region</strong> aufzeigen soll. Im Detail sind<br />
Vorgehen und Resultate im Kapitel 3 wiedergegeben. Mit<br />
Hilfe einer Bewertung dieser Entwicklungsmöglichkeiten<br />
bezüglich ihrerNachhaltigkeit konnte die Vision einer nachhaltigen<br />
<strong>Region</strong> Klettgau gefunden werden.<br />
178<br />
UNS-Fallstudie '98
________________________________________ Wirtschaft<br />
Information<br />
I und Anliegen<br />
\ der <strong>Region</strong><br />
"-<br />
Synthesephase I<br />
Abb. 2.3: Projektarchitektur der Synthesegruppe Wirtschaft<br />
Teilprojektphase<br />
Synthesephase 11<br />
3 Viele Wege in die Zukunft <br />
Die formative Szenarioanalyse<br />
3.1 Ganzheitliches Verständnis <br />
Aufgaben undZiele der Methode<br />
Die Methode der Szenarioanalyse ist ein Instrument aus der<br />
strategischen Unternehmensplanung (Mißler-Behr, 1993).<br />
Sie hat die Aufgabe, mehrere alternative Zukunftsbilder zu<br />
generieren und so eine Prognose über Entwicklungen zu<br />
ermöglichen. Entwickelt wurde die Szenariotechnik von<br />
Herman Kahn nach dem zweiten Weltkrieg. Er arbeitete<br />
dama~s bei der RAND Corporation, welche die US-Regierung<br />
m Fragen der strategischen Planung beriet (Cooke,<br />
1991). Verwendet wurde die Szenariotechnik im Bereich der<br />
Technologiebewertung (vgl. Schaude et al., 1976), der Unternehmensplanung<br />
(vgl. MacNulty, 1977 und Vester, 1991)<br />
und den Umweltwissenschaften.<br />
Unter dem Begriff formative Szenarioanalyse wird eine<br />
wissenschaftliche Methode verst<strong>and</strong>en, welche die zu<br />
durchlaufenden Schritte im Prozess der Szenariokonstruktion<br />
vorgibt (Scholz und Tietje, 1998). Sie ermöglicht es,<br />
aufbauend auf einem ganzheitlichen Verständnis für die<br />
Komplexität und Dynamik eines Untersuchungsgegenst<strong>and</strong>es,<br />
mögliche zukünftige Entwicklungen in ihren Ursachen<br />
und Wirkungen zu analysieren und zu diskutieren.<br />
Für die UNS-Fallstudie hat die Verwendung dieser Methode<br />
eine lange Tradition. Schon 1994 wurde sie bei der<br />
Untersuchung «Perspektive Grosses Moos» (Scholz et al.,<br />
1995a) eingesetzt. Vor allem die Möglichkeit zur Berücksichtigung<br />
von quantitativen und qualitativen Einflüssen<br />
(denen oftmals zentrale Bedeutungen zufallen), lässt die<br />
Methode als besonders geeignet erscheinen. Sie verbindet<br />
die Vorteile der spekulativ-erzählenden Ansätze von Kahn<br />
(MacNulty, 1977) mit denen der quantitativen Systemmodellierungen<br />
von Meadows (Meadows, 1972; Bossel &<br />
Meadows, 1993).<br />
Scholz und Tietje (1998) beschrieben zehn Einzelschritte<br />
die während einer formativen Szenarioanalyse durchlaufe~<br />
werden:<br />
Die Zielsetzung der Szenarioanalyse wird im ersten<br />
Schritt festgelegt. Wie im Kapitel 2.6 beschrieben, soll sie<br />
eine Vision «Nachhaltiger Klettgau» liefern, also einen zukünftigen<br />
Zust<strong>and</strong>, der das Konzept Nachhaltigkeit für die<br />
<strong>Region</strong> konkretisiert. Im zweiten Schritt wird das zu untersuchende<br />
System und seine relevanten Merkmale erfasst.<br />
Der Abschnitt 3.2 zeigt, wie mit Hilfe eines Top-down<br />
Vorgehens die wesentlichen Eigenschaften des Wirtschaftssystems<br />
Klettgau zusammengetragen wurden. Mit dieser<br />
Methode wird zunächst aus einer makroskopischen Sicht die<br />
Grobstruktur festgelegt und in den interessanten Bereichen<br />
verfeinert (Fischlin, 1998). Zunächst wird ein qualitatives<br />
Wirkungsgefüge entworfen, das auf den relevanten Stoffund<br />
Finanzströmen basiert. Das Wirkungsgefüge dient als<br />
Ausgangsbasis für den nächsten Schritt, die Extraktion von<br />
Einflussfaktoren. Wie dabei vorgegangen wurde, wird in<br />
Abschnitt 3.3 dargelegt. Unmittelbar mit diesen Einflussfaktoren<br />
verbunden ist auch der folgende Schritt, die Einflussmatrix.<br />
Mit der Einflussmatrix wird die gegenseitige<br />
Beeinflussung der Einflussfaktoren bewertet und dargestellt.<br />
Sie ist ebenfalls in Abschnitt 3.3 dargestellt. Mit Hilfe<br />
des sogenannten System-Grids, dem sechsten Schritt der<br />
formativen Szenarioanalyse, werden die Informationen der<br />
Einflussrnatrix visualisiert und bezüglich ihrer Rolle im<br />
System analysiert. Das System-Grid und die daraus gewonnenen<br />
Ergebnisse finden sich ebenso in Abschnitt 3.3. Eine<br />
<strong>and</strong>ere Art der Visualisierung von Beziehungen zwischen<br />
Einflussfaktoren ist der gerichtete Graph. Die Darstellung<br />
für das hier untersuchte System wurde mit Hilfe eines Computerprogramms<br />
gewonnen und ist auch in Abschnitt 3.3<br />
dargestellt. Mit dem siebten Schritt, der MICMACI-Analy-<br />
IMICMAC: Matrice d'Impacts Multiplication Appliquee a un Classement;<br />
Cross impact matrix-multiplication applied to classification<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
179
Wirtschaft<br />
se werden die indirekten Abhängigkeiten der Einflussfaktoren<br />
untersucht. In Abschnitt 3.4 wird das Vorgehen hierbei<br />
erläutert. Die bisherigen Schritte dienten v.a. der genauen<br />
Analyse der Vernetzung und Dynamik des Untersuchungsgegenst<strong>and</strong>es.<br />
Im achten Schritt, der Trendprojektion, wird<br />
dieses Wissen genutzt, um mögliche Ausprägungen der<br />
Einflussfaktoren zu bestimmen (siehe Abschnitt 3.5). Anschliessend<br />
muss geprüft werden, in wie weit die verschiedenen<br />
Ausprägungen der Einflussfaktoren mitein<strong>and</strong>er verträglich<br />
sind. Diese Bewertung wird in der Konsistenzanalyse<br />
durchgeführt und ist in Abschnitt 3.6 erläutert. Das<br />
Ergebnis dieser Analyse ist eine Konsistenzmatrix, die als<br />
Eingangsinformation für die Berechnung von Szenarien<br />
(siehe Abschnitt 3.7) mittels Computer genutzt wird. Dabei<br />
wird eine Liste aller möglichen Szenarien erzeugt, die jeweils<br />
mit einer Kennzahl als Mass für ihre Konsistenz<br />
gekennzeichnet sind. Aus dieser Liste der möglichen Szenarien<br />
wählt man einzelne aus, die dann weiter bearbeitet<br />
werden. Die hier verwendeten Auswahlmethoden sind in<br />
Abschnitt 3.8 erörtert. Entsprechend der Zielsetzung, eine<br />
Vision für eine «nachhaltige <strong>Region</strong> Klettgau» zu finden, ist<br />
die Szenarioauswahl um das Kriterium Nachhaltigkeit erweitert<br />
worden. Da dieses Kriterium äußerst komplex ist,<br />
wurde hierfür eine eigene Methode entwickelt, die eine<br />
effiziente Bewertung der Szenarien im gegebenen Format<br />
ermöglicht (siehe Abschnitt 3.9). Der zehnte Schritt der<br />
formativen Szenarioanalyse, die Erarbeitung von Strategien,<br />
war nicht mehr Teil der in Schritt 1 formulierten Zielsetzung<br />
und wird darum hier nicht dargestellt. Trotzdem finden<br />
sich einige Massnahmenansätze für ausgewählte Bereiche<br />
in Kapitel 4. In Abschnitt 3.10 sind die relevanten Erkenntnisse<br />
der durchgeführten Szenarioanalyse zusammengefasst.<br />
3.2 Stoff- und Finanzflüsse -<br />
Die <strong>Region</strong>aJökonomie aus einer<br />
systemischen Sicht<br />
Die Wirtschaft ist der gesellschaftliche Bereich, der die<br />
materielle Güterversorgung zum Gegenst<strong>and</strong> hat. Dieser<br />
Bereich ist strukturiert und kann als System von Wirtschaftssubjekten<br />
beschrieben werden, die über vielfältige<br />
Beziehungen verbunden sind. Um diese Struktur für die<br />
<strong>Region</strong> Klettgau zu erfassen, wurde eine Top-down Strategie<br />
gewählt.<br />
Eine Möglichkeit zur Beschreibung einer Volkswirtschaft<br />
ist das Konzept des Wirtschaftskreislaufs. Aus gleichartigen<br />
Wirtschaftssubjekten werden Sektoren gebildet, die in Austauschbeziehungen<br />
stehen (Frank, 1995). Mit dieser Idee<br />
soll eine Analyse der <strong>Region</strong>alwirtschaft in der <strong>Region</strong><br />
Klettgau durchgeführt werden.<br />
Hierfür werden die Sektoren Haushalte, Unternehmen,<br />
Banken und öffentliche H<strong>and</strong> betrachtet. Einerseits kaufen<br />
die Haushalte bei den Unternehmen Güter. Diesem Güterstrom<br />
steht der monetäre Strom der Konsumkosten gegenüber.<br />
Andererseits stellen die Haushalte den Unternehmen<br />
Arbeitsleistung gegen Entgelt zur Verfügung. Die Banken<br />
nehmen Ersparnisse aus Haushalten und Unternehmen auf,<br />
um sie für Investitionen den Unternehmen zuzuführen. Die<br />
Öffentliche H<strong>and</strong> erhält von Unternehmen und Haushalten<br />
die erhobenen Steuern und gibt diese als Leistungen und in<br />
Form von Subventionen an (einen Teil der) Unternehmen<br />
und Haushalte zurück. Darüber hinaus finanziert die öffentliche<br />
H<strong>and</strong> so ihren eigenen Konsum.<br />
Alle diese Sektoren sind eingebettet in die natürliche<br />
Umwelt und darum gibt es vielfältige Stoffströme in die<br />
Umwelt hinein und aus der Umwelt heraus. Es lassen sich<br />
grundsätzlich zwei Arten unterscheiden: Zum einen werden<br />
der Umwelt Ressourcen entnommen, die für die Produktion<br />
der Unternehmen eingesetzt werden. Diese Ressourcen können<br />
fossile Rohstoffe und somit nicht regenerierbar oder<br />
emeuerbar sein. Andererseits gibt es einen Strom von festen,<br />
flüssigen oder gasförmigen Emissionen in die Umwelt. Teilweise<br />
können diese Stoffe durch natürliche Prozesse abgebaut<br />
werden. Wird die Abbaukapazität der Umwelt überschritten<br />
oder sind die Stoffe nicht natürlich abbaubar, so<br />
reichem sie sich in den entsprechenden Umweltkompartimenten<br />
an und können zur Zerstörung der Funktionsfähigkeit<br />
der natürlichen Systeme beitragen.<br />
Soll die Wirtschaft einer <strong>Region</strong> mit Hilfe der eben beschriebenen<br />
Beziehungen abgebildet werden, so ist zu beachten,<br />
dass die Finanz- und Güterströme durch die Grenzen<br />
der <strong>Region</strong> nicht behindert werden. So kann die Arbeitsleistung<br />
den Unternehmen innerhalb oder ausserhalb der<br />
<strong>Region</strong> zur Verfügung gestellt werden. Entsprechendes gilt<br />
für den Konsum. Die H<strong>and</strong>lungen der Institutionen der<br />
öffentlichen H<strong>and</strong> sind nur in den unteren Ebenen regional<br />
ausgerichtet. Im Fall der <strong>Region</strong> Klettgau kann nur die<br />
Gemeindeebene zur<strong>Region</strong> gerechnet werden. Bei den Banken<br />
ist eine Abgrenzung zwischen <strong>Region</strong>albanken und<br />
Grossbanken zweckmäßig. Dieser Sektor bietet so den Zugang<br />
zum internationalen Finanzmarkt, der in keiner Weise<br />
mehr vom regionalen Sparvolumen abhängt. Umwelteinwirkungen,<br />
also die Entnahme von Ressourcen und die<br />
Abgabe von Emissionen können auch in ihren lokalen bis<br />
globalen Wirkungen unterschieden werden. Vereinfacht<br />
sind diese Überlegungen in Abbildung 3.1 dargestellt.<br />
Dieser erste Modellansatz bietet einen groben Überblick.<br />
Um spezifische Eigenschaften des Klettgaus abbilden zu<br />
können, muss die Auflösung - zumindest in Teilbereichen <br />
erhöht werden. Gerade im Bereich Unternehmen kann eine<br />
Verfeinerung neue Erkenntnisse bringen, da hier eine Vielzahl<br />
von Flüssen vertreten ist. In Abbildung 3.2 ist der<br />
Bereich in der höheren Auflösung dargestellt.<br />
Die Klettgauer Gemeinden gelten als Schlafstätten (Waldvogel,<br />
1996), weil viel Arbeitsleistung in die Agglomerationen<br />
Zürich und Schaffhausen transferiert wird. Da in diesen<br />
Zentren auch ein grösseres Angebot an qualifizierten und<br />
somit hoch bezahlten Arbeitsplätzen vorh<strong>and</strong>en ist, fliesst<br />
von dort viel Einkommen in den Klettgau. Auch für die<br />
Konsumgüter kann angenommen werden, dass sie zu einem<br />
großen Teil in den Agglomerationen gekauft werden, da dort<br />
ein grösseres Angebot vorh<strong>and</strong>en ist.<br />
Die L<strong>and</strong>wirtschaft prägt den Klettgau. Aus ökonomischer<br />
Perspektive scheint es zentral, dass der Markt für<br />
l<strong>and</strong>wirtschaftliche Produkte stark reguliert ist. Der Staat<br />
greift durch verschiedene Massnahmen ein. So ist das bäuerliche<br />
Einkommen in erster Linie von staatlichen Subven-<br />
180<br />
UNS-Fallstudie '98
____________________________________________ Wirtschaft<br />
Abb. 3.1: Ein regionalökonomisches Modell<br />
für den Klettgau. Die Sektoren Haushalte,<br />
Unternehmen, Banken und öffentliche H<strong>and</strong><br />
stehen durch vielfältige Güter- und Finanzströme<br />
mitein<strong>and</strong>er in Beziehung. Diese<br />
Ströme verbinden die Sektoren sowohl innerhalb<br />
der <strong>Region</strong>, als auch über deren<br />
Grenzen hinweg. Umschlossen werden die<br />
Sektoren von der natürlichen Umwelt.<br />
Durch Ressourcenentnahme und Emissionsströme<br />
kommt es zu Wirkungen von Sektoren<br />
aufdie Umwelt.<br />
Abb. 3.2: Der Unternehmenssektor mit<br />
seinen Stoff- und Finanzströmen zu <strong>and</strong>eren<br />
Sektoren innerhalb des Klettgaus<br />
und über die <strong>Region</strong>algrenze hinweg.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
181
Wirtschaft<br />
tionen für die L<strong>and</strong>wirtschaft abhängig (Lorenz Goette,<br />
Interview am 15.05.98). Eine Preisbildung durch das Zusammentreffen<br />
von Angebot und Nachfrage findet hiernicht<br />
mehr statt. Im Bezug auf Umwelteinwirkungen nimmt die<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft in der <strong>Region</strong> ebenfalls eine wichtige Rolle<br />
ein. Die Stickstoffauswaschungen aus dem Ackerl<strong>and</strong> sind<br />
der bedeutendste Eintragspfad ins Grundwasser (vgl. Kapitell.l).<br />
Der Kiesabbau ist ebenfalls ein wichtiger Erwerbszweig.<br />
Kiesgruben sind typisch für die Klettgaurinne, die im Prinzip<br />
ein riesiger Kieskörper ist. Kies ist eine endliche Ressource,<br />
die nur in geologischen Zeiträumen erneuerbar ist<br />
(Scholz et al., 1998). Eben diese endlichen Ressourcen<br />
bereiten bei der Zielfindung in bezug auf nachhaltige Nutzung<br />
besondere Probleme. Bereits in der Fallstudie 1997<br />
«Verantwortungsvoller Umgang mit Boden» wurden verschiedene<br />
Varianten für die zukünftige Kiesnutzung erarbeitet<br />
und von Interessenvertretern aus Wirtschaft, Politik,<br />
Naturschutz und der Bevölkerung bewertet (vgl. Teilbericht<br />
«Rohstoff Kies» in Scholz et al., 1998).<br />
3.3 Verflechtungen zum Umfeld -<br />
Die relevanten finflussfaktoren und<br />
ihre Beziehungen<br />
Die Basis der Szenarioanalyse ist ein überschaubarer Satz<br />
von Variablen. Diese variablen Einflussgrössen des betrachteten<br />
Systems bestimmen durch ihre Wechselwirkungen die<br />
Dynamik und Kybernetik des Systems (Vester, 1991). Bei<br />
der Bestimmung des Variablensatzes werden mehrere Faktoren,<br />
soweit inhaltlich zusammengehörig, zu einer einzelnen<br />
Einflussgrösse aggregiert. Da in allen folgenden Schritten<br />
mit diesen gearbeitet wird, ist eine sorgfältige Zusammenstellung<br />
von ausschlaggebender Bedeutung.<br />
In der oben dargestellten Beschreibung des regionalökonomischen<br />
Systems wird schnell deutlich, dass diese Betrachtungen<br />
für eine umfassende Beantwortung der Fragestellung<br />
(vgl. Kapitell.6) nicht ausreichen. Vielmehr muss<br />
dieses Wirtschaftssystem in seiner Einbettung in den sozialen,<br />
politischen und ökologischen Kontext des Klettgaus<br />
gesehen werden. Denn gerade hier liegen oftmals entscheidende<br />
Ursachen für Probleme und Hindernisse für neue<br />
Entwicklungsrichtungen. Demgegenüber befindet sich das<br />
beschriebene Wirtschaftssystem noch aufeiner sehrabstrakten<br />
Ebene. Damit spezifische Eigenschaften des Untersuchungsgegenst<strong>and</strong>es<br />
Klettgau abgebildet werden können,<br />
muss eine weitere Verfeinerung vorgenommen werden. Die<br />
Erfüllung beider Forderungen würde zu einem übergrossen<br />
Modell führen, der Datenbedarf um in allen Bereichen die<br />
selbe Detailliertheit zu erreichen wäre riesig. Die hierfür<br />
notwendige Arbeit war im Rahmen der Fallstudienarbeit<br />
nicht zu leisten.<br />
Um trotzdem verwertbare Resultate zu erhalten, wurde<br />
folgendes Vorgehen gewählt: Die Szenarioanalyse wird auf<br />
allgemeiner Ebene durchgeführt, um dem ganzheitlichen<br />
Anspruch zu genügen. In ausgewählten Wirtschaftsbereichen<br />
findet eine vertiefte Analyse statt. Die Analyse-Ergebnisse<br />
fliessen in entsprechende Einflussgrössen und deren<br />
Beziehungen zu <strong>and</strong>eren Einflussgrössen ein. Mit Hilfe der<br />
Szenarioanalyse können dann Aussagen gemacht werden,<br />
welchen Wechselwirkungen die Variablen und damit das<br />
System ausgesetzt sind.<br />
Den Ausgangspunkt zur Bestimmung derEinflussgrössen<br />
bilden die Erkenntnisse aus der Beschreibung des Wirtschaftssystems<br />
(vgl. KapiteI3.l). Die Einflussfaktoren müssen<br />
diese Tatsachen und ihre Ursachen, sowohl innerhalb,<br />
als auch ausserhalb des Klettgaus, widerspiegeln können.<br />
Das anspruchsvolle Ziel ist eine suffiziente Menge von<br />
Faktoren, welche die Vemetzung der Wirtschaft mit den<br />
sozialen, ökologischen und politischen Bereichen darstellt.<br />
Die Faktoren müssen ebenso die Charakteristiken der <strong>Region</strong><br />
(wie in Kapitell dargestellt) beschreiben und die relevanten<br />
Bereiche deutlich machen können. Aus dem Anspruch,<br />
ein Vision zu formulieren, aus der regionale Entscheidungsträger<br />
H<strong>and</strong>lungsstrategien ableiten können, ergibt<br />
sich, dass die Auflösung der regionalen Faktoren relativ<br />
hoch sein muss. All diese Ansprüche an den Variablensatz,<br />
vor allem aber die Forderung diesen überschaubar zu halten,<br />
sind nur schwer erfüllbar. Die Gefahr, wichtige Zusammenhänge<br />
zu übersehen oder relativ unwesentliche Einzelheiten<br />
zu stark hervorzuheben, ist gross. Aus diesem Grund erarbeitete<br />
eine kleine Gruppe mit Hilfe von Experten 2 einen<br />
Vorschlag. In Diskussionen mit Studierenden, die ihren<br />
Arbeitsschwerpunkt auf eine vertiefte Analyse der Teilbereiche<br />
Weinbau, Gewerbekooperation oder <strong>Region</strong>albanken<br />
gelegt hatten, wurde dieser Vorschlag weiter ergänzt. Die<br />
Aggregation inhaltlich zusammengehöriger Variablen reduzierte<br />
die Anzahl der Einflussgrössen auf ein überschaubares<br />
Mass.<br />
Bei all diesen Gesprächen und Diskussionen wurde versucht,<br />
auch auf die Wirkungszusammenhänge einzugehen,<br />
die bei der Bestimmung der Einflussrnatrix Verwendung<br />
ganzheitliche Ebene der Szenarioanalyse<br />
Abb. 3.3: Vorgehen in unterschiedlicher Tiefe. Die Resultate<br />
der vertieften Analyse einzelner Bereiche fliessen in die<br />
Szenarioanalyse ein, die ganzheitliche Sichtweise bleibt erhalten.<br />
2Als Experten wurde sowohl auf Personen aus dem Klettgau, als auch auf<br />
Wirtschaftswissenschaftler zurückgegriffen, die in einem Leitfaden-gestützten<br />
Interview befragt wurden (der Gesprächsleitfaden ist im Anhang<br />
3.1 zu finden): U. Amsler, Wirtschaftsförderung Kanton Schaffhausen; A.<br />
Bauer, Gemeinderätin Klettgau; L. Goette, Uni Zürich; H. Richli, Halblützel<br />
AG; Dr. P. Schellenbauer, <strong>ETH</strong> Zürich; Dr. J. Schütz, <strong>ETH</strong> Zürich.<br />
182<br />
UNS-Fallstudie '98
__________________________________________ Wirtschaft<br />
f<strong>and</strong>en. In Kasten 3.1 sind die Einflussgrössen, wie sie in<br />
den weiteren Schritten der Szenarioanalyse verwendet wurden,<br />
aufgelistet und beschrieben. Es ist zu beachten, dass der<br />
Name einer Einflussgrösse nur ein Kurzbegriff sein kann.<br />
Wichtig ist die jeweilige Beschreibung, welche die Variable<br />
näher bestimmt. Diese muss beim weiteren Arbeiten «im<br />
Hinterkopf behalten» werden, um den Charakter einer Einflussgrösse<br />
vor Augen zu haben. Manchmal scheint eine<br />
Grösse bereits eine Wertung zu enthalten. Falls dem so sein<br />
sollte, beeinflusstdies die anschliessenden Schritte in keiner<br />
Weise. Vielmehr ist dies als Bewegungsrichtung der Variablen<br />
zu verstehen, die ja per Definition beweglich ist. Diese<br />
qualitativ gerichtete Bewegung erlaubt es die Wirkungsbeziehungen<br />
zwischen den Variablen eindeutig zu bestimmen<br />
(Vester, 1991).<br />
Im nächsten Schritt der Szenarioanalyse müssen die Beziehungen<br />
zwischen den Einflussgrössen bestimmt und beschrieben<br />
werden. Dann kann mit Hilfe einerEinflussmatrix<br />
die Rolle einer Komponente im System abgeschätzt werden.<br />
Insbesondere die Fähigkeit, <strong>and</strong>ere Komponenten zu beeinflussen<br />
und das Mass, wie stark eine Variable selbst beeinflusst<br />
wird, interessieren bei der Analyse (Vester, 1991).<br />
In der Einflussmatrix (vgl. Abbildung 3.4) werden alle<br />
Einflussgrössen sowohl in den Spalten, als auch in den<br />
Zeilen aufgetragen. Die Stärke der Wirkung eines Zeilenelements<br />
auf ein Spaltenelement wird auf einer Skala mit 0 (=<br />
kein Einfluss), 1 (= geringer Einfluss) oder 2 (= starker<br />
Einfluss) bewertet. Diese Bewertung bezieht sich jeweils<br />
nur auf die direkten Wirkungen, indirekte Wirkungen über<br />
<strong>and</strong>ere Einflussgrössen werden in einem eigenen Analyseschritt<br />
untersucht (vgl. Abschnitt 3.4) Da sich die Komponenten<br />
nicht selbst beeinflussen können, ist in die Diagonale,<br />
wo jedes Element aufsich selbst trifft, ein X eingetragen.<br />
Das Beurteilen der Wirkungen zwischen den Systemelementen<br />
unterliegt dem persönlichen Wissen und der subjektiven<br />
Wahrnehmung (Vester, 1991). Aus diesem Grund wur-<br />
Kasten 3.1: Liste der Einflussgrässen und deren Beschreibung, wie sie in der Szenarioanalyse verwendet wurden.<br />
UNS-Fallstudie '98 183
Wirtschaft<br />
............... u ..Wirtsciiäiiiiche<br />
.....u uf3~~l11el1~
____________________________________________ Wirtschaft<br />
20<br />
15<br />
5<br />
Ol--<br />
o<br />
• Wirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />
+ Politik<br />
+ Grenze<br />
+ Mentalität<br />
• H<strong>and</strong>el mit der<br />
Agglomeration<br />
5<br />
+ Know-How und Konkurrenzfähigkeit<br />
+ Kreditvergabe durch Banken + Art und Menge<br />
• Infrastruktur der produzierten Güter<br />
+ Konsumverhalten<br />
Haushalte<br />
10<br />
Passivität<br />
+ lokaler Arbeitsmarkt<br />
+Arbeitsmarkt Agglomeration<br />
.. L<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktionsweise<br />
+ Mobilitätsverhaflen<br />
• Umweltqualität<br />
+Struktur der Betriebe<br />
15<br />
• Lebensqualität<br />
----_----~<br />
20<br />
Abb. 3.5: Das Systemgrid visualisiert die<br />
Einflussmatrix. Für diese Darstellung erhält<br />
jede Einflussgrösse zwei Koordinaten.<br />
Die Passivität ergibt sich aus der<br />
Spaltensumme der Einflussmatrix und<br />
zeigt, wie weit eine Variable von <strong>and</strong>eren<br />
beeinflusst wird (im Systemgrid wird die<br />
Passivität auf der Abszisse eingetragen).<br />
Die Zeilensumme einer Einflussgrösse in<br />
der Matrix bestimmt deren Aktivität, also<br />
die Stärke mit der sie <strong>and</strong>ere Faktoren<br />
beeinflusst (die Aktivität wird aufder Ordinate<br />
eingetragen). Zusätzlich unterteilt<br />
man das Koordinatensystem durch das<br />
arithmetische Mittel der Passiv-, bzw. Aktivsummen<br />
Dies gilt auch für das Mobilitätsverhalten und die l<strong>and</strong>wirtschaftliche<br />
Produktionsweise.<br />
Ambivalente Komponenten (Vester, 1990: «kritische Elemente»,<br />
Godet, 1986: «Linkage variables») sind vielfältig<br />
mit <strong>and</strong>eren Grössen vemetzt. Sie wirken stark auf <strong>and</strong>ere<br />
Grössen, werden aber auch stark beeinflusst. Sie können als<br />
Hebel dienen, um Bewegungen im System einzuleiten. Aber<br />
solche Eingriffe sind mit Vorsicht vorzunehmen, da sich<br />
sonst Entwicklungen unkontrolliert aufschaukeln können.<br />
Das Element Struktur der Betriebe ist weit im ambivalenten<br />
Bereich. Dies ist unter <strong>and</strong>erem damit zu erklären, dass es<br />
viele einzelne Grössen aggregiert und darum komplex in das<br />
System eingebunden ist. Ebenso liegt das Element Knowhow<br />
und Konkurrenzfähigkeit in diesem Bereich.<br />
Die puffernden Elemente (Vester, 1990, benutzt die gleiche<br />
Bezeichnung, Godet, 1986, nennt sie «Autonomous<br />
variables») sind nur schwach in das Geschehen im System<br />
eingebunden. Einwirkungen aufdiese Elemente wirken sich<br />
also nur schwach und mit Zeitverzögerungen aus. Vielmehr<br />
sind das die Elemente, die auch bei starken Veränderungen<br />
relativ stabil bleiben. Fürdas hier betrachtete System ist kein<br />
Element eindeutig als puffemd zu identifizieren.<br />
Die übrigen Elemente sind nicht klar einzelnen Bereichen<br />
zuzuordnen.<br />
Die Visualisierung der Einflussmatrix kann auch über<br />
einen gerichteten Graphen erfolgen. In Abbildung 3.6 ist<br />
dieser gerichtete Graph dargestellt. Er wurde mit dem Programm<br />
Krackplot erstellt.<br />
Lebensqualität"_<br />
Mobihta.tsverhallen<br />
)!<br />
~<br />
_Agglo _"",,;...'<br />
umweltqu4:J<br />
•<br />
Infrastruktur ./ ''"'<br />
Wirtschaft<br />
_<br />
3.4 Wirkungen aufUmwegen <br />
Analyse indirekter Beziehungen<br />
Neben den eben analysierten direkten Wirkungen zwischen<br />
den Systemelementen gibt es auch indirekte Wirkungen.<br />
Selbst wenn zwischen zwei Faktoren keine direkte Beziehung<br />
existiert, kann eine Variable indirekt über mehrere<br />
<strong>and</strong>ere Variablen auf eine <strong>and</strong>ere wirken (vgl. Abbildung<br />
3.7)<br />
Mit Hilfe des MICMAC-Verfahrens (Matrice d'Impacts<br />
Croises - Multiplication Appliquee aun Classement; Cross<br />
impact matrix-multiplication applied to classification), das<br />
von Duperrin und Godet zwischen 1972 und 1974 entwikkelt<br />
wurde (Godet 1986), können eben diese indirekten<br />
Abhängigkeiten untersucht werden. Das Ziel dieser Analyse<br />
·2<br />
·2<br />
3<br />
8<br />
Rangplätze der direkten Beziehung<br />
Abb. 3.7: Indirekte<br />
Abhängigkeit. Obwohl<br />
keine direkte<br />
Beziehung zwischen<br />
Xl und X4 besteht,<br />
kann Xl dennoch<br />
über X2 oder X2 und<br />
X3 auf X4 wirken.<br />
(nach Mißler-Behr,<br />
1993, S.66).<br />
+p<br />
13<br />
+b<br />
.h<br />
+c<br />
Abb. 3.8: Auswertung der M1CMAC-Analyse. In dem Koordinatenkreuz<br />
sind die Rangplätze der Systemelemente (a:<br />
L<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktionsweise, b: Umweltqualität,<br />
c: Lebensqualität, d: Mentalität, e: Gemeindepolitik,f Politik,<br />
g: Infrastruktur, h: Mobilitätsverhalten, i: Grenze,): Art<br />
undMenge der produzierten Güter, k: Struktur der Betriebe,<br />
I: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen, m: Kreditvergabe<br />
durch Banken, n: Lokaler Arbeitsmarkt, 0: Arbeitsmarkt der<br />
Agglomeration,p: H<strong>and</strong>el mitder Agglomeration, q: Knowhow<br />
& Konkurrenzfähigkeit der Betriebe, r: Konsumverhalten<br />
der Haushalte) bezüglich ihrer Aktivitätssumme bei den<br />
direkten Beziehungen gegen die Rangplätze bezüglich der<br />
Aktivitätssumme bei den indirekten Beziehungen aufgetragen.<br />
18<br />
ist es, die Variablen aufGrund der indirekten Beziehungen,<br />
die von ihnen ausgehen, zu ordnen. Die Rangfolgen der<br />
Elemente bezüglich direkter und indirekter Beziehungen<br />
können dann verglichen werden. Weisen Variablen hier<br />
grosse Abweichungen· auf, sind diese in der Interpretation<br />
von Szenarien besonders zu berücksichtigen (Mißler-Behr,<br />
1993).<br />
Die Basis für die MICMAC-Analyse bildet die Einflussrnatrix<br />
(vgl. Abbildung 3.4), welche angibt, ob zwischen<br />
zwei Elementen direkte Beziehungen bestehen. Diese Beziehungen<br />
haben die Weglänge 1. Um Beziehungen mit<br />
höheren Weglängen - also indirekte Beeinflussungen - zu<br />
ermitteln, muss die Einflussrnatrix mehrfach mit sich selbst<br />
multipliziert werden. Nach jeder Multiplikation wird die<br />
Spalten- und Zeilensumme ermittelt, sie beschreiben die<br />
Aktivität bzw. Passivität eines Elements bezüglich seiner<br />
indirekten Beziehungen bei der entsprechenden Weglänge.<br />
Aus diesen Summen wird eine Rangfolge der Elemente<br />
(bezüglich Passivität oder Aktivität) ermittelt (Godet 1986).<br />
Wenn sich diese Rangfolge auch nach mehreren weiteren<br />
Multiplikationen nicht ändert, wird die Rangfolge als fest<br />
angenommen. Als Abbruchkriterium schlägt Mißler-Behr<br />
(1993) vor, dass sich die Rangfolge in fünf aufein<strong>and</strong>erfolgenden<br />
Multiplikationen nicht mehr ändert. In einem Achsenkreuz<br />
werden nun diese stabile Rangfolge der indirekten<br />
Beziehungen gegen die Rangfolge der direkten Beziehungen<br />
aufgetragen. Variablen mit höheren Rangplätzen bei den<br />
indirekten Beziehungen liegen nun oberhalb der Winkelhalbierenden,<br />
solche mit höheren Rangplätzen bei direkten<br />
Beziehungen unterhalb.<br />
Abbildung 3.8 zeigt diese Darstellung für die Systemelemente<br />
bezüglich ihrer Aktivität. Es ist zu erkennen, dass<br />
nahezu alle Elemente nicht mehr auf der Winkelhalbierenden<br />
liegen. Allerdings ist auch kein Element weit von der<br />
Winkelhalbierenden entfernt. Lediglich Gemeindepolitik<br />
(e) und Politik (f) belegen bezüglich ihrer direkten und<br />
indirekten Aktivität die gleichen Ränge. Grosse Verschiebungen<br />
zeigen sich beim H<strong>and</strong>el mit der Agglomeration (p)<br />
und der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Produktionsweise (a). Diese<br />
sind beide unterhalb der Winkelhalbierenden zu finden, d.h.<br />
ihre indirekte Aktivität ist stärker als ihre direkte. Für die<br />
Infrastruktur (g), den lokalen Arbeitsmarkt (n) und das<br />
Konsumverhalten der Haushalte (r) dagegen gilt, dass sich<br />
ihre Aktivität stärker in direkten Wirkungen ausdrückt.<br />
Die erste Matrix mit stabiler Reihenfolge kann in einem<br />
Systemgrid visualisiert werden. Dies ermöglicht den Vergleich<br />
mit der Darstellung, die aus der Einflussrnatrix erstellt<br />
wurde (siehe Abbildung 3.9).<br />
So wird schnell deutlich, dass nahezu alle Elemente ähnliche<br />
Eigenschaften im Bezug auf das System (aktiv, ambivalent,<br />
puffernd, passiv) haben, egal ob die direkten oder<br />
indirekten Wirkungen betrachtet werden. Lediglich die Variable<br />
Arbeitsmarkt der Agglomeration hat sich weit in den<br />
puffernden Bereich verschoben. Für die <strong>and</strong>eren Elemente<br />
gilt, dass der Einbezug indirekter Wirkungen die Rolle der<br />
Elemente verdeutlicht.<br />
Fürdie nächsten Schritte der Szenarioanalyse scheint eine<br />
Reduktion der Variablen sinnvoll, da der Bearbeitungsaufw<strong>and</strong><br />
mit der Variablenanzahl stark ansteigt. Es bietet sich<br />
an, aufFaktoren zu verzichten, die das Systemverhalten nur<br />
186 UNS-Fallstudie '98
__________________________________________ Wirtschaft<br />
• Wirtschaftliche<br />
Rahmenbedingungen<br />
.. Struktur der Betriebe<br />
• Politik<br />
• Kreditvergabe<br />
.. Know-How & Konkurrenz<br />
Fähigkeit der Betriebe<br />
.. Grenze<br />
.. Mentalität<br />
.. H<strong>and</strong>el mit der<br />
Agglomeration<br />
.. Gemeindepolitik<br />
.. Art und Menge der<br />
produzierten Güter<br />
.. Infrastruktur<br />
.. Arbeitsmarkt der<br />
Agglomeration<br />
.. L<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktionsweise<br />
.. Konsum- .. Lokaler Arbeitsmarkt<br />
verhalten<br />
Haushalte<br />
Passivität<br />
• Mobilitätsverhalten .. Lebensqualität<br />
.. Umweltqualität<br />
Abb. 3.9: Das Systemgridjür<br />
die indirekten Beziehungen<br />
visualisiert die Rolle der Variablen<br />
im System, wenn auch<br />
die indirekten Einflüsse berücksichtigt<br />
werden.<br />
wenig bestimmen, also aufpassive Variablen. Die Elemente<br />
Umweltqualität und Lebensqualität liegen in diesem Bereich,<br />
ebenso das Mobilitätsverhalten (nach der MICMAC<br />
Analyse kann der Variable diese Rolle eindeutig zugeschrieben<br />
werden). Auch für die puffernden Variablen gilt, dass sie<br />
nur schwach ins System eingebunden sind. Der Arbeitsmarkt<br />
in den Agglomerationen konnte durch die MICMAC<br />
Analyse als ein solches Element identifiziert werden. In der<br />
folgenden Szenariokonstruktion wird aufdiese vier Elemente<br />
verzichtet.<br />
3.5 Was bringt die Zukunft? <br />
Bestimmung möglicher<br />
Entwicklungen für die Einflussfaktoren<br />
In diesem Bearbeitungsschritt werden mögliche Zustände<br />
beschrieben, welche die Einflussgrössen einnehmen können.<br />
Diese Zustände werden auch Ausprägungen genannt.<br />
Im Vordergrund steht die Ausgestaltung der Einzelaspekte,<br />
die durch eine Komponente repräsentiert werden. Diese<br />
müssen für eine Ausprägung widerspruchsfrei bestimmt<br />
werden. Jeder Ausprägung wird ein Kurzname gegeben, der<br />
die Entwicklung klar bezeichnet. Ausgangspunkt ist der<br />
aktuelle Zust<strong>and</strong> (Ist-Zust<strong>and</strong>).<br />
H<strong>and</strong>el mit den Agglomerationen<br />
Die <strong>Region</strong> Klettgau ist eng mit den Güter- und Geldkreisläufen<br />
der Agglomerationen verflochten ist. Meist kommt<br />
die Nachfrage aus dem Klettgau, während die Angebote aus<br />
den Agglomerationen kommen. Auch Güter, die im Klettgau<br />
produziert werden, gelangen zunächst in die Agglomerationen,<br />
wo Grossverteiler den weiteren H<strong>and</strong>el - auch<br />
zurück in den Klettgau - übernehmen . Möglich ist eine<br />
zukünftige Dominanz eines <strong>Region</strong>almarkts, so dass ortsan-<br />
sässige Produzenten und Dienstleister in kleine Waren- und<br />
Geldkreisläufe eingebunden sind, ohne den Umweg über die<br />
Agglomerationen zu nehmen. Dies kann gerade durch entsprechendes<br />
Marketing unterstützt werden, Z.B. durch ein<br />
<strong>Region</strong>allabel. Die <strong>Region</strong> würde ihre Autarkie erhöhen.<br />
Dem entgegengesetzt kann sich der H<strong>and</strong>el auch verstärkt in<br />
die Agglomerationen verlagern. Sowohl das Absetzen von<br />
Produkten, als auch der Einkaufvon Gütern und Rohstoffen<br />
f<strong>and</strong>e fast ausschliesslich in Schaffhausen, Zürich und<br />
Waldshut statt. Darüber hinaus kann auch der globale Markt<br />
ins Zentrum des Interesses rücken. Produziert würden dann<br />
Waren, die weltweit abgesetzt werden müssen.<br />
L<strong>and</strong>wirtschaftliche Produktion<br />
In der L<strong>and</strong>wirtschaft wird momentan (v.a. im Weinbau)<br />
hauptsächlich nach den Richtlinien für Integrierte Produktion<br />
(IP) gewirtschaftet. Biol<strong>and</strong>bau ist kaum anzutreffen<br />
(vgL Kapitel 2.2) und auch der Anteil der konventionell<br />
bestellten Flächen ist gering. Die IP-Grundsätze werden<br />
nicht immer streng beachtet. Viele L<strong>and</strong>wirte haben Nebenerwerbsbetriebe.<br />
Damit man von einer Ökologisierung in<br />
diesem Bereich sprechen kann, müssen die IP-Grundsätze<br />
konsequent umgesetzt werden und der Biol<strong>and</strong>bau signifikant<br />
zunehmen. Ebenso wäre ein Anstieg der ökologischen<br />
Ausgleichsflächen von Nöten. Andererseits ist auch eine<br />
Intensivierung der Produktion möglich, so dass eine hohe<br />
(Flächen-) Produktivität angestrebt wird. Dies bedeutet<br />
auch den vermehrten Einsatz von Agrochemikalien.<br />
Know-how und die Konkurrenzfähigkeit der Betriebe<br />
Das Know-how und die Konkurrenzjähigkeit der Betriebe<br />
wird derzeit hauptsächlich von einem «gesunden Gewerbe»<br />
getragen. Einige grössere Unternehmen hingegen verlagerten<br />
ihre Produktion in <strong>and</strong>ere Gebiete (z.B. die Ziegelei in<br />
Erzingen). Eine zukünftige Ausrichtung der <strong>Region</strong> auf<br />
Innovation bedarf der Entwicklung und Vermarktung neuer<br />
Produkte und Produktionsweisen. Hier spielen dann Ni-<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
187
Wirtschaft<br />
schen- und Schnittstellenprodukte eine grosse Rolle. Die<br />
ansässigen Betriebe könnten sich dem zunehmenden Konkurrenzdruck<br />
auch durch Rationalisierungen anpassen. Im<br />
Vordergrund steht dann der Zuliefermarkt (speziell Richtung<br />
Schaffhausen). Ebenso ist es möglich, dass die Konkurrenzfähigkeit<br />
weiter abnimmt, weil die Neuansiedlung von<br />
Betrieben stagniert. Der Wirtschaftsst<strong>and</strong>ort Klettgau würde<br />
weiter an Bedeutung verlieren.<br />
Struktur der Betriebe<br />
Gegenwärtig zeigt sich, dass im Bezug auf die Struktur<br />
der Betriebe der tertiäre Sektor schwach ausgebildet ist (vgl.<br />
Kapitel 2.4). Im primären Sektor nehmen die Beschäftigtenzahlen<br />
ab. Der Schwerpunkt im sekundären Sektor liegt<br />
beim Gewerbe, Industriebetriebe sind nur wenige vorh<strong>and</strong>en.<br />
Würde versucht den Dritten Sektor, die Dienstleistung,<br />
zu stärken, ist dies lediglich ein Aufholen der Entwicklung<br />
gegenüber <strong>and</strong>eren <strong>Region</strong>en. Dagegen kann auch auf die<br />
Stärke, also das Gewerbe gesetzt werden. Gerade eine stärkere<br />
Kooperation der Betriebe auf verschiedene Art und<br />
Weise bietet hier noch ein gewaltiges Entwicklungspotential.<br />
In Kasten 3.2 sind Beispiele für überbetriebliche Kooperationsmodelle<br />
dargestellt. Der Klettgau bietet auch viele<br />
natürliche Ressourcen, die ökonomisch genutzt werden<br />
könnten. Zum einen kann die L<strong>and</strong>wirtschaft (qualitativ)<br />
ausgebaut werden, zum <strong>and</strong>eren ist eine Nutzung der L<strong>and</strong>schaft<br />
durch den Tourismus möglich (z.B. für Fahrrad- und<br />
Pferdetouren).<br />
Art und Menge der produzierten Güter<br />
Zur Zeit produziert die <strong>Region</strong> hauptsächlich l<strong>and</strong>wirtschaftliche<br />
GÜter, Erzeugnisse des Kleingewerbes und Zulieferprodukte<br />
für die Industrie. Bei einer Diversifikation<br />
sollte v.a. die Produktqualität in den Vordergrund rücken,<br />
sowohl in der L<strong>and</strong>wirtschaft (die vermehrt auf regionale<br />
Spezialitäten setzen sollte) als auch in der gewerblichen und<br />
industriellen Produktion. Eine Konzentration dagegen bedeutet,<br />
dass im wesentlichen Massengüter produziert würden,<br />
die sich schnell und rationell herstellen lassen. Für die<br />
industriellen Fertigungsbetriebe hiesse dies auch, sich auf<br />
wenige Abnehmer zu konzentrieren.<br />
Kasten 3.2: Beispiele elfolgreicher überbetrieblicher Kooperationen<br />
188 UNS-Fallstudie '98
---------------------- Wirtschaft<br />
Kasten 3.2: Fortsetzung<br />
Die Grenze<br />
Die Deutsch-Schweizer-Grenze ist gegenwärtig ein wichtiges<br />
Element im Klettgau. Das Preis- und Lohnniveau in<br />
beiden Ländern ist unterschiedlich und die grenzüberschreitende<br />
Kooperation ist selten und schwierig. Bei einem Abbau<br />
der Grenze würde sich die Freizügigkeit für Personen,<br />
Güter und Dienstleistungen erhöhen. So fände auch eine<br />
Niveauangleichung statt. Einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit<br />
stünden weniger Hindernisse im Weg. Ebenso<br />
ist auch eine Konsolidierung der Grenze denkbar. Durch<br />
Protektionismus festigten sich Preis- und Lohnunterschiede,<br />
eine grenzübergreifende Kooperation wäre stark erschwert<br />
oder sogar unmöglich.<br />
Politik.<br />
Die Politik aufnationaler Ebene in derSchweiz setzt zur Zeit<br />
auf eine starke Subventionierung der L<strong>and</strong>wirtschaft und<br />
Protektionismus für l<strong>and</strong>wirtschaftliche Produkte. Zwar<br />
gibt es Abkommen mit der EU, ein EU-Beitritt der Schweiz<br />
ist nicht absehbar. Durch die schrittweise Öffnung entstünde<br />
mehr Wettbewerb in der L<strong>and</strong>wirtschaft, Direktzahlungen<br />
ersetzten die Subventionen. Ein offenes Verhältnis zur EU<br />
würde angestrebt. Im Falle einer aufAbschottung ausgerichteten<br />
Strategie nähme die Isolation der Schweiz zu. Gerade<br />
der Export in die EU würde sich dann schwieriger gestalten.<br />
Auch in der L<strong>and</strong>wirtschaft wäre kaum Wettbewerb vorh<strong>and</strong>en.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
189
Wirtschaft<br />
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen<br />
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zeigen momentan<br />
eine konjunkturelle Stagnation mit Anzeichen für einen<br />
Aufschwung. Die Zinsen sind tief. Das Preisniveau in<br />
Deutschl<strong>and</strong> ist generell tiefer als in der Schweiz. Exporte in<br />
die EU sind erschwert, da die Schweiz kein EU-Mitglied ist.<br />
Bei einem Aufschwung verbesserten sich die Exportbedingungen<br />
und neue Märkte wären erschliessbar. Die Zinsen<br />
und Bodenpreise verharrten auf tiefem Niveau. Die Einführung<br />
des Euro hätte positiven Einfluss auf die Konjunktur.<br />
Allerdings kann auch ein Abschwung auftreten, wenn sich<br />
Wirtschaftskrisen wie die in Asien auch stark auf Europa<br />
auswirken. Der Euro kann durch Instabilität auch eine negative<br />
Einwirkung auf die europäische Ökonomie entfalten<br />
(vgl. Kapitel 2.3). Entsprechend gering wäre dann auch der<br />
Anreiz, Investitionen zu tätigen.<br />
Mentalität<br />
Den Klettgauern wird Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und<br />
Humor nachgesagt. Allerdings ist ihre Mentalität dem Vernehmen<br />
nach auch durch eine konservative, traditionsbewusste<br />
Einstellung, spontane Ablehnung von Neuerungen<br />
und geringe Innovationsfreudigkeit gekennzeichnet. Durch<br />
den Einfluss von Zuzügern und durch Informationskampagnen<br />
kann sich dieses Wesen gegebenenfalls zunehmend<br />
öffnen. Die Weltoffenheit und Risikobereitschaft würde ansteigen.<br />
Aber die Mentalität kann sich auch stärker nach<br />
innen ausrichten. Hierdurch wären Traditionen und die eigene<br />
Identität besser zu bewahren, aber Veränderungen liessen<br />
sich dann nur noch aufzwingen. Neuzuzüger würden entsprechend<br />
schlechter eingebunden.<br />
Kreditvergabe<br />
Für die Zukunft ist es möglich, daß die Banken verstärkt<br />
kurzfristige Renditen erzielen wollen. Hiermit ist unter Umständen<br />
ein Schrumpfen des Filialnetzes verbunden und<br />
damit Einsparungen im Personalbereich, was auch einen<br />
Rückgang derpersönlichen Beratung nach sich ziehen kann.<br />
Durch eine Verlagerung und Erweiterung der Schwerpunkte<br />
bei den Kriterien für die Kreditvergabe könnte zukünftig<br />
aber auch eine «nachhaltige» Strategie (vgl. Kapitel 2.5)<br />
umgesetzt werden. Damit ist u.U. eine umfangreichere persönliche<br />
Beratung notwendig.<br />
Infrastruktur<br />
Für die Infrastruktur gibt es auch mehrere Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
Zum einen ist es möglich, dass sie auf dem<br />
derzeitigen St<strong>and</strong> gehalten wird. Denkbar ist allerdings auch<br />
ein Ausbau, mit dem unter Umständen auch eine Dezentralisierung<br />
verbunden wäre. Genauso ist auch ein Rückbau mit<br />
einer verstärkten Zentralisierung - besonders bei Einrichtungen<br />
wie Z.B. Kindergärten - nicht auszuschliessen.<br />
Konsumverhalten der Haushalte<br />
Das Konsumverhalten ist derzeit am Preis einer Ware orientiert,<br />
es fliessen aber auch ökologische Kriterien in die<br />
Kaufentscheidung mit ein. Gleichermassen wird auch auf<br />
regionale Produkte zurückgegriffen. Künftig kann der Preis<br />
wieder stärker in den Vordergrund treten. Ökologische und<br />
regionale Kriterien flössen nur noch unwesentlich in die<br />
Kaufentscheidung mit ein (Ausprägung: Quantitativ). Aber<br />
genauso gibt es die Möglichkeit, dass solche Kriterien stärker<br />
das Konsumverhalten bestimmen und der Kunde intensiver<br />
auf diese Qualitäten achtet.<br />
Lokaler Arbeitsmarkt<br />
Zur Zeit gibt es nur ein beschränktes Angebot an lokalen<br />
Arbeitsplätzen. Ein Teil der Arbeitnehmer pendelt nach<br />
Zürich und Schaffhausen. Dieses lokale Angebot kann sich<br />
in Zukunft noch verkleinern, so dass der Pendleranteil stiege.<br />
Würde sich das lokale Angebot verbessern, ist zu erwarten,<br />
dass auch der Pendleranteil sinkt.<br />
Gemeindepolitik<br />
Die Gemeinden im Klettgau kooperieren derzeit nur wenig<br />
(vgl. Kapitel 2.3). Für die Zukunft besteht die Möglichkeit,<br />
dass kurzfristiges und auf Wahlerfolg ausgerichtetes Denken<br />
in den Vordergrund rückt. Damit verbunden wäre eine<br />
Fortsetzung der geringen Kooperation. Andererseits könnten<br />
die Gemeinden ihr Verhalten genau hier ändern und<br />
gemeinsame Ziele auch in bezug auf Nachhaltigkeit verfolgen.<br />
Entsprechend wären dann auch eine grössere Kompromiss-<br />
und Veränderungsbereitschaft notwendig.<br />
In Tabelle 3.1 sind die Einflussfaktoren mit ihren möglichen<br />
Ausprägungen in einer Übersicht zusammengestellt.<br />
Dies bildet die Basis für die folgende Konsistenzanalyse.<br />
3.6 Verträglichkeit und Spannung<br />
Konsistenzanalyse<br />
In der Konsistenzanalyse sollen das gleichzeitige Auftreten<br />
von jeweils zwei Ausprägungen verschiedener Einflussgrössen<br />
bewertet werden. Die Bewertung erfolgt mit Hilfe von<br />
Konsistenzzahlen. Diese stellen eine «subjektive, ordinale<br />
Verträglichkeitsbewertung der Beziehung zweier [...] Variablenwerte»<br />
(Mißler-Behr, 1993; S.30) dar.<br />
Dazu wird eine Konsistenzmatrix erstellt. Die 14 Einflussgrössen<br />
mit ihren Ausprägungen sind horizontal und<br />
vertikal gegenein<strong>and</strong>er aufgetragen. Zur Bewertung der<br />
möglichen Beziehungen stehen die Werte -2, -1, 0, 1 und 2<br />
zur Verfügung, denen folgende Bedeutung zugeordnet wird:<br />
Wert -2: Die Ausprägungen sind inkonsistent und können<br />
nicht gemeinsam auftreten.<br />
Wert -I: Die Ausprägungen hemmen sich gegenseitig.<br />
Es ist allerdings nicht unmöglich, dass sie gemeinsam<br />
auftreten.<br />
- Wert 0: Die beiden Ausprägungen können unabhängig<br />
vonein<strong>and</strong>er eintreten. Es ist keine Beziehung zwischen<br />
beiden Zuständen vorh<strong>and</strong>en.<br />
- Wert I : Das Auftreten einer Ausprägung fördert auch das<br />
Auftreten der <strong>and</strong>eren.<br />
Wert 2: Die beiden Ausprägungen bedingen sich.<br />
Mit Hilfe dieser Skala kann sowohl die Verträglichkeit<br />
zweier Variablenwerte, als auch eine Ursachen-Wirkungs<br />
Beziehung beurteilt werden. Obwohl diese Beziehungsarten<br />
qualitativ unterschiedlich scheinen, kann bedingtes Eintreten<br />
als Steigerung von Förderung und Inkonsistenz als Steigerung<br />
von Hemmung verst<strong>and</strong>en werden. In diesem Sinne<br />
190<br />
UNS-Fallstudie '98
__________________________________________ Wirtschaft<br />
Tab. 3.1: Zusammenstellung der möglichen Ausprägungen<br />
der Einflussfaktoren. Fürjeden Einflussfaktorwurden (theoretisch)<br />
mögliche zukünftige Zustände beschrieben und mit<br />
Kurznamen benannt, ausführlich sind die Ausprägungen in<br />
Abschnitt 3.5 beschrieben.<br />
Einflussfaktor<br />
H<strong>and</strong>el mit<br />
Agglomerationen<br />
I L<strong>and</strong>wirtschaftliche<br />
I Produktion<br />
Konkurrenzfähigkeit<br />
Struktur der Betriebe<br />
I<br />
i Art und Menge der<br />
i produzierten Güter<br />
I<br />
I<br />
Die Grenze<br />
Die Politik<br />
I Mögliche Ausprägung<br />
<strong>Region</strong>almarkt<br />
Agglomeration<br />
Global<br />
Ist-Zust<strong>and</strong><br />
Ökologische Ausrichtung<br />
Intensivierung<br />
Innovation<br />
I<br />
I Anpassung<br />
Stagnation<br />
Ist-Zust<strong>and</strong><br />
Dienstleistung<br />
Gewerbe<br />
Natürliche Ressourcen<br />
Ist-Zust<strong>and</strong><br />
Diversifikation<br />
I<br />
Konzentration<br />
Ist-Zust<strong>and</strong><br />
Abbau<br />
Konsolidierung<br />
Ist-Zust<strong>and</strong><br />
I<br />
! ..<br />
I Offnung<br />
Abschottung<br />
Ist-Zust<strong>and</strong><br />
I Wirtschaftliche<br />
Aufschwung<br />
I Rahmenbedingungen Abschwung<br />
Ist-Zust<strong>and</strong><br />
Mentalität<br />
Kreditvergabe<br />
Infrastruktur<br />
Konsumverhalten<br />
Lokaler Arbeitsmarkt<br />
Gemeindepolitik<br />
Öffnung<br />
Ausrichtung nach innen<br />
Ist-Zust<strong>and</strong><br />
kurzfristige Rendite<br />
Ist-Zust<strong>and</strong><br />
I<br />
nach nachhaltigen Kriterien<br />
Dezentraler Ausbau<br />
Keine Veränderung<br />
Rückbau/Zentralisierung<br />
Quantitativ<br />
Ist-Zust<strong>and</strong><br />
Qualitativ<br />
---<br />
kleines Angebot<br />
Ist-Zust<strong>and</strong><br />
Vergrösserung des Angebots<br />
Kurzfristige Ausrichtung<br />
Ist-Zust<strong>and</strong><br />
Kooperation<br />
ist auch die oben beschriebene Skala zu betrachten, mit<br />
welcher die Bewertung durchgeführt wurde. Die Bewertungsstufen<br />
orientieren sich an den von Hassler und Schärli<br />
(1995/96) verwendeten vier Bewertungsstufen «inkonsistent»,<br />
«unabhängig», «fördernd», «bedingend». Die zusätzliche<br />
Bewertungsstufe «hemmend» wurde eingeführt,<br />
damit die Konsistenzbewertung symmetrisch um die Bewertung<br />
für neutrales Verhalten (Wert 0) gruppiert ist, wie<br />
es Mißler-Behr (1993) vorschlägt.<br />
Da eine Grosszahl von Beziehungen zu beurteilen war, ist<br />
die Matrix in kleinere Teile zerlegt worden, die jeweils von<br />
zwei Leuten unabhängig bewertet wurden. Bei einem anschliessenden<br />
Vergleich sind gleiche Bewertungen in die<br />
Gesamtmatrix übernommen worden. Wo Widersprüche vorlagen,<br />
wurde durch Diskussion ein Konsens hergestellt.<br />
3.7 fine fülle von Möglichkeiten <br />
Berechnung von Szenarien<br />
Mit Hilfe der oben beschriebenen Konsistenzmatrix werden<br />
alle möglichen (Zukunft-)Szenarien berechnet. Als Szenario<br />
wird in diesem Zusammenhang eine Kombination von<br />
Ausprägungen der Einflussfaktoren verst<strong>and</strong>en. Die Berechnung<br />
dieser Szenarien erfolgte mit Hilfe eines Computerprogramms,<br />
das systematisch alle möglichen Kombinationen<br />
der Ausprägungen herstellt und nach Konsistenzsumme<br />
bzw. Konsistenzprodukt ordnet. Die Konsistenzsumme<br />
wird durch Addition der angepassten Werte aus der<br />
Konsistenzmatrix gebildet, das Konsistenzprodukt durch<br />
Multiplikation. Beide Zahlen sind kennzeichnend für den<br />
inneren Widerspruch eines Szenarios. Solche mit hohen<br />
Konsistenzwerten sind demnach widerspruchsfreier als solche<br />
mit niedrigen. In diesem Sinne können hohe Werte als<br />
ein Merkmal für die Stabilität eines Szenarios gewertet<br />
werden, da wenig Widersprüche auch zu wenig Störungen<br />
innerhalb des Systems führen.<br />
Für die betrachtete Menge an Einflussfaktoren und Ausprägungen<br />
sind über 11 Mio. Kombinationen möglich. Da<br />
aber erfahrungsgemäss nur ein geringer Teil dieser Szenarien<br />
konsistent ist, wurden für den nächsten Schritt, die Szenarienauswahl<br />
nur die konsistentesten 200 bzw. 10'000 Szenarien<br />
benutzt. Die niedrigste Konsistenzsumme der ersten<br />
200 Szenarien beträgt 98, das niedrigste -produkt ist grösser<br />
als 10 26 • Innerhalb der ersten 10'000 Szenarien fällt die<br />
Konsistenzsumme lediglich auf 62, das -produkt auf 10 17<br />
ab. Mit diesem Wissen und der Tatsache, dass selbst 10'000<br />
Szenarien weniger als 1%0 aller möglichen Szenarien repräsentieren,<br />
kann davon ausgegangen werden, dass man sich<br />
hier in einem Bereich mit sehr hoher Konsistenz bewegt.<br />
Zumindest scheidet hier kein Szenario auf Grund starker<br />
innerer Widersprüche aus.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
191
Wirtschaft<br />
3.8 Den Kurs bestimmen <br />
Auswahl von Szenarien<br />
Aggregation zu Stossrichtungen<br />
Das Ziel dieses Bearbeitungsschrittes ist es, aus den berechneten<br />
Szenarien eine Auswahl zu treffen. Da die vollständige<br />
Liste mit über 11 Mio. Szenarien nicht zu bewältigen ist,<br />
wird folgendermassen vorgegangen: Zunächst wird mit den<br />
200 konsistentesten Szenarien gearbeitet. Hier kann, wie<br />
oben beschrieben, nicht nur die Konsistenz zur Ausscheidung<br />
herangezogen werden. Darum erfolgt eine Auswahl<br />
mit drei unterschiedlichen Ansätzen:<br />
- Bottom-up Vorgehen: Ausgehend von der Liste und dem<br />
Wissen über das System werden Muster in Szenarien<br />
gesucht und Gruppen gebildet. Durch Variation der<br />
Gruppen können dann Repräsentanten für die Gruppen<br />
gefunden werden.<br />
- Top-Down Vorgehen: Hierbei definiert man sinnvolle<br />
mögliche Zukunftsentwicklungen. Davon werden dann<br />
mit Hilfe des bisher gewonnen Systemwissens Kombinationen<br />
von Ausprägungen der Einflussfaktoren abgeleitet.<br />
Anschliessend sucht man in der Liste Szenarien, die<br />
diesen möglichst nahe kommen.<br />
- Clusteranalyse: Die Clusteranalyse ist ein statistisches<br />
Verfahren, das mit einem mathematischen Algorithmus<br />
Gruppen bildet, die sich an der Ähnlichkeit einzelner<br />
Szenarien orientiert.<br />
Die beiden ersten Verfahren wurden von jeweils zwei<br />
Arbeitsgruppen angewendet, um festzustellen, in wieweit<br />
die verschiedenen Vorgehensweisen zu unterschiedlichen<br />
Ergebnissen führen. Die Clusteranalyse wurde dagegen nur<br />
von einer Gruppe durchgeführt, da dies ein EDV-gestütztes<br />
Statistikverfahren ist und immer die gleichen Resultate<br />
bringt.<br />
In einem zweistufigen Vorgehen ist jede Methode zunächst<br />
auf eine Liste der konsistentesten 200 Szenarien<br />
angew<strong>and</strong>t worden. Danach erfolgte eine Bearbeitung der<br />
10'000 konsistentesten Szenarien, soweit dies mit den Verfahrensweisen<br />
möglich war.<br />
Das Bottom-up Vorgehen und die Clusteranalyse führten<br />
für den ersten Schritt zu den selben Ergebnissen. In den 200<br />
Szenarien konnten nur zwei grundsätzlich verschiedene<br />
Gruppen gefunden werden. Die eine basiert dabei auf den<br />
aktuellen Konditionen im Klettgau (d.h. alle Einflussfaktoren<br />
sind im Ist-Zust<strong>and</strong>), die <strong>and</strong>ere Gruppe kann kurz mit<br />
«ökologisch, kooperativ und regionalorientiert» beschrieben<br />
werden. In Tabelle 3.2 sind die Ausprägungen der<br />
Einflußfaktoren des Szenarios mit der höchsten Konsistenzsumme<br />
dieser Gruppe beschrieben.<br />
Tab. 3.2: Die Ausprägungen der Einflussfaktoren des Szenarios mit der höchsten Konsistenzsumme aus der Gruppe der<br />
«ökologischen, kooperativen und regionalorientierten» Szenarien, die sowohl durch die Clusteranalyse, als auch durch die<br />
Bottom-up Methode identifiziert werden konnte.<br />
I<br />
Einflussfaktor<br />
H<strong>and</strong>el mit Agglomerationen<br />
L<strong>and</strong>wirtschaftliche<br />
Produktionsweise<br />
Konkurrenzfähigkeit<br />
Struktur der Betriebe<br />
Art und Menge der Güter<br />
Die Grenze<br />
Politik<br />
Wirtschaftliche<br />
Rahmenbedingungen<br />
Mentalität<br />
Kreditvergabe<br />
Infrastruktur<br />
Lokaler Arbeitsmarkt<br />
Gemeindepolitik<br />
Ausprägung<br />
Im Klettgau entsteht ein lebhafter <strong>Region</strong>almarkt<br />
Die Produktion in der L<strong>and</strong>wirtschaft richtet sich ökologisch aus<br />
Die Betriebe der <strong>Region</strong> entwickeln, produzieren und vermarkten innovative<br />
Produkte.<br />
Die natürlichen Ressourcen der <strong>Region</strong> sind eine wichtige Basis der regionalen<br />
Wertschöpfung.<br />
Im Klettgau werden verschiedenste qualitativ hochstehende Produkte hergestellt.<br />
I Der trennende Charakter der Grenze wird mehr und mehr abgebaut.<br />
Überregionale Entscheidungen erfolgen nach der Strategie für mehr Wettbewerb. Die<br />
Schweiz öffnet sich zunehmend gegenüber der EU.<br />
Die Globalisierung sorgt für einen allgemeinen Aufschwung, die Finanzmärkte sind<br />
stabil und wenig anfällig für Krisen.<br />
Die Klettgauer sind offen für neue Ideen und gehen auch Risiken bei deren<br />
Umsetzung ein.<br />
Die Kriterien bei der Kreditvergabe werden um regionalbezogene und ökologische<br />
erweitert.<br />
Die Infrastruktur wird dezentralisiert und ausgebaut.<br />
Das Stellenangebot auf dem lokalen Arbeitsmarkt weitet sich aus; ein Grossteil der<br />
Klettgauer Bevölkerung arbeitet auch in der <strong>Region</strong>.<br />
Gemeinden kooperieren unterein<strong>and</strong>er und verfolgen gemeinsame Ziele.<br />
I<br />
192<br />
UNS-Fallstudie '98
_________________________________________ Wirtschaft<br />
Für eine Anzahl von 10'000 Szenarien war die Bottom-up<br />
Methode nicht mehr geeignet, die Clusteranalyse kam aber<br />
auch hier nicht zu einem grundsätzlich <strong>and</strong>eren Ergebnis. Es<br />
lässt sich also feststellen: Die bisherige Analyse ist intern<br />
valide, weil die Methodik der Szenarioanalyse die im Moment<br />
herrschenden Zustände im Klettgau als möglich und<br />
mit wenigen Widersprüchen realisierbar identifiziert. So<br />
kann man davon ausgehen, dass mit dem konstruierten<br />
System ein gutes Wirkungsgefüge für den Klettgau gefunden<br />
wurde. Aber dies bedeutet noch nicht, dass die Methodik<br />
auch die relevanten Faktoren erfasst hat. Hierzu müsste<br />
man die externe Validität untersuchen, was innerhalb dieses<br />
Projektes nicht geleistet werden kann.<br />
Die Top-Down-Vorgehensweise konnte ein differenzierteres<br />
Bild möglicher Zukunftszustände erarbeiten. Hier<br />
wurden von zwei Gruppen unabhängig mögliche Entwicklungsrichtungen<br />
bestimmt, die sich aus dem Wissen über<br />
und dem Verständnis für das System ergeben. Diesen Zukunftsvorstellungen<br />
werden dann jeweils bestimmte Ausprägungen<br />
der Einflussfaktoren zugeordnet. Da sich durch<br />
eine Entwicklungsrichtung nicht alle Ausprägungen eindeutig<br />
ableiten lassen, werden zunächst Bereiche (also eine<br />
Anzahl von Einflussfaktoren) festgelegt, die eine bestimmte<br />
Ausprägung haben müssen. Für <strong>and</strong>ere Bereiche gilt diese<br />
strenge Vorgabe nicht. Bei ihnen sind mehrere Ausprägungen<br />
erlaubt. Es sind mehrere Entwicklungsrichtungen bestimmt<br />
worden, die die folgende Kurzbezeichnung erhielten:<br />
- Stillst<strong>and</strong> und Bedeutungslosigkeit<br />
- Schleichende Veränderung<br />
- Wohn- und Lebensraum<br />
- Schwerpunkt L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
- Harmonisierung und Zusammenarbeit<br />
- Kooperation auf allen Ebenen<br />
- Dienstleistungsgesellschaft<br />
- Quantitatives Wachstum<br />
- Den Fortschritt erzwingen<br />
Für diese Zukunftsoptionen konnten sowohl in der 200er<br />
als auch in der lO'OOOer Liste Vertreter gefunden werden,<br />
die sie repräsentieren.<br />
Oftmals ist der Unterschied zwischen einzelnen Szenarien<br />
nur in ein bis zwei Einflussfaktoren zu finden. Darum sollen<br />
die einzelnen Optionen für die weitere Auswahl zu<br />
Stossrichtungen aggregiert werden. Dies geschah durch eine<br />
moderierte Diskussion in der gesamten Arbeitsgruppe. Einbezogen<br />
wurden auch die beiden Szenarien des Bottom-up<br />
Vorgehens bzw. der Clusteranalyse.<br />
Es kristallisierten sich dabei vier unabhängige Stossrichtungen<br />
heraus: Mediative Innovation, Zukunftstechnologie,<br />
Ökologisierung, und Kleine Änderungen. Zum Teil gibt es<br />
noch verschiedene Schwerpunkte, die eine Stossrichtung in<br />
Bezug auf einzelne Bereiche konkretisieren (vgl. Kasten<br />
3.3).<br />
3.9 Zukunftsfähig oder kurzsichtig? <br />
Die Nachhaltigkeitsbewertung<br />
Die Szenarioanalyse konnte mögliche zukünftige Entwicklungsrichtungen<br />
der <strong>Region</strong> Klettgau aufzeigen. Trotz der<br />
inhaltlichen Beschreibung und der sinnbehafteten Namengebung<br />
hat bisher noch keine Bewertung dieser Szenarien<br />
stattgefunden. Die Fallstudie 1998 möchte die «Chancen der<br />
Ökologisierung<br />
Zukunftstechnologien<br />
Zünftige Entwicklung<br />
der <strong>Region</strong> Klettgau<br />
Kleine<br />
Änderungen<br />
Mediative<br />
Innovation<br />
Entwicklungsschwerpunkte:<br />
- Harmonie<br />
- Wohn- und Lebensraum<br />
-Isolation<br />
Kasten 3.3: Die erarbeiteten Szenarien unterscheiden sich teilweise nur sehr gering, so dass sie zu Stossrichtungenfür eine<br />
zukünftige Entwicklung in der <strong>Region</strong> aggregiert werden können.<br />
(Fortsetzung nächste Seite)<br />
UNS-Fallstudie '98 193
Wirtschaft<br />
Kasten 3.3: Fortsetzung<br />
194 UNS-Fallstudie '98
____________________________________________ Wirtschaft<br />
<strong>Region</strong> Klettgau» bestimmen, die sich durch eine nachhaltige<br />
<strong>Region</strong>alentwicklung ergeben. Mit Hilfe einer Bewertung<br />
bezüglich der Nachhaltigkeit eines Szenarios soll nun<br />
das Konzept «Nachhaltigkeit» in die Arbeit mit einfliessen.<br />
Im Folgenden wird beschrieben, auf welcher Basis die Bewertung<br />
aufgebaut ist und wie sie methodisch durchgeführt<br />
wurde.<br />
Die Bedeutung des Begriffes Nachhaltigkeit ist trotz seiner<br />
zunehmenden Verwendung in unserem heutigen Sprachgebrauch<br />
nach wie vor nicht allgemeingültig geklärt. Einerseits<br />
wird Nachhaltigkeit ständig neu definiert und - je nach<br />
fachlichem Hintergrund der Benutzer des Wortes - <strong>and</strong>ers<br />
verst<strong>and</strong>en. Andererseits haftet ihr immer eine Assoziation<br />
zu Umweltschutz bzw. Ressourceneffizienz und Rücksicht<br />
gegenüber zukünftigen Generationen an. Tatsächlich<br />
herrscht weiterhin Unklarheit über das «Plastikwort Nachhaltigkeit»,<br />
das unendlich formbar und zugleich stereotyp<br />
erscheint (Ninck, 1997). Daher ist es von zwingender Notwendigkeit,<br />
den Gebrauch des Begriffes Nachhaltigkeit, der<br />
im übrigen hier als Synonym für nachhaltige Entwicklung<br />
verwendet wird, genau zu definieren. Festzuhalten bleibt:<br />
Die Bedeutung von nachhaltigerEntwicklung muss von Fall<br />
zu Fall neu festgelegt werden. In Kasten 3.4 ist die Definition<br />
dargestellt, die als Arbeitsgrundlage für die Entwicklung<br />
einer Nachhaltigkeitsbewertung diente.<br />
Dementsprechend steht und fallt diese Bewertungsmethode<br />
mit der dafür verwendeten Defmition der Nachhaltigkeit.<br />
Dies ist relevant für den Fall, dass eine <strong>and</strong>ere Definition<br />
gewählt werden sollte. Ein allgemeiner Ansatz, nachhaltige<br />
Kasten 3.4: Definition einer Klettgau-spezifischen Nachhaltigkeit,<br />
wie sie festgelegt und für die Entwicklung einer<br />
Nachhaltigkeitsbewertung verwendet wurde. Sie lehnt sich<br />
an die Fragestellung der Synthesearbeit an (vgl. Kapitel<br />
2.6).<br />
Entwicklung zu beschreiben, ist in Abbildung 3.11 dargestellt.<br />
Die Dreiteilung des Konzeptes Nachhaltigkeit wurde in<br />
die Bewertungsmethode aufgenommen. Sie ermöglicht eine<br />
sachliche Trennung verschiedener Bereiche, indem diese<br />
einzeln bewertet werden. Schliesslich findet eine Aggregation<br />
der Einzelbewertungen statt, so dass diese wieder zusammengeführt<br />
werden. Die Bewertung gestaltete sich -<br />
notwendige Eigenschaften:<br />
- Wirtschaftswachstum<br />
- Gewinnmaximierung<br />
- exp<strong>and</strong>ierende Märkte<br />
- Externalisierung von Kosten<br />
Ökonomische<br />
Entwicklung<br />
Nachhaltige<br />
Entwicklung<br />
Gesellschaftliche<br />
Entwicklung<br />
notwendige Eigenschaften:<br />
- Verstärkung des Selbstwertgefühls<br />
der Gemeinden<br />
- Bedürfnisbefriedigung<br />
- Partizipation und Selbstverantwortung<br />
- Verwendung angebrachter<br />
Technologien<br />
- Gleichheit<br />
Ökologische<br />
Entwicklung<br />
notwendige Eigenschaften:<br />
- Tragfähigkeit der Systeme<br />
berücksichtigen<br />
- Ressourcen schonen<br />
- Abfall verringern<br />
- Rohstoffe wiederverwerten<br />
Abb. 3.11: Eine Darstellung nachhaltiger Entwicklung.<br />
Veränderungen in einem der drei Bereiche<br />
Wirtschaft, Umwelt oder Gesellschaft haben<br />
Auswirkungen aufdiejeweils <strong>and</strong>eren Bereiche.<br />
Um <strong>Region</strong>alentwicklung nachhaltig zu gestalten,<br />
müssen diese Einflüsse verst<strong>and</strong>en werden<br />
(siehe auch Bächtold, 1998; Interdepartementaler<br />
Ausschuss Rio, 1996).<br />
3Definition Lebensqualität (Rupprecht, 1993): «Lebensqualität ist ein globales Konstrukt. Es beinhaltet zum einen die objektive Lebenssituation einer<br />
Person, die durch physische, soziale und ökonomische Bedingungen gekennzeichnet ist. Zum <strong>and</strong>eren wird das Ergebnis der subjektiven Evaluation dieser<br />
objektiven Gegebenheiten mit einbezogen. In das Konstrukt Lebensqualität gehen daneben kognitive wie affektive Komponenten ein.» (vg1. Siedlung).<br />
UNS-Fallstudie '98 195
Wirtschaft<br />
auch nach der Aufteilung in die Bereiche Ökologie, Soziales<br />
und Ökonomie - als sehr schwierig, denn sie verlangt nach<br />
dem vertieften Verständnis von Systemzusammenhängen,<br />
welches im Rahmen der Fallstudie von den Studierenden<br />
nur in Ansätzen erlangt wurde.<br />
Ausgehend von den in Kasten 3.1 beschriebenen Einflussfaktoren<br />
wurde nachhaltige Entwicklung des jeweiligen<br />
Einflussfaktors im ökonomischen, sozialen und ökologischen<br />
Sinn definiert. Mit Hilfe dieser Definitionen sollten<br />
die Ausprägungen der Einflussfaktoren bewertet werden.<br />
Diese Definitionen sind in Kasten 3.5 zusammengestellt.<br />
Diese Ausprägungen sind als Ausprägungen Nachhaltige<br />
Entwicklung im ökologischen, ökonomischen bzw. sozialen<br />
Sinn zu verstehen. Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung<br />
ist als strukturelle Eigenschaft, in diesem Falle der<br />
<strong>Region</strong> Klettgau aufzufassen. Durch die Auftrennung in<br />
ökologische, soziale sowie ökonomische Ebenen wird zudem<br />
eine Bewertung der nachhaltigen Nutzung der Potentia-<br />
Kasten 3.5: Beschreibung der nachhaltigen Ausprägungen aller Einflussfaktoren.<br />
(Fartsetzung nächste Seite)<br />
196<br />
UNS-Fallstudie '98
-- Wirtschaft<br />
Kasten 3.5: Fortsetzung<br />
4Öko-Effizienz bedeutet hier, sich auf einen Weg langfristig tragbaren Wachstums zu begeben und Fortschritte zu machen, indem Arbeitsmethoden<br />
verbessert, problematische Materialien substituiert, saubere Technologien und Produkte eingeführt und Ressourcen effizienter verwendet / wiederverwertet<br />
werden (Schmidheiny, 1992).<br />
UNS-Fallstudie '98 197
Wirtschaft<br />
Kasten 3.5: Fortsetzung<br />
198 UNS-Fallstudie '98
______________________________________________ Wirtschaft<br />
Kasten 3.5: Fortsetzung<br />
5R1P: <strong>Region</strong>ales Inl<strong>and</strong>sprodukt als Mass für das regionenspezifische Wirtschaftswachstum.<br />
6Generell: Die Bereitschaft zu schrittweiserVeränderung persönlicher und gesellschaftlicherDenkweisen, Werthaltungen, Konsummuster und Bedürfnisse,<br />
an denen der Lebensst<strong>and</strong>ard gemessen wird. Sowohl der einzelne als auch wichtige gesellschaftliche Gruppen müssen Verantwortung für Natur und<br />
Gesellschaft im Weltmassstab entwickeln und in ihr Alltagsh<strong>and</strong>eln einfliessen lassen. Notwendige Eigenschaften dafür sind Innovationsfreudigkeit,<br />
Offenheit und Risikobereitschaft.<br />
UNS-Fallstudie '98 199
Wirtschaft<br />
Kasten 3.5: Fortsetzung<br />
7Die Definition von Infrastruktur in einer nachhaltigen Struktur stellte sich aufgrund der Vielschichtigkeit des Begriffes und seiner Weitläufigkeit als eine<br />
unlösbare Aufgabe heraus. Daher wurde die Einflussgrösse Infrastruktur bei der Nachhaltigkeitsbewertung stets als ohne Einfluss eingestuft. Tatsächlich<br />
ist der Zusammenhang zwischen Infrastruktur und Nachhaltigkeit unklar.<br />
200 UNS-Fallstudie '98
-- Wirtschaft<br />
Kasten 3.5: Fortsetzung<br />
le der <strong>Region</strong> ermöglicht. Nachhaltigkeit ist kein statischer,<br />
starrer Zust<strong>and</strong>, sondern erlaubt Dynamik und W<strong>and</strong>el. So<br />
sind diese Ausprägungen als Wegweiser für eine Veränderung<br />
hin zu Verhältnissen zu verstehen, die eine nachhaltige<br />
Entwicklung ermöglichen und nicht als Zielmarke für einen<br />
nachhaltigen Zust<strong>and</strong>. Um die Anforderungen an eine Nachhaltigkeitsmarke<br />
oder gar an Indikatoren zu erfüllen, müssen<br />
diese Ausprägungen wesentlich fundierter sein.<br />
Anh<strong>and</strong> dieser Wegweiser wurden nun die bei der Szenarioanalyse<br />
verwendeten Ausprägungen der Einflussgrössen<br />
beurteilt. Um bei der Beurteilung eine gewisse Objektivität<br />
zu garantieren erfolgte diese individuell durch fünf verschiedene<br />
Personen und wurde folgendermassen vorgenommen:<br />
Für jede Ausprägung einer Einflussgrösse wurde bewertet,<br />
ob sie sich positiv (1), negativ (-1) oder in keiner Weise<br />
(0) in Richtung der Ausprägung Nachhaltige Entwicklung<br />
verändere. Es wurde also beurteilt, ob die Ausprägung eine<br />
nachhaltige Entwicklung überhaupt zuliesse s .<br />
Auf die individuelle Bewertung folgte eine Gruppenauswertung;<br />
strittige Urteile wurden diskutiert. Falls keine Einigung<br />
erzielt werden konnte, wurde die Mehrheitsentscheidung<br />
gewählt. Um die Nachhaltigkeitszahl der Ausprägung<br />
zu erhalten, bildet man die Zeilensumme aus ökologischer,<br />
ökonomischer und sozialer Bewertung. Tabelle 3.3 stellt<br />
dieses Vorgehen für die Einflussfaktoren dar.<br />
Für jede Einflussgrösse wurde, ohne die verschiedenen<br />
Ausprägungen bereits zu kennen, eine nachhaltige Entwick<br />
1ung im ökologischen, ökonomischen und im gesellschaftlichen<br />
Sinn definiert (wie oben beschrieben), die sogenannt<br />
nachhaltigen Ausprägungen. Sie wurden, ausgehend von<br />
theoretischem Wissen über nachhaltige Entwicklung, sowie<br />
der (oben aufgeführten) Klettgau-spezifischen Definition<br />
nachhaltiger Entwicklung, in einem Top-down Verfahren<br />
abgeleitet. Sie dienten als Messlatte für die Bewertung der<br />
Ausprägungen der Einflussfaktoren, die in einzelnen Szenarien<br />
auftauchten. Die nachhaltigen Ausprägungen unterscheiden<br />
sich in der Art, in der sie generiert wurden von den<br />
Ausprägungen der Einflussgrössen, mit welchen die Szenarien<br />
berechnet wurden. Für die Szenarioberechnung bestimmen<br />
sich die verschiedenen Ausprägungen für die Einflussfaktoren<br />
aus dem Wissen über Möglichkeiten der Veränderung<br />
im System Klettgau (Bottom-up Vorgehen). Dabei sind<br />
aber sicherlich auch Ausprägungen bestimmt worden, die<br />
eine Tendenz zur nachhaltigen Entwicklung aufweisen.<br />
Die in der Szenarioanalyse verwendeten Ausprägungen<br />
und die nachhaltigen Ausprägungen stammen aus zwei<br />
unabhängigen Arbeitsgruppen und sind durch unterschiedliche<br />
Methoden generiert worden. Für die Szenarioanalyse<br />
erarbeitete eine Arbeitsgruppe mehrere Ausprägungen für<br />
alle Einflussfaktoren, die nach ihrem Wissen über die Veränderungsmöglichkeiten<br />
im Klettgau möglich sind. Mit Hilfe<br />
von abstrakten und spezifischen Definitionen für Nachhaltigkeit<br />
generierte eine <strong>and</strong>ere Arbeitsgruppe jeweils sogenannte<br />
nachhaltige Ausprägungen, die dann zur Bewertung<br />
von Szenarien herangezogen wurden. Es ist demnach<br />
legitim, die Szenarien durch die sogenannten nachhaltigen<br />
Ausprägungen zu beurteilen.<br />
Für die mit verschiedenen Methoden ausgewählten Szenarien<br />
wurden die Nachhaltigkeitszahlen berechnet. Dabei<br />
kristallisierte sich ein Szenario heraus, das sowohl hinsichtlich<br />
Konsistenz (also der inneren Widersprüchlichkeit), als<br />
auch Nachhaltigkeit den <strong>and</strong>eren weit überlegen war. Dieses<br />
Szenario wurde kurz mit «äkologisierung» umschrieben.<br />
SDie Einflussgrösse Infrastruktur stellte sich als zu komplex dar; nachhaltige Entwicklung wurde für diesen Faktor nicht beschrieben. Es wurde bei der<br />
Berechnung angenommen, dass jede Ausprägung dieser Einflussgrösse ohne Auswirkungen auf eine nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung bleibt.<br />
UNS-Fallstudie '98 201
Wirtschaft<br />
_<br />
Tab. 3.3: Beispiel der Bewertung von Nachhaltigkeit im ökologischen, sozialen und ökonomischen Sinn.<br />
...<br />
eo<br />
.c<br />
.c
__________________________________________ Wirtschaft<br />
zeigten. Dies führte dazu, diese Methode wieder zu verwerfen.<br />
Wichtig ist jedoch, dass es bei den einzelnen Ausprägungen<br />
nicht zum Ausgleich zwischen sehr unnachhaltigen und<br />
sehrnachhaltigen Ausprägungen kommt. So ist nicht nur die<br />
Höhe der Nachhaltigkeitszahl allein entscheidend, ob ein<br />
Szenario besser abschneidet als ein <strong>and</strong>eres. Das in Abbildung<br />
3.12 dargestellte Szenario verdeutlicht dies anschaulich.<br />
Bis auf die Einflussgrösse Infrastruktur mit Achsenabschnitt<br />
0 haben alle <strong>and</strong>eren Einflussgrössen Achsenabschnitte<br />
im positiven Bereich. Es werden also keine negativen<br />
Bewertungen durch positive Bewertungen ausgeglichen.<br />
Der Kurvenzug, der aus der Verbindung der Einzelnen<br />
Bewertungspunkte entsteht, erscheint relativ rund und ausgeglichen.<br />
Es gibt keine starken Zacken, die darauf hinweisen,<br />
dass Mängel durch hohe Bewertungen <strong>and</strong>erer Bereiche<br />
ausgeglichen werden.<br />
Leitstern die Lukujntf<br />
Nachhaltiger Klettgau<br />
Die Resultate aus der Szenarioanalyse und der Nachhaltigkeitsbewertung<br />
sollen zunächst kurz zusammengefasst werden.<br />
Der methodische Ansatz, die regionalökonomische<br />
Entwicklung der <strong>Region</strong> Klettgau mit ökologischen, politischen<br />
und sozialen Aspekten zu einem «System Klettgau»<br />
zu vernetzen, hat sich als sinnvoll erwiesen. So war es<br />
möglich, eine Vision «Nachhaltiger Klettgau» zu erarbeiten,<br />
welche über die rein ökonomische Sichtweise hinausgeht<br />
und auch Anforderungen an die (regionale und überregionale)<br />
Politik und das Verhalten der Klettgauerinnen und Klettgauer<br />
beschreiben kann. Diese Vision wird in dem Szenario<br />
«äkologisierung» beschrieben (vgl. Tabelle 3.2 und Kasten<br />
3.3). Er besitzt eine hohe Konsistenz und weist darum kaum<br />
innere Widersprüche auf. Die Nachhaltigkeitsbewertung für<br />
dieses Szenario ist nahezu in allen Bereichen relativ hoch.<br />
Wichtige Einflussfaktoren und ihre Systembeeinflus·<br />
sung<br />
Die Analyse der Struktur des Systems Klettgau (vgl. Abschnitt<br />
3.2 bis 3.4) zeigt, dass mit überregionalen politischen<br />
Entscheidungen gezielt auf die <strong>Region</strong> eingewirkt werden<br />
kann. Ebenso setzen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
entscheidende Impulse für die weitere Entwicklung<br />
(vgl. die Elemente Politik und wirtschaftliche Rahmenbedingungen,<br />
die in Abschnitt 3.3 als aktive Elemente identifiziert<br />
wurden). Beide Einflussmechanismen liegen allerdings<br />
ausserhalb des Einflussbereiches der regionalen Entscheidungsträger.<br />
Gleichzeitig hat sich aber auch gezeigt,<br />
dass die Art und Weise der Wertschöpfung im Klettgau<br />
wichtige Einflussgrössen sind. Die Elemente Struktur der<br />
Betriebe und Know-how und Konkurrenzfähigkeit haben<br />
hohe Aktivitätswerte bei der Betrachtung der direkten Wirkungen.<br />
Für das Element Art und Menge der produzierten<br />
Güter ist dies nicht eindeutig bestimmbar, allerdings ist es<br />
tendenziell auch dem ambivalenten Bereich zuzurechnen.<br />
Dies zeigt, dass der ökonomische Bereich, derjadurch diese<br />
Elemente repräsentiert wird, als «Hebel» dienen kann, um<br />
Bewegung im System einzuleiten. Allerdings unterliegen<br />
diese Elemente auch vielen Beeinflussungen (hohe Passivsumme).<br />
Entsprechend sind Eingriffe mit Vorsicht vorzunehmen,<br />
da sich sonst Entwicklungen unkontrolliert aufschaukeln<br />
können.<br />
In der Zielsetzung wurden das Arbeitsangebot, die Umwelt-<br />
und die Wohnqualität als Potentiale bestimmt, die<br />
bewahrt oder vergrössert werden sollen (vgl. Abschnitt 2.6).<br />
Diejenigen Elemente, in denen sich diese Potentiale<br />
ausdrücken, haben sich in der Analyse des Wirkungsgefüges<br />
als solche herausgestellt, die v.a. beeinflusst werden. Zumindest<br />
gilt das klar für die Umweltqualität und die Wohnqualität<br />
(als Teil der Lebensqualität). Der lokale Arbeitsmarkt<br />
kann zwar nicht eindeutig als passives Element identifiziert<br />
werden, tendiert aber in diese Richtung (v.a. bei<br />
Einbezug der indirekten Abhängigkeiten). Diese Elemente<br />
sind als Indikator für den aktuellen Systemzust<strong>and</strong> zu verstehen.<br />
Sie direkt mit Eingriffen zu verändern gleicht einer<br />
Symptombeh<strong>and</strong>lung, da für die Gesamtkonstellation des<br />
Systems kaum Verbesserungen zu erwarten sind (Vester<br />
1991).<br />
Möglichkeiten eines weiteren Vorgehens<br />
Aus der erarbeiteten Vision «Nachhaltiger Klettgau» ist es<br />
nun möglich, Ziele für einzelne Bereiche wie die zukünftige<br />
Zusammenarbeit der Gemeinden oder die künftige Produktionsweise<br />
im Reb- und Weinbau abzuleiten. In einem nächsten<br />
Schritt müssen diese Zielvorstellungen von den Akteuren,<br />
den regionalen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern,<br />
sowie von der Bevölkerung angenommen<br />
werden. Das kann dann zu H<strong>and</strong>lungen führen, die<br />
versuchen diese Ziele zu erreichen, und es besteht die Chance,<br />
sich der Vision ein Stück zu nähern und einen kreativen<br />
Gestaltungsprozess in Gang zu bringen. Die Vision ist aber<br />
allenfalls als ein Richtungsgeber zu verstehen; sie kann<br />
keine Aussage darüber machen, auf welche Art eine Umsetzung<br />
stattfinden sollte. Sie liefert eine Aussage über das<br />
Ziel, aber keine über den Weg, dieses Ziel zu erreichen.<br />
Zumindest ist so möglich verschiedene H<strong>and</strong>lungsansätze<br />
zu bündeln und auf das Gesamtziel «nachhaltige <strong>Region</strong><br />
Klettgau» auszurichten. So erhöht sich die Effizienz des<br />
Gestaltungsprozesses wesentlich. Relevant scheint ausserdern,<br />
dass die Vision in allen Bereichen von den derzeitigen<br />
Zuständen in der <strong>Region</strong> abweicht. Entsprechend sind überall<br />
Änderungen notwendig. Dies bedeutet aber auch, dass<br />
ein Gestaltungsprozess an jeder Stelle möglich ist, und<br />
überall dazu beigetragen werden kann. Für diesen Gestaltungsprozess<br />
ist es nun wichtig, Ansatzpunkte zu finden, die<br />
auf den Stärken der <strong>Region</strong> beruhen. Der Klettgau soll eine<br />
erfüllbare Rolle in der Beziehung zu den Agglomerationen<br />
finden, die ergänzend und komplementär ist, nicht konkurrierend.<br />
Hier liegt die Chance, eine zukunftsfähige Position<br />
einzunehmen, aus der die <strong>Region</strong> agieren kann und nicht nur<br />
reagieren muss.<br />
Methodenkritik<br />
Die Szenarioanalyse als eine qualitative Prognosemethode<br />
scheint ein geeignetes Mittel zu sein, verschiedene alternative<br />
Zukunftsvisionen zu zeichnen. Durch Wissensintegration<br />
werden neue Sichtweisen auf untersuchte Probleme ermöglicht,<br />
die bei konventionellen Analyse- und Prognose-<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
203
Wirtschaft<br />
_<br />
verfahren unerschlossen bleiben. Dies ist sicher nützlich,<br />
wenn Ansatzpunkte für die Problemlösung in konkreten<br />
Fällen gefunden werden sollen. Szenarioanalyse aber als<br />
Methode zur Problemlösung selbst zu begreifen wäre falsch.<br />
Vielmehr stellt eine solche Analyse lediglich den ersten<br />
Schritt in einem Problemlöseverfahren dar. Es darf daher<br />
nicht erwartet werden, nach der Durchführung einer Szenarioanalyse<br />
die vollständige Antwort auf eine Frage zu erhalten;<br />
möglicherweise werden sogar noch weitere Fragen<br />
aufgeworfen, deren Beantwortung mittels <strong>and</strong>erer Methoden<br />
zu Lösungen führen können. Die Generierung differenzierter<br />
Perspektiven für komplexe Probleme ist folglich ein<br />
realistischeres Ergebnis, das man sich von einer Szenarioanalyse<br />
versprechen darf.<br />
Die Methode der Szenarioanalyse verlangt zudem ein<br />
hohes Mass an Information und Systemverständnis. Während<br />
der Teilprojektphase wurde von einer Teilprojektgruppe<br />
ein Wirkungsgefüge der Klettgauer Wirtschaft vorbereitet,<br />
basierend auf Experteninterviews und den Ergebnissen<br />
der <strong>and</strong>eren Teilprojekte. Zudem erhielten alle Studierenden<br />
im Rahmen eines sogenannten Erfahrungstages Gelegenheit,<br />
das «System Klettgau» aus nächster Nähe persönlich<br />
kennen zu lernen. Das System wurde also sehr genau untersucht,<br />
die einzelnen Elemente konnten in diesem Wirkungsgefüge<br />
bezüglich ihrer Rolle sehr gut eingeordnet werden.<br />
Doch nach der Auswahl der Einflussgrössen und der Szenariokonstruktion<br />
geht dieses Wissen weitgehend verloren.<br />
Das Verständnis der Einflussgrössen dient also bei der Szenarioanalyse<br />
lediglich der Entscheidungsfindung, ob eine<br />
Grösse berücksichtigt werden soll oder nicht; das erarbeitete<br />
Wissen um Systemzusammenhänge und Wechselwirkungen<br />
einzelner Einflussgrössen zuein<strong>and</strong>er spielt nach diesen<br />
Auswahlprozessen keine Rolle mehr, es findet schlussendlich<br />
also keine weitere Verwendung. Denn beim Ausfüllen<br />
der Einflussmatrix wird sehr gründlich und tiefgreifend über<br />
die Beziehungen zweier Einflussgrössen zuein<strong>and</strong>er nachgedacht,<br />
schliesslich werden aber diese Wechselbeziehungen<br />
numerisch festgehalten; qualitative Informationen, die<br />
oftmals relevant wären, gehen verloren. Man kann hier<br />
folglich von einem Verlust durch Vergröberung beim Übergang<br />
von der semantischen Ebene aufdie numerische Ebene<br />
sprechen. Dies ist mit Sicherheit ein Nachteil der Szenarioanalyse,<br />
denn gerade das Verständnis dieser systemischen<br />
Interaktionen kann zur Lösungsfindung beitragen. Zudem<br />
wird eine Problemperzeption auf <strong>and</strong>erem Niveau vermittelt.<br />
Zweifelsfrei verhilft die Szenarioanalyse zu einem besseren<br />
Systemverständnis, und um dieser Qualität willen<br />
wurde sie auch eingesetzt.<br />
Die Methode bestimmt die Resultate<br />
Natürlich sind aber die Resultate der Methodenapplikation<br />
auch abhängig vom zur Verfügung stehenden Wissen; so<br />
kann davon ausgegangen werden, dass eine profunde Systembetrachtung<br />
zu <strong>and</strong>eren Erkenntnissen führen kann,<br />
wenn verstärkt Gewicht auf Systemverständnis und<br />
Fachwissen gelegt wird. Das Wissen der am Projekt beteiligten<br />
Studierenden soll nicht abgewertet werden. Es bleibt<br />
jedoch festzuhalten, dass die Fallstudie eine Lehrveranstaltung<br />
ist und die Studierenden mit Sicherheit <strong>and</strong>ere Ansprü-<br />
che an das zur Bearbeitung des Falles angeeignete Wissen<br />
stellen als ein Akteur der <strong>Region</strong>. Es kann und darf kein<br />
hochelaboriertes Bewertungsverfahren erwartet werden.<br />
Eine Forderung der Szenarioanalyse, nämlich eine suffiziente<br />
Menge von Faktoren zu definieren, welche die Vernetzung<br />
der Bereiche Ökonomie, Politik, Gesellschaft und<br />
Umwelt ausreichend reflektieren, birgt die Gefahr in sich,<br />
relevante Interaktionen zu übersehen. Aufder <strong>and</strong>eren Seite<br />
ist es möglich, dass wenig bedeutsame Perzeptionen (als<br />
erste Stufe der Erkenntnis) völlig überbewertet werden;<br />
diese Fehlbarkeit ist natürlich grundsätzlich nicht ausschliessbar.<br />
Eine weitere Schwierigkeit bereitete die Einschätzung der<br />
Einflüsse komplexer oder stark aggregierter Einflussgrössen,<br />
wie beispielsweise Infrastruktur und wirtschaftliche<br />
Rahmenbedingungen. So ist auch die Einflussrnatrix (Vgl.<br />
Abb. 3.4), die den Einfluss der Faktoren zuein<strong>and</strong>er beschreibt,<br />
stark abhängig von subjektiver Beurteilung und<br />
persönlichem Wissen (vgl. Vester, 1991). Für eine höhere<br />
Validität empfiehlt Vester (1991) zudem das Ausfüllen der<br />
Einflussmatrizen durch mehrere verschiedene Zweiergruppen;<br />
hierfür geeignet wären Unternehmerinnen und Unternehmer<br />
aus der <strong>Region</strong>, regionale Entscheidungsträgerinnen<br />
und Entscheidungsträger, Wirtschaftsexpertinnnen und<br />
-experten der Hochschulen und Studierende verschiedener<br />
Fachrichtungen.<br />
Weiterhin können sich beim Ausfüllen von Matrizen Probleme<br />
einschleichen, wie beispielsweise Doppelbewertungen<br />
bei direkten und indirekten Wirkungen eines Elementes<br />
aufein <strong>and</strong>eres. Denkbar ist auch die Umkehreines Effektes,<br />
wenn statt dem Einwirken von einem Element A auf ein<br />
<strong>and</strong>eres Element B der reziproke Einfluss notiert wird (Vester,<br />
1991). Fehleinschätzungen in diesem Schritt der Szenarioanalyse<br />
können darin resultieren, dass in fortgeschrittenen<br />
Stadien der Analyse Elemente entfernt werden, weil sie<br />
das System scheinbar nur gering beeinflussen. Ein generelles<br />
Problem beim Ausfüllen aller Matrizen, bei der Durchführung<br />
von Bewertungen und der Auswahl von Szenarien<br />
stellten die schlecht verst<strong>and</strong>enen Phänomene der Gruppenarbeit<br />
dar. Oftmals wurde aus Effizienzgründen der Mehrheitsentscheid<br />
einer langwierigen, aber dennoch wichtigen<br />
Gruppendiskussion um Fakten und Einschätzungen vorgezogen.<br />
Es ist schwierig abzusehen, in welchem Masse sich<br />
hier Fehler eingeschlichen haben. Eine Studie beschreibt<br />
diese Phänomene und liefert Erklärungen (Crott, Grotzer,<br />
Hansmann, Mieg und Scholz, 1999). Festzuhalten bleibt,<br />
dass das Wissen meist aufviele Personen verteilt ist, so dass<br />
eine intensive Kommunikation nötig und (auch konfliktträchtige)<br />
Gruppenarbeit unumgänglich ist.<br />
Die Berechnung der Szenarien im Anschluss an die Konsistenzanalyse<br />
lieferte mehr als 11 Millionen Szenarien.<br />
Daraus wurden zunächst die 200 konsistentesten ausgewählt,<br />
um mit Hilfe dreier verschiedener Vorgehensweisen<br />
- Top-down, Bottom-up und Clusteranalyse (Vergl. Kap.<br />
3.8) - geeignete Szenarien auszuwählen. Obwohl die anfangliche<br />
Beschränkung auf lediglich 200, später 10'000<br />
verschiedene Szenarien hauptsächlich aufgrund mangelnder<br />
technischer Möglichkeiten so festgelegt wurde, scheint<br />
dies ein legitimes Vorgehen, betrachtet man die Spannweite<br />
204<br />
UNS-Fallstudie '98
__________________________________________ Wirtschaft<br />
der effektiv ausgewählten Szenarien (vgl. Kapitel 3.7). Ausserdem<br />
wurden beim Top-down Verfahren von vornherein<br />
alle gewünschten Szenarien in diesen Listen gefunden.<br />
Die während der Synthesephase erarbeitete Nachhaltigkeitsbewertung<br />
hat sich als sehr effizient erwiesen. Dasie an<br />
das Format der Szenarienausgabe angepasst war, liess sich<br />
die Bewertung schnell durchführen und brachte Ergebnisse,<br />
die für die weitere Bearbeitung sehr von Nutzen waren.<br />
Anhang 3. 1: leitfaden für die fxpertengespräche zur frarbeitung der finflussfaktoren<br />
und deren gegenseitige Beeinflussung<br />
i<br />
I<br />
I<br />
3.10.1.1 Vorstellung und Einführung<br />
o Vorstellen der eigenen Person<br />
I 0 Vorstellen fallstudie. Wer macht sie? Wie viele Leute? Titel?<br />
o Synthesegruppe Wirtschaft: Was wollen wir herausfinden?<br />
Wir betrachten die Wirtschaft im Klettgau aufgeteilt in einzelne Faktoren. Wir wollen herausfinden, welche<br />
Einflussgrössen wichtig sind und wie diese einzelnen Crössen zusammen spielen.<br />
o frage: Was denken Sie, welches sind die für die Wirtschaft des Klettgaus wichtigen Grössen im oder<br />
ausserhalb des Klettgaus?<br />
I [Präsentation unseres Systems]<br />
I<br />
i<br />
20' 3.10.1.2 Einflussfaktoren<br />
o frage: Können Sie die von Ihnen genannten Faktoren hier wiederfinden bzw. einordnen?<br />
o 2. frage: Wo würden Sie ihre Faktoren einordnen?<br />
o 3. frage: Sind die <strong>and</strong>eren Faktoren verständlich? Erklären mit der Definitionsliste<br />
o 4. frage: Wie würden Sie die Einflussfaktoren gewichten?<br />
o 5. frage: Was bestimmt Ihrer Meinung nach jeweils das Gewicht des Faktors?<br />
o 6. frage: Welche halten Sie für überflüssig? Und warum?<br />
o 7. frage: Haben Sie konkrete Erfahrungen dazu gemacht?<br />
o 8. frage: Aus welchen Gründen würden Sie den Faktor weglassen?<br />
i o 9. frage: Wo sollte der Detailierungsgrad erhöht / erniedrigt werden? Warum?<br />
o 10. frage: Sehen Sie Faktoren, die wichtig und hier nicht enthalten sind?<br />
o 11. [Bitte einzeichnen! Es sind leerkästchen vorh<strong>and</strong>en]<br />
I<br />
o 12. frage: Warum ist er wichtig? Haben Sie ein Beispiel dazu?<br />
o 13. frage: Wie würden Sie diesen Faktor in einem Satz definieren?<br />
o 14. frage: Zu welchen <strong>and</strong>eren Faktoren hat er Verbindungen?<br />
20' 3.10.1.3 Wirkungsgefüge: Verbindungen und Beziehungen<br />
o 15. Frage: Wo sehen Sie wichtige Verbindungen? Warum?<br />
o 16. [Einzeichnen]<br />
o 17. frage: Wodurch sind diese Verbindungen bestimmt?<br />
o 18. Frage: In welche Richtung wirkt die Verbindung?<br />
o 19. frage: Kennen Sie Beispiele dazu?<br />
o 20. Frage: Welche Verbindungen erachten Sie als nicht so wichtig?<br />
o 21. [farbig hervorheben]<br />
o 22. frage: Warum sind diese Verbindungen den wichtigen Verbindungen untergeordnet? (evtl. genauer<br />
nachfragen!)<br />
o 23. Frage: Kennen Sie Beispiele dazu?<br />
o 24. frage: Welche Verbindungen halten Sie für überflüssig?<br />
o 25. [Ausstreichen]<br />
o 26. Frage: Aus welchem Grund?<br />
o 27. frage: Können Sie uns ein Beispiel dazu nennen, das Sie selbst erlebt haben?<br />
8' 3.10.1.4 Gesamtschau<br />
o 28. Frage: Denken Sie nun, dass diese Faktoren und Verbindungen den Klettgau mit seiner Wirtschaft<br />
gut beschreiben können?<br />
o 29. Frage: Wo liegen Ihrer Meinung nach noch Probleme?<br />
5' 3.10.1.5 Verabschieden<br />
I<br />
Vielen Dank für das Gespräch, (Sie haben uns sehr weitergeholfen.)<br />
30. frage: Konnten Sie ihr Wissen in diesem Gespräch anbringen? Warum?<br />
I<br />
I~<br />
1<br />
0 31. Frage: Können wir sie nochmals (telefonisch) kontaktieren, falls wir noch wichtige Fragen haben? I<br />
I<br />
UNS-Fallstudie '98 205
Wirtschaft<br />
4 Einsichten undAussichten -<br />
Kritik Schlussfolgerungen<br />
4.1 Ein Gefährlicher Hochseilakt <br />
Kritik am Vorgehen<br />
Die Fallstudie ist für alle Studierenden eine grosse Herausforderung<br />
kurz vor Abschluss der Ausbildung und dem<br />
Eintritt ins Berufsleben. Ein Ziel der Fallstudie ist das<br />
Kennenlernen von Projektarbeit mit all ihren verschiedenen<br />
farbig schillernden Facetten. Nicht immer bereiten sämtliche<br />
Aufgaben allen Beteiligten gleich viel Freude, und nicht<br />
immer kann zur Zufriedenheit aller jede Aufgabe erfüllt<br />
werden. Die wichtigsten Pfeiler, aufdenen die Projektarbeit<br />
ruhen sollte, sind die Kommunikation, das Zeitmanagement,<br />
sowie die ständige Selbstreflexion. Besonders letztere,<br />
als tragende Säule, litt unter der Terminplanung. Möglicherweise<br />
war aber schon von Anfang an die Zielsetzung zu<br />
gewagt. Häufig wurde innerhalb der Synthesegruppe mit<br />
aufwendigen und schwierigen Methoden agiert ohne über<br />
deren Anspruch hinsichtlich Wissen und Zeit nachzudenken.<br />
Unweigerliche Folge war das immer wiederkehrende<br />
Gefühl der Überforderung und des drängenden Termindrucks.<br />
Zur zweifelsfreien Selektion der relevantesten Szenarien<br />
wurde eine möglichst hohe Validität durch Anwendung drei<br />
vonein<strong>and</strong>er verschiedener Vorgehensweisen gewählt: Topdown,<br />
Bottom-up und Clusteranalyse. Die Resultate der<br />
verschiedenen Verfahren zeigten keine sonderlich grossen<br />
Abweichungen vonein<strong>and</strong>er. Es wäre wünschenswert gewesen,<br />
mehr Zeit für die Kontrolle der durchgeführten Methoden<br />
aufzuwenden und dem Evaluierungssystem - die Nachhaltigkeitsbewertung<br />
als ausschlaggebenden letzten Schritt<br />
bei der Auswahl - mehr Beachtung zu schenken. Dennoch<br />
zeichnet sich dieses Vorgehen aus durch ein grosses Mass an<br />
Kreativität.<br />
Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt 3.10 erwähnt,<br />
wurde zwar die Auswahl der Einflussgrössen mit Hilfe von<br />
Expertenbefragungen und den Untersuchungsergebnissen<br />
der Teilprojektarbeit durchgeführt. Eine Validierung und<br />
Bewertung der von den Studierenden ausgefüllten Einflussmatrix<br />
durch externe Ratgeber und Experten der <strong>Region</strong><br />
konnte aus Zeitgründen leider nicht durchgeführt werden.<br />
Hierzu ist jedoch zu bemerken, dass die Einflussmatrix zu<br />
einem Zeitpunkt ausgefüllt wurde, als die Studierenden<br />
bereits ihre Erfahrungstage, Treffen mit Kontaktgruppen<br />
sowie zahlreiche Interviews mit regionalen Wirtschaftsexperten<br />
durchgeführt hatten und diese reichhaltigen Erfahrungen<br />
als Wissensfundus in ihre Entscheidungen mit einfliessen<br />
lassen konnten, die beim Ausfüllen der Einflussrnatrix<br />
diskutiert wurden. Dass die Matrix von Studierenden,<br />
nicht von regionalen Akteuren ausgefüllt wurde, ist aber<br />
wichtig für das Verständnis der Resultate. Ausserdem widerspiegelt<br />
die fertige Einflussmatrix (Abb. 3.4) aussschliesslich<br />
Zusammenhänge im regionalökonomischen<br />
Modell des Klettgaus und kann so nicht auf die ökonomischen<br />
Verhältnisse einer <strong>and</strong>eren <strong>Region</strong> übertragen werden.<br />
Die im Kapitel 3.9 dargestellte Nachhaltigkeitsbewertung,<br />
die letztendlich zur Auswahl der Zukunftsvision diente,<br />
ist eine relativ einfache Methode, die speziell für dieses<br />
Projekt entworfen wurde. Mit Sicherheit sind nicht alle<br />
Einflussgrössen zur vollsten Zufriedenheit hinsichtlich<br />
nachhaltiger <strong>Region</strong>alentwicklung umrissen worden. Besonders<br />
bei den stark aggregierten Einflussgrössen - wie<br />
oben schon erwähnt - war die Definition nachhaltiger Ausprägungen<br />
ein schwieriges Unterfangen. Hier wäre es wichtig,<br />
entweder die Einflussgrössen klarer zu beschreiben oder<br />
in mehrere Elemente aufzulösen, deren Einfachheit das<br />
Festhalten einer Nachhaltigkeitsausprägung ermöglichen<br />
würde. Generell ist die Nachhaltigkeitsbewertung als legitim<br />
zu erachten, da die Bestimmung der Einflussgrössen<br />
unabhängig von Überlegungen zur Nachhaltigkeit erfolgte<br />
und ein methodisch falscher Ansatz ausgeschlossen werden<br />
kann.<br />
4.2 Neue Antworten, neue fragen <br />
Bezug zur fragestellung<br />
«Wirtschaftliche Perspektiven einer <strong>Region</strong> l<strong>and</strong>wirtschaftlicher<br />
Prägung im Einzugsgebiet grosser Agglomerationen»,<br />
so lautete der Titel dieses Kapitels. Bei seiner Bearbeitung<br />
wurde jedoch deutlich, dass sich die wirtschaftlichen<br />
Perspektiven keinesfalls allein auf die Wirtschaft beschränken.<br />
Es sind vielmehr auch soziale und umweltrelevante<br />
Aspekte, die für das Wohlergehen der Wirtschaft von<br />
unerlässlicher Wichtigkeit sind. Man erkennt also, dass<br />
letztendlich nur ein Zusammenspiel verschiedener Bereiche<br />
die wirtschaftliche Entwicklung der <strong>Region</strong> Klettgau voran<br />
bringen kann. Dies mag trivial klingen, die Gefahr, dies aus<br />
dem Blick zu verlieren, scheint aber gross.<br />
<strong>Region</strong>alentwicklung, so wird durch diese Arbeit deutlich,<br />
erfordert einen Planungsprozess, in dem aktiv die Zukunft<br />
der <strong>Region</strong> in einem gewissen Rahmen festgelegt wird<br />
unter Beteiligung sämtlicher Interessensgruppen. Die Vision<br />
einer nachhaltigen Entwicklung kann nur verwirklicht<br />
werden, wenn sie von allen Akteuren getragen und vorangetrieben<br />
wird. Es ist das Motto «Gemeinsam stark», welches<br />
hier zum Zug kommt.<br />
Der Klettgau als «eine <strong>Region</strong> l<strong>and</strong>wirtschaftlicher Prägung»<br />
muss diese Eigenschaft als Stärke begreifen. Tatsache<br />
ist, dass das agrikulturell geprägte L<strong>and</strong>schaftsbild ein Potential<br />
der <strong>Region</strong> darstellt, und es gilt dieses Bild zu erhalten<br />
bzw. gewinnbringend zu verändern. Hierzu sollten die<br />
Ergebnisse der Synthesegruppe Naturraum und L<strong>and</strong>schaft<br />
berücksichtigt werden. Durch die Stärkung dieses Potentials<br />
erfährt die <strong>Region</strong> Steigerungen im Bereich der Lebensqualität,<br />
der Umweltqualität, dem Tourismus und der L<strong>and</strong>wirtschaft.<br />
Weitere sind denkbar.<br />
Eine zentrale Bedeutung nimmt die Funktion der Wirtschaftsregion<br />
Klettgau «im Einzugsgebiet grosser Agglomerationen»<br />
ein. Der Klettgau ist Teil eines Netzwerks<br />
verschiedenartiger Wirtschaftsgebiete, und das Ziel muss<br />
hier sein, einerseits die Eigenständigkeit zu stärken, <strong>and</strong>ererseits<br />
aber die Komplementarität zu <strong>and</strong>eren Wirtschaftszentren<br />
auszubauen und vorteilhaft zu nutzen. Dies bedeutet,<br />
dass in grösserem Masse, als es in dieser Arbeit verwirk-<br />
206<br />
UNS-Fallstudie '98
____________________________________________ Wirtschaft<br />
licht werden konnte, nach Komplementaritäten gesucht<br />
werden muss, diese analysiert und anschliessend in einer<br />
definierten Richtung ausgebaut werden sollen. Das Ziel ist<br />
die Stärkung der <strong>Region</strong>alwirtschaft, indem sich die <strong>Region</strong><br />
als ein Baustein des globalen Wirtschaftsgefüges begreift,<br />
der einzigartig ist in dieser Form und daher bestimmte<br />
Bedürfnisse befriedigt. Denn eine zu grosse Eigenständigkeit,<br />
losgelöst vom Netz globaler Wirtschaftszentren, ist<br />
nicht erstrebenswert und völlig unrealistisch. Die Stärkung<br />
der Komplementarität bietet die grössten Entwicklungsmöglichkeiten<br />
in eine Richtung, die von den Akteuren der<br />
<strong>Region</strong> gemeinsam festgelegt werden muss. Es ist klar, dass<br />
die Kräfte gebündelt und Ideen gelenkt werden müssen.<br />
Einigkeit über das angestrebte Ziel ist dafür unerlässlich.<br />
Besonders wichtig für den Primärsektor sind die derzeit<br />
beobachteten Marktverschiebungen in Richtung Bioprodukte.<br />
Biologisch hergestellte Lebensmittel sind ein Marktargument,<br />
dessen Entwicklungspotential hoch eingeschätzt<br />
wird. Um hier erfolgreich agieren zu können, ist es wichtig,<br />
das Wissen, besonders im Reb- und Weinbau, aufden neuesten<br />
St<strong>and</strong> zu bringen. Die regionale Winzergenossenschaft<br />
muss hier eine tragende Funktion übernehmen. Kommunikation<br />
und Austausch von Informationen sind unerlässlich,<br />
ebenso der rege Austausch mit Forschungsanstalten. Durch<br />
geeignete Marketingstrategien sollen Kunden - es bleibt zu<br />
klären, welche Zielgruppen man anpeilen möchte - gezielt<br />
angesprochen werden. Wichtig sind also die Eigeninitiative<br />
der Winzer und die Unterstützung durch politische Entscheidungsträger.<br />
Im Sekundärsektor ist eine Koordination der Wirtschaftsförderung<br />
anzustreben. Das heisst, dass gemeinde- und<br />
grenzübergreifend I geplant wird. Die <strong>Region</strong> sollte gemeinsam<br />
als homogenes Gebilde gegenüber der internationalen<br />
Wirtschaft auftreten. Selbstverständlich gilt es auf diesem<br />
Weg Schranken aus dem Weg zu räumen, die nicht nur<br />
physischer Natur sind. Doch wenn dies gelingt, könnte der<br />
Klettgau eine Vorreiterrolle in Sachen internationaler regionaler<br />
Identität übernehmen durchaus eine attraktive Perspektive,<br />
welche die Mühe lohnt. Denn es ist offensichtlich,<br />
dass die Menschen Europas den nationalen Grenzen immer<br />
weniger Bedeutung beimessen und dass folglich regionale<br />
Identität an Wichtigkeit gewinnen wird. Der Klettgau hat<br />
nun die Chance hier Pionierarbeit zu leisten.<br />
Das Wachstum des tertiären Sektors im Klettgau scheint<br />
günstig, wenn durch gezielte Förderung ein gewisser Einsatz<br />
geleistet wird. Zudem ist im Bereich der Kreditvergabe<br />
ein erster - und bedeutsamer - Schritt schon getan: Die<br />
Arbeitsgruppe «Nachhaltige Kreditvergabe», bestehend aus<br />
Abb. 4.i: Ein erster Schritt in Richtung<br />
nachhaltige <strong>Region</strong>alentwicklung im<br />
Klettgau könnte die integration aller Interessensgruppen<br />
in ausgewählten Bereichen<br />
der Planung sein. Grenzüberschreitende<br />
Kooperation könnte ausgebaut<br />
werden, und die regionalen Vorteile sollten<br />
gestärkt werden. Ein adäquates und<br />
innovatives <strong>Region</strong>almarketing mit Beteiligung<br />
der Einwohner weckt das Interesse<br />
Aussenstehender.<br />
'Die Schweiz hat am 1. September 1998 ein Protokoll zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ratifiziert. Gemäss diesem Protokoll, welches von<br />
Deutschl<strong>and</strong> zwar noch nicht ratifiziert, aber angenommen worden ist, soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit vereinfacht werden. Verträge zur<br />
grenzüberschreitenden Kooperation dürfen in einer Gebietskörperschaft abgeschlossen werden, ohne die nationalen Regierungen einschalten zu müssen.<br />
Verträge zwischen dem Kanton Schaffhausen und dem L<strong>and</strong>kreis Waldshut können fortan mit grösserer Eigenständigkeit abgeschlossen werden.<br />
UNS-Fallstudie '98 207
Wirtschaft ~<br />
_<br />
Abb. 4.2: Biologische L<strong>and</strong>wirtschaft kommt nicht nur bei der Natur an. Viele Konsumentinnen und Konsumenten achten<br />
beim Kauf von Obst, Gemüse und <strong>and</strong>eren l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Erzeugnissen auch auf deren Herkunft. Biologische und<br />
regionale Produktion sind in zunehmendem Mass ein Marktargument.<br />
Abb. 4.3: Studierende und Bankenvertreter am Runden<br />
Tisch. Der Arbeitskreis «Nachhaltige Kreditvergabe»<br />
wurde durch die Fallstudie initiiert und soll die Diskussion<br />
um Nachhaltigkeit in Klettgauer Banken anregen.<br />
Abb. 4.4: Einer für alle, alle für einen:<br />
Der Klettgau. Gegen internationale<br />
Grossunternehmen zu bestehen,<br />
gelingt möglicherweise besser<br />
im Verb<strong>and</strong>, zum Beispiel in virtuellen<br />
Fabriken oder einem H<strong>and</strong>werkerring.<br />
Aktives Lobbying der Klettgauer<br />
Interessenvertreter in Bern<br />
und Brüssel sind notwendig.<br />
208<br />
UNS-Fallstudie '98
----- Wirtschaft<br />
Abb. 4.5: Um der Arbeitsplatzerosion im Dienstleistungssektor zu begegnen, sind vielerlei Massnahmen nötig. Der Klettgau<br />
als Wirtschaftsst<strong>and</strong>ort muss attraktiver gestaltet werden. Potentielle Arbeitnehmer finden eine schöne Umgebung im<br />
Klettgau mit hoher Wohnqualität, doch fehlt ein befriedigendes kulturelles Angebot. Möglicherweise lassen sich aber neue<br />
Arbeitsformen wie «Wohnen im GrÜnen - Arbeiten online» im Klettgau realisieren. ArbeitnehmermÜssten nicht mehr täglich<br />
in die grossen Agglomerationen pendeln.<br />
Vertretern der <strong>Region</strong>albanken im Klettgau, hat bereits getagt<br />
und soll auch weiterbestehen (vgl. Kap.3.3). Die Unterstützung<br />
durch alle regionalen Akteure wäre wünschenswert,<br />
um das Fortbestehen dieses Arbeitskreises zu gewährleisten<br />
und deren Ergebnisse Realität werden zu lassen.<br />
Schliesslich sollen hier nicht zuletzt allgemein-gesellschaftliche<br />
Ziele umgesetzt werden; diese gilt es, wie oben erwähnt,<br />
festzulegen.<br />
UNS-Fallstudie '98 209
Wirtschaft<br />
210 UNS-Fallstudie '98
____________________________________________ Wirtschaft<br />
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Wirtschaftsentwicklung <strong>Region</strong> Schaffhausen (WERS). (1998).<br />
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212<br />
UNS-Fallstudie '98
Autoren:<br />
Alice Müller<br />
Oliver Kleiber<br />
Peter KJeinert<br />
judith Eichenberger<br />
Patrick Gomez<br />
Frank Eyhorn<br />
Konrad Schleiss (Tutor)<br />
Inhalt<br />
1. Einleitung und Ausgangslage<br />
2. Ausgangslage<br />
3. Auswahl und Analyse der betrachteten Betriebe<br />
4. Qualitative Ökologische Bewertung<br />
5. Experteninterviews<br />
6. Problemfelder<br />
7. Perspektiven<br />
Anhang<br />
215<br />
216<br />
217<br />
220<br />
221<br />
223<br />
223<br />
226
Reb- und Weinbau<br />
214 UNS-Fallstudie '98
_____________________________________ Reb- und Weinbau<br />
1 Einleitung und Ausgangslage Problemstellung<br />
Projektarchitektur<br />
Reb- und Weinbau im Klettgau<br />
Vorgehensschema Teilprojektphase<br />
Beschreibung der Ausgangslage<br />
Definieren von Problemstellung,<br />
Zielen und Methoden<br />
IP- und Bio-Weinbau im Klettgau sind aus ökonomischer<br />
und ökologischer Perspektive mit Berücksichtigung von<br />
gesellschaftlichen Aspekten zu vergleichen.<br />
Die aktuelle Situation soll erfasst und beschrieben sowie<br />
Möglichkeiten im ökologischen und ökonomischen Umfeld<br />
ausgeleuchtet und bewertet werden. Vorschläge sind aus der<br />
Sicht von aussenstehenden Betrachtern zu machen. Zusammengefasst<br />
lauten die Hauptarbeiten: Vergleichen der Anbauformen,<br />
Aufzeigen von Problemfeldern, Erarbeiten von<br />
Perspektiven und Szenarien.<br />
Vorgehen und Methoden<br />
Qualitative<br />
Angaben<br />
Qualitative<br />
ökologische<br />
Bewertung<br />
Betriebswirtschaftliche<br />
Rechnung<br />
Annahmen<br />
Modellbetrieb<br />
ökobilanzierung<br />
- Interviews und Besichtigungen bei Bio- und IP-Rebbauern<br />
- Praxistage aufRebbaubetrieben mit Befragungen<br />
- Ökonomische Kostenrechnungen anh<strong>and</strong> von Modellbetrieben<br />
- Ökologische Bewertungen anh<strong>and</strong> von Ökobilanzen und<br />
qualitativen Beurteilungen (multikriterielle qualitative<br />
ökologische Bewertung)<br />
Perspektiven, Vorschläge, Szenarien<br />
Der Rebbau spielt im Klettgau eine sehr wichtige Rolle. In<br />
den letzten Jahren machte der Rebbau über 10% des l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />
Rohertrages aus (Neukomm, 1998). Die<br />
übliche Anbauform im Rebbau ist die integrierte Produktion<br />
(lP), der biologische Anbau ist noch sehr wenig verbreitet.<br />
Ein Grossteil der Reben wird im Nebenerwerb bewirtschaftet.<br />
Im Vergleich zum st<strong>and</strong>ardisierten IP-Anbau hat der Bio<br />
Anbau in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht und<br />
in vielen Weinbaugebieten stärker Fuss gefasst (Vaterlaus,<br />
1998). Der Wunsch nach einem «chemiefreien Genuss»<br />
oder eben nach einem Bio-Wein hat in den letzten Jahren<br />
klar zugenommen (Coray und Strasser, 1998). Nach Fricker<br />
(1998) ist die Pionierzeitbeim Bio-Weinbau vorbei, die Zahl<br />
der Bio-Weinbauern in der Schweiz hat sich seit 1989 verdreifacht.<br />
UNS-Fallstudie '98 215
Reb- und Weinbau<br />
2 Ausgangslage<br />
2. 1 Begriffe<br />
Integrierte Produktion (IP) / VINATURA:<br />
Das Ziel der Weinbauern- und -bäuerinnen ist es, mittels der<br />
integrierten Produktion möglichst umweltschonend und naturnah<br />
Trauben und Wein zu produzieren. Das VINATURA<br />
Label wird nur abgegeben, wenn Ertrag und Qualität des zu<br />
zertifizierenden Traubengutes den Richtlinien (Vitiswiss,<br />
1999) entsprechen. Jährlich überprüfen neutrale Kontrolleure,<br />
ob die Anbauweise den Anforderungen der Richtlinien<br />
genügt.<br />
Ökologischer Weinbau:<br />
Das Prinzip des ökologischen Weinbaus ist es, eine möglichst<br />
grosse Annäherung des Lebenssystems "Weinberg"<br />
an das natürliche Ökosystem zu erreichen. Dabei ist kein<br />
Einsatz von chemisch-synthetischen Hilfsmitteln ausserhalb<br />
der Hilfsstoffliste gemäss den Richtlinien der BioSuisse<br />
(Forschungsinstitut für Biologischen L<strong>and</strong>bau 1998),<br />
erlaubt.<br />
In Tabelle 2.1 sind die wichtigsten Unterschiede zwischen<br />
IP und Bio (wie in Vinum, 1998) dargestellt. Die höheren<br />
Produktionskosten im Bio-Anbau sind vor allem durch einen<br />
höheren Arbeitsaufw<strong>and</strong> begründet. Zusätzlich resultiert<br />
in der Regel ein tieferer Ertrag. Beides macht den<br />
Mehrpreis für Bio-Produkte (Bio-Bonus) notwendig.<br />
2.2 Angaben zur l<strong>and</strong>wirtschaft im<br />
Klettgau<br />
Die Anbaustrukturen im Klettgau und auch der Anteil der<br />
Nebenerwerbs-Rebbauern sind in Tabelle 2.2 ersichtlich. Im<br />
Klettgau gibt es relativ wenig Rebbauern, welche die Trauben<br />
selber verarbeiten. Viele Betriebe verkaufen die Trauben<br />
an Verarbeitungsbetriebe. Der grösste davon ist die<br />
Rimusskellerei in Hallau (Rahm und Rahm, 1995). Daneben<br />
bestehen aber auch die VOLG- und noch <strong>and</strong>ere grössere<br />
Verarbeitungsbetriebe. Wir werden jedoch weniger die<br />
Weinbereitung, als vielmehr den Rebbau beh<strong>and</strong>eln.<br />
Tab. 2.1: Die wichtigsten Unterschiede zwischen Bio und IP (aus Vinum, 1998).<br />
Bio<br />
I Ganzer Betrieb muss biologisch bewirtschaftet werden<br />
I Nur organische Dünger<br />
I<br />
, Keine Herbizide Herbizide erlaubt<br />
IP<br />
Ganzbetriebliche Bewirtschaftung ist nicht vorgesehen<br />
Alle Dünger, auch chemische, erlaubt<br />
Keine chemisch-synthetischen Fungizide und Insektizide<br />
Höhere Produktionskosten als IP<br />
Chemisch-synthetische Fungizide und Insektizide mit<br />
Einschränkungen erlaubt<br />
Tiefere Produktionskosten als Bio<br />
Tab. 2.2: Struktur des Rebbaus im deutschen und Schweizerischen Klettgau (aus Neukomm, 1998 und L<strong>and</strong>wirtschaftsamt<br />
des Kantons Schaffhausen, 1998).<br />
L<strong>and</strong>wirtschaftliche Nutzfläche (LN) Klettgau CH: 5334 ha<br />
Rebfläche Klettgau CH: 373 ha, entspr. 7% der LN<br />
D: 22 ha<br />
Wertschöpfung Weinbau 11 % des l<strong>and</strong>wirtschaftlichen Rohertrages im Kanton Schaffhausen<br />
Vergleich Rebfläche Gesamt-CH: ca. 12'300 ha (50% in Waadt und Wallis)<br />
Anzahl Weinbaubetriebe im Kanton Schaffhausen:<br />
Vollerwerb: 55<br />
Nebenerwerb: 625<br />
Gesamt:<br />
680 (Auffallend wenig Eigenkelterung)<br />
Anbauform Rebbau: fast ausschliesslich IP, teils mit zusätzlichen ökologischen Auflagen (VINATURA), erst zwei<br />
Bio-Weinbauern mit insgesamt 2.3 ha Rebfläche<br />
Vergleich Bio-Weinbau Gesamtschweiz: ca. 60 Betriebe mit 160 ha Anbaufläche<br />
Angebaute Rebsorten: gesamt 17 Sorten, davon ca. 78 % Blauburgunder,<br />
21 % Riesling x Sylvaner,<br />
I neu: ca. 6 ha Regent (Interspezifische Sorte)<br />
216 UNS-Fallstudie '98
_____________________________________ Reb- und Weinbau<br />
3 Auswahl undAnalyse der<br />
betrachteten Betriebe<br />
3.1 Untersuchungsobjekte und<br />
Model/annahmen<br />
Je zwei Bio- und IP-Betriebe aus dem Klettgau und ein<br />
Bio-Betrieb aus dem Kanton Zürich wurden besucht und die<br />
Betriebsleiter mittels Fragebogen befragt (siehe Anhang 2).<br />
Die Betriebe weisen folgende Rebflächen auf:<br />
IP:<br />
1) Hallau, 1.0 ha Blauburgunder (Pinot Noir)<br />
2) Hallau, 5.0 ha Blauburgunder, 1.0 ha Riesling x Sylvaner,<br />
0.5 ha <strong>and</strong>ere<br />
Bio:<br />
1) Osterfingen, Umstellung 1997,0.8 ha Blauburgunder,<br />
0.2 ha Regent<br />
2) Hallau, Umstellung 1997, 1.3 ha Blauburgunder<br />
3) Bio-Betrieb Kanton Zürich, Bio-Weinbau seit 1989,3.5<br />
ha diverse Sorten<br />
Nach der Diskussion mit verschiedenen Experten haben<br />
wir für den Vergleich einen Modellbetrieb gewählt, der<br />
generell 5 ha Rebfläche aufweist und ein Vollerwerbsbetrieb<br />
ist. Diese Grösse erlaubt, die meisten Maschinen selber<br />
anzuschaffen und abzuschreiben. Als Lebensdauer der Reben<br />
haben wir 30 Jahre inklusive der Jugendentwicklung<br />
angenommen. Auf der Basis dieser Annahmen vergleichen<br />
wir eine Hektare der verschiedenen Sorten und Anbauarten<br />
mitein<strong>and</strong>er.<br />
3.2 Ökonomische Vergleiche von 1 ha<br />
Reben im Modellbetrieb<br />
Für die Anlage einer Hektare Reben werden bei allen Varianten<br />
Fr. 120000.- investiert. In diesem hohen Betrag sind<br />
die Unterhalts- und Pflegekosten für die ersten drei Jahre<br />
Aufzucht ohne Ertrag (nach H. Neukomm, 1998, 230% der<br />
üblichen Unterhaltskosten pro Jahr) enthalten. Im ganzen<br />
Betrieb werden Maschineninvestitionen von Fr. 86 000.<br />
getätigt. Einige Maschinen werden zusätzlich noch eingemietet.<br />
In der Investition sind keine Gebäude für die Traubenverarbeitung<br />
mitgerechnet.<br />
Annahmen Blauburgunder: Der IP-Betrieb setzt pro ha<br />
650 Arbeitsstunden (Akh) ein, der Biobetrieb 900 Akh bei<br />
mehr Maschinenstunden. Der IP-Ertrag liegt mit 800 g/m 2<br />
um ein Drittel höher als bei der Bio-Variante, für die Bio<br />
Trauben werden 30% Mehrpreis (Bio-Bonus) bezahlt.<br />
Annahmen Regent: Der IP-Betrieb setzt pro ha 480 Arbeitsstunden<br />
(Akh) ein, der Biobetrieb 650 Akh und auch<br />
mehr Maschinenstunden. Der IP-Ertrag liegt mit 800 g/m2<br />
gleich hoch wie bei der Bio-Variante, für die Bio-Trauben<br />
werden jedoch 15% Mehrpreis (Bio-Prämie) bezahlt.<br />
Annahmen <strong>and</strong>ere Interspezifische Sorten (z.B. Marechal<br />
Foch): Der IP-Betrieb setzt pro ha 610 Arbeitsstunden<br />
(Akh) ein, der Bio-Betrieb 780 Akh, aber auch mehr<br />
Tab. 3.1: Kosten einer Hektare Reben im Klettgau: Aufw<strong>and</strong> und Ertrag mit den Sorten Blauburgunder, Regent und <strong>and</strong>eren<br />
Interspezifischen (in SFr).<br />
Aufw<strong>and</strong> Blauburgunder Regent Andere interspez. Sorten<br />
IP Bio IP Bio IP Bio<br />
Herbizide 45 0 45 0 45 0<br />
Pflanzenschutz 1208 1000 400 200 200 100<br />
Düngung 210 200 210 200 210 200<br />
I<br />
Traktor-Gebrauchskosten 786 1179 590 983 590 983<br />
Gebrauchskosten 1000 1250 747 1035 747 1035<br />
<strong>and</strong>erer Maschinen<br />
I<br />
Gehälter (15 sFr/h) 9750 13'500 7200 9750 9150<br />
I<br />
11700<br />
Abschreibungen 5232 I 5232 5232 5232 5232 5232<br />
Zinsen 3930 3930 3930 3930 3930 3930<br />
Hagelversicherung 1200 1200 1200 1200 1200 1200<br />
Ertrag Verkaufserlös 33'200 32'400 33'200 38'160 33'200 40'000<br />
Erntemenge x Preis (8000 kg x (6000 kg x (8000 kg x (8000 kg x (8000 kg x (8000 kg x<br />
4.15 sFr/kg) 5.40 sFr/kg) 4.1 5 sFr/kg) 4.77 sFr/kg) 4.15 sFr/kg) 5.00 sFr/kg)<br />
Ergebnis pro Hektare* 9839 I 4909 13'646 15'630 11'896<br />
I<br />
15'620<br />
*Ergebnis pro Hektare stellt hier die Differenz zwischen den eingesetzten tiefen Gehältern (Fr. 15.-) und den erzielbaren Betriebserträgen in Normaljahren<br />
dar. Nach Todt (1998) betragen die mittleren Produktionskosten Fr. 33 103.- pro Hektare im Kanton Schaffhausen.<br />
UNS-Fallstudie '98 217
Reb- und Weinbau<br />
Maschinenstunden. Der IP-Ertrag liegt mit 800 g/m 2 gleich<br />
hoch wie bei der Bio-Variante, für die Bio-Trauben werden<br />
jedoch 20% Mehrpreis (Bio-Bonus) bezahlt.<br />
Diskussion der ökonomischen Resultate<br />
Bei den Kapitalkosten unterscheiden sich IP und Bio nicht<br />
da die Investitionen in Anlage und Maschinenpark gleich<br />
gross sind. Unterschiede zugunsten des Bio-Bauern bestehen<br />
bei den Herbizid- und Pflanzenschutzkosten, sie fallen<br />
aber wegen der kleinen Beträge in Bezug auf die Gesamtkosten<br />
kaum ins Gewicht. Die Einsparungen werden durch<br />
die höheren Maschinenkosten der Bio-Bauern mehr als<br />
kompensiert.<br />
Auf der Kostenseite sind die Lohnaufwendungen (Fr.<br />
15.-/Akh) der dominante Faktor. Bio-Anbau ist immer mit<br />
höherem Arbeitsaufw<strong>and</strong> pro ha verbunden. Würde ein<br />
höherer Stundenansatz gewählt, würde das Gesamtergebnis<br />
der Bio-Bauern stark negativ beeinflusst: Bei einem Franken<br />
mehr Stundenlohn würde sich das Ergebnis pro Hektare<br />
beim Blauburgunder um Fr. 900.- reduzieren. Bei den<br />
Produktionskosten des Service Rom<strong>and</strong> du Vulgarisation<br />
Agricole SRVA (1997) und der L<strong>and</strong>wirtschaftlichen Beratungszentrale<br />
Lindau LBL (1998) wird mit Stundenansätzen<br />
von Fr. 20.- bis 26.- gerechnet. Der Bio-Blauburgunder<br />
müsste so quasi ohne Gewinn produziert werden. Beim<br />
Ertrag weist die Bio-Produktion in der Regel kleinere Mengen<br />
auf. Aus diesen Gründen ist ein Preisaufschlag pro kg<br />
Traube (Bio-Bonus) in jedem Fall die Bedingung, damit<br />
Bio-Bauern wirtschaftlich ähnlich gut abschneiden wie IP<br />
Bauern.<br />
Der Bio-Bonus richtet sich nach dem zusätzlichen Arbeitsaufw<strong>and</strong><br />
und den Ertragserwartungen. Nach Bio-Normen<br />
produzierter Blauburgunder muss somit den grössten<br />
Preisaufschlag erzielen (hier + 30%), während für den am<br />
wenigsten arbeitsintensiven Regent ein kleinerer Bio-Bonus<br />
(hier + 15%) notwendig ist.<br />
Aus den Rechnungen ist ersichtlich, dass der Bio-Bauer<br />
bei den Interspezifischen Sorten je nach Bio-Bonus vergleichbare<br />
oder sogar höhere Gewinne als der IP-Bauer<br />
erzielen kann. Voraussetzung ist dabei, dass für die Interspezifischen<br />
eine genügend grosse Nachfrage besteht. Bei der<br />
herkömmlichen Blauburgunder-Sorte schneidet die Bio<br />
Produktion durchwegs schlechter ab als die IP-Produktion.<br />
Die häufig kleineren Trauben bei vielen Interspezifischen<br />
Sorten (hier als Beispiel Marechal Foch) verlangen mehr<br />
Arbeitsstunden bei der Ernte. Eine Ausnahme bildet dabei<br />
die Sorte Regent, die ähnlich grosse Trauben wie beispielsweise<br />
Blauburgunder aufweist, aber bezüglich Mehltauresistenz<br />
nicht so stabil ist wie die kleinfrüchtigen interspezifischen<br />
Sorten. Ein Versuch mit interspezifischen Sorten<br />
könnte für den Bio-Bauern nicht nur ökologische (verminderter<br />
Kupfer-Einsatz), sondern auch ökonomische Vorteile<br />
mit geringerem Arbeitsaufw<strong>and</strong> bringen. Allerdings fehlen<br />
die Erfahrungen im grossflächigen Anbau noch weitgehend.<br />
3.3 Ökologische Vergleiche der Model/<br />
varianten mit der Ökobilanz<br />
Neben ökonomischen und s:?zialen Fragen ist zur ökologischen<br />
Bewertung auch eine Okobilanz pro Hektare Rebberg<br />
durchgeführt worden. Der Partner am UNS-Lehrstuhl war<br />
Niels Jungbluth. Als funktionelle Einheit wurde eine Hektare<br />
Rebberg während einem Jahr (1/30 der Lebenserwartung)<br />
gewählt. Der Ansatz der Hektare wurde gewählt, weil die<br />
Rebfläche bisher begrenzt ist (Rebbaukataster). Zusätzlich<br />
gehört das Produkt Wein zu den Genussmitteln, wo ein<br />
Vergleich pro Menge (z.B. pro kg) ebenso unvollständig ist<br />
wie pro Fläche. Das Ziel, einen ökologischen Vergleich<br />
zwischen den verschiedenen Anbauformen zu ziehen, wird<br />
mit dem Flächenbezug zu Flora und Fauna besser erreicht<br />
als mit dem Produktebezug.<br />
Die Aufwendungen für das Pflanzen und die Pflege in den<br />
ersten Jahren wurden anteilmässig auf die Ertragsjahre verrechnet.<br />
Ein vollständiger Maschinenpark wurde auf 5 Hektaren<br />
Rebberg mit den üblichen Nutzungsjahren pro Maschine<br />
berechnet. Die Systemgrenze auf der Produktseite<br />
sind die geernteten Trauben in der Sammelstelle, die Kelterung<br />
wurde also nicht mit bilanziert.<br />
Untersucht wurden drei verschiedene Sorten jeweils in<br />
biologischer (Bio) und integrierter (IP) Produktion. Unter<br />
Bio wurden durchwegs mehr maschinelle Bearbeitungen<br />
durchgeführt und entsprechend mehr Treibstoff verbraucht.<br />
Als phytomedizinische Hilfsstoffe wurde bei Bio nur Kupfer<br />
bilanziert, die <strong>and</strong>ern Bio-Mittel wie Tonerdepräparate<br />
etc. konnten nicht bilanziert werden. Bei den IP-Varianten<br />
wurde das Unkraut mit Herbiziden bekämpft und die Krankheiten<br />
nach einem üblichen IP-Spritzplan (mit entsprechenden<br />
Wirkstoffmengen, erarbeitet mit Werner Siegfried von<br />
der Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau Wädenswil<br />
FAW, Anhang 1) beh<strong>and</strong>elt.<br />
Die Infrastruktur wurde gemäss den Angaben der Experten<br />
Fredi Strasser und Herbert Neukomm (siehe Kapitel 5)<br />
zusammengestellt. Mit den Abschreibungssätzen der Forschungsanstalt<br />
für Agrarwirtschaft und L<strong>and</strong>technik FAT<br />
(Ammann et al. 1998) wurden die jährlichen Belastungen<br />
aus der Infrastruktur abgeschätzt. Als Grössenordnung sei<br />
pro Hektare und Jahr der Verbrauch von 667 kg Holz für<br />
Pfähle, Stickel etc., 6,7 kg Draht für Drahtgeflechte und rund<br />
56 kg Maschinen erwähnt. Unter den Betriebsstoffen ist vor<br />
allem der Treibstoffverbrauch in Abhängigkeit der Traktorstunden<br />
zu erwähnen. Die Düngung erfolgte bei allen Varianten<br />
mit 10m 3 Kompost und 13 kg Magnesium, zusätzlich<br />
wurden bei den IP-Varianten noch 30 kg Stickstoff als<br />
Mineraldünger zugerechnet. Um Stickstoff zu mineralisieren<br />
wird im biologischen Rebbau der Boden gezielt und<br />
häufiger bearbeitet.<br />
Ausgehend von Inventardaten in der Sachbilanz sind auf<br />
der Basis der Datenbank ECOINVENT (Gruppe Energie<br />
Stoffe-Umwelt 1996) die Emissionen und Ressourcenverbrauchsmengen<br />
zu den Inventardaten aufgerechnet<br />
worden. Diese werden entsprechend ihrer Umweltwirkung<br />
verschiedenen Kategorien zugeordnet. In Tab. 3.2 sind ausgewählte<br />
Resultate nach Wirkungskategorien dargestellt.<br />
218<br />
UNS-Fallstudie '98
_______________________________________ Reb- und Weinbau<br />
Tab. 3.2: Ausgewählte Kategorien der Wirkungsbilanz der 6 Rebbauvarianten pro Hektare.<br />
Bedarf nicht- Treibhausefeid Ozonabbau Photosmog Versäuemng<br />
erneuerbarer HlOa inl
Reb- und Weinbau<br />
iIEI Wintersmog E-D9 Pts.<br />
miEt Versauerung E·09 Pts.<br />
fI EI Treibhauseffekt E-D9 Pts.<br />
liJ EI Schwermetalle E-ü9 Pts.<br />
DEI Photosmog E·09 Pts.<br />
DEIOzonabbau E.Q9 Pts.<br />
DEI Krebserregende Substanzen E..Q9 Pts.<br />
o EllJeberduengung E-09 Pts.<br />
30,--------------------------------,<br />
25<br />
20<br />
10<br />
0"---'----'--_----'__'--_-"----'-_--'-_-'-__-'---1...-_--'----'----'<br />
Blauburgunder<br />
IP ha<br />
Regent Bio<br />
ha<br />
Regent IP<br />
ha<br />
Interspezifisch<br />
Bio ha<br />
Interspezifisch<br />
IP ha<br />
Abb. 3.1: Vergleich von 8 Wirkungskategorien<br />
mit Ecoindicator 95+.<br />
EI =Ecoindicator Punkte.<br />
400.,-----------------------------,<br />
350+------<br />
300 +-------j<br />
i!Ji 200<br />
iI!I EI Andere E-09 Pts<br />
-----------j D EI Pestizide E-09 Pts<br />
250 +-------1<br />
150 +-------1<br />
100 +-------1<br />
50+-------<br />
o<br />
Blauburgunder<br />
IP ha<br />
Regent Bio ha<br />
Regent IP<br />
ha<br />
Interspezifisch<br />
Bio ha<br />
Interspezifisch IP<br />
ha<br />
Abb. 3.2: Vergleich der<br />
Varianten Pestizide und<br />
Total mit Ecoindicator<br />
95+. EI = Ecoindicator<br />
Punkte.<br />
ein gleich hoher Ertrag angenommen. Die Grössenordnungen,<br />
wie sich die beiden Anbauarten im Ecoindicator 95+<br />
unterscheiden, liegen jedoch beim fünf- bis zehnfachen.<br />
Deshalb ist die Aussage pro Fläche oder pro Produktmenge<br />
weitgehend gleich.<br />
4 Qualitative Ökologische<br />
Bewertung<br />
Aufder Grundlage von Experteninterviews wurde eine qualitative<br />
ökologische Bewertung von IP und Bio vorgenommen.<br />
Sie berücksichtigt auch Aspekte, die in einer Ökobilanz<br />
mit quantitativen Daten nicht berücksichtigt werden<br />
können (z.B. Vorteile einer Begrünung etc.). Die Auswirkungen<br />
aller Arbeitsschritte von IP- und Bio-Bewirtschaftung<br />
auf verschiedene Bereiche (z.B. Bodenbiologie,<br />
Grundwasser etc.) wurden betrachtet und mit einer 5-stufigen<br />
Skala bewertet. Die einzelnen Tätigkeiten wurden gewichtet<br />
und Produktsummen über die Auswirkungen und<br />
die Tätigkeiten gebildet. Diese Auswertung veranschaulicht<br />
keine absoluten GrÖssen. Sie soll nurzeigen, wo die grössten<br />
Unterschiede zwischen IP- und Bio-Produktion liegen.<br />
220 UNS-Fallstudie '98
_______________________________________ Reb- und Weinbau<br />
Düngung<br />
Laubarbeiten<br />
DBio<br />
iI!IlP<br />
Bodenbearbeitung<br />
(Gasse)<br />
Begrünung<br />
MähenlMulchen<br />
Unterstockbeh<strong>and</strong>lung<br />
Krankheitsbekämpfung<br />
Schädlingsbekämpfung<br />
Erstbodenbearbeitung<br />
-60<br />
-40<br />
-20<br />
o<br />
20<br />
Anlagenbau<br />
40 60<br />
Abb. 4.1: Qualitative Bewertung der Auswirkungen<br />
der Bio- oder IP-Bewirtschaftung auf<br />
die Umwelt.<br />
Bio-Rebbau zeigt überall weniger negative Auswirkungen<br />
auf die gewählten Bereiche als die IP-Produktion, was<br />
auch den St<strong>and</strong>punkt der Betrachter deutlich macht. In 2<br />
Bereichen sind sogar leicht positive Auswirkungen feststellbar.<br />
Die Abbildung 4.1 zeigt die Unterschiede zwischen IP<br />
und Bio bei den einzelnen Tätigkeiten aus der qualitativen<br />
Bewertung. Die grössten Unterschiede ergeben sich bei der<br />
Düngung, der Unterstockbeh<strong>and</strong>lung und der Schädlingsbekämpfung.<br />
5 fxperteninterviews<br />
Folgende Weinbauexperten wurden befragt:<br />
- Fredi Strasser, Bio-Weinbauberater, Kanton ZH<br />
- Herbert Neukomm, Weinbaukommissar Kanton Schaffhausen<br />
Andreas Häseli, Rebbauverantwortlicher am Forschungsinstitut<br />
für biologischen L<strong>and</strong>bau FiBL, Frick<br />
(interviewt am 12.5.98)<br />
- Robert Rahm, Kelterei Rimuss, Hallau<br />
Qualitative Angaben<br />
Die wichtigsten Aussagen der einzelnen Interviews wurden<br />
nachfolgend unter verschiedenen Themenbereichen zusammengefasst.<br />
Sorten<br />
Bio-Weinbau ist mit alten Sorten (aus Europa) auch<br />
möglich. Dies beweisen in der Schweiz ca. 60 Produzenten<br />
auf 160 ha. Eine intensive Bekämpfung des Mehltaus<br />
mit Kupfer ist beim Blauburgunder aber unumgänglich.<br />
Langfristig, so wird vermutet, werden die Bio-Bauern<br />
mit den herkömmlichen Sorten Probleme bekommen<br />
(vor allem wenn wie geplant der Kupfereinsatz verboten<br />
wird).<br />
- Der Anbau von verschiedenen Rebsorten bringt ökonomische<br />
Sicherheit, erhöht aber den Arbeitsaufw<strong>and</strong>.<br />
- Mit Regent und Ceval blanc hat man bisher gute Erfahrungen<br />
gemacht. Der Regent ist eine hochgezüchtete<br />
Sorte, bei der es fraglich ist, ob die Mehltau-Resistenz<br />
langfristig erhalten bleibt. Es wird ein Kupfereinsatz<br />
nach wenigen Jahren prognostiziert.<br />
UNS-Fallstudie '98 221
Reb- und Weinbau<br />
- Bisher werden nur ca. 7 ha Interspezifische Sorten in der<br />
Schweiz angebaut. Für die Zukunft verspricht man sich<br />
aber viel von diesen Sorten, da sie weniger Arbeit benötigen<br />
und ihr Anbau durch geringere Krankheitsanfälligkeit<br />
weniger riskant ist. Befürchtet wird nur, dass bei<br />
starkem Druck auch bei diesen Sorten die Resistenz<br />
aufgebrochen werden könnte (Anpassung der Erreger an<br />
die neuen Sorten).<br />
Bodenbearbeuung/Düngung<br />
- Ganzjährige Begrünung ist im Bio-L<strong>and</strong>bau ein Grundprinzip,<br />
wobei zwischenzeitliches Lockern erlaubt ist.<br />
Der Bodenschutz ist im Bio-L<strong>and</strong>bau extrem wichtig, da<br />
ein mineralischer Stickstoffeintrag nicht möglich ist.<br />
- Der Bio-Bauer legt mehr Wert auf die Bodenpflege und<br />
muss deshalb viel über den Boden wissen.<br />
- Auch der Bio-L<strong>and</strong>bau bringt gewisse ökologische<br />
Nachteile. So ist das Problem der Bodenverdichtung bei<br />
dieser Anbauweise grösser, da mehr Traktorfahrten notwendig<br />
sind. Kupfer muss z.B. alle zwei Wochen aufgetragen<br />
werden.<br />
Krankheiten/Schädlinge und deren Bekämpfung<br />
- Natürliche Regulation funktioniert bei Bio gut, Z.B. :<br />
- durch Blumenstreifen<br />
- durch breite Reihen mit hohen Stämmen kann eine<br />
rasche Windtrocknung erreicht werden<br />
- durch feinmaschige Netze können die Trauben vor<br />
Wespen geschützt werden<br />
Die Mengenbegrenzung von Kupfer ist bei Bio gleich<br />
hoch wie bei IP (3-4 kg/ha) (Vitiswiss, 1999). Die Kupferproblematik<br />
stammt hauptsächlich aus den Zeiten, wo<br />
bis zu 80 kg/ha ausgefahren wurde. Die heute eingesetzten<br />
Kupfermengen sind zwar weniger bedenklich, passen<br />
aber nicht zur Philosophie (da persistent) und sollten<br />
mittelfristig ganz weggelassen werden können.<br />
Die Ostschweiz weist in Bezug aufden Mehltau ein sehr<br />
schlechtes Klima auf (wenig Regen aber viel Nebel).<br />
Bündnerl<strong>and</strong>, Wallis und Genf haben diesbezüglich bessere<br />
Bedingungen.<br />
Bei einzelnen Sorten ist ein Einbruch der Resistenz gegen<br />
Mehltau möglich.<br />
Die Nebenwirkungen moderner IP-Mittel sind oft unzureichend<br />
bekannt und stellen sich meist erst nach gewisser<br />
Zeit heraus .<br />
Beim Bio-Verfahren ist eine Erhitzung der MaischeI<br />
nicht erlaubt. Chemische Zusätze sind verboten, die Zugabe<br />
von Zucker und schwefliger Säure ist begrenzt (bei<br />
IP nicht).<br />
Weinqualität<br />
Es gibt keinen Grund, weshalb Bio-Wein schlechtere<br />
Qualität aufweisen sollte als konventioneller Wein. Probleme<br />
gibt es nur bei starkem Krankheitsbefall (dann<br />
wenig Oechsle) oder schlechter Kelterung, was aber auch<br />
für den konventionellen Wein gleiche Auswirkungen hat.<br />
Eine Spitzenqualität bei Bio-Weinen ist möglich, wie<br />
Auszeichnungen zeigen. Mit zunehmender Erfahrung<br />
können auch hier noch Verbesserungen erzielt werden.<br />
Vermarktung<br />
Direktverkaufhat bei Bio-Wein grosse Bedeutung, da der<br />
Konsumentenbezug wichtig ist.<br />
Der Grossh<strong>and</strong>el verlangt nach grossen Mengen mit guter<br />
Qualität zu niedrigen Preisen. Diesen hohen Ansprüchen<br />
können v.a. grosse westschweizer Betriebe nachkommen<br />
Der Bio-Weinmarkt ist im Wachstum begriffen, es bestehen<br />
keine wesentlichen Absatzschwierigkeiten mit einem<br />
Nachfrageüberhang. Nur die Vermarktung der Produkte<br />
aus resistenten Sorten ist noch problematisch; eine<br />
Vermarktung in Form von eigenständigen Getränken<br />
wird empfohlen.<br />
Kelterei<br />
- Mit resistenten Sorten müssen die Keltereien erst Erfahrungen<br />
sammeln (z.B. Vermeidung des "Chatzenseichelers",<br />
eines unerwünschten Geschmacks von Amerikanischen<br />
Direktträgern).<br />
IMaische: zerkleinerte, noch nicht gekelterte Traubenmasse<br />
222<br />
UNS-Fallstudie '98
_______________________________________ Reb- und Weinbau<br />
6 Problemfelder<br />
Tab. 6.1: In der Fallstudie identifizierte problematische Bereiche im Weinbau.<br />
IP<br />
Fungizide<br />
Einsatz von Xenobiotika*, zusätzlich Kupfer<br />
Herbizide Auswirkung auf Boden (Erosion, Bodenbiologie) und Vegetation I<br />
Energieverbrauch Einsatz energieintensiver Agrarchemikalien<br />
Lebensraum<br />
geringere Diversität, Beeinträchtigung durch Agrarchemikalien<br />
mineralische N-Düngung Auswirkung auf Grundwasser (Nitrat)<br />
Markt<br />
Informationsmangel<br />
konsequente Umsetzung des<br />
IP-Gedankens<br />
Bio<br />
Kupfereinsatz<br />
Rentabilität<br />
Energieverbrauch<br />
Markt<br />
Ertragssicherheit<br />
Image<br />
Bodenverdichtung<br />
Gewisse Absatzschwierigkeiten, Konkurrenz West-Schweiz und Ausl<strong>and</strong><br />
Bedarf an Aufklärung/Info über Bio-Methoden<br />
Schwammigkeit bei Richtlinien, oft prophylaktische Spritzungen nach Plan anstatt<br />
nach Bedarf, grosser Einfluss der Agrochemie-Industrie (Beratung, Spritzpläne)<br />
Anreicherung von Kupfer im Boden<br />
hoher Arbeitsaufw<strong>and</strong>, v.a. für Spritzungen und Unterstockräumung<br />
hohe Anzahl an Traktorstunden und Spritzungen (Maschinenstunden)<br />
Potential des Nachfrageüberhangs (speziell nach qualitativ guten Weinen) unternutzt<br />
höheres Ausfallrisiko durch Pilzbefall (v.a. falscher Mehltau)<br />
Diskriminierung durch Berufskollegen, Negativimage bezüglich Weinqualität<br />
hohe Anzahl Befahrungen (v.a. wegen Spritzungen)<br />
Kelterung Interspezifischer Erfahrung im Umgang mit interspezifischen Sorten noch relativ klein,<br />
Sorten<br />
Informations-/Forschungsbedarf besteht<br />
'Xenobiotika sind Substanzen, die in einem biologischen System kreislauffremd sind.<br />
Aus der Betrachtung der Problemfelder wird geschlossen,<br />
dass Bio die besseren Chancen hat, die drängendsten Probleme<br />
zu umgehen. Als Hauptargument gilt dabei, dass in<br />
Zukunft Genussmittel «ohne Gift» klar bevorzugt werden.<br />
Damit lässt sich der Nachfrageüberhang bei vielen Bio-Produkten<br />
erklären. Auch bei Bio wird ein grosser Veränderungsbedarf<br />
überwiegend in der Sortenwahl geortet.<br />
Perspektiven<br />
Aus den erkannten Problemfeldem schlägt die Gruppe 3<br />
Stossrichtungen vor, mit denen die wichtigsten Problembereiche<br />
bearbeitet werden könnten, nämlich den vermehrten<br />
Anbau Interspezifischer Sorten, die Suche nach neuen<br />
Vermarktungswegen und -formen und verstärkte Information.<br />
7. 1 Stossrichtung «Interspezifische<br />
Sorten»<br />
Vielversprechende Interspezifische Sorten sind heute bereits<br />
verfügbar und sollten vermehrt angebaut werden.<br />
Sortenvielfalt reduziert Schädlings-/Krankheitsrisiko.<br />
Neue Sorten sollten auf Eignung am St<strong>and</strong>ort getestet<br />
werden<br />
Falls gesetzliche Regelungen hinderlich sind, ist eine<br />
Liberalisierung in staatlicher Sortenregelung anzustreben.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
223
Reb- und Weinbau<br />
Einsatz von Interspezifischen ist vor allem im Bio-Wein- 7.3 Stossrichtung «Information»<br />
bau sinnvoll.<br />
Ideen:<br />
Staatliche Förderung von Versuchsparzellen bei Weinbauern.<br />
Das FiBL soll in der <strong>Region</strong> mit Versuchsbetrieben,<br />
Information über Sorten und deren H<strong>and</strong>habung aktiv<br />
werden.<br />
- Bestehende Pionierprojekte (z. B. Rimuss) sollen gefördert<br />
werden.<br />
An neuen Anbauformen (z. B. eindrahtige Anlagen) soll<br />
gezielt geforscht werden.<br />
Problematik:<br />
- Der Grad der Mehltauresistenz ist noch ungewiss. Bricht<br />
die Resistenz bei hohem Befallsdruck, ev. mit zunehmendem<br />
Alter auf?<br />
Können sich Erreger nach einiger Zeit an die neuen<br />
Sorten anpassen?<br />
Lässt sich mit den neuen Sorten eine gute Weinqualität<br />
erzielen, welche den Kundengeschmack trifft?<br />
7.2 Stossrichtung «Vermarktungswege<br />
und -formen»<br />
Labelling:<br />
Ein klettgauer Wein-Label scheint wenig erfolgversprechend,<br />
da bereits etabliertere Herkunftsbezeichnungen<br />
(
_________________________________________ Reb- und Weinbau<br />
Literatur<br />
Ammann, H. (1997). Maschinenkosten 1998, Kostenelemente und<br />
Entschädigungsansätze für die Benützung von L<strong>and</strong>maschinen<br />
(FAT-Bericht Nr. 507). Tänikon: Eidgenössische Forschungsanstalt<br />
für Agrarwirtschaft und L<strong>and</strong>technik (FAT).<br />
Coray, M. B., & Strasser F. (1998). Wir schenken Ihnen nur<br />
BioWein ein.... Unterstammheim: Cultiva Bio-Weinbau.<br />
Forschungsinstitut für Biologischen L<strong>and</strong>bau (FiBL) (1998).<br />
Hilfsstoffliste. Zugelassene Hilsstoffe für den biologischen L<strong>and</strong>bau.<br />
Ausgabe Schweiz. Frick: FiBL.<br />
Fricker, W. (1998, 20.5.). Biowein, die Pionierzeit ist vorbei, die<br />
Zahl der Bio-Weinbauern hat sich seit 1989 mehr als verdreifacht,<br />
47 Mitglieder im Schweizer Bio-Weinbauverein bewirtschaften<br />
ISO Hektaren. Schweizer Bauer 152 (38).<br />
Gruppe Energie-Stoffe-Umwelt (ESU) (1996). Ökoinventare von<br />
Energiesystemen (3. Auflage.). (CD-ROM). Bem: ENET.<br />
Jungbluth, N. (1998). Ökologische Beurteilung des Bedürfnisfeldes<br />
Ernährung. Arbeitsgruppen - Methoden - St<strong>and</strong> der Forschung<br />
- Folgerungen. (Working Paper Nr. 18) . Zürich: Eidgenössische<br />
Technische Hochschule Zürich, Professurfür Umweltnaturund<br />
Umweltsozialwissenschaften.<br />
L<strong>and</strong>wirtschaftliche Beratungszentrale Lindau (LBL), (SRVA) &<br />
Forschungsinstitut für Biologischen L<strong>and</strong>bau (FiBL) (1998). Dekkungsbeiträge<br />
Ausgabe 1998. Kostenstatistik zu Getreide, Hackfrüchten,<br />
Spezialkulturen und Tierhaltung. Lindau: LBL.<br />
L<strong>and</strong>wirtschaftsamt des Kantons Schaffhausen (1995). Schaffhauser<br />
L<strong>and</strong>wirtschaftsbericht 1995. Eine aktuelle Analyse der Ist-Situation,<br />
Zukunftsaussichten und die zukünftige Schaffhauser<br />
Agrarpolitik. Neuhausen: L<strong>and</strong>wirtschaftsamt des Kantons<br />
Schaffhausen.<br />
L<strong>and</strong>wirtschaftsamt des Kantons Schaffhausen (1998). Die<br />
Schaffhauser L<strong>and</strong>wirtschaft. Zahlen und Fakten. St<strong>and</strong> Januar<br />
1998. Neuhausen: L<strong>and</strong>wirtschaftsamt des Kantons Schaffhausen.<br />
Neukomm, H. (1998). Bericht über den Wein- und Obstbau im<br />
Kanton Schaffhausen im Jahre 1996. Neuhausen: L<strong>and</strong>wirtschaftsamt<br />
des Kantons Schaffhausen.<br />
Rahm, E. & Rahm, R. (1995). 50 Jahre Rimuss-Kellerei Rahm<br />
Hallau. Rund um den edlen Rebensaft. Hallau: Rimuss-Kellerei<br />
Rahm.<br />
Ruffner, H. P. (1998). Weinbau in der Ostschweiz: Woher und<br />
wohin? Agrarforschung, 1998 (5), S. 6.<br />
Service Rom<strong>and</strong> du Vulgarisation Agricole. (1997). Produktionskosten<br />
im Weinbau. Wirtschaftlich-technische Ergebnisse 1996.<br />
Lausanne: Service Rom<strong>and</strong> du Vulgarisation Agricole.<br />
Todt, W. (1998). Auswertung der Produktionskosten Reben 1997<br />
aufgrund der Aufzeichnungen von 6 Betrieben im Kt. Zürich und<br />
9 Betrieben im Kt. Schaffhausen. Lindau: LBL.<br />
Vaterlaus, T. (1998). Biowein Führer. 50 auserwählte Bioweingüter,<br />
selektioniert von Vinum, dem internationalen Weinmagazin<br />
und ESPRESSO, dem kritischen Konsummagazin von Schweizer<br />
Radio DRS1. Zürich: Vinum.<br />
Vitiswiss (Schweizerischer Verb<strong>and</strong> für naturnahe Produktion im<br />
Weinbau, Technische Kommission) (1999). Richtlinien für den<br />
ökologischen Leistungsnachweis und Zertifikat 1999. Bem: Vitiswiss.<br />
Vinum. (1998). Bio special. Vin issu de culture biologique (Spezialausgabe).<br />
Zürich: Vinum.<br />
UNS-Fallstudie '98 225
Reb- und Weinbau<br />
Anhang<br />
Anhang 1<br />
Fungizid-Muster-Spritzplan gemäss W. Siegfried, FAW, Wädenswil (01/7836306)<br />
Fungizide Deutschschweiz<br />
Mittelname kgjha Wirkstoffe kg aktive Substanz/ha<br />
Chlorothalonil 2x 4.8 Chlorothalonil 2.4<br />
Folpet-Cymoxanil 2x 3.6 Folpet 1.3<br />
Mancozeb 0.7<br />
Cymoxanil 0.2<br />
Cyrano 2x 6.4 AI-fosethyl 3.2<br />
Folpet 1.6<br />
Cymoxanil 0.3<br />
Folpet-Kupfer 2x 9.6 Folpet 2.9<br />
Kupfer Cu 1.4<br />
Triazol (Pencanazol) 0.8 Pencanazol 0.08<br />
Total fungizide 25.2 14.08<br />
Insektizid 5 2.5<br />
Herbizid IP<br />
Roundup 10 Glyphosate 3.5<br />
Total Pestizide IP 40.2 20.08<br />
Anhang2: Ergebnisse der Befragungen<br />
Welche Produkte verkaufen Sie? (Frage 3)<br />
Gewisse Bauern verkaufen die Trauben an eine Kelterei<br />
oderGenossenschaft. Andere lassen im Lohn Wein aus ihren<br />
Trauben keltern und verkaufen diesen anschliessend direkt<br />
ab Hof (Direktverkauf).<br />
Wie vermarkten Sie Ihre Produkte? (Frage 4)<br />
Einerseits gibt es den Direktverkauf mit Mund-zu-Mund<br />
Propag<strong>and</strong>a (v.a. bei den Bio-Bauern aktuell) oder die Vermarktung<br />
über eine Genossenschaft.<br />
Welche Gründe sprechen für den Bio-Rebbau? (Frage<br />
5.l)<br />
Umweltschutz: Sowohl von Seiten der IP- wie auch von<br />
Seiten der Bio-Bauern spricht dieser Aspekt sehr für diese<br />
Anbauweise.<br />
Wirtschaftlicher Aspekt: Die Wirtschaftlichkeit des Bio<br />
Rebbaus wird von den Bio-Bauern selbst als schlecht, von<br />
den IP-Bauern als mässig bis eher schlecht beurteilt.<br />
Soziale Akzeptanz: Die Bio-Bauern schätzen die Akzeptanz<br />
ihrer Anbauweise von Seiten der IP-Bauern als tiefein.<br />
Die beiden befragten IP-Bauern erachten diesen Punkt als<br />
weder für noch gegen den Bio-Anbau sprechend.<br />
Als weitere Gründe für den Bio-Anbau von Reben wurden<br />
genannt: Bodenlebendigkeit, Gesundheit und Ethik.<br />
Einer der Bio-Rebbauern hat seinen Rebberg v.a. deshalb<br />
auf Bio umgestellt, da er auf seinem Hof nach Knospen-<br />
Richtlinien produzieren will (die Knospen-Richtlinien fordern,<br />
dass der gesamte Betrieb nach ihren Richtlinien bewirtschaftet<br />
wird).<br />
Welche Gründe sprechen für den IP-Rebbau (im Vergleich<br />
zu Bio)? (Frage 5.2)<br />
Umweltschutz: Die IP-Bauern beurteilen ihre Anbaumethode<br />
als umweltfreundlich (vgL dazu auch Frage 7.2). Die<br />
beiden Bio-Bauern beurteilen diese Anbaumethode hinsichtlich<br />
Umweltschutz unterschiedlich mit gut bzw.<br />
schlecht.<br />
Wirtschaftlicher Aspekt: Von allen Beteiligten wird die<br />
Wirtschaftlichkeit der IP-Produktionsweise als sehr gut eingestuft.<br />
Soziale Akzeptanz: Die Bio-Bauern erachten die soziale<br />
Akzeptanz des IP-Rebbaus im Vergleich zum Bio-Bauern<br />
als höher, während die IP-Bauern eher keinen Unterschied<br />
zwischen den beiden Produktionsformen sehen.<br />
Als weitere Gründe für den IP-Anbau von Reben wurden<br />
genannt: Höhere Sicherheit gegenüber Schädlings- und<br />
Krankheitsbefall sowie tieferer Arbeitsaufw<strong>and</strong>.<br />
Ein IP-Bauer betonte, dass mit den VINATURA-Richtlinien<br />
(
_______________________________________ Reb- und Weinbau<br />
An Bio-Bauern:<br />
Was waren Ihre Bedenken vor der Umstellung auf Bio<br />
Bewirtschaftung und welche dieser Bedenken haben sich<br />
bei der Umstellung bestätigt? (Fragen 6.1 und 6.2)<br />
Die Angst vor Krankheits- und Schädlingsbefall war bei<br />
beiden Rebbauern sehr gross. Was die Produktionskosten<br />
wie auch den Arbeitsaufw<strong>and</strong> betrifft, so stellten diese für<br />
den einen Bauern kaum, für den <strong>and</strong>eren hingegen eine<br />
ernsthafte Sorge dar. Mangelndes Fachwissen war im Voraus<br />
nur für einen der Befragten ein Grund zu Befürchtungen.<br />
Mässig bzw. sehr klein war bei beiden die Angst vor sozialer<br />
Diskriminierung. Gegensätzlich waren die Aussagen über<br />
eventuelle Absatzschwierigkeiten: Während der eine starke<br />
Bedenken äusserte, gab der <strong>and</strong>ere keine Probleme an, da er<br />
die überschüssigen Bio-Trauben, die er nicht im Lohn keltern<br />
lässt, bisher als IP deklariert verkaufte.<br />
Als tatsächliche Probleme haben sich folgende Aspekte<br />
erWiesen:<br />
Bekämpfung des Falschen Mehltaus, höhere Produktionskosten<br />
als erwartet sowie z.T. die soziale Diskriminierung.<br />
Wie schätzen Sie Ihre Zukunftsperspekiven als Bio-Bauer<br />
ein? (Frage 6.3)<br />
Der Bio-Rebbau ist eine Nischenproduktion, die es dementsprechend<br />
zu vermarkten gilt. Ist das nicht angemessen<br />
möglich, so schätzt der eine die Zukunft dieser Anbauform<br />
als schlecht ein. Der <strong>and</strong>ere sieht, von einigen Problemen in<br />
der Produktion selbst abgesehen, zuversichtlich in die Zukunft.<br />
Ermeint, <strong>and</strong>ere würden es jaauch schaffen... Bei den<br />
Problemen in der Produktion sei v.a. der Krankheits- und<br />
Schädlingsbefall ein heikler Punkt. Das Risiko könne aber<br />
mit resistenten Sorten gut eingegrenzt werden.<br />
An IP-Bauern:<br />
Welche Gründe sprechen für Sie gegen eine Umstellung<br />
auf Bio-Bewirtschaftung? Gibt es Ihrer Meinung nach<br />
auch ökologische Gründe, die gegen den Bio-Anbau<br />
sprechen? (Frage 7.1 und 7.2)<br />
Bei allen Punkten (Krankheiten/Schädlinge, hohe Produktionskosten,<br />
Arbeitsaufw<strong>and</strong>, Fachwissen, Angst vor sozialer<br />
Diskriminierung und Absatzschwierigkeiten) sind beide<br />
IP-Rebbauern einer Meinung, vom Arbeitsaufw<strong>and</strong> abgesehen.<br />
Diesen schätzt der eine als mittleres, der <strong>and</strong>ere als<br />
grosses Problem, das gegen den Bio-Anbau sprechen würde,<br />
ein. Die Aspekte Krankheiten/Schädlinge und Fachwissen<br />
wurden einstimmig als gegen eine Umstellung sprechend<br />
bewertet. Die möglicherweise höheren Produktionskosten,<br />
sowie die Absatzschwierigkeiten, werden als mittleres<br />
Problem eingestuft. Was die mögliche soziale Diskriminierung<br />
betrifft, so sehen diesbezüglich beide IP-Bauern keine<br />
Schwierigkeiten.<br />
Einen weiteren Grund, der gegen eine Umstellung auf<br />
Bio-Rebbau spricht, sieht einerder IP-Bauern darin, dass die<br />
gesamte Welternährung mit dieser Produktionsweise nicht<br />
zu bewältigen wäre. Der <strong>and</strong>ere erwähnt die Problematik der<br />
Kupferspritzmittel, die im Bio-Rebbau gegenüber dem IP<br />
Rebbau vermehrt eingesetzt werden.<br />
Wie schätzen Sie Ihre Zukunftsperspektiven als IP-Bauer<br />
ein? (Frage 7.3)<br />
Die Zukunftsperspektiven werden einstimmig als gut bewertet.<br />
Diese Anbauform entspreche einem realisierbaren<br />
System und sei den heutigen Rebsorten angepasst, meint der<br />
eine. Der <strong>and</strong>ere betont, dass man in ökologischer Hinsicht<br />
noch dazulernen könne und die Transparenz dem Kunden<br />
gegenüber weiter gefördert werden sollte. Das Produkt Wein<br />
müsse letztendlich im Preis und in der Qualität stimmen.<br />
An alle:<br />
Gehören Sie einer Genossenschaft an? (Frage 8)<br />
Stellvertretend für die vier Bauern sei hier die Aussage des<br />
Rebkommisars des Kt. Schaffhausens erwähnt:<br />
Die Mitgliedschaft in einer Produktionsgenossenschaft ist<br />
als Rebbergbesitzer obligatorisch. Diese koordiniert z.B.<br />
das Installieren und Betreiben der Pheromon-Fallen. Die<br />
Mitgliedschaft in einer Vermarktungsgenossenschaft, im<br />
Falle des Klettgaus die L<strong>and</strong>- und Winzergenossenschaft, ist<br />
freiwillig.<br />
Beide Bio-Bauern gehören keiner Vermarktungsgenossenschaft<br />
an.<br />
Was denken Sie über die Möglichkeit eines Klettgauer<br />
Wein-Labels mit bestimmten Qualitätsansprüchen?<br />
(Frage 9)<br />
Die Meinungen bezüglich eines solchen Labels gehen hier<br />
etwas ausein<strong>and</strong>er: Von Befürwortung bis Zurückhaltung.<br />
Einerseits existiert mit dem Begriff «Hallauer» bereits eine<br />
Art Wein-Label (Qualitätsmerkmal) und <strong>and</strong>ererseits wurden<br />
Befürchtungen, dass durch streng kontrollierte Labels<br />
Einschränkungen bzgl. der Sortenvielfalt auftreten könnten,<br />
geäussert. Zudem könnten Defmition und Kontrolle der<br />
Qualität für ein spezielles Label problematisch sein.<br />
Wohin sollte die Entwicklung im Klettgauer Reh- und<br />
Weinbau Ihrer Meinung nach gehen? (Frage 10)<br />
Die heutige Rebfläche im Klettgau soll erhalten bleiben.<br />
Hin zu noch besseren und preisgünstigeren Weinen, aber<br />
auch mehr Spezialitäten-Weine.<br />
Sortenvielfalt bei Rebpflanzen soll vergrössert werden,<br />
sofern der Markt dies zulässt.<br />
Weg vom Gift. Förderung der Anbautechnologie im Bio<br />
Bereich um das Ertragsniveau von IP zu erreichen.<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
227
Autorin:<br />
Tania Schellenberg<br />
Basierend aufdem Bericht<br />
von Christoph Küffer und<br />
Eva-Maria Schumacher<br />
Aufbauend aufden<br />
Ergebnissen der<br />
Arbeitsgruppe:<br />
Wendy Altherr<br />
Peter Bauer<br />
Philipp Boogman<br />
Andreas Estermann<br />
Niccolo Gaido<br />
Ursjoss<br />
Christoph Keller<br />
Christoph Küffer<br />
Meltem Kutlar<br />
Valerie Parrat<br />
Andreas Reinhardt<br />
jodok Reinhardt<br />
Matthias Saladin<br />
Daniel Schloz<br />
Eva-Maria Schumacher<br />
MarkusSorg<br />
Comelia Stettler<br />
David Trudel<br />
Mathias Wegmüller<br />
Tania Schellenberg (Tutorin)<br />
Bertr<strong>and</strong> Lisbach (Tutor)<br />
johanna Reutemann (Tutorin)<br />
Konrad Schleiss (Tutor)<br />
inhalt:<br />
Vorbemerkung der Herausgeber: Warum ein I
Siedlungsentwicklung<br />
_<br />
Vorbemerkung der Herausgeber:<br />
Warum ein Kurzbericht?<br />
Die <strong>ETH</strong>-UNS Fallstudie beh<strong>and</strong>elt ein reales, komplexes,<br />
gesellschaftlich relevantes Problem, bei dem Umweltaspekte<br />
zentral sind. Um solche Probleme zu beh<strong>and</strong>eln, bedarfes<br />
einer spezifischen Strategie, die durch das Konzept der<br />
Wissensintegration bzw. der Synthese (vgl. Scholz & Tietje,<br />
in press) gegeben ist. Die Fallstudie erfordert ausserdem ein<br />
komplexes Projektmanagement, welches gleichermassen<br />
ein wichtiges Lernziel darstellt. Teams aus Studierenden<br />
und Tutorierenden betreten in der Fallstudie vielfach Neul<strong>and</strong>.<br />
Dabei wird in Kauf genommen, dass zu Gunsten eines<br />
Lernprozesses nicht alle gesetzten Ziele erreicht werden.<br />
Nachfolgend finden sich eine Kurzbeschreibung der Vorgehensweise<br />
sowie exemplarische Ergebnisse der Synthesegruppe<br />
Siedlung.<br />
Die Synthesegruppe Siedlung ist ein Beispiel für eine<br />
Arbeitsgruppe, in der die vorgegebene Projektstruktur im<br />
Rahmen der Fallstudie keine vollständig befriedigende Operationalisierung<br />
der betrachteten Konzepte der Zukunftsfähigkeit<br />
und Nachhaltigkeit und keine hinreichende Füllung<br />
mit Daten erlaubte. Trotzdem hat die Arbeit der Gruppe auf<br />
Prozessebene sehr hohe Qualität: Die beschriebene Zukunftswerkstatt<br />
stellte einen engen Austauschprozess zwischen<br />
Studierenden und <strong>Region</strong> dar. Die Beschäftigung mit<br />
dem Fall führte bei den Studierenden zu einem IdentifIkations-<br />
und Erkenntnisprozess. Im folgenden Kurzbericht werden<br />
exemplarisch drei Ergebnisse der Gruppenarbeit gezeigt:<br />
Er enthält eine Beschreibung der durchgeführten Zukunftswerkstatt;<br />
weiter einen Überblick über die Ergebnisse<br />
einer Bewertung von Massnahmen im Bereich Haus, Siedlung<br />
und <strong>Region</strong> in Hinblick aufihre Zukunftsfahigkeit und<br />
ihren Einfluss auf die Lebensqualität. Zum Schluss werden<br />
sechs Propositionen zur Siedlungsentwicklung im Klettgau<br />
präsentiert, welche im Anschluss an die Fallstudie von den<br />
Studierenden Christoph Küffer und Eva-Maria Schumacher<br />
formuliert wurden. Diese Propositionen lassen sich nicht<br />
aus Einzelarbeiten, speziellen Analysen oder Erhebungen<br />
der Synthesegruppe Siedlung ableiten. Sie bilden aber einen<br />
Reflexionsprozess der Studierenden ab, der erst durch die<br />
intensive Beschäftigung mit der <strong>Region</strong> im Rahmen von<br />
Interviews und Gruppenarbeiten mit Vertreterinnen und<br />
Vertretern der <strong>Region</strong> möglich wurde. Die Propositionen<br />
sind folglich nicht als fachwissenschaftlieh fundierte Aussagen,<br />
sondern als Ideen, das heisst intuitiv geprägte Denkanstösse<br />
zu verstehen.<br />
1 Einleitung<br />
Der Siedlungsraum im Klettgau hat sich in den letzten<br />
Jahrzehnten stark verändert. Seit den Fünfzigerjahren hat<br />
sich die Siedlungsfläche verdoppelt bei etwa gleichbleibender<br />
Bevölkerungszahl (Scholz, Böseh, Mieg, & Stünzi,<br />
1998). Im gleichen Zeitraum nahm das Verkehrsaufkommen<br />
massiv zu: Die Wirtschaftsstruktur änderte sich, womit<br />
Arbeitsplätze in Industrie und L<strong>and</strong>wirtschaft verloren gin-<br />
gen, dafür immer mehr Leute nach Schaffhausen oder Zürich<br />
zur Arbeit pendelten.<br />
Inzwischen sind uns die negativen Folgen dieser Entwicklungen<br />
bewusst. Es gilt, zukünftige weitere Veränderungen<br />
des Siedlungsraumes in der <strong>Region</strong> Klettgau gezielt positiv<br />
zu beeinflussen, so dass die Attraktivität der <strong>Region</strong> erhalten<br />
oder gesteigert werden kann und sich der Umweltverbrauch<br />
auf ein nachhaltiges Mass beschränkt. Die Synthesegruppe<br />
Siedlung suchte nach Merkmalen einer zukünftigen nachhaltigen<br />
Siedlungsentwicklung und fragte sich, wie eine<br />
solche Entwicklung erreicht werden kann.<br />
Projektarchitektur<br />
Vorgehen<br />
Die Leitidee der Projektarbeit lautete: «Verbindung von<br />
Zukunftsfähigkeit und Lebensqualität in einer zukünftigen<br />
Siedlungsentwicklung im Klettgau». Bei der Verwendung<br />
des Begriffs Siedlungsraum st<strong>and</strong> der Lebensraum des Menschen<br />
im Vordergrund, und damit die Funktion, eine möglichst<br />
hohe Lebensqualität zu geWährleisten. Ökologische<br />
Aspekte erscheinen dabei einerseits als Aspekte der wahrgenommenen<br />
Lebensqualität und <strong>and</strong>ererseits als unbeabsichtigte<br />
Nebenfolgen der Besiedlung (vgl. Hirsch, 1993).<br />
Das Ziel der Gruppe war es, Strategien und Massnahmen<br />
im Siedlungsbereich zu beschreiben, welche Lebensqualität<br />
und Zukunftsfähigkeit verbinden, d. h. welche eine gleiche<br />
oder höhere Lebensqualität des Siedlungsraums erzielen,<br />
ohne dabei gravierende, nicht zukunftsfähige ökologische<br />
Konsequenzen zu haben.<br />
Zukunftsfahigkeit wurde definiert als «eine ökologische<br />
Verträglichkeit auf Dauer, das heisst eine langfristig aufrechterhaltbare<br />
Nutzung der Naturgüter». Die Lebensqualität<br />
wurde als übergeordnetes Konstrukt verst<strong>and</strong>en, das zum<br />
einen die objektive Lebenssituation einer Person (z.B. Anzahl<br />
Ärzte, Zeitungen, öffentliche Plätze), welche durch<br />
physische, soziale und ökonomische Bedingungen gekennzeichnet<br />
ist, und zum <strong>and</strong>eren das Ergebnis der subjektiven<br />
Bewertung (z.B. Zufriedenheitmit Versorgung, Kulturangebot)<br />
dieser Gegebenheiten umfasst.<br />
2.1 Ablauf<br />
Projektarbeit<br />
Die l4-wöchige Projektarbeit in der UNS-Fallstudie wird in<br />
drei Phasen gegliedert. Die ersten vier Wochen bilden die<br />
sogenannte Synthesephase I. Diese Phase dient der Einarbeitung<br />
ins Thema und der Definition von Arbeitsgegenst<strong>and</strong>,<br />
Fragestellung und Zielen. In den kommenden sechs<br />
Wochen werden in den sogenannten Teilprojekten Daten<br />
zusammengetragen, welche zur Beantwortung der Gesamtfragestellung<br />
nötig sind. Inden letzten vierWochen, der<br />
Synthesephase H, werden die Resultate der Teilprojekte<br />
integriert und Aussagen abgeleitet.<br />
In der Synthesegruppe Siedlung wurde dieses Konzept<br />
folgendermassen umgesetzt:<br />
In der Synthesephase I organisierte eine Gruppe eine<br />
Zukunftswerkstatt, mit dem Ziel, die Bevölkerung schon<br />
230 UNS-Fallstudie '98
Siedlungsentwicklung<br />
früh im Arbeitsprozess zu beteiligen und relevante Teilprojektthemen<br />
zu erhalten. Eine zweite Gruppe erarbeitete Literaturgrundlagen<br />
und bereitete die Synthesearchitektur<br />
(siehe Abbildung 2.1) vor.<br />
In der Teilprojektphase befassten sich drei Gruppen mit<br />
der Zukunftsfähigkeit auf den Organisationsstufen Haus,<br />
Siedlung und <strong>Region</strong>. Dabei sollten konkrete Massnahmenvorschläge<br />
sowie Bewertungskriterien erarbeitet werden,<br />
jeweils unterBerücksichtigung derStrukturund der Akteure<br />
der jeweiligen Organisationsstufe. Das vierte Teilprojekt<br />
befasste sich mit dem Konzept der Lebensqualität.<br />
In der Synthesephase II sollten die Teilprojektresultate in<br />
drei Schritten integriert werden: In einem ersten Schritt<br />
wurden die Massnahmen der Organisationsstufen Haus,<br />
Siedlung und <strong>Region</strong> zu einem möglichst zukunftsfahigen<br />
und in sich widerspruchsfreien Massnahmenbündel zusammengefügt.<br />
Dabei wurde neben ökonomischen und ökologischen<br />
Kriterien auch berücksichtigt, wie gut die Massnahmen<br />
sichbildlich darstellen lassen. Im zweiten Schritt wurde<br />
das Massnahmenbündel zeichnerisch in sechs Bildern aus<br />
dem realen Städtchen Neunkirch integriert. Diese Bilder<br />
dienten als Grundlage für den dritten Schritt: Im Rahmen<br />
von qualitativen Interviews sollten die Massnahmen unter<br />
dem Aspekt der Lebensqualität durch Vertreterinnen und<br />
Vertreter der Bevölkerung beurteilt werden. Siebzehn Personen<br />
wurden interviewt. Die Befragung war halb-st<strong>and</strong>ardisiert,<br />
ein Teil der Antworten wurde vorgegeben, daneben<br />
waren offene Antworten möglich. Damit sollte das zu<br />
bearbeitende Problem, die Verbindung von Zukunftsfähigkeit<br />
und Lebensqualität, vertieft und exemplarische<br />
Erklärungsmuster für Diskrepanzen und Umsetzungsschwierigkeiten<br />
gefunden werden.<br />
3 Ausgewählte Ergebnisse<br />
3.1 Die Zukunftswerkstatt -<br />
fine prozessorientierte Methode der<br />
Prozessanalyse<br />
Die Zukunftswerkstatt zur Leitfrage «Wie sieht der Klettgau<br />
in 20 Jahren aus?» f<strong>and</strong> am 17. April in einem ehemaligen<br />
Weinkeller in Hallau und am 18. April im ehemaligen<br />
Rathaus in Weisweil statt. Teilgenommen haben 7 Klettgauerinnnen<br />
und 10 Klettgauer, vom 15-jährigen bis zum<br />
Pensionierten. Die Arbeit lief in drei Phasen ab. Jede Phase<br />
wurde im Plenum eingeleitet, in Kleingruppen von fünf bis<br />
achtPersonen vertieft und mit einer moderierten Präsentation<br />
der Ergebnisse abgeschlossen.<br />
Als Einstieg flanierten die Teilnehmer durch Hallau, mit<br />
dem Ziel, das Dorf aus der Sicht eines Fremden mit allen<br />
fünf Sinnen neu wahrzunehmen. Riecht es überhaupt noch<br />
nach Bauerndorf? Gefallen mir die Häuser? Was nehme ich<br />
für Geräusche wahr? Fühlen sich die rauhen, warmen Holzbalken<br />
der Fassade nicht ganz <strong>and</strong>ers an, als das Gesteindes<br />
Fundamentes? Damit sollte, im Sinne derZukunftswerkstatt<br />
nach Jungk (Jungk & Müllert, 1981) dem Intuitiv-Emotionalen<br />
ebensoviel Raum wie dem Analytisch-Intellektuellen<br />
beigemessen werden.<br />
In der ersten Phase, der Kritikphase, wurden Probleme,<br />
Ärgernisse und Kritikpunkte gesammelt. Emotionale Äusserungen<br />
wie, «Die Schaffhauser Regierung bestimmt zuviel,<br />
wir können nichts mehr sagen. Wir müssen wieder mal<br />
auf den Putz hauen!» waren ebenso möglich, wie eher<br />
analysierende: «Für die Bachmeliorationen musste seinerzeit<br />
das letzte Geld zusammengenommen werden, heute<br />
würde man sie gerne rückgängig machen» oder «Die Bauern<br />
Zielformulierung:<br />
Verbindung von Zukunftsfähigkeil<br />
und<br />
Lebensqualiläl im<br />
K1ellgeu<br />
Synthesephase I<br />
Teilprojektphase Synthesephase 11<br />
Abb. 2.1: Die Synthesearchitektur<br />
der<br />
Synthesegruppe Siedlung<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
231
Siedlungsentwicklung<br />
_<br />
Abb. 3.i: Bilder aus der Zukunjtswerkstatt: Als I:lI'lslleg<br />
flanierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer iie,"neinsam<br />
mit den Studierenden durch Hallau (oben links). in der<br />
anschtiessenden Kritikphase wurde Kritik zum heutigen<br />
Zust<strong>and</strong> gesammelt (oben rechts). in der Phantasiephase<br />
wurden WÜnsche und ideen zur<br />
der Situation<br />
hesprochen und festgehalten, zum Beispiel in Form einer<br />
Mind<br />
Die in kleineren .4 "hOi;t~(>nmrI0>1<br />
erarheiteten Resultate wurden der Gesamtgruppe immer<br />
wieder vorgestellt und rege diskutiert (unten Als<br />
Resultat der Zukunjtswerkstatt wurden verschiedene Projekte<br />
formuliert und durchgefÜhrt, so zum Beispiel eine<br />
Velotour Üher die Grenze.<br />
können wegen der neuen Tierschutzgesetze gar nicht mehr<br />
in den Dörfern bleiben». Die<br />
sollten kurz<br />
sein, auf Diskussionen wurde verzichtet. Unter Anleitung<br />
der moderierenden Studierenden wurden die Stichworte in<br />
Themenkreise gruppiert.<br />
Die Kritik bildete die Ausgangslage für die Phantasiephase:<br />
Während am Vorabend noch die Frage «Was stört mich,<br />
was gefällt mir nicht im Klettgau?» im Mitte:lpunJkt<br />
wurde nun nach Wünschen und Träumen für den Klettgau<br />
gefragt. Der vorgebrachten Kritik wurden eigene Wünsche,<br />
Träume, Vorstellungen,<br />
Einfälle, Visionen gegenübergestellt.<br />
Das sonst UndenJkbare sollte gedacht werden.<br />
Experimentierfreudigkeit, Neugier, Kreativität und<br />
Aufgeschlossenheit gegenüber Irrationalem waren gefordert.<br />
Die Gruppe Grün gestaltete beispielsweise ein W<strong>and</strong>bild<br />
mit Freizeitpark, neuartigen Verkehrsmitteln und<br />
einem<br />
mit Bären und Geiern.<br />
In der dritten der Verwirklichungsphase,galtes, die<br />
Brücke zwischen dem erwünschten Zust<strong>and</strong> und den realen<br />
Bedingungen zu schlagen. Die Ideen mussten jetzt vor der<br />
232<br />
UNS-Fallstudie '98
Siedlungsentwicklung<br />
Wirklichkeit bestehen. War in der vorherigen Phase das<br />
Hinterfragen verboten, so kam jetzt das kritische Abwägen<br />
und Einschätzen zum Zug. Sachkenntnisse wurden eingesetzt,<br />
die Realisierbarkeit st<strong>and</strong> im Vordergrund. Was erreicht<br />
werden soll, musste in einen konkreten Projektentwurf<br />
münden.<br />
Eine Gruppe konnte eine ausformulierte Einladung zu<br />
einem Projekt vorlegen, das tatsächlich 6 Wochen danach<br />
startete: Am 4. Juni, im Ochsenkeller in Osterfingen trafen<br />
sich 25 Personen zum ersten «Ideenkeller» (je circa zur<br />
Hälfte Frauen und Männer sowie Deutsche und Schweizer/<br />
-innen). Sie suchten gemeinsam nach Lösungen zu den in<br />
der Zukunftswerkstatt genannten regionalen Problemen. Es<br />
wurde zum Beispiel vorgeschlagen, Heimat- und Geographieunterricht<br />
gemeinsam durchzuführen oder gezielt<br />
gemeinsame Veranstaltungen zu organisieren. Ein erstes<br />
Projekt wurde in die Wege geleitet: eine Velotour durch den<br />
Klettgau (September 1998). Einige Studierende der Gruppe<br />
Siedlung besuchten die erste Veranstaltung als nicht direkt<br />
beteiligte Beobachter; das Projekt wird nach Abschluss der<br />
Fallstudie weitergeführt.<br />
In der Zukunftswerkstatt entst<strong>and</strong>en ausserdem Projektskizzen<br />
zur Renaturierung von Bächen und einer Wohnsiedlung,<br />
die das Zusammenleben von jungen und alten Leuten<br />
ermöglicht. Das erste Thema wurde in der Arbeit der Synthesegruppe<br />
Naturraum und L<strong>and</strong>schaft aufgegriffen und<br />
weiter bearbeitet.<br />
Tabelle 3.1 zeigt einige Aussagen aus der Zukunftswerkstatt,<br />
welche zur Definition der Lebensqualität von der<br />
Synthesegruppe für die weitere Arbeit aufgenommen wurden.<br />
3.2 Bewertung von<br />
Massnahmen Ebenen Haus,<br />
Skdwng Regronhmskhdkh<br />
lebensqualitiit Zukunftsfähigkeil<br />
Im Rahmen der Teilprojekte erarbeiteten die Studierenden<br />
Massnahmen, die sowohl Zukunftsfähigkeit als auch Lebensqualität<br />
im Klettgau erhöhen sollten. Aus 34 Massnahmen<br />
wählten die Studierenden aufgrund der sechs Kriterien<br />
«Lebensqualität», «Technische und juristische Realisierbarkeit»,<br />
«Effizienz», «Effektivität», «Bildfähigkeit» und «Innovationscharakter»<br />
24 Massnahmen aus. Nach einer Analyse<br />
von Synergien und gegenseitigen hemmenden Effekten<br />
wurden zwei weitere Massnahmen ausgeschlossen und die<br />
restlichen zu einem Massnahmenbündel geschnürt.<br />
Die Massnahmen lassen sich in die drei Kategorien «Optimieren:<br />
Energie- und Stoffflüsse minimieren und substituieren»,<br />
«Gestalten: Ortsbild auf ökologische Weise planen<br />
und verschönern» sowie «Zusammenleben: Gemeinsame<br />
Aktivitäten in der Ortschaft fördern und neue soziale Netze<br />
aufbauen» unterteilen (siehe auch Tabelle 3.2).<br />
Die Massnahmen wurden (mit zwei Ausnahmen) anh<strong>and</strong><br />
von Bildern der Gemeinde Neunkirch visualisiert, das heisst<br />
bildlich dargestellt (ein Beispiel für eine Visualisierung<br />
zeigt Abbildung 3.2).<br />
Tab. 3.1: Einige Aussagen zur Lebensqualität an der Zukunftswerkstatt.<br />
Die Aussagen wurden im Rahmen der Kritikphase<br />
der Zukunftswerkstatt geäussert. Es finden sich<br />
(mehr im Sinne einer Analyse des «1st-Zust<strong>and</strong>es») auch<br />
positive Äusserungen zur momentanen Wohnsituation in der<br />
<strong>Region</strong>. Die Aussagen sind in die weitere Arbeit der Synthesegruppe<br />
Siedlung bei der Definition des Begriffes der Lebensqualität<br />
eingeflossen.<br />
' Die Klettgauer haben ihren Wohnort bewusst gewählt<br />
- Ruhiges Wohnen im Grünen mit schönen Spaziergängen<br />
[<br />
, - Der Klettgau ist schön<br />
i-Bestehendes erhalten und vermehren (Bleib wie du bist,<br />
I Klettgi)<br />
Hohe Umweltqualität ist dem/r Klettgauer/in wichtig<br />
Neue Seen, zum Beispiel durch Kiesgrubenrenaturierung<br />
Sichtbare und schöne Wasserläufe<br />
- Abwechslungsreiche l<strong>and</strong>wirtschaftliche Flächen<br />
- Kein Fluglärm<br />
- Mehr Radwege, vor allem im deutschen Klettgau<br />
Soziales und kulturelles Leben erhalten und verbessern<br />
- Ausbau und Erhalt der kulturellen Infrastruktur<br />
Spielstrassen - Schutz der Kinder<br />
Entfaltungsraum für die Jugend<br />
"Jede Woche ein Dorffest"<br />
Mehr Interesse und Beteiligung der Bevölkerung an Politik<br />
und Kultur<br />
Mehr Zusammenleben<br />
Generationenübergreifendes Zusammenleben in der<br />
Familie bis zuletzt<br />
Integration von Auswärtigen und Ausländern<br />
Stärkung der nachbarschaftlichen Beziehungen<br />
Mehr persönliche Verantwortung<br />
Gemeinsames Problemlösen<br />
- "Mit Herz und H<strong>and</strong> für alle"<br />
Stärkung der <strong>Region</strong><br />
- Föderalismus und Dezentralität fordern<br />
- Grenzübergreifende Beziehungspflege und Kulturangebote<br />
<strong>Region</strong>ales Label für Produkte<br />
Klettgauer Wochenmarkt<br />
Erhalt kleiner Betriebe - nahe Einkaufsmöglichkeiten<br />
Beachtung des einheimischen Gewerbes durch Einheimische<br />
Zusammenarbeit der Gemeinden/Behörden<br />
Gute Erschliessung durch öffentlichen Verkehr, R<strong>and</strong>zeitenservice<br />
Umgang mit unterschiedlichen Werthaltungen/lnteressen<br />
- Sauberkeit und Sorgfalt auf öffentlichen Plätzen<br />
- Pflege alter Bauten, keine Verlotterung<br />
- Offenheit im Denken (kein Bünzlidenken)<br />
- Offenheit für (zukunftsweisende) Innovationen<br />
- Weniger Vorschriften und Gesetze<br />
- Bauern wollen sich nicht als (Umwelt-)Verbrecher<br />
vorkommmen<br />
- Stärkung der Familie<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
233
Siedlungsentwicklung<br />
_<br />
Tab. 3.2: Die von den Studierenden entwoifenen Massnahmen<br />
zur Förderung von Zukunftsfähigkeit und Lebensqualität<br />
im Klettgau lassen sich in drei Kategorien unterteilen:<br />
«Optimieren: Energie- und StoJfflüsse minimieren und substituieren»,<br />
«Gestalten: Ortsbild aufökologische Weise planen<br />
und verschönern» sowie «Zusammenleben: Gemeinsame<br />
Aktivitäten in der Ortschaft fördern und neue soziale<br />
Netze aufbauen». Zwei Massnahmen betreffen die Ebene<br />
<strong>Region</strong>, zehn die Ebene Siedlung und zehn die Ebene Haus.<br />
Kategorie<br />
«Optimieren»<br />
Kategorie<br />
«Gestalten»<br />
Kategorie<br />
«Zusammenleben»<br />
Isolation und Dämmung (Haus)<br />
Sonnenkollektor (Haus)<br />
Wärmepumpe (Haus)<br />
Nutzung Dachwasser (Haus)<br />
Wintergarten (Haus)<br />
Holzfernwärme (<strong>Region</strong>)<br />
Biogasstrom (<strong>Region</strong>)<br />
Fassadenbegrünung (Haus)<br />
Wildtierfreundliche Gestaltung<br />
(Haus)<br />
Substanz ausnutzen (Haus)<br />
Interneteinkauf (Siedlung)<br />
Versiegelte Flächen minimieren<br />
(Siedlung)<br />
Naturnahe Gärten (Siedlung)<br />
Biotopvernetzung (Siedlung)<br />
Quartierplan (Siedlung)<br />
Wohngemeinschaften (Haus)<br />
Mehrfamiliengemeinschaften<br />
(Haus)<br />
Direktverkauf/Wochenmarkt<br />
(Siedlung)<br />
i Carsharing (Siedlung)<br />
Kommunikative Elemente<br />
(Siedlung)<br />
Vielfältige Freiräume (Siedlung)<br />
Autofreie Plätze (Siedlung)<br />
Diese Bilder dienen als Grundlage für die Bewertung der<br />
Massnahmen hinsichtlich ihres Beitrages zur Lebensqualität.<br />
Diese Bewertung f<strong>and</strong> im Rahmen von halbst<strong>and</strong>ardisierten,<br />
qualitativen Interviews mit 7 Klettgauerinnen und<br />
10 Klettgauern statt. Das Mass für die Lebensqualität ergab<br />
sich aus einer Reihe von Kriterien, welche am Anfang der<br />
Interviews durch die Befragten gewichtet wurden. Dabei<br />
wurden Kriterien wie «Sauberes Wasser», «Gute Zukunftsperpektiven<br />
für die nächste Generation» und «Gute Gesundheit»<br />
von den Befragten als «sehr wichtig» erachtet, während<br />
die Einstufung von «InfrastrukturlEinkaufsmöglichkeiten»,<br />
«Gute finanzielle Situation» und «Gute Kontaktmöglichkeiten<br />
zu <strong>and</strong>eren Bewohnern der Gemeinde» eher<br />
gering war (
Siedlungsentwicklung<br />
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Siedlungsentwicklung<br />
belebt, versiegelte Flächen werden besser genutzt und Freiräume<br />
für die Natur geschaffen.<br />
Auf Organisationsstufe <strong>Region</strong> muss sich ein überkommunaler<br />
Akteur erst entwickeln. Eine zukunftsfähige Entwicklung<br />
der <strong>Region</strong>, ob in der Energieversorgung, der<br />
Nahrungsmittel- und Holzproduktion oder in der Nutzung<br />
von Naturraum, muss regional geplant werden. Der Versuch,<br />
in geeigneten Bereicheneine regionale Autarkie anzustreben,<br />
also einen hohen Eigenanteil in der Produktion von<br />
Energie und Naturgütern, bedeutet dabei nicht, dass sich der<br />
Klettgau völlig abgrenzt: Der Philosoph Hans Ruh (1985)<br />
spricht von einer «Autarkie mit Fenstern»: «Je materialer,<br />
desto lokaler, je geistiger, desto internationaler.»<br />
Proposition 4: Schlösselgrösse Energieversorgung<br />
Eine auferneuerbaren Energieformen beruhende Energieversorgung<br />
istfür eine nachhaltige Siedlungsentwicklung<br />
zentral.<br />
Im Bericht des Interdepartementalen Ausschusses Rio der<br />
Schweiz wird die Energie als Schlüsselgrösse für eine nachhaltige<br />
Entwicklung in der Schweiz bezeichnet (IDARio,<br />
1997). Die <strong>Region</strong> Klettgau verfügt über keine eigenen<br />
fossilen Brennstoffe, hat keine Wasser- oder Windenergie<br />
zur Verfügung und ist nicht ans Erdgasnetz angeschlossen.<br />
Ein Potential an emeuerbarer Energie besteht kurzfristig in<br />
der dezentralen Nutzung von Biomasse, in der überkommunalen<br />
Nutzung von Holz (Pionierleistungen der Gemeinde<br />
Wilchingen), sowie in der Förderung der rationellen Energienutzung.<br />
Mittelfristig können zudem technische Innovationen<br />
im Bereich der Photovoltaik erwartet werden. Nach<br />
Abschätzungen der Synthesegruppe Siedlung könnte der<br />
Klettgau seinen Energiebedarf bis in 30 Jahren auf den im<br />
Projekt «Strategie Nachhaltigkeit» der <strong>ETH</strong> angestrebten<br />
Zielwert von 2000 W senken. Die <strong>Region</strong> könnte dann ihren<br />
Energiebedarf zu ca. 90 Prozent aus emeuerbaren Energien<br />
decken. Auch unter optimistischen Schätzungen für die<br />
Entwicklung der Solamutzung wäre die <strong>Region</strong> allerdings<br />
noch immer zu ca. 50% auf den Import von Wasserkraft<br />
Strom angewiesen, eine regionale Autarkie würde also nicht<br />
erreicht.<br />
Proposition 5: Soziale Erfindungen und institutionelle<br />
Neuerungen entwickeln<br />
Für eine erfolgreiche Umsetzung der Idee «Nachhaltige<br />
Siedlungsentwicklung» braucht es institutionelle Neuerungen<br />
und neue soziale Erfindungen.<br />
Eine soziale Erfindung ist nach Jungk und Müllert (1981, S.<br />
33) ein neues Gesetz, eine neue Organisation oder eine neue<br />
Vorgehensweise, durch die das Verhalten der Menschen zu<br />
sich selbst und unterein<strong>and</strong>er verändert wird. Soziale Erfindungen<br />
können zum Beispiel im Laufe einer Zukunftswerkstatt<br />
gemacht werden (Jungk & Müllert, 1981). Ein Beispiel<br />
aus der Fallstudie ist der in der Zukunftswerkstatt initiierte<br />
Ideenkeller, eine institutionelle Neuerung, die einen Informationsaustausch<br />
und eine regionale Zusammenarbeit über<br />
die L<strong>and</strong>esgrenzen hinweg möglich macht. Diese beiden<br />
Elemente scheinen uns zentral für eine zukunftsfahige Siedlungsentwicklung.<br />
Auch in <strong>and</strong>eren Synthesegruppen wurden institutionelle<br />
Neuerungen angeregt, so zum Beispiel ein Arbeitskreis der<br />
<strong>Region</strong>albanken zum Thema «Nachhaltige Kreditvergabe»<br />
oder eine Interessensgemeinsschaft zur Förderung naturraumrelevanter<br />
Projekte im Klettgau.<br />
Während der Fallstudienarbeit ist von Bevölkerungsseite<br />
mehrfach das Bedürfnis nach Neuerungen im Bereich der<br />
regionalen Identität geäussert worden, beispielsweise im<br />
Wunsch nach einer einheitlichen Beschilderung des Klettgaus,<br />
gemeinsamen, grenzüberschreitenden Geschichtsbüchern,<br />
Verkehrskonzepten und Tourismusangeboten.<br />
Die Wichtigkeit von institutionellen Neuerungen und sozialen<br />
Erfindungen für eine nachhaltige Entwicklung ist auf<br />
nationaler und europäischer Ebene bereits akzeptiert und<br />
wird im Rahmen von Lokale Agenda 21-Projekten gefördert:<br />
«Anzustreben ist die Bildung von Netzwerken, in<br />
denen Bund, Kantone und Gemeinden, Wirtschaft, Organisationen<br />
und Wissenschaft, lokale Initiativen und Bürgergruppen<br />
gemeinsam an der Förderung der nationalen Entwicklung<br />
arbeiten» (IDARio, 1997, S. 14). In einer Studie<br />
des Information Society Forum (EU-Kommission) und des<br />
Forums Info 2000 (Bundesregierung BRD, «Herausforderungen<br />
2025», 1998) werden Innovationen im Bereich der<br />
Gesellschaftssysteme als drittes Element neben technischen<br />
Neuentwicklungen und Verhaltensänderungen als wesentliche<br />
Möglichkeiten zum Erreichen einer nachhaltigen Entwicklung<br />
gesehen.<br />
Proposition 6: Gemeinsames Leitbild für Siedlungsentwicklung<br />
schaffen<br />
Eine nachhaltige Siedlungsentwicklung profitiert von<br />
einer gemeinsamen Vorstellung einer möglichen nachhaltigen<br />
Siedlung. Ein solches Leitbild muss offen und<br />
entwicklungsfähig sein und unterschiedliche Sichtweisen<br />
integrieren können. Es wird sich laufend verändern.<br />
Das Ziel, eine Vision einer möglichen nachhaltigen Siedlung<br />
darzustellen, hat sich durch unsere gesamte Arbeit<br />
gezogen. Die Frage «Wie sieht der Klettgau in 20 Jahren<br />
aus?» bildete den Einstieg in die Zukunftswerkstatt, in der<br />
multikriteriellen Bewertung wurde speziell auf das Zusammenpassen<br />
der Massnahmen und auf die Visualisierbarkeit<br />
geachtet. Leitbilder und Visionen spielen überall dort eine<br />
Rolle, wo es darum geht, langfristig und gemeinsam in einer<br />
Gruppe aufein nicht klar definierbares Fernziel hinzuarbeiten.<br />
Visionen werden im Innovationsmanagement (Pleschak,<br />
1996) und in der strategischenUnternehmensführung<br />
(Hinterhuber, 1989) gezielt eingesetzt. Im betrieblichen<br />
Umweltmanagement wird der Zielsetzung (Umweltpolitik)<br />
eine besondere Bedeutung als treibende Kraft für die Umsetzung<br />
und Verbesserung des Umweltmanagements zugemessen<br />
(siehe ISO 1400l-Norm, Schweizerische Normen-Vereinigung,<br />
1996, Abs. 3.7.,4.1.). «Die Vision ist ein wichti-<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
237
Siedlungsentwicklung<br />
_<br />
ges Führungsinstrument, um neue Werte in die Unternehmenspolitik<br />
und -kultur zu bringen. Sie erschliesst neue<br />
Horizonte, die die strategische Ausrichtung der Unternehmung<br />
als Ganzes oder einzelner Geschäftseinheiten verändern<br />
können.» (Hinterhuber, 1989, S. 41f.)<br />
Literatur<br />
Hinterhuber, H. (1989). Strategische Untemehmensführung (4.,<br />
völlig neu bearbeitete Auflage). Berlin: Walter de Guyter.<br />
Hirsch, G. (1993). Wieso ist ökologisches H<strong>and</strong>eln mehr als eine<br />
Anwendung ökologischen Wissens? Gaia (3/93), 302-314.<br />
!DARio (1997). Nachhaltige Entwicklung in der Schweiz. St<strong>and</strong><br />
der Realisierung. Bem: BUWAL.<br />
Jungk, R. & Müllert, N. R. (1981). Zukunftswerkstätten. München:<br />
Wilhelm Heyne.<br />
Korczak, D. (1995). Lebensqualität-Atlas. Opladen: Westdeutscher<br />
Verlag.<br />
Pleschak, F. & Sabisch, H. (1996). Innovationsmanagement. Stuttgart:<br />
Schäffel-Poescher.<br />
Ruh, H. (1995). Störfall Mensch: Wege aus der ökologischen<br />
Krise. Gütersloh: Kaiser Taschenbücher.<br />
Scholz, R. W. & Tietje, O. (in press). Integrating Knowledge with<br />
Case Studies. Formative Methods for Better Decisions. Thous<strong>and</strong><br />
Oaks: Sage Publications.<br />
Scholz, R. w., Bösch, S., Mieg, H. A. & Stünzi, J. (Hrsg.). (1998).<br />
<strong>Region</strong> Klettgau - Veranwortungsvoller Umgang mit Boden. Zürich:<br />
Rüegger.<br />
Schweizerische Normen-Vereinigung (1996). ISO 14001. Umweltrnanagementsysteme,<br />
SpezifIkation mit Anleitung zur Anwendung.<br />
Zürich: Schweizerische Normen-Vereinigung.<br />
238<br />
UNS-Fallstudie '98
Index<br />
Index<br />
A<br />
A 98 61<br />
Analysis 31, 32, 35<br />
AP2002 117<br />
Aufwertungsmassnahmen,<br />
ökologische 117<br />
Autobahn 61<br />
B<br />
Bachrenaturierung 121,125<br />
Banken 176<br />
Bäumliacker, Kiesgrube 150, 158<br />
Begleitgruppen 45,53<br />
Begreifen 32, 35<br />
Bevölkerungs-<br />
- entwicklung (Statistik) 173<br />
- zunahme 20<br />
Bio-Bonus (Rebbau) 218<br />
Biologischer Anbau 215<br />
Bioökologie 31<br />
Biophilia-Hyphothese 31<br />
Biorebbau 210<br />
Biowein 215<br />
Blauburgunder 217<br />
Bottom-up 192<br />
Buntbrache 121,124,125,156<br />
Burgess-Modell 64<br />
c<br />
Ceval blanc 221<br />
Choren 26<br />
Clusteranalyse 192<br />
D<br />
Depression (Dreissigerjahre) 168<br />
Dienstleistungsbetriebe 171<br />
Diptam, feuerspeiender 106<br />
Direktvermarktung (Wein) 224<br />
Dreifelderwirtschaft 164<br />
E<br />
EDV 49<br />
Einkaufsverkehr 65,79<br />
Eisenbahnlinie 62<br />
Empathie 33<br />
Energie-<br />
- verbrauch (Transport) 70<br />
- versorgung 237<br />
Entscheidungsfindung, multikriterielle<br />
120<br />
Entwicklung, nachhaltige 195<br />
Erfahrungstage 53<br />
Erklären 32, 35<br />
Erlebnisqualität 115<br />
-l<strong>and</strong>schaftliche 111<br />
ErsterWeltkrieg 166<br />
Erwerbspersonen (Statistik) 173<br />
EU/EG Programm Interreg II 16<br />
Evaluation 48<br />
Experiental case encounter 32<br />
Experientalleaming 33<br />
F<br />
Fabrik, virtuelle 188<br />
Fallstudien-<br />
- ablauf 51 ff.<br />
- büro 44<br />
- kommission 44<br />
- kuratorium 45<br />
- produkte 53<br />
Fallverständnis 43<br />
Fauna 104<br />
Feld-<br />
- hase 105<br />
-lerche 105<br />
Flächen<br />
- naturnahe 107, 110<br />
- Verbrauch (Verkehr) 71<br />
Flachs 164<br />
Flora 104<br />
Folgenutzung<br />
(stillgelegte Kiesgruben) 158<br />
Formative Szenarloanalyse 72<br />
Forschung, transdisziplinäre 36<br />
Freizeitverkehr 65,81<br />
G<br />
Geomorphologie 102<br />
Geoökologie 31<br />
Geosynergetik 30<br />
Geschichte (der Verkehrswege) 61<br />
Gewerbe 15, 175<br />
Gewerbe-<br />
- freiheit 168,169<br />
- vereine 176<br />
Globalisierung 172<br />
Grenze 16,175, 167, 189<br />
- Einfluss auf Mobilität 63<br />
Grundlagenordner 134, 137<br />
Grundwasser 16, 174<br />
Grundwasser-<br />
- nutzung 15, 16<br />
- see 17<br />
H<br />
Habitatqualität 109, 110<br />
Habitattypen 110<br />
H<strong>and</strong>werk 167<br />
H<strong>and</strong>werkerring Waidberg 189<br />
Hanf 164<br />
Hochrheinautobahn 61<br />
I<br />
Ideenkeller 233<br />
Idiochor 26<br />
III defined problems 41<br />
Industrialisierung 168, 169<br />
Industrie 15<br />
- Maschinen- 171<br />
- Metall- 171<br />
Industriepark Gottmadingen 188<br />
Infoblatt 45<br />
Infogruppe 44<br />
Informationskonzept 44<br />
Integrierte Produktion 215,216<br />
Internalisierung 60<br />
Interreg n 16,42,45<br />
Interspezifische Rebsorten 217, 223<br />
Intranet 49<br />
Intuition 31, 32, 35<br />
K<br />
Kies 145<br />
Kies-<br />
- abbau 145,181<br />
- wirtschaft 19<br />
Kiesgruben 124<br />
- Folgenutzung 158<br />
- Renaturierung 121,125<br />
K1ettgaurinne 14,27,100,102<br />
KMU 175<br />
Kohlendioxid-Ausstoss 70<br />
Konsistenzanalyse 190<br />
Koordination, grenzüberschreitende<br />
(l<strong>and</strong>schaftsgestaltende Projekte)<br />
134,137<br />
Kostenwahrheit (im Verkehr) 60<br />
Kredit-<br />
- geschäft 176<br />
- institute 171<br />
- risiken, ökologische 178<br />
- vergabe 190<br />
- vergabe, nachhaltige 207,210<br />
Krisen (L<strong>and</strong>wirtschaft) 165<br />
Kultur, regionale 234<br />
Kuratorium 45<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
239
Index<br />
_<br />
L<br />
L<strong>and</strong>nutzung, gegenwärtige 104<br />
L<strong>and</strong>scape 29<br />
L<strong>and</strong>schaft 28,30<br />
- Ökologischer Wert 115<br />
L<strong>and</strong>schafts-<br />
- begriff (geographischer)<br />
- darstellungen 29<br />
- fonnung 99<br />
- raum 30<br />
- wahrnehmung 113<br />
L<strong>and</strong>schafts- und <strong>Region</strong>alentwicklung<br />
35<br />
- umweltnaturwissenschaftliche 36<br />
L<strong>and</strong>schafts- und <strong>Region</strong>sforschung<br />
33<br />
L<strong>and</strong>schaftsentwicklung<br />
- integrierte 136<br />
L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />
- integrierte 99<br />
- zukünftige 110<br />
L<strong>and</strong>wirtschaft 15, 18, 164<br />
- Folgen für L<strong>and</strong>schaft 116<br />
- Krisen 165<br />
Länn (Verkehr) 71<br />
Lebensqualität 230, 233<br />
Lernziele (Fallstudie) 41<br />
M<br />
MarechalFoch 218<br />
Maschinenindustrie 171<br />
Mehltaubekämpfung 224<br />
Melioration 167<br />
Mesochoren 26<br />
Metallindustrie 171<br />
MICMAC-Analyse 186<br />
Mikrogeochoren 26<br />
Mobilität 21<br />
- ländlicher Raum 59<br />
- zukünftige Entwicklung 66<br />
Mobilitätskarawane 92 ff.<br />
Modalsplit 59<br />
Mode 2-Forschung 34<br />
Multi-Criteria-Analysis 146<br />
Multikriterielle Entscheidungsfindung<br />
120<br />
Mutuallearning 34, 41<br />
N<br />
Nachhaltige Entwicklung 195<br />
Nachhaltige Siedlungsentwicklung<br />
236,237<br />
Nachhaltigkeit 195<br />
Nachkriegszeit 170<br />
Natur und L<strong>and</strong>schaft 20<br />
Naturnahe Flächen 107, 110<br />
Naturschutzkonzept (Kanton SH)<br />
118<br />
Nitrat 16<br />
- Eintrag 174<br />
- Konzentration (Grundwasser) 16<br />
Nutzungsalternativen (Kiesabbau)<br />
148<br />
Nutzungsgeschichte (Klettgau) 103<br />
Nutzwertanalyse 146, 152<br />
o<br />
Öffentliche Verkehrsmittel<br />
(Benutzungsfrequenz) 84<br />
Ökologischer Weinbau 216<br />
p<br />
2-Phasen-Schwungradmodell 48<br />
Paarweiser Vergleich 150<br />
Partikel (Gesamtstaub) 70<br />
Pendelverkehr 65,79<br />
Perpeet 112<br />
Postmoderne 170<br />
Primärsektor (Perspektiven) 207<br />
Projektarchitektur<br />
- Gruppe Mobilität 67<br />
- Gruppe Natur und L<strong>and</strong>schaft 102<br />
- Gruppe Siedlung 231<br />
- Gruppe Wirtschaft 179<br />
R<br />
Rebbau 164,174,215<br />
Rebbergmelioration 166<br />
Rebhuhn 105<br />
Regent 217,221<br />
<strong>Region</strong> 26 ff.<br />
<strong>Region</strong>ale Kultur 234<br />
<strong>Region</strong>sbegriff 26<br />
Renaturierung 124<br />
Reptilien 106<br />
Richtplan (Kanton SH) 118,136<br />
Richtplanung 20<br />
s<br />
Segregation 99<br />
Sekundärsektor (Perspektiven) 207<br />
Siedlung 20<br />
Sied1ungs-<br />
- entwicklung 15<br />
- entwicklung, nachhaltige 236,<br />
237<br />
- fläche 21<br />
- gebiete (Folgen für L<strong>and</strong>schaft)<br />
116<br />
- planung 21<br />
- raum (Entwicklung) 230<br />
- typen 15<br />
Soziale Erfindungen 237<br />
Stammtische 45<br />
Stickoxide (Verkehr) 71<br />
Stickstoff-<br />
- management 17<br />
- verluste 18<br />
Synthese 41,43,46<br />
Synthese-<br />
- gruppen 47<br />
- methoden 47<br />
- phase I 52<br />
- phase II 53<br />
Szenarioanalyse 179<br />
- fonnative 179<br />
T<br />
Tei1projekt-<br />
- gruppen 47<br />
- phase 53<br />
Tertiärsektor 172<br />
- Perspektiven 207<br />
Textilindustrie 169<br />
Tope 26<br />
Top-Down 192<br />
Transdisziplinäre Forschung 36<br />
Transekten 20,101,107,199<br />
- Lage 108<br />
Trinkwasser 16<br />
Tutoren 43,44<br />
Tutorinnen 43,44<br />
u<br />
Umweltbelastung (Verkehr) 76<br />
v<br />
Venusspiegel 106<br />
Verdichtungspotential 21<br />
Verkehrsbelastung 76<br />
Verkehrsbelastungsmodell 22, 66,<br />
67 ff.<br />
Verkehrsstrukturen 15<br />
Verkehrswege<br />
- Auswirkungen auf Natur 116<br />
- Geschichte 61<br />
Verkehrszwecke 79<br />
- Anteile am Gesamtverkehr 78<br />
Verstehen 32, 35<br />
VINATURA 216<br />
Virtuelle Fabrik 188<br />
240<br />
UNS-Fallstudie '98
Index<br />
w<br />
Wasserhaushalt 18<br />
Weinbau, ökologischer 216<br />
Wein-Label 224, 227<br />
Weltkrieg<br />
- Erster 166<br />
- Zweiter 168<br />
Wirtschaftliche Perspektiven 206<br />
Wirtschafts-<br />
- geschichte 163<br />
- kreislauf 180<br />
- modell, regionalökonomisches<br />
(Graphik) 181<br />
- struktur 19<br />
- zweige (Historische Entwicklung)<br />
163<br />
Wissensintegration 35,41,43,46<br />
z<br />
Zeitplan 48<br />
Zelgenwirtschaft 164<br />
Zollverein, Deutscher 168<br />
Zukunftsfähigkeit 230<br />
Zukunftswerkstatt 230, 231 ff.<br />
Zweiter Weltkrieg 168<br />
UNS-Fallstudie '98<br />
241
~r:§l<br />
~<br />
2:<br />
~<br />
(1)<br />
\Ö 00<br />
~<br />
Übersicht über die Studierenden der UNS fallstudie 1998<br />
Synthese- Teilprojekte Kulturingenieure<br />
gruppe<br />
Mobilität Einkaufs- und Freizeitverkehr<br />
Huber, Lukas<br />
! Pendlerverkehr<br />
i Epp, Adrian Kommunikation &<br />
i Sensibilisierung<br />
!<br />
i<br />
Kost, Michael ! Mäder, Jörg ! Frey, Silvia !<br />
Reichenbach, Alex<strong>and</strong>er ! Prim, Christian ! Stofer, Peter !<br />
Zorzi, Alvaro ! Wüst, Urs ! Wetli, Patrick i<br />
! ! Wüthrich, Matthias i i Zimmermann, Philippe i<br />
........................................................................................................+ + + .<br />
Naturraum Bewertungskriterien für i Methodik für die Bewertung i Grenzüberschreitende i Strasser, Christoph<br />
l<strong>and</strong>schaftsökologische Projekte! l<strong>and</strong>schaftsökologischer ! Koordination von Projekten im ! Sutter, Jan<br />
Buzzi, Matteo ! Projekte ! Bereich des ökologischen !<br />
Huber, Marc \ Jung, Tobias \ Ausgleichs (IG Klettgau) \<br />
Kopp, Claudia ~ Maeder, Valerie ~ Drack, Christian ~<br />
Lachat, Thibault i Meyer, Bruno i Fendt, Roman i<br />
Liechtenhan, Wemer ! Roth, Chris i Leupold, Ulrich !<br />
Reineking, Bjöm i Vollenweider, Stefan [ Schaffhauser, Mario i<br />
Schöb,Patrik! i !<br />
Suter,Marianne! ! !<br />
.......................................!.~~~:.~~.~~?~~ l.. 1.. 1..<br />
Siedlung Lebensqualität ! <strong>Region</strong> ! Haus ! Siedlung<br />
.<br />
Boogman, Philipp ! Gaido, Niccolo ! Bauer, Peter ! Altherr, Wendy<br />
Küffer, Christoph ! Joss, Urs Estermann, Andreas Parrat, Valerie<br />
Kutlar, Meltem ! Keller, Christoph ! Reinhardt, Andreas ! Saladin, Matthias<br />
Sorg, Markus \ Reinhardt, Jodok \ Schumacher, Eva-Maria \ Trudel, David<br />
.......................................~~:?~~.~~~~:.~~~~~~~ L.~.~.~~~::..~~~.~~~ L.~.~~~~!.~::..~?~~~~~ 1..<br />
Wirtschaft Gewerbe und Industrie i L<strong>and</strong>wirtschaft ! Dienstleistungen ! Syntheseteam Lerch, Markus<br />
.<br />
Baumann, Florian ! Eichenberger, Judith ! Kühnholz, Olof ! Lang, Daniel Rüttimann, Franc,;ois<br />
Meyer, Claudia ! Eyhom, Frank ! Niederegger, Senta Muncke, Jane<br />
Salemo, Romina Gomez, Patrick ! Rotondo, Thomas ! Rudolf, Christian<br />
Sutter, Christoph ! Kleiber, Oliver ! Seiler, Markus ! Steinbach, Dirk<br />
! Kleinert, Peter ! Spengler, Arik ! Zwank, Luc<br />
i Müller, Alice i Widmer, Petra i<br />
Infogruppe<br />
Bättig, Micheie<br />
Krütli, Pius,<br />
Schaffner, Beat<br />
Völlmy, Manuel<br />
Zuberbühler, Hans-Jörg<br />
r:§l<br />
~@<br />
~
t<br />
Liste der Tutorinnen und Tutoren der UNS Fallstudie 1998<br />
2<br />
Mobilität<br />
Naturraum<br />
Siedlung<br />
Wirtschaft<br />
e<br />
zr:.n Infogruppe<br />
~<br />
~<br />
80-<br />
ol'<br />
'!5<br />
00<br />
Didaktik<br />
Dip!. Natw. UMNW-Biologie<br />
Regula Steiner<br />
Praxisberatung UNS-UMNW<br />
Studentin FS '91<br />
Tutorin FS '96-97<br />
Dr. phi!. n<br />
Peter Frischknecht<br />
Biologe<br />
Abteilungskoordinator und Dozent<br />
UMNW<br />
Tutor FS '91-97<br />
........................................................<br />
Dip!. Natw. UMNW-Biologie<br />
Tania Schellenberg<br />
Doktor<strong>and</strong>in Münster<br />
sinumGmbH<br />
Studentin FS '92<br />
Tutorin FS '97<br />
Dip!. Natw. UMNW-Biologie<br />
Miguel Baeriswyl<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
Schweizerischer Wissenschaftsrat<br />
Student FS '94<br />
...................................................<br />
Dip!. Natw. UMNW-Chemie<br />
Jörg Schmill<br />
Medienschaffender<br />
PR-Büro<br />
Student FS '91<br />
Tutor FS '96-97<br />
Fallstudienmethoden<br />
Lic phil I<br />
Michael Stauffacher<br />
Soziologe EU<br />
Tutor FS '94-96<br />
Dr. rer. nat.<br />
OIafWeber<br />
Psychologe<br />
Assistent UNS<br />
Dozent <strong>ETH</strong><br />
Tutor FS '94-97<br />
Dip!. psych.<br />
Bertraml Lisbach<br />
Psychologe<br />
Doktor<strong>and</strong> UNS<br />
Experte FS '96<br />
Tutor FS '97<br />
Dip!. psych.<br />
Georg Michalik<br />
Mitarbeiter UNS<br />
Bankenexperte<br />
Dip!. Natw. UMNW<br />
Umwelthygiene<br />
Jenny Oswald<br />
Co-Leiterin Fallstudienbüro<br />
Studentin FS '96<br />
SystemtutorIn<br />
Dr. sc. tech<br />
Paul Both<br />
Planungsberatung<br />
Dr. phi!. n<br />
Markus Jenny<br />
Biologe, Vogelwarte Sempach<br />
Tutor FS '97<br />
Dip!. Arch. <strong>ETH</strong>jSIA<br />
Johanna Reutemann<br />
Raumplanerin <strong>ETH</strong>/NDS<br />
Tutorin FS '97<br />
Raumplanerin <strong>ETH</strong>/NDS<br />
Susanne Gatti<br />
Oekogeo AG Schaffhausen<br />
Fachtutorln<br />
Dip!. Bauing. <strong>ETH</strong><br />
Matthias Lebküchner<br />
Verkehrsplaner INFRAS<br />
Tutor FS '96<br />
Dip!. Natw. UMNW<br />
Christoph Schreyer<br />
Verkehrsplaner INFRAS<br />
Student FS '95<br />
...........................<br />
Dr. phil n<br />
Raimund Rodewald<br />
Biologe, Geschäfstleiter Stiftung für<br />
L<strong>and</strong>schaftsschutz<br />
Dip!. Natw. UMNW<br />
Vicente Carabias<br />
Fachstelle Ökologie TWI<br />
Student FS '94<br />
Dr. phil I<br />
Walter Joos<br />
Fachstelle Ökologie TWI<br />
Dip!. Bio.<br />
Herbert Winistörfer<br />
Fachstelle Ökologie TWI<br />
..................................<br />
Dip!. Agr. <strong>ETH</strong><br />
Konrad Schleiss<br />
Umwelt- und Kompostberatung Baar<br />
%<br />
::l<br />
(J)<br />
::l
Rol<strong>and</strong> W. Scholz, S<strong>and</strong>ro Bösch. Harald A. Mieg und Jürg Stünzi (Hrsg.)<br />
Zentrum Zürich Nord - Stadt im Aufbruch<br />
Bausteine für eine nachhaltige Stadtentwicklung<br />
Wie entsteht aus einem Industriequartier ein Stadtteil mit urbaner Lebensqualität? Welche<br />
Investitionen werden nötig? Wie organisiert man eine integrale Bewertung? Wie lässt sich<br />
Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung planen? Diese Fragen wurden am Beispiel "Zentrum<br />
Zürich Nord», dem grössten derzeitigen Stadtprojekt in der Schweiz, umfassend untersucht.<br />
Das Buch präsentiert die Ergebnisse einer umweltnatur- und umweltsozialwissenschaftlichen<br />
Untersuchung und gehört in die Reihe der jährlichen Fallstudien, die an der<br />
Abteilung Umweltnaturwissenschaften der <strong>ETH</strong> Zürich durchgeführt werden. Mit einer<br />
gesamtheitlichen Sicht auf das "Zentrum Zürich Nord» zeigt sie neue Wege der Planung und<br />
Stadtentwicklung auf.<br />
Im Zentrum der Analyse st<strong>and</strong>en der Umgang mit Industriealtlasten, Modelle, und Massnahmen zum Wasserhaushalt,<br />
Möglichkeiten der Grünraumgestaltung sowie die lokale Verkehrsplanung. Fragen zum Umweltmanagement, zur<br />
Gebäudeplanung (Umnutzung oder Neubau), zur Stadtentwicklung und zur Nachhaltigkeit runden den B<strong>and</strong> ab.<br />
vdf, 1997, 333 Seiten, Fr. 65.-, ISBN 3 7281 2319 6<br />
Rol<strong>and</strong> W. Scholz, S<strong>and</strong>ro Bösch, Theodor Koller, Harald A. Mieg und Jürg Stünzi (Hrsg.)<br />
Industrieareai Sulzer-Escher Wyss<br />
Umwelt und Bauen: Wertschöpfung durch Umnutzung<br />
Industrie und Städte w<strong>and</strong>eln sich. Erstmals wurde für ein ganzes städtisches Industrieareal<br />
eine Ökobilanz erstellt, sowie eine umweltnatur- und umweltsozialwissenschaftliehe Analyse<br />
durchgeführt. Schwerpunkte der Untersuchung waren Kriterien und Basisdaten zum ökologischen<br />
Bauen, Probleme der Reintegration von Industrieflächen, die Ökobilanz verschiedener<br />
Varianten der Arealnutzung, Renditeberechnungen, Zielfindung und Zielkonflikte in der<br />
Arealentwicklung sowie Raumnutzungsverh<strong>and</strong>lungen vor dem Hintergrund politischer, ökonomischer,<br />
sozialer und ökologischer Interessen.<br />
vdf, 1996, 322 Seiten, Fr. 65.-, ISBN 3 7281 22270<br />
Rol<strong>and</strong> W. Scholz, Theodor Koller, Harald A. Mieg und Corinne Schmidlin (Hrsg.)<br />
Perspektive Grosses Moos<br />
Wege zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft<br />
Wirtschaft und Ökologie bilden im Bereich der L<strong>and</strong>wirtschaft einen scheinbar unüberbrückbaren<br />
Gegensatz. Die Umsetzung der neuen Schweizer Agrarpolitik, mit ihrem Ziel einer<br />
Ökologisierung der L<strong>and</strong>wirtschaft, fordert eine nachhaltige Entwicklung. Dieses Buch zeigt<br />
Strategien auf, wie sich aus dem ökologisch relevanten Wissen - nicht nur der Fachleute,<br />
sondern auch der Bevölkerung - H<strong>and</strong>lungsperspektiven gewinnen lassen. Die Publikation<br />
liefert einen Beitrag zur Fallstudienmethodik in Lehre und Forschung - mit dem Ziel, ein<br />
neues Verhältnis zwischen Theorie und Praxis zu schaffen. Sie richtet sich an Fachleute und<br />
Lehrkräfte aus den Bereichen Ökologie, (Agrar-) Wirtschaft, Raumplanung sowie an Behörden<br />
und die Bevölkerung im Grossen Moos.<br />
vdf, 1995,209 Seiten, Fr. 50.-, ISBN-3 7281 21681<br />
Erhältlich im Buchh<strong>and</strong>el<br />
Hochschulverlag AG, <strong>ETH</strong> Zürich, <strong>ETH</strong> Zentrum, CH-8092 Zürich, Tel. 01-632 42 42, Fax 01-632 12 32,<br />
E-mail: verlag@vdf.ethz.ch, URL: http://vdf.ethz.ch
Rol<strong>and</strong><br />
Scholz, S<strong>and</strong>ro Böseh, 11-4,,:u-'::Jlln<br />
Verantwortungsvoller Umgang mit Boden<br />
Wie lassen sich wirtschaftliche Bodennutzung<br />
und Bodenschutz vereinen? Was bedeutet<br />
ein nachhaltiger, verantwortungsvoller<br />
Umgang mit Boden für eine ländlich<br />
geprägte <strong>Region</strong> in unserer Zeit? Welche<br />
wirtschaftlichen Perspektiven ergeben<br />
sich? Diese Fragen wurden am Beispiel<br />
der <strong>Region</strong> Klettgau aus Sicht der<br />
Umweltnaturwissenschaften umfassend<br />
untersucht und im Dialog mit Klettgauerinnen<br />
und Klettgauern bewertet.<br />
Der Klettgau - eine deutschschweizerische<br />
Grenzregion - liegt auf einem der<br />
bedeutendsten Grundwasserspeicher in<br />
Mitteleuropa, der durch intensive Bodennutzung<br />
durch Siedlung und Wirtschaft gefährdet<br />
wird.<br />
Das Buch präsentiert die Ergebnisse einer<br />
umweltnatur- und umweltsozialwissenschaftlichen<br />
Fallstudie, die ein Verständnis<br />
von nachhaltiger und verantwortungsvoller<br />
Bodennutzung ermöglichen.<br />
Verlag Rüegger, 1998,318 Seiten,<br />
Fr. 57.10 DM 66.90/ ÖS 485.-,<br />
ISBN 3 7253 0593 5<br />
Erhältlich im Buchh<strong>and</strong>el<br />
Verlag Rüegger AG, Postfach 1470, CH-8040 Zürich, Tel. 01-491 21 30,<br />
Fax 01-49311 76, E-mail: rueggerverlag@gr-net.ch, URL: http://www.rueggerverlag.ch<br />
In Deutschl<strong>and</strong> auch bei<br />
rum Pabst <strong>Science</strong> Publishers, Eichengrund 28, 0-49525 Lengerich<br />
~ Tel +49(0) 5484 - 308, Fax +49(0) 5484 - 550, E-mail: pabst.publishers@t-online.de<br />
Internet: http://www.pabst-publishers.com