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<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000<br />

Zukunft Schiene Schweiz 2 –<br />

Ökologisches Potenzial<br />

des Schienengüterverkehrs<br />

am Beispiel der Region<br />

Zugersee<br />

Herausgegeben von:<br />

Harald A. Mieg, Peter Hübner, Michael Stauffacher,<br />

S<strong>and</strong>ro Bösch, Marianne Balmer<br />

<strong>Die</strong> vorliegende Untersuchung wurde finanziell<br />

unterstützt durch die SBB AG und das Nationale<br />

Forschungsprogramm «Verkehr und Umwelt, Wechselwirkungen<br />

Schweiz-Europa»<br />

Patronat: Eidgenössisches Department für Umwelt,<br />

Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), <strong>Die</strong>nst<br />

für Gesamtverkehrsfragen<br />

VERLAG RÜEGGER<br />

in Zusammenarbeit mit<br />

PABST SCIENCE PUBLISHERS


Impressum<br />

Herausgeber<br />

Gesamtredaktion,<br />

Lektorat<br />

Titelseite<br />

Satz und Layout<br />

Harald A. Mieg, Peter Hübner,<br />

Michael Stauffacher,<br />

S<strong>and</strong>ro Bösch, Marianne Balmer<br />

<strong>Die</strong>ter Kaufmann unter Mithilfe<br />

von Simone Schärer<br />

S<strong>and</strong>ro Bösch (Gestaltung und<br />

Fotos)<br />

Pabst <strong>Science</strong> Publishers<br />

Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften (<strong>UNS</strong>)<br />

<strong>ETH</strong> Zürich<br />

<strong>Fallstudie</strong>nbüro<br />

<strong>ETH</strong> Zentrum HAD E4<br />

Haldenbachstr. 44<br />

CH-8092 Zürich<br />

Tel.: 01-632 64 46<br />

Trotz aller Bemühungen war es uns leider nicht möglich,<br />

alle Inhaber von Urheberrechten ausfindig zu machen.<br />

Falls Ansprüche bestehen, werden die Inhaber gebeten,<br />

mit den Herausgebern Kontakt aufzunehmen.<br />

<strong>Die</strong> Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme<br />

Zukunft Schiene Schweiz 2 – Ökologisches Potenzial des<br />

Schienengüterverkehrs am Beispiel der Region Zugersee:<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000 / hrsg. von: Harald A. Mieg ... –<br />

Zürich: Verlag Rüegger AG, 2000<br />

ISBN 3-7253-0699-0<br />

NE: Mieg, Harald A. (Hrsg.)<br />

© 2001<br />

Verlag Rüegger, Zürich in Zusammenarbeit mit<br />

Pabst <strong>Science</strong> Publishers, Lengerich<br />

ISBN 3-7253-0699-0<br />

www.rueggerverlag.ch – info@rueggerverlag.ch


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorworte 5<br />

Executive Summary 13<br />

Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

Auf dem Weg zu einer ökologischen Bewertung<br />

der Verkehrsträger 25<br />

Bahn und Umwelte – <strong>Die</strong> Perspektive der SBB 49<br />

Unterwegs zu einem nachhaltigen<br />

Güterverkehr? – <strong>Die</strong> Perspektive des NFP 41 59<br />

So kam Zug zum Zug –<br />

<strong>Die</strong> Perspektive der Region Zug 73<br />

<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten 89<br />

Naturraum 113<br />

Akteure im regionalen Transportgewerbe 137<br />

Szenarien – Bahn und Umwelt 155<br />

Lärm im Gütertransport – Ökobilanzierungen 181<br />

<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el – <strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n<br />

1994 bis 2000 203<br />

<strong>Fallstudie</strong>ndidaktik – <strong>Die</strong> Steuerung von<br />

gruppendynamischen Prozessen in einem<br />

transdisziplinären Lehrprojekt 217<br />

Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden 229<br />

Transdisziplinaritäts-Laboratorium <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> – Werkstatt für ein neuartiges<br />

Zusammenwirken von Wissenschaft und Praxis 243<br />

Abkürzungsverzeichnis 255<br />

Index 256<br />

Studierende und TutorInnen 259<br />

Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

Auf dem Weg zu einer ökologischen Bewertung<br />

der Verkehrsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

2 Hintergrund: Güterverkehr im Umbruch . . . . . 28<br />

2.1 Umweltbonus versus Bahnmalus . . . . . . . . . 28<br />

2.2 Der ökologische Vorsprung schmilzt . . . . . . . 30<br />

3 <strong>Die</strong> <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>: Analyse, Kommunikation,<br />

Wissensintegration . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

3.1 Struktur der <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000 . . . . . . . . . 31<br />

3.2 Systemabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

4 Perspektiven auf den Fall: SBB AG, NFP 41,<br />

KantonZug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> '00 1


Inhaltsverzeichnis<br />

4.1 SBB – Unternehmen im W<strong>and</strong>el . . . . . . . . . 33<br />

4.2 NFP 41 «Verkehr und Umwelt» – Wissenschaft<br />

und «Zukunftsgüterbahn» . . . . . . . . . . . . . 35<br />

4.3 Region Zug – ein Modellfall? . . . . . . . . . . . 37<br />

4.4 Der <strong>Fallstudie</strong>nbeirat . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />

5 <strong>Die</strong> Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

5.1 Ökoeffizienz – Ökonomie und Ökologie des<br />

Gütertransports . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

5.2 Naturraum – die grundsätzlichen Schwierigkeiten<br />

des Vergleichs von Schiene und Strasse . . 41<br />

5.3 Akteure – Transportieren ist Vertrauenssache . . 42<br />

5.4 Szenarien – Unternehmenserfolg mit oder<br />

ohneÖkologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

5.5 Lärm – Lärmschutz als Aktivposten einer<br />

Ökobilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

6 Résumé und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

Bahn und Umwelt – <strong>Die</strong> Perspektive der SBB . . . . . . 49<br />

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />

2 <strong>Die</strong>Bahnreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />

2.1 Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />

2.2 Eigenschaften der Bahnreform . . . . . . . . . . 52<br />

2.3 Auswirkungen auf die SBB . . . . . . . . . . . . 52<br />

3 Umweltschutz bei der SBB . . . . . . . . . . . . 53<br />

3.1 Umweltstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

3.2 Umweltmanagement bei der SBB AG . . . . . . . 53<br />

3.3 Umweltrelevante Problemfelder . . . . . . . . . 55<br />

3.4 Das BahnUmwelt-Center . . . . . . . . . . . . . 57<br />

3.5 Zusammenarbeit im Umweltnetzwerk . . . . . . 57<br />

4 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />

Unterwegs zu einem nachhaltigen Güterverkehr? –<br />

<strong>Die</strong> Perspektive des NFP 41 . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

1 Was ist das NFP 41? . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />

1.1 NFP als orientierte und orientierende<br />

Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />

1.2 Breite Themenpalette . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />

2 Bausteine eines nachhaltigen Güterverkehrs . . . 65<br />

2.1 Regionale Zusammenarbeit im Güterverkehr . . . 65<br />

2.2 Alpenquerende Güter unter Zugzwang . . . . . . 66<br />

2.2.1 Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />

2.2.2 Nachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />

2.2.3 Politische Einflussgrössen . . . . . . . . . . . . . 66<br />

3 Erste Synthese zum Güterverkehr . . . . . . . . . 67<br />

3.1 Politische Gewichtung . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

3.2 Kombinierter Verkehr: Potenziale und<br />

Hindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

3.3 City-Logistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

3.4 Güterverkehrszentren . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

3.5 Umweltverträglichkeit und Produktivität . . . . . 68<br />

3.6 <strong>Die</strong> Rollen des Staates . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />

4 Stossrichtungen für die künftige Politik . . . . . . 69<br />

5 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71<br />

So kam Zug zum Zug –<br />

<strong>Die</strong> Perspektive der Region Zug . . . . . . . . . . . . . 73<br />

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

2 St<strong>and</strong>ort Zug: Magnet für den <strong>Die</strong>nstleistungssektor<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />

3 Bevölkerungszuwachs: Wie lange noch? . . . . . 77<br />

4 Vom Kuh- zum Erdölh<strong>and</strong>el . . . . . . . . . . . . 78<br />

4.1 Geschichtlicher Abriss . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />

4.2 Von Milch und Kühen . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

4.3 Flachs und Hanf per Bahn . . . . . . . . . . . . . 79<br />

4.4 Tüftler gründet einen Zuger Weltkonzern . . . . 80<br />

4.5 Europapremiere in Zug . . . . . . . . . . . . . . 81<br />

5 Streitsüchtige Eisenbahnbauer . . . . . . . . . . 82<br />

6 Preiskampf im Gütertransport . . . . . . . . . . . 83<br />

7 Stadtbahn gegen Verkehrskollaps . . . . . . . . . 85<br />

8 Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />

<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten . . . . . . . . . . 89<br />

1 Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

2 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

3 Was ist Ökoeffizienz? . . . . . . . . . . . . . . . 92<br />

4 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

4.1 <strong>Die</strong> Ökobilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

4.2 <strong>Die</strong> Datenbank ECOINVENT . . . . . . . . . . . 94<br />

4.3 Eco-Indicator 99 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

4.4 Transportnutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />

4.4.1 <strong>Die</strong> funktionelle Einheit in der Ökobilanzierung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />

4.4.2 Der Index «Gütertransportnutzen» (GTN) als<br />

funktionelle Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

5 Transportketten und ihre Ökobilanz . . . . . . . . 99<br />

5.1 V-Zug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />

5.1.1 Untersuchte Transportketten für die Auslieferung<br />

in den Raum Basel . . . . . . . . . . . . 99<br />

5.1.2 Ökobilanz der untersuchten Transportkette<br />

von V-ZUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />

5.2 Cham Paper Group . . . . . . . . . . . . . . . . 100<br />

5.2.1 Untersuchte Transportketten zur Anlieferung<br />

von Zellstoff aus Antwerpen . . . . . . . . . . . . 100<br />

5.2.2 Ökobilanz der untersuchten Transportkette<br />

der Cham Paper Group . . . . . . . . . . . . . . 101<br />

5.3 Migros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101<br />

5.3.1 <strong>Die</strong> untersuchten Transportketten zur Lieferung<br />

von Dosentomaten Pelati an den MMM Zugerl<strong>and</strong><br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102<br />

5.3.2 Ökobilanz der untersuchten Transportketten<br />

derMigros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102<br />

5.4 Diskussion der Resultate . . . . . . . . . . . . . . 103<br />

6 Der Versuch zur Bestimmung des Gütertransportnutzens<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104<br />

7 Vergleich der Ökoeffizienz der Transportketten . . 106<br />

8 Zukunftsperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . 107<br />

8.1 Kombinierter Güterverkehr . . . . . . . . . . . . 107<br />

8.2 Eisenbahngüterverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 107<br />

8.3 Strassengüterverkehr (erdgasbetriebene<br />

Motoren) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />

8.4 Ein Rechenbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />

9 Schlussfolgerungen und Ausblick . . . . . . . . . 109<br />

9.1 Was wurde erreicht? . . . . . . . . . . . . . . . . 109<br />

9.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110<br />

Naturraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />

1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115<br />

1.1 Untersuchungsgegenst<strong>and</strong> . . . . . . . . . . . . . 115<br />

1.2 Problematischer Vergleich Schiene - Strasse . . . . 115<br />

1.3 Projektarchitektur und angewendete<br />

Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />

2 Streckenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117<br />

3 Kleinraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />

3.1 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />

3.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120<br />

4 Grossraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122<br />

4.1 Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122<br />

4.2 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123<br />

4.3 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124<br />

5 L<strong>and</strong>schaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />

5.1 L<strong>and</strong>schaftstypen der Strecke Rotkreuz -<br />

Arth-Goldau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />

5.2 St<strong>and</strong>ortsauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126<br />

2 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> '00


Inhaltsverzeichnis<br />

5.3 Methode der L<strong>and</strong>schaftsbewertung . . . . . . . 127<br />

5.4 Resultate der L<strong>and</strong>schaftsbewertung . . . . . . . 127<br />

5.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

6 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130<br />

6.1 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . 130<br />

6.2 Schwierigkeiten einer Gesamtbewertung . . . . . 130<br />

6.3 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

7 Zukunft Böschung . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />

7.1 <strong>Die</strong> heutige Böschungspflege . . . . . . . . . . . 132<br />

7.2 Alternative Möglichkeiten der Böschungspflege<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />

7.3 Umsetzung der Massnahmen . . . . . . . . . . . 134<br />

Akteure im regionalen Transportgewerbe . . . . . . . 137<br />

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139<br />

2 Ökobilanz von Transportketten . . . . . . . . . . 140<br />

2.1 Der ökologische Vergleich von Strasse und<br />

Schiene im Güterverkehr . . . . . . . . . . . . . 141<br />

2.2 LSVA und Entwicklung der Verkehrsleistung<br />

auf Schiene und Strasse . . . . . . . . . . . . . . 143<br />

2.3 Résumé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />

3 Akteursgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />

3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />

3.2 Akteursnetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />

3.3 Interessen und Positionen der Akteure . . . . . . 145<br />

3.3.1 SBB Cargo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145<br />

3.3.2 Strassen-Transportunternehmer . . . . . . . . . . 146<br />

3.3.3 Verlader . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146<br />

3.3.4 Öffentliche H<strong>and</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . 146<br />

3.4 Zusammenfassung der Akteurspositionen . . . . 147<br />

4 Das Güterforum Region Zug . . . . . . . . . . . 148<br />

4.1 Das Forum als Methode . . . . . . . . . . . . . . 148<br />

4.2 Ziel des «Güterforums Region Zug» . . . . . . . . 148<br />

4.3 Erarbeitete Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . 149<br />

5 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151<br />

5.1 H<strong>and</strong>lungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . 151<br />

5.2 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152<br />

Szenarien – Bahn und Umwelt . . . . . . . . . . . . . 155<br />

1 Wirtschaftlichkeit und ökologische Leistung:<br />

Widerspruch oder Synergie? . . . . . . . . . . . 157<br />

2 Formative Szenarioanalyse Schritt für Schritt . . . 158<br />

2.1 Szenarioanalyse: Eine Methode der<br />

strategischen Planung . . . . . . . . . . . . . . . 158<br />

2.2 Systemverständnis und Dekomposition:<br />

<strong>Die</strong> Auswahl der Einflussfaktoren . . . . . . . . . 159<br />

2.3 Untersuchung der Einflüsse zwischen den<br />

Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159<br />

2.4 Variation: «Hier wird die Zukunft gemacht...» . . . 160<br />

2.5 Konsistenzanalyse: «...auf innere Widersprüche<br />

überprüft...» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160<br />

2.6 Szenarienauswahl: «...und in Szenarien<br />

gegossen.» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164<br />

3 Vier Szenarien in Wort und Bild . . . . . . . . . . 166<br />

3.1 Trend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166<br />

3.2 Erfolg dank Ökologie . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />

3.3 Gewinnmaximierung . . . . . . . . . . . . . . . 168<br />

3.4 Misere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168<br />

3.5 Gegenüberstellung der Szenarien . . . . . . . . . 169<br />

4 Schmilzt der ökologische Vorsprung der<br />

Schiene? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170<br />

4.1 Vorgehen bei der ökologischen Bewertung . . . . 170<br />

4.2 Resultate der ökologischen Bewertung:<br />

Umweltauswirkungen in den Szenarien . . . . . 171<br />

4.3 Einschränkungen bei Durchführung und<br />

Interpretation der ökologischen Bewertung . . . 176<br />

5 <strong>Die</strong> Szenarien in ihrem Kontext . . . . . . . . . . 176<br />

5.1 <strong>Die</strong> strategischen Ziele der SBB . . . . . . . . . . 176<br />

5.2 Szenarien aus dem NFP 41 «Verkehr und<br />

Umwelt» und dem UIC Railplan . . . . . . . . . . 176<br />

6 Was konnten wir aus Szenarien und Bewertung<br />

lernen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177<br />

7 Undwieweiter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178<br />

7.1 Fazit für die SBB AG . . . . . . . . . . . . . . . . 178<br />

7.2 <strong>Die</strong> Szenarien werden Realität: Ein Blick in die<br />

Tagespresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178<br />

Lärm im Gütertransport – Ökobilanzierungen . . . . . 181<br />

1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

1.1 Gegenst<strong>and</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

1.2 Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

2 Einbezug von Strassenlärm in den Eco-<br />

Indicator 99 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184<br />

2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184<br />

2.2 Ausbreitungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . 184<br />

2.3 Expositionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 185<br />

2.4 Abschätzung von Dosis-Wirkungs-<br />

Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186<br />

2.5 Schadenabschätzung . . . . . . . . . . . . . . . 187<br />

2.6 Berechnung des Lärmschadens . . . . . . . . . . 188<br />

3 Modell für die Auswirkungen des<br />

Schienenlärms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189<br />

3.1 Ausbreitungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . 189<br />

3.1.1 Emissionskataster der SBB . . . . . . . . . . . . . 189<br />

3.1.2 Berechnung der Zunahme des Lärmpegels<br />

durch den Verkehr zusätzlicher Züge auf<br />

einem Streckenabschnitt . . . . . . . . . . . . . . 189<br />

3.1.3 Kategorisierung des SBB-Streckennetzes . . . . . 190<br />

3.1.4 Berechnung des ∆Leq für jede Kategorie . . . . . 191<br />

3.1.5 Diskussion der Resultate . . . . . . . . . . . . . . 191<br />

3.1.6 Diskussion des Vorgehens . . . . . . . . . . . . . 191<br />

3.2 Expositionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 192<br />

3.3 Abschätzung von Dosis-Wirkungs-<br />

Beziehungen und des Schadens . . . . . . . . . . 192<br />

3.4 Berechnung des Lärmschadens . . . . . . . . . . 193<br />

3.5 Umrechnung von Fahrzeug- in Tonnenkilometer<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193<br />

3.5.1 Strasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193<br />

3.5.2 Eisenbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193<br />

4 Vergleich der Bewertung von Strassen- und<br />

Schienenlärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194<br />

4.1 Resultatevergleich - ein Beispiel . . . . . . . . . . 194<br />

4.2 Modellvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194<br />

4.3 Anpassung der Methode von Müller-Wenk . . . . 196<br />

5 Lärmbilanz konkreter Transportketten . . . . . . . 197<br />

5.1 Ausgewählte Transportketten und ihre<br />

Lärmbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197<br />

5.1.1 V-Zug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197<br />

5.1.2 Cham Paper Group . . . . . . . . . . . . . . . . 198<br />

5.1.3 Migros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198<br />

5.1.4 Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198<br />

5.1.5 Fehlerabschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 200<br />

5.2 Lärmbilanz pro Tonnenkilometer . . . . . . . . . 200<br />

6 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200<br />

6.1 Diskussion der Methoden . . . . . . . . . . . . . 200<br />

6.1.1 Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200<br />

6.1.2 Übertragbarkeit der Schweizer Verhältnisse<br />

aufEuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200<br />

6.1.3 Zeitliche Bezugsbasis . . . . . . . . . . . . . . . 200<br />

6.1.4 Betroffene Personen . . . . . . . . . . . . . . . . 201<br />

6.2 Wichtige Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . 201<br />

6.3 Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> '00 3


Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el – <strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n<br />

1994 bis 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203<br />

1 Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205<br />

1.1 Der Studiengang Umweltnaturwissenschaften . . 205<br />

1.2 <strong>Die</strong> umweltnaturwissenschaftliche <strong>Fallstudie</strong> . . . 205<br />

2 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206<br />

3 <strong>Fallstudie</strong>nbüro . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208<br />

3.1 Allgemeine Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . 208<br />

3.2 Zusammenarbeit mit der <strong>Fallstudie</strong>nkommission<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209<br />

3.3 Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210<br />

4 Projektorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . 210<br />

4.1 Modularisierung und Synthese . . . . . . . . . . 210<br />

4.2 Zeitplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212<br />

5 Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212<br />

6 Zukunft der <strong>Fallstudie</strong> . . . . . . . . . . . . . . . 215<br />

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255<br />

Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256<br />

Studierende der einzelnen Synthesegruppen . . . . . . . 259<br />

TutorInnen der einzelnen Synthesegruppen . . . . . . . 260<br />

<strong>Fallstudie</strong>ndidaktik – <strong>Die</strong> Steuerung von gruppendynamischen<br />

Prozessen in einem transdisziplinären<br />

Lehrprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217<br />

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219<br />

2 Studierende: selbstverantwortliches Lernen<br />

und spezifische Aufgaben . . . . . . . . . . . . . 220<br />

3 Tutorierende: Lehrpersonen als Coach . . . . . . 221<br />

4 <strong>Die</strong> Steuerung von Gruppenprozessen als<br />

zentrale Schwierigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 222<br />

5 Werkzeuge zur Steuerung des Gruppenprozesses<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224<br />

6 Mögliche Weiterentwicklungen: Verstehen<br />

von Gruppenprozessen als Lernziel . . . . . . . . 226<br />

Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden . . . . . . . . . 229<br />

1 Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231<br />

2 Charakteristika: Synthese und Wissensintegration<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232<br />

3 Vom Lehre-Forschungs-Anwendungs-Paradigma<br />

zur Wissensintegration . . . . . . . . . . . . . . 234<br />

4 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />

4.1 Methodenüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />

4.2 Methoden zur Fallrepräsentation und<br />

Modellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238<br />

4.3 Methoden zur Fallbewertung und Evaluation . . . 239<br />

4.4 Methoden zur Fallentwicklung und Fallveränderung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240<br />

4.5 Methoden zur Unterstützung der <strong>Fallstudie</strong>n-<br />

Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240<br />

5 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241<br />

Transdisziplinaritäts-Laboratorium <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> – Werkstatt für ein neuartiges Zusammenwirken<br />

von Wissenschaft und Praxis . . . . . . . . . . 243<br />

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243<br />

2 Geschichte und Theorie des TDL . . . . . . . . . 245<br />

2.1 Hintergrund und Grundsätze . . . . . . . . . . . 245<br />

2.2 Transdisziplinarität: ein Bedürfnis der Praxis . . . 246<br />

2.3 Prinzipien des Wissenschaft-Praxis-Dialogs . . . . 247<br />

3 Praxis des TDL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248<br />

3.1 Schnittstellen: «boundary objects» als<br />

Vermittlungsinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . 248<br />

3.2 Kommunikation: eine Reihe von Zwischenprodukten<br />

als Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . 249<br />

3.3 Qualitätskontrolle: verschiedene sich<br />

gegenseitig ergänzende Elemente . . . . . . . . 251<br />

4 Folgerungen: Institutionalisierung transdisziplinärer<br />

Schnittstellen . . . . . . . . . . . . . 252<br />

4 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> '00


Vorwort<br />

Lebendige Netzwerke<br />

Harald A. Mieg<br />

Professor für Mensch-Umwelt-<br />

Beziehungen<br />

Leiter der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

2000<br />

Fachgrenzen hinweg austauschen, langfristig Kontakte pflegen...<br />

Unser Dank gilt der SBB AG für die enge Zusammenarbeit<br />

und dem Kanton Zug sowie dem NFP 41 «Verkehr und<br />

Umwelt» für die wertvolle Unterstützung. Mein persönlicher<br />

Dank gilt auch den Studentinnen und Studenten, welche<br />

mit viel Engagement zum Erfolg der <strong>Fallstudie</strong> beigetragen<br />

haben, sowie all den Tutorierenden, welche die <strong>Fallstudie</strong>narbeit<br />

fachlich und aufmunternd unterstützten.<br />

Der Schweizer Verkehr endet nicht an den Grenzen, sondern<br />

wird wesentlich von dem Geschehen in der EU bestimmt.<br />

So würde es uns freuen, wenn der Forschungs- und<br />

Gedankenaustausch, der unsere <strong>Fallstudie</strong> geprägt hat, über<br />

den Kanton Zug und die Schweiz hinaus getragen wird.<br />

«No man is an isl<strong>and</strong>», heisst es bei John Donne. Ob in der<br />

Wissenschaft, in der Industrie oder im Bereich öffentlicher<br />

Verwaltung: Erfolgreiches Vorgehen ist selten im Alleingang<br />

möglich. Notwendig sind Kooperations-Netzwerke<br />

zwischen Akteuren und Forschung. <strong>Die</strong>s gilt auch für Fragen<br />

des Verkehrs und im besonderen für unsere <strong>Fallstudie</strong><br />

zum ökologischen Potenzial des Schienengüterverkehrs.<br />

Umweltbelastungen durch den individuellen Personenverkehr<br />

sind seit Jahren Gegenst<strong>and</strong> heftiger gesellschaftlicher<br />

Diskussionen. Der Güterverkehr hingegen bleibt unserem<br />

Alltagsproblembewusstsein entzogen. Gerade im Güterverkehr<br />

hat die Bahn gegenüber der Strasse an Anteilen<br />

verloren. <strong>Die</strong> Politik – in der Schweiz wie im übrigen<br />

Europa – hat hierauf reagiert und ist bemüht, mittels Bahnreformen<br />

die Produktivität der Bahnen anzuschieben. Aufgrund<br />

von Produktivitäts-Sprüngen beim Strassentransport<br />

verringern sich derzeit die Emissionen von dieser Seite; die<br />

Bahn ist nah daran, ihren Vorsprung als umweltfreundliches<br />

Transportmittel gegenüber der Strasse zu verlieren.<br />

Güterverkehr geht notwendig mit dem Verbrauch von<br />

Ressourcen einher: L<strong>and</strong> wird versiegelt; Energie wird verzehrt.<br />

Wir können den Güterverkehr jedoch nicht einfach<br />

«herunterfahren» oder einstellen. Es gilt vielmehr, die Ressourcen<br />

effizient einzusetzen. Wir müssen den Nutzen von<br />

Transport und die transportbedingten Umweltauswirkungen<br />

gegenein<strong>and</strong>er abwägen. Auf wissenschaftlicher Seite erfordert<br />

dies den Beitrag von so unterschiedlichen Disziplinen<br />

wie Ökonomie und Umweltwissenschaften. Auf welche<br />

Weise der Güterverkehr tatsächlich gestaltet wird, darüber<br />

entscheidet im konkreten Fall nicht die Wissenschaft, sondern<br />

das Zusammenspiel von Kunden, Transporteuren und<br />

regulierenden Stellen. <strong>Die</strong>s zeigt unsere <strong>Fallstudie</strong>.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> ist ein Lehrprojekt, das ein Stück Forschungs-<br />

und Entwicklungsarbeit leistet: sei es zur Frage der<br />

Ökoeffizienz oder bei der Ausrichtung einer Kommunikationsplattform<br />

für die regionalen Akteure im Transportgewerbe.<br />

In der <strong>Fallstudie</strong> in der Region Zugersee arbeiteten 52<br />

Studierende zusammen mit 8 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen<br />

der SBB AG sowie 14 Mitarbeitern aus Forschung,<br />

Privatwirtschaft und Verwaltung. Unsere <strong>Fallstudie</strong> wollte<br />

Prozesse anstossen, Gestaltungsideen liefern, Methoden testen<br />

und vor allem: Netzwerke beleben oder neu knüpfen.<br />

<strong>Die</strong>s heisst: Leute an einen Tisch bringen, Wissen über<br />

Ein kritisches Hinterfragen der<br />

Umweltpositionierung der SBB<br />

Peter Hübner<br />

Delegierter Umwelt der SBB<br />

<strong>Die</strong> Mitarbeit der SBB AG in der <strong>Fallstudie</strong> «Zukunft Schiene<br />

Schweiz» st<strong>and</strong> von Anfang an vor dem Hintergrund<br />

ihrer Umweltstrategie: <strong>Die</strong> SBB AG will sich nachhaltig<br />

entwickeln und hat sich in ihrer Umweltstrategie die dazu<br />

notwendigen strategischen Leitsätze gegeben. <strong>Die</strong> umweltrelevante<br />

Positionierung der SBB in den Gebieten Lärm,<br />

Erschütterungen, Energie, Altlasten, Gewässerschutz, Natur-<br />

und Heimatschutz sind bekannt, Aktionsprogramme zur<br />

Verbesserung der Positionierung sind in die Wege geleitet.<br />

<strong>Die</strong> erreichten Ziele hat das fürs Umweltmanagement der<br />

SBB zuständige BahnUmwelt-Center im Umweltbericht der<br />

SBB AG dokumentiert. Für die künftig noch auszubauende<br />

Umweltberichterstattung fehlen den SBB, aber auch <strong>and</strong>eren<br />

europäischen Bahnen, noch Instrumente zum wissenschaftlichen<br />

Erfassen der Ökoeffizienz.<br />

Während die erste Phase (1999) der <strong>Fallstudie</strong> «Zukunft<br />

Schiene Schweiz» mehr generellen Fragen gewidmet war,<br />

richtete sich der Fokus der zweiten Phase (2000) nun einerseits<br />

auf konkrete Untersuchungen: Wie ist der Grünraum<br />

der Bahn zu werten im Vergleich zur Strasse? Welches sind<br />

die Chancen im Güterverkehr, wenn und falls unsere Kunden<br />

bei der Wahl der Transportart die ökologischen Vorteile<br />

der Bahn berücksichtigen? Wie sind für die Ökoeffizenz die<br />

ökologischen Rechnungseinheiten, z.B. für den Lärm, zu<br />

konkretisieren? Um das Arbeitsfeld begreifbarer zu ma-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 5


Vorwort<br />

chen, konzentrierten sich die Untersuchungen auf den Raum<br />

Zug. Anderseits sollte wieder ein Bogen zu den generellen<br />

Fragen geschlagen werden: Welche Szenarien können sich<br />

für künftige Entwicklungen darbieten? Und: Wie sind die<br />

Resultate der beiden <strong>Fallstudie</strong>nphasen zusammenzufügen?<br />

Wie in der ersten Phase der <strong>Fallstudie</strong> erwartete die SBB<br />

AG ein kritisches Hinterfragen ihrer eigenen Einschätzungen<br />

der Umweltpositionierung sowie eine Vertiefung und<br />

Konkretisierung der Frage der Ökoeffizienz. Weiterhin<br />

wichtig war uns die externe Sicht und Kritik durch junge und<br />

engagierte künftige Fachkollegen. <strong>Die</strong> zweite Phase war<br />

auch einer externen Beurteilung unseres Umgangs mit Kunden<br />

und den daraus abzuleitenden Chancen gewidmet. <strong>Die</strong><br />

Resultate haben uns wieder gezeigt, dass von den engagierten<br />

Studenten eine Vielzahl von positiven Anregungen gekommen<br />

ist, die bei den SBB aufgenommen werden. <strong>Die</strong><br />

Ökoeffizienzfragen konnten einerseits vertieft werden, <strong>and</strong>erseits<br />

zeigt sich – wie zu erwarten war – weiterer Forschungs-<br />

und Entwicklungsbedarf.<br />

<strong>Die</strong> ganze <strong>Fallstudie</strong> zeigt für die SBB AG neben den als<br />

Produkten vorliegenden beiden <strong>Fallstudie</strong>nbänden mit ihren<br />

beeindruckenden und vielen direkt messbaren Resultaten<br />

auch einen gleichwertigen Erfolg für eine aktive Umweltkommunikationsmöglichkeit<br />

der SBB. Wir schätzten die<br />

Gelegenheit, künftigen WissenschaftlerInnen, Führungskräften<br />

und vielleicht auch künftigen KollegInnen intensiv<br />

die Chancen, Grenzen und Risiken der umweltfreundlichen<br />

Bahn im Transportmarkt aufzuzeigen. Sie konnten sich mit<br />

den praktischen Schwierigkeiten des Umweltschutzes im<br />

Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie ausein<strong>and</strong>ersetzen.<br />

<strong>Die</strong> SBB AG hofft, dabei auch künftige gewichtige<br />

Promotoren des Transportmittels Bahn oder sogar<br />

den einen oder <strong>and</strong>ern künftigen Mitarbeitenden gewonnen<br />

zu haben.<br />

Vorgeschmack auf die Realität im<br />

beruflichen Alltag<br />

Martin Bütikofer<br />

Leiter Amt für öffentlichen<br />

Verkehr des Kantons Zug<br />

<strong>Die</strong> vorliegende <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> «Zukunft Schiene<br />

Schweiz 2» ist ein gemeinsames Projekt zwischen der SBB<br />

AG und dem Bereich Umweltnaturwissenschaften der <strong>ETH</strong><br />

Zürich. Nachdem die <strong>Fallstudie</strong> 1999 «Zukunft Schiene<br />

Schweiz 1» hauptsächlich versuchte, ökologisch verträgliche<br />

Wege aufzuzeigen, befasst sich die <strong>Fallstudie</strong> 2000 mit<br />

dem konkreten Problem der ökologischen Bewertung des<br />

Bahngüterverkehrs an Fallbeispielen aus der Region Zug.<br />

Neue Methoden wurden geprüft und es konnten wertvolle<br />

Ergebnisse erzielt werden. Nun wird es Aufgabe der beteiligten<br />

Partner sein, die daraus gewonnenen Erkenntnisse<br />

situationsbezogen zur Stärkung der Abwicklung des Güterverkehrs<br />

auf der Schiene umzusetzen.<br />

Als Beirat der <strong>Fallstudie</strong> 2000 und als Leiter des Amts für<br />

öffentlichen Verkehr im Kanton Zug kam ich verschiedene<br />

Male in direkten Kontakt mit Studierenden, sei es im Rahmen<br />

kleiner Arbeitsgruppen oder bei grösseren Veranstaltungen.<br />

<strong>Die</strong> Freude und das Engagement der Studierenden<br />

haben mich darin bestätigt, dass der Ansatz einer grossen<br />

<strong>Fallstudie</strong>, wie sie das Departement Umweltnaturwissenschaften<br />

seit 1992 durchführt, einen wertvollen Beitrag<br />

leisten kann, um den Studierenden bereits während des<br />

Studiums einen Vorgeschmack auf die Realität im beruflichen<br />

Alltag zu geben. Nebst der Wissensvermittlung bot<br />

diese <strong>Fallstudie</strong> den Studierenden auch die Möglichkeit,<br />

sich in den Bereichen Projektorganisation, Schnittstellenmanagement<br />

und Kommunikation weiterzubilden und sich<br />

selbst anh<strong>and</strong> praktischer Möglichkeiten zu erfahren.<br />

Ich danke den Verantwortlichen, dass der Kanton Zug Teil<br />

dieser <strong>Fallstudie</strong> sein durfte. <strong>Die</strong>ser Prozess war für uns eine<br />

spannende, neuartige und äusserst wertvolle Erfahrung.<br />

6 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Vorwort<br />

Brücken von der Forschung zur<br />

Praxis schlagen<br />

Erfahrungen mit neuen<br />

Arbeitsweisen<br />

Felix Walter<br />

Leiter des Nationalen<br />

Forschungsprogramms<br />

«Verkehr und Umwelt»<br />

(NFP 41)<br />

<strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> und das Nationale Forschungsprogramm<br />

«Verkehr und Umwelt» (NFP 41) haben eines<br />

gemeinsam: Sie versuchen, Brücken von der Forschung zur<br />

Praxis zu schlagen. Wer diese exponierte Brücke begehen<br />

will, setzt sich den Vorwürfen von zwei Seiten aus: Aus dem<br />

Elfenbeinturm hört man, praxisnahe <strong>Fallstudie</strong>n oder als<br />

politische Entscheidungsgrundlagen konzipierte Berichte<br />

seien keine «echte» Forschung. Umgekehrt sind die Vorurteile<br />

der PraktikerInnen nicht leicht auszurotten, auch angew<strong>and</strong>te<br />

Forschung sei in jedem Fall noch etwas Abgehobenes,<br />

Unbrauchbares.<br />

Ganz <strong>and</strong>ers sehen es die meisten, die an einer praxisgerechten<br />

Ausbildung von Nachwuchskräften und/oder an<br />

besseren, seriösen Entscheidungsgrundlagen für eine nachhaltige<br />

Politik interessiert sind: Für sie ist klar, dass diese<br />

Brücke begangen, die angew<strong>and</strong>te Forschung gewagt werden<br />

muss, sei es nun mit der orientierten Forschung in einem<br />

NFP oder mit praxisnahen (vornehmer: transdisziplinären)<br />

<strong>Fallstudie</strong>n in der Ausbildung. Damit wird die Grundlagenforschung<br />

in keiner Weise herabgemindert, im Gegenteil:<br />

sie erhält ein Aushängeschild und kann ihren Nutzen demonstrieren,<br />

was in der Zeit von knappen Kassen unerlässlich<br />

ist.<br />

Damit der Brückenbau erfolgreich ist, braucht es ein<br />

ausserordentliches Engagement der Initianten, in diesem<br />

Fall des Lehrkörpers der <strong>Fallstudie</strong>, und genau so habe ich<br />

das Leitungsteam der <strong>Fallstudie</strong>n erlebt: offen für die Partnerschaft,<br />

zum Beispiel mit dem NFP 41, vor allem aber<br />

bereit, Ausserordentliches zu leisten, und zwar sowohl im<br />

Umgang mit aktuellen wissenschaftlichen Impulsen (zum<br />

Beispiel aus dem NFP 41), wie auch im Umgang mit Vertreterinnen<br />

und Vertretern der Praxis.<br />

<strong>Die</strong> vorliegende Publikation ist ein weiterer eindrücklicher<br />

Beleg dafür, was aus dieser Art von Ausbildung und<br />

Forschung entstehen kann. Ich hoffe, sie trage auch dazu bei,<br />

das Plädoyer für gute orientierte Forschung ebenso wie für<br />

praxisgerechte Ausbildung weiter herum hörbar zu machen.<br />

Für die gute Zusammenarbeit und die Gelegenheit zu einem<br />

Beitrag an dieses Werk danke ich allen Beteiligten bestens.<br />

Martin Weymann &<br />

Martina Rivola<br />

Studierende der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> 2000<br />

Mit dem «Güterverkehr der SBB AG in der Region Zugersee»<br />

war der Fall gut gewählt worden: Ein grosses Unternehmen<br />

im Umbruch, mit dem wir täglich in Kontakt kommen.<br />

Der Fall forderte von uns Studierenden eine Ausein<strong>and</strong>ersetzung<br />

mit der vielgesichtigen Problematik der «realen<br />

Welt»; Ausein<strong>and</strong>ersetzung mit der Umwelt des Grossunternehmens<br />

SBB und Begegnung mit den Menschen, die diese<br />

Umwelt mit ihrer Arbeit prägen. Durch die Vertreter der<br />

SBB AG und <strong>and</strong>ere Fachpersonen wurden wir mit ihrem<br />

Berufsalltag, ihren Meinungen und Ideen konfrontiert. <strong>Die</strong>se<br />

Zusammenarbeit war sehr fruchtbar.<br />

Während vier Monaten diskutierten wir mit ihnen Fragen<br />

wie die folgenden: Welche ökologischen Probleme sind<br />

kurzfristig und längerfristig bei der SBB AG zu lösen? Wie<br />

wird die Ökoeffizienz des Transportnutzens berechnet? Wie<br />

sieht eine ökologische Gestaltung der Bahnareale aus (Böschungspflege,<br />

Einbettung in die L<strong>and</strong>schaft, Passierbarkeit<br />

für Tiere etc.)? Welches sind die grössten Konflikte zwischen<br />

den Transportunternehmen, Städteplanern und der<br />

SBB AG in der Region Zug? Wie könnte die SBB AG im<br />

Jahre 2015 aussehen und welche Strategie müsste sie verfolgen,<br />

um zum einen oder <strong>and</strong>eren Szenario zu gelangen?<br />

Interessant an der <strong>Fallstudie</strong> waren die neuen Arbeitsweisen:<br />

Wir planten und leiteten Sitzungen, präsentierten Ergebnisse,<br />

erarbeiteten neue Konzepte, interviewten, steuerten<br />

Gruppenprozesse und organisierten ein Diskussionsforum.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> gab uns die Möglichkeit, zahlreiche<br />

praktische Fertigkeiten zu üben, die wir im späteren Berufsleben<br />

beherrschen müssen. Im Rahmen dieser <strong>Fallstudie</strong><br />

sammelten wir Erfahrungen, wie ein grosses Projekt geplant,<br />

organisiert und gemanagt wird.<br />

Wir sehen aber auch Entwicklungspotenzial: Fachwissen<br />

konnten wir nur wenig anwenden oder neu gewinnen. <strong>Die</strong><br />

für den Arbeitsprozess aufgewendete Zeit war gross. Wir<br />

denken, dass die <strong>Fallstudie</strong> eine wichtige Komponente unserer<br />

Ausbildung ist – diese aber weiterentwickelt werden<br />

muss, damit die Studierenden neben dem Erlernen von<br />

Führungsqualitäten und neuen Methoden auch ihr Fachwissen<br />

gezielter einsetzen können.<br />

Für uns Studierende bleibt die Frage: Wird die diesjährige<br />

<strong>Fallstudie</strong> im Gütertransport etwas bewirken, oder bleibt sie<br />

ein interessanter Ansatz? In diesem <strong>Fallstudie</strong>nb<strong>and</strong> präsentieren<br />

wir Ihnen unsere <strong>Fallstudie</strong>narbeit betreffend Ökobi-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 7


Vorwort<br />

lanzierung, ökologischer Gestaltung von Bahnarealen,<br />

Szenarioanalyse und Diskussionsforen zwischen den Transportnutzern<br />

und -anbietern. Wir wünschen uns, dass Sie von<br />

den Ansätzen profitieren, angeregt werden und diese<br />

weiterentwickeln.<br />

Challenges in Teaching<br />

Environmental <strong>Science</strong>s<br />

ongoing research within the Department into how knowledge<br />

from a wide range of perspectives can be integrated to<br />

address complex problems <strong>and</strong> improve future choices.<br />

These issues of transdisciplinary methodology are dealt with<br />

in detail in some of the later chapters. Finally, of course, this<br />

book is also a serious attempt to analyse questions of the<br />

sustainability <strong>and</strong> ecological impact of rail transport in<br />

Switzerl<strong>and</strong>. The study analyses many of the important<br />

environmental issues faced by the rail industry, <strong>and</strong> provides<br />

suggestions for how these problems may be tackled. Despite<br />

its origins as a teaching activity, we believe that the study<br />

makes a valuable contribution to the search for sustainable<br />

transport systems.<br />

Peter Edwards<br />

Chairman, Department of<br />

Environmental <strong>Science</strong>s (Umweltnaturwissenschaften),<br />

<strong>ETH</strong><br />

A university education in environmental sciences is<br />

challenging, not only for the students but also for their<br />

teachers. Underst<strong>and</strong>ing how the natural environment works<br />

requires a sound background not only in the traditional<br />

scientific disciplines of physics, chemistry <strong>and</strong> biology, but<br />

also in the social sciences, including economics <strong>and</strong> law.<br />

However, the biggest challenge lies, not so much in the<br />

breadth of subject matter, but in learning how to use this<br />

knowledge to tackle complex interdisciplinary problems. To<br />

achieve this objective calls for new forms of teaching <strong>and</strong><br />

learning. In the Department of Environmental <strong>Science</strong>s at<br />

<strong>ETH</strong>, activities directed towards synthesising <strong>and</strong> using<br />

knowledge play an important part in our teaching. A core<br />

element in the undergraduate course are case studies (<strong>Fallstudie</strong>n),<br />

in which students are confronted with complex<br />

«real world» environmental problems whose solution requires<br />

an inter- or trans-disciplinary approach.<br />

The book you have before describes the case study for<br />

environmental science students at <strong>ETH</strong> in the year 2000. As<br />

a document it can be viewed at several different levels.<br />

Firstly, it is the product of a teaching activity. Most of the<br />

work was carried out by students in their eighth semester,<br />

supported by their tutors <strong>and</strong> advisors. The case study was<br />

designed to give students experience in a major transdisciplinary<br />

project, involving phases of conceptual development,<br />

collection <strong>and</strong> analysis of data, <strong>and</strong> presentation of<br />

findings in both an oral <strong>and</strong> written form. Secondly, the case<br />

study represents a collaboration between the Department of<br />

Environmental <strong>Science</strong>s at <strong>ETH</strong> <strong>and</strong> outside organizations,<br />

in particular the SBB <strong>and</strong> the administrative authorities of<br />

the canton of Zug. It is my pleasure to thank these organizations<br />

for their valuable contribution. The time <strong>and</strong> care<br />

devoted by our collaborators was an enormous stimulus for<br />

the students, <strong>and</strong> contributed greatly to the quality of the<br />

final product. Thirdly, the case study also forms part of<br />

8 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Dank<br />

Dank<br />

<strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> lebt vom grossen Einsatz der<br />

Studierenden und der beteiligten Tutorierenden aus Hochschule,<br />

Ämtern und privaten Unternehmen. Um ein solch<br />

angew<strong>and</strong>tes Lehr-Grossprojekt aber überhaupt durchführen<br />

zu können, sind wir auf die Unterstützung und das<br />

Engagement vieler weiterer Personen aus der SBB AG, von<br />

Privatbahnen, Betrieben, Ämtern und Privaten angewiesen.<br />

Allen Personen, die im Rahmen der <strong>Fallstudie</strong> 2000 Vorträge<br />

gehalten, mit Studierenden diskutiert und sie in Fachfragen<br />

beraten haben, allen, die uns Dokumentationsmaterial<br />

und Daten zur Verfügung gestellt oder sich Zeit für<br />

Interviews oder Befragungen genommen haben, sowie den<br />

Reviewern des B<strong>and</strong>es möchten wir an dieser Stelle ganz<br />

herzlich danken.<br />

<strong>Die</strong> untenstehende Liste ist sicher unvollständig – so viele<br />

Kontakte hat es während der vierzehn intensiven Wochen<br />

der <strong>Fallstudie</strong> gegeben, dass es kaum möglich ist, alle zu<br />

erfassen. Bei all denjenigen Helferinnen und Helfern, die<br />

auf den folgenden Seiten nicht erwähnt sind, möchten wir<br />

uns hier entschuldigen: Auch ihr Beitrag hat zum erfolgreichen<br />

Abschluss des Projektes entscheidend beigetragen.<br />

Cyrus Abivardi<br />

Geobotanik <strong>ETH</strong>, Zürich<br />

Claudia Arnold<br />

SBB AG, Luzern<br />

Michael Bächler<br />

Bertschi AG, Dürrenäsch<br />

Ruedi Bär<br />

Planzer Transport AG, <strong>Die</strong>tikon<br />

Peter Balmer<br />

SBB AG, Luzern<br />

Hansueli Baumgartner<br />

SBB AG, Rangierbahnhof Limmattal, Spreitenbach<br />

Ernst Berger<br />

BUWAL, Bern<br />

Marc Birchmeier<br />

SBB Cargo Logistik, Zürich<br />

Bruno Birnbaumer<br />

Bundesamt für Strasse ASTRA, Bern<br />

Franziska Borer<br />

<strong>Die</strong>nst für Gesamtverkehrsfragen, Bern<br />

Heinrich Brändli<br />

Verkehrsplanung IVT <strong>ETH</strong>, Zürich<br />

Peter Braun<br />

Migros Genossenschaftsbund, Zürich<br />

Martin Bütikofer<br />

Amt für öffentlichen Verkehr, Zug<br />

Urs Dahinden<br />

Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung<br />

Universität Zürich, Zürich<br />

Peter Dudler<br />

SBB AG, Luzern<br />

Stephan Durrer<br />

Natura Basell<strong>and</strong>, Liestal<br />

Peter Edwards<br />

Geobotanik <strong>ETH</strong>, Zürich<br />

Walter Ellenberger<br />

SBB Cargo, Bern<br />

Markus Epper<br />

SBB Wagenreinigungsdienst, Zürich<br />

Hansruedi Erismann<br />

SBB Cargo, Zürich<br />

Barbara Flückiger<br />

Nationales Forschungsprogramm, Bern<br />

Christoph Frei<br />

SBB Cargo Marketing, Bern<br />

Jean Marc Frei<br />

Natur und L<strong>and</strong>schaft, Bern<br />

Ueli Frey<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftsamt Kanton ZG, Zug<br />

Peter Füglistaler<br />

SBB AG Generalsekretariat, Bern<br />

Fern<strong>and</strong>e Gächter<br />

SBB AG BahnUmwelt-Center, Bern<br />

Thaddeus Galliker<br />

Pro Natura Schwyz, Arth-Goldau<br />

Peter Galliker sen.<br />

Galliker Transport AG, Altishofen<br />

Urs Germann<br />

Baudepartement Kanton SZ, Brunnen<br />

Philipp Gieger<br />

Baudirektion Kanton ZG, Zug<br />

Ulrich Giezendanner<br />

Giezendanner Transport AG, Rothrist<br />

Andreas Gigon<br />

Geobotanik <strong>ETH</strong>, Zürich<br />

Peter Glanzmann<br />

Bauamt Gemeinde Risch, Rotkreuz<br />

Raymund Gmünder<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftliches Bildungszentrum Kanton ZG,<br />

Cham<br />

Georg Graf<br />

Zentrum für Zukunftsforschung, St. Gallen<br />

Andreas Grieder<br />

Hangartner AG, Aarau<br />

Armin Grimm<br />

Papierfabrik Cham-Tenero AG, Cham<br />

Jakob Gunthardt<br />

GIS-Fachstelle Kanton ZG, Zug<br />

Barbara Haering Binder<br />

econcept AG, Zürich<br />

Heinz Haueter<br />

SBB AG, Bahnhof Burgdorf<br />

Iris Heller-Kellerberger<br />

WSL, Birmensdorf<br />

Luka Henryk<br />

FIBL, Frick<br />

Mike Heusser<br />

Papierfabrik Cham-Tenero AG, Cham<br />

Matthias Hirzel<br />

Logistik V-Zug AG, Zug<br />

Ueli Hofer<br />

KARCH, Bern<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 9


Dank<br />

Patrick Hofstetter<br />

National Risk Management Research Laboratory,<br />

Cincinnati USA<br />

Matthias Holenstein<br />

Ernst Basler + Partner AG, Zollikon<br />

Hans Peter Holliger<br />

Rangierbahnhof Limmattal, Spreitenbach<br />

Otto Holzgang<br />

Schweizerische Vogelwarte, Sempach<br />

Hans-Peter Howald<br />

Abteilung für Verkehr Kanton AG, Aarau<br />

René Hutter<br />

Baudirektion Kanton ZG, Zug<br />

Kurt Iten<br />

Qualitätssicherung V-Zug AG, Zug<br />

Jochen Jäger<br />

Akademie für Technikfolgenabschätzung, Stuttgart<br />

Beat Jäggi<br />

SBB AG Hauptwerkstätte, Olten<br />

Sigi Jehle<br />

SBB Cargo Service Center, Zürich<br />

Tobias Kamer<br />

Natur- und Tierpark, Goldau<br />

Rolf Kaufmann<br />

Leiter Logistik, Papierfabrik Cham-Tenero AG, Cham<br />

Felix Kienast<br />

WSL, Birmensdorf<br />

Peter Kiser<br />

Logistik & Transport Migros Genossenschaftsbund,<br />

Zürich<br />

Peter Klaus<br />

SBB AG, Bahnhof Zug<br />

Hans-<strong>Die</strong>tmar Köppel<br />

Stöckli, Kienast & Köppel, Wettingen<br />

Theodor Koller<br />

Umwelthygiene <strong>ETH</strong>, Zürich<br />

Bertil Krüsi<br />

WSL, Birmensdorf<br />

Sonya Kuchen<br />

LBL, Lindau<br />

Christian Küng<br />

<strong>Die</strong>nst für Gesamtverkehrsfragen, Bern<br />

Helmut Kuppelwieser<br />

SBB AG BahnUmwelt-Center SBB, Bern<br />

Erwin Leupi<br />

AG Natur und L<strong>and</strong>schaft, Luzern<br />

Bruno Lifart<br />

Bruno Lifart Consulting, Rickenbach<br />

Jürg Mägerle<br />

Socioeconomic Institute Universität Zürich, Zürich<br />

Rico Maggi<br />

Università della Svizzera Italiana di Lugano, Lugano<br />

Markus Maibach<br />

Infras AG, Zürich<br />

Ueli Maurer<br />

Hangartner AG, Aarau<br />

Philipp Meier<br />

SBB AG, Bahnhof Zürich Flughafen<br />

Ruedi Meier<br />

GSBVE, Bern<br />

Ivo Menzinger<br />

Swiss Re, Zürich<br />

Niklaus Messerli<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftliches Bildungszentrum Kanton ZG,<br />

Cham<br />

Walter Moser<br />

SBB AG Generalsekretariat, Bern<br />

Albert Müller<br />

SBB AG Infrastruktur, Arth-Goldau<br />

<strong>Die</strong>ter Müller<br />

Stiftung Lebens- und Wirtschaftsraum Zug, Zug<br />

Ruedi Müller-Wenck<br />

Institut für Wirtschaft und Ökologie Universität<br />

St. Gallen, St. Gallen<br />

Ludwig Näf<br />

SBB AG, Rollmaterial Unterhalt, Zürich<br />

Astrid Nägeli<br />

SBB AG BahnUmwelt-Center, Zürich<br />

Edwin Neurauter<br />

Naturschutzkommission Zug, Buonas<br />

Bernhard Nievergelt<br />

Zoologisches Institut Universität Zürich, Zürich<br />

Werner Oberholzer<br />

KLB, Kriens<br />

Thomas Peter<br />

Atmosphärenphysik <strong>ETH</strong>, Zürich<br />

Daniel Peter<br />

INFRAS, Zürich<br />

Max Plüss<br />

SBB AG Baudienstwerkstätte, Hägendorf<br />

Edy Ramp<br />

Amt für Raumplanung Kanton SZ, Schwyz<br />

Barbara Rechsteiner<br />

HUPAC Intermodal SA, Chiasso<br />

Beny Reichmuth<br />

Baudepartement Kanton SZ, Schwyz<br />

Martin Renggli<br />

Bundesamt für Energie, Bern<br />

Isabelle Rihm<br />

Werkstadt Basel, Basel<br />

Stefan Rohrer<br />

L<strong>and</strong>wirtschaftsamt Kanton ZG, Zug<br />

Kurt Rüfenacht<br />

SBB AG BahnUmwelt-Center, Bern<br />

Walter Rütschi<br />

LEGO Produktion AG, Baar<br />

Samuel Ruggli<br />

Kunden Service SBB, Fribourg<br />

Armin Rutishauser<br />

Amt für Umweltschutz Kanton ZG, Zug<br />

Patrick Schild<br />

Übersetzungen, Zürich<br />

Andreas Schlatter<br />

COSIT AG, Zürich<br />

Hermann Schwarz<br />

Roche Diagnostics Tegimenta AG, Rotkreuz<br />

Martin Schwarze<br />

Hesse, Schwarze & Partner, Zürich<br />

Hans Ulrich Schwarzenbach<br />

ZEBA, Cham<br />

10 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Dank<br />

Marianne Sedlak<br />

Übersetzungen, Zürich<br />

Esther Seitz<br />

Gartenbau- & L<strong>and</strong>wirtschaftsamt, Zürich<br />

Markus Siegenthaler<br />

SBB Cargo Gotthard Nord, Luzern<br />

Peter Spörri<br />

Amt für Verkehr, Zürich<br />

Oswald Stadelmann<br />

SBB AG, Luzern<br />

Ruedi Stäheli<br />

SBB AG, Bagage Zürich HB, Zürich<br />

Manfred Steffen<br />

Beratung, St. Urban<br />

Ulrich Straub<br />

Stiftung Lebens- und Wirtschaftsraum Zug, Zug<br />

Thomas Streiff<br />

Swiss Re, Zürich<br />

Emil Stutz<br />

Stadtökologe, Zug<br />

Urs Tester<br />

Pro Natura, Basel<br />

Thomas Thalmann<br />

SBB Cargo, Zürich<br />

Alain Thierstein<br />

Institut für öffentliche <strong>Die</strong>nstleistungen und<br />

Tourismus, St. Gallen<br />

Leo Ursprung<br />

SBB AG Rangierbahnhof Limmattal, Spreitenbach<br />

Hans-Peter Vogel<br />

SBB Cargo, Bern<br />

Josef von Rohr<br />

SBB AG Bahnhof Langenthal<br />

Roman von Sury<br />

AG Natur und L<strong>and</strong>schaft, Luzern<br />

Felix Walter<br />

Programmleiter NFP 41, Bern<br />

Jost Wichser<br />

Verkehrsplanung IVT <strong>ETH</strong>, Zürich<br />

Rol<strong>and</strong> Widmer<br />

PPC Electronic AG, Cham<br />

Walter Wyss<br />

Beratungsbüro, Zug<br />

Armin Zach<br />

SBB AG Infrastruktur, Bern<br />

Josef Zettel<br />

Coop Zentralschweiz, Kriens<br />

Rolf Züst<br />

SBB Cargo, Zürich<br />

Silvia Zumbach<br />

KARCH, Bern<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 11


Executive Summary / Kurzfassung<br />

Executive Summary / Kurzfassung<br />

Ausgangslage und Ziel<br />

Im Studiengang Umweltnaturwissenschaften der Eidgenössischen<br />

Technischen Hochschule Zürich (<strong>ETH</strong>) findet für<br />

alle Studierenden eines Jahrgangs eine forschungs- und<br />

praxisorientierte Lehrveranstaltung statt – die <strong>Fallstudie</strong>.<br />

Schwerpunkt der <strong>Fallstudie</strong>narbeit ist die interdisziplinäre<br />

Ausein<strong>and</strong>ersetzung mit einem realen, komplexen Problem<br />

der Umweltplanung.<br />

<strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n 1999 und 2000 erfolgten in<br />

Zusammenarbeit mit den Schweizerischen Bundesbahnen<br />

(SBB AG). <strong>Die</strong> gemeinsame Ausgangsfrage lautete: Wie<br />

lässt sich der Verkehrsträger Schiene aus Umweltsicht bewerten?<br />

Das Ziel der <strong>Fallstudie</strong>n war, ökologisch verträgliche<br />

Wege für die «Zukunft Schiene Schweiz» aufzuzeigen.<br />

In der <strong>Fallstudie</strong> 1999 ging es hauptsächlich um die vergleichende<br />

Bewertung von Umweltmassnahmen der Bahn.<br />

Hierzu wurden die ökologischen Rechnungseinheiten als<br />

Mass für eine integrative Bewertung der umweltschutzrelevanten<br />

Investitionen der SBB erarbeitet. <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000<br />

führte die Arbeit der <strong>Fallstudie</strong> 1999 fort und befasste sich<br />

mit dem konkreten Problem der ökologischen Bewertung<br />

des Schienengüterverkehrs am konkreten Beispiel des SBB-<br />

Güterverkehrs in der Region Zugersee.<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000 in der Region Zugersee<br />

Für die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000 best<strong>and</strong> von Beginn an<br />

eine enge Zusammenarbeit mit dem Kanton Zug und dem<br />

NFP 41. Insbesondere ging die <strong>Fallstudie</strong> vom NFP 41-Bericht<br />

«Unternehmensstrategien und Güterverkehr» (Thierstein<br />

et al., 1999) aus, welcher Vorschläge für die regionale<br />

Zusammenarbeit in der Region Zug vorstellt. Der Untersuchungsort<br />

Zug stellt sich als enger Verbund ländlicher Räume<br />

und städtischer Agglomeration dar, die Region Zug ist<br />

im schweizerischen Vergleich überdurchschnittlich industrialisiert<br />

und weist ein hohes Wirtschaftswachstum, einen<br />

überdurchschnittlichen Zuwachs an <strong>Die</strong>nstleistungsarbeitsplätzen,<br />

sowie regionsübergreifende Wirtschafts- und Güterverkehrsbeziehungen<br />

auf. Der Anteil der Bahn am Güterverkehrsaufkommen<br />

in der Region Zug ist sinkend und für<br />

Schweizer Verhältnisse unterdurchschnittlich. In der <strong>Fallstudie</strong><br />

2000 wird die Region Zug als Modellfall für eine<br />

mögliche Entwicklung in der Schweiz angesehen.<br />

Im Mittelpunkt der <strong>Fallstudie</strong> 2000 st<strong>and</strong>en (vgl. Abb. 1):<br />

Analysen zur Ökoeffizienz, die Bewertung der Auswirkungen<br />

von Schiene und Strasse auf den Naturraum, die Kommunikation<br />

unter den Akteuren des Güterverkehrs sowie die<br />

Entwicklung von Szenarien für den Güterverkehr.<br />

Projekte und Ergebnisse<br />

Ökoeffizienz<br />

Ökoeffizienz ist ein Indikator, der eine Beziehung zwischen<br />

einer wirtschaftlichen Leistung und den dadurch hervorgerufenen<br />

Umweltbelastungen herstellt. Für den Güterverkehr<br />

wurde die Ökoeffizienz bisher noch nie berechnet. Deshalb<br />

wurde zur Untersuchung der Ökoeffizienz des Güterverkehrs<br />

eine neue Methode erarbeitet.<br />

Schienengüterverkehr<br />

<strong>Die</strong> Situation der SBB ist geprägt durch die Bahnreform.<br />

Das Hauptanliegen der Bahnreform ist es, die Produktivität<br />

der Bahnunternehmen zu steigern und damit die Marktstellung<br />

des Schienenverkehrs zu stärken. In der EU wie auch<br />

in der Schweiz ist vor allem der Güterverkehr ein Sorgenkind<br />

der ehemals nationalen Eisenbahnunternehmen: Seit<br />

den 70er-Jahren stieg das gesamte Frachtvolumen in der EU<br />

um etwa 90%. Im gleichen Zeitraum sank aber der prozentuale<br />

Anteil der Bahn auf etwa die Hälfte. In der Schweiz hat<br />

in diesem Zeitraum sowohl der Anteil der Bahn am Verkehrsaufkommen<br />

(transportierte Tonnen) als auch der Anteil an<br />

der erbrachten Verkehrsleistung (transportierte Tonnenkilometer)<br />

um mehr als 20% abgenommen.<br />

Abb. 1: Aufbau der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 13


Executive Summary / Kurzfassung<br />

<strong>Die</strong> Berechnung der Umweltbelastung erfolgte mittels<br />

Eco-Indicator 99, einer schadensorientierten Ökobilanz-<br />

Bewertungsmethode. Für den ökologischen Vergleich wurden<br />

bei drei konkreten Transportketten alle für eine Ökobilanz<br />

mittels Eco-Indicator 99 notwendigen Daten erhoben.<br />

Ausgewählt wurden typische Güter und Transportketten<br />

dreier Firmen mit überregionalen Gütertransporten (Migros,<br />

V-Zug, Cham Paper Group). Zusätzlich wurden alternative<br />

Transportketten mit <strong>and</strong>eren Transportmitteln oder neuen<br />

Technologien definiert und deren hypothetische Umweltbelastung<br />

berechnet.<br />

Ein höherer Bahnanteil führte in allen untersuchten Transportketten<br />

zu einer besseren Ökobilanz und Ökoeffizienz<br />

(vgl. Abb. 2). Aber die Unterschiede zwischen Bahn- und<br />

Strassentransport sind nicht so gross, wie man sie aufgrund<br />

des emissionsarmen Betriebs der Bahn vermuten würde.<br />

Das Ergebnis der Bahn wird vor allem dadurch beeinflusst,<br />

dass in der Ökobilanz dem Wagenladungsverkehr relativ<br />

hohe Aufwendungen zur Infrastrukturbereitstellung zugeschrieben<br />

werden. <strong>Die</strong>s wiederum ist das Resultat einer<br />

relativ tiefen Auslastung des Eisenbahnnetzes.<br />

<strong>Die</strong> herkömmliche Verwendung von Tonnenkilometern<br />

als Mass der wirtschaftlichen Leistung ist zur Berechnung<br />

der Ökoeffizienz ungenügend. In der funktionellen Einheit<br />

Gütertransportnutzen sollten auch die Kosten sowie die<br />

Transportqualitäten, die von den Verladern erwartet werden,<br />

enthalten sein. Noch kein befriedigendes Ergebnis erbrachte<br />

der Versuch der Messung des Gütertransportnutzens bei den<br />

Verladern.<br />

Naturraum<br />

Vergleichende Untersuchungen der Umweltauswirkungen<br />

des Transportes von Personen und Gütern auf der Schiene<br />

wie auf der Strasse sind bereits mithilfe von Ökobilanzen<br />

vorgenommen worden. Dabei wurden Primärenergieverbrauch<br />

und Emissionen von Luftschadstoffen als Bewertungskriterien<br />

herangezogen. Ein Vergleich der Verkehrsträger<br />

Schiene und Strasse bezüglich ihrer Auswirkungen auf<br />

die Schutzgüter L<strong>and</strong>schaft und Naturraum fehlt bisher. <strong>Die</strong><br />

Gruppe Naturraum untersuchte an Fallbeispielen die Möglichkeiten,<br />

einen solchen Vergleich vorzunehmen.<br />

Je nach Wirkungsperimeter und Spezifikation des Schutzgutes<br />

ergeben sich <strong>and</strong>ere Bewertungsperspektiven, und<br />

unterschiedliche Untersuchungsmethoden werden erforderlich.<br />

Untersucht wurden Habitatqualitäten (Projekt Kleinraum,<br />

Methode: Vegetationsaufnahme und Waldr<strong>and</strong>bewertung);<br />

Wildtierkorridore (Projekt Grossraum, Methode:<br />

Geographisches Informationssystem); und L<strong>and</strong>schaftsästhetik<br />

(Projekt L<strong>and</strong>schaft; Methode: L<strong>and</strong>schaftsbewertung).<br />

Daraus resultiert ein z.T. widersprüchliches Gesamtbild.<br />

Zum Beispiel zeigte die Vegetationsaufnahme bei den Autobahnböschungen<br />

mehr Arten als bei den Schienenböschungen;<br />

das Ergebnis der Waldr<strong>and</strong>bewertung hingegen war bei<br />

der Autobahn unbefriedigend, bei der Schiene zufriedenstellend.<br />

Brücken können aus l<strong>and</strong>schaftsästhetischer Sicht<br />

störende Elemente sein, hingegen stellen sie auch nützliche<br />

Wildtierkorridore dar.<br />

In Ergänzung zu den Fallbeispielen entwickelte die Gruppe<br />

Naturraum Ideen für eine finanzierbare und ökologisch<br />

sinnvolle Böschungspflege. Das Schweizer Schienennetz<br />

weist eine hohe Dichte auf; die Böschungen bilden somit<br />

vernetzte, schützenswerte Lebensräume («Grünes Netz»).<br />

Abb. 2: Ökoeffizienz verschiedener<br />

Transportketten für drei Firmen in<br />

der Region Zug. Ökoeffizienz wird<br />

hier ausgedrückt in tkm pro EI 99<br />

Punkt; grosse Werte sind als positiv<br />

zu betrachten. tkm: Tonnenkilometer<br />

(Verkehrsleistung); EI 99: Eco-Indicator<br />

99; EURO I, EURO III: EU-<br />

Normen für Emissionsgrenzwerte für<br />

LKWs; Sonderangebot: direkte<br />

Fahrt von Basel nach Rotkreuz und<br />

Cham (bei grösseren Mengen); zentralisiert:<br />

über das geplante zentrale<br />

Migros-Verteilzentrum Suhr.<br />

14 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Executive Summary / Kurzfassung<br />

Akteure<br />

Trägt eine Verbesserung der Kommunikation im Transportgewerbe<br />

dazu bei, dass ökologisch wertvollere Transportketten<br />

realisiert werden? Fördert Kommunikation die Sensibilität<br />

für ökologische Anliegen bei den Entscheidungsträgern?<br />

Zur Beantwortung dieser Fragen wurde am 16. Juni<br />

2000 ein sogenanntes Güterforum in Zug durchgeführt (Methode:<br />

Fokusgruppe). Eingeladen waren die SBB Cargo,<br />

Verlader und Spediteure aus der Region sowie Vertreter der<br />

öffentlichen H<strong>and</strong>. Vorgestellt wurden Berechnungen zur<br />

ökologischen Relevanz ausgesuchter Transportketten. Im<br />

Mittelpunkt st<strong>and</strong> die Diskussion von Ansatzpunkten für<br />

eine optimale Nutzung der ökologischen Potenziale durch<br />

alle Akteure. Auch der Kontakt per se zwischen all diesen<br />

Akteuren schien von Wichtigkeit zu sein. Das Güterforum<br />

zeigte eine Form des Informationsaustausches, um die Kooperationsnetze<br />

im Transportgewerbe – unter Einbezug der<br />

Bahn – zu fördern.<br />

<strong>Die</strong> Diskussionen zeigten, dass:<br />

– Vertrauen und persönliche Kontakte zwischen Spediteuren,<br />

Transportunternehmen und Verladen beim Transport<br />

ausschlaggebend sind,<br />

– ökologische Neuerungen im Transportgewerbe meist<br />

auch von ökonomischem Nutzen sind (z.B. Optimierung<br />

des Fahrzeugparks),<br />

– die SBB Cargo als Gesamtlogistik-Anbieterin den Kontakt<br />

zum Kunden intensivieren könnte und<br />

– die Veränderungen im Transportgewerbe auch auf regionaler<br />

Ebene eine verstärkte Zusammenarbeit nötig machen.<br />

Szenarien<br />

Wie kann sich die SBB AG in Zukunft wirtschaftlich erfolgreich<br />

entwickeln und ökologisch aktiv bleiben? Welches<br />

sind die Schlüsselbereiche für unternehmerischen Erfolg<br />

und ökologische Qualität? Um planungsrelevante Zukunftsbilder<br />

für das Unternehmen SBB AG zu erarbeiten, wurden<br />

mit einer formativen Szenarioanalyse Schlüsselfaktoren der<br />

Entwicklung bestimmt und deren Zusammenwirken abgeschätzt.<br />

Aus dieser Arbeit resultierten vier Szenarien, die in etwa<br />

die Entwicklung des zukünftigen Marktsystems, in das die<br />

SBB AG eingebettet ist, bis ins Jahr 2015 abdecken sollen.<br />

Es zeigt sich, dass Erfolgsszenarien mit und ohne Ökologie<br />

möglich sind (Tab. 1) und dass der ökologische Vorsprung<br />

der Bahn längerfristig schmilzt. <strong>Die</strong> zu geringe Auslastung<br />

ist der Hauptgrund dafür, dass die Bahn im Personenverkehr<br />

einen weitaus geringeren ökologischen Vorsprung vor der<br />

Strasse besitzt als im Güterverkehr.<br />

Das Szenario «Erfolg dank Ökologie» führt zu der oben<br />

erwähnten Erhaltung von Marktanteilen und zur Verbesserung<br />

der Umweltleistung. Strategische Voraussetzung hierfür<br />

ist eine «Ökostromstrategie». Hier zeigt sich die Bedeutung<br />

des SBB-Strommixes. <strong>Die</strong>ser weist dank Wasserkraft<br />

eine vergleichsweise gute Ökobilanz auf. <strong>Die</strong> Gesamtökobilanz<br />

der SBB AG würde sich jedoch dramatisch verschlechtern,<br />

falls die SBB auf den europäischen UCPTE-Strommix<br />

wechseln sollte.<br />

Aus den erarbeiteten Szenarien wird ersichtlich, dass für<br />

den wirtschaftlichen Erfolg der SBB eine aktive Gesamtstrategie<br />

massgebend ist (z.B. Kooperation mit <strong>and</strong>eren<br />

Transportunternehmen). Umweltanstrengungen sind als Investitionen<br />

in die Marke «SBB» zu bewerten: Eine klare<br />

ökologische Positionierung kann sich auf dem Markt von<br />

morgen auszahlen.<br />

Lärm<br />

Lärm ist zwar als Umweltbelastung anerkannt, bleibt aber in<br />

Ökobilanzen meist unberücksichtigt, obwohl er in Studien<br />

zu den externen Kosten des Verkehrs 5% bis 75% der<br />

Gesamtkosten ausmacht. Mit Hilfe eines Modells von Müller-Wenk<br />

(1999), mit welchem die Lärmemissionen von<br />

Strassenverkehr in die Ökobilanzmethode Eco-Indicator 99<br />

integriert werden, wurde ein entsprechendes Modell für den<br />

Einbezug von Schienenlärm – speziell für den Wagenladungsverkehr<br />

– erarbeitet. Um die Resultate von Eisenbahn<br />

und Strasse direkt vergleichen zu können, wurden an der<br />

Methode von Müller-Wenk Anpassungen vorgenommen.<br />

<strong>Die</strong> Unsicherheiten beim Einbezug von Lärm in die gesamte<br />

Ökobilanz sind jedoch relativ gross.<br />

Tab. 1: Szenarien über die Entwicklung der SBB bis etwa ins Jahr 2015.<br />

Szenario Kurzbeschrieb Entscheidende Faktoren<br />

Trend Unveränderte Geschäfts- und Umweltstrategie - Vorsichtiger Erfolg im Güterverkehr<br />

- Bahnreform wirkt<br />

Erfolg dank Ökologie<br />

Gewinnmaximierung<br />

Misere<br />

Eine klare ökologische Position am Markt<br />

führt zum Erfolg<br />

Kurzfristiges, rein betriebswirtschaftlich<br />

orientiertes Agieren führt zum Erfolg<br />

Passivität der SBB AG führt in eine «Abwärtsspirale»<br />

- SBB stark im Personenverkehr (S-Bahn-CH)<br />

- innovativ im Güterverkehr (globale Transportketten)<br />

- Aufteilung der SBB in mehrere Firmen<br />

- etablierter Güterverkehrsanbieter<br />

- schlanker Personenverkehr<br />

- Scheitern im Bereich Güterverkehr<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 15


Executive Summary / Kurzfassung<br />

In der Analyse von konkreten Transportketten der Firmen<br />

Migros, V-Zug und Cham Paper Group differieren die<br />

Lärmbilanzen von Eisenbahn und Strasse nicht stark. Ein<br />

wichtiger Parameter der Bilanz ist die Auslastung des Transportmittels,<br />

weshalb auf deren genaue Bestimmung Wert<br />

gelegt werden muss. Auch das Nachtfahrverbot für Lastwagen<br />

ist bedeutend, dahingegen findet ein grosser Teil der<br />

Eisenbahngütertransporte in der Nacht statt, was sich im<br />

Vergleich der Lärmbilanzen zum Nachteil der Eisenbahn<br />

auswirkt. <strong>Die</strong> Daten zu von Lärm betroffenen Personen<br />

stammen aus dem Jahre 1990, seither hat die SBB viel in<br />

Lärmschutzmassnahmen investiert; bei Verwendung von<br />

aktuellen Daten könnte sich die Bilanz wiederum zugunsten<br />

der SBB verbessern, auch wenn das Verbesserungspotenzial<br />

noch lange nicht ausgeschöpft ist.<br />

Prozesse als Produkte<br />

<strong>Die</strong> Produkte der <strong>Fallstudie</strong> umfassen nicht nur die wissenschaftliche<br />

Analyse und die Berichte über die erarbeiteten<br />

Resultate, sondern auch Kommunikationsprozesse. Deshalb<br />

zählt das Güterforum der Gruppe Akteure ebenso zu den<br />

Produkten wie die Böschungspflege-Gespräche der Gruppe<br />

Naturraum mit den Entscheidungsträgern im Kanton Zug.<br />

Auf diese Weise kann die <strong>Fallstudie</strong> helfen, weiter gehende<br />

Entscheidungsprozesse auszulösen.<br />

Zu den Prozess-Produkten gehört nicht zuletzt der Lernprozess,<br />

den die Studierenden und die Fallvertreter in der<br />

<strong>Fallstudie</strong> gemeinsam erlebten. <strong>Die</strong>ser Lernprozess ermöglicht<br />

ein wechselseitiges Lernen zwischen Hochschule und<br />

Praxis (mutual learning between science <strong>and</strong> society).<br />

16 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Executive Summary / Version abrégée<br />

Executive Summary /<br />

Version abrégée<br />

Point de départ et objectif<br />

Dans la filière <strong>Science</strong>s de l’environnement de l’École Polytechnique<br />

Fédérale <strong>Zurich</strong> (EPFZ), un cours axé sur la<br />

recherche et la pratique est organisé pour tous les étudiants<br />

d’une même année: l’étude de cas. Le travail d’étude de cas<br />

met l’accent sur l’analyse interdisciplinaire d’un problème<br />

réel et complexe de la planification de l’environnement.<br />

Les études de cas EPFZ-<strong>UNS</strong> 1999 et 2000 ont été réalisées<br />

en collaboration avec les Chemins de fer fédéraux<br />

(CFF SA). La question initiale commune était la suivante:<br />

comment peut-on évaluer le transporteur rail du point de vue<br />

de l’environnement? L’objectif des études de cas était de<br />

mettre en évidence les voies compatibles pour l’«avenir rail<br />

Suisse». Dans l’étude de cas 1999, il était surtout question<br />

de l’évaluation comparative des mesures écologiques du<br />

chemin de fer. À cet effet, des unités de compte écologiques<br />

ont été élaborées comme paramètre d’une évaluation<br />

intégrante des investissements des CFF essentiels en termes<br />

de protection de l’environnement. L’étude de cas 2000<br />

poursuivit le travail de l’étude de cas 1999 et traita le<br />

problème concret de l’évaluation écologique du transport<br />

ferroviaire des march<strong>and</strong>ises en prenant comme exemple<br />

concret le trafic des march<strong>and</strong>ises des CFF dans la région du<br />

lac de Zoug.<br />

Étude de cas EPFZ-<strong>UNS</strong> 2000 dans la<br />

région du lac de Zoug<br />

Dès le début, l’étude de cas EPFZ-<strong>UNS</strong> 2000 a été effectuée<br />

en étroite collaboration avec le canton de Zoug et le PNR 41.<br />

L’étude de cas s’est appuyée en particulier sur le rapport<br />

PNR 41 «Stratégies de l’entreprise et trafic ferroviaire»<br />

(Thierstein et al., 1999). Ce dernier présente des propositions<br />

de coopération régionale dans la région de Zoug. La<br />

localité à l’examen, Zoug, est constituée d’espaces ruraux et<br />

d’agglomérations urbaines fortement reliés et connaît un<br />

taux de croissance économique élevé, une création d’emplois<br />

dans les services supérieure à la moyenne ainsi que des<br />

relations commerciales et un réseau de trafic de march<strong>and</strong>ises<br />

qui dépassent le cadre de la région. La part du chemin de<br />

fer au volume total du trafic de march<strong>and</strong>ises dans la région<br />

de Zoug est en baisse et inférieure à la moyenne suisse.<br />

L’étude de cas 2000 considère la région de Zoug comme un<br />

cas-type pour un possible développement en Suisse.<br />

L’étude de cas 2000 était centrée sur les points énumérés<br />

ci-après (voir illustration 1): les analyses concernant l’écoefficience,<br />

l’évaluation des conséquences du rail et de la<br />

route sur le milieu naturel, la communication entre les<br />

acteurs du trafic de march<strong>and</strong>ises ainsi que le développement<br />

de scénarios pour le trafic de march<strong>and</strong>ises.<br />

Trafic de march<strong>and</strong>ises par le rail<br />

La situation des CFF est marquée par la réforme des chemins<br />

de fer. Cette réforme cherche avant tout à accroître la productivité<br />

des entreprises des chemins de fer tout en consolidant<br />

la position sur le marché du trafic ferroviaire. Dans<br />

l’Union européenne et en Suisse, le trafic ferroviaire en<br />

particulier est resté un souci constant des anciennes entreprises<br />

ferroviaires nationales: depuis les années 70, le volume<br />

de fret total dans l’Union a augmenté de quelque 90%. Dans<br />

la même période, la part en pour cent des chemins de fer dans<br />

le volume global du trafic (tonnes transportées) ainsi que la<br />

part dans les prestations de trafic fournies (tonnes-kilomètres<br />

transportées) a baissé de plus de 20%.<br />

Illustration 1: Structure de l’étude de cas EPFZ-<strong>UNS</strong> 2000.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 17


Executive Summary / Version abrégée<br />

Projets et résultats<br />

Éco-efficience<br />

L’éco-efficience est un indicateur qui met en corrélation un<br />

rendement économique et les incidences qu’il produit sur<br />

l’environnement. Dans la mesure où l’éco-efficience du<br />

trafic de march<strong>and</strong>ises n’a jamais été chiffrée jusqu’à<br />

présent, une nouvelle méthode a donc été créée permettant<br />

l’analyse de l’éco-efficience du trafic de march<strong>and</strong>ises.<br />

Le calcul des nuisances de l’environnement a été fait au<br />

moyen de l’Eco-Indicator 99, une méthode d’évaluation du<br />

bilan écologique avec les nuisances comme repère principal.<br />

Afin de permettre une comparaison écologique, toutes les<br />

données nécessaires pour un bilan écologique moyennant<br />

l’Eco-Indicator 99 ont été recueillies auprès de trois chaînes<br />

de transport concrètes. On a choisi des chaînes de march<strong>and</strong>ises<br />

et de transport caractéristiques de trois entreprises avec<br />

des trafics de march<strong>and</strong>ises interrégionaux (Migros, V-Zug,<br />

Cham Paper Group). On a également défini des chaînes de<br />

transport alternatives avec d’autres moyens de transport ou<br />

de nouvelles technologies et on a chiffré leurs nuisances<br />

hypothétiques sur l’environnement.<br />

L’élargissement de la part du chemin de fer se traduit dans<br />

toutes les chaînes de transport étudiées par une amélioration<br />

du bilan écologique et de l’éco-efficience (voir illustration<br />

2). Mais les écarts entre le transport sur rail et le transport<br />

routier ne sont pas aussi marqués que l’exploitation peu<br />

polluante du chemin de fer pourrait le laisser supposer. En<br />

effet, le trafic par wagons complets exige des dépenses<br />

plutôt élevées d’infrastructure avec un pourcentage d’utilisation<br />

relativement bas.<br />

La tonne-kilomètre habituellement utilisée pour mesurer<br />

le rendement économique s’avère insuffisante quant il s’agit<br />

de mesurer l’éco-efficience. L’unité fonctionnelle avantage<br />

du trafic de march<strong>and</strong>ises devrait inclure également les<br />

coûts et les qualités de transport que les expéditeurs attendent.<br />

L’essai de mesure de l’avantage du trafic de march<strong>and</strong>ises<br />

pour les transporteurs n’a pas encore donné de résultats<br />

satisfaisants.<br />

Espace naturel<br />

Des études comparatives des effets sur l’environnement du<br />

trafic de personnes et de march<strong>and</strong>ises sur le rail ainsi que<br />

par route ont déjà été réalisées à l’aide de bilans écologiques.<br />

On y a pris la consommation d’énergie primaire et les<br />

émissions des produits de pollution atmosphérique comme<br />

critères d’évaluation. Il n’existe toujours aucune comparaison<br />

de faite des transporteurs sur le rail et par route quant à<br />

leurs effets sur les biens à sauvegarder paysage et milieu<br />

naturel. A l’aide d’exemples de cas, le groupe Espace naturel<br />

a analysé la possibilité d’établir une telle comparaison.<br />

Selon le périmètre d’action et les spécifications du bien à<br />

sauvegarder, les perspectives d’évaluation varient, requérant<br />

diverses méthodes d’approche. On a procédé à des<br />

études de qualités d’habitat (projet petit espace, méthode:<br />

prise de vue de la végétation et évaluation de la lisière de la<br />

forêt); corridors du gibier (projet gr<strong>and</strong>s espaces, méthode:<br />

système d’information géographique) et esthétique des paysages<br />

(projet paysage; méthode: évaluation du paysage).<br />

Il en ressort une vue d’ensemble en partie contradictoire.<br />

Par exemple, la prise de vue de la végétation des talus des<br />

autoroutes a révélé plus d’espèces que dans les talus longeant<br />

les rails; le résultat de l’évaluation des lisières des forêts<br />

était cependant peu satisfaisant près des autoroutes et satisfaisant<br />

près des rails. Bien que les ponts puissent constituer<br />

des éléments dérangeants du point de vue de l’esthétique du<br />

paysage, ils peuvent également s’avérer utiles comme corridors<br />

pour le gibier.<br />

Illustration 2: L’éco-efficience des<br />

différentes chaînes de transport pour<br />

trois entreprises dans la région de<br />

Zoug. L’éco-efficience est exprimée<br />

ici en tkm par point EI 99; les gr<strong>and</strong>es<br />

valeurs sont à considérer comme positives.<br />

tkm: tonne-kilomètre (prestation<br />

de transport); EI 99: Eco-Indicator<br />

99; EURO I, EURO III: normes<br />

UE pour valeurs limites d’émission<br />

pour camions; offre spéciale: trajet<br />

direct de Bâle à Rokreuz et Cham (en<br />

cas de gr<strong>and</strong>es quantités); centralisé:<br />

via la centrale de distribution en projet<br />

de Migros à Suhr.<br />

18 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Executive Summary / Version abrégée<br />

En complément des exemples de cas, le groupe Espace<br />

naturel a développé des idées pour un entretien judicieux des<br />

talus du point de vue à la fois financier et écologique. Le<br />

réseau ferroviaire suisse présente une forte densité; les talus<br />

constituent donc des espaces vitaux dignes d’être protégés<br />

(«réseau vert»).<br />

Acteurs<br />

L’amélioration de la communication dans les transports<br />

contribue-t-elle à la réalisation des chaînes de transport de<br />

plus haute valeur écologique? La communication encourage-t-elle<br />

la sensibilité pour les revendications écologiques<br />

chez les décideurs? Pour répondre à ces questions, un<br />

dénommé Forum March<strong>and</strong>ises a eu lieu le 16 juin 2000 à<br />

Zoug (méthode: groupe focus) avec la participation de CFF<br />

Cargo, des transporteurs et expéditeurs de la région ainsi que<br />

des représentants des collectivités publiques. À cette occasion,<br />

des calculs de la portée écologique de certaines chaînes<br />

de transport furent présentés. La discussion porta principalement<br />

sur les amorces de solutions d’une utilisation optimale<br />

des potentiels écologiques par l’ensemble des acteurs. Les<br />

relations entre tous ces acteurs revêtaient, elles aussi, une<br />

certaine importance. Le forum march<strong>and</strong>ises montra une<br />

forme d’échange d’informations visant à promouvoir les<br />

réseaux de coopération dans les transports, chemins de fer<br />

inclus.<br />

Les discussions ont démontré que:<br />

– la confiance et les contacts personnels entre expéditeurs,<br />

entreprises de transport et chargeurs sont déterminants,<br />

– les innovations écologiques dans le secteur des transports<br />

sont généralement aussi d’utilité écologique (par ex.<br />

optimisation du parc automobile),<br />

– CFF Cargo en tant que fournisseur de logistique globale<br />

pourrait intensifier le contact avec la clientèle et<br />

– les changements dans les transports exigent aussi à niveau<br />

régional une collaboration plus étroite.<br />

Scénarios<br />

Comment la CFF SA peut-elle se développer économiquement<br />

avec succès et rester active écologiquement? Quels<br />

sont les secteurs clé pour le succès opérationnel et la qualité<br />

écologique? Afin d’élaborer des projets d’avenir pour l’entreprise<br />

CFF SA, des facteurs clé du développement ont été<br />

fixés et leur synergie estimée à l’aide d’une analyse de<br />

scénario formative.<br />

Il en découle quatre scénarios qui prennent en considération<br />

jusqu’à l’an 2015 le développement du futur système de<br />

marché dont la CFF SA fait partie intégrante. Il s’est avéré<br />

que les scénarios de succès sont viables avec et sans écologie<br />

(tableau 1) et que l’avantage écologique du chemin de fer<br />

s’effrite à long terme. Le taux d’utilisation trop peu important<br />

est la raison principale pour que le chemin de fer ne<br />

possède dans le trafic de passagers qu’un avantage écologique<br />

beaucoup trop insignifiant par rapport au trafic de<br />

march<strong>and</strong>ises.<br />

Le scénario «Succès dû à l’écologie», comme il a été dit<br />

précédemment, aide à maintenir les parts de marché et à<br />

améliorer le rendement écologique. Ceci exige une<br />

«stratégie de courant écologique». C’est ici que le mélange<br />

de courant CFF prend toute son ampleur car il possède un<br />

bilan écologique comparativement bon et ce, grâce à l’énergie<br />

hydraulique. Le bilan écologique global de CFF SA se<br />

verrait cependant dramatiquement détérioré si les CFF optaient<br />

pour le mélange de courant européen UCPTE.<br />

Les scénarios élaborés ont démontré qu’une stratégie globale<br />

active peut décider du succès économique des CFF (par<br />

ex. coopération avec d’autres entreprises de transport). Les<br />

efforts portés sur l’environnement doivent être compris<br />

comme des investissements dans la marque «CFF»: un<br />

positionnement écologique évident peut s’avérer payant sur<br />

le marché de demain.<br />

Tableau 1: scénarios concernant le développement des CFF approximativement jusqu’à 2015.<br />

Scénario Description abrégée Facteurs décisifs<br />

Tendance<br />

Stratégie commerciale et écologique<br />

inchangée<br />

- Succès prudent dans le trafic de<br />

march<strong>and</strong>ises<br />

- Réforme du chemin de fer agit<br />

Succès dû à l’écologie<br />

Maximisation du profit<br />

Situation déplorable<br />

Un positionnement sur le marché<br />

distinctement écologique mène au succès<br />

L’action à court terme axée exclusivement<br />

sur la gestion mène au succès<br />

La passivité place CFF SA dans une «spirale<br />

descendante»<br />

- CFF fort dans le trafic de passagers<br />

(S-Bahn-CH)<br />

- Innovateur dans le trafic de march<strong>and</strong>ises<br />

(chaînes de trafic globales)<br />

- Division des CFF en plusieurs entreprises<br />

- Offrants de transport de march<strong>and</strong>ises<br />

établis<br />

- Transport de passagers plus souple<br />

- Échec dans le domaine du trafic de<br />

march<strong>and</strong>ises<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 19


Executive Summary / Version abrégée<br />

Bruit<br />

Bien que le bruit soit reconnu comme incidence sur l’environnement,<br />

il reste généralement absent des bilans écologiques,<br />

même s’il représente de 5% à 75% des coûts globaux<br />

dans les études sur les coûts externes du trafic. En faisant<br />

appel au modèle de Müller-Wenk (1999) grâce auquel les<br />

émissions sonores du trafic routier sont intégrées dans la<br />

méthode bilan écologique Eco-Indicator, un modèle analogue<br />

pour l’inclusion du bruit du rail, particulièrement pour<br />

le trafic par wagons complets, a été élaboré. Pour pouvoir<br />

comparer directement les résultats du chemin de fer et ceux<br />

de la route, des ajustements dans la méthode de Müller-<br />

Wenk ont été nécessaires. Néanmoins, les incertitudes quant<br />

à l’inclusion du bruit dans le bilan écologique global sont<br />

relativement gr<strong>and</strong>es.<br />

Quant aux analyses de chaînes de transport concrètes des<br />

entreprises Migros, V-Zug et Cham Paper Group, les écarts<br />

entre les bilans du bruit du chemin de fer et de la route ne<br />

diffèrent pas énormément. Un paramètre essentiel du bilan<br />

est constitué par le degré d’utilisation des moyens de transport,<br />

ce qui implique la nécessité de connaître la destination<br />

exacte. L’interdiction de rouler la nuit pour les camions est<br />

aussi importante. Par contre, une gr<strong>and</strong>e partie des transports<br />

de march<strong>and</strong>ises par rail se fait la nuit, ce qui est au désavantage<br />

du chemin de fer dans la comparaison des bilans des<br />

nuisances sonores. Les données quant aux personnes gênées<br />

par le bruit datent de 1990 et depuis cette date, les CFF ont<br />

beaucoup investi dans les mesures de protection contre le<br />

bruit. En utilisant les données actuelles, le bilan pourrait<br />

s’améliorer de nouveau en faveur des CFF, même si le<br />

potentiel d’amélioration est encore loin d’être épuisé.<br />

Processus comme produits<br />

Les produits de l’étude de cas comprennent non seulement<br />

l’analyse scientifique et les rapports sur les résultats obtenus,<br />

mais également les processus de communication.<br />

C’est pourquoi le forum march<strong>and</strong>ises du groupe Acteurs<br />

compte autant parmi les produits que les pourparlers sur<br />

l’entretien des talus du groupe Milieu naturel avec les décideurs<br />

du canton de Zoug. De cette manière, l’étude de cas<br />

peut aider à déclencher des processus de décision plus<br />

approfondis.<br />

Last but not least, le processus d’apprentissage fait aussi<br />

partie des produits de processus que les étudiants et les<br />

représentants de cas ont vécu ensemble au cours de l’étude<br />

de cas (mutual learning between science <strong>and</strong> society).<br />

20 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Executive Summary<br />

Executive Summary<br />

Starting point <strong>and</strong> objectives<br />

Every year, the <strong>ETH</strong> <strong>Zurich</strong>’s Environmental Studies Program<br />

conducts a research- <strong>and</strong> practice-oriented course – the<br />

case study – for all students of the eighth semester. The case<br />

study focusses on an interdisciplinary examination of a real,<br />

complex problem of environmental planning.<br />

The <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> case studies 1999 <strong>and</strong> 2000 were carried<br />

out in co-operation with the Swiss Federal Railways (SBB<br />

AG). The common initial question was: How can the railway,<br />

as a traffic bearer, be assessed environmentally? The<br />

goal of the case studies was to demonstrate environmentally<br />

tolerable paths for the «future railway Switzerl<strong>and</strong>». Case<br />

study 1999 focussed on a comparative assessment of environmental<br />

measures regarding the rail. For this purpose<br />

environmental units of account were developed as measure<br />

for an integrative assessment of the SBB’s environmentally<br />

relevant investments. The case study 2000 continued the<br />

studies of 1999 <strong>and</strong> dealt with the particular problem of<br />

environmentally assessing freight rail traffic with the specific<br />

example of SBB freight traffic in the region of the Lake<br />

of Zug.<br />

Freight rail traffic<br />

The SBB’s situation is characterized by the rail reform. The<br />

rail reform’s chief objective is to increase productivity<br />

within the rail companies, thus strengthening the rail’s market<br />

position. In the EU, as in Switzerl<strong>and</strong>, freight traffic is<br />

causing the former national railway companies a big headache:<br />

Since the 70s the total freight volume increased by<br />

approximately 90% within the EU. At the same time, however,<br />

the railway’s percentage decreased by approximately<br />

50%. In Switzerl<strong>and</strong> the rail’s shares of both volume of<br />

traffic (transported tons) <strong>and</strong> extension of transport (transported<br />

ton-km) have decreased by 20%.<br />

the railway’s percentage of freight traffic is decreasing <strong>and</strong><br />

below Swiss average. The case study 2000 views the region<br />

of Zug as a model case for a possible development in<br />

Switzerl<strong>and</strong>.<br />

The case study 2000 focussed on: analyses regarding<br />

eco-efficiency, assessment of rail <strong>and</strong> road’s impact on the<br />

natural environment, communication among protagonists<br />

of freight traffic as well as the development of scenarios for<br />

freight traffic (see diagram 1)<br />

Projects <strong>and</strong> Results<br />

Eco-efficiency<br />

Eco-efficiency is an indicator constituting a relationship<br />

between an economic performance <strong>and</strong> the corresponding<br />

environmental damages. So far, the eco-efficiency of freight<br />

transport has never been calculated. For this reason, a new<br />

method was established for the examination of the eco-efficiency<br />

of freight traffic.<br />

The assessment of the environmental impact was executed<br />

by means of Eco-Indicator 99, a damage-oriented life-cycle<br />

assessment method. For environmental comparison, the necessary<br />

data for an environmental assessment of three con-<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> case study 2000 in the region of the Lake of<br />

Zug<br />

From the beginning on, the <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> case study 2000 saw<br />

a close co-operation between the canton of Zug <strong>and</strong> the NFP<br />

41. In particular, the case study was based on the NFP 41<br />

report «Unternehmensstrategien und Güterverkehr» («Business<br />

strategies <strong>and</strong> freight traffic», Thierstein et al., 1999)<br />

which made suggestions for the regional co-operation<br />

around Zug. The examined location of Zug constitutes a<br />

close combine of rural areas with urban agglomeration. The<br />

region of Zug is industrialized above Swiss average <strong>and</strong><br />

shows high economic growth, an above-average increase of<br />

jobs in the service industries as well as supra-regional economic<br />

<strong>and</strong> freight-transport relations. In the region of Zug<br />

Diagram 1: Structure of the <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> case study 2000.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 21


Executive Summary<br />

crete chains of transport were established by means of<br />

Eco-Indicator 99. Typical chains of freight <strong>and</strong> transport of<br />

three supra-regional companies were selected (Migros, V-<br />

Zug, Cham Paper Group). In addition, alternative chains of<br />

transport or new technologies were defined <strong>and</strong> their hypothetical<br />

environmental impact was calculated.<br />

In all cases, an increased railway percentage led to an<br />

improved environmental assessment <strong>and</strong> eco-efficiency (see<br />

diagram 2). However, rail <strong>and</strong> road-transport do not differ as<br />

greatly as one might imagine in view of the rail’s low<br />

emission. Freight transport dem<strong>and</strong>s relatively high efforts<br />

for infrastructure maintenance, <strong>and</strong> capacity utilization for<br />

the railway network is relatively low.<br />

The conventional use of ton-kilometres as measure of<br />

economic performance is insufficient for environmental<br />

assessment. The functional unit of freight-transport benefit<br />

should also include the costs <strong>and</strong> qualities of transportation<br />

expected by shipment companies. So far, the attempt to<br />

measure freight-transport benefits of shipping companies<br />

has not been successful.<br />

<strong>Natural</strong> environment<br />

Comparative environmental impact studies of passenger <strong>and</strong><br />

freight transport by rail or road have already been carried out<br />

by means of life-cycle assessment. Assessment criteria included<br />

primary energy consumption, emissions of air-pollutants.<br />

A comparison of the traffic bearers rail <strong>and</strong> road<br />

regarding their impact on the l<strong>and</strong>scape <strong>and</strong> natural environment<br />

have been missing up until now. Studying particular<br />

examples, the group «natural environment» examined the<br />

possibilities to draw such a comparison.<br />

Depending on the perimeter of impact <strong>and</strong> the specification<br />

of the protected good, different assessment perspectives<br />

become visible <strong>and</strong> different assessment methods are required.<br />

The analyses included quality of habitat (project smallscale<br />

environment, methods: inventory of vegetation <strong>and</strong><br />

assessment of forest boundaries); wild animal corridors<br />

(project large-scale environment, method: geographic information<br />

systems); <strong>and</strong> aesthetics of the countryside (project<br />

l<strong>and</strong>scape; methods: assessment of l<strong>and</strong>scape).<br />

All this leads to a partially contradictory overall-view. For<br />

instance, the botanical inventory showed higher bio-diversity<br />

among highway embankments than on railway embankments;<br />

the assessment of forest boundaries, however, was<br />

insufficient with highways <strong>and</strong> satisfactory with the rail.<br />

Bridges can disturb an aesthetics view of the countryside,<br />

however, they also constitute important corridors for wild<br />

animals.<br />

In completion to the case studies, the group natural environment<br />

developed ideas for a financeable <strong>and</strong> ecologically<br />

sensible cultivation of embankments. The Swiss railway<br />

network has a high density; consequently, embankments<br />

form integrated habitats, worthy of protection («green network»)<br />

Protagonists<br />

Does improved communication in the transport business<br />

help realize environmentally more valuable chains of transport?<br />

Does communication enhance decision-makers’ sensitivity<br />

towards environmental dem<strong>and</strong>s? In order to answer<br />

these questions, a so-called freight forum was carried out in<br />

Zug on June 16 th 2000 (method: focus groups). Among the<br />

invited were: SBB Cargo, shipment companies <strong>and</strong> transport<br />

companies from the region as well as representants of<br />

the public sector. Calculations regarding environmental relevance<br />

of selected chains of transport were presented. The<br />

Diagram 2: Eco-efficiency of various<br />

chains of transport for the three companies<br />

in the region of Zug. Eco-efficiency<br />

is expressed in tkm per EI 99<br />

point; high values are to be valued<br />

positively. tkm: ton-kilometer (traffic<br />

performance); EI 99: Eco-indicator<br />

99; EURO I, EURO III: EU norms for<br />

emission threshold value for trucks;<br />

special offer: direct routing from Basle<br />

to Rotkreuz <strong>and</strong> Cham (for larger<br />

amounts); centralized: via the planned<br />

central Migros-distribution center<br />

in Suhr.<br />

22 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Executive Summary<br />

central discussion focussed on approaches for an optimal<br />

exploitation of environmental potentials by means of all<br />

protagonists. Moreover, the contact as such between all<br />

protagonists seemed to be of importance. The freight forum<br />

demonstrated a means of exchanging information in order to<br />

enhance the networks of co-operation within the transport<br />

business – including the railway.<br />

The discussions demonstrated that<br />

– Confidence <strong>and</strong> personal contacts among shipping <strong>and</strong><br />

transport companies were crucial.<br />

– Environmental innovations within the transport business<br />

are usually also of economic use (e.g. optimization of<br />

vehicle parks).<br />

– SBB Cargo, as provider of the entire logistics, could<br />

intensify the contact with its clients <strong>and</strong><br />

– Changes within the transport business also call for increased<br />

co-operation on regional basis.<br />

Scenarios<br />

How can the SBB AG both maintain an environmentally<br />

successful development in the future while remaining environmentally<br />

active? Which are the key areas for business<br />

success <strong>and</strong> environmental quality? For the establishment of<br />

developmental future visions for the company SBB AG, key<br />

factors of development were determined <strong>and</strong> coinciding<br />

effects thereof were assessed by means of scenario analysis.<br />

These studies produced four scenarios that should cover<br />

the development of the future market system surrounding<br />

the SBB AG up until the year 2015. It turns out that successful<br />

scenarios are feasible with <strong>and</strong> without the environment<br />

(see table 1) <strong>and</strong> that, from a long-term point of view, the<br />

railway is losing its environmental lead. The incomplete<br />

capacity utilization is the main reason that, in comparison<br />

with the road, the railway possesses a much smaller environmental<br />

lead regarding passenger transport than regarding<br />

freight transport.<br />

The scenario «success due to the environment» leads to<br />

the maintenance of market shares <strong>and</strong> improvement of environmental<br />

achievement as mentioned above. A strategic<br />

pre-requisite is a «strategy of eco-electricity». The significance<br />

of the SBB’s mix of electrical power can be seen here.<br />

Due to hydropower it shows a comparatively good environmental<br />

assessment. The total environmental assessment of<br />

the SBB AG would deteriorate rapidly, however, if the SBB<br />

should switch to the European UCPTE power-mix.<br />

The established scenarios show that an active total strategy<br />

is crucial for the economic success of the SBB (e.g.<br />

co-operation with other transport companies). Environmental<br />

efforts should be valued as investments in the br<strong>and</strong><br />

«SBB»: a clear environmental positioning could pay off in<br />

tomorrow’s marketplace.<br />

Noise<br />

Although noise is recognized as pollutant, it usually remains<br />

unconsidered in environmental assessments, in spite of studies<br />

showing it to make up 5% to 70% of the total external<br />

costs produced by traffic. Based upon a model by Müller-<br />

Wenk (1999) which integrates noise emissions of road traffic<br />

into the life-cycle assessment method Eco-Indicator 99,<br />

a corresponding model for integrating railway noise – particularly<br />

for freight transport – was established. The method<br />

by Müller-Wenk was adapted for direct comparison of the<br />

results of rail <strong>and</strong> road respectively. However, the uncertainties<br />

regarding the integration of noise into the total environmental<br />

assessment are relatively large.<br />

The noise assessments of railway <strong>and</strong> road do not differ<br />

much in the analysis of concrete chains of transport of the<br />

companies Migros, V-Zug <strong>and</strong> Cham Paper Group. One<br />

important assessment parameter is the capacity utilization of<br />

the respective means of transport, which is why an exact<br />

determination thereof has to be emphasized. The ban on<br />

trucks during the night is significant as well; a large share of<br />

the freight transport by rail is conducted by night, which is<br />

to the railway’s disadvantage when comparing noise assessments.<br />

The data regarding people affected by noise were<br />

established in 1990. Since then, the SBB has invested a lot<br />

in noise protection measures. Using more recent data could<br />

improve the assessment to the SBB’s benefit, although the<br />

potential of improvement has by no means been used exhaustively.<br />

Table 1: Scenarios about the development of the SBB AG up until the year 2015.<br />

Scenario Brief description Determining factors<br />

Trend<br />

Unchanged business <strong>and</strong> environmental - Cautious success in freight traffic<br />

strategy<br />

- functioning railway reform<br />

Success due to the<br />

environmental<br />

Profit maximization<br />

Clear environmental position in the market<br />

leads to success<br />

Short-termed, purely economically oriented<br />

actions lead to success<br />

- Strong SBB in the passenger realm (S-Bahn<br />

CH)<br />

- Innovative regarding freight traffic (global<br />

chains of transport)<br />

- Splitting of SBB into several companies<br />

- Established freight transport providers<br />

- Slim passenger transport<br />

Plight Passivity takes the SBB downhill - Failure regarding freight traffic<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 23


Executive Summary<br />

Processes as products<br />

The product of this case study includes not only the scientific<br />

analysis <strong>and</strong> reports on the established results, but communicative<br />

processes as well. Therefore, the freight forum of<br />

the protagonists-group is a product just like the natural-environment-group’s<br />

embankment-cultivation-talks with decision-makers<br />

of the canton of Zug too. This is how the case<br />

study can help evoke further decision-making processes.<br />

Last but not least, the process products include the shared<br />

learning process experienced by students <strong>and</strong> case representatives<br />

within the case study. This learning process enables<br />

a mutual learning between science <strong>and</strong> society.<br />

24 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Wie kommen die Güter auf die<br />

Bahn?<br />

Auf dem Weg zu einer ökologischen<br />

Bewertung der Verkehrsträger<br />

Autor:<br />

Harald A. Mieg<br />

Inhalt<br />

1. Einführung 25<br />

2. Hintergrund: Güterverkehr im Umbruch 27<br />

3. <strong>Die</strong> <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>: Analyse, Kommunikation, Wissensintegration 31<br />

4. Perspektiven auf den Fall: SBB AG, NFP 41, Kanton Zug 33<br />

5. <strong>Die</strong> Ergebnisse 40<br />

6. Résumé und Ausblick 44


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

Zusammenfassung<br />

<strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> ist eine<br />

Lehrveranstaltung des Departements<br />

Umweltnaturwissenschaften der Eidgenössischen<br />

Technischen Hochschule<br />

(<strong>ETH</strong>) in Zürich. <strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> 2000 untersuchte gemeinsam<br />

mit der SBB AG ökologische Potenziale<br />

L für den Schienengüterverkehr.<br />

Das konkrete Fallbeispiel war<br />

i<br />

der SBB-Güterverkehr in der Region<br />

t Zugersee. An der <strong>Fallstudie</strong> 2000 nah-<br />

52 Studierende teil und unter-<br />

emen<br />

suchten ökologische Grundlagen und<br />

rFolgen von strategischen Unter-<br />

im Bereich<br />

anehmensentscheidungen<br />

Güterverkehr in enger Zusammenarbeit<br />

mit Partnern der SBB, aus For-<br />

t<br />

uschung, Privatwirtschaft und Verwal-<br />

<strong>Die</strong> Arbeit erfolgte in enger Ko-<br />

rtung.<br />

operation mit dem Kanton Zug sowie<br />

dem I Nationalen Forschungspro-<br />

41 «Verkehr und Umwelt».<br />

ngramm<br />

<strong>Die</strong> Themenbereiche umfassten:<br />

d– Ökobilanzierung von Transportketten<br />

von und nach der Region<br />

e<br />

x Zugersee (Gruppe Ökoeffizienz),<br />

– Szenarioanalyse der SBB-Unternehmenspolitik<br />

(Gruppe Szenarien),<br />

– Fokussierung der Kommunikationsstrukturen<br />

lokaler Akteure aus<br />

dem Transportgewerbe (Gruppe<br />

Akteure),<br />

– vergleichende Bewertung der Wirkungen<br />

von Strasse und Schiene<br />

auf den Naturraum (Gruppe Naturraum).<br />

Der folgende Beitrag gibt einen<br />

Überblick über Vorgehen und Einzelergebnisse.<br />

Unser Resümee ist: Ökologisch<br />

relevante, strategische Entscheidungen<br />

(und nicht nur diese)<br />

brauchen eine methodengestützte Bewertung<br />

und ein Denken in Varianten;<br />

ihre Umsetzung erfordert umsichtige<br />

Kommunikation und die Pflege von<br />

Akteurs-Netzwerken.<br />

Résumé<br />

L’étude de cas EPFZ-<strong>UNS</strong> est un<br />

cours du Département des <strong>Science</strong>s de<br />

l’Environnement de l’École Polytechnique<br />

Fédérale (EPF) à <strong>Zurich</strong>.<br />

L’étude de cas EPFZ-<strong>UNS</strong> 2000 a étudié<br />

conjointement avec les CFF SA les<br />

potentiels écologiques du transport de<br />

march<strong>and</strong>ises sur le rail. L’exemple de<br />

cas concret était le transport de march<strong>and</strong>ises<br />

CFF dans la région du lac de<br />

Zoug. À l’étude de cas 2000 ont participé<br />

52 étudiants qui ont analysé les<br />

bases et les conséquences écologiques<br />

des décisions stratégiques des entreprises<br />

dans le domaine du transport<br />

des march<strong>and</strong>ises en étroite collaboration<br />

avec des partenaires des CFF, de<br />

la recherche, de l’économie privée et<br />

de l’administration. Le travail s’est<br />

déroulé en étroite coopération avec le<br />

canton de Zoug ainsi que le programme<br />

de recherche national 41 «Trafic et<br />

environnement».<br />

Les thèmes comprenaient:<br />

– L’analyse de cycle de vie des<br />

chaînes de transport de et à destination<br />

de la région du lac de Zoug<br />

(groupe Eco-efficience).<br />

– L’analyse de scénario de la politique<br />

de l’entreprise des CFF<br />

(groupe Scénarios).<br />

– La focalisation des structures de<br />

communication des acteurs locaux<br />

du secteur des transports (groupe<br />

Acteurs).<br />

– L’évaluation comparative des effets<br />

de la route et du rail sur l’espace<br />

naturel (groupe Espace naturel).<br />

L’article suivant donne un aperçu<br />

du procédé et des résultats isolés. Voici<br />

notre résumé: les décisions stratégiques<br />

et écologiquement significatives<br />

(pour ne citer que celles-ci)<br />

nécessitent une évaluation méthodique<br />

et une réflexion sous forme de<br />

variantes; leur réalisation requiert une<br />

communication réfléchie et le souci<br />

des réseaux d’acteurs.<br />

Summary<br />

The <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> case study is part of<br />

the curriculum of the Department for<br />

Environmental <strong>Science</strong>s of the <strong>ETH</strong> in<br />

<strong>Zurich</strong>. In co-operation with the SBB<br />

AG, the <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> case study 2000<br />

examined the environmental potential<br />

for freight transport by rail. The particular<br />

case example was the SBB’s<br />

freight transport in the region of the<br />

Lake of Zug. 52 students participated<br />

in the case study 2000 <strong>and</strong> – in close<br />

co-operation with partners of the SBB,<br />

researchers, private industry <strong>and</strong> the<br />

authorities – analyzed environmental<br />

fundamentals <strong>and</strong> consequences of<br />

strategic management decisions concerning<br />

freight transport. The study<br />

was conducted in close co-operation<br />

with the Canton of Zug as well as with<br />

the National Research Program 41<br />

«traffic <strong>and</strong> the environment».<br />

The subject areas included:<br />

– Environmental assessment of<br />

chains of transport in <strong>and</strong> out of the<br />

region of the Lake of Zug (eco-efficiency<br />

group)<br />

– Scenario analysis of the SBB’s entrepreneurial<br />

policy (scenario<br />

group)<br />

– Focussing of communicational<br />

structures of protagonists within<br />

the local transport-industry (protagonists<br />

group)<br />

– Comparative assessment of the effects<br />

on the natural environment<br />

through rail <strong>and</strong> road respectively<br />

(natural environment group).<br />

The following article gives an overview<br />

of the procedure <strong>and</strong> particular<br />

results. Our bottom line is: Environmentally<br />

relevant strategic decisions<br />

(as well as others too) require a methodological<br />

assessment <strong>and</strong> thinking in<br />

alternatives; their implementation<br />

calls for comprehensive communication<br />

<strong>and</strong> the cultivation of protagonists’<br />

networks.<br />

26 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

1 Einführung<br />

«Jede Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene ist eine<br />

ökologische Tat», lesen wir im Bahnmagazin der SBB:<br />

«Was für die Bahn gut ist, tut der Umwelt gut» (VIA,<br />

4/2000, S. 25). In diesem Sinne wurde in der Schweiz eine<br />

ganze Reihe von Verlagerungs-Massnahmen in die Wege<br />

geleitet. Insbesondere möchte man den Transitgüterverkehr<br />

von der Strasse auf die Schiene bringen. Zu den Neuerungen<br />

zählt die LSVA, die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe.<br />

Zu Beginn des Jahres 2001 werden alle LKW und<br />

PKW mit einem Gewicht von mehr als 3,5 t abgabepflichtig.<br />

<strong>Die</strong>s gilt für jeden Strassenverkehr in und durch die<br />

Schweiz. Seit 1997 erfolgt zudem eine wissenschaftliche<br />

Bewertung der Verkehrsströme auf nationaler Ebene im<br />

Nationalen Forschungsprogramm «Verkehr und Umwelt»<br />

(NFP 41). Betrachtet werden ökonomische, technische und<br />

ökologische Aspekte des Verkehrs im Allgemeinen und der<br />

Verkehrs-Verlagerung im Speziellen.<br />

<strong>Die</strong> Verkehrsverlagerung ist eine Planungsfrage, der eine<br />

Bewertungsfrage zugeordnet ist. <strong>Die</strong>se lautet: Wie lässt sich<br />

der Verkehrsträger Schiene aus Umweltsicht bewerten? Mit<br />

dieser Ausgangsfrage ging Anfang 1999 die <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

eine Kooperation mit der SBB AG ein. Ziel war, ökologisch<br />

verträgliche Wege in die «Zukunft Schiene Schweiz» aufzuzeigen.<br />

Als Lehrprojekt der Umweltnaturwissenschaften<br />

der <strong>ETH</strong> Zürich hatte die <strong>Fallstudie</strong> die Freiheit, langfristige<br />

Entwicklungen in Betrachtung zu ziehen und Methoden der<br />

Umweltwirkungsanalyse auszuprobieren. In der <strong>Fallstudie</strong><br />

1999 ging es hauptsächlich um die vergleichende Bewertung<br />

von Umweltmassnahmen der Bahn («Ökologische<br />

Rechnungseinheiten»). Auf dieser Grundlage befasste sich<br />

die <strong>Fallstudie</strong> 2000 mit dem konkreten Problem der ökologischen<br />

Bewertung von Schienengüterverkehr an einem<br />

Fallbeispiel, das auch Untersuchungsort eines NFP 41-Projektes<br />

war: die Region Zug.<br />

Der vorliegende B<strong>and</strong> ist der Schlussbericht der <strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> 2000, des gemeinsamen Projekts mit der SBB.<br />

Das Ergebnis einer <strong>Fallstudie</strong> lässt sich nicht in einem Satz<br />

darstellen. <strong>Die</strong> Berichtlegung ist ein wichtiger aber nicht<br />

endgültiger Abschnitt im Nachgang zur <strong>Fallstudie</strong>, der eine<br />

Best<strong>and</strong>saufnahme erlaubt: Methoden sind geprüft, Ergebnisse<br />

und Teilergebnisse erzielt worden. Mit dieser Einführung<br />

und Zusammenfassung möchte ich die nötige Übersicht<br />

über die geleistete Arbeit vermitteln und zugleich<br />

immer wieder auf die Ausgangsfrage fokussieren: Wie können<br />

wir den Verkehrsträger Schiene aus Umweltsicht bewerten?<br />

Zu einer solchen Bewertung braucht es<br />

– geeignete Masse und Methoden der Umweltwirkungsbewertung<br />

(z.B. Ökobilanzierung);<br />

– eine Systemabgrenzung (was betrachten wir als gefährdeten<br />

Naturraum?);<br />

– eine klare Differenzierung der Bewertungsperspektiven<br />

(die Bahn hat eine <strong>and</strong>ere Sicht als ihre Kunden; die Sicht<br />

der Umweltnaturwissenschaften ist wiederum ein <strong>and</strong>ere).<br />

Im einzelnen werde ich das Folgende einführend vorstellen:<br />

– den Schienengüterverkehr als das Problem-Umfeld der<br />

<strong>Fallstudie</strong>; ein besonderes Augenmerk wird dem schwindenden<br />

ökologischen Vorsprung der Bahn gegenüber der<br />

Strasse gelten;<br />

– die Struktur und Geschichte der <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000;<br />

hierzu gehört nicht zuletzt die besondere Form der Kooperation<br />

zwischen Hochschule und Praxis (Transdisziplinarität);<br />

– die Ergebnisse der einzelnen Gruppen sowie die verschiedenen<br />

Beiträge zu diesem B<strong>and</strong>, die von den Kooperationspartnern<br />

stammen: der SBB AG, dem NFP 41, und<br />

der Region Zug.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 27


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

2 Hintergrund: Güterverkehr im<br />

Umbruch<br />

<strong>Die</strong> Zukunft der Schiene Schweiz wird nicht allein in der<br />

Schweiz entschieden. Eine Studie des internationalen Eisenbahnverb<strong>and</strong>s<br />

resümiert: «<strong>Die</strong> heutigen nationalen Eisenbahnunternehmen<br />

können die Mehranforderungen nicht erfüllen,<br />

weil sie ineffiziente, überholte und produktionsorientierte<br />

Monopole sind.» (UIC, 1997, S. 10). <strong>Die</strong>s hat in<br />

Europa – und der Schweiz – zur Politik der Liberalisierung<br />

bei den Eisenbahnen geführt. <strong>Die</strong> Idee ist, durch Konkurrenz<br />

und freien Markt die Produktivität der Bahnen zu erhöhen.<br />

Ein Sorgenkind ist der Güterverkehr. Gerade im Bereich<br />

Güterverkehr wird die Zukunft der europäischen Bahnen<br />

entschieden, so urteilt Hartmut Mehdorn, Chef der Deutschen<br />

Bahn AG. Einige Zahlen können die bisherige, für die<br />

Bahn ungünstige Entwicklung dokumentieren:<br />

– Zwischen 1970 und 1996 stieg das gesamte Frachtvolumen<br />

in der EU um 90% und beträgt nunmehr 160 Milliarden<br />

Tonnenkilometer (beförderte Last x gefahrene<br />

Strecke).<br />

– Im gleichen Zeitraum sank der Anteil der Bahn von 32%<br />

auf 14%.<br />

Auch in der Schweiz hat der Anteil der Bahn am Gütertransport<br />

zwischen 1970 und 1996 abgenommen. Der Bahnanteil<br />

am Verkehrsaufkommen (gemessen in transportierten<br />

Tonnen) sank von 10,5% im Jahr 1970 auf 8,1% im Jahr<br />

1995, der Anteil an der erbrachten Verkehrsleistung (gemessen<br />

in Tonnenkilometern) sank von 28,4% auf 17,5%. <strong>Die</strong><br />

Dramatik dieser Entwicklung wird deutlich, wenn man die<br />

Zahlen von 1950 heranzieht: Damals betrug der Anteil der<br />

Bahn am Verkehrsaufkommen 18,1% und bei der Verkehrsleistung<br />

51,2%. <strong>Die</strong>se Zahlen gelten für den schweizerischen<br />

Verkehr. Rechnet man den Transitverkehr hinzu, so<br />

stellt sich der Anteil der Bahn etwas besser dar. Tab. 2.1 zeigt<br />

die Situation für 1996. Dass dieser Anteil bei der Verkehrsleistung<br />

höher liegt als beim Verkehrsaufkommen findet<br />

seine Ursache darin, dass bahnaffine Güter wie Kohle oder<br />

chemische Grundstoffe meist längere Strecken transportiert<br />

werden als Güter im Strassenverkehr (es ergibt sich also eine<br />

höhere Zahl an Tonnenkilometern).<br />

Einige Projekte des nationalen Forschungsprogramms<br />

«Verkehr und Umwelt» (NFP 41) befassen sich denn auch<br />

mit dem Schienengüterverkehr in der Schweiz. <strong>Die</strong> Studie<br />

«Zukunftsgüterbahn» (Lebküchner, Schreyer & Maibach<br />

2000) zeigt ein Entwicklungsdilemma in diesem Bereich<br />

auf: Einerseits sind umfangreiche, längerfristig ausgerichtete<br />

Investitionen notwendig, um in einem «qualitativen<br />

Quantensprung» (S. 63) die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn<br />

zu verbessern. Andererseits sind langfristige Investitionen<br />

im dynamischen Güterverkehrsmarkt mit sehr viel Risiko<br />

verbunden. Gerade weil die Bahnen heute gezwungen sind,<br />

betriebswirtschaftlich zu denken, sind sie mit solchen Investitionen<br />

zurückhaltend.<br />

Ein Grundproblem im Güterverkehr besteht darin, dass<br />

der Transport oft Teil einer Logistikkette darstellt. <strong>Die</strong>se<br />

Logistikkette ist wiederum ein Best<strong>and</strong>teil des Produktionsund<br />

Vertriebsprozesses und damit «sehr störanfällig» (UIC,<br />

1997, S. 18). Abb. 2.1 zeigt verschiedene typische Gütertransportwege<br />

mit der Bahn. <strong>Die</strong> Bahn kann ihre Stärken nur<br />

dann ausspielen, wenn sie «ihre Transporte bündeln und<br />

über längere Strecken transportieren kann» (Lebküchner et<br />

al., 2000, S. K-9). Gerade der Bahn-Einzelwagenladungs-<br />

Verkehr ist dann ökologisch konkurrenzlos, wenn bereits<br />

vorh<strong>and</strong>ene Anschlussgleise genutzt werden können. «<strong>Die</strong><br />

CO2-Emissionen machen bei heutigem Strommix pro transportierte<br />

Tonne nur 3% derjenigen eines durchschnittlichen<br />

LKW aus.» (Maibach, Schenkel, Peter & Gehrig, 1997, S.<br />

11). Ende 1999 waren in der Schweiz noch rund 2600<br />

Anschlussgleise in Betrieb; darauf wurden etwa 95% des<br />

Wagenladungsverkehrs abgewickelt (Schweizerische Bundesbahnen<br />

(SBB), 1999, S. 6).<br />

2.1 Umweltbonus versus Bahnmalus<br />

Wiederholt wird das Argument ins Feld geführt, die Bahn<br />

solle ihren Ökobonus als umweltfreundlicher Transporteur<br />

besser vermarkten. Hierfür ist ausschlaggebend, ob die<br />

Bahnkunden diesen Ökobonus für sich selber imagefördernd<br />

nutzen können. Was für die Versorger Migros und<br />

Coop gelten mag, muss jedoch nicht auf kleine und mittlere<br />

Unternehmen zutreffen. Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms<br />

41 «Verkehr und Umwelt» wurden Studien<br />

zur Wechselbereitschaft von Verladern durchgeführt.<br />

Rico Maggi von der Universität Lugano erfasste die Umsteigeelastizitäten<br />

zwischen Verkehrsträgern auf Seiten der Verlader.<br />

<strong>Die</strong> Umsteigeelastizitäten zeigen an, in welchem Aus-<br />

Tab. 2.1: Schweizerischer Güterverkehr 1996 nach Verkehrsträgern, inkl. Transit (Quelle: LITRA, 1999).<br />

Verkehrsträger Verkehrsaufkommen Verkehrsleistung<br />

Mio. t % Mio. tkm %<br />

Strasse 306.3 80.0 12’861 55.9<br />

Schiene 44.2 11.5 7’907 34.4<br />

Pipelines 19.2 5.0 2’026 8.8<br />

Wasser und Luft 13.3 3.5 209 0.9<br />

Total pro Jahr 383.0 100.0 23’003 100.0<br />

28 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

Abb. 2.1: Schienengüterverkehr mit der SBB AG als Teil einer Logistikkette. Oben: Von Anschlussgleis zu Anschlussgleis.<br />

Mitte: Kombinierter Verkehr, hier Feinverteilung per LKW (über Service Center). Unten: Bahntransport von Terminal zu<br />

Terminal als ein Glied einer Transportkette (Quelle: SBB, 1999).<br />

Tab. 2.2: Verkehrsmittelspezifische Elastizitäten. <strong>Die</strong> Umsteigeelastizitäten sind bei der Schiene am höchsten, gefolgt vom<br />

Kombiverkehr. Lesebeispiel: Es führt eine relative Erhöhung des Transportpreises bei der Bahn eher zum Umsteigen auf ein<br />

<strong>and</strong>eres Transportmittel als bei der Strasse (-0.68 vs. -0.48), ebenso bei einem Sinken der Zuverlässigkeit der Transporte<br />

(0.75 vs. 0.52; das Vorzeichen zeigt nur die Richtung der Änderung, nicht deren Stärke an). Erfragt wurden hypothetische<br />

Alternativen (Quelle: Maggi et al., 1999).<br />

Strasse Schiene Kombiverkehr<br />

Transportpreis -0.48 -0.68 -0.59<br />

Transportzeit -0.19 -0.27 -0.24<br />

Zuverlässigkeit 0.52 0.75 0.65<br />

Häufigkeit 0.02 0.03 0.02<br />

Flexibilität 0.05 0.07 0.06<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 29


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

mass die Befragten zum Wechsel auf eine Transportalternative<br />

bereit sind, wenn sich eine Transportqualität (Preis,<br />

Transportzeit, etc.) verändert. Hierbei zeigt sich statt eines<br />

Ökobonus eher ein Bahnmalus: Bei gleichem Leistungsangebot<br />

von Schiene und Strasse (Preis, Zuverlässigkeit, etc.)<br />

bevorzugen die Verlader deutlich den Transport auf der<br />

Strasse.<br />

<strong>Die</strong> Gründe für einen fehlenden Ökobonus können vielfältig<br />

sein. Zum einen kann es wie erwähnt daran liegen,<br />

dass der Umweltvorteil für den spezifischen Kundenkreis<br />

eines verladenen Unternehmens nicht interessant ist – etwa<br />

im Business-to-Business-Geschäft (Lieferung von Halbfertigprodukten).<br />

Zum <strong>and</strong>eren könnte auch darin ein Grund zu<br />

finden sein, dass die Bahn als wenig flexibler Akteur im<br />

Transportgewerbe angesehen wird. Einen Strassen-Spediteur<br />

kann man rasch wechseln, nicht jedoch ein Anschlussgleis.<br />

<strong>Die</strong> NFP 41-Studie «Unternehmensstrukturen und Güterverkehr»<br />

resümiert: «Entgegen dem Leitsatz, dass eine Effektivierung<br />

des Güterverkehrs dann eintritt, wenn ein bestimmtes<br />

Gut mit dem ‘wesensgerechten’ Verkehrsmittel<br />

transportiert wird, ist festzustellen, dass heute auch dort auf<br />

der Strasse transportiert wird, wo der Schienenverkehr, zumindest<br />

als Teil des kombinierten Verkehrs, als ‘wesensgemäss’<br />

anzusehen ist.» (Thierstein, Schnell & Schwegler,<br />

1999, S. 5).<br />

2.2 Der ökologische Vorsprung schmilzt<br />

<strong>Die</strong> wissenschaftliche Begründung für die politische Bevorzugung<br />

der Bahn liegt in den externen Kosten des Verkehrs,<br />

zumal des Strassenverkehrs. Gemeint sind Umweltbelastungen,<br />

die durch den Verkehr entstehen, sich aber nicht unmittelbar<br />

in den Fahrtkosten niederschlagen. Solche Kosten<br />

trägt in der Regel nicht der Fahrgast oder Transportunternehmer,<br />

sondern die Allgemeinheit. Wie Tabelle 2.3 zeigt,<br />

hat die Bahn einen gewaltigen Vorteil im Bereich Luftschadstoffe<br />

(CO2, NOx). Betrachtet man Betrieb und Bereitstellung<br />

von Energie im Personenverkehr, so ist die Bahn 140<br />

mal besser als ein Personenkraftwagen. Beim Güterverkehr<br />

liegt der ökologische Vorteil bei einem Faktor grösser 40.<br />

Der ökologische Vergleich der Transportwege ist abhängig<br />

von R<strong>and</strong>parametern wie dem Auslastungsgrad. Würde<br />

die durchschnittliche Auslastung eines Personenwagen von<br />

heute 1.6 Personen auf 2 Personen steigen, würden die<br />

Indikatoren für die Umweltbelastung um 20% sinken (Maibach<br />

et al., 1997, S. Z-7). Änderungen ergeben sich auch<br />

infolge technischen und rechtlichen W<strong>and</strong>els. So liegt das<br />

Reduktionspotenzial bei den Luftschadstoffen im Personenverkehr<br />

bei etwa 80-90% (a.a.O.).<br />

Tatsächlich schmilzt der ökologische Vorsprung der Bahn<br />

gegenüber der Strasse. Während im Personenverkehr strengere<br />

Abgasvorschriften oftmals durch eine Tendenz zu grösseren<br />

Personenwagen aufgehoben werden, machen sich im<br />

Güterverkehr technische Neuerungen rasch bemerkbar. Das<br />

Forschungs-Institut Infras kommt für den Güterverkehr zum<br />

Schluss: «Weil die Strasse dank technischen Fortschritten<br />

im Abgasbereich ihre NOx-Emissionen drastisch senken<br />

kann, verschwindet auf längere Frist dieser Umweltvorteil<br />

der Bahn» (a.a.O, S. Z-8).<br />

So weist auch Hans-Jörg Bertschi (1999, S. 2), Schweizer<br />

Chemie-Transportunternehmer und Verfechter des kombinierten<br />

Verkehrs, darauf hin, dass der Ressourcenverbrauch<br />

und die Umweltbelastung des Strassenverkehrs «massiv<br />

gesenkt wurden und weiter gesenkt werden». <strong>Die</strong> Verlagerung<br />

auf die Schiene bringe in absehbarer Zeit keine Umweltvorteile.<br />

Bertschi leitet daraus die Forderung ab: «<strong>Die</strong><br />

Schiene wird sich in Zukunft im Markt behaupten müssen»<br />

(a.a.O.).<br />

Tab. 2.3: Umweltindikatoren im Verkehr, Zahlen für 1995. Lesebeispiel: Der Betrieb eines Personenkraftwagens benötigt<br />

pro Personenkilometer 7 mal soviel Energie wie ein Personenzug. Berücksichtigt man alle indirekten Belastungen, so<br />

verringert sich der Vorteil des Zugs auf den Faktor 1.7 (entspricht Figur Z-2 in Maibach et al., 1997).<br />

Personenverkehr (Bahn = 1) Güterverkehr (Bahn = 1)<br />

nur Betrieb Betrieb &<br />

Bereitstellung<br />

Energie<br />

nur Betrieb Betrieb &<br />

Bereitstellung<br />

Energie<br />

Gesamt<br />

(inkl. aller<br />

indirekten<br />

Belastungen)<br />

Gesamt<br />

(inkl. aller<br />

indirekten<br />

Belastungen)<br />

Energie 7 5 1.7 8 5 2.5<br />

CO 2 70 4 78 40 5<br />

NO x 140 4 50 44 15<br />

Lärm 0.4 0.4 0.4 1 1 1<br />

Fläche 45 0.7 32 2<br />

Unfälle 10 6<br />

30 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

3 <strong>Die</strong> <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>: Analyse,<br />

Kommunikation,<br />

Wissensintegration<br />

Um den Umweltvorteil der Bahn besser einschätzen zu<br />

können, müssen wir die Umweltauswirkungen des Verkehrsträgers<br />

Bahn genauer erfassen und den Vergleich mit<br />

dem Strassenverkehr einbeziehen. <strong>Die</strong>ser Aufgabe nahm<br />

sich die <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000 am Beispiel des SBB-Güterverkehrs<br />

in der Region Zugersee an. <strong>Die</strong> <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> ist<br />

ein Lehrprojekt der Umweltnaturwissenschaften der <strong>ETH</strong><br />

Zürich. <strong>UNS</strong> steht für die Professur «Umweltnatur- und<br />

Umweltsozialwissenschaften» (Prof. Scholz), die 1993 mit<br />

der Reorganisation dieser Lehrform beauftragt worden ist.<br />

Grundsätzlich geht es in den <strong>Fallstudie</strong>n darum:<br />

– In einem konkreten Fall, der für die Umweltplanung<br />

relevant ist,<br />

– gemeinsam mit den relevanten Akteuren,<br />

– auf der Grundlage von umweltnaturwissenschaftlichem<br />

Wissen,<br />

– die bestehenden H<strong>and</strong>lungsoptionen zu bewerten.<br />

Ausgangspunkt ist die Einsicht, dass im Bereich Umweltplanung<br />

beides nötig ist: Analyse und Kommunikation. Es<br />

braucht eine fach- und fallgerechte Analyse der ökologischen<br />

Situation und eine aktive Kommunikation der Analyse<br />

bei den Akteuren und Betroffenen. Das Vorgehen der <strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> ist transdisziplinär: <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> erfordert nicht<br />

nur den Einbezug verschiedener Wissenschaften (= interdisziplinär),<br />

sondern auch eine wesentliche Zusammenarbeit<br />

von Hochschule und Praxis (Häberli, Scholz, Bill & Welti,<br />

2000; vgl. auch Mieg, 1996). Wesentliche Zusammenarbeit<br />

meint in diesem Zusammenhang etwas <strong>and</strong>eres als zum<br />

Beispiel einen Auftrag, den die Hochschule übernimmt.<br />

Vielmehr sollte das gemeinsame Vorgehen einen bedeutenden<br />

Teil des Produkts darstellen. Wir können dies in Form<br />

von zwei Prinzipien erörtern:<br />

– «Mutual Learning», wechselseitiges Lernen Hochschule-Praxis<br />

(vgl. Scholz, 1999): Im gemeinsamen Prozess<br />

lernt man, ein Problem der Umweltplanung aus einer<br />

<strong>and</strong>eren Perspektive zu sehen und anzugehen. Hierzu<br />

gehört, dass die Definition des Problems gemeinsam<br />

getroffen wird.<br />

– «Networking», Ausbildung nachhaltiger, lokaler Netzwerke<br />

(vgl. Mieg, Scholz & Stünzi, 1996): Durch die<br />

gemeinsame Arbeit sollen Netzwerke, die das relevante<br />

Wissen und die entscheidenden Personen zusammenführen,<br />

gestärkt werden.<br />

3.1 Struktur der <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000<br />

In der <strong>Fallstudie</strong> 2000 arbeiteten 52 Studierende zusammen<br />

mit 8 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der SBB sowie 14<br />

Mitarbeitern aus Forschung, Privatwirtschaft und Verwaltung.<br />

Sie wurden unterstützt von 3 Hochschulinstituten,<br />

darunter dem <strong>ETH</strong>-Institut für Verkehrsplanung, Transporttechnik,<br />

Strassen- und Eisenbahnbau (IVT).<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000 in der Region Zugersee baut auf den<br />

Arbeiten der <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> ‘99 auf (vgl. Scholz, Bösch,<br />

Oswald & Stauffacher, 2001). Letztere erstellten eine vergleichende<br />

Bewertung der umweltschutzrelevanten Investitionen<br />

der SBB in den Tätigkeitsfeldern:<br />

– Lärm,<br />

– Altlasten,<br />

– Energie,<br />

– L<strong>and</strong>schaft.<br />

Ein Vergleich der getätigten Investition hinsichtlich ihrem<br />

Umweltnutzen ist nicht immer einfach. Wie soll man, um ein<br />

Beispiel zu geben, den Erfolg von Lärmschutz mit Ausgleichsmassnahmen<br />

im Naturschutzbereich vergleichen?<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> 1999 erarbeitete hierzu ein Mass für eine<br />

integrative Bewertung der umweltschutzrelevanten Investitionen<br />

der SBB: die Ökologischen Rechnungseinheiten<br />

(vgl. Scholz & Baumgartner, 2001).<br />

<strong>Die</strong> <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000 führte die Arbeit der <strong>Fallstudie</strong><br />

1999 in gewissen Sinn fort und untersuchte konkret den<br />

Güterverkehr in der Region Zugersee. <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> unterteilte<br />

sich in drei Synthesegruppen und eine Arbeitsgruppe<br />

mit Spezialauftrag. Eine Synthesegruppe ist ein Team aus<br />

Studierenden, Tutoren, SBB-Vertretern und Experten, das in<br />

eigener Regie den Fall unter einem bestimmten Aspekt<br />

angeht und eine Synthese des vorliegenden Wissens erarbeitet.<br />

<strong>Die</strong> drei Synthesegruppen waren (vgl. Abb. 3.1):<br />

– Synthesegruppe «Ökoeffizienz»: <strong>Die</strong> Gruppe sollte unmittelbar<br />

die Analysen zur Ökoeffizienz aus der <strong>Fallstudie</strong><br />

1999 aufgreifen. Konkret ging es darum, Güter-<br />

Transportketten der Region Zug zu modellieren und vergleichende<br />

Ökobilanzen von Strassen- vs. Schienentransport<br />

zu rechnen.<br />

– Synthesegruppe «Akteure»: <strong>Die</strong>se Gruppe beh<strong>and</strong>elte die<br />

Kommunikation unter den Akteuren des Güterverkehrs<br />

(Verlader, SBB, Spediteure, öffentliche H<strong>and</strong> etc.). <strong>Die</strong><br />

beim NFP 41 «Verkehr und Umwelt» vorliegenden<br />

H<strong>and</strong>lungsvorschläge, z.B. im Logistikbereich, sollten<br />

hierzu untersucht und bewertet werden.<br />

– Synthesegruppe «Naturraum»: <strong>Die</strong>se Gruppe versuchte,<br />

die Auswirkungen von Schiene und Strasse auf den Naturraum<br />

zu bewerten. Im speziellen ging die Gruppe der<br />

Frage nach, welche Habitatsqualität das Schienennetz im<br />

Vergleich mit der Strasse aufweist.<br />

– Zudem gab es die Arbeitsgruppe «Szenarien». Sie arbeitete<br />

zusammen mit leitenden Vertretern der SBB. Ihr<br />

Spezialauftrag best<strong>and</strong> darin, aus einer unternehmensorientierten<br />

Sicht Szenarien für den Güterverkehr zu<br />

entwickeln und Unternehmensstrategien zu bewerten.<br />

Sie trug wesentlich dazu bei, die Arbeiten der beiden<br />

<strong>Fallstudie</strong>n 1999 und 2000 zu einem Gesamtbild «Zukunft<br />

Schiene Schweiz» zu verdichten.<br />

<strong>Die</strong> Hauptarbeit der Gruppen erfolgte während des Sommersemesters,<br />

also von Anfang April bis Anfang Juli 2000.<br />

Zu ergänzen ist der Aspekt der Wissensintegration. <strong>Die</strong><br />

methodengestützte Wissensintegration ist ein zentrales<br />

Lern- und Projektziel der <strong>Fallstudie</strong>n (Scholz & Tietje,<br />

1996, in prep; vgl. auch Kap. <strong>Fallstudie</strong>nmethoden). <strong>Die</strong><br />

genutzten Methoden, z.B. Ökobilanzierung und Szenario-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 31


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

Abb. 3.1: Aufbau der <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000.<br />

Abb. 3.2: <strong>Die</strong> Reform des Schienengüterverkehrs<br />

ist ein gesamteuropäisches<br />

Problem. Auch die<br />

Güterverkehrsbeziehungen vieler<br />

in der Region Zug ansässigen Firmen<br />

reichen weit über die Region<br />

hinaus (<strong>Die</strong> lokale Darstellung<br />

zeigt das Zuger Stadtbahnprojekt<br />

für vertakteten Personenverkehr).<br />

32 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

analyse, unterstützen in gleichem Masse die sachliche, fallorientierte<br />

Wissensintegration wie auch den «kollektiven<br />

Problemlöseprozess» in den Synthesegruppen (vgl. Mieg,<br />

2000). <strong>Die</strong> Wissensintegration umfasst:<br />

– verschiedene Disziplinen: Umweltnaturwissenschaften,<br />

Verkehrstechnik, politische Ökonomie, etc.,<br />

– verschiedene Wissenstypen: akademisches Wissen<br />

(<strong>ETH</strong>), Planungswissen (SBB), lokales Erfahrungswissen<br />

(kantonale Stellen), etc.,<br />

– verschiedene Systeme: Naturraum, Verkehrssystem, Akteursnetz,<br />

etc.,<br />

– verschiedene Interessen: akademische Ausbildung<br />

(UMNW), Unternehmen (SBB, Verlader), angew<strong>and</strong>te<br />

Forschung (NFP), etc.<br />

3.2 Systemabgrenzung<br />

So klein die Schweiz auch von aussen besehen wirken mag,<br />

als Fall und System für die <strong>Fallstudie</strong> 2000 schien sie zu<br />

gross. Zu vielfältig sind in der Schweiz die Akteursbeziehungen<br />

im Transportgewerbe und die lokalen Besonderheiten<br />

hinsichtlich Gütern und Transporteuren. <strong>Die</strong> Region Zug<br />

ist hingegen mit Blick auf ihre Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung<br />

ein Modellfall für die zukünftige Entwicklung<br />

in weiten Teile der ganzen Schweiz. <strong>Die</strong> Region stellt sich<br />

als ein enger Verbund ländlicher Räume und städtischer<br />

Agglomeration dar, sie ist infrastrukturell hoch entwickelt<br />

und weist ein hohes Wirtschaftswachstum sowie regionsübergreifende<br />

Wirtschafts- und Güterverkehrsbeziehungen<br />

auf. In den letzten Jahren exp<strong>and</strong>ierten die wertschöpfungsstarken,<br />

kommerziellen <strong>Die</strong>nstleistungen, vor allem in den<br />

Bereichen Planung und Beratung, Banken und Versicherungen.<br />

Wenig verwunderlich ist, dass der Anteil der Bahn am<br />

Güterverkehrsaufkommen in der Region Zug nicht nur<br />

sinkt, sondern auch für Schweizer Verhältnisse unterdurchschnittlich<br />

ist. <strong>Die</strong> Region Zug war das Fallbeispiel für die<br />

NFP 41-Studie zu «Unternehmensstrategien und Güterverkehr»<br />

(Thierstein et al., 1999).<br />

Der Kanton Zug ist recht aktiv im Bereich Personenverkehr.<br />

Bis 2004 soll eine Stadtbahn im Kanton eingeführt<br />

werden (vgl. auch Abb. 3.2). Sie wird die wichtigsten Orte<br />

im Viertelstundentakt verbinden. Vergleichbare Initiativen<br />

im Güterverkehr gibt es jedoch nicht. Der Güterverlad am<br />

Bahnhof Zug ist eingestellt worden. Mit dem Bahnhof Rotkreuz<br />

besitzt die Region einen strategisch günstig gelegenen<br />

Güterumschlag-St<strong>and</strong>ort, dessen Infrastruktur jedoch «noch<br />

entwicklungsbedürftig» ist (Thierstein et al., 1999, S. 8).<br />

Einige in der Region ansässige Firmen wie V-Zug, Migros<br />

oder Cham Paper Group nutzen ihre bestehenden Anschlussgleise.<br />

Für die <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000 erweiterten wir die Systemgrenze<br />

der Betrachtung auf die Region Zugersee. Der südliche<br />

Teil des Zugersees liegt im Kanton Schwyz; es führen<br />

im Osten wie im Westen wichtige Trassen am Zugersee<br />

entlang in Richtung Süden. Sie treffen sich in Arth-Goldau<br />

und führen von dort weiter einerseits Richtung Gotthard-<br />

Tunnel und <strong>and</strong>ererseits Richtung Pfäffikon am Zürich See.<br />

<strong>Die</strong> Gotthard-Strecke ist die wichtigste Gütertransit-Strecke<br />

der Schweiz.<br />

4 Perspektiven auf den Fall:<br />

SBB AG, NFP 41, Kanton Zug<br />

Der Schienengüterverkehr in der Region Zugersee lässt sich<br />

aus sehr unterschiedlichen Perspektiven betrachten; die umweltnaturwissenschaftliche<br />

<strong>ETH</strong>-Perspektive ist nur eine<br />

davon. Im vorliegenden B<strong>and</strong> stellen die wichtigen Kooperationspartner<br />

ihre Sicht vor. Es h<strong>and</strong>elt sich hierbei um<br />

– die Sicht der SBB als unternehmerischer Entscheidungsträger,<br />

– die Sicht des NFP 41 «Verkehr und Umwelt» als nationales<br />

Wissenschaftsprogramm,<br />

– die Sicht der Region Zug als Region mit eigener Geschichte<br />

und Entwicklung.<br />

4.1 SBB – Unternehmen im W<strong>and</strong>el<br />

<strong>Die</strong> Situation der SBB ist geprägt durch die Bahnreform. Als<br />

die Kooperation zwischen <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> und SBB verh<strong>and</strong>elt<br />

wurde – das war 1998 – waren die SBB noch eine<br />

Anstalt des Bundes. Mit der Bahnreform sind die SBB zu<br />

einer AG des Bundes geworden. Der Bereich Güterverkehr,<br />

die SBB Cargo, ist eine eigenständige Division geworden.<br />

Dank einer massiven Entschuldung erhält die SBB AG die<br />

«vielleicht einmalige Chance», «ihre unternehmerische Leistungsfähigkeit<br />

unter Beweis zu stellen» (vgl.<br />

www.sbb.ch/about_d). Zentrale Elemente der Schweizer<br />

Bahnreform sind:<br />

– Wettbewerb: In Zukunft soll Wettbewerb zwischen den<br />

Bahnen möglich sein. Eine Öffnung ist grundsätzlich für<br />

den gesamten Güterverkehr sowie den internationalen<br />

Personenverkehr geplant, nicht aber im eng abgestimmten<br />

nationalen Personenverkehr.<br />

– Netzzugang durch Dritte (open access): <strong>Die</strong> Bahnunternehmen<br />

müssen ihre Infrastruktur auch Dritten gegen<br />

eine Gebühr diskriminierungsfrei zur Verfügung stellen.<br />

– Trennung von Infrastruktur- und Verkehrsbereich: <strong>Die</strong><br />

Bahnreform verlangt von den SBB nicht nur eine rechnerische,<br />

sondern auch eine organisatorische Trennung der<br />

beiden Bereiche. Sie sollen je unabhängig mit eigener<br />

Erfolgsrechnung und Bilanz geführt werden.<br />

In Sachen Umweltschutz ist die SBB mit sehr unterschiedlichen<br />

Anliegen konfrontiert, die vom Lärmschutz über<br />

Fragen der L<strong>and</strong>schaftsentwicklung bis hin zum Problem<br />

Abfall reichen. Abb. 4.1.1 zeigt eine Relevanzmatrix der<br />

SBB für umweltbezogene Tätigkeitsfelder. Hohe Relevanz<br />

sieht die SBB insbesondere in den beiden Bereichen «Lärm»<br />

und «Gewässerschutz, Bodenschutz, Altlasten». <strong>Die</strong> Strategie<br />

der SBB im Bereich «Lärmschutz» sieht bis 2015 eine<br />

Reihe von Massnahmen vor:<br />

– Sanierung sämtlichen Rollmaterials der SBB,<br />

– Prüfung von maximal 2 Meter hohen Lärmschutzwänden<br />

mit Hilfe einer Wirtschaftlichkeitsberechnung (KNI, Kosten-Nutzen-Index,<br />

vgl. Hübner, 1997) an den Orten, an<br />

denen die Immissionsgrenzwerte trotz Rollmaterialsanierung<br />

noch überschritten sind,<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 33


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

Abb. 4.1.1: Relevanzmatrix für umweltrelevante Tätigkeitsfelder der SBB (Quelle: Hübner & Kuppelwieser, 1997).<br />

– Finanzierung oder Teilfinanzierung von Lärmschutzfenstern<br />

bei den Gebäuden, wo Lärmschutzwände wirtschaftlich<br />

nicht tragbar sind oder nicht ausreichen, um<br />

die Immissionsgrenzwerte einzuhalten.<br />

In der <strong>Fallstudie</strong> 1999 wurde mit Hilfe von Szenarioanalysen<br />

die Lämstrategie bewertet und für praktikabel und<br />

ökologisch sinnvoll befunden. Eine schriftliche Befragung<br />

von Bahnanwohnern ergab hingegen, dass bei der betroffenen<br />

Bevölkerung noch ein erhebliches Informationsdefizit<br />

über die Lärmschutzstrategie der SBB besteht (Schild,<br />

Schürmann & Hofer, 2001).<br />

Der in diesem B<strong>and</strong> vorliegende Beitrag zur Perspektive<br />

der SBB AG wurde vom BahnUmwelt-Center (BUC) verfasst.<br />

Dessen Leiter ist Peter Hübner. Während der <strong>Fallstudie</strong><br />

war er Mitglied des Beirats und unterstützte die Arbeitsgruppe<br />

Szenarien.<br />

Das BahnUmwelt-Center koordiniert die Umwelttätigkeiten<br />

der SBB AG. Es gehört seit der Bahnreform 1999<br />

dem Konzernstab an und stellt eine Schnittstelle nach aussen<br />

wie nach innen dar (vgl. Abb. 4.1.2). Zu den Aufgaben des<br />

BahnUmwelt-Centers gehören die strategische Ausrichtung<br />

in Umweltfragen, das Umweltmanagement, die Umweltberichterstattung<br />

und die Umweltbilanzierung. Ausserdem ist<br />

es das Kompetenzzentrum für umwelttechnische Fragen.<br />

Das BahnUmwelt-Center ist innerhalb der SBB AG die<br />

koordinierende Stelle im Umweltnetzwerk. Während das<br />

BahnUmwelt-Center als Kompetenzzentrum und Koordinationsstelle<br />

vorwiegend konzeptionell und organisatorisch<br />

tätig ist, obliegt die Umsetzung der Umweltmassnahmen<br />

den einzelnen Geschäftsbereichen. Das Umweltnetzwerk<br />

besteht aus den Mitgliedern des BahnUmwelt-Centers sowie<br />

den Umweltbeauftragten der Geschäftsbereiche. Es<br />

dient dazu, durch Kontakte und Workshops den fachlichen<br />

Austausch und die Koordination zwischen den Umweltfachleuten<br />

sicherzustellen. Es ermöglicht somit die Vernetzung<br />

der Umweltbeauftragten und Umweltprojekte quer<br />

durch die Unternehmung. In dieser Hinsicht ist es gewiss<br />

vorbildlich für unternehmensinternes Umweltmanagement.<br />

34 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

Abb. 4.1.2: <strong>Die</strong> Funktion des<br />

BahnUmwelt-Centers (BUC)<br />

der SBB (Quelle: SBB-BUC).<br />

4.2 NFP 41 «Verkehr und Umwelt» –<br />

Wissenschaft und «Zukunftsgüterbahn»<br />

Für die <strong>Fallstudie</strong>n 1999 und 2000 best<strong>and</strong> von Beginn an<br />

eine enge Verbindung zum NFP 41. NFP 41 steht für das<br />

Nationale Forschungsprogramm «Verkehr und Umwelt,<br />

Wechselwirkungen Schweiz-Europa». Der Hintergrund des<br />

NFP 41 sei kurz berichtet: Der Bundesrat gibt periodisch<br />

dem Schweizerischen Nationalfonds den Auftrag, zu gesellschaftlich<br />

und politisch wichtigen Fragen die wissenschaftlichen<br />

Grundlagen zu verbessern. Der Nationalfonds führt<br />

diese Forschungsprogramme mit Blick auf die Bedürfnisse<br />

der Adressaten in Politik und Verwaltung durch. Das NFP<br />

41 läuft seit 1997, einige der wichtigen Berichte lagen im<br />

Jahr 2000 bereits vor. Den vorliegenden Beitrag zum NFP<br />

41 verfasste Felix Walter, der Projektleiter des NFP 41 (auch<br />

er war Mitglied des <strong>Fallstudie</strong>nbeirats). Sein Beitrag vermittelt<br />

Ziele, Umfeld und Hauptergebnisse dieses Nationalen<br />

Forschungsprogramms.<br />

Mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgten wir die Arbeit<br />

des NFP 41-Projekts «Zukunftsgüterbahn» (Maibach,<br />

Schreyer, Lebküchner & Mauch, 1998; Lebküchner et al.,<br />

2000). In dem Projekt ging es darum, «Innovationslinien»<br />

für eine nachhaltige Entwicklung des Güterverkehrbreichs<br />

aufzuzeigen. Als Zielgrösse diente dem Projekt die Vorgabe<br />

«Faktor 4»: eine Verdoppelung der Produktivität der Schiene<br />

bei Halbierung der Umweltbelastung (vgl. a. von<br />

Weizsäcker, Lovins & Lovins, 1995). Mit Zukunftsgüterbahn<br />

ist eine «Faktor-4»-Bahn in dem genannten Sinne<br />

– Umweltgerechte Bahntechnologie: z.B. im Bereich<br />

Lärm neue Bremstechnologien, Radschallabsorber,<br />

Radschürzen; im Bereich Energie Rekuperationssysteme;<br />

– Intelligente Zugsbildung und Transportketten: z.B.<br />

automatische Kupplung, automatische Wagenerkennung;<br />

– Intelligente Zugsabwicklung: betriebliche Entflechtung<br />

von Personen- und Güterverkehr; Einführung des<br />

ETCS (European Train Control System);<br />

– Interoperable transnationale Systeme: für eine effiziente<br />

internationale Güterabwicklung, v.a. bei Strom<br />

und Sicherheit.<br />

Kasten 4.2: Innovationslinien für eine «Zunkunftsgüterbahn»<br />

nach Maibach et al. (1998).<br />

gemeint. In der Vorstudie zu «Zukunftsgüterbahn» beschrieben<br />

Maibach et al. (1998) die Innovationslinien, die in der<br />

Hauptsache auf technischen Lösungen beruhen (vgl. Kasten<br />

4.2).<br />

In der Hauptstudie skizzieren Lebküchner et al. (2000) die<br />

Zukunftsgüterbahn über die möglichen strategischen Ausrichtungen.<br />

Für eine Zukunftsgüterbahn ergeben sich grundsätzlich<br />

drei verschiedene Stossrichtungen, nämlich als (S.<br />

48ff.; vgl. Abb. 4.2):<br />

– Gesamtlogistikanbieter: <strong>Die</strong> Bahn entwirft im engen<br />

Kontakt mit den Kunden massgeschneiderte Logistik-<br />

Lösungen (wobei der Entscheid für einen Bahntransport<br />

nur eine nachrangige Rolle spielt).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 35


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

Abb: 4.2: Systemebenen, Marktsegmentierung und «Angebotsinnovation» einer Zukunftsgüterbahn. <strong>Die</strong> verschiedenen<br />

Angebotsinnovationen sind stark abhängig von der Struktur des Transportmarktes (Marktsegmentierung). Wird die SBB als<br />

Bahn-Systemanbieter tätig (untere Ebene), so macht die Führung von Ganzzügen nur Sinn, wenn auch das Güteraufkommen<br />

hoch ist. Zu Details und Abkürzungen vgl. die angegebene Quelle (Quelle: Lebküchner et al., 2000, leicht verändert).<br />

– Integrator von Transportketten: <strong>Die</strong> Herausforderung<br />

besteht darin, die Teilsysteme einer Logistikkette «zu<br />

verzahnen», um für die Kunden Tür-zu-Tür-Angebote zu<br />

ermöglichen.<br />

– Bahn-Systemanbieter: <strong>Die</strong> Bahn stellt <strong>and</strong>eren Transportunternehmen<br />

eine moderne, weitgehend für automatischen<br />

Betrieb eingerichtete Infrastruktur zur Verfügung.<br />

Unabhängig von der gewählten Stossrichtung wird eine<br />

Faktor-4-Bahn nur dann Wirklichkeit, so resümieren Lebküchner<br />

et al. (2000, S. K-8), «wenn ein kundengerechtes<br />

Verhalten absolut oberste Priorität aufweist».<br />

Zwischen NFP 41 und den beiden <strong>Fallstudie</strong>n «Zukunft<br />

Schiene Schweiz» gab es enge Verbindungen. Tab. 4.2 gibt<br />

einen Überblick. Im einzelnen sind zu nennen:<br />

36 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

Tab. 4.2: <strong>Die</strong> wichtigsten Berichte des NFP 41, die in die Arbeit der beiden <strong>Fallstudie</strong>n «Zukunft Schiene Schweiz», 1999<br />

und 2000, einflossen.<br />

Titel Autoren (Jahr) Bericht Gruppe<br />

Unternehmensstrategien und Güterverkehr: Wirkungen und A. Thierstein et al. (1999) B3 Akteure<br />

Zusammenhänge – gezeigt am Beispiel der Region Zug<br />

Multimodale Potenziale im transalpinen Güterverkehr R. Maggi et al. (1999) B4 Ökoeffizienz<br />

Zukunftsgüterbahn – Vorstudie M. Maibach et al. (1998) B5 Szenarien<br />

Zukunftsgüterbahn – Hauptstudie M. Lebküchner et al. (2000) B5+ Szenarien<br />

Kosten und Nutzen im Natur- und L<strong>and</strong>schaftsschutz Infraconsult (1999) C1 <strong>Fallstudie</strong> ‘99<br />

– <strong>Die</strong> Synthesegruppe Natur & L<strong>and</strong>schaft der <strong>Fallstudie</strong><br />

1999 testete den Monetarisierungs-Ansatz des NFP-Projektes<br />

«Kosten und Nutzen im Natur- und L<strong>and</strong>schaftsschutz».<br />

Es ging darum, den Nutzen von Naturschutzvorhaben<br />

durch Zahlungsbereitschaften zu erfassen («Wieviel<br />

mehr Sie für ein Ticket bezahlen, wenn mit dem<br />

Aufpreis der Naturschutz gefördert wird»). Der Ansatz<br />

wurde differenziert (Zahlungsbereitschaft Anwohner vs.<br />

Zugreisende; differenzierte Nutzenbewertung) und in<br />

den Gegenden Limmattal und Rotsee erfolgreich angew<strong>and</strong>t.<br />

– <strong>Die</strong> <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000 ging von dem Bericht «Unternehmensstrategien<br />

und Güterverkehr» (Thierstein et al.,<br />

1999) aus. In diesem Bericht werden verschiedene Vorschläge<br />

für die regionale Zusammenarbeit in der Region<br />

Zug vorgestellt. <strong>Die</strong> Synthesegruppe Akteure veranstaltete<br />

hierzu ein Güterforum mit SBB Cargo, Verladern<br />

und Transporteuren aus der Region.<br />

– Ein besonderes Ziel der <strong>Fallstudie</strong> 2000, das die Anliegen<br />

von <strong>Fallstudie</strong>, SBB AG und NFP 41 verbindet, war die<br />

Weiterentwicklung des Masses der Ökoeffizienz, um<br />

Transporte ökologisch-ökonomisch bilanzieren zu können.<br />

<strong>Die</strong>ser Aufgabe nahm sich die Synthesegruppe<br />

Ökoeffizienz an und griff dabei auf die Ergebnisse des<br />

NFP 41-Projektes «Multimodale Potenziale im transalpinen<br />

Güterverkehr» (Maggi et al., 1999) zurück.<br />

– <strong>Die</strong> Gruppe Szenarien orientierte sich in ihrer Arbeit an<br />

dem NFP 41-Projekt «Zukunftsgüterbahn» (Maibach et<br />

al., 1998; Lebküchner et al., 2000) und erstellte Szenarien<br />

für einen ökologischen Bahnverkehr der Zukunft. Im<br />

Vorgriff auf die Ergebnisse lässt sich sagen: Hier wie dort<br />

zeigt sich die Bedeutung des SBB-Strommixes. <strong>Die</strong>ser<br />

weist heutzutage dank Wasserkraft eine vergleichsweise<br />

gute Ökobilanz auf. <strong>Die</strong> Gesamtökobilanz der SBB AG<br />

würde sich jedoch dramatisch verschlechtern, sobald die<br />

SBB – aus welchen Gründen auch immer – auf den<br />

europäischen UCPTE-Strommix wechseln sollte.<br />

4.3 Region Zug – ein Modellfall?<br />

«Stunde ersehnt so lang!<br />

Stunde gehofft so bang!<br />

Bist zu L<strong>and</strong>esfrommen<br />

Endlich du gekommen?<br />

Nun dann grüßen wir All<br />

Dich drum viel tausendmal.<br />

Eisenbahn! Eisenbahn! – machtest viel Batzen uns schwitzen,<br />

Um dich, zärtlich gepflegtes Kind, einmal zu erlangen!<br />

Mach nicht hoffnungstäuschend uns ins Pech etwa sitzen,<br />

Wie es so viel <strong>and</strong>ern vor uns schon mit Dir ergangen. [...]»<br />

Mit diesen Worten begrüsste der Zuger Bote auf Seite 1<br />

die Eröffnung der Eisenbahnlinie Zürich–Zug–Luzern am<br />

30. Mai 1864 (Dossenbach, 1864, Auszug; zitiert nach<br />

Schalch, 1997, S. 135). Der Wunsch «Mach nicht hoffnungstäuschend<br />

uns ins Pech etwa sitzen» kam nicht von<br />

ungefähr. Drei Jahre zuvor, 1861, war die Schweizerische<br />

Ost-West-Bahn-Gesellschaft (OWB) bankrott gegangen<br />

und musste liquidiert werden. Damit starb auch das ehrgeizige<br />

Projekt, eine direkte Eisenbahnverbindung von Lausanne<br />

über Zug nach St. Gallen zu schaffen. <strong>Die</strong>se Geschichte<br />

vom Kampf um Konzessionen und politische Unterstützung,<br />

in dem letztlich die Zürcher Nordostbahn (NOB)<br />

obsiegte, liest sich wie ein Krimi; er findet sich mit grosser<br />

Sorgfalt in dem Buch «Zug kommt zum Zug» von J.A.J.<br />

Schalch (1997) dokumentiert.<br />

Den Beitrag über die Region Zug verfasste die «Stiftung<br />

Wirtschafts- und Lebensraum Zug». Sie hat auch das NFP<br />

41-Projekt «Unternehmensstrategien und Güterverkehr»<br />

(Thierstein et al., 1999) unterstützt und 1995 unter dem Titel<br />

«Modell Zug» eine umfangreiche Studie zum St<strong>and</strong>ort Zug<br />

veröffentlicht (durchgeführt u.a. von A. Thierstein). Auch<br />

wir fassen die Region Zug als einen Modellfall für die<br />

mögliche Entwicklung in der Schweiz auf. Zwei Punkte<br />

möchte ich besonders hervorheben:<br />

– Am St<strong>and</strong>ort Zug zeigt sich die wirtschaftliche Entwicklung<br />

in der Schweiz in einem fortgeschrittenen Stadium.<br />

<strong>Die</strong>s gilt vor allem für den tertiären Sektor, den <strong>Die</strong>nstleistungs-Bereich.<br />

<strong>Die</strong>se Entwicklung wird früher oder<br />

später die Schweiz als Ganze prägen.<br />

– <strong>Die</strong> Region Zug stellt sich dar als ein Nebenein<strong>and</strong>er von<br />

Bergen, Seen und Wirtschaftstätigkeiten mit überregio-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 37


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

naler Bedeutung. Auch das Bild der Schweiz wird geprägt<br />

von Naturverbundenheit. <strong>Die</strong>s lässt leicht vergessen,<br />

dass die Schweiz zu einem der früh und am stärksten<br />

industrialisierten Ländern der Welt gehört. Das gilt auch<br />

für Zug.<br />

Entwicklung des tertiären Sektors<br />

Dass das Güterverkehrsaufkommen der Bahn in der Region<br />

Zug vergleichsweise gering ist, hat weniger mit geringer<br />

industrieller Produktion zu tun als vielmehr mit dem wirtschaftlichen<br />

W<strong>and</strong>el. Um ein Beispiel zu geben: 1878 transportierte<br />

die Anglo-Swiss Condensed Milk Co. für damals<br />

71’000 Franken Vergütung Güter mit der NOB. Darunter<br />

waren 90 Wagen Weissblech, 100 Wagen Zucker, 312 Wagen<br />

Steine, 68 Wagen leere Büchsen und 391 Wagen Kondensmilch,<br />

welche weiter nach London exportiert wurden<br />

(Schalch, 1997, S. 169). <strong>Die</strong> Anglo-Swiss Condensed Milk<br />

Co. ist seit der Fusion 1905 in der Nestlé AG aufgegangen,<br />

der Fimensitz in Cham ist erhalten geblieben, auch wenn<br />

dort heute nicht mehr produziert wird.<br />

Tabelle 4.3 zeigt die Veränderungen des Schienengüterverkehrs<br />

im Kanton Zug in den vergangenen Jahren. Wie<br />

man sieht, beträgt der Anteil des Zuger Einzelwagen-Ladungsverkehrs<br />

am Schweizer Gesamtaufkommen etwa 1%,<br />

beim Kombiverkehr liegt er noch tiefer. Das Transportgutaufkommen<br />

hat in Zug ebenso abgenommen wie in der<br />

Schweiz (wenn auch die Abnahme im Kanton Zug geringer<br />

ausfiel). Auffallend ist, dass – <strong>and</strong>ers als in der Schweiz –<br />

der Zuger Import stark zugenommen hat, während der Export<br />

sank. Was Zug heute exportiert sind nicht Industriegüter<br />

sondern «Brainware». Der Kanton ist ein «Arbeitsmarktmagnet»<br />

(Stiftung Wirtschafts- und Lebensraum Zug, 1995,<br />

S. 52): Fast ein Viertel aller Beschäftigten sind Zupendler<br />

aus <strong>and</strong>eren Kantonen. Auch im Vergleich mit der Gesamtschweiz<br />

dominiert im Kanton Zug der <strong>Die</strong>nstleistungssektor,<br />

voran die Geschäftstätigkeit von Banken, Beratung,<br />

Treuh<strong>and</strong>wesen und Finanzgesellschaften (a.a.O., S. 32f.).<br />

«Zug – Weltst<strong>and</strong>ort und Idylle»<br />

So titelte die Neue Zürcher Zeitung im Mai 1997 eine<br />

Sonderausgabe zum St<strong>and</strong>ort Zug. <strong>Die</strong>se Verschwisterung<br />

von Weltst<strong>and</strong>ort und Idylle zeigt sich auch in der Bevölkerungsbefragung<br />

zur Lebensqualität, die die «Stiftung Wirtschafts-<br />

und Lebensraum Zug» 1994 durchführen liess (vgl.<br />

Abb. 4.3): Obenan stehen die Steuersituation und die L<strong>and</strong>schaft.<br />

Hoch geschätzt werden zudem der öffentliche Verkehr,<br />

die Wohnverhältnisse und die medizinische Versorgung.<br />

Nicht ohne Grund sind die Mieten seit 1985 in Zug so<br />

hoch wie in Zürich (a.a.O., S. 16). <strong>Die</strong> drei Weltkonzerne<br />

Shell, BP und Unilever verlegten 1993 bzw. 1995 ihren<br />

Schweizer Sitz von Zürich nach Zug. <strong>Die</strong>ses Nebenein<strong>and</strong>er<br />

von Natur und Moderne ist keineswegs spezifisch für den<br />

Kanton Zug. Es scheint vielmehr für viele Orte der Schweiz<br />

typisch und kann Geltung für die Schweiz als Ganzes beanspruchen.<br />

Betrachten wir den Güterverkehr in unserem Fallbeispiel<br />

Region Zug, so fällt auf und bleibt festzuhalten:<br />

– Wie jeder <strong>and</strong>ere Kanton löst auch der Kanton Zug grosse<br />

Güterströme aus, vor allem bei den Abfällen. <strong>Die</strong>se werden<br />

zum grossen Teil im Kombinierten Verkehr transportiert.<br />

– Wir können annehmen, dass auch die internationalen<br />

Firmen aus Zug Transporte grösseren Ausmasses auslösen:<br />

nämlich international. <strong>Die</strong> Entscheidungen für solche<br />

globalen Transporte fallen lokal – auch im Kanton<br />

Zug.<br />

– Wegen der Lärmbelastung ist der Schienengüterverkehr<br />

der Lebensqualität am St<strong>and</strong>ort Zug nicht förderlich.<br />

Schon deshalb ist eine Ausweitung des Schienengüterverkehrs<br />

im Kanton Zug nicht naheliegend.<br />

– Hinzukommt das Stadtbahnprojekt, das einen S-Bahn-<br />

Betrieb für die Region vorsieht: <strong>Die</strong> Frage des Trassenzugangs<br />

kann hier in einen Konflikt zwischen Personenund<br />

Güterverkehr führen (auf Kosten des Schienengüterverkehrs).<br />

Tab. 4.3: Vergleich von 1986 und 1996 auf der Bahn transportierten Güter in Zug und der Schweiz (Quelle: Thierstein et al.,<br />

1999, leicht korrigiert).<br />

Kanton Zug<br />

Transportgut<br />

[in 1000 t]<br />

Schweiz<br />

Differenz<br />

1986-1996<br />

[in %]<br />

1986 1996 1986 1996 Zug CH<br />

Wagenladungsverkehr 395 362 38’683 32’460 -8 -16<br />

Binnenverkehr 257 186 17’388 15’270 -28 -12<br />

Export 10 5 2’047 2’296 -50 +12<br />

Import 128 170 11’311 7’675 +33 -32<br />

Transit 0 1 0 1 7’937 7’220 +0 -9<br />

Kombinierter Verkehr 8 15 5’130 11’106 +88 +116<br />

1 Für den Transit durch den Kanton Zug ergibt sich kein Wert, da der Transitgüterverkehr nur zwischen Schweizer Grenzbahnhöfen gerechnet wird.<br />

38 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

Abb. 4.3: Bewertungsprofil der Lebensqualität<br />

in der Region Zug (Quelle:<br />

Stiftung Wirtschafts- und Lebensraum<br />

Zug, 1995).<br />

– Beachtenswert ist die Rolle des Kantons beziehungsweise<br />

der kantonalen Verwaltung. Der Kanton tritt nicht nur<br />

als Besteller für Leistungen im Personennahverkehr auf.<br />

Er betreibt auch aktive St<strong>and</strong>ortpolitik und Ansiedlungsberatung<br />

für Firmen. Wichtige Entscheide über die Art<br />

der Verkehrsanbindung fallen im Gespräch zwischen<br />

Firma und kantonaler Verwaltung.<br />

Wie sich zeigt: <strong>Die</strong> Region Zug ist relevant und durchaus<br />

repräsentativ für aktuelle Probleme im Güterverkehr in der<br />

Schweiz.<br />

4.4 Der <strong>Fallstudie</strong>nbeirat<br />

<strong>Die</strong> vorgestellten Perspektiven und Akteursgruppen waren<br />

aktiv im <strong>Fallstudie</strong>nbeirat der <strong>Fallstudie</strong> 2000 vertreten<br />

(vgl. Kasten 4.4). In diesem Beirat sassen Vertreter der SBB<br />

(Zentralbereich SBB, SBB Cargo) und der <strong>ETH</strong>-Umweltnaturwissenschaften<br />

sowie Vertreter von Wirtschaft und Politik<br />

der Region Zug. Nicht zu vergessen Felix Walter als<br />

Leiter des NFP 41 «Verkehr und Umwelt». Der <strong>Fallstudie</strong>nbeirat<br />

diente der inhaltlichen Steuerung und Beratung der<br />

<strong>Fallstudie</strong>. Er diskutierte die Konzepte der Synthesegruppen,<br />

deren Ergebnisse sowie die Nutzung der <strong>Fallstudie</strong>narbeit<br />

als Ganzes.<br />

Beirat der <strong>Fallstudie</strong> 2000<br />

SBB<br />

Dr. Peter Füglistaler, Generalsekretär SBB AG<br />

Peter Hübner, Delegierter Umwelt SBB, BahnUmwelt-<br />

Center SBB<br />

Dr. Hans-Peter Vogel, SBB Cargo<br />

Markus Siegenthaler, Division Güterverkehr, Region 4 -<br />

Produktion<br />

Kanton Zug / Region Zugersee<br />

Martin Bütikofer, Leiter Amt für öffentlichen Verkehr<br />

René Hutter, Kantonsplaner<br />

Kurt Iten, Vizedirektor Stab und Qualitätssicherung, V-<br />

Zug AG<br />

<strong>ETH</strong> Zürich Departement Umweltnaturwissenschaften<br />

Prof. Peter Edwards, Geobotanisches Institut<br />

Prof. Thomas Peter, Laboratorium für Atmosphärenphysik<br />

NFP 41 – Verkehr und Umwelt<br />

Felix Walter, Programmleiter NFP 41<br />

Kasten 4.4: Beirat der <strong>Fallstudie</strong> 2000.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 39


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

5 <strong>Die</strong> Ergebnisse<br />

Der vorliegende B<strong>and</strong> präsentiert die Arbeiten der drei<br />

Synthesegruppen (Ökoeffizienz, Naturraum, Akteure) und<br />

der Arbeitsgruppe Szenarien sowie einer Teilprojektgruppe<br />

zum Thema Lärm. Vor dem Hintergrund des gemeinsamen<br />

Ziels – der ökologischen Bewertung des Verkehrsträgers<br />

Schiene – scheinen in den Beiträgen der Gruppen drei<br />

gemeinsame Fragen auf:<br />

1) Das Bewertungsproblem: Wie lässt sich die Umweltbelastung<br />

hinreichend spezifisch-wissenschaftlich und<br />

doch pragmatisch-nützlich beurteilen? Wie aussagekräftig<br />

sind Ökobilanzen? Welche <strong>and</strong>eren umweltnaturwissenschaftlich<br />

geeigneten Methoden lassen sich finden?<br />

2) Der Strasse-Schiene-Vergleich: Das wachsende Transportaufkommen<br />

– ganz gleich auf welchem Verkehrsträger<br />

– kann aus Umweltsicht nicht nachhaltig sein. Für<br />

eine Bewertung müssen wir mit Vergleichen von Schienen-<br />

vs. Strassentransporten arbeiten. <strong>Die</strong> Frage ist: Welche<br />

Betrachtungsebene der Umweltauswirkungen wählen<br />

wir (global vs. lokal), und welche spezifischen Streckenalternativen<br />

(Strasse-Schiene) ziehen wir für einen<br />

Vergleich heran?<br />

3) Das Thema Logistik: <strong>Die</strong> Transportketten müssen heute<br />

über mehrere Verkehrssysteme hinweg bewertet, gesteuert<br />

und optimiert werden. <strong>Die</strong>s erfordert Logistik. Da die<br />

Transportkosten derzeit tief sind, werden Innovationen<br />

aus dem Logistikbereich nur zögerlich umgesetzt (Logistik<br />

ist mehr als der Transport Gut X von A nach B). <strong>Die</strong><br />

Wertschöpfung der Bahn entsteht hingegen (bislang) nur<br />

auf den Bahnstrecken.<br />

<strong>Die</strong> Gruppen sind mit diesen Fragen recht unterschiedlich<br />

umgegangen.<br />

5.1 Ökoeffizienz – Ökonomie und<br />

Ökologie des Gütertransports<br />

Was ist Ökoeffizienz? <strong>Die</strong> Definition des World Business<br />

Council for Sustainable Development (WBCSD) von 1992<br />

lautete:<br />

«Ökoeffizienz bezeichnet die zunehmende Produktion<br />

von nützlichen Gütern und <strong>Die</strong>nstleistungen bei laufend<br />

abnehmendem Verbrauch von natürlichen Ressourcen, also<br />

Rohmaterialien und Energie.» (von Weizsäcker & Seiler-<br />

Hausmann, 1999)<br />

<strong>Die</strong> Gruppe Ökoeffizienz erarbeitete für den Güterverkehr<br />

eine neue Methode, um die Ökoeffizienz von Transporten zu<br />

berechnen. Hierzu ging sie im Wesentlichen in zwei Schritten<br />

vor:<br />

Ökobilanzierung<br />

Verschiedene Alternativen eines Transportes (mit definierter<br />

Menge und Strecke) wurden ausschliesslich bezüglich<br />

ihrer Umweltbelastung verglichen. <strong>Die</strong> Berechnung der<br />

Umweltbelastung erfolgte mittels Eco-Indicator 99, einer<br />

schadensorientierten Ökobilanz-Bewertungsmethode<br />

(Goedkoop & Spriensma, 1999).<br />

Für den ökologischen Vergleich wurden konkrete Transportketten<br />

inventarisiert. Ausgewählt wurden typische Güter<br />

und Transportketten für drei Firmen mit überregionalen<br />

Gütertransporten. <strong>Die</strong> Firmen waren V-Zug (Transportgut:<br />

Küchengeräte), Cham Paper Group (Transportgut: Zellstoff)<br />

und Migros (Transportgut: Tomatenkonserven). Es<br />

wurden alle für eine Ökobilanz mittels Eco-Indicator 99<br />

notwendigen Daten erhoben. Dazu mussten erfasst werden:<br />

– die spezifischen Transportstrecken,<br />

– die Transportmittel (inkl. Umladevorgänge),<br />

– die Tonnage und<br />

– die Transporthäufigkeiten.<br />

Zusätzlich wurden alternative Transportketten mit <strong>and</strong>eren<br />

Transportmitteln bzw. mit neuen Technologien definiert<br />

und deren hypothetische Umweltbelastung errechnet.<br />

Vergleich der Ökoeffizienz auf zwei Arten:<br />

A<br />

Nach der St<strong>and</strong>arddefinition (Formel A) ist es fraglich, ob<br />

man hier wirklich von Ökoeffizienz sprechen kann, da der<br />

ökonomische Aspekt mit dem Mass der Tonnenkilometer<br />

nur ungenügend berücksichtigt wird.<br />

Um den individuellen Ansprüchen gerecht zu werden, die<br />

Firmen an Transporte stellen, wurde eine Methode entwickelt,<br />

die diese firmenspezifischen Faktoren in der Berechnung<br />

der Ökoeffizienz miteinbezieht. Im sogenannten Gütertransportnutzen<br />

(GTN) werden nicht nur die Tonnenkilometer<br />

– die in der Ökobilanzierung übliche funktionelle<br />

Einheit – sondern auch die Kosten und Transportqualitäten<br />

(Transportzeit, Zuverlässigkeit, Häufigkeit und Flexibilität)<br />

berücksichtigt. Als Grundlage diente der NFP 41-Bericht<br />

von Maggi et al. (1999).<br />

B<br />

Tonnenkilometer<br />

Ökoeffizienz =<br />

Eco - Indicator Punkte<br />

Gütertransportnutzen (GTN)<br />

Ökoeffizienz =<br />

Eco - Indicator Punkte<br />

Durch den Einbezug des GTN in Formel B werden auch<br />

ökonomische Aspekte berücksichtigt.<br />

Wesentliche Aussagen der Gruppe Ökoeffizienz sind:<br />

1) <strong>Die</strong> herkömmliche Verwendung von Tonnenkilometer<br />

(als funktionelle Einheit) zur Berechnung der Ökoeffizienz<br />

ist ungenügend (Formel A). <strong>Die</strong> funktionelle Einheit<br />

(definiert als «Gütertransportnutzen») sollte um die<br />

Kosten sowie die Transportqualitäten ergänzt werden<br />

(Formel B).<br />

2) Eine Transportkette ist umso ökologischer, je grösser der<br />

Anteil der Bahn ist. <strong>Die</strong>s gilt nicht nur für eine Ökobilanz,<br />

sondern auch für die Berechnung der Ökoeffizienz<br />

mit Tonnenkilometern pro Umweltbelastung.<br />

40 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

Noch kein befriedigendes Ergebnis erbrachte der Versuch<br />

der Messung des Gütertransportnutzens bei den Verladern.<br />

<strong>Die</strong>s erfordert mehr Zeit und weitere Überlegungen hinsichtlich<br />

der Form der Erhebung.<br />

5.2 Naturraum – die grundsätzlichen<br />

Schwierigkeiten des Vergleichs von<br />

Schiene und Strasse<br />

<strong>Die</strong> Gruppe Naturraum versuchte, die Auswirkungen von<br />

Schiene und Strasse auf den Naturraum zu bewerten. <strong>Die</strong><br />

Infrastruktur und der Betrieb dieser Verkehrssysteme haben<br />

einen grossen Einfluss auf ökologische Systeme. <strong>Die</strong> Verkehrssysteme<br />

verbrauchen L<strong>and</strong>, zerschneiden Ökosysteme<br />

und belasten Wasser, Boden und Luft. Andererseits können<br />

gerade die Bahn- und Strassenböschungen einen wertvollen<br />

Lebensraum darstellen und verfügen über ein Vernetzungspotential.<br />

Vergleichende Untersuchungen der Umweltauswirkungen<br />

von Schiene und Strasse sind bereits mithilfe von Ökobilanzen<br />

vorgenommen worden. Als Bewertungskriterien<br />

wurden Primärenergieverbrauch und Emissionen von Luftschadstoffen<br />

herangezogen. Ein Vergleich der Verkehrsträger<br />

Schiene und Strasse in ihrer Auswirkung auf L<strong>and</strong>schaft<br />

und Naturraum fehlt jedoch bisher weitgehend. Das Eidgenössische<br />

Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und<br />

Kommunikation (UVEK) plant eine Erhebung der externen<br />

Kosten des Verkehrs im Bereich Natur und L<strong>and</strong>schaft. Eine<br />

Vorstudie definierte die Bewertungsschwerpunkte als:<br />

– Habitatsverlust,<br />

– Habitatsqualitätsverlust,<br />

– Habitatsfragmentierung (Ökoskop, 1998).<br />

Bei genauerem Hinsehen erweist sich jedoch das Problem<br />

des naturräumlichen Vergleichs von Strasse und Schiene als<br />

komplexer. <strong>Die</strong> Umweltauswirkungen der beiden Verkehrsträger<br />

auf Wasser, Boden und Luft sind nicht auf eine<br />

Beeinträchtigung von Habitaten beschränkt. Das Bewertungsproblem<br />

ist insbesondere von der Art des Schutzgutes<br />

und dem Wirkungsperimeter abhängig. Zu berücksichtigen<br />

sind:<br />

– Wirkungsperimeter / Auflösungsgrad: Es ist eine kleinräumliche<br />

Betrachtung von Habitaten ebenso nötig wie<br />

die Bewertung von L<strong>and</strong>schaftsveränderungen.<br />

– Schutzgut / Bewertungsperspektive: Betrachten wir Ökosysteme<br />

oder Wildpfade, oder h<strong>and</strong>elt es sich um eine<br />

kulturelle, ästhetische Bewertung?<br />

– Art der Daten und Methoden: Mal h<strong>and</strong>elt es sich um<br />

Inventare, mal um Modellierungen, mal um Schätzgrössen<br />

bzw. Wertungen.<br />

Das Kapitel Naturraum beschreibt die grundsätzlichen<br />

Schwierigkeiten des ökologischen Vergleichs von Strasse<br />

und Schiene an Fallbeispielen aus der Region Zug. <strong>Die</strong><br />

Schwierigkeiten beginnen mit der Streckenwahl. Was sind<br />

vergleichbare, äquivalente Strassen- und Schienenstrecken?<br />

Liegen sie zu nah beiein<strong>and</strong>er, so sind die Wirkungen auf<br />

den Naturraum nicht mehr trennbar. Liegen sie zu weit<br />

ausein<strong>and</strong>er, so sind unterschiedliche Naturräume betroffen.<br />

<strong>Die</strong> Gruppe Naturraum entschied sich für die Trasse Rotkreuz<br />

– Arth-Goldau, die für den Güterverkehr genutzt wird<br />

und zu der parallel die Autobahn A4 führt. Es wurde eine<br />

Bewertung aus klein- und grossräumlicher Sicht sowie unter<br />

dem Gesichtspunkt der L<strong>and</strong>schaftsästhetik vorgenommen<br />

(vgl. Tab. 5.2.1).<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse ergaben ein widersprüchliches Gesamtbild:<br />

– <strong>Die</strong> Vegetationsaufnahme zeigte bei den Autobahnböschungen<br />

20% mehr Arten als bei den Schienenböschungen.<br />

– Das Ergebnis der Waldr<strong>and</strong>bewertung war bei der Autobahn<br />

unbefriedigend, bei der Schiene zufriedenstellend.<br />

– <strong>Die</strong> Wildtierkorridore wurden für den Rothirsch modelliert.<br />

Es zeigt sich, dass beide Verkehrssysteme die Ausbreitung<br />

des Rothirsches stark beeinträchtigen. <strong>Die</strong> vorh<strong>and</strong>enen<br />

Brücken und Tunnels vermindern bei Strasse<br />

wie Schiene den Barriereeffekt.<br />

– Bei der l<strong>and</strong>schaftsästhetischen Bewertung nach drei<br />

Aspekten (naturgeschichtlicher Aspekt; kulturhistorischer<br />

und ästhetischer Aspekt; funktionaler Aspekt)<br />

schnitt die Infrastruktur bei der Schiene besser ab als bei<br />

der Autobahn.<br />

<strong>Die</strong> Aussagekraft wird dadurch begrenzt, dass keine Erhebungen<br />

entlang der gesamten Strecke möglich waren. Wie<br />

sich zeigte, sind die Bewertungsprobleme grundsätzlicher<br />

Natur. Gravierend sind Widersprüche bei der naturräumlichen<br />

Bewertung von Strasse und Schiene: Tab. 5.2.2 zeigt,<br />

dass die Wirkungen einiger Verkehrsinfrastruktur-Elemente<br />

Tab. 5.2.1: Struktur der Arbeit der Gruppe Naturraum für einen ökologischen Vergleich Strasse-Schiene.<br />

Wirkungsperimeter/<br />

Auflösungsgrad<br />

Schutzgut/Bewertungsperspektive<br />

Art der Daten und Methode<br />

Kleinraum Habitatqualitäten Vegetationsaufnahme nach Braun-Blanquet (1964) und Ellenberg<br />

(1956); Waldr<strong>and</strong>bewertung nach Krüsi & Schütz (1994)<br />

Grossraum Wildtierkorridore Modellierung mittels des Geographischen Informationssystems<br />

(GIS)<br />

L<strong>and</strong>schaft L<strong>and</strong>schaftsästhetik Gemäss Checkliste zur Beurteilung von L<strong>and</strong>schaftsveränderungen<br />

des Kantons Aargau (2000) und Rodewald (1999)<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 41


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

Tab. 5.2.2: Widersprüche in der naturräumlichen Bewertung von Strasse und Schiene.<br />

Elemente - +<br />

Brücken störendes optisches Element durchlässig für Tiere<br />

Verbuschte Böschungen unattraktives Habitat für Tagfalter senken Mortalitätsrate bei Greifvögeln<br />

Wildzäune Barriere für viele Tiere senken Kollisionsrate<br />

Trasse Barriere Habitat (z.B. für Reptilien)<br />

Hecken<br />

unterstreichen Linearität der<br />

L<strong>and</strong>schaft<br />

verdecken das Verkehrssystem<br />

je nach Schutzgut und Wirkungsperimeter konträr zu beurteilen<br />

sind.<br />

Nicht zuletzt wegen der grundsätzlichen Bewertungsprobleme,<br />

die eine vollständige ökologische Bewertung erschweren,<br />

hat sich die Gruppe Naturraum unter einer pragmatischen<br />

Sicht mit der Frage der Böschungspflege ausein<strong>and</strong>ergesetzt.<br />

Sobald eine Gleisstrecke gebaut ist, kann gerade<br />

die Böschungspflege als entscheidend für eine lokale<br />

Optimierung der Einflüsse der Schiene auf den Naturraum<br />

gelten. Für die SBB ist Böschungspflege aus sicherheitstechnischer<br />

Sicht ein wichtiger Best<strong>and</strong>teil des Unterhaltsdienstes.<br />

<strong>Die</strong> prioritäre Aufgabe des Unterhaltsdienstes ist<br />

aber nicht die Böschungspflege im engeren Sinn, sondern<br />

die Inst<strong>and</strong>haltung der Gleisinfrastruktur. In Ergänzung hat<br />

die Gruppe Naturraum Ideen für eine finanzierbare und<br />

ökologisch sinnvolle Böschungspflege entwickelt.<br />

5.3 Akteure – Transportieren ist<br />

Vertrauenssache<br />

Der Gütertransport auf der Schiene involviert eine Reihe<br />

von Akteuren. Dazu zählen:<br />

1. Verlader: <strong>Die</strong>s sind in der Regel Firmen, die ihre Güter<br />

transportieren müssen und oftmals <strong>and</strong>ere Akteure mit dieser<br />

Aufgabe betrauen.<br />

2. Spediteure: Sie organisieren Transporte für Dritte, oftmals<br />

mit eigenen Fahrzeugen. In den vergangenen Jahren<br />

haben sich die Spediteure zunehmend zu Logistik-<strong>Die</strong>nstleistern<br />

entwickelt. Neben der Transportorganisation übernehmen<br />

sie auch Aufgaben wie Lagerung, Verpackung,<br />

Etikettierung, etc. (vgl. a. Ernst Basler + Partner AG, 2000,<br />

S. 3).<br />

3. Transportunternehmen (Frachtführer): Sie führen Transporte<br />

als Kerngeschäft aus. <strong>Die</strong> SBB Cargo ist ein solches<br />

Transportunternehmen.<br />

Im Kombinierten Verkehr treten die Betreiber der Umschlags-Terminals<br />

als weitere Akteure auf. Nicht vergessen<br />

sollten wir die Kantone und kantonalen Verwaltungen, die<br />

durch Verkehrsplanung und Firmen-Beratung den Güterverkehr<br />

beeinflussen.<br />

In der <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000 gingen wir von der Arbeit des<br />

NFP 41-Projektes «Unternehmensstrategien und Güterverkehr»<br />

aus (Thierstein et al., 1999). In diesem Projekt wurde<br />

eine Vermittlung der Interessen zwischen dem Verlader<br />

V-Zug und den SBB als Transportunternehmen angeregt.<br />

Kriterien für eine bessere Zusammenarbeit<br />

– Es liegen keine Systemprobleme vor; die technischen<br />

und betrieblichen Voraussetzungen sind gegeben. Gemeinsame<br />

Schritte bezüglich Hardwareausstattung<br />

sind nicht vonnöten.<br />

– An die Bahn werden zwei Grundforderungen gestellt:<br />

– feste Zeiten (Bestellungsmöglichkeit bis 17.00<br />

Uhr, danach Beladen und Abholung der<br />

Wechselbrücken, Bereitstellung am Folgetag um<br />

07.00 Uhr am Bestimmungsort),<br />

– es muss ein «vernünftiger» Preis angeboten werden.<br />

– Beide Partner sind sich einig in der Einschätzung der<br />

Vorteile des Wechselpritschenkonzepts 1 :<br />

– Einsparungen bei Personal und Fahrzeugen sind<br />

erreichbar,<br />

– die Kilometerleistung auf der Strasse würde massiv<br />

sinken,<br />

– die Vereinbarung fester Zeiten bringt bessere Disponierbarkeit,<br />

– beide Firmen können den «Ökobonus» imagewirksam<br />

vermarkten.<br />

– Es bestehen Unterschiede in der Problemwahrnehmung:<br />

<strong>Die</strong> Bahn möchte gern die Bedürfnisse des<br />

Verladers genauer kennen, um dann die Zielorte optimieren<br />

zu können. Der Verlader möchte die Verlademöglichkeiten<br />

der Bahn in der Schweiz genau kennen,<br />

damit er sein St<strong>and</strong>ortkonzept daraufhin prüfen kann.<br />

Beide Seiten sind der Meinung, der <strong>and</strong>ere sei jetzt am<br />

Zug. Dadurch ist unklar, wie und wann die unterschiedlichen<br />

Auffassungen zum weiteren Vorgehen und zum<br />

Preis ausgeräumt werden sollen.<br />

Kasten 5.3: Voraussetzungen für eine bessere Kooperation<br />

zwischen V-Zug als Verlader und SBB als Transportunternehmen<br />

gemäss des NFP 41-Berichts von Thierstein et al.<br />

(1999).<br />

1 Wechselpritschenkonzept: Zum Einsatz kommt ein nicht stapelfähiger<br />

Transportbehälter (meist mit ausklappbaren Stützen), der als speziell konstruierter<br />

Aufsatz vom LKW gelöst und gesondert be-/entladen bzw. transportiert<br />

werden kann.<br />

42 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

Sie stellten in ihren Interviews fest, dass eine gute Basis für<br />

eine bessere Zusammenarbeit gegeben sei (vgl. Kasten 5.3).<br />

<strong>Die</strong> Gruppe Akteure führte am 16. Juni 2000 ein sogenanntes<br />

Güterforum in Zug durch. Eingeladen waren die<br />

SBB Cargo, Verlader und Transporteure aus der Region. <strong>Die</strong><br />

Organisation des Güterforums entspricht dem Format der<br />

Fokusgruppen im Umweltbereich (Dürrenberger & Behringer,<br />

1999). Fokusgruppen sind moderierte Diskussionsgruppen.<br />

Ziel ist nicht ein Interessensausgleich, vielmehr werden<br />

Themen diskutiert und Informationen ausgetauscht.<br />

<strong>Die</strong> Themen des Güterforums waren «Möglichkeiten im<br />

Logistikbereich zur ökologischeren Transportkettenführung»,<br />

«Pooling», «Gesamtlogistik», «Kapazitäten der bestehenden<br />

Infrastrukturen», «gesetzliche Rahmenbedingungen»<br />

und das «Transportwesen von heute und morgen».<br />

Informiert wurde über die SBB Cargo als Transportunternehmen<br />

sowie über die ökologische Bewertung einiger<br />

Transportketten, die von der Region ausgehen. <strong>Die</strong> Diskussion<br />

wurde protokolliert. Als Ergebnisse der Diskussion hat<br />

die Gruppe festgehalten:<br />

– Transportieren ist Vertrauenssache. Persönliche Kontakte<br />

zwischen Spediteur / Transportunternehmen und Verlader<br />

können sehr wichtig sein.<br />

– Im Transportgewerbe gilt: ökologisch sinnvoll = ökonomisch<br />

sinnvoll. Zum Beispiel erhöht das Pooling (Zusammenlegung<br />

von Güterströmen verschiedener Verlader)<br />

die Auslastung der Fahrzeuge und führt zu einer<br />

ökologisch sinnvollen Entlastung der Verkehrssysteme.<br />

– <strong>Die</strong> SBB Cargo sollte zur Gesamtlogistik-Anbieterin<br />

werden. <strong>Die</strong> SBB Cargo verstärkt damit den Kontakt zum<br />

Kunden und bietet Logistik-Lösungen an (nicht nur hinsichtlich<br />

Transport, sondern auch Lagermanagement,<br />

Verpackung, Rechnungswesen, etc.).<br />

– <strong>Die</strong> Veränderungen im Transportgewerbe machen auch<br />

auf regionaler Ebene eine verstärkte Zusammenarbeit<br />

nötig.<br />

<strong>Die</strong> Arbeit der Gruppe Akteure ist mit der <strong>Fallstudie</strong><br />

beendet. Sie wollte mit dem Güterforum Möglichkeiten<br />

aufzeigen, den Informationsaustausch und die Kooperationsnetze<br />

im Transportgewerbe – unter Einbezug der Bahn –<br />

zu fördern. Wie weit dieser Prozess trägt, bleibt abzuwarten.<br />

5.4 Szenarien – Unternehmenserfolg<br />

mit oder ohne Ökologie<br />

<strong>Die</strong> Fragestellung der Arbeitsgruppe Szenarien war:<br />

– Kann die SBB AG ihre Marktanteile halten oder sogar<br />

ausbauen und gleichzeitig ihre Umweltleistung beibehalten<br />

oder verbessern?<br />

– Welches sind Schlüsselbereiche für unternehmerischen<br />

Erfolg und für ökologische Qualität?<br />

In Zusammenarbeit mit Vertretern der SBB AG wurde<br />

hierzu eine formative Szenarioanalyse durchgeführt (Scholz<br />

& Tietje, 1996; in prep.). <strong>Die</strong> formative Szenarioanalyse ist<br />

ein Planungsinstrument, mit dem Schlüsselfaktoren der Entwicklung<br />

bestimmt und deren Zusammenwirken abgeschätzt<br />

werden. Daraus resultieren Szenarien, d.h. Bilder<br />

möglicher Zustände des zukünftigen Marktsystems, in das<br />

die SBB AG eingebettet ist. <strong>Die</strong> Gruppe erarbeitete vier<br />

Szenarien, die in etwa die Entwicklung bis 2015 abdecken<br />

sollen (vgl. Tab. 5.4). Es zeigt sich insbesondere, dass Erfolgsszenarien<br />

mit und ohne Ökologie möglich sind.<br />

<strong>Die</strong> Gruppe führte zudem eine ökologische Bewertung<br />

der Szenarien durch. In allen Szenarien zeigt sich die Schiene<br />

lediglich für einen kleinen Teil der Gesamtemissionen<br />

(Treibhausgase, Stickoxide) verantwortlich. <strong>Die</strong>s hängt nur<br />

in geringem Masse mit den besseren Emissionswerten der<br />

Bahn zusammen; das Ungleichgewicht wird vor allem durch<br />

das viel höhere Verkehrsvolumen auf der Strasse bewirkt.<br />

<strong>Die</strong> Rangfolge der Szenarien aufgrund ihrer Umweltauswirkungen<br />

ist bei beiden Schadstoffklassen gleich: «Erfolg<br />

dank Ökologie» verursacht die geringsten Emissionen, während<br />

«Misere» durch den grossen Marktanteil der Strasse die<br />

Umwelt am stärksten belastet. Es fällt jedoch auf, dass die<br />

Bahn ihre Emissionen gegenüber dem heutigen St<strong>and</strong> in<br />

keinem Szenario drastisch reduzieren kann, wogegen für die<br />

Strasse zumindest bei den Stickoxiden ein ansehnliches Optimierungspotenzial<br />

besteht.<br />

Ein Vergleich der Umweltbelastung pro Transporteinheit<br />

– d.h. pro Tonnenkilometer oder Personenkilometer – erlaubt<br />

einen faireren Vergleich von Strasse und Bahn, unabhängig<br />

von ihrem jeweiligen Anteil an der Gesamtverkehrsmenge.<br />

Für die Belastungen pro Transporteinheit durch die<br />

Strasse ist in Zukunft eine Reduktion zu erwarten, diejeni-<br />

Tab. 5.4: Szenarien der Entwicklung der SBB bis etwa 2015 (Ausführliche Tabellen und Diskussion im Kap. Szenarien).<br />

Szenario Kurzbeschrieb Entscheidende Faktoren<br />

Trend<br />

Unveränderte Geschäfts- und Umweltstrategie<br />

Vorsichtiger Erfolg im Güterverkehr (es werden nur<br />

neue Gütersegmente erschlossen); Bahnreform<br />

wirkt<br />

Erfolg dank Ökologie<br />

Gewinnmaximierung<br />

Misere<br />

Eine klare ökologische Position am<br />

Markt führt zum Erfolg.<br />

Kurzfristiges, rein betriebswirtschaftliches<br />

Agieren führt zum Erfolg.<br />

Passivität führt die SBB AG in eine<br />

«Abwärtsspirale».<br />

SBB stark im Personenverkehr (S-Bahn CH) und<br />

innovativ im Güterverkehr (globale Transportketten)<br />

<strong>Die</strong> SBB sind nun mehrere Firmen; etablierter<br />

Güterverkehr-Anbieter; schlanker Personenverkehr<br />

Scheitern im Bereich Güterverkehr<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 43


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

gen der Bahn werden gleich bleiben oder gar zunehmen. In<br />

Bezug auf den Umweltvorteil der Bahn gibt es einen grundlegenden<br />

Unterschied zwischen Güterverkehr und Personenverkehr.<br />

Im Güterverkehr liegt die Bahn deutlich vor der<br />

Strasse. Im Personenverkehr ist dieser Vorsprung hingegen<br />

viel geringer und wird noch weiter reduziert, falls die SBB<br />

AG auf den europäischen Strommix (UCPTE-Strom) umsteigen<br />

sollte.<br />

5.5 Lärm – Lärmschutz als Aktivposten<br />

einer Ökobilanz<br />

Wie bereits erwähnt, hat der Lärmschutz für die SBB höchste<br />

Priorität (vgl. Abb. 4.1.1). 1999 litten etwa 300’000<br />

Personen in der Schweiz unter Bahnlärm über dem Grenzwert<br />

(SBB AG, 2000, S. 12). Eine bedeutende Lärmquelle<br />

sind die vielen Eisenbahnwagen, die noch mit Klotzbremsen<br />

aus Gusseisen ausgerüstet sind (a.a.O.). Durch die in der<br />

Schweiz angenommene Vorlage für Bau und Finanzierung<br />

der Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs (FinöV, ang. am<br />

29.11.98) ist auch die Finanzierung des Lärmsanierungsprogramms<br />

der SBB gesichert. <strong>Die</strong>se wird bis 2015 abgeschlossen<br />

sein, insbesondere werden Graugussbremssohlen durch<br />

neuentwickelte Bremssohlen ersetzt. Wie von der <strong>Fallstudie</strong><br />

1999 vorgeschlagen, hat die SBB im November 2000 eine<br />

Informationskampagne gestartet, um mit lärmbetroffenen<br />

Anwohnern und Anwohnerinnen in Kontakt zu kommen.<br />

Lärmschutz ist ein (noch stiller) Aktivposten in der Ökobilanz<br />

der Schiene. Ohne den Einbezug der Umweltauswirkung<br />

von Lärm wird in Zukunft der ökologische Unterschied<br />

Bahn-Strasse sehr wahrscheinlich gering werden.<br />

Unter Einbezug der Umweltauswirkungen von Lärm errechnet<br />

sich hingegen ein grösserer Umweltvorteil der Bahn<br />

– dies zeigt eine Teilstudie der Synthesegruppe Ökoeffizienz.<br />

2<br />

Das Problem ist: Obwohl Lärm als Umweltbelastung<br />

anerkannt ist, blieb er bisher in Ökobilanzen meist unberücksichtigt.<br />

In Studien zu den externen Kosten des Verkehrs<br />

macht Lärm ca. 5% bis 75% der Gesamtkosten aus<br />

(u.a. Bickel und Friedrich, 1995; INFRAS & IWW, 2000).<br />

Müller-Wenk (1999) stellte ein Modell vor, mit dessen Hilfe<br />

die Lärmemissionen von Strassenverkehr in die Ökobilanzmethode<br />

Eco-Indicator 99 integriert werden können. <strong>Die</strong><br />

Synthesegruppe Ökoeffizienz erarbeitete ein entsprechendes<br />

Modell für den Einbezug von Schienenlärm – speziell<br />

für den vom Wagenladungsverkehr verursachten Lärm.<br />

Das Kapitel Lärm stellt die Berechnungen und Modelle<br />

für den Einbezug von Lärm in die Ökobilanz vor. Für<br />

mehrere existierende und hypothetische Transportketten der<br />

Firmen V-Zug, Cham Paper Group und Migros wurde eine<br />

Lärmbilanz gerechnet. Der Einbezug von Lärm in die Ökobilanz<br />

ist ein letzter grosser Schritt zur vergleichenden Bewertung<br />

von Verkehrssystemen.<br />

6 Résumé und Ausblick<br />

Bevor ich zu einem Resümee der Ergebnisse komme, möchte<br />

ich einige grundsätzliche Bemerkungen vorwegschicken.<br />

<strong>Die</strong> <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> macht keine Auftragsarbeit. Vielmehr<br />

stellt sie einen gemeinsamen Lernprozess der beteiligten<br />

Personen und Institutionen dar. <strong>Die</strong> Produkte der Gruppen<br />

umfassen nicht einfach nur die wissenschaftliche Analyse<br />

und die Berichtlegung über die erarbeiteten Resultate. Vielmehr<br />

stellen auch Kommunikations-Prozesse Produkte dar.<br />

<strong>Die</strong> Prozesse sind wie erwähnt Teil des «Mutual Learning»<br />

und «Networking». Für die <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n gilt:<br />

Produkte sind Prozesse und Produkte.<br />

Zu den Prozess-Produkten zählt das Güterforum der<br />

Gruppe Akteure ebenso wie die Gespräche der Naturraumgruppe<br />

mit SBB-BUC und Entscheidungsträgern im Kanton<br />

Zug zur Promotion der Böschungspflege. Hierzu können<br />

wir auch die Arbeit im Beirat, das heisst den Austausch der<br />

Vertreter der beteiligten Akteurs- und Kooperationsgruppen,<br />

rechnen. Tab. 6 listet die wichtigsten Produkte auf.<br />

Fassen wir zusammen. <strong>Die</strong> Wissensintegration verlief in<br />

den Gruppen unter unterschiedlichen Aspekten, zum einen<br />

unter einem Planungsaspekt (Wie kommen wir in Richtung<br />

Verkehrsverlagerung?) in den Gruppen Szenarien und Akteure;<br />

zum <strong>and</strong>eren unter einem Bewertungsaspekt (Was<br />

bringt eine Verkehrsverlagerung aus ökologischer Sicht?) in<br />

den Gruppen Ökoeffizienz und Naturraum. <strong>Die</strong> wichtigsten<br />

Beiträge der <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000 sind:<br />

– Definition eines Masses der Ökoeffizienz für Transportketten,<br />

das die Transportqualitäten berücksichtigt (Kosten,<br />

Transportzeit, Zuverlässigkeit, Häufigkeit und Flexibilität),<br />

die von den Verladern erwartet werden (Synthesegruppe<br />

Ökoeffizienz).<br />

– Durchführung eines Güterforums, das die regionalen Akteure<br />

im Transportgewerbe zusammenbringt (Synthesegruppe<br />

Akteure).<br />

– Einbezug von Lärm in die Ökobilanzierung von Transportketten.<br />

Mit Einberechnung der Umweltauswirkungen<br />

von Lärm wird der Umweltvorteil der Bahn wieder<br />

grösser (Synthesegruppe Ökoeffizienz).<br />

– Nachweis der grundlegenden Schwierigkeiten einer umfassenden<br />

Bewertung der Auswirkungen der Verkehrssysteme<br />

auf den Naturraum (Synthesegruppe Naturraum).<br />

<strong>Die</strong>se Schwierigkeiten treten auf, wenn wir spezifischere<br />

Bewertungen vornehmen wollen, als wir mittels<br />

Ökobilanzierung oder Erfassung von Zahlungsbereitschaften<br />

erhalten.<br />

– Aufzeigen der ökologischen Bedeutung des Strommixes<br />

der SBB sowie der strategischen und ökologischen Bedeutung<br />

des Güterverkehrs (Arbeitsgruppe Szenarien).<br />

<strong>Die</strong> SBB als Marke mit Umweltwert<br />

Benedikt Weibel, Vorsitzender der Geschäftsleitung der<br />

SBB AG, schreibt im Vorwort zum Umweltbericht 1999:<br />

2 <strong>Die</strong> zu bilanzierende Grösse des Faktors Lärm gab schon während der <strong>Fallstudie</strong> Anlass zu Diskussionen zwischen der Gruppe Ökoeffizienz, SBB und<br />

Fachleuten. Deshalb haben die Berichtsautoren einen wissenschaftlichen Anhang erstellt, der separat bezogen werden kann.<br />

44 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

«<strong>Die</strong> SBB AG will ihre Stellung als energie-, raum- und<br />

umweltschonende Transportunternehmung erhalten und<br />

ausbauen» (SBB AG, 2000, S. 3). <strong>Die</strong>ser Vorteil soll gerade<br />

im Vergleich mit <strong>and</strong>eren Verkehrsträgern zum Tragen kommen.<br />

Ein grosser Schritt in diese Richtung ist die Lärmsanierung,<br />

die 2015 abgeschlossen sein wird. Auch im Schienengüterverkehrsbereich<br />

gibt es weitere Potenziale zur Verbesserung<br />

der Umweltverträglichkeit der Bahn.<br />

<strong>Die</strong> Gruppe Szenarien kommt zu dem Schluss, dass für<br />

den wirtschaftlichen Erfolg der SBB eine Gesamtstrategie<br />

massgeblich ist. Im Güterverkehr müssten neue Marktsegmente<br />

akquiriert werden. Kooperation mit <strong>and</strong>eren Transportunternehmen<br />

(in und ausserhalb der Schweiz) und auch<br />

mit der regulierenden Instanz seien unerlässlich. Insgesamt<br />

bestätigt sich die Vermutung, dass für die weitere Entwicklung<br />

der Bahn ein Erfolg im Güterverkehrsbereich ausschlaggebend<br />

ist.<br />

<strong>Die</strong> Ausgangsfrage der Gruppe Szenarien war: Kann die<br />

SBB AG ihre Marktanteile halten oder sogar ausbauen und<br />

gleichzeitig ihre Umweltleistung beibehalten oder verbessern?<br />

Das Szenario «Erfolg dank Ökologie» (vgl. Tab. 5.4)<br />

zeigt, dass dies möglich ist. Strategische Voraussetzung<br />

hierfür ist eine «Ökostromstrategie» (Lebküchner et al.,<br />

2000, S. 137). In der Schweiz beruht die ausgezeichnete<br />

ökologische Performance der Bahn auf der umweltfreundlichen<br />

Stromproduktion, vor allem auf dem hohen Anteil an<br />

Energie durch Wasserkraft. Für <strong>and</strong>ere Bahnen Europas<br />

trifft dies nicht überall zu; z.B. fährt die DB auch mit Strom<br />

aus fossiler Energie. Ein Wechsel der SBB AG auf den<br />

europäischen UCPTE-Strommix würde nicht so einfach<br />

vonstatten gehen, sondern eine grundsätzliche strategische<br />

Neuausrichtung bedingen: <strong>Die</strong> bahneigenen Kraftwerke<br />

bzw. Bezugsrechte müssten veräussert werden – vermutlich<br />

mit hohen Restabschreibungen und einem entsprechenden<br />

Verlustrisiko.<br />

Kurzum: <strong>Die</strong> SBB AG hat über Jahre hinweg in ihr<br />

Markenimage als umweltschutz-aktives Bahnunternehmen<br />

in Europa aufgebaut. Es scheint falsch, dieses wieder zu<br />

verspielen. <strong>Die</strong>s nicht allein wegen der Individualreisenden<br />

und Güterkunden in der Schweiz, sondern auch mit Hinblick<br />

auf die Attraktivität der SBB AG als Partner in europäischen<br />

Bahn-Allianzen. Der Weg zur «Zukunft Schiene Schweiz»<br />

wird, wie Füglistaler (2000) feststellt, mit ziemlicher Sicherheit<br />

über Allianzen mit <strong>and</strong>eren Bahngesellschaften und<br />

Transportunternehmen in Europa führen.<br />

Und die <strong>Fallstudie</strong>?<br />

<strong>Die</strong> <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000 war ein gemeinsames Projekt<br />

zwischen der SBB AG und dem Bereich Umweltnaturwissenschaften<br />

der <strong>ETH</strong> Zürich. <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> ist ein Lehrprojekt,<br />

auch sie unterliegt dem W<strong>and</strong>el. Das Organisationsund<br />

Steuerungsproblem der <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n besteht in der<br />

«modularen Integration» (Mieg et al., 1996): Es gilt, die<br />

Ausbildungsziele mit den davon divergierenden Zielen der<br />

<strong>and</strong>eren Projekt-Beteiligten in einen gemeinsamen Projekt-<br />

Rahmen zu bringen. Hierzu müssen die Entscheidungs- und<br />

Wissensträger auf eine Weise einbezogen werden, dass auf<br />

allen Seiten möglichst weitreichende Selbstständigkeit gewahrt<br />

bleibt. Jede Seite muss das gemeinsame Projekt in<br />

ihrem Sinne nutzen können, ohne dass die grossen Ziele –<br />

Wissensintegration, Nachhaltigkeit – aus den Augen verloren<br />

gehen.<br />

Der letzte Teil des vorliegenden B<strong>and</strong>es ist dem Rückblick<br />

und Ausblick auf die Entwicklung dieses Lehrformats <strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> gewidmet – das aufgrund seiner Grösse wohl<br />

einzigartig sein dürfte. <strong>Die</strong> vorliegenden Beiträge sind vom<br />

<strong>Fallstudie</strong>nbüro verfasst. Sie zeigen:<br />

– die <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> als Lehrveranstaltung und organisatorische<br />

Aufgabe (Kap. <strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el),<br />

– die Notwendigkeit und Kunst der Steuerung von Gruppenprozessen<br />

(Kap. <strong>Fallstudie</strong>ndidaktik),<br />

– die im Lauf der Jahre entwickelten Methoden der Wissensintegration<br />

(Kap. <strong>Fallstudie</strong>nmethoden),<br />

– die Chance, zu neuen transdisziplinären Formen der Zusammenarbeit<br />

von Hochschule, Wirtschaft und Öffentlichkeit<br />

zu gelangen (Kap. <strong>Fallstudie</strong> als Transdisziplinaritäts-Labor).<br />

Nicht nur die Bahn, auch der Bildungsbereich ist vom<br />

W<strong>and</strong>el ergriffen.<br />

Tab. 6: Produkte und Prozesse der <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> neben den wissenschaftlichen Berichten bzw. Beiträgen zum vorliegenden<br />

B<strong>and</strong>.<br />

Produkte<br />

- Excel-Software zur Ökobilanzierung von Transportketten<br />

[Gruppe Ökoeffizienz]<br />

- Module zum ECOINVENT 3 [Gruppe Ökoeffizienz]<br />

- Power-Point-Dokumentation zu Verkehrsszenarien<br />

[Gruppe Szenarien]<br />

- Internet-Kit für Synthesemethoden [Gruppe Szenarien]<br />

- Bericht für Umweltfocus, im Zusammenhang mit dem<br />

Güterforum (Mieg et al., 2000) [Gesamt-<strong>Fallstudie</strong>]<br />

Prozesse<br />

- Güterforum Zug [Gruppe Akteure]<br />

- Gespräche mit SBB-BUC und Entscheidungsträgern im<br />

Kanton Zug zur Promotion der Böschungspflege<br />

[Gruppe Naturraum]<br />

- Netzwerk-/Kooperationseffekte (u.a. durch Beirat)<br />

[Gesamt-<strong>Fallstudie</strong>]<br />

- NFP 41 - Bulletin-Beitrag [Gesamt-<strong>Fallstudie</strong>]<br />

- «Sustainability 2000»-Konferenz: Poster zur SBB-<br />

Tagungs-Präsentation [Gesamt-<strong>Fallstudie</strong>]<br />

3 ECOINVENT ist eine <strong>ETH</strong>-interne Ökoinventar-Datenbank, in der die Energie- und Stoffflüsse von Produktlebenszyklen erfasst sind. Sie basiert auf den<br />

Ökoinventaren von Energiesystemen und wurde um Baumaterialien, Transportprozesse, Entsorgungsprozesse und Nahrungsmittel erweitert.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 45


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

Literatur<br />

Bertschi, H.-J. (1999). <strong>Die</strong> Markt- und Wettbewerbsstrategien im<br />

Güterverkehr. Vortrag gehalten am 15.6.1999 auf der NFP 41-Tagung<br />

«Bahnreformen Schweiz», Bern.<br />

Bickel, P. & Friedrich, R. (1995). Was kostet uns die Mobilität?<br />

Externe Kosten des Verkehrs. Berlin: Springer.<br />

Braun-Blanquet, J. (1964). Pflanzensoziologie. Wien: Springer.<br />

Dossenbach, O. (1864). Eisenbahngruß. Zuger Bote, Nr. 22, S. 1.<br />

Dürrenberger G. & Behringer, J. (1999). <strong>Die</strong> Fokusgruppe in<br />

Theorie und Anwendung. Stuttgart: Akademie für Technikfolgenabschätzung<br />

in Baden-Württemberg.<br />

Ellenberg, H. (1956). Aufgaben und Methoden der Vegetationskunde.<br />

Stuttgart: Ulmer Verlag.<br />

Ernst Basler + Partner AG (2000). Güterverkehr – Herausforderungen<br />

und Chancen (Berichte des NFP 41 «Verkehr und Umwelt»<br />

Synthesebericht S2). Bern: EDMZ.<br />

Füglistaler, P. (2000). Bahnreform in Europa: Von guten Absichten<br />

und realen Entwicklungen. In C. Kaspar, C. Laesser & T. Bieger<br />

(Hrsg.), Jahrbuch 1999/2000. Schweizerische Verkehrswirtschaft,<br />

(S. 53-72). St. Gallen: IDT-HSG Institut für öffentliche <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

und Tourismus.<br />

Goedkoop, M. & Spriensma, R. (1999). The Eco-indicator 99. A<br />

Damage Oriented Method for Life Cycle Impact Assessment.<br />

Methodology Report (nr. 1999/36A). Amersfoort: PRé Consultant.<br />

Häberli, R., Scholz, R. W., Bill, A. & Welti, M. (Eds.). (2000).<br />

Transdisciplinarity: Joint problem-solving among science, technology<br />

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Hübner, P. (1997). Strategische Planung der Lärmsanierung der<br />

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Hübner, P. & Kuppelwieser, H. (1997). Erarbeitung der SBB-<br />

H<strong>and</strong>lungsstrategie Umwelt. Rail International, (April), 15-20.<br />

INFRAS & IWW (2000). External costs of transport (accident,<br />

environmental <strong>and</strong> congestion costs) in Western Europe. Paris:<br />

Union Internationale des Chemins de fer (UIC).<br />

Kanton Aargau (2000). Checkliste zur Beurteilung von L<strong>and</strong>schaftsveränderungen;<br />

Arbeitshilfe zur Bewertung der L<strong>and</strong>schaft<br />

und von Veränderungsvorhaben; Grundlagen und Berichte zum<br />

Naturschutz 18: Aarau: Baudepartement Aargau, Sektion Natur<br />

und L<strong>and</strong>schaft.<br />

Krüsi, B. & Schütz, M. (1994). Sind südexponierte Waldränder<br />

ökologisch besonders wertvoll? (Infoblatt WSL Nr. 20; Februar<br />

1994). Birmensdorf: WSL Birmensdorf.<br />

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Verkehrszahlen 1999. Bern: LITRA.<br />

Maggi, R., Bolis, S., Maibach, M., Rossera, F., Rudel, R. &<br />

Schreyer, C. (1999). Multimodale Potenziale im transalpinen Güterverkehr<br />

(Berichte des NFP 41 «Verkehr und Umwelt» Bericht<br />

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Maibach, M., Schenkel, P., Peter, D. & Gehrig, S. (1997). Umweltindikatoren<br />

im Verkehr. Kennziffern für einen ökologischen Vergleich<br />

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Maibach, M., Schreyer, C., Lebküchner, M. & Mauch, S. (1998).<br />

Zukunftsgüterbahn: Vorstudie (Berichte des NFP 41 «Verkehr und<br />

Umwelt» Bericht B5). Bern: EDMZ.<br />

Mieg, H. A. (1996). Managing the interfaces between science,<br />

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Mieg, H. A. (2000). University-based projects for local sustainable<br />

development: Designing expert roles <strong>and</strong> collective reasoning.<br />

International Journal of Sustainability in Higher Education, 1,<br />

67-82.<br />

Mieg, H. A., Capello, C., Hotz, M., Rüegg, S., Tobler, M., Varga,<br />

M. & Weber, B. P. (2000). Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

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Mieg, H. A., Scholz, R. W. & Stünzi, J. (1996). Das Prinzip der<br />

modularen Integration: Neue Wege von Führung und Wissensintegration<br />

im Management von Umweltprojekten. Organisationsentwicklung,<br />

15(2), 4-15.<br />

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Transport Noise (IWÖ-Diskussionsbeitrag Nr. 77). St. Gallen:<br />

Universität, Institut für Wirtschaft und Ökologie.<br />

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und L<strong>and</strong>schaft (GVF-Auftrag No 322). Gelterkinden: Ökoskop.<br />

Rodewald, R. (1999). Gutachten über die L<strong>and</strong>schaftsverträglichkeit<br />

einer geplanten Schweinescheune in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone<br />

unterhalb des Burghügels von Altbüron, Kanton Luzern. Bern:<br />

Schweizerische Stiftung für L<strong>and</strong>schaftsschutz und L<strong>and</strong>schaftspflege.<br />

Schalch, J. A. J. (1997). Zug kommt zum Zug. Steinhausen: Hotz.<br />

Schild, M., Schürmann, G. & Hofer, A. (2001). Lärm – Eine<br />

zukunftsorientierte Analyse der Lärmschutzstrategie der SBB. In<br />

R. W. Scholz, S. Bösch, M. Stauffacher & J. Oswald (Hrsg.),<br />

Zukunft Schiene Schweiz 1 – Ökoeffizientes H<strong>and</strong>eln der SBB.<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 1999, (S. 163-181). Zürich: Rüegger.<br />

Scholz, R. W. (1999). Region und L<strong>and</strong>schaft zwischen wissenschaftlicher<br />

Analyse und Verständnis. In R. W. Scholz, S. Bösch,<br />

L. Carlucci & J. Oswald (Hrsg.), Chancen der Region Klettgau –<br />

Nachhaltige Regionalentwicklung. <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 1998, (S.<br />

25-37). Zürich: Rüegger.<br />

Scholz, R. W. & Baumgartner, T. (2001). Oekologische Recheneinheiten.<br />

In R. W. Scholz, S. Bösch, J. Oswald & M. Stauffacher,<br />

(Hrsg.), Zukunft Schiene Schweiz 1 – Ökoeffizientes H<strong>and</strong>eln der<br />

SBB. <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 1999, (S. 183-226). Zürich: Rüegger<br />

Scholz, R. W., Bösch, S., Oswald, J. & Stauffacher, M. (Hrsg.).<br />

(2001). Zukunft Schiene Schweiz 1 – Ökoeffizientes H<strong>and</strong>eln der<br />

SBB. <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 1999. Zürich: Rüegger<br />

Scholz, R. W. & Tietje, O. (1996). Methoden der <strong>Fallstudie</strong>. In R.<br />

W. Scholz, S. Bösch, H. A. Mieg & J. Stünzi (Hrsg.), Industrieareal<br />

Sulzer-Escher Wyss – Umwelt und Bauen: Wertschöpfung durch<br />

Umnutzung. <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 1995, (S. 31-70). Zürich: vdf Hochschulverlag<br />

AG.<br />

Scholz, R. W. & Tietje, O. (in press). Embedded case study<br />

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Thous<strong>and</strong> Oaks: Sage.<br />

Schweizerische Bundesbahnen (SBB) (Hrsg.). (1999). SBB Cargo<br />

4/99. Bern: SBB Cargo.<br />

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Bern: SBB.<br />

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Zug. Zug: Stiftung Wirtschafts- und Lebensraum Zug.<br />

Thierstein A., Schnell K.-D. & Schwegler U. (1999). Unternehmensstrategien<br />

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– gezeigt am Beispiel der Region Zug. Bern: EDMZ.<br />

UIC Internationaler Eisenbahnverb<strong>and</strong> (1997). UIC Railplan: Szenario<br />

– Strategie – Aktionen. Paris: UIC.<br />

46 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Wie kommen die Güter auf die Bahn?<br />

von Weizsäcker, E. U. & Seiler-Hausmann, J.-D. (Hrsg.). (1999).<br />

Ökoeffizienz – Management der Zukunft. Berlin: Birkhäuser Verlag<br />

GmbH.<br />

von Weizsäcker, E. U., Lovins, B. & Lovins, L. H. (1995). Faktor<br />

4. München: Droemer Knaur.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 47


Bahn und Umwelt –<br />

<strong>Die</strong> Perspektive der SBB<br />

Autor:<br />

Peter Hübner<br />

Inhalt<br />

1. Einleitung 51<br />

2. <strong>Die</strong> Bahnreform 51<br />

3. Umweltschutz bei der SBB 53<br />

4. Ausblick 58


Bahn und Umwelt<br />

Zusammenfassung<br />

<strong>Die</strong> Neupositionierung der Bahn<br />

hängt eng mit der Bahnreform zusammen.<br />

Im Vordergrund stehen der Umweltschutz,<br />

die Steigerung der Eigenwirtschaftlichkeit<br />

und der Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Bahnen auch im<br />

EU-Raum durch mehr unternehmerische<br />

Freiheit.<br />

<strong>Die</strong> Bahnreform versucht, diese<br />

Ziele im Wesentlichen durch einen<br />

marktwirtschaftlichen Ansatz zu erreichen.<br />

Der Staat verhindert Marktverzerrungen<br />

und wahrt die Interessen<br />

der Öffentlichkeit. Dazu gehören der<br />

freie Netzzugang aller Bahnen, die<br />

Gewaltentrennung zwischen Bahnen<br />

und Bund und der freie Markt im Personen-<br />

und Güterverkehr. <strong>Die</strong> Bahnreform<br />

ist aber kein in sich abgeschlossenes<br />

Massnahmenpaket.<br />

Eine direkte Konsequenz der Bahnreform<br />

ist die Neuorganisation der<br />

SBB in die drei Bereiche Güterverkehr,<br />

Personenverkehr und Infrastruktur<br />

sowie die Umw<strong>and</strong>lung der SBB in<br />

eine Aktiengesellschaft.<br />

Im Bereich Umweltschutz hat der<br />

Bund als strategisches Ziel die Erhaltung<br />

der Umweltvorteile der Bahn definiert.<br />

<strong>Die</strong> wesentlichen umweltrelevanten<br />

H<strong>and</strong>lungsfelder ergeben sich<br />

für die SBB in den Bereichen Lärm<br />

und Energie. Für Aufgaben im Bereich<br />

des Umweltschutzes ist das<br />

BahnUmwelt-Center zuständig. Um<br />

die diversen Umweltschutzaufgaben<br />

koordinieren und planen zu können,<br />

führte die Generaldirektion im Februar<br />

1995 das «Umweltmanagement<br />

SBB» ein. Das BahnUmwelt-Center<br />

bestimmt die Ausrichtung in Umweltfragen<br />

und stellt deren Kommunikation<br />

nach innen und aussen sicher. <strong>Die</strong><br />

Umsetzung der beschlossenen Umweltmassnahmen<br />

obliegt den einzelnen<br />

Geschäftsbereichen.<br />

Keywords: Bahnreform, BahnUmwelt-Center,<br />

Umweltnetzwerk.<br />

Résumé<br />

Le repositionnement des chemins de<br />

fer est étroitement lié à la réforme des<br />

chemins de fer. Au premier plan la<br />

protection de l’environnement, l’accroissement<br />

de la rentabilité propre et<br />

le renforcement de la compétitivité<br />

des chemins de fer (également dans<br />

l’Union européenne) par une plus<br />

gr<strong>and</strong>e liberté d’entreprise.<br />

La réforme des chemins de fer prétend<br />

atteindre ces objectifs essentiellement<br />

par une démarche d’économie<br />

de marché. L’État empêche les distorsions<br />

du marché et veille aux intérêts<br />

de la collectivité dont font partie l’accès<br />

libre au réseau de tous les chemins<br />

de fer, la séparation des pouvoirs entre<br />

les chemins de fer et la Confédération<br />

ainsi que le marché libre dans le transport<br />

des voyageurs et des march<strong>and</strong>ises.<br />

Mais la réforme des chemins de<br />

fer ne constitue pas en soi un paquet de<br />

mesures limitatif.<br />

Une conséquence directe de la<br />

réforme des chemins de fer est la réorganisation<br />

des CFF en trois secteurs:<br />

trafic voyageurs, trafic march<strong>and</strong>ises<br />

et infrastructure ainsi que la transformation<br />

des CFF en une société anonyme.<br />

En matière de protection de l’environnement,<br />

la Confédération a défini<br />

comme objectif stratégique la conservation<br />

des avantages environnementaux<br />

des chemins de fer. Les CFF doivent<br />

concentrer leurs efforts écologiques<br />

dans les domaines du bruit et de<br />

l’énergie. Une section propre «Centre<br />

environnemental ferroviaire» a été<br />

spécialement créée pour les tâches<br />

dans le domaine de la protection de<br />

l’environnement. Pour mieux coordonner<br />

et planifier les différentes<br />

tâches relatives à l’environnement, la<br />

Direction générale a créé en février<br />

1995 le «management environnemental<br />

CFF». Le Centre environnemental<br />

ferroviaire décide l’orientation à<br />

suivre en matière d’écologie et assure<br />

sa communication vers l’intérieur et<br />

l’extérieur. L’application des mesures<br />

écologiques décidées incombe aux<br />

différents ressorts.<br />

Mots-clés: réforme des chemins de<br />

fer, Centre environnemental ferroviaire,<br />

réseau environnemental.<br />

Summary<br />

The railway’s re-positioning is closely<br />

connected with the rail reform. The<br />

focus of attention includes environmental<br />

protection, increase of profitability,<br />

<strong>and</strong> competitiveness of the rail<br />

– also within the EU zone – by means<br />

of increased entrepreneurial freedom.<br />

In essence, the rail reform attempts<br />

to achieve these goals with a free-enterprise<br />

approach. The government<br />

prevents market distortion <strong>and</strong> safeguards<br />

the public interest. This includes<br />

a free network access for all rail<br />

companies, separation of powers between<br />

rail <strong>and</strong> Federal Government<br />

<strong>and</strong> a free market for the passenger<br />

<strong>and</strong> freight transport industry. However,<br />

the rail reform is not completed<br />

as package of measures.<br />

One direct consequence of the rail<br />

reform is the re-organization of the<br />

SBB into the tree sectors freight transport,<br />

passenger transport, <strong>and</strong> infrastructure,<br />

<strong>and</strong> the transformation of<br />

the SBB into a stock corporation.<br />

As for environmental protection,<br />

the Federal Government has defined<br />

the preservation of environmental<br />

advantages as strategic goal. The<br />

SBB’s essential environmentally relevant<br />

fields of action result in the area<br />

of noise <strong>and</strong> energy. A special section<br />

«Rail Environmental Center» is<br />

responsible for environmental protection.<br />

In order to be able to co-ordinate<br />

<strong>and</strong> plan the various environmental<br />

task, the executive board introduced<br />

«environmental management SBB»<br />

in February 1995. The Rail-Environment-Center<br />

defines the environmental<br />

orientation <strong>and</strong> guarantees internal<br />

<strong>and</strong> external communication thereof.<br />

The particular business sectors are<br />

responsible for the implementation of<br />

agreed environmental measures.<br />

Keywords: rail reform, Rail Environmental<br />

Center, environmental network.<br />

50 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Bahn und Umwelt<br />

1 Einleitung<br />

<strong>Die</strong> Gesetzesvorlagen zur Bahnreform sind seit dem 1.<br />

Januar 1999 in Kraft. Ziel der Bahnreform ist die Sicherstellung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Bahnen<br />

im nationalen und internationalen Verkehr.<br />

Durch die Bildung einer spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft<br />

SBB AG wurden die SBB verselbständigt, politische<br />

und betriebliche Aufgaben entflochten. <strong>Die</strong> Finanzierung<br />

des öffentlichen Verkehrs soll zukünftig transparenter<br />

und nach einheitlichen Regeln erfolgen, freier Netzzugang<br />

im Güterverkehr und im internationalen Personenverkehr<br />

führen Elemente des Wettbewerbs ins Bahnsystem ein. <strong>Die</strong><br />

Stärkung des öffentlichen Verkehrs ist eine entscheidende<br />

Voraussetzung dafür, dass die Schiene gegenüber der Strasse<br />

konkurrenzfähig bleibt und damit Garant für eine umweltgerechte<br />

Bewältigung der wachsenden Mobilität.<br />

<strong>Die</strong> Bahnreform ist noch nicht abgeschlossen, aber sie hat<br />

sich im Unternehmen SBB bereits mit Veränderungen in der<br />

Organisation bemerkbar gemacht. <strong>Die</strong> Strukturen des öffentlichen<br />

Verkehrs werden schrittweise den aktuellen Gegebenheiten<br />

und Erfordernissen anpasst. Nach wie vor erteilt<br />

der Bund politische Aufträge zur Koordination der<br />

Verkehrspolitik, zum Alpenschutz und allgemein zur ökologischen<br />

Erbringung der Transportleistung.<br />

Mit Hilfe der Massnahmen der Bahnreform, von Umweltstrategien<br />

und -management der SBB, müssen die Forderungen<br />

nach Erhaltung und Ausbau des Umweltvorteils<br />

der Bahn, nach mehr Wirtschaftlichkeit, internationaler<br />

Konkurrenzfähigkeit und unternehmerischer Freiheit unter<br />

einen Hut gebracht werden.<br />

Durch die Zusammenarbeit mit Studierenden im Rahmen<br />

der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> bot sich der SBB die Gelegenheit,<br />

eine externe Bewertung der Umweltstrategie der SBB zu<br />

erhalten, eine Vertiefung der laufenden Nutzen/Kosten-Studien<br />

über Umweltschutzmassnahmen der SBB zu erreichen<br />

und den Studierenden als künftigen Wissenschaftlern einen<br />

vertieften Einblick in das komplexe System «Öffentlicher<br />

Verkehr» zu vermitteln.<br />

2 <strong>Die</strong> Bahnreform<br />

2.1 Hintergrund<br />

<strong>Die</strong> Neupositionierung der Bahn steht in engem Zusammenhang<br />

mit der Bahnreform. «Das Hauptanliegen der Bahnreform<br />

ist es, die Qualität der Transportleistungen auf der<br />

Schiene zu erhöhen, die Produktivität der Bahnunternehmen<br />

zu steigern und damit die Marktstellung des Schienenverkehrs<br />

zu stärken. Gleichzeitig soll durch eine transparentere<br />

Finanzierung das Kosten-Nutzen-Verhältnis für die öffentliche<br />

H<strong>and</strong> markant verbessert werden.» (BAV, 1998).<br />

Dabei sind drei Kerngedanken ausschlaggebend:<br />

Entlastung des Gemeinwesens<br />

Unter dem bisherigen System konnten die Bahnen ihre<br />

Leistungen nur mit hohen finanziellen Zuschüssen von<br />

Bund und Kantonen erbringen. Gleichzeitig fehlte ihnen der<br />

unternehmerische Spielraum und die Rahmenbedingungen,<br />

die es ihnen erlaubt hätten, als effizientes, dienstleistungsorientiertes<br />

Unternehmen kostengünstig zu arbeiten. Um die<br />

Eigenwirtschaftlichkeit der Bahnen zu steigern, sollten deshalb<br />

Voraussetzungen geschaffen werden, die den Wettbewerb<br />

unter den Bahnen fördern und ihnen möglichst grosse<br />

unternehmerische Freiheit zugestehen, ohne den Service<br />

public zu gefährden.<br />

Umweltschutz<br />

Das Verkehrsaufkommen auf der Strasse hat stetig zugenommen.<br />

Trotz technischer Fortschritte in der Motorentechnik<br />

hat sich damit die Umweltbelastung vergrössert, insbesondere<br />

in den Bereichen Lärm, Sommersmog und Staubbelastung.<br />

Gleichzeitig ist das Strassennetz an vielen Orten an<br />

der Grenze seiner Kapazität angelangt, und es stellt sich die<br />

Frage nach aufwändigen und kostspieligen Erweiterungen.<br />

Demgegenüber stellt die Bahn ein umweltfreundliches<br />

Transportmittel dar, das zudem noch über freie Kapazitäten<br />

verfügt. Es gilt also, Bedingungen zu schaffen, die es den<br />

Bahnen erlauben, ihren Umweltvorteil auszuspielen.<br />

Veränderungen im EU-Raum<br />

<strong>Die</strong> europäische Union rüstet ihre Bahnunternehmen mit<br />

tiefgreifenden Reformen für die Zukunft. In Deutschl<strong>and</strong><br />

gilt bereits seit 1994 der freie Netzzugang für Anbieter aus<br />

allen EU-Ländern. Früher noch undenkbar, ist heute die<br />

Kooperation zwischen Bahnen verschiedener europäischer<br />

Länder längst Realität. In diesem Umfeld müssen die Voraussetzungen<br />

geschaffen werden, dass die schweizerischen<br />

Bahnen auch im internationalen Wettbewerb bestehen können.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 51


Bahn und Umwelt<br />

2.2 Eigenschaften der Bahnreform<br />

<strong>Die</strong> Bahnreform versucht diese Ziele im Wesentlichen durch<br />

einen marktwirtschaftlichen Ansatz zu erreichen. <strong>Die</strong> Rolle<br />

des Staats beschränkt sich darauf, durch Vorschriften und<br />

Kontrollen Marktverzerrungen zu verhindern (z.B. durch<br />

Überwachung der Spielregeln des freien Netzzugangs) und<br />

die Interessen der Öffentlichkeit zu wahren (z.B. Festlegen<br />

und Kontrollieren der Sicherheitsst<strong>and</strong>ards, Sicherstellung<br />

der Transportversorgung in R<strong>and</strong>regionen). Dabei gelten die<br />

folgenden Spielregeln:<br />

– Jedes konzessionierte Transportunternehmen darf auf<br />

den Trassen aller Bahnen Leistungen anbieten (freier<br />

Netzzugang, free access). Dazu ist nötig, dass die Bahnen<br />

Infrastruktur und Verkehr organisatorisch und rechnerisch<br />

trennen.<br />

– Es gilt eine strikte Gewaltentrennung: <strong>Die</strong> Bahnen sind<br />

privatrechtliche Unternehmen ohne hoheitliche Aufgaben.<br />

Der Bund beschränkt sich auf den Erlass von Vorschriften<br />

und die Kontrolle ihrer Einhaltung.<br />

– Im Personenfernverkehr gilt der freie Markt; die Bahnen<br />

gestalten ihr Angebot nach Kundenwünschen; der Bund<br />

bestellt als Grundleistung den Stundentakt und entschädigt<br />

die Bahnen dafür. Im Personennahverkehr gilt das<br />

Bestellprinzip: <strong>Die</strong> Bahnen brauchen nur jene <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

zu erbringen, die die Kantone bzw. der Bund bei<br />

ihnen bestellen. <strong>Die</strong> Bahnen werden dafür entschädigt.<br />

– Im Güterverkehr gilt der freie Markt: jede Bahn kann ihr<br />

Angebot gemäss den Bedürfnissen ihrer Kunden frei<br />

gestalten.<br />

Zu bemerken ist, dass die Bahnreform kein in sich abgeschlossenes<br />

Massnahmenpaket ist. <strong>Die</strong> Entwicklungen in<br />

der europäischen Verkehrspolitik sind für die nächsten<br />

Schritte genauso entscheidend wie die Debatte über die<br />

zukünftige Gestaltung der Mobilität und des Gütertransports<br />

in der Schweiz.<br />

2.3 Auswirkungen auf die SBB<br />

Eine direkte Konsequenz der Bahnreform ist die Neuorganisation<br />

des Unternehmens in die drei Bereiche Güterverkehr,<br />

Personenverkehr und Infrastruktur (Abb. 2.3). <strong>Die</strong> drei Divisionen<br />

sind seit Anfang 1999 getrennte Einheiten, die für<br />

ihr Ergebnis selbst verantwortlich sind. Gleichzeitig erhielten<br />

sie damit mehr Autonomie in der Gestaltung ihrer Geschäftsbeziehungen.<br />

<strong>Die</strong> Division Güterverkehr nutzt dies<br />

bereits in einem Joint Venture mit den italienischen Staatsbahnen.<br />

Seit dem 1.1.1999 ist die SBB zudem eine Aktiengesellschaft.<br />

Der frühere Regiebetrieb des Bundes wurde von<br />

seinen finanziellen Altlasten befreit und in eine AG im<br />

Eigentum des Bundes umgew<strong>and</strong>elt. Dadurch erhält das<br />

Abb. 2.3: Organigramm der SBB AG, St<strong>and</strong> Ende ‘99 (Bild: SBB).<br />

52 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Bahn und Umwelt<br />

Unternehmen die gleichen Bedingungen wie die <strong>and</strong>eren<br />

Bahnen. Es kann so marktgerechter und weitgehend unbeeinflusst<br />

von der Politik operieren. Gleichzeitig steigen<br />

damit die Anforderungen an die Effizienz des Unternehmens,<br />

und die Transparenz gegenüber den Kunden und der<br />

Öffentlichkeit wird zunehmend wichtiger.<br />

Durch den freien Netzzugang ist das Unternehmen noch<br />

vermehrt gefordert, seine Leistungen zu konkurrenzfähigen<br />

Preisen und in der verlangten Qualität anzubieten. <strong>Die</strong>s<br />

bedingt, dass die internen Prozesse gestrafft, die Mittel<br />

gezielt eingesetzt und ausserhalb des Kerngeschäfts liegende<br />

Tätigkeiten ausgelagert werden. Gleichzeitig muss sich<br />

die SBB AG so ausrichten, dass sie auch in Zukunft ihre<br />

Stellung als Marktführerin behaupten kann. <strong>Die</strong>s erfordert<br />

eine langfristige H<strong>and</strong>lungsstrategie und Investitionen in<br />

eine leistungsfähige Infrastruktur.<br />

3 Umweltschutz bei der SBB<br />

3.1 Umweltstrategien<br />

Der Bund als Eigner der SBB AG macht verbindliche Auflagen,<br />

in welche Richtung sich das Unternehmen zu bewegen<br />

hat. Auch im Bereich Umwelt hat der Bundesrat als<br />

strategisches Ziel definiert: «<strong>Die</strong> SBB AG sorgt mit ihrer<br />

Umweltpolitik dafür, dass die Vorteile der Bahn gegenüber<br />

<strong>and</strong>eren Verkehrsträgern erhalten bleiben.» (Strategische<br />

Ziele des Bundesrates für die SBB AG 1999-2002).<br />

Richtschnur für die Umsetzung ist die Umweltstrategie<br />

des UVEK, die für den Bereich Verkehr folgende Sachziele<br />

vorgibt (UVEK, 2000):<br />

– Senkung der Umweltbelastungen auf ein langfristig unbedenkliches<br />

Niveau, und zwar in den Bereichen Luftschadstoffe<br />

und Beeinträchtigung des Klimas, Lärm, Bodenverbrauch<br />

sowie Belastung von L<strong>and</strong>schaften und<br />

Lebensräumen;<br />

– Senkung des Energieverbrauchs, insbesondere der nicht<br />

erneuerbaren Energien.<br />

Der Umweltvorteil der Bahn ist unbestritten. Sie beansprucht<br />

weniger Raum als die Strasse, sie verursacht durch<br />

den Betrieb mit elektrischem Strom kaum Luftverschmutzung<br />

und nutzt erneuerbare Energie aus Wasserkraftwerken.<br />

<strong>Die</strong> Treibhauspotentiale der Bahn im Personen- wie im<br />

Güterverkehr sind gegenüber dem Privatauto oder dem<br />

Schwerverkehr um Faktoren geringer (Abb. 3.1). Der Vorteil<br />

gegenüber der Strasse ist aber durch die starke technische<br />

Entwicklung im Automobilbau einerseits und durch die<br />

lange Vernachlässigung der Bahn als modernes Transportmittel<br />

geringer geworden. Es bedarf gezielter Massnahmen,<br />

um den Vorsprung zu halten, noch bestehende Umweltmängel<br />

der Bahn zu mindern und neue Potentiale zu erschliessen.<br />

<strong>Die</strong>se Massnahmen müssen «gemanagt» werden, um<br />

ihre Wirkung entfalten und ihre Kosten minimieren zu können.<br />

3.2 Umweltmanagement bei der SBB AG<br />

<strong>Die</strong> vielfältigen Bauaufgaben der SBB führten schon früh<br />

dazu, dass Umweltschutzfragen gebührende Beachtung geschenkt<br />

wurde. Bereits 1977 wurde eine «Zentralstelle für<br />

Lärmfragen» bei der damaligen Bauabteilung der Generaldirektion<br />

geschaffen. <strong>Die</strong>ser Stabsstelle wurden zunehmend<br />

Aufgaben in <strong>and</strong>eren Bereichen des Umweltschutzes übertragen<br />

und am 1.9.1989 wurde sie in eine Sektion «Umwelt»<br />

überführt. Flankierend wurden dezentrale Fachbereiche<br />

«Umwelt» geschaffen, die für die Umsetzung der Umweltschutzmassnahmen<br />

in den damaligen Kreisdirektionen<br />

sorgten.<br />

<strong>Die</strong> Aufgaben, denen sich die diversen Umweltschutzfachleute<br />

innerhalb der SBB anzunehmen hatten, wuchsen<br />

stetig. Damit stieg auch der Personalbedarf für den Umweltschutz,<br />

gleichzeitig aber auch die Investitionen für Umweltschutzprojekte<br />

(siehe Abb. 3.2.1 und 3.2.2). <strong>Die</strong>s bedingte<br />

vermehrte Koordination und Planung der diversen Umweltschutzaufgaben.<br />

Gleichzeitig entst<strong>and</strong> das Bedürfnis, durch<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 53


Bahn und Umwelt<br />

Abb. 3.1: Treibhauspotentiale Personen-<br />

und Güterverkehr (Bild: SBB).<br />

Abb. 3.2.1: Umweltfachleute<br />

bei der SBB AG (Bild:<br />

SBB).<br />

54 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Bahn und Umwelt<br />

Abb. 3.2.2: Umweltausgaben der<br />

SBB AG (Bild: SBB).<br />

eine sinnvolle Umweltpolitik mehr H<strong>and</strong>lungsspielraum im<br />

Umweltschutz zu erreichen. Wie in der Privatwirtschaft<br />

auch, sollte das reaktive H<strong>and</strong>eln, wie es der Vollzug der<br />

Umweltgesetzgebung darstellt, abgelöst werden durch ein<br />

proaktives H<strong>and</strong>eln, das zukünftige Entwicklungen frühzeitig<br />

erkennt und in einen Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen<br />

verw<strong>and</strong>elt. Im Februar 1995 führte deshalb die<br />

Generaldirektion das «Umweltmanagement SBB» ein.<br />

Nach diversen Umstrukturierungen im Zuge der Unternehmensreform<br />

befindet sich das Umweltmanagement heute<br />

in einer Phase der Konsolidierung. <strong>Die</strong> wichtigsten Schritte<br />

auf dem bisherigen Weg waren:<br />

– Durchführung einer detaillierten Analyse der Umweltrelevanzen<br />

der Tätigkeiten der SBB AG (St<strong>and</strong>ortbestimmung);<br />

– Verabschiedung der aus der Analyse abgeleiteten strategischen<br />

Umweltziele und Stossrichtungen (Kasten 3.2);<br />

– Laufende Umsetzung eines umfassenden, periodisch aktualisierten<br />

Massnahmenpakets zur Verwirklichung dieser<br />

Ziele;<br />

– Sicherstellung des fachlichen Austauschs und der Massnahmenkoordination<br />

durch Aufbau eines Umweltnetzwerks<br />

von ca. 25 Umweltfachleuten;<br />

– Aufbau eines Kompetenzzentrums für Umweltschutz im<br />

Konzernstab durch Ausbau der früheren Sektion Umwelt<br />

der Baudirektion und Überführung in das BahnUmwelt-<br />

Center SBB, angegliedert dem Generalsekretariat.<br />

3.3 Umweltrelevante Problemfelder<br />

Entsprechend der Vielfalt seiner betrieblichen Tätigkeiten<br />

ist das Unternehmen SBB AG von einer breiten Palette<br />

umweltrelevanter Problemfelder betroffen. <strong>Die</strong>se können<br />

nicht alle gleichzeitig und im gleichen Ausmass abgedeckt<br />

werden, im Sinn der Ökonomie, der Mittel und Kräfte<br />

müssen Prioritäten gesetzt werden. Als Entscheidungskriterien<br />

dazu bieten sich das Kostenrisiko einerseits und der<br />

Wir wollen die Stellung der SBB AG und der Bahn als<br />

energie-, raum- und umweltschonendes Transportmittel<br />

erhalten und zu einer zentralen Bedeutung ausbauen.<br />

Wir wollen durch Ausbildung und Information alle Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter in die Verantwortung für<br />

den Schutz der Umwelt einbeziehen.<br />

Wir wollen Kunden, Öffentlichkeit und Behörden laufend<br />

über unsere Beiträge zum Schutz der Umwelt informieren.<br />

Wir wollen nachhaltige, gesetzmässige und wirtschaftlich<br />

tragbare Lösungen zum Schutz der Umwelt umsetzen.<br />

Wir wollen durch Vermeiden oder Verwerten oder umweltgerechtes<br />

Entsorgen unsere Emissionen und Abfälle<br />

vermindern und dabei die Ressourcen möglichst in geschlossenen<br />

Kreisläufen halten.<br />

Kasten 3.2: Leitsätze der SBB AG.<br />

Vorteil durch umweltorientiertes Verhalten <strong>and</strong>ererseits an.<br />

Problemfelder mit hohem Kostenrisiko und hohem Nutzenpotential<br />

sind bevorzugt zu beh<strong>and</strong>eln (Abb. 3.3.1).<br />

<strong>Die</strong> wesentlichen H<strong>and</strong>lungsfelder ergeben sich in den<br />

Bereichen Lärm und Energie. Aufgrund ihres hohen Kostenrisikos<br />

sind auch die Beh<strong>and</strong>lung von Altlasten, die Lösung<br />

der Erschütterungsprobleme und die in ihrem Ausmass noch<br />

nicht genau abschätzbare Problematik des Elektrosmogs<br />

vordringlich, auch wenn dadurch kein besonderer Umweltvorteil<br />

für die SBB AG erwächst. <strong>Die</strong>se Aufteilung spiegelt<br />

sich im aktuellen Umwelt-Massnahmenprogramm. Für alle<br />

Problemfelder in den oberen Quadranten und die Mehrzahl<br />

im rechten unteren Quadranten sind Massnahmen in Umsetzung.<br />

<strong>Die</strong> entsprechenden Massnahmen und Programme<br />

sind in Abb. 3.3.2 dargestellt.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 55


Bahn und Umwelt<br />

Abb. 3.3.1: Umweltrelevante<br />

Problemfelder (Bild:<br />

SBB).<br />

Abb. 3.3.2: Massnahmenprogramme in verschiedenen Umweltbereichen (Bild: SBB).<br />

Bei mehreren Problemfeldern wird auch in internationalen<br />

Gremien gearbeitet, um eine Verbesserung zu erzielen,<br />

denn im Bahnbereich macht Umweltschutz nicht an der<br />

L<strong>and</strong>esgrenze Halt. So stammen beispielsweise etwa zwei<br />

Drittel der Güterwagen, die in der Schweiz verkehren, aus<br />

dem Ausl<strong>and</strong>. <strong>Die</strong> Lärmsanierung der SBB-eigenen Güterwagen<br />

ist deshalb wenig effektiv, wenn nicht gleichzeitig<br />

die ausländischen Bahnen lärmarmes Rollmaterial einsetzen.<br />

Aus diesem Grund beteiligen sich die SBB aktiv an<br />

verschiedenen internationalen Arbeitsgruppen, insbesondere<br />

in den Bereichen Lärm, Erschütterungen, Vegetationskontrolle,<br />

Normierung und Ökobilanzierung.<br />

56 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Bahn und Umwelt<br />

3.4 Das BahnUmwelt-Center<br />

Mit der Unternehmensreform 1999 wurde das BahnUmwelt-Center<br />

(BUC) von der Baudirektion in den Konzernstab<br />

umgesiedelt. <strong>Die</strong> Ansiedlung beim Generalsekretariat,<br />

das direkt dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung unterstellt<br />

ist, spiegelt die strategische Bedeutung dieser neuen Einheit.<br />

Zu den Aufgaben des BahnUmwelt-Centers gehören denn<br />

auch die strategische Ausrichtung in Umweltfragen, das<br />

Umweltmanagement, die Umweltberichterstattung und -bilanzierung.<br />

Ausserdem ist es das Kompetenzzentrum für<br />

umwelttechnische Fragen und ist damit verantwortlich für<br />

die Entwicklung von Massnahmen, neuen Methoden und<br />

Konzepten für die Gesamtunternehmung. Es stellt ferner die<br />

Kommunikation in Umweltfragen nach aussen und nach<br />

innen sicher.<br />

Das Netzwerk ermöglicht somit die Vernetzung der Umweltbeauftragten<br />

quer durch die Unternehmung. Es fördert<br />

auch die Bildung von Fachgemeinschaften in den verschiedenen<br />

Umweltbereichen und erlaubt die rasche Bildung von<br />

ad hoc-Arbeitsgruppen zu anstehenden Umweltfragen. Im<br />

Netzwerk werden zudem neue Umweltprojekte oder -massnahmen<br />

erarbeitet, die dann der Geschäftsleitung zur Genehmigung<br />

vorgelegt werden. <strong>Die</strong>se Massnahmen können<br />

konkrete Projekte des GB (z.B. Lärmsanierung) oder umwelttechnische<br />

Querschnittsmassnahmen (z.B. Abfallkonzept)<br />

sein.<br />

3.5 Zusammenarbeit im Umweltnetzwerk<br />

Während das BUC als Kompetenzzentrum und Koordinationsstelle<br />

vorwiegend planerisch und organisatorisch tätig<br />

ist, obliegt die Umsetzung der von der Geschäftsleitung<br />

beschlossenen Umweltmassnahmen den einzelnen Geschäftsbereichen<br />

(GB). Dazu stellt jeder GB einen Umweltbeauftragten,<br />

welcher den Massnahmenvollzug sicherstellt<br />

und als Ansprechpartner für Umweltfragen wirkt. <strong>Die</strong> Mitglieder<br />

des BUC und die Umweltbeauftragten der GB bilden<br />

zusammen das Umweltnetzwerk (Abb. 3.5), welches durch<br />

direkte Kontakte oder gemeinsame Workshops den fachlichen<br />

Austausch und die Koordination zwischen den Umweltfachleuten<br />

sicherstellt.<br />

Abb. 3.5: Umweltnetzwerk in der Unternehmensstruktur (Bild: SBB).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 57


Bahn und Umwelt<br />

4 Ausblick<br />

Das Umweltmanagement ist stark massnahmenorientiert<br />

und versucht, eine Verbesserung der Umweltleistung durch<br />

betriebliche Massnahmen zu erreichen. Dabei bietet sich<br />

insbesondere die Infrastruktur an, z.B. in den Bereichen<br />

Energieverbrauch der Liegenschaften, Herbizideinsatz entlang<br />

der Gleisanlagen, Lärmschutzwände oder Altlasten.<br />

Auch beim Rollmaterial sind signifikante Verbesserungen<br />

in Umsetzung, beispielsweise durch die Verwendung leiserer<br />

Bremsen oder durch den Einbau geschlossener Toiletten.<br />

Mit dieser Strategie konnte das Umweltmanagement der<br />

SBB bereits wesentliche Erfolge verbuchen. Seine weitere<br />

Entwicklung steht jedoch nicht still. Einige wichtige H<strong>and</strong>lungsbereiche<br />

sind die Einbindung der Lieferanten, die weitere<br />

Verbreitung des Umweltgedankens beim Personal und<br />

die engere Verknüpfung mit dem Qualitätsmanagement. Im<br />

Bereich der Kommunikation sind mit der Veröffentlichung<br />

der Broschüre «SBB und Umwelt» (SBB, ohne Jahr) und<br />

des Umweltberichts 1999 sowie mit der Aufschaltung einer<br />

Umwelt-Homepage auf dem Internet weitere Fortschritte<br />

realisiert worden.<br />

Bahn fahren ist eine umweltfreundliche Art der Fortbewegung,<br />

dies wird durch Daten über Energieverbrauch und<br />

Luftschadstoffe belegt. <strong>Die</strong>se Tatsache ist in der Bevölkerung<br />

auch allgemein bekannt. Es gibt aber auch Bereiche, in<br />

denen der Umweltvorteil der Bahn noch ausgebaut werden<br />

kann und muss. So gibt es bei der Reduktion der Lärmemissionen<br />

durch die Bahn noch viel zu tun, Aktionsprogramme<br />

sind in die Wege geleitet.<br />

Für die Umweltberichterstattung, die das BahnUmwelt-<br />

Center abgestimmt auf den Geschäftsbericht vornimmt, fehlen<br />

der SBB, aber auch <strong>and</strong>eren europäischen Bahnen, noch<br />

Instrumente zum wissenschaftlichen Erfassen der Ökoeffizienz.<br />

In dieser Ausgangslage erwarteten wir von der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> ein kritisches Hinterfragen der Umweltpositionierung<br />

der SBB sowie neue Anregungen in der Frage der<br />

Ökoeffizienz. <strong>Die</strong> Resultate haben gezeigt, dass wir mit<br />

unseren Kunden und der Öffentlichkeit unsere Umweltbemühungen<br />

und Angebote besser kommunizieren müssen.<br />

Schliesslich hat die <strong>Fallstudie</strong> in der Frage der Ökoeffizienz<br />

weitere Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt.<br />

Literatur<br />

Bundesamt für Verkehr (BAV) (1998). Bahnreform: öffentlicher<br />

Verkehr in neuen Bahnen. Bern: Bundesamt für Verkehr.<br />

Schweizerische Bundesbahnen (SBB) (ohne Jahr). SBB und Umwelt.<br />

Bern: SBB CFF FFS.<br />

UVEK (2000). Departementsstrategie des UVEK. Bern: Departement<br />

für Umwelt, Verkehr, Energie, Kommunikation.<br />

58 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Unterwegs zu einem nachhaltigen<br />

Güterverkehr? –<br />

<strong>Die</strong> Perspektive des NFP 41<br />

Autor:<br />

Felix Walter<br />

Programmleiter<br />

NFP 41 1<br />

Inhalt<br />

1. Was ist das NFP 41? 61<br />

2. Bausteine eines nachhaltigen Güterverkehrs 65<br />

3. Erste Synthese zum Güterverkehr 67<br />

4. Stossrichtungen für eine künftige Politik 69<br />

5. Ausblick 71<br />

1 c/o ECOPLAN, Thunstrasse 22, 3005 Bern, Tel. 031 356 61 61, Fax 031 356 61 60, E-Mail: walter@ecoplan.ch, Internet www.nfp41.ch.


Unterwegs zu einem nachhaltigen Güterverkehr?<br />

Zusammenfassung<br />

Vorgestellt werden das Nationale Forschungsprogramm<br />

41 «Verkehr und<br />

Umwelt, Wechselwirkungen<br />

Schweiz-Europa» sowie die wichtigsten<br />

Bausteine eines nachhaltigen Güterverkehrs.<br />

Es erfolgt eine erste Synthese<br />

zum Thema Güterverkehr und<br />

Ansätze für eine künftige Schweizer<br />

Güterverkehrspolitik werden skizziert.<br />

Besondere Aufmerksamkeit verdienen<br />

zwei Projekte des NFP 41, die<br />

unmittelbar in die Arbeit der <strong>Fallstudie</strong><br />

2000 eingeflossen sind. Zum einen<br />

h<strong>and</strong>elt es sich um eine Studie von<br />

Thierstein, Schnell & Schwegler<br />

(1999), die das Potenzial für Bahngütertransport<br />

an ausgewählten Unternehmen<br />

aus der Region Zug aufzeigt.<br />

Zum <strong>and</strong>eren h<strong>and</strong>elt es sich um die<br />

Arbeiten unter Leitung von Rico Maggi<br />

(Maggi, 1999) zum alpenquerenden<br />

Güterverkehr. <strong>Die</strong> dort vorgenommene<br />

Analyse der Transportqualitäten<br />

(Transportzeit, Zuverlässigkeit, Flexibilität,<br />

Häufigkeit) zeigt eine gewisse<br />

«Bahnfrustration»: bei scheinbar<br />

gleichwertigem Angebot bevorzugen<br />

die Verlader den Strassen-Transport<br />

vor der Schiene.<br />

Mit der LSVA, der NEAT und der<br />

Beibehaltung des Nachtfahrverbots<br />

sowie den flankierenden Massnahmen<br />

zum L<strong>and</strong>verkehrsabkommen konnte<br />

die Schweiz einige wichtige Meilensteine<br />

in der europäischen Verkehrspolitik<br />

setzen. Der Einfluss der<br />

Schweizer Preispolitik ist bei internationalen<br />

Transporten wegen des geringen<br />

Streckenanteils jedoch bescheiden.<br />

Das Binnenkombi-System für die<br />

kurzen Distanzen innerhalb der<br />

Schweiz steckt noch in den Kinderschuhen.<br />

<strong>Die</strong> weitere Veränderung des<br />

Güterverkehrs in Richtung Nachhaltigkeit<br />

ist noch ein langer, hürdenreicher<br />

Weg.<br />

Keywords: Alpeninitiative, Bahnreform,<br />

Bahnfrustration, Güterverkehr,<br />

Kombinierter Verkehr, LSVA,<br />

NEAT, NFP 41, Transportqualität,<br />

Transitverkehr.<br />

Résumé<br />

Ce chapitre décrit le Programme national<br />

de recherche (PNR) 41 «Transport<br />

et environnement, interactions<br />

Suisse-Europe» ainsi que les principales<br />

composantes d’un trafic de march<strong>and</strong>ises<br />

efficace. Il s’ensuit une première<br />

synthèse sur le thème «Transports<br />

de march<strong>and</strong>ises» et des objectifs<br />

d’une politique suisse des transports<br />

de march<strong>and</strong>ises sont esquissés.<br />

Deux projets du PNR 41 qui ont été<br />

inclus immédiatement dans le travail<br />

de l’étude de cas 2000 retiennent tout<br />

particulièrement notre attention. Il<br />

s’agit pour l’un d’une étude de Thierstein,<br />

Schnell & Schwegler (1999) qui<br />

montre le potentiel pour le transport<br />

ferroviaire des march<strong>and</strong>ises dans certaines<br />

entreprises de la région de<br />

Zoug. L’autre traite quant à lui les<br />

travaux réalisés sous la direction de<br />

Rico Maggi (Maggi, 1999) concernant<br />

le transport de march<strong>and</strong>ises à<br />

travers les Alpes. L’analyse entreprise<br />

des qualités de transport (temps de<br />

transport, fiabilité, flexibilité,<br />

fréquence) démontre une certaine<br />

«frustration du chemin de fer»: à offre<br />

apparemment égale, les expéditeurs<br />

optent pour le transport routier au détriment<br />

du rail.<br />

Avec la RPLP (Redevance sur le<br />

trafic poids lourds liée aux prestations),<br />

la NLFA et le maintien de l’interdiction<br />

de rouler la nuit ainsi que les<br />

mesures complémentaires de l’accord<br />

sur les transport terrestres, la Suisse<br />

est parvenue à marquer quelques tournants<br />

importants en matière de politique<br />

européenne des transports. L’influence<br />

de la politique de prix suisse<br />

sur les transports internationaux est<br />

cependant modeste en raison de la part<br />

insignifiante des trajets et le système<br />

du trafic intérieur combiné pour les<br />

brèves distances au sein de la Suisse<br />

n’en est encore qu’à ses débuts. Il reste<br />

encore de nombreux obstacles à surmonter<br />

avant de parvenir au nouveau<br />

changement durable du trafic march<strong>and</strong>ises.<br />

Mots-clés: initiative des Alpes,<br />

réforme des chemins de fer, frustration<br />

du chemin de fer, transports de march<strong>and</strong>ises,<br />

transport combiné, LSVA,<br />

NLFA, PNR 41, qualité de transport,<br />

trafic de transit.<br />

Summary<br />

This chapter presents the National Research<br />

Program 41 «Transport <strong>and</strong> the<br />

Environment, Interactions Switzerl<strong>and</strong><br />

- Europe», along with the most<br />

important building blocks for a sustainable<br />

freight transport system.<br />

Subsequently, a preliminary synthesis<br />

on freight transport is presented, <strong>and</strong><br />

approaches for a future Swiss freight<br />

transport policy are outlined.<br />

Two NRP 41 projects, with direct<br />

influence on the making of case-study<br />

2000, deserve special attention: On<br />

the one h<strong>and</strong>, a study by Thierstein,<br />

Schnell & Schwegler (1999) demonstrating<br />

the potential of freight transport<br />

by rail, exemplified by selected<br />

companies from the region of Zug. On<br />

the other h<strong>and</strong>, studies conducted by<br />

Rico Maggi (Maggi, 1999) regarding<br />

trans-alpine freight traffic. The analysis<br />

of transport quality carried out in<br />

this study (duration, reliability, flexibility,<br />

frequency) demonstrates a certain<br />

rail frustration: when presented<br />

with seemingly identical conditions,<br />

cargo firms seem to prefer road to rail.<br />

By introducing distance-related<br />

Heavy Vehicle Fees (HVF) <strong>and</strong> the<br />

NEAT, by retaining the ban on night<br />

transportation, as well as by conducting<br />

supporting measures regarding<br />

ground-traffic agreements, Switzerl<strong>and</strong><br />

has been able to set several important<br />

milestones within Europe’s<br />

traffic policy. The influence of Swiss<br />

price policy on international transports,<br />

however, is modest due to its<br />

small share of distance. The inl<strong>and</strong><br />

combined-transport system for short<br />

distances within Switzerl<strong>and</strong> is still in<br />

its infancy. Further change of freight<br />

traffic towards sustainability is yet a<br />

long track ahead, full of obstacles.<br />

Keywords: alpine referendum,<br />

Swiss Rail Reform, rail frustration,<br />

freight transport, combined freight<br />

transport, HVF, NEAT, NRP 41, quality<br />

of transport, transit traffic.<br />

60 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Unterwegs zu einem nachhaltigen Güterverkehr?<br />

Übersicht<br />

<strong>Die</strong> Leitung der <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n «Zukunft Schiene<br />

Schweiz» und das Nationale Forschungsprogramm «Verkehr<br />

und Umwelt» (NFP 41) st<strong>and</strong>en in engem wechselseitigen<br />

Austausch. <strong>Die</strong> Ergebnisse des NFP 41 haben zu den<br />

wesentlichen Bausteinen der <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000 gehört.<br />

Im Folgenden möchte ich die Ergebnisse des NFP 41<br />

«Verkehr und Umwelt» vorstellen und die Bezüge zur <strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> 2000 aufzeigen. Hierzu gehören<br />

– ein geraffter Überblick über das NFP 41 (Kap. 1),<br />

– die Präsentation von zwei Arbeiten aus dem NFP 41, auf<br />

denen die <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000 aufbaut (Kap. 2),<br />

– eine Synthese zum Forschungsbereich Güterverkehr<br />

(Kap. 3) sowie<br />

– Überlegungen für eine künftige Güterverkehrs-Politik<br />

(Kap. 4).<br />

1 Was ist das NFP 41?<br />

1.1 NFP als orientierte und orientierende<br />

Forschung<br />

NFP 41 steht für das Nationale Forschungsprogramm «Verkehr<br />

und Umwelt, Wechselwirkungen Schweiz-Europa».<br />

Der Bundesrat gibt periodisch dem Schweizerischen Nationalfonds<br />

den Auftrag, zu gesellschaftlich und politisch<br />

wichtigen Fragen die wissenschaftlichen Grundlagen zu<br />

verbessern. Der Nationalfonds führt diese Forschungsprogramme<br />

mit Blick auf die Bedürfnisse der Adressaten in<br />

Politik und Verwaltung durch. In der Auswahl der Projekte<br />

und der Formulierung der Empfehlungen ist er völlig unabhängig.<br />

<strong>Die</strong> Nationalen Forschungsprogramme sind Projekte<br />

der orientierten, grösstenteils angew<strong>and</strong>ten Forschung.<br />

Sie sind in der Regel auf 5 Jahre begrenzt.<br />

Knapp 20 Jahre nach der Gesamtverkehrskonzeption von<br />

1977, in welcher letztmals eine Gesamtschau der verkehrspolitischen<br />

Grundlagen erstellt wurde, beschloss der Bundesrat,<br />

ein Forschungsprogramm zur Verkehrspolitik zu lancieren.<br />

<strong>Die</strong>s geschah in einer Zeit, als neue Technologien,<br />

insbesondere die Magnetschnellbahn «Swissmetro» und die<br />

«Verkehrstelematik», am Horizont auftauchten und gleichzeitig<br />

die ökologischen und politischen Grenzen des Verkehrswachstums<br />

erreicht schienen. <strong>Die</strong> Diskussion beherrschten<br />

Stichworte wie «Alpeninitative», «Neue Eisenbahnalpentransversale»<br />

(NEAT), «Bilaterale Verh<strong>and</strong>lungen<br />

mit der EU» (vgl. Kasten 1.1). Hinzu kam eine umweltökonomische<br />

Einsicht: Weder hohe externe Kosten für Umweltschäden,<br />

d.h. nicht von den Verursachern bezahlte Kosten<br />

(vgl. Tab.1.1), noch hohe Subventionen für den öffentlichen<br />

Verkehr können auch aus ökonomischer Sicht nachhaltig<br />

sein.<br />

Entsprechend definierte sich das NFP 41 als Denkfabrik,<br />

welche die wissenschaftlichen Grundlagen für eine nachhaltige<br />

Verkehrspolitik verbessern soll: Es sucht Lösungsbeiträge<br />

aus allen Fachrichtungen zu einer effizienten, sozialund<br />

umweltverträglichen Befriedigung der Mobilitätsbedürfnisse.<br />

<strong>Die</strong> Projekte sind auf einen mittelfristigen Zeithorizont<br />

(ca. 2000 - 2020) ausgerichtet. Sie können und wollen<br />

somit nicht die politischen Debatten von heute beeinflussen,<br />

sondern jene von morgen mit besseren wissenschaftlichen<br />

Grundlagen unterstützen. Das NFP 41 hat eine wichtige<br />

Brückenfunktion zwischen der Grundlagenforschung und<br />

den kurzfristig ausgerichteten Beratungsaufträgen der Bundesverwaltung<br />

und grösserer Kantone übernommen. Es ermöglicht,<br />

grundlegende Fragen zu stellen und innovative<br />

Methoden anzuwenden, ohne den Blick für die Politik- und<br />

Praxisrelevanz der Ergebnisse zu verlieren.<br />

1.2 Breite Themenpalette<br />

<strong>Die</strong> Forschung im NFP 41 läuft seit 1997. Das Programm<br />

wird vom Schweizerischen Nationalfonds mit 10 Millionen<br />

Franken finanziert. <strong>Die</strong> Hälfte der Projekte erhält zusätzliche<br />

finanzielle Unterstützung von Kantonen und Bundesämtern.<br />

<strong>Die</strong> Forschungsarbeiten wurden öffentlich ausge-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 61


Unterwegs zu einem nachhaltigen Güterverkehr?<br />

Tab. 1.1: Ungefähre Externe Kosten der Verkehrsinfrastruktur (nur Umweltwirkungen, in Mio. Fr. pro Jahr (aus Maibach,<br />

Schreyer, Banfi, Iten & de Haan, 1999).<br />

externe Kosten in Mio. Fr. (1995)<br />

Kostenbereich<br />

Umwelt<br />

Strasse<br />

Schiene<br />

Personenverkehr Güterverkehr Personenverkehr Güterverkehr<br />

Lärm 670 300 134 28<br />

Gesundheitsschäden Luft 895 520 4-11 2-6<br />

Gebäudeschäden Luft 340 235<br />

Vegetationsschäden Luft 230-600 120-315 6-15 3-7<br />

Vermeidung Klimarisiken 1’300 400 3 3<br />

Weitere Umweltkosten 110-180 100-170 63-93 54-84<br />

Total Kosten (ca.) 3’800 1’800 230 110<br />

Tab. 1.2: Publikationen des NFP 41 mit Bezug zum Güterverkehr.<br />

Titel Autoren Berichts-<br />

Nummer<br />

Verladerverhalten C. Kaspar, Ch. Laesser, J. Meister B1<br />

St<strong>and</strong>orte und Potentiale für den Kombiverkehr M. Ruesch et al. B2<br />

Unternehmensstrategien und Güterverkehr – Wirkungen und A. Thierstein et al. B3<br />

Zusammenhänge – gezeigt am Beispiel der Region Zug<br />

Multimodale Potenziale im transalpinen Güterverkehr R. Maggi et al. B4<br />

Zukunftsgüterbahn – Vorstudie M. Maibach et al. B5<br />

Zukunftsgüterbahn – Hauptstudie M. Lebküchner et al. B5+<br />

Einbindung der Schweiz in die Transeuropäischen Verkehrsnetze: Metron AG/EURES<br />

B6<br />

Personenverkehr<br />

Europäischer Güterverkehr – Einbindung der Schweiz S. Wagner et al. B7<br />

European Sea Transport <strong>and</strong> Intermodalism – Consequences for<br />

Switzerl<strong>and</strong><br />

R. Rudel, J. Taylor B8<br />

Zusatznutzen von Logistikdrehscheiben L. Poschet et al. B9<br />

The Dynamics of Freight Transport Development Ph. Thalmann C3<br />

Möglichkeiten und Grenzen zusätzlicher Anwendungen des<br />

LSVA-Erhebungssystems<br />

M. Rapp, M. Liechti E2<br />

Schweiz. Verkehrspolitik im Spannungsfeld der Aussenpolitik –<br />

Beispiel 28-T-Limite (aus dem NFP 42)<br />

M. Maibach et al. M6<br />

The supply of combined transport services F. Rossera, R. Rudel M7<br />

Modelling the transport <strong>and</strong> logistics choice of a shipper S. Bolis, R. Maggi M8<br />

Politikstrategien zur Förderung des Kombinierten Verkehrs M. Maibach et al. M9<br />

Legislaturperspektiven in der Verkehrspolitik F. Walter et al. M17<br />

Güterverkehr – Herausforderungen und Chancen; Teilsynthese<br />

des Moduls B<br />

Ernst Basler + Partner AG<br />

S2<br />

62 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Unterwegs zu einem nachhaltigen Güterverkehr?<br />

Themen der schweizerischen Verkehrspolitik<br />

Alpeninitiative: Eidgenössische Volksinitiative zum Schutze<br />

des Alpengebietes vor dem Transitverkehr. Am 20.<br />

Februar 1994 wurde diese Volksinitiative von Volk und<br />

Ständen angenommen. Sie erreichte die Verankerung des<br />

Alpenschutzartikels (Art. 84 BV) in der Schweizerischen<br />

Bundesverfassung, der verlangt, dass der alpenquerende<br />

Güterverkehr innerhalb von zehn Jahren auf die Schiene<br />

verlegt wird und dass die Kapazität der Transitstrassen im<br />

Alpenraum nicht erhöht werden darf. Regierung und Parlament<br />

haben die Aufgabe, den Verfassungsartikel umzusetzen.<br />

Bahnreform: <strong>Die</strong> Gesetze zur Bahnreform sind seit dem<br />

1. Januar 1999 in Kraft. Ziel der Bahnreform ist die Sicherstellung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen<br />

Bahnen im internationalen Verkehr. Durch die Bildung<br />

einer spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft wurden die<br />

SBB verselbstständigt und politische und betriebliche Aufgaben<br />

entflochten. <strong>Die</strong> Finanzierung des öffentlichen Verkehrs<br />

soll transparenter und nach einheitlichen Regeln erfolgen,<br />

freier Netzzugang im Güterverkehr und im internationalen<br />

Personenverkehr führen Wettbewerbselemente ins<br />

Bahnsystem ein. Freier Netzzugang bedeutet, dass ein dritter<br />

Anbieter gegen Entgelt zum Beispiel Güterzüge auf dem<br />

Schienennetz einer <strong>and</strong>eren Bahn anbieten kann. <strong>Die</strong> Bahnreform<br />

ist noch nicht abschlossen, die Strukturen des öffentlichen<br />

Verkehrs werden schrittweise den aktuellen Gegebenheiten<br />

und Erfordernissen anpasst (s. a. Kap. <strong>Die</strong><br />

Perspektive der SBB, Abschnitt 2.1).<br />

Binnenkombi-System (Pegasus bzw. KLV-CH): Beim Kombiverkehr<br />

werden Wechselbehälter mit der Bahn von einem<br />

Terminal zum <strong>and</strong>ern transportiert; der Vor- und Nachlauf<br />

erfolgt auf der Strasse. <strong>Die</strong> SBB bietet seit Ende Mai 2000<br />

mit dem Cargo Combi CH (frühere Namen: Pegasus, KLV-<br />

CH) einen Inl<strong>and</strong>transport zwischen Zürich (<strong>Die</strong>tikon) und<br />

Genf an. Geplant ist ein weiterer Halt in Lausanne sowie<br />

eine Verbindung Chiasso-Basel.<br />

Citylogistik: Unter diesem Begriff werden logistische Konzepte<br />

zur Optimierung der Güterversorgung in Städten<br />

verst<strong>and</strong>en. Bislang wurden vornehmlich Konzepte zur<br />

koordinierten Belieferung des Einzelh<strong>and</strong>els in Innenstädten<br />

entwickelt. Ziel einer Reorganisation der Güterdistribution<br />

durch Citylogistik ist vor allem die Entlastung des<br />

innerstädtischen Verkehrsraums vom Güterverkehr mit<br />

Lastwagen.<br />

DIANE (Durchbruch innovativer Anwendungen neuer<br />

Energietechniken): Vom Bund im Jahre 1995 ausgeschriebene<br />

und finanzierte Projekte zum effizienteren Umgang<br />

mit Energie. DIANE 6 ist das Konzept «Transportoptimierung<br />

im Güterverkehr».<br />

Energie 2000: Energie 2000 ist ein Aktionsprogramm des<br />

Bundesamtes für Energie (BFE) und ein Gemeinschaftswerk<br />

von Bund, Kantonen, Gemeinden, Wirtschaft und<br />

Privaten. Ziel des Programms ist die Stabilisierung des<br />

Energieverbrauchs und des CO 2 -Ausstosses und die Erhöhung<br />

des Anteils erneuerbarer Energien. Es setzt auf gemeinsames,<br />

marktorientiertes H<strong>and</strong>eln von Staat, Wirtschaft<br />

und Privaten. Nachfolgeprogramm seit Ende Januar<br />

2001: EnergieSchweiz.<br />

FINÖV: Der «Bundesbeschluss über Bau und Finanzierung<br />

der Infrastrukturvorhaben des öffentlichen Verkehrs» sichert<br />

die Finanzierung für Bahn 2000 (1. und 2. Etappe), die<br />

NEAT, den Anschluss der Ost- und der Westschweiz an das<br />

europäische Hochleistungsnetz und den Lärmschutz entlang<br />

der Eisenbahnstrecken. <strong>Die</strong> Vorlage wurde in einer<br />

Volksabstimmung Ende 1999 angenommen.<br />

Kombinierter Güterverkehr (KV): Oberbegriff für Gütertransporte,<br />

bei denen Ladeeinheiten (Grosscontainer,<br />

Wechselaufbauten, Sattelanhänger oder komplette LKW)<br />

auf der Gesamtstrecke von mindestens zwei verschiedenen<br />

Verkehrsträgern, z.B. Strasse, Schiene oder Wasser befördert<br />

werden. Im Unterschied zu «gebrochenem» Verkehr,<br />

bei dem die Güter selbst umgeladen werden, wechseln bei<br />

der Transportkette des Kombinierten Verkehrs die kompletten<br />

Ladeeinheiten von einem Verkehrsträger zum <strong>and</strong>eren.<br />

Es gilt das Prinzip der Optimierung der Transportkette.<br />

LSVA (Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe): Ab 1.<br />

Januar 2001 werden alle Fahrzeuge für den Personen- und<br />

Gütertransport mit einem Gesamtgewicht von über 3.5<br />

Tonnen abgabepflichtig. <strong>Die</strong> Abgabe belastet den Schwerverkehr<br />

nach dem Verursacherprinzip (wer viel fährt und so<br />

die Umwelt stärker belastet, bezahlt auch mehr) und ist ein<br />

wichtiger Beitrag zur Kostenwahrheit im Verkehr. Belastet<br />

werden zulässiges Gewicht (Tonnen) und gefahrene Kilometer,<br />

unabhängig von der Auslastung. Ausländische Fahrzeuge<br />

müssen die Abgabe bei der Ausreise aufgrund der<br />

gefahrenen Kilometer in der Schweiz bezahlen. Bei inländischen<br />

Fahrzeugen wird die Abgabe mit einem elektronischen<br />

Erfassungsgerät ermittelt.<br />

Nachhaltigkeit: Nachhaltig ist eine Entwicklung, die die<br />

Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren,<br />

dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht<br />

befriedigen können (World Commission on Environment<br />

<strong>and</strong> Development, 1987, p. 46).<br />

NEAT: 1990 entschied sich die Schweizer Regierung für<br />

den Bau einer Neuen Eisenbahnalpentransversale (NEAT)<br />

mit zwei Basistunnels am Gotthard (57 Kilometer Länge)<br />

und am Lötschberg (36 Kilometer Länge). Mit dem auf 550<br />

m ü.M. liegenden Scheitelpunkt wird die Transversale zum<br />

tiefst gelegenen aller Alpendurchstiche werden. <strong>Die</strong> Steigungen<br />

der neuen Hochleistungsachsen dürfen 12,5 ‰<br />

nicht überschreiten, die Kurvenradien werden nur im Ausnahmefall<br />

kleiner als 4000 m. Das bedeutet, dass grössere<br />

Güterzüge mit Geschwindigkeiten von bis zu 160 km/h und<br />

Personenzüge mit 250 km/h durch den Tunnel fahren werden<br />

können.<br />

NFP 41 Nationales Forschungsprogramm «Verkehr und<br />

Umwelt»: Das NFP 41 sieht sich als Denkfabrik für eine<br />

nachhaltige Verkehrspolitik. Es sucht Lösungsbeiträge aus<br />

allen Fachrichtungen zu einer effizienten, umwelt- und<br />

sozialverträglichen Befriedigung der Mobilitätsbedürfnisse.<br />

Damit sollen die Grundlagen für die künftige Verkehrs-<br />

Kasten 1.1: Erläuterungen zu Fachbegriffen in Zusammenhang mit Themen der Schweizer Verkehrspolitik. <strong>Die</strong> aufgeführten<br />

Begriffe sind sowohl in diesem Kapitel als auch im ganzen B<strong>and</strong> anzutreffen.<br />

Fortsetzung nächste Seite →<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 63


Unterwegs zu einem nachhaltigen Güterverkehr?<br />

politik verbessert und guten Lösungen Auftrieb verschafft<br />

werden. Gemäss dem Umsetzungskonzept von 1998 will<br />

das NFP 41 in erster Linie die Entscheidvorbereitenden in<br />

Verwaltung, Verbänden und Politik ansprechen und diesen<br />

Zielgruppen Impulse für eine nachhaltige Verkehrspolitik<br />

geben.<br />

Rollende L<strong>and</strong>strasse: Bei der Rollenden L<strong>and</strong>strasse wird<br />

der ganze Lastwagen oder Sattelzug samt Chauffeur (im<br />

Liegewagen) auf der Schiene befördert. <strong>Die</strong> Niederflurwagen<br />

(mit Raddurchmessern von lediglich 360/335 mm,<br />

Ladehöhe ca. 410 mm) haben durchgehende Ladespuren,<br />

die ein problemloses Auf- und Wegfahren der Strassenfahrzeuge<br />

ermöglichen.<br />

Swissmetro: Unterirdische Hochgeschwindigkeits-Magnetschnellbahn<br />

zum Personentransport, die die wichtigsten<br />

Siedlungszentren zwischen Genf und St. Gallen und<br />

zwischen Basel und Bellinzona verbindet. Grundlage der<br />

Swissmetro bilden zwei Tunnel, die zwischen 60 und 300<br />

Meter unter dem Boden liegen. Um den Luftwiderst<strong>and</strong> zu<br />

vermindern, wird ein Teilvakuum erzeugt. <strong>Die</strong>se Technik<br />

erlaubt Geschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometern pro<br />

Stunde. An den Haltestellen sollen direkte Verbindungen<br />

zu den SBB-Bahnhöfen bestehen. <strong>Die</strong> Forschungsarbeiten<br />

sind so weit abgeschlossen, dass die industrielle Entwicklung<br />

einsetzen kann. Dazu ist vorerst eine Versuchsstrecke<br />

vorgesehen, die in den nächsten Jahren realisiert werden<br />

soll.<br />

Verkehrstelematik: Befasst sich mit der Codierung von<br />

Verkehrsmeldungen, so dass diese sich als digitale Daten in<br />

Fahrzeuge übertragen lassen und dort für eine Reihe von<br />

Umsetzungen zur Verfügung stehen. Kombinierter Einsatz<br />

von verschiedenen technischen Mitteln der Datenerfassung<br />

zu Kontroll- und Planungsanwendungen. So können Informationen<br />

über Verkehrs- und Fahrzeugzustände zu<br />

Kontrollzwecken eingesetzt werden und bei Bedarf kann<br />

steuernd eingegriffen werden. Mit Hilfe der Verkehrstelematik<br />

werden mobilitäts- bzw. verkehrsrelevante Informationen<br />

und gewisse im Fahrzeug erfasste Zustände an zentrale<br />

Einrichtungen übertragen und dort intelligent verarbeitet<br />

(s. a. Mühlethaler, 1998).<br />

Fortsetzung Kasten 1.1: Erläuterungen zu Fachbegriffen in Zusammenhang mit Themen der Schweizer Verkehrspolitik.<br />

schrieben, die Projekte in Konkurrenz vergeben. Dabei sind<br />

sowohl Hochschulinstitute wie auch private Beratungs- und<br />

Forschungsfirmen zum Zuge gekommen. Total wurden 54<br />

Projekte ausgelöst. Rund 100 Fachleute von Bund, Kantonen,<br />

Verbänden und aus der Wirtschaft haben in Begleitgruppen<br />

mitgearbeitet und an Workshops Zwischenresultate<br />

diskutiert. An zwei Dutzend Tagungen wurden Ergebnisse<br />

öffentlich präsentiert und diskutiert. <strong>Die</strong> Verkehrskommissionen<br />

von National- und Ständerat liessen sich die Ergebnisse<br />

an ihrer ersten Sitzung der neuen Legislatur präsentieren.<br />

Bis zum Abschluss des NFP41 Ende Januar 2001 sind<br />

etwa hundert Berichte, Materialienbände und Synthesen<br />

erschienen.<br />

<strong>Die</strong> Projekte decken ein sehr breites Themenspektrum ab.<br />

Es reicht von Mobilitätsmanagement im Personenverkehr<br />

über Unternehmensstragien im Güterverkehr bis zu Strategiemodellen,<br />

von Kostenwahrheit über Telematik bis zu den<br />

Auswirkungen von Swissmetro. Zahlreiche Projekte befassen<br />

sich mit dem Verhältnis Schweiz-Europa im Verkehr<br />

(vgl. Tab. 1.2). 2<br />

2 Weiterführende Informationen:<br />

Umfassendes Internet-Angebot mit allen Kurzfassungen der Berichte und Tagungsprogrammen: www.nfp41.ch.<br />

Projektbeschriebe und aktuelle Informationen finden Sie im Porträt und in den Bulletins. Bestellungen bitte an Nationalfonds, NFP41, Postfach, 3001 Bern,<br />

Fax +41 31 301 30 09.<br />

Publikationen sind erhältlich bei: BBL/EDMZ, CH-3003 Bern, Fax (+41) 031 325 50 58, E-Mail: verkauf.zivil@bbl.admin.ch,<br />

Internet: http://www.admin.ch/edmz.<br />

Weitere Informationen sind erhältlich bei der Programmleitung: Felix Walter, c/o ECOPLAN, Thunstrasse 22, 3005 Bern, Tel. 031/356 61 61,<br />

Fax 031/356 61 60, E-Mail: walter@ecoplan.ch, www.nfp41.ch.<br />

64 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Unterwegs zu einem nachhaltigen Güterverkehr?<br />

2 Bausteine eines nachhaltigen<br />

Güterverkehrs<br />

Das NFP 41 hat unter <strong>and</strong>erem ausgewählte Aspekte des<br />

Güterverkehrs näher untersucht, dabei aber nicht die ganze<br />

Breite des Themas abdecken können. Von besonderer Bedeutung<br />

im Zusammenhang mit den <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n 1999<br />

und 2000 sind zwei Projekte, die im Folgenden näher beschrieben<br />

werden. Anschliessend werden – im Sinne erster<br />

Syntheseüberlegungen – einige Bausteine für einen nachhaltigen<br />

Güterverkehr aufgezeigt.<br />

2.1 Regionale Zusammenarbeit im<br />

Güterverkehr<br />

<strong>Die</strong> Unternehmensstrategien betreffend Warenbelieferung<br />

haben sich in den letzten Jahren deutlich gew<strong>and</strong>elt, die<br />

Stichworte dazu lauten «Lean Management», «Just-in-<br />

Time» und «Neue Beschaffungs- und Vertriebsstrategien».<br />

Um den Einfluss dieser Strategien auf den Güterverkehr zu<br />

untersuchen, wurden im NFP 41-Projekt «Unternehmsstrategien<br />

und Güterverkehr» (Thierstein, Schnell & Schwegler,<br />

1999) rund 80 Betriebe in der Region Zug befragt und vier<br />

Fallbeispiele im Detail analysiert. Es zeigt sich, dass die<br />

Unternehmungen immer flexibler werden wollen, womit<br />

Bahntransporte einen schweren St<strong>and</strong> haben. Vor- und<br />

Nachteile für die Umwelt spielen bei den Transportentscheiden<br />

kaum eine Rolle. <strong>Die</strong> regionale Zusammenarbeit der<br />

Betriebe in der Transportlogistik ist kaum entwickelt.<br />

Ausgefeilte Logistik-Konzepte werden unabhängig von<br />

der Grösse und der Branche vor allem von Betrieben entwickelt,<br />

die unter starkem Wettbewerbsdruck stehen. Hier<br />

sehen die Autoren auch einen Ansatzpunkt, damit Betriebe<br />

regional besser zusammenarbeiten und ihre Transporte gemeinsam<br />

effizienter abwickeln könnten (siehe auch Abb.<br />

2.1). Solche regionalen Kooperationen sollten auch von den<br />

Kantonen vermehrt gefördert werden. Ein Engagement der<br />

öffentlichen H<strong>and</strong> im Sinne einer Vermittlung von Interessen<br />

(«Runder Tisch», Koordination von Wünschen der Verlader<br />

an die Infrastruktur, Informationstätigkeit, etc.) kann<br />

insbesondere dazu beitragen, Vorbehalte der Verlader gegen<br />

den Bahntransport abzubauen und die Kontakte zwischen<br />

Unternehmen und Bahn zu fördern. Ein Beispiel auf Bundesebene<br />

für ein solches Engagement wäre die Mitfinanzierung<br />

der Planung eines Binnenkombisystems (KLV-CH,<br />

später Pegasus genannt) oder das Impulsprogramm DIANE<br />

6 (siehe Kasten 1.1), in dessen Rahmen «City-Logistik-<br />

Konzepte» entwickelt und Pilotprojekte durchgeführt wurden.<br />

Weiter muss die öffentliche H<strong>and</strong> die Rahmenbedingungen<br />

für die Bahn und den Kombinierten Verkehr<br />

Abb. 2.1: Möglichkeiten zur Verbesserung des Güterverkehrs in der Region Zug (Quelle: Thierstein, Schnell & Schwegler,<br />

1999).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 65


Unterwegs zu einem nachhaltigen Güterverkehr?<br />

(Bahn/Strasse) aufwerten, wenn negative Auswirkungen<br />

der neuen Unternehmensstrategien auf die Umwelt vermieden<br />

werden sollen.<br />

2.2 Alpenquerende Güter unter<br />

Zugzwang<br />

Das NFP 41-Projekt B4 unter Leitung von Prof. Rico Maggi<br />

(1999) – man könnte es «<strong>Die</strong> Ökonomie der Alpeninitative»<br />

nennen – umfasste drei Teilstudien zum alpenquerenden<br />

Güterverkehr. Aus der Sicht des Angebots (Rossera & Rudel,<br />

1999), der Nachfrage (Bolis & Maggi, 1999) und möglicher<br />

politischer Förderstrategien (Maibach, Schreyer, &<br />

Lebküchner, 1999) lautet die zentrale Schlussfolgerung: Für<br />

den Markterfolg ist eine zuverlässige und pünktliche Lieferung,<br />

meist über Nacht, besonders wichtig.<br />

2.2.1 Angebot<br />

Angebotsseitig wird gezeigt, wie wichtig das Nachtfahrverbot<br />

und die (zu frühen) Schliessungszeiten der Terminals<br />

sind sowie die Potenziale einer schnelleren Abwicklung von<br />

Kombiverkehrstransporten. Zunehmend wichtig wird die<br />

Unterscheidung in die Marktsegmente des FTL (Full Truck<br />

Load) und LTL (Less than Truck Load), da die logistischen<br />

Anforderungen für LTL viel komplexer sind: <strong>Die</strong> Güter<br />

müssen gebündelt und i.d.R. mehrmals umgeladen werden,<br />

um eine ganze Ladung versenden zu können. Da immer<br />

mehr kleinere Sendungen verfrachtet werden, und an diese<br />

zugleich hohe Anforderungen an Lieferzeiten und Zuverlässigkeit<br />

gestellt werden, gewinnt eine ausgefeilte Logistik –<br />

im Extremfall bis hin zum Expresskurierdienst für Pakete<br />

und dergleichen – stark an Bedeutung. Hingegen verliert die<br />

konventionelle Massensendung (FTL), für welche die Bahn<br />

und der Kombinierte Verkehr ihre Stärken haben, an Bedeutung.<br />

2.2.2 Nachfrage<br />

In der Teilstudie zur Nachfrage wird ein neuartiges Modell<br />

für die Nachfrage im Kombinierten Verkehr, d.h. das Verhalten<br />

der Verlader, vorgestellt. Zudem wurden Geldwerte für<br />

die Transportzeit und die Zuverlässigkeit ermittelt: In einem<br />

dreistufigen Modell entscheidet der Verlader zuerst über den<br />

St<strong>and</strong>ort, die Zulieferer und die Absatzmärkte, dann über die<br />

Verkehrslogistik und erst auf der dritten Stufe über die<br />

Transportdienstleistung. <strong>Die</strong> Befragung von Unternehmungen<br />

hat ergeben, dass das Logistikkonzept und der Wert der<br />

Güter die Wahl die Transportentscheide viel stärker beeinflussen<br />

als etwa die Branche.<br />

Mit simulierten Transportentscheiden (Adaptive Stated<br />

Preference Methode) wurde ermittelt, wie hoch verschiedene<br />

Eigenschaften eines Transportes durch die Verlader gewichtet<br />

werden. <strong>Die</strong> Gewichtung erfolgte in Geldwerten<br />

(vgl. Tab. 2.2). Es liess sich berechnen, dass eine Stunde<br />

Transportzeit pro transportierte Tonne für den Verlader einen<br />

Wert von ca. CHF 1.15 hat. <strong>Die</strong> Zuverlässigkeit ist<br />

hierbei besonders wichtig: Wenn 1% mehr aller Lieferungen<br />

(z.B. 91% statt 90% aller Lieferungen) pünktlich eintreffen,<br />

sind die Verlader bereit, CHF 2.40 pro Stunde und Tonne zu<br />

bezahlen. <strong>Die</strong>s und weitere monetäre Werte der Güterverkehrsnachfrage<br />

werden gegenwärtig dazu benutzt, die<br />

Transportqualität (insbesondere Zuverlässigkeit und Häufigkeit)<br />

in Verkehrsmodellen besser zu berücksichtigen. <strong>Die</strong><br />

Untersuchungen von Maggi zeigen eine «Bahnfrustration»:<br />

bei scheinbar gleichwertigem Angebot bevorzugen Verlader<br />

den Strassen-Transport vor der Schiene (Maggi, 1999).<br />

2.2.3 Politische Einflussgrössen<br />

<strong>Die</strong> Analyse politischer Fördermassnahmen zeigt, wie die<br />

gegenwärtige Verkehrspolitik weiter optimiert werden<br />

kann. <strong>Die</strong> erwartete Umlagerung von der Strasse auf die<br />

Schiene kann demnach nur erreicht werden, wenn unter dem<br />

Druck des Wettbewerbs die Bahnen ihre Produktivität massiv<br />

steigern. <strong>Die</strong> Potenziale für die Verlagerung von der<br />

Strasse auf die Bahn resp. auf den Kombinierten Verkehr<br />

werden im Transitverkehr mit den spürbaren politischen<br />

Eingriffen wie die LSVA, Subventionen oder NEAT als<br />

recht hoch eingeschätzt. Es wird damit gerechnet, die Anzahl<br />

der jährlich alpenquerenden Lastwagen von 1,6 Mio.<br />

auf 800’000 zu halbieren.<br />

Tab. 2.2: Wert einer Verbesserung der verschiedenen Qualitäten pro Tonne und aktuelle Durchschnittswerte für Strasse,<br />

Bahn und kombinierten Verkehr (aus Maggi, 1999, S. 3; Darstellung nach Lebküchner, Maibach & Schreyer, 2000, S. 29).<br />

KV: kombinierter Verkehr.<br />

Faktor CHF/Tonne Verbesserung Durchschnittswerte<br />

Strasse Bahn KV<br />

Transportzeit 1.15 CHF für eine Stunde weniger Transportzeit 45 h 105 h 46 h<br />

Zuverlässigkeit 2.42 CHF für 1% mehr Zuverlässigkeit 95% 90% 90%<br />

Flexibilität 0.37 CHF für eine Stunde weniger Voranmeldezeit 36 h 64 h 56 h<br />

Häufigkeit 1.10 CHF für eine Sendung mehr pro Monat 6 pro<br />

Monat<br />

5pro<br />

Monat<br />

10 pro<br />

Monat<br />

66 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Unterwegs zu einem nachhaltigen Güterverkehr?<br />

3 Erste Synthese zum Güterverkehr<br />

3.1 Politische Gewichtung<br />

Der alpenquerende Transitverkehr ist sicherlich ein Problem,<br />

wird in der politischen Diskussion jedoch tendenziell<br />

überschätzt. Er macht 4% der transportierten Tonnen und<br />

25% der Tonnenkilometer in der Schweiz aus, wobei nur ca.<br />

20% davon auf der Strasse abgewickelt werden. Der Güterverkehr<br />

ist also hauptsächlich hausgemacht. Allerdings<br />

weist der alpenquerende Strassengütertransit die grössten<br />

Wachstumsraten auf (von 1990 bis 1998 Zunahme um 135%<br />

auf der Strasse und 16% auf der Schiene) und st<strong>and</strong> im<br />

Rahmen der Verh<strong>and</strong>lungen zum bilateralen L<strong>and</strong>verkehrsabkommen<br />

sowie in Zusammenhang mit der NEAT im<br />

Mittelpunkt des Interesses. Weiter zeigt sich, dass die Belastungen<br />

für die Infrastruktur, die Bevölkerung und die Natur<br />

in den Transitkorridoren überdurchschnittlich hoch sein<br />

können, hingegen sind die betroffenen Gebiete unterdurchschnittlich<br />

dicht besiedelt.<br />

3.2 Kombinierter Verkehr:<br />

Potenziale und Hindernisse<br />

Es wird viel von Intermodalität gesprochen, aber bislang<br />

verlief die Umlagerung auf den Kombinierten Verkehr (KV)<br />

eher zurückhaltend. <strong>Die</strong> Potenziale sind gemäss der Studie<br />

von Ruesch, Paras & Kettner (2000, S. 11) durchaus vorh<strong>and</strong>en,<br />

allerdings lassen sie sich marktorientiert nur in erheblichem<br />

Mass ausschöpfen, wenn sich an den Rahmenbedingungen<br />

Wesentliches ändert. Insbesondere müssten über die<br />

LSVA hinaus die Trassenpreise gesenkt und die Leistung<br />

des KV und der Bahn generell gesteigert werden können.<br />

Das Anfang 2000 in Betrieb genommene Binnenkombi-<br />

System (KLV-CH bzw. Pegasus) zeigt, dass unter Einbezug<br />

der Verlader auch ein System für relativ kurze Distanzen<br />

(Raum Genf bis Raum Zürich) möglich ist. Zudem zeigt<br />

sich, dass für Netz-Erweiterungen durchaus Potenziale bestehen,<br />

diese aber nur schrittweise realisierbar sind. Um die<br />

wirtschaftlich nötigen Mengen zu erreichen, müssen Güterströme<br />

im Binnen-, Import-/Export- und evtl. Transit-Verkehr<br />

nach Möglichkeit überlagert werden. Dadurch entstünden<br />

aus Wagen des unbegleiteten Kombinierten Verkehrs<br />

und des Einzelwagenladungsverkehrs gekoppelte Züge.<br />

<strong>Die</strong> Hindernisse liegen vor allem darin, dass der KV<br />

insbesondere auf kurzen Distanzen den Anforderungen bezüglich<br />

Zuverlässigkeit, Flexibilität und Preis nicht genügt.<br />

Genau diese Anforderungen steigen aber im Zuge des verschärften<br />

internationalen Wettbewerbs in Zukunft noch weiter<br />

infolge der zunehmend nach Just-in-Time Logik funktionierenden<br />

Logistik und der kleineren Sendungsmengen.<br />

Wichtig ist auch, dass die Schweiz allein – besonders im<br />

Transitverkehr mit ihrem kurzen Streckenanteil – mit ihrer<br />

Preispolitik einen relativ bescheidenen Einfluss hat, da sie<br />

die Zulaufstrecken im Ausl<strong>and</strong> nicht beeinflussen kann.<br />

Ein weiteres Hindernis sind die technischen Systeme und<br />

deren Interoperabilität, so dass die Forderung aufkam, eine<br />

«Behälterpolitik» zu lancieren, d.h. einen «Behälterpool»<br />

durch St<strong>and</strong>ardisierung der Transportbehälter für den KV<br />

einzurichten.<br />

<strong>Die</strong> Liberalisierung im Bahngüterverkehr, die mit der<br />

Bahnreform ab Anfang 1999 zumindest auf dem Papier<br />

Realität geworden ist, wird wohl noch einiges bewirken:<br />

Nebst einem echten Wettbewerb, der durch einige marktbeherrschende<br />

Unternehmungen im Transport- und Terminalbereich,<br />

durch stark regulierte Trassenprioritäten und international<br />

unterschiedliche Systeme noch stark gehemmt<br />

wird, werden vor allem von den indirekten Effekten wie<br />

Kundenorientierung und internationale Zusammenarbeit<br />

deutliche Verbesserungen für den Bahn- und Kombiverkehr<br />

erwartet.<br />

Einen weiteren Aspekt stellt der Aufschwung der italienischen<br />

Häfen dar, bei denen mittels einer besseren Bahnerschliessung<br />

im Hinterl<strong>and</strong> grosse Potenziale realisiert werden<br />

können. Dadurch kann auch ein Teil der rund 5%<br />

alpenquerenden Güter verhindert werden, die heute von den<br />

nordeuropäischen Seehäfen kommend, quer durch die Alpen<br />

nach Süden verfrachtet werden.<br />

Der Kombinierte Verkehr kann mit relativ einfachen Mitteln,<br />

wie flexibleren Terminalöffnungszeiten und schnellerer<br />

Abwicklung an der Grenze, in seiner Effizienz noch<br />

wesentlich gesteigert werden. Insgesamt scheinen die Verlagerungen<br />

von der Strasse auf die Schiene im alpenquerenden<br />

Verkehr vom Bund recht optimistisch prognostiziert zu<br />

sein. Das Nachtfahrverbot für Lastwagen z.B. hat die bilateralen<br />

Verh<strong>and</strong>lungen mit der EU praktisch unbeschadet<br />

überst<strong>and</strong>en. Nur wenn weiterhin alle Instrumente von den<br />

Marktakteuren (namentlich den Bahnen) voll ausgenutzt<br />

werden, besteht die reelle Chance, die ehrgeizigen Verlagerungsziele<br />

zu erreichen.<br />

3.3 City-Logistik<br />

Gemäss den Erfahrungen aus dem Bundesprogramm<br />

DIANE und der Darstellung in der Teilsynthese Güterverkehr<br />

(Ernst Basler + Partner, 2000) ist der Boden für gute<br />

City-Logistik-Konzepte sehr steinig (s. a. Kasten 1.1). Es<br />

zeigt sich, dass koordinierte Liefer- und Verteilsysteme einen<br />

hohen Koordinationsaufw<strong>and</strong> und sehr hohe Kosten<br />

nach sich ziehen. Zudem sind die Güterströme häufig zu<br />

klein und zu dispers, um solchen Systemen zum Erfolg zu<br />

verhelfen und somit auch eine Reduktion der Verkehrsleistungen<br />

und der Emissionen zu erreichen. Dennoch muss<br />

versucht werden, die internationalen und nationalen Güterverkehrskonzepte<br />

vermehrt auch mit den urbanen Konzepten<br />

zu verknüpfen.<br />

3.4 Güterverkehrszentren<br />

Im Zeichen des zunehmenden Güterumschlags haben sich in<br />

jüngster Zeit vermehrt Güterverkehrszentren gebildet, die<br />

nicht nur als Umschlags- und Umladeplattformen dienen,<br />

sondern auch <strong>Die</strong>nstleistungsunternehmungen (Versicherungen,<br />

Logistikberatung, EDV, etc.) anziehen. Zwei Studien<br />

des NFP 41, «Europäischer Güterverkehr: Einbindung<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 67


Unterwegs zu einem nachhaltigen Güterverkehr?<br />

– «intelligente» Zugsbildung bei Güterzügen in hochproduktiven<br />

zentralen und kleineren dezentralen Rangiersystemen<br />

mit Einsatz automatischer Kupplungen und<br />

automatischer Wagenerkennung,<br />

– automatisierte Betriebsleitsysteme bewirken eine effiziente<br />

Abwicklung der Güterzugtransporte,<br />

– internationale Harmonisierung der Strom-, Sicherheitsund<br />

Tarifsysteme und grenzüberschreitender Einsatz von<br />

Personal und Rollmaterial, insbesondere Lokomotiven.<br />

Abb. 3.4: Es ist wenig wahrscheinlich, dass sich in der<br />

Schweiz grössere Güterverkehrszentren realisieren lassen.<br />

<strong>Die</strong> Schweiz sollte aber versuchen, mit hochwertigen <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

in grenznahen Logistikregionen präsent zu sein.<br />

(Bild: FS-Büro).<br />

Während eine umweltgerechte Bahntechnologie direkte<br />

Auswirkungen auf die Umweltbelastung hat, führen die<br />

übrigen Innovationslinien zuerst zu einer Steigerung der<br />

ökonomischen Produktivität. Dabei erhöht sich die Auslastung,<br />

wodurch sich indirekt auch die Umweltbilanz verbessert.<br />

Technische Innovationen machen nur dann Sinn, wenn<br />

sie organisatorisch optimal eingebettet sind. Längerfristig<br />

dürfte es für die Güterbahn möglich sein, ihre ökonomische<br />

Produktivität zu verdoppeln und gleichzeitig die Umweltbelastung<br />

zu halbieren, wodurch aus ökologischer Sicht eine<br />

Verbesserung um den Faktor vier pro Transporteinheit gegenüber<br />

heute resultiert.<br />

der Schweiz» (Wagner, Güller & Pillet, 1999) und «Zusatznutzen<br />

von Logistikdrehscheiben» (Poschet, Rumley & De<br />

Tilière, 1999) untersuchen diese Entwicklungen. <strong>Die</strong> Studie<br />

von Wagner et al. stellt im Detail die Beispiele Oberrheingraben<br />

und Lombardei/Tessin dar. Es ist absehbar, dass sich<br />

die grossen Güterverkehrszentren aus Platzgründen ausserhalb<br />

der Schweiz entwickeln werden. <strong>Die</strong> Schweiz sollte<br />

aber versuchen, weiterhin mit hochwertigen <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

wie Versicherungen, Informatik, Finanzberatung usw.<br />

in diesen grenznahen Logistikregionen präsent zu sein, um<br />

einen wirtschaftlichen Nutzen aus diesem Aspekt des Güterverkehrs<br />

zu ziehen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass sich in<br />

der Schweiz grössere Umschlagplattformen realisieren lassen.<br />

Dennoch zeigt sich, dass diese Entwicklungen raumund<br />

verkehrsplanerisch, aber auch wirtschaftspolitisch von<br />

grösster Bedeutung sind, die Behörden aber bisher noch<br />

keine Strategie gefunden haben, die Güterverkehrszentren<br />

in die aktuelle Politik einzubeziehen. <strong>Die</strong> Autoren regen an,<br />

dass Behörden und private Investoren die grenzüberschreitende<br />

Entwicklungsplanung für diese Logistikregionen verstärken,<br />

z.B. in Form eines koordinierenden Sachplans.<br />

3.5 Umweltverträglichkeit und<br />

Produktivität<br />

Technische Verbesserungen können sowohl bei der Produktivität<br />

als auch bei der Umweltverträglichkeit der Bahn noch<br />

einiges bewirken, so dass ein «Faktor-4» (doppelte Produktivität,<br />

halbierte Umweltbelastung) technisch möglich<br />

scheint: Im Projekt «Zukunftsgüterbahn» (Lebküchner et<br />

al., 2000) haben die Forscher vier Innovationslinien ausgemacht,<br />

die ökologische und ökonomische Verbesserungen<br />

versprechen:<br />

– umweltgerechtere Bahntechnologie: in erster Linie neue<br />

Bremsen zur Senkung der Lärmbelastung,<br />

3.6 <strong>Die</strong> Rollen des Staates<br />

<strong>Die</strong> öffentliche H<strong>and</strong> hat vielfältige Rollen bezüglich Güterverkehr,<br />

eine klare Positionierung wurde jedoch noch nicht<br />

in allen Punkten gefunden:<br />

– <strong>Die</strong> Schweizer Verkehrspolitik hatte sich lange auf den<br />

Personenverkehr konzentriert und im Güterverkehr primär<br />

Infrastrukturpolitik betrieben, z.B. bei der Neuen<br />

Eisenbahn Alpentransversalen (NEAT).<br />

– Mit der Bahnreform 1997 wurde die Rolle des Regulators<br />

durch die Schaffung von Rahmenbedingungen für Netzzugang<br />

und Trassenpreise intensiviert und mit Inkrafttreten<br />

des Alpenschutzartikels (Alpeninitiative, siehe Kasten<br />

1.1) wurde die Rolle als (umwelt-) politische Steuerbehörde<br />

dann deutlich.<br />

– Mit der LSVA, den bilateralen Verträgen mit der EU und<br />

letztlich der Ausschreibung von Umlagerungsleistungen<br />

hat der Bund (Bundesamt für Verkehr) nun eine moderne,<br />

an marktwirtschaftlichen Prinzipien orientierte Förderpolitik<br />

aufgebaut. Er tritt also auch – wie die Kantone im<br />

Personenverkehr – als Besteller auf.<br />

– <strong>Die</strong> Rolle als Miteigentümer wichtiger Bahngesellschaften<br />

wurde ebenfalls erst unter dem Einfluss des New<br />

Public Management und der deutlicheren Trennung von<br />

Eigentümer-Rolle und operativen Entscheiden neu diskutiert<br />

und bei der SBB mit der Schaffung einer Aktiengesellschaft<br />

und einer Leistungsvereinbarung umgesetzt.<br />

– <strong>Die</strong> Rolle als Initiator und Vermittler hat der Staat z.B. im<br />

Rahmen des Programms DIANE 6 (siehe Kasten 1.1)<br />

unter energiepolitischen Gesichtspunkten wahrgenommen,<br />

während sonst der Güterverkehr in der Energiepolitik<br />

meist nicht zur Diskussion st<strong>and</strong>. Ebenfalls kamen<br />

wichtige Anstösse von den Kantonen und später auch<br />

vom Bund, als es um das Binnenkombisystem ging. Es<br />

ist jedoch noch unklar, welche Rolle der Bund hier als<br />

Vermittler genau spielen wird, ebenso wenig ist dies klar<br />

68 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Unterwegs zu einem nachhaltigen Güterverkehr?<br />

bei den raumordnungspolitischen Fragen (z.B. Terminalplanung).<br />

Geht der politische Trend eher in Richtung<br />

vollständiger Liberalisierung oder in Richtung Koordination<br />

und Normierung?<br />

4 Stossrichtungen für die künftige<br />

Politik<br />

Auf der Basis oben beschriebener Ergebnisse lassen sich die<br />

folgenden Stossrichtungen für die künftige Güterverkehrspolitik<br />

skizzieren:<br />

Grundsatz: Es besteht H<strong>and</strong>lungsbedarf<br />

<strong>Die</strong> wirtschaftliche Bedeutung einer effizienten und zuverlässigen<br />

Verkehrs-Infrastruktur des St<strong>and</strong>ortes Schweiz ist<br />

besonders hoch. <strong>Die</strong> Nachhaltigkeit des Güterverkehrs ist<br />

jedoch keineswegs gegeben: Umweltbelastung, externe<br />

Umweltkosten und die Wachstumsraten des Güterverkehrs<br />

sind immens (vgl. Tab. 1.1 und Abb. 4). Den Güterverkehr<br />

umweltfreundlicher zu gestalten ohne Abstriche in Effizienz<br />

und Zuverlässigkeit hinnehmen zu müssen, ist eine Aufgabe,<br />

die sowohl heute wie auch in der Zukunft hohe Anforderungen<br />

stellt.<br />

Datenerfassung und Modellierung<br />

<strong>Die</strong> Liberalisierung droht den klassischen Statistiken den<br />

Teppich unter den Füssen wegzuziehen. Es müssen vermehrt<br />

Anstrengungen unternommen werden, die Lücken in<br />

der Güterverkehrsstatistik zu schliessen (Kooijman, Meyer-<br />

Rühle, Hitz, Schad, & Rommerskirchen, 1999), die Modelle<br />

zu verbessern und die Evaluationen der verkehrspolitischen<br />

Massnahmen zu systematisieren und zu institutionalisieren<br />

(Balthasar & Bächtiger, 1999).<br />

Preispolitik<br />

<strong>Die</strong> LSVA ist bezüglich der Internalisierung der externen<br />

Kosten und den marktwirtschaftlichen Instrumenten ein<br />

Meilenstein, der europaweit bezüglich Konzeption, Erhebungssystem<br />

und Abgabenhöhe seinesgleichen sucht. <strong>Die</strong>se<br />

Politik muss im ganzen Alpenbogen und auf den<br />

Abb. 4: Der Gütertransport in Europa<br />

nimmt stetig zu. Seit 1970 hat sich die<br />

Strassengütertransportleistung mehr als<br />

verdoppelt. Der Anteil der Bahn sinkt<br />

(Quelle: LITRA).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 69


Unterwegs zu einem nachhaltigen Güterverkehr?<br />

Zulaufstrecken im Ausl<strong>and</strong> zur Anwendung kommen, um<br />

das Instrument griffiger zu machen. Verstärkte internationale<br />

Koordinationsbemühungen sind jedoch dringend nötig<br />

dazu. Zudem gilt es, ein Instrument zur Internalisierung<br />

externer Kosten für Lastfahrzeuge unter 3.5 Tonnen – die<br />

von der LSVA nicht erfasst werden – zu prüfen. Auch eine<br />

stärkere Emissionsdifferenzierung der LSVA, die einen zusätzlichen<br />

Anreiz zum Gebrauch emissionsarmer Fahrzeuge<br />

gibt, stellt eine zu untersuchende Option dar.<br />

Konsequente Liberalisierung<br />

Bei der Bahnreform sind die Erfolg versprechenden Massnahmen<br />

weiterzuführen: Konsequente Liberalisierung, Sicherstellen<br />

des diskriminierungsfreien Netzzugangs (inkl.<br />

Zugang zu Terminal und Rangierleistungen), Überprüfen<br />

der heutigen Prioritätenregeln bei der Trassenvergabe und<br />

der Trassenpreispolitik. <strong>Die</strong> Entwicklungen sollten auch<br />

einem systematischen Monitoring unterworfen werden.<br />

Der Staat als Initiator<br />

Der Güterverkehr ist ein komplexes, international verknüpftes,<br />

kapitalintensives Geschäft. Dessen Abwicklung ist geprägt<br />

von zahlreichen weichen Faktoren wie Information,<br />

langfristige Planungssicherheit, technische St<strong>and</strong>ards, etc.<br />

Es ist daher sicherlich zu rechtfertigen, wenn sich der Staat<br />

engagiert, und zwar in enger Kooperation mit der Wirtschaft,<br />

z.B. in Form eines «runden Tischs» oder eines «Güterverkehrs-Forums»,<br />

allenfalls auch durch eine «Güterverkehrsagentur»,<br />

die im Rahmen von EnergieSchweiz, dem<br />

Nachfolgeprogramm von Energie 2000 (siehe Kasten 1.1),<br />

aktiv werden könnte. Dabei geht es um das Zusammenbringen<br />

von Akteuren, um das Initiieren von guten Lösungen<br />

(Pilotprojekte, Planungsstudien, evtl. Startkapitalien) und<br />

die Koordination von Anliegen der Wirtschafts-, Regionalund<br />

Verkehrspolitik.<br />

Internationale Kooperation<br />

<strong>Die</strong> Schweiz hat im Rahmen der Alpenkonvention, der<br />

Verkehrsministerkonferenz und auch als Beobachterin in<br />

gewissen EU-Ausschüssen durchaus Möglichkeiten, ihre<br />

fortschrittliche Verkehrspolitik noch stärker zu exportieren<br />

(vgl. auch Kux, 2000). Sie muss diese Chancen vermehrt<br />

systematisch ausloten und nutzen.<br />

Überdenken der Rolle des Staates als Eigentümer<br />

Bund und Kantone müssen ihre Mehrfachrollen als Eigentümer,<br />

Regulator, Besteller usw. noch weiter entflechten.<br />

Dabei müssen für das Netz neue Rechts- und Betriebsformen<br />

gefunden werden, allenfalls soll eine gesamtschweizerische<br />

Netzgesellschaft gegründet werden. Beispielsweise<br />

ist die Eigentumsfrage bei den NEAT-Tunnels noch nicht<br />

befriedigend gelöst. Sofern die öffentliche H<strong>and</strong> überhaupt<br />

Eigentümerin bleiben will, muss sie Kooperationen und<br />

Zusammenschlüsse im Güterverkehr fördern, vor allem aber<br />

klare Strategien entwickeln, und sich dann im operativen<br />

Geschäft zurückzuhalten.<br />

Konsequente Kontrollen, marktorientierte Subventionen<br />

<strong>Die</strong> flankierenden Massnahmen zum Verkehrsabkommen<br />

mit der EU (Bilaterale Verträge) umfassen u.a. strengere<br />

Kontrollen für Lastwagengewicht und Ruhezeiten der<br />

Chauffeure. <strong>Die</strong>se sollten konsequent umgesetzt werden<br />

können, damit die Spiesse für Schiene und Strasse gleich<br />

lang sind.<br />

Als Übergangslösung sind auch Subventionen für den<br />

Kombinierten Verkehr und die Rollende L<strong>and</strong>strasse beschlossen<br />

worden. <strong>Die</strong>se Instrumente sollten so eingesetzt<br />

werden, dass keine Transportart (z.B. Einzelwagenladungsverkehr)<br />

und keine Transitachse bevorzugt oder benachteiligt<br />

wird. Es sollen sich diejenigen Transporte durchsetzen,<br />

welche bezüglich der Verlagerungs- und Umweltziele pro<br />

Subventionsfranken am meisten eintragen. Das diesen<br />

Grundsätzen entsprechende System, das sich noch im Aufbau<br />

befindet, sollte systematisch beobachtet und evaluiert<br />

werden (vgl. Maibach, Schreyer & Lebküchner, 1999).<br />

70 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Unterwegs zu einem nachhaltigen Güterverkehr?<br />

5 Ausblick<br />

Literatur<br />

<strong>Die</strong> Ausführungen haben gezeigt, dass es im Güterverkehr<br />

alles <strong>and</strong>ere als einfach ist, einen nachhaltigen Weg einzuschlagen:<br />

<strong>Die</strong> Marktkräfte und die Bedürfnisse der Verlader<br />

stellen die Weichen eher zu Ungunsten der umweltfreundlichen<br />

Verkehrsmittel. <strong>Die</strong> Schweiz hat mit der LSVA, der<br />

NEAT und der Beibehaltung des Nachtfahrverbots sowie<br />

den flankierenden Massnahmen zum L<strong>and</strong>verkehrsabkommen<br />

einige wichtige Wegweiser in die europäische Verkehrsl<strong>and</strong>schaft<br />

setzen können. Pessimisten werden allerdings<br />

eher die Warnzeichen in Form der hohen Wachstumsraten<br />

und der zunehmenden Transportbedürfnisse sehen,<br />

welche aus dem Güterverkehr wohl noch lange Zeit ein<br />

Sorgenkind einer nachhaltigen Entwicklung machen.<br />

Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Güterverkehr hat das<br />

NFP 41 zahlreiche Grundlagen bereit gestellt – viel Papier,<br />

aber auch leicht lesbare Kurzfassungen aller Berichte, praktische<br />

H<strong>and</strong>bücher usw. <strong>Die</strong> Umsetzung ist durch die vielen<br />

Kontakte und Tagungen angelaufen, aber nun liegt der Ball<br />

bei den PraktikerInnen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft:<br />

Wir hoffen, dass sie sich die Informationen<br />

herauspicken und nutzen, die ihnen dienlich sind, im Interesse<br />

einer nachhaltigen Verkehrspolitik, die auf noch besseren<br />

Grundlagen aufbauen kann. Auch die <strong>Fallstudie</strong> «Zukunft<br />

Schiene Schweiz» der <strong>ETH</strong> ist ein wichtiger Mosaikstein<br />

in dieser Umsetzung: Einzelne Akteure werden noch<br />

intensiver, als dies im NFP 41 möglich war, mit Forschungsergebnissen<br />

konfrontiert, vor allem aber werden junge Umweltnaturwissenschaftler<br />

und Umweltnaturwissenschaftlerinnen<br />

für ein Thema sensibilisiert, das für die nachhaltige<br />

Zukunft der Schweiz von Bedeutung ist.<br />

Balthasar, A. & Bächtiger, C. (1999). Evaluationskonzept für die<br />

schweizerische Verkehrspolitik (Berichte des NFP 41 «Verkehr<br />

und Umwelt» Bericht D14). Bern: EDMZ.<br />

Bolis, S. & Maggi, R. (1999). Modelling the Transport <strong>and</strong> Logistics<br />

Choice of a Shipper (Berichte des NFP 41 «Verkehr und<br />

Umwelt» Bericht M8). Bern: EDMZ.<br />

Ernst Basler + Partner AG (2000). Güterverkehr – Herausforderungen<br />

und Chancen; Teilsynthese des Moduls B (Berichte des<br />

NFP 41 «Verkehr und Umwelt» Bericht S2). Bern: EDMZ.<br />

Kooijman, G., Meyer-Rühle, O., Hitz, P., Schad, H. & Rommerskirchen,<br />

S. (1999). Daten Für die Zukunft. Anforderungen an die<br />

Erneuerung der schweizerischen Verkehrsstatistik (Berichte des<br />

NFP 41 «Verkehr und Umwelt» Bericht A10). Bern: EDMZ.<br />

Kux, S. (2000). Verkehrspolitik EU/Schweiz (Berichte des NFP 41<br />

«Verkehr und Umwelt» Bericht D1). Bern: EDMZ.<br />

Lebküchner, M., Maibach, M. & Schreyer, C. (2000). Zukunftsgüterbahn:<br />

Synthesebericht (Berichte des NFP 41 «Verkehr und<br />

Umwelt» Bericht B5+). Bern: EDMZ.<br />

Maggi, R. (1999). Multimodale Potentiale im transalpinen Güterverkehr<br />

(Berichte des NFP 41 «Verkehr und Umwelt» Bericht B4).<br />

Bern: EDMZ.<br />

Maibach, M., Schreyer, C., Banfi, S., Iten, R. & de Haan, P. (1999).<br />

Faire und effiziente Preise im Verkehr: Ansätze für eine verursachergerechte<br />

Verkehrspolitik in der Schweiz (Berichte des NFP 41<br />

«Verkehr und Umwelt» Bericht D3). Bern: EDMZ.<br />

Maibach, M., Schreyer, C. & Lebküchner, M. (1999). Politikstrategien<br />

zur Förderung des Kombinierten Verkehrs (Berichte des<br />

NFP 41 «Verkehr und Umwelt» Materialienb<strong>and</strong> M9). Bern:<br />

EDMZ.<br />

Mühlethaler F. (1998). Perspektiven der Verkehrstelematik (Berichte<br />

des NFP 41 «Verkehr und Umwelt» Bericht E5). Bern:<br />

EDMZ.<br />

Poschet, L., Rumley, P.-A. & De Tilière, G. (1999). Plates-formes<br />

logistiques multimodales et multiservices (Berichte des NFP 41<br />

«Verkehr und Umwelt» Bericht B9). Bern: EDMZ.<br />

Rossera, F. & Rudel, R. (1999). The supply of combined transport<br />

services. Increasing their market penetration (Berichte des NFP 41<br />

«Verkehr und Umwelt» Bericht M7). Bern: EDMZ.<br />

Ruesch, M., Paras, M. & Kettner, S. (2000). St<strong>and</strong>ort- und Transportkonzepte<br />

für den Kombinierten Ladungsverkehr (Berichte des<br />

NFP 41 «Verkehr und Umwelt» Bericht B2). Bern: EDMZ.<br />

Thierstein, A., Schnell, K.-D. & Schwegler, U. (1999). Unternehmensstrategien<br />

und Güterverkehr: Wirkungen und Zusammenhänge<br />

– gezeigt am Beispiel der Region Zug (Berichte des NFP 41<br />

«Verkehr und Umwelt» Bericht B3). Bern: EDMZ.<br />

Wagner, S., Güller, P. & Pillet, G. (1999). Europäischer Güterverkehr<br />

– Einbindung der Schweiz (Berichte des NFP 41 «Verkehr<br />

und Umwelt» Bericht B7). Bern: EDMZ.<br />

World Commission on Environment <strong>and</strong> Development (1987). Our<br />

common future (1st ed.). Oxford: Oxford University Press.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 71


So kam Zug zum Zug –<br />

<strong>Die</strong> Perspektive der Region Zug<br />

Autoren:<br />

Ulrich Straub<br />

<strong>Die</strong>ter Müller<br />

Inhalt<br />

1. Einleitung 75<br />

2. St<strong>and</strong>ort Zug: Magnet für den <strong>Die</strong>nstleistungssektor 76<br />

3. Bevölkerungszuwachs: Wie lange noch? 77<br />

4. Vom Kuh- zum Erdölh<strong>and</strong>el 78<br />

5. Streitsüchtige Eisenbahnbauer 82<br />

6. Preiskampf um Gütertransport 83<br />

7. Stadtbahn gegen Verkehrskollaps 85<br />

8. Schlusswort 86


So kam Zug zum Zug<br />

Zusammenfassung<br />

Der Kanton Zug ist bekannt für seine<br />

wirtschaftliche Prosperität, seine flexible,<br />

effiziente Verwaltung und seine<br />

hohe Lebensqualität. Bezeichnend ist<br />

das starke Wachstum im <strong>Die</strong>nstleistungssektor.<br />

Weltfirmen wie Nestlé<br />

und L<strong>and</strong>is & Gyr haben ihren Ausgangspunkt<br />

im Kanton Zug. Der Beitrag<br />

stellt die Entwicklung von Wirtschaft<br />

und Verkehr im Kanton dar.<br />

Beschrieben wird die «Eisenbahneifersucht»<br />

zwischen Zürich und Zug,<br />

welche die Anfänge des Zuger Eisenbahnverkehrs<br />

im neunzehnten Jahrhundert<br />

prägte. Wie der Beitrag aufzeigt,<br />

hängt im Kanton Zug die Bahnentwicklung<br />

eng mit dem Wirtschaftswachstum<br />

zusammen. So war es auch<br />

eine politisch-industrielle Interessengemeinschaft,<br />

welche im Kanton die<br />

Initiative für den Eisenbahnbau ergriff.<br />

Résumé<br />

Le canton de Zoug est connu pour sa<br />

prospérité économique, son administration<br />

flexible et efficace ainsi que<br />

son niveau de qualité de vie élevé. La<br />

forte croissance du secteur tertiaire est<br />

significative. Des entreprises de réputation<br />

mondiale telles que Nestlé et<br />

L<strong>and</strong>is & Gyr ont fait leur début dans<br />

le canton de Zoug. L’article présente<br />

le développement de l’économie et du<br />

trafic dans le canton. Il traite aussi de<br />

la «jalousie du chemin de fer» entre<br />

<strong>Zurich</strong> et Zoug qui a marqué les débuts<br />

du trafic ferroviaire de Zoug au 19 e<br />

siècle. L’article montre à quel point le<br />

développement des chemins de fer<br />

dépend de la croissance économique<br />

dans le canton de Zoug. Rien de moins<br />

étonnant que ce fut une communauté<br />

d’intérêts politico-industrielle qui prit<br />

l’initiative de construire des chemins<br />

de fer.<br />

Summary<br />

The Canton of Zug is known for its<br />

economic prosperity, its flexible <strong>and</strong><br />

efficient authorities <strong>and</strong> its high st<strong>and</strong>ard<br />

of living. One characteristic is the<br />

fast growing services sector. Worldwide<br />

companies such as Nestlé <strong>and</strong><br />

L<strong>and</strong>is & Gyr initiated in the Canton<br />

of Zug. This chapter describes the<br />

development of the economy <strong>and</strong> of<br />

transport within the Canton. The «railway<br />

jealousy» between <strong>Zurich</strong> <strong>and</strong><br />

Zug is depicted – a characteristic of<br />

Zug’s 19 th century railway traffic. As<br />

demonstrated in this chapter, the railway<br />

development in the Canton of<br />

Zug is closely connected with its economic<br />

growth. Consequently, it was a<br />

political-industrial lobby that sparked<br />

the initiative for building a railway in<br />

the Canton.<br />

74 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


So kam Zug zum Zug<br />

1 Einleitung<br />

Als modellhaft und einzigartig wird die Entwicklung Zugs<br />

beschrieben, «ein beinahe mustergültiger Mikrokosmos»,<br />

so charakterisiert der in Zug wohnhafte Historiker Jean-<br />

François Bergier seinen Wohnkanton im Zuger Neujahrsblatt<br />

(Bergier, 1992). Am Beispiel dieses Mikrokosmos,<br />

sagt er, könnten die Wege der westlichen Modernität verfolgt<br />

werden.<br />

Als vorbildlich gelten die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft,<br />

die Bedeutung als H<strong>and</strong>elsplatz, eine kundenorientierte,<br />

flexible Verwaltung und generell die Lebensqualität<br />

für Bewohnerinnen und Bewohner dieser Voralpenregion.<br />

Wie hat sich der W<strong>and</strong>el von einer l<strong>and</strong>wirtschaftlich geprägten<br />

Region zur industriell geprägten Gesellschaft in nur<br />

100 Jahren vollzogen? Welchen Stellenwert hatte in dieser<br />

Entwicklung der Eisenbahnbau und der daraus folgende<br />

Güterverkehr auf der Schiene? 1864 fuhr erstmals eine<br />

Dampflok durch den Kanton Zug. <strong>Die</strong> Streckenführung<br />

Zürich–Luzern verlief damals durch das Knonaueramt via<br />

Cham und Rotkreuz. Ein Anschlussgleis führte von der<br />

Kollermühle nach Zug. Warum wurde nicht gleich von<br />

Anfang an die Strecke durch den Albis realisiert?<br />

<strong>Die</strong> gute Verkehrssituation, die geografische Lage und das<br />

Wachstum Zugs haben dazu geführt, dass der Verkehr zugenommen<br />

hat und es in Spitzenzeiten zu Engpässen kommt.<br />

Während die Bevölkerung das heutige Angebot des öffentlichen<br />

Verkehrs besonders positiv beurteilt, wird die Situation<br />

beim Privatverkehr nur als durchschnittlich taxiert.<br />

Verschiedene Konzepte zum Bau neuer Strassen sind zurzeit<br />

in Bearbeitung. Auch der Ausbau des öffentlichen Verkehrs<br />

ist in den vergangenen Jahren stetig vorangetrieben worden<br />

und wird laufend optimiert (Bau neuer Busspuren, neuer<br />

Stadtzuger Bahnhof). Einen starken Impuls in der Verkehrspolitik<br />

bringt das Projekt einer regionalen Zuger Stadtbahn,<br />

die in Zukunft Erschliessungsfunktion erfüllen soll. <strong>Die</strong><br />

Projektverantwortlichen erhoffen sich durch die Einführung<br />

der «Stadtbahn Zug» eine Attraktivitätssteigerung im öffentlichen<br />

Verkehr und ein vermehrtes Umsteigen von der<br />

Strasse auf die Schiene.<br />

Auch in Zukunft wird der Kanton Zug im Schienenverkehr<br />

eine wichtige Rolle spielen. Fachleute bezeichnen den<br />

St<strong>and</strong>ort Rotkreuz für die Einrichtung eines NEAT-Bahnhofs<br />

als «durchaus von Interesse». Der Zuger Regierungsrat<br />

hat denn auch Rotkreuz im Teilrichtplan Verkehr als NEAT-<br />

Bahnhof aufgeführt.<br />

Abb. 1: Schon in alter Zeit ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt: Der Bahnhof Zug mit<br />

Umsteigemöglichkeit auf die Strassenbahn. (Bild: Archiv ZVB).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 75


So kam Zug zum Zug<br />

2 St<strong>and</strong>ort Zug: Magnet für den<br />

<strong>Die</strong>nstleistungssektor<br />

«Wählen Sie ihren Geschäftssitz im Kanton Zug. Sie werden<br />

feststellen, dass Sie sich in guter Gesellschaft befinden.<br />

Weltweit bekannte Unternehmen aus verschiedensten Branchen<br />

profitieren bereits von den zahlreichen St<strong>and</strong>ortvorteilen.»<br />

So preist der Zuger Volkswirtschaftsdirektor Robert<br />

Bisig seinen Wirtschaftsst<strong>and</strong>ort in der Informationsbroschüre<br />

der Kontaktstelle Wirtschaft an (Kanton Zug, 1996).<br />

Zug erlebte in den vergangenen Jahrzehnten eine fulminante<br />

wirtschaftliche Entwicklung. <strong>Die</strong> niedrigen Steuern sind ein<br />

Angelpunkt der Attraktivität. Niedrige Steuern und eine<br />

zuvorkommende Verwaltung sind wichtige Aspekte. Der<br />

Zuger H<strong>and</strong>els- und <strong>Die</strong>nstleistungsverb<strong>and</strong> (HDV, 1994)<br />

zeigte in seiner Studie über den H<strong>and</strong>els- und Finanzplatz<br />

Zug aber auch auf, dass die Verfügbarkeit von gut und hoch<br />

qualifizierten Arbeitskräften, die geografische Lage und die<br />

Infrastruktur für die St<strong>and</strong>ortwahl von Unternehmen ebenso<br />

wichtig sind. Auch Aufw<strong>and</strong> und Dauer von Bewilligungsverfahren<br />

sowie die Erhältlichkeit von Ausländerbewilligungen<br />

sind entscheidend. <strong>Die</strong> kantonale Verwaltung hat<br />

sich zum Ziel gesetzt, Termine innerhalb eines Tages gewähren<br />

zu können und Entscheide in einer Frist von 24 Stunden<br />

zu fällen. <strong>Die</strong> vom Bund erlassene Kontingentierung von<br />

Niederlassungsbewilligungen für hoch qualifizierte ausländische<br />

Arbeitskräfte ist eine Einschränkung, die den Behörden<br />

bei der vorh<strong>and</strong>enen Nachfrage immer wieder zu schaffen<br />

macht.<br />

Der wohlhabende Kanton Zug betreibt bewusst Wirtschaftspflege<br />

und nicht Wirtschaftsförderung im klassischen<br />

Sinne, auch wenn auf der Homepage des Kantons Zug<br />

der Begriff Wirtschaftsförderung verwendet wird. Unternehmen<br />

werden weder offen abgeworben noch begünstigt.<br />

Steuernachlässe, Arbeitsplatzzuschüsse oder Baul<strong>and</strong> zu<br />

günstigen Konditionen werden also nicht als Köder benützt.<br />

In der ersten Hälfte der 1990er-Jahre zogen drei internationale<br />

Konzerne von der Stadt Zürich nach Zug: Shell, BP und<br />

Unilever (Neue Zürcher Zeitung, 1997). <strong>Die</strong> Unilever<br />

Schweiz AG nennt vier Punkte, die für ihren St<strong>and</strong>ortentscheid<br />

ausschlaggebend waren: die zentrale Lage für den<br />

öffentlichen und privaten Verkehr, die flexible Gestaltung<br />

von Arbeitsplätzen und Abläufen, die energiesparende Gebäudeleittechnik<br />

im Neubau sowie die generelle Kostensituation.<br />

Das allgemein gute Wirtschaftsklima, die kooperativen<br />

und flexiblen Behörden sowie die bessere Planbarkeit<br />

der Zuger Steuerbelastungen waren für BP die massgeblichen<br />

Faktoren für den Umzug. Shell schliesslich hatte ein<br />

fertig ausgearbeitetes Projekt für einen Neubau in Altstätten,<br />

als das Unternehmen auf leer stehende Büroräumlichkeiten<br />

in Baar stiess. Weil diese den Bedürfnissen der Planer entsprachen,<br />

wurde auf den Neubau verzichtet.<br />

Zug ist im schweizerischen Vergleich nach wie vor ein<br />

überdurchschnittlich industrialisierter Kanton, der einen<br />

überdurchschnittlichen Zuwachs an <strong>Die</strong>nstleistungsarbeitsplätzen<br />

zu verzeichnen hat (Thierstein & Walker, 1995).<br />

Aber sowohl der Zuzug klassischer <strong>Die</strong>nstleistungs- und<br />

H<strong>and</strong>elsunternehmen wie auch die anhaltende Tertiarisierung<br />

der Industrie haben den Prozentanteil der <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

an der gesamtwirtschaftlichen Tätigkeit bedeutend<br />

gesteigert. <strong>Die</strong> Erträge aus nicht industriellen Tätigkeiten<br />

nehmen zu. Wirtschaftsführer sprechen bereits von einem<br />

Verlust der technologischen Dynamik. Wenn nicht deutlich<br />

geringere Löhne akzeptiert würden, werde der zweite Sektor<br />

abw<strong>and</strong>ern. Es gibt besorgte Stimmen, die Anstrengungen<br />

zur Sicherung des sekundären Sektors verlangen. Vor allem<br />

vor dem Hintergrund, dass die global tätigen Holdinggesellschaften<br />

dank ihrer hohen Mobilität jederzeit abziehen können.<br />

Millionen von Steuerfranken würden ausbleiben.<br />

Einig sind sich die politischen Entscheidungsträger darin,<br />

dass eine einseitige Ausrichtung auf Finanz- und H<strong>and</strong>elsdienstleistungen<br />

vermieden werden sollte. Im revidierten<br />

Steuergesetz, das im November 2000 zur Abstimmung gelangte,<br />

wird dem insofern Rechnung getragen, als niedere<br />

Einkommen und Gewinne von Unternehmen (bis 100’000<br />

Franken) reduziert besteuert werden. Grundsätzlich aber ist<br />

die Abw<strong>and</strong>erung von Industriearbeitsplätzen kaum nur ein<br />

zugerisches Problem, da in der gesamten Deutschschweiz<br />

ähnliche Tendenzen auszumachen sind. Attraktiv bleibt der<br />

St<strong>and</strong>ort für das Gewerbe und Bauzulieferer dennoch: <strong>Die</strong><br />

hohe wirtschaftliche Tätigkeit des Kantons Zug generiert<br />

kontinuierlich neue Aufträge.<br />

76 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


So kam Zug zum Zug<br />

3 Bevölkerungszuwachs:<br />

Wie lange noch?<br />

<strong>Die</strong> Bevölkerung im Kanton Zug wuchs seit 1850 deutlich<br />

über dem schweizerischen Durchschnitt an (Tugium, 1990).<br />

<strong>Die</strong> Industrialisierung schuf Arbeitsplätze, der Lebensst<strong>and</strong>ard<br />

stieg, die Sterblichkeitsrate sank und die Zuw<strong>and</strong>erung<br />

nahm zu, was vorerst zu einem regelmässigen Wachstum<br />

führte. Zwischen 1798 und 1900 verdoppelte sich die Bevölkerung.<br />

Wiederum eine Verdoppelung der Bevölkerungszahl<br />

f<strong>and</strong> zwischen 1900 und 1960 sowie von 1960 bis 2000<br />

statt. Ab 1950 setzte ein regelrechter Bevölkerungsboom<br />

ein. <strong>Die</strong> Bevölkerungszahl stieg von 42’000 auf heute<br />

98’000 Einwohnerinnen und Einwohner.<br />

Zwischen 1850 und 1880 wirkten sich die Gründungen<br />

industrieller Betriebe stark auf die Bevölkerungszahlen aus<br />

(Br<strong>and</strong>enberg, 1969). In Baar war es die Spinnerei an der<br />

Lorze und in Cham die Anglo-Swiss Condensed Milk Co.,<br />

welche ein im kantonalen Vergleich überdurchschnittliches<br />

Wachstum auslösten. In den 1960er- und 1970er-Jahren<br />

wuchsen durch starke Zuw<strong>and</strong>erung Steinhausen und Hünenberg<br />

sogar um über 100 Prozent. 1910 betrug der Ausländeranteil<br />

an der Bevölkerung 11 Prozent. 1997 ist der<br />

Anteil der ausländischen Bevölkerung auf rund 19 Prozent<br />

angestiegen.<br />

Eine von der Baudirektion des Kantons Zug in Auftrag<br />

gegebene Studie zur Einwohner- und Arbeitsplatzprognose<br />

kam 1995 zum Schluss, dass anfangs des 21. Jahrhunderts<br />

mit einer markanten Abschwächung des Bevölkerungswachstums<br />

zu rechnen sei. Einerseits werde sich die Altersstruktur<br />

deutlich verändern und <strong>and</strong>ererseits die Zuw<strong>and</strong>erung<br />

der ausländischen Bevölkerung deutlich abnehmen.<br />

Trotz steigender Geburtenraten bei Frauen über dreissig<br />

werde es zu einer Abnahme von Geburten kommen. <strong>Die</strong><br />

Zahl der Rentnerinnen und Rentner werde sich verdoppeln.<br />

Der Raum Ennetsee (Cham, Hünenberg, Steinhausen) werde<br />

mittelfristig in Bezug auf die Einwohnerzahl weiterhin<br />

am meisten wachsen, gefolgt vom Gebiet in der Lorzenebene<br />

(Zug, Baar, Steinhausen). <strong>Die</strong> Einwohnerentwicklung im<br />

Berggebiet (Neuheim, Menzingen, Oberägeri, Unterägeri,<br />

Walchwil) bleibe unterdurchschnittlich (Wüest & Partner,<br />

1995).<br />

Wüest & Partner schätzen die Attraktivität des Kantons<br />

Zug als Wohnst<strong>and</strong>ort nach wie vor hoch ein. Sie streichen<br />

die Faktoren steigendes Arbeitsplatzangebot (Prognose),<br />

die Nähe zu Zürich, den niedrigen Steuerfuss und die l<strong>and</strong>schaftliche<br />

Vielfalt besonders hervor. Als Grund für eine<br />

Abschwächung der Zuw<strong>and</strong>erung in den Kanton nennen sie<br />

die Baul<strong>and</strong>preise, die zu höheren Miet- und Kaufpreisen für<br />

Wohnungen und Häuser im Vergleich zu den Nachbarregionen<br />

Zürich, Aargau, Luzern und Schwyz führten.<br />

Interessant in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass die<br />

optimistischen Prognosen von Wüest und Partner bezüglich<br />

Bevölkerungs- und Arbeitsplatzentwicklung weit übertroffen<br />

wurden. Darum stellt sich die berechtigte Frage, ob für<br />

die zukünftige Entwicklung der Region Zug die Geburtenrate<br />

nicht irrelevant ist, beziehungsweise ob die demografische<br />

Entwicklung nicht mehrheitlich von einer W<strong>and</strong>erungsbilanz<br />

abhängt, welche in <strong>and</strong>eren Bahnen als in der<br />

übrigen Schweiz verlaufen wird. Möglich ist es, und es<br />

bleibt abzuwarten, wie geschickt die Zuger ihren H<strong>and</strong>lungsspielraum<br />

in Zukunft nützen werden, um attraktiv zu<br />

bleiben. Eine wesentliche Rolle wird dabei auch ein weiterer<br />

Ausbau der Infrastruktur spielen, namentlich im Bereich des<br />

Individualverkehrs und des öffentlichen Transportwesens,<br />

sowie die Bereitstellung von Siedlungsraum, der derzeit vor<br />

allem in der Stadt Zug, wo das Arbeitsplatzangebot am<br />

grössten ist, unzureichend vorh<strong>and</strong>en ist.<br />

Abb. 3: Bevölkerungsentwicklung<br />

im Kanton Zug zwischen<br />

1950 und 1999. Der<br />

Anstieg in den letzten 50 Jahren<br />

ist beinahe linear, gemäss<br />

den Prognosen wird<br />

sich dieser Trend jedoch im<br />

21. Jahrhundert nicht fortsetzen<br />

(Quelle: Wüest &<br />

Partner, 1995).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 77


So kam Zug zum Zug<br />

4 Vom Kuh- zum Erdölh<strong>and</strong>el<br />

4.1 Geschichtlicher Abriss<br />

Vom Ackerbau zur Heimindustrie über den Aufstieg der<br />

Spinnereien und den Einzug der Elektro- und Metallindustrie<br />

bis zur Ansiedlung der Holding- und Domizilgesellschaften;<br />

die Wirtschaftsentwicklung und letztlich der Zuger<br />

Wohlst<strong>and</strong> spiegelt sich in allen drei Wirtschaftssektoren.<br />

Ein nicht unbedeutender Aspekt der Zuger Wirtschaftsentwicklung<br />

ist die Nähe zum Zürcher Wirtschaftsst<strong>and</strong>ort<br />

unter gleichzeitiger Bewahrung der politischen Eigenständigkeit.<br />

In der Zeit von Ende des 17. bis Anfang des 18.<br />

Jahrhunderts beschäftigten Zürcher Unternehmer im Kanton<br />

Zug Bäuerinnen mit Heimarbeit. Zu ihrer Tätigkeit<br />

gehörte das Spinnen von Seiden- und Wollfäden. <strong>Die</strong> Heimindustrie<br />

war als Vorläufer der späteren Industrien ein wichtiger<br />

Einkommenszweig. Auch die Gründung der Spinnereien<br />

erfolgte mit Zürcher Kenntnissen und Geld. <strong>Die</strong> Papierfabrik<br />

Cham verdankt ihren Aufschwung der Zürcher Besitzerfamilie<br />

Vogel, und die Metallwarenfabrik ist ein Zusammenschluss<br />

von Zürcher und Zuger Kaufleuten. Ab 1905<br />

prägten die Pioniere Heinrich L<strong>and</strong>is aus Richterswil und<br />

Karl Heinrich Gyr aus Zürich den weltumspannenden Konzern<br />

L<strong>and</strong>is & Gyr. Weil es bis 1891 (Gründung der Zuger<br />

Kantonalbank) auf dem Platz Zug keine Grossbank gab,<br />

wurden Zuger Finanzgeschäfte über Zürcher Banken<br />

abgewickelt. Günstig auf die Industrialisierung hat sich der<br />

Lorzenlauf als billige Wasserkraft vom Ägerisee bis zum<br />

Zugersee ausgewirkt. An ihren Ufern entst<strong>and</strong>en die ersten<br />

Fabriken. Wolfgang Henggeler-Schmid baute die erste<br />

Spinnerei 1834 in Unterägeri. Es folgten Gründungen in<br />

Neuägeri und Zug. Baumwollwebereien entst<strong>and</strong>en in der<br />

Kollermühle in Zug sowie in Hagendorn. Im Laufe des 17.<br />

Jahrhunderts setzte eine erste sanfte Industrialisierung ein.<br />

Ab 1870 gilt Zug als Industriekanton.<br />

Mit den ersten Steuergesetzänderungen anfangs des 20.<br />

Jahrhunderts (Bevorzugung der Kapitalgesellschaften) war<br />

der Grundstein für die Zukunft des <strong>Die</strong>nstleistungssektors<br />

gelegt. <strong>Die</strong> Revision der Steuergesetzgebung von 1946 begünstigte<br />

weiterhin Kapital- und gemischte Gesellschaften.<br />

Durch die Industriekrise, den Ölpreisschock und den Anstieg<br />

der Produktionskosten in den 70er-Jahren verlangsamte<br />

sich auch in Zug das Industriewachstum. Ab 1976 übernahm<br />

der <strong>Die</strong>nstleistungssektor eine führende Rolle, und es<br />

arbeiteten erstmals mehr Leute im <strong>Die</strong>nstleistungssektor als<br />

im Industriesektor. <strong>Die</strong> im 19. Jahrhundert aufsteigende<br />

Textilindustrie, die am meisten Personal beschäftigte, wurde<br />

ab 1920 von der Maschinen- und Apparateindustrie in Bezug<br />

auf Personal und Umsatz überholt. Massgeblich daran<br />

beteiligt war die Entwicklung der L<strong>and</strong>is & Gyr. Während<br />

die Nahrungs- und Genussmittelindustrie durch die Schliessung<br />

der Chamer Kondensmilchfabrik schon 1932 massiv<br />

an Personal verlor, waren die Erwerbszweige Herstellung<br />

und Bearbeitung von Metallen (Metallwarenfabrik und Verzinkerei,<br />

Zug) sowie Papierindustrie (Papierfabrik Cham)<br />

bereits wichtige Arbeitgeber. Der Zuwachs an Arbeitsplätzen<br />

entwickelte sich ab 1950 vor allem im Gebiet zwischen<br />

Zug, Baar und Cham (Kanton Zug, 1999).<br />

Heute überwiegt im Kanton Zug der <strong>Die</strong>nstleistungssektor.<br />

Philip Brothers, Salomon Brothers und Marc Rich legten<br />

die Basis für den Grossh<strong>and</strong>el. Im Bereich Grossh<strong>and</strong>el/H<strong>and</strong>elsvermittlung<br />

sind knapp ein Viertel der im dritten<br />

Sektor Beschäftigten angestellt. Heute erzielen die in Zug<br />

niedergelassenen Grossh<strong>and</strong>elshäuser Metro (Detailh<strong>and</strong>el)<br />

und Glencore International (Rohwarenh<strong>and</strong>el) Milliardenumsätze.<br />

Was das geh<strong>and</strong>elte Erdölvolumen betrifft, ist Zug<br />

heute der viertgrösste H<strong>and</strong>elsplatz der Welt. Im gesamtschweizerischen<br />

Vergleich untervertreten sind die <strong>Die</strong>nstleistungsbereiche<br />

Gastgewerbe, Verkehr und Transport, Nachrichtenübermittlung,<br />

Gesundheitswesen und öffentliche<br />

Verwaltung. Auch der Sektor Banken und Finanzen ist<br />

gesamtschweizerisch gesehen untervertreten. Zugs Finanzgeschäfte<br />

werden noch immer in Zürich getätigt. Eine von<br />

der Zuger Finanzdirektion in Auftrag gegebene, 1987 verfasste<br />

Studie über ökonomische Wirkungszusammenhänge<br />

in der Wirtschaftsregion Zug nennt die Privilegierung der<br />

gemischten Gesellschaften als Hauptgrund für das Aufblühen<br />

des internationalen H<strong>and</strong>els (Kanton Zug, 1987). Sicherlich<br />

trägt die ab 1946 einsetzende liberale Steuerpraxis<br />

Abb. 4.1: Erwerbsanteil<br />

der<br />

drei Wirtschaftssektoren<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft,<br />

Industrie<br />

und<br />

<strong>Die</strong>nstleistungen<br />

(Quelle: Kanton<br />

Zug, 1999).<br />

78 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


So kam Zug zum Zug<br />

zu dieser Entwicklung bei. <strong>Die</strong> bis Ende der 60er-Jahre<br />

industriell geprägte Wirtschaft wird zur <strong>Die</strong>nstleistungsökonomie.<br />

Im Gleichschritt mit der gesamtschweizerischen<br />

Entwicklung hat der Anteil der L<strong>and</strong>wirtschaft an der Gesamtwirtschaft<br />

seit Anfang des 20. Jahrhunderts stetig abgenommen<br />

(Kanton Zug, 1999).<br />

4.2 Von Milch und Kühen<br />

Charles Page, amerikanischer H<strong>and</strong>elsvizekonsul in Zürich,<br />

gründete 1866 die Anglo-Swiss Condensed Milk Company<br />

(später Nestlé) in Cham. Seine Absicht war es, die überreichlich<br />

vorh<strong>and</strong>enen Milchmengen kommerziell zu nutzen.<br />

Ihren Ursprung nahm die Kondensmilchindustrie in<br />

den Vereinigten Staaten. <strong>Die</strong>se für die L<strong>and</strong>wirtschaft bedeutende<br />

Firmengründung beschleunigte die Umstellung<br />

vom Ackerbau zur Milchwirtschaft. <strong>Die</strong> Chamer Bauern<br />

vermochten die grosse Nachfrage nach Milch nicht zu dekken.<br />

Zusätzliche Milch musste vom Freiamt und Säuliamt<br />

sowie vom Bezirk Küssnacht am Rigi gekauft werden.<br />

Warum fiel die St<strong>and</strong>ortwahl auf das Städtchen Cham am<br />

Ufer des Zugersees? Im Gespräch war auch das Dörfchen<br />

Wald im Kanton Zürich. Ausschlaggebend für die Wahl des<br />

Produktionsst<strong>and</strong>ortes war sicherlich der Vieh- und<br />

Milchreichtum der Region. Hermann Steiner schrieb zum<br />

100-Jahr-Jubiläum der Nestlé über die St<strong>and</strong>ortwahl (in<br />

Heer, 1966): «Doch dürfte die kurz vorher erbaute Eisenbahnlinie<br />

Luzern–Cham–Zürich der Nord-Ostbahn (NOB)<br />

mit ihren bereits bestehenden Anschlüssen nach Basel,<br />

Frankreich und Deutschl<strong>and</strong> nicht wenig zu diesem Entscheid<br />

beigetragen haben. ... über Basel wurden die gewaltigen,<br />

zur Kondensmilchfabrikation benötigten Zuckermengen<br />

und das nicht minder bedeutende Verpackungsmaterial<br />

aus dem Ausl<strong>and</strong> eingeführt. Wald wurde erst 1876<br />

an das Bahnnetz angeschlossen.».<br />

<strong>Die</strong> Anglo-Swiss Condensed Milk Company ersuchte<br />

1874 die NOB um ein Lagerhaus auf dem Stationsplatz samt<br />

Schienenverbindung zum Fabrikareal. Begründet wurde das<br />

Gesuch mit den gewaltigen Tonnagen sowohl an Materialbedarf<br />

als auch an Produktevers<strong>and</strong>. Nach Streitigkeiten<br />

über die zu zahlenden Wagengebühren entst<strong>and</strong> erst 1910<br />

ein Industriegleis. 1913 kam es zwischen Milchlieferanten<br />

und ihren Abnehmern zum «Milchkrieg». Eine Senkung des<br />

Milchpreises von 20 auf 16 Rappen pro Kilo akzeptierten<br />

die Lieferanten nicht. Einzelne Bauern schlossen folglich<br />

Sonderverträge mit der «Milchsüdi» ab. 1932 kam es<br />

schliesslich zur Schliessung der Fabriktore in Cham. Begründung:<br />

<strong>Die</strong> Milchpreise seien nicht mehr konkurrenzfähig.<br />

Nestlé hat noch heute den Firmensitz in Cham, wo die<br />

Aktien weltweit verwaltet werden. <strong>Die</strong> Konzernverwaltung<br />

befindet sich in Vevey (Heer, 1966).<br />

4.3 Flachs und Hanf per Bahn<br />

Heinrich Ulrich Vogel-Saluzzi erwarb 1861 die Papierfabrik<br />

Cham. Er hatte wie Wolfgang Henggeler-Schmid, Gründer<br />

der Spinnereien Ägeri und Baar, ein grosses Interesse an<br />

einem Eisenbahnanschluss. Für die Umsetzung der zugerischen<br />

Eisenbahnpläne setzten sie sich im zug-zürcherischen<br />

Eisenbahn-Komitee ein (siehe Abschnitt 5 Streitsüchtige<br />

Eisenbahnbauer). Grund dafür waren die in der Region<br />

fehlenden Rohstoffe für die Herstellung von Baumwollgarn.<br />

Sie mussten «importiert» werden. Baumwolle kam aus dem<br />

Mittleren Osten oder aus Amerika, Flachs und Hanf für<br />

«Papierlumpen» aus der Ostschweiz. Bis 1917 besorgten<br />

Ross und Wagen den Transport der Rohstoffe und fertigen<br />

Papiere durch das Dorf zum Bahnhof. Im <strong>Die</strong>nst der Papierfabrik<br />

st<strong>and</strong>en bis zu fünfzehn Pferde. Zweimal pro Tag<br />

fuhren Vierspänner mit Rugeln nach Hagendorn und brachten<br />

Holzschliff in die Fabrik zurück. Der <strong>Die</strong>nst dauerte von<br />

vier Uhr morgens bis abends acht Uhr. Im Winter konnte es<br />

vorkommen, dass die Pferde in die Lorze abrutschten. 1897<br />

brach bei der Nordostbahn ein Streik aus. Das Papier musste<br />

nun mit Fuhrwerken bis nach Zürich geführt werden. Als<br />

Ergänzung zu den Fuhrwerken trat 1917 der erste Lastwagen<br />

in den <strong>Die</strong>nst. <strong>Die</strong> Streckenerweiterung des «Nestlégleises»<br />

Abb. 4.2: <strong>Die</strong> Reklame «Milchmädchen –<br />

Kondensierte Milch» weist auf die Produktionsanlagen<br />

der Nestlé hin. (Bild:<br />

Sammlung Hermann Steiner).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 79


So kam Zug zum Zug<br />

Abb. 4.3: Ansichtsplan der Papierfabrik<br />

Cham AG um 1957<br />

mit weitverzweigten Gleisanlagen<br />

auf dem Werkgelände<br />

(grau). (Quelle: Arnet & Müller,<br />

1957).<br />

verhalf der Papierfabrik Cham zu einem eigenen Anschluss<br />

an die Bahnlinie. <strong>Die</strong> SBB hatte ein ursprüngliches Projekt<br />

über die Schluecht nach der Station Steinhausen verworfen.<br />

Am 9. März 1920 fuhr die Akkumulator-Fabriklokomotive<br />

erstmals mit einem «Papieri-Güterzug» nach der Station<br />

Cham (Arnet & Müller, 1957). Der Bau der zweiten Etappe<br />

des Anschlussgleises nach dem Holzplatz erfolgte 1927.<br />

Heute ist die Papierfabrik Cham-Tenero ein weltweit exportierendes<br />

Unternehmen. Sie ist in kleinen Nischenmärkten<br />

mit Spezialpapieren tätig. Der quietschende «Papieri-Güterzug»<br />

ist nicht aus dem Chamer Stadtbild wegzudenken. Er<br />

besorgt noch heute den Warentransport zwischen dem Bahnhof<br />

und der Fabrikanlage.<br />

4.4 Tüftler gründet einen Zuger<br />

Weltkonzern<br />

«Electrotechnisches Institut Theiler & Cie.», «H. L<strong>and</strong>is,<br />

vormals Theiler & Cie.», ab 1905 «L<strong>and</strong>is & Gyr Kollektivgesellschaft»,<br />

später «L<strong>and</strong>is & Gyr AG» (LG). Der Name<br />

des ehemaligen Weltkonzerns, der Ende der 1960er-Jahre<br />

mit knapp 6000 Beschäftigten in Zug den höchsten Personalst<strong>and</strong><br />

in der Firmengeschichte am St<strong>and</strong>ort Zug erreichte,<br />

ist aus der Zuger Industriel<strong>and</strong>schaft verschwunden. Nachdem<br />

1987 eine Mehrheit der LG-Erben ihre Anteile an<br />

Stephan Schmidheiny veräussert hatten, geriet der Zuger<br />

St<strong>and</strong>ort unter massivem Druck. Arbeitsplatzabbau und<br />

Produktionsverlagerungen waren die Folge. Neun Jahre<br />

später verkaufte Schmidheiny seine Anteile Gewinn bringend<br />

an die im Besitz der CS stehende Electrowatt. Kurze<br />

Zeit darauf erfolgte eine industriell motivierte Übernahme<br />

des Industriekonzerns durch Siemens. Heute erinnert in Zug<br />

einzig ein Strassenschild auf dem ehemaligen Firmenareal<br />

an den weltbekannten Namen. In die L<strong>and</strong>is&Gyr-Strasse 1<br />

ziehen neue Firmen ein.<br />

Das Theilerhaus an der Hofstrasse 13 ist die Geburtsstätte<br />

der L<strong>and</strong>is & Gyr. Dort liess Richard Theiler, Sohn einer<br />

international orientierten Erfinderfamilie, von 1896 an Zähler<br />

zur Messung von Wechselstrom nach dem Induktionsprinzip<br />

bauen. Das Areal war wegen seiner Lage am<br />

Berghang ungeeignet für die nötig gewordenen Ausbauten.<br />

Zudem war es mit geeigneten Strassen schlecht erschlossen.<br />

In Auftrag gegebene Studien schlugen eine neue Fabrikanlage<br />

ausserhalb Zugs, eventuell nahe der L<strong>and</strong>esgrenze vor.<br />

<strong>Die</strong> L<strong>and</strong>is & Gyr lieferte den weitaus grössten Teil ihrer<br />

Produkte ins Ausl<strong>and</strong>. Das Wegfallen der Transportkosten<br />

für das Rohmaterial, das in grossen Mengen aus dem Ausl<strong>and</strong><br />

bezogen wurde, hätte durch einen St<strong>and</strong>ortwechsel<br />

hohe Ersparnisse gebracht. Zahlreiche Gemeinden lockten<br />

mit günstigen Bodenpreisen und Steuerprivilegien sowie<br />

niedrigen Tarifen für elektrische Energie und Gas. Vor einer<br />

definitiven Entscheidung konsultierte die L<strong>and</strong>is & Gyr die<br />

Behörden und gewerblichen Verbände von Stadt und Kanton<br />

Zug. Für die L<strong>and</strong>is & Gyr hatte ein Terrain in Bahnhofsnähe<br />

mit Erweiterungspotenzial, geeignet für eine rationelle<br />

Bebauung, absolute Priorität. Es kam schliesslich 1928 zu<br />

einem Kaufvertrag zwischen der Korporation Zug und der<br />

L<strong>and</strong>is & Gyr. Das neue Fabrikterrain bef<strong>and</strong> sich innerhalb<br />

der Gleisschleife. Folgende Grundsätze galt es für die Bebauungspläne<br />

einzuhalten: rationelle Warenzu- und -abfuhr<br />

sowie einen fortlaufenden, ungestörten Verarbeitungsprozess<br />

des Materials während der Fabrikation. <strong>Die</strong> Möglichkeit<br />

eines direkten Anschlusses an die Gleise der SBB war<br />

ebenfalls vorgesehen. Laut Auskunft der Siemens Transportabteilung<br />

wird der Gleisanschluss heute nicht mehr benutzt.<br />

Unter der Leitung von Karl Heinrich Gyr wurde die<br />

L<strong>and</strong>is & Gyr zu einem sozialen und fortschrittlichen Unternehmen<br />

ausgebaut und war auf vielen Gebieten ihrer Zeit<br />

voraus. 1915 entst<strong>and</strong> ein Beamten- und Arbeiterfonds,<br />

1921 ein Fonds für Tuberkulosebekämpfung und 1923 ein<br />

Unterstützungsfonds für unverschuldete Notlagen. Bereits<br />

80 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


So kam Zug zum Zug<br />

Abb. 4.4: Vers<strong>and</strong> in alle Herren Länder: Mit der Fertigstellung<br />

des Fabrikneubaus Gubelstrasse hatte die Spedition<br />

der L<strong>and</strong>is & Gyr ab 1929 direkten Bahnanschluss (Quelle:<br />

(L<strong>and</strong>is & Gyr, 1946).<br />

1915 wurde der Ferienanspruch der Arbeitnehmer geregelt<br />

und mehrmals erhöht. Ab 1914 gewährte die Firma eine<br />

dreimonatige Salärnachzahlung bei Militärdienst, und 1918<br />

f<strong>and</strong> die Gründung einer Betriebskrankenkasse mit Familienversicherung<br />

statt. Alle Arbeitnehmer wurden gegen Betriebs-<br />

und Nichtbetriebsunfälle versichert. 1919 entst<strong>and</strong><br />

eine Arbeitnehmervertretung mit Beteiligung der Frauen. In<br />

100 Jahren hat sich die L<strong>and</strong>is & Gyr von einem kleinh<strong>and</strong>werklichen<br />

Betrieb zu einer multinational tätigen Gesellschaft<br />

mit Produktions- und Verkaufsstätten in der ganzen<br />

Welt gew<strong>and</strong>elt. St<strong>and</strong> am Anfang die Produktion von Elektrizitätszählern<br />

im Vordergrund, diversifizierte die Firma<br />

später in die Fernwirktechnik und Gebäudeleittechnik<br />

(Straub & Schneider, 1931).<br />

4.5 Europapremiere in Zug<br />

Der Gebrauch elektrischer Energie erlaubte es den Unternehmen,<br />

ihre St<strong>and</strong>ortwahl unabhängig von Wasserläufen<br />

zu treffen. Der Stromtransport machte Firmengründungen<br />

in der Stadt Zug möglich. <strong>Die</strong> 1887 in Metallwarenfabrik<br />

(«Metalli») umbenannte Emailfabrik (1880 gegründet)<br />

nutzte Wasser vom Zugerberg, um einen kleinen Gleichstrommotor<br />

anzutreiben. <strong>Die</strong> Metallwarenfabrik war auch<br />

der erste Betrieb in der Stadt Zug, der über eine Leitung<br />

Strom vom Elektrizitätswerk im Lorzentobel bezog. 1881<br />

wurde das Lagerhaus mit Gleisanschluss gebaut. <strong>Die</strong> Produktepalette<br />

umfasste emaillierte und verzinnte Gegenstände<br />

für Haushalt, Schilder und Molkereiartikel. Hinzu kamen<br />

Kühlschränke, Badewannen, Kochherde und Backöfen.<br />

Stahlhelme für die Schweizer Soldaten sowie Gamellen,<br />

Feldkochkessel und Kochkisten wurden in Zug produziert.<br />

1913 schliesslich gründeten der Zürcher Oscar Weber,<br />

Sohn des «Metalli»-Gründers, die Herren Clemenz Iten,<br />

Caspar Stocklin und Fabrikdirektor Oskar Straub aus Basel<br />

die Verzinkerei Zug im Göbli-Gebiet der Stadt Zug, nahe des<br />

von der Korporation Zug erstellten Industriegleises. Das<br />

Fabrikareal umfasste 14’000 Quadratmeter. Der Preis pro<br />

Abb. 4.5: Flugaufnahme der Email- und Metallwarenfabrik<br />

Zug in den 30er Jahren. (Bild: Metallwaren Holding AG).<br />

Quadratmeter betrug damals zwei Franken fünfzig. Das<br />

Unternehmen war anfänglich auf Heisszinkerei und das<br />

Verzinken von Blechwaren ausgerichtet. Heute sind Kochherde,<br />

Waschmaschinen und Geschirrspülautomaten Haupterzeugnisse<br />

der V-Zug AG. In Zug wurde Europas erste<br />

automatische Waschmaschine gebaut. Der Bahnanschluss<br />

wird heute nur noch für die Anlieferung von Halbfabrikaten<br />

und H<strong>and</strong>elsartikeln, welche nicht selbst von der V-Zug<br />

hergestellt werden, benützt.<br />

<strong>Die</strong> Metallwaren-Gruppe, bestehend aus der Verzinkerei<br />

Zug, der Metallwarenfabrik und der WEZ Kunststoffwerk<br />

AG Oberentfelden, schrieb in den 1960er-Jahren konstant<br />

Verluste. Schliesslich wurde die defizitäre Metallwarenfabrik<br />

in die Verzinkerei integriert. <strong>Die</strong>s schuf die Voraussetzung<br />

zur Neunutzung grosser Grundstücke mitten in der<br />

Stadt Zug. Neben dem Pfeiler der Industriebetriebe entst<strong>and</strong>en<br />

als Rechtsnachfolgerin der früheren Metallwarenfabrik<br />

die MZ-Immobilien AG und als dritter Pfeiler der Finanzbereich.<br />

Auf dem ehemaligen Areal der «Metalli» steht heute<br />

eine Überbauung gleichen Namens mit einem Grossverteiler,<br />

rund 30 Detailgeschäften, Büros und 48 Wohnungen.<br />

<strong>Die</strong> Bauherrengemeinschaft «Metalli», an der die MZ-Immobilien<br />

AG mehrheitlich beteiligt ist, realisierte 1987 auf<br />

einem ehemaligen Industrieareal für rund 140 Millionen<br />

Franken ein neues «Wahrzeichen» der Stadt Zug. Ein Zeugnis<br />

für die Industriestadt Zug war verschwunden. Gleichzeitig<br />

entst<strong>and</strong> ein weiteres Symbol für die Tertiarisierung der<br />

Zuger Wirtschaft (Verzinkerei Zug AG, 1963).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 81


So kam Zug zum Zug<br />

5 Streitsüchtige Eisenbahnbauer<br />

Am 31. Mai 1864 fuhr erstmals eine Dampflok durch den<br />

Kanton Zug. <strong>Die</strong> Streckenführung Zürich–Luzern verlief<br />

damals durch das Knonaueramt via Cham und Rotkreuz. Ein<br />

Anschlussgleis führte von der Kollermühle nach Zug. Steinhausen<br />

erhielt 1904 eine eigene Bahnstation. Heute fahren<br />

die blauweissen Doppelstockzüge der Zürcher S-Bahn<br />

durchs Knonaueramt. <strong>Die</strong> S9-Linie verbindet Zug mit Uster<br />

via Affoltern am Albis. Damals dauerte die Bahnreise Zürich<br />

- Zug eineinhalb Stunden. Fünfmal täglich fuhr ein<br />

Dampfzug in Zug ein. 33 Jahre nachdem das Eisenbahnzeitalter<br />

im Kanton Zug Einzug gehalten hatte, verkehrten die<br />

ersten Dampfzüge auf der Gotthardbahnstrecke über Thalwil<br />

durch den Zimmerberg- und Albistunnel nach Arth-<br />

Goldau. Baar und Walchwil bekamen eine eigene Bahnhofanlage.<br />

Im Jahre 2000 verkehren die Züge von Zug aus im<br />

Halbstundentakt über Thalwil nach Zürich. <strong>Die</strong> Fahrt dauert<br />

nur noch 25 Minuten. Im Juni 2001 wird der Bahnhof Baar<br />

für den Güterverkehr geschlossen. Einer der Gründe ist das<br />

geringe Güterverkehrsaufkommen dieser Station.<br />

Welche Auswirkungen hatte der Eisenbahnbau? Geografische<br />

Knoten- und Kreuzungspunkte erfuhren eine Begünstigung.<br />

Der Bahnbau führte zu höheren Investitionen, was<br />

eine vermehrte kaufkräftige Nachfrage auslöste. Schliesslich<br />

führten die industriellen Ballungen nicht nur zu Wachstumsvorgängen,<br />

sondern auch zu Arbeitsteilungs-, Spezialisierungs-<br />

und Differenzierungseffekten. <strong>Die</strong> Eisenbahn<br />

legte die Basis und beschleunigte zugleich die kulturellen,<br />

wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen, die für den<br />

Lebensstil des 20. Jahrhunderts verantwortlich waren.<br />

<strong>Die</strong> Initiative für die erste Eisenbahnlinie im Kanton Zug<br />

ergriff eine politisch-industrielle Interessengemeinschaft.<br />

Hintergrund waren marktwirtschaftliche und entwicklungspolitische<br />

Überlegungen. Mit von der Partie waren in diesem<br />

zürcherisch-zugerischen Initiativkomitee liberaler und<br />

konservativer Gesinnung fünf Persönlichkeiten. L<strong>and</strong>ammann,<br />

Statthalter und Grossratspräsident Franz Josef Hegglin<br />

(konservativ) war Mitbegründer der «Kreditanstalt in<br />

Zug» (1851) und hatte ein Interesse an einer industriellen<br />

und allgemein wirtschaftlichen Belebung des Kantons.<br />

Oberst Franz Müller (liberal) hatte während seiner 26-jährigen<br />

Amtszeit als Regierungsrat das zugerische Strassenwesen<br />

unter sich. Er war Mitbegründer der Zuger Dampfschiff-<br />

Gesellschaft und der kantonalen Sparkasse. Der Dritte im<br />

Bund war Spinnereigründer Wolfgang Henggeler-Schmid.<br />

Als Zuger Regierungs- und Grossrat pflegte er den Liberalismus<br />

und war befreundet mit Alfred Escher, dem Präsidenten<br />

der Nordostbahn. Vierter im Bund war Henggelers<br />

Schwiegervater, der Zürcher Grossindustrielle Heinrich<br />

Schmid. Der Fünfte schliesslich war Heinrich Ulrich Vogel-<br />

Saluzzi, der spätere Besitzer der Papierfabrik Cham. 1856<br />

reichte das Komitee ein erstes Gesuch um eine Eisenbahnkonzession<br />

ein: «Man f<strong>and</strong> es in allseitigem Interesse, dass<br />

von Zürich aus durchs Sihltal nach Zug, Brunnen an den St.<br />

Gotthard und von Zug nach Luzern eine Eisenbahn angestrebt<br />

werde, um den Transit mit dem St. Gotthard leichter<br />

zu vermitteln und die zwischen diesem Alpenpass und Zürich<br />

liegenden Ortschaften im Verkehr zu unterstützen.» (in<br />

Schalch, 1997). <strong>Die</strong> Linienführung auf Zuger Boden verlief<br />

von der Sihlbrücke über Baar, Zug entlang des Zugersees bis<br />

an die Schwyzer Grenze. Von Zug aus verlief die Strecke<br />

über Cham gegen Honau nach Luzern. <strong>Die</strong>ses visionäre<br />

Projekt entspräche noch heute genau den Anforderungen der<br />

SBB. <strong>Die</strong> Geschichte nahm jedoch einen <strong>and</strong>eren Verlauf.<br />

<strong>Die</strong> Bundesversammlung genehmigte die Zuger Konzession<br />

gleichzeitig mit derjenigen des Kantons Luzern. <strong>Die</strong><br />

«Eisenbahngesellschaft Luzern-Zugergrenze» war für die<br />

Weiterführung der Zuger Linie auf luzernischem Boden<br />

zuständig. <strong>Die</strong> Kantone Zürich und Schwyz hatten auf die<br />

zugerischen Eisenbahnpläne noch nicht reagiert. Das Desinteresse<br />

der Schwyzer war nicht von Belang, weil die Weiterführung<br />

der Linie nach Arth und Brunnen nicht vorrangig<br />

war. Auf der Zürcher Seite hatte sich in Affoltern ein Komitee<br />

für die Bahnlinie Zürich–Affoltern–Cham–Immensee–<br />

Luzern gebildet. Der Sihltallinie st<strong>and</strong> nun eine Linie durchs<br />

Reppischtal gegenüber. Der Zürcher Regierungsrat musste<br />

sich für eines der Konzessionsgesuche entscheiden. Ein von<br />

der Regierung in Auftrag gegebenes Gutachten bevorzugte<br />

die Reppischlinie über Affoltern. <strong>Die</strong> Zürcher Regierung<br />

gab dem Affolterer Komitee den Zuschlag und knüpfte den<br />

Baubeginn an eine Konzession für die Weiterführung der<br />

Linie ausserhalb des Kantons. Auch dieses Vorhaben sanktionierte<br />

die Bundesversammlung. <strong>Die</strong> verärgerten Zuger<br />

hatten die Konzession für die Sihltallinie, aber keinen Anschluss<br />

auf Zürcher Kantonsgebiet. Entst<strong>and</strong>en war eine<br />

Pattsituation zwischen Zug und Zürich. <strong>Die</strong> Eidgenössische<br />

Zeitung spöttelte: «Heute will Zürich statt Schwerte seine<br />

Schienen mit denjenigen Zugs kreuzen und es liegt der<br />

Gedanke nahe, dass wie früher durch Religionseifer, jetzt<br />

durch Eisenbahneifersucht der nachbarliche Friede gestört<br />

werde.» Das Debakel um die Schweizerische Ostwestbahn<br />

(OWB) machte die Situation nicht einfacher. Erst als die<br />

OWB als Mitkonkurrentin aus dem Rennen fiel, kam wieder<br />

Bewegung in die Sache. Zug gab nach und verzichtete auf<br />

die Sihltallinie. <strong>Die</strong> neue Variante verlief von Knonau via<br />

Steinhausen und die Kollermühle zur Stadt Zug und von dort<br />

aus via Cham an die Luzerner Grenze. Zwischen der Kollermühle<br />

und Cham gab es zusätzlich eine Direktverbindung.<br />

<strong>Die</strong> Nordostbahn unterzeichnete mit den Regierungen von<br />

Zürich, Zug und Luzern einen «Vertrag betreffend Begründung<br />

einer Eisenbahnunternehmung Zürich - Zug - Luzern»<br />

(Schalch, 1997).<br />

Im Mai 1897 wurde der Betrieb der Bahnlinie Zug–<br />

Thalwil–Zürich und der Zufahrt zur Gotthardbahn mit der<br />

Strecke Zug–Walchwil–Arth-Goldau aufgenommen. <strong>Die</strong><br />

Strecke best<strong>and</strong> aus zwei neuen Tunnels; dem 3358 Meter<br />

langen Albistunnel und dem 539 Meter langen Zuger Stadttunnel.<br />

Das Ausbruchmaterial diente der Aufschüttung für<br />

den neuen Inselbahnhof Zug. An der Westseite des Kantons<br />

erreichte die Bahn von Aarau her 1881 erstmals Rotkreuz<br />

und im folgenden Jahr Immensee. <strong>Die</strong> dem Transitgüterverkehr<br />

dienende kürzeste Verbindung zwischen Basel und<br />

Chiasso–Luino war geschaffen. Der Bahnhof Rotkreuz befindet<br />

sich im Schnittpunkt der Linien Aarau-Arth-Goldau<br />

und Luzern–Zürich. Seine Funktion als Rangierbahnhof zur<br />

Entlastung von Luzern, Zug und Arth-Goldau besitzt er<br />

heute noch. Der Knotenpunkt Rotkreuz hat als Sammel- und<br />

Verteilstelle der Zentralschweiz direkte Verkehrsverbin-<br />

82 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


So kam Zug zum Zug<br />

dung mit den bedeutendsten Rangierbahnhöfen der deutschen<br />

Schweiz.<br />

6 Preiskampf im Gütertransport<br />

<strong>Die</strong> Unternehmer der Spinnerei Ägeri liessen 1835 den<br />

Ägerisaumweg ausbauen, um mit Pferdefuhrwerken Rohstoffe<br />

und Fertigprodukte zu transportieren. Ab 1913 fuhren<br />

die Tramfahrzeuge der Gesellschaft für «Elektrische Strassenbahnen<br />

im Kanton Zug» (ESZ) von Zug und Baar nach<br />

Oberägeri und Menzingen. Das Tram war sowohl für den<br />

Gütertransport in die Bergregion als auch für den Personentransport<br />

vom «Berg» zu den Fabriken ins Tal wichtig.<br />

Durch das Aufkommen der Lastwagen bekam die Strassenbahn<br />

im Bereich Warentransport Konkurrenz. Im Zweiten<br />

Weltkrieg profitierte die Bahn von der Verlagerung des<br />

Güterverkehrs und der Militärtransporte auf die Schiene.<br />

Das Ende des Krieges brachte die Konkurrenz zwischen<br />

Tram und Automobil zurück. 1955 fuhr die letzte Strassenbahn<br />

nach Ägeri.<br />

Den Umständen angepasst übernahm die ESZ die Tarifstruktur<br />

der SBB. Güterverkehr und Tiertransporte waren<br />

von den Stationen Baar Bahnhof SBB, Menzingen, Neuägeri,<br />

Unter- und Oberägeri aus möglich. Den Eilgutverkehr<br />

besorgte der Bahnhof Zug. Als Berechnungsgrundlage dienten<br />

das Transportvolumen und die Transportdistanz. Insgesamt<br />

gab es 18 verschiedene Tarife. Sondertarife gab es für<br />

volkswirtschaftlich wichtige Güter und zum Schutz von<br />

lokalen Industrie- und Gewerbezweigen. Mit Sonderpreisen<br />

wurde versucht, mit den niedrigen Camionnage-Preisen zu<br />

konkurrieren. Für den Transport von Milch und Holz waren<br />

Frachttaxen im Abonnement vereinbart. Auf der Liste der<br />

Ausnahmetarife waren unter <strong>and</strong>eren folgende Güter aufgeführt:<br />

lebende Pflanzen in beschleunigter Fracht, Schlacke,<br />

Stalldünger, Pyritabfälle oder Strassenkehricht. Einer der<br />

ersten und wichtigsten Kunden im Güterverkehr war die<br />

Anglo-Swiss Condensed Milk Co. in Cham. Für die Produktion<br />

der gezuckerten und ungezuckerten Kondensmilch<br />

kaufte sie Milch in grossen Mengen überall im Zugerl<strong>and</strong>.<br />

Vor der Eröffnung der Strassenbahn besorgten Fuhrwerke<br />

den Milchtransport nach Cham. Durch die Transportkapazi-<br />

Abb. 6: <strong>Die</strong> «Innere Spinnerei»<br />

in Unterägeri war ein wichtiger<br />

Kunde der ESZ und hatte einen<br />

eigenen Gleisanschluss. (Bild:<br />

Sammlung Armin Zürcher).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 83


So kam Zug zum Zug<br />

tät der Bahn erwartete die Firmenleitung bedeutende Einsparungen<br />

für die Lieferungen vom «Berg». <strong>Die</strong> Condensed<br />

Milk Co. wollte eine Pauschalentschädigung vereinbaren<br />

und forderte einen zusätzlichen abendlichen Milchzug.<br />

Nach harzigen Verh<strong>and</strong>lungen kam es zu einer neuen Berechnungsgrundlage.<br />

Pro 100 Kilogramm transportierter<br />

Milch (Rücktransport der leeren Kannen eingeschlossen)<br />

wurde auf den Strecken Ägeri–Cham, Nidfuren–Cham und<br />

Talacher–Cham drei Preise berechnet. <strong>Die</strong> Nestlé garantierte<br />

ein minimales Transportvolumen von 1,4 Millionen Kilogramm<br />

Milch pro Jahr.<br />

Das Automobil war der ESZ grösste Konkurrenz. Industrie<br />

und Händler w<strong>and</strong>ten das neue Alternativtransportmittel<br />

Auto als Druckmittel im Kampf um niedrigere Tarife<br />

erfolgreich an. Ein Holzhändler aus Unterägeri schrieb 1920<br />

an die Direktion der ESZ: «In Anbetracht der traurig<br />

schlechten Verhältnisse auf dem Holzmarkt bin ich genötigt,<br />

meinen Unkosten-Konto möglichst zu reduzieren und finde<br />

mich deshalb veranlasst [...] bei Ihnen das Ansuchen zu<br />

stellen, als möchte man mir, als dem grössten Holzindustriellen<br />

des Ägerithales auf die heutigen Thal-Frachtansätze<br />

einen Rabatt von 10% gewähren. Könnten Sie mir nicht<br />

entgegenkommen, so bin ich gezwungen, zu dem heutig<br />

glänzend bewährten 5 Tönner Saurer Benzin-Wagen mit<br />

Anhängerwagen überzugehen. [...] Ich kann Sie versichern,<br />

dass wenn Sie mir auch entsprechen, ich dann noch etwas<br />

teurer komme, als mit dem Benzin-Wagen.» (in Civelli,<br />

1987).<br />

<strong>Die</strong>se Strategie übernahmen auch die Kondensmilch-Fabrik<br />

in Cham (1921) und die Spinnereien Ägeri (1923) mit<br />

Erfolg. <strong>Die</strong> Spinnerei in Unterägeri hatte einen eigenen<br />

Gleisanschluss. Angeliefert wurden Rohbaumwolle und<br />

Kohle. Garn und angefallene Abfälle brachte die Bahn<br />

zurück ins Tal. Weil das Material vor Feuchtigkeit bewahrt<br />

werden musste, gelangten gedeckte oder mit Planen versehene<br />

Güterwagen zum Einsatz. 1933 wollten die Spinnereien<br />

Ägeri nochmals eine Tarifreduktion und drohten mit der<br />

Kündigung des ESZ-Vertrags. Berechnungen für einen Betrieb<br />

mit eigenen Lastwagen oder durch Dritte hätten gewichtige<br />

Einsparungen zur Folge. Als Grund gaben sie die<br />

sich verschärfende Krise im Textilgewerbe an. Weil die<br />

Spinnerei mit einem jährlichen Transportvolumen von 1500<br />

bis 2000 Tonnen Baumwolle und Garn ein Grosskunde war,<br />

willigte die ESZ ein und gewährte 10% Reduktion auf alle<br />

Frachten. Der neue Vertrag wurde nicht nur mit der ESZ,<br />

sondern auch mit der «Schweizerischen Express A.-G.»<br />

(SESA) abgeschlossen. Aufgabe der SESA war es, schweizweit<br />

die Frachten an den Bahnhöfen abzuholen und mit dem<br />

bahneigenen Camionnagedienst zu verteilen. Deren Gründung<br />

war die Antwort auf die wachsende LKW-Konkurrenz.<br />

<strong>Die</strong> knapp bemessenen Kalkulationen reduzierten die<br />

Gewinne der ESZ weiter.<br />

Der Erste Weltkrieg brachte den Unternehmen in Zug und<br />

Baar gute Geschäfte. <strong>Die</strong> Spinnereien in Ägeri waren von<br />

diesem Aufschwung ausgeschlossen. Es kam sogar zur Betriebseinstellung<br />

für Monate. <strong>Die</strong>s betraf ebenfalls die ESZ,<br />

weil die Rohstofftransporte ausfielen. <strong>Die</strong> Entlassenen f<strong>and</strong>en<br />

teils Arbeit in den Stadtzuger Fabriken. <strong>Die</strong> L<strong>and</strong>is &<br />

Gyr (LG) war auf zusätzliche Arbeitskräfte angewiesen. Das<br />

Fehlen eines ESZ-Frühzuges verunmöglichte einen rechtzeitigen<br />

Arbeitsbeginn in der Fabrik. 1915 lehnte die ESZ<br />

das Begehren nach einem Arbeiterfrühkurs des Einwohnerrats<br />

von Unter- und Oberägeri ab. Erst als die LG selbst bei<br />

der ESZ-Direktion vorstellig wurde, kam ein Vertrag zu<br />

St<strong>and</strong>e. Für den täglichen Frühkurs Ägeri–Zug bezahlte die<br />

LG 1200 Franken pro Monat. Ähnliche Vereinbarungen gab<br />

es auf den Strecken Zug–Menzingen und Zug–Baar (Civelli,<br />

1987).<br />

84 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


So kam Zug zum Zug<br />

7 Stadtbahn gegen Verkehrskollaps<br />

Abb. 7: Staus gehören zumindest in den Stosszeiten auch in<br />

der Stadt Zug zur Tagesordnung. (Bild: Peter Frommenwiler,<br />

Zuger Presse).<br />

Zug liegt weniger als dreissig Fahrminuten von Luzern und<br />

Zürich entfernt. Der Flughafen Zürich-Kloten ist stündlich<br />

mit einer direkten Bahnverbindung erreichbar. Autobahnanschlüsse<br />

in der Nähe der Stadt Zug erfüllen eine wichtige<br />

Zentrumsfunktion. <strong>Die</strong> geostrategische Lage Zugs ist für<br />

einzelne Wirtschaftsbereiche ein wichtiger St<strong>and</strong>ortvorteil<br />

und wird insgesamt als vorteilhaft bezeichnet. <strong>Die</strong> gute<br />

Verkehrssituation, die geografische Lage und das Wachstum<br />

haben dazu geführt, dass der Verkehr zugenommen hat und<br />

es in Spitzenzeiten zu Engpässen kommt. Zunehmend werden<br />

von den Wirtschaftsverbänden und einzelnen Grossunternehmen<br />

(Glencore, Siemens, V-Zug) explizit bessere<br />

Verkehrsverbindungen gewünscht. Hinzu kommt, dass die<br />

arbeitsteilige Wirtschaft und die Verknappung von Wohnraum<br />

im Zentrum zu einem immer stärkeren Ausein<strong>and</strong>erstreben<br />

von Wohn- und Arbeitsort geführt hat und sich damit<br />

das Verkehrsvolumen massgeblich erhöht hat. In einer Bevölkerungsbefragung<br />

der Stiftung Lebens- & Wirtschaftsraum<br />

Zug zur Lebensqualität im Raum Zug aus dem Jahre<br />

1994 haben die Zugerinnen und Zuger eindeutig zwischen<br />

der Qualität des privaten und öffentlichen Verkehrs unterschieden<br />

(Thierstein & Walker, 1995). Während das Angebot<br />

beim öffentlichen Verkehr als besonders positiv eingestuft<br />

wird, wird die Situation beim Privatverkehr als durchschnittlich<br />

taxiert (Thierstein & Walker, 1995). Im Vergleich<br />

zu 1980 ist 1990 der Anteil der Binnen-, Zu-, und Wegpendler<br />

am öffentlichen Verkehr um 10 Prozent gestiegen. <strong>Die</strong>s<br />

führte aber nicht im gleichen Ausmass zu einer Reduktion<br />

des Anteils am motorisierten Individualverkehr. Mehr als<br />

30’000 Personen, was zwei Dritteln der im Kanton Zug<br />

wohnhaften Erwerbstätigen entspricht, gehen über ihre Gemeindegrenzen<br />

zur Arbeit. Der bedeutendste Anteil der<br />

Erwerbspersonen pendelt in die Gemeinden Zug, Baar,<br />

Cham, Risch, Steinhausen und Hünenberg. In diesen Gemeinden<br />

ist der Anteil Zupendler grösser als die Anzahl<br />

Binnenpendler innerhalb der Gemeinde. Der Arbeitsort der<br />

meisten Arbeitnehmer in Walchwil und den Berggemeinden,<br />

mit Ausnahme von Neuheim, ist zugleich ihr Wohnort.<br />

Rund 7400 Menschen gehen ausserhalb des Kantons zur<br />

Arbeit, davon 5000 in den Kanton Zürich. <strong>Die</strong> Anzahl der<br />

ausserkantonalen, erwerbstätigen Zupendler beträgt rund<br />

12’000. <strong>Die</strong> eidgenössische Volkszählung (1990) zeigt auf,<br />

welches Verkehrsmittel die Arbeitspendler nutzen. In der<br />

Agglomeration Zug fahren 37% der Erwerbstätigen mit dem<br />

Personenwagen zur Arbeit. Nur gerade 2% sind Mitfahrer.<br />

14% benutzen den Bus, 10% das Fahrrad und 9% die Eisenbahn.<br />

Während 9% zu Fuss zur Arbeit gehen, haben 11%<br />

keinen Arbeitsweg (zum Beispiel Bauern oder Werktätige,<br />

die zuhause arbeiten). Weniger als 3% verteilen sich auf<br />

Postauto, Werkbus, Mofa oder Motorrad. 6% machen keine<br />

Angaben.<br />

Strassen sorgen auch in Zug für politische Diskussionen.<br />

Während die Realisierung der N4 durchs Knonaueramt immer<br />

noch aussteht, wird die Umfahrung Zug/Baar (UZB)<br />

seit über 50 Jahren diskutiert. Auch im Ennetsee ist die<br />

Verkehrsentlastung von Cham ein Politikum. Ziel des Kantons<br />

und der betroffenen Gemeinden ist es, die Ortskerne<br />

und Wohnquartiere vom Durchgangsverkehr zu entlasten.<br />

Während es in Zug vor allem um den Ziel- und Quellverkehr<br />

geht, ist in Cham der Durchgangsverkehr das Problem. Das<br />

UZB-Projekt des Kantons wurde als überdimensioniert und<br />

zu teuer erachtet und letztlich nicht umgesetzt. Planungen<br />

neueren Datums sehen für die Stadt Zug eine zusätzliche<br />

Nordzufahrt durch das Siemens-Areal und einen direkteren<br />

Anschluss der Berggemeinden an das Autobahnnetz vor.<br />

Zum heutigen Zeitpunkt bleibt die Problematik des Ost-<br />

West-Verkehrs (Zug–Ennetsee) noch unberücksichtigt und<br />

findet in keinem aktuellen Verkehrskonzept gebührende<br />

Beachtung. Staus sind auf der Chamerstrasse und bei der<br />

Autobahnausfahrt in Baar zu Stosszeiten zur Regel geworden.<br />

Während grüne Gruppierungen Zug zu einer Stadt für<br />

den «Langsamverkehr» machen wollen und auf das Fahrrad<br />

sowie Einschränkungen beim motorisierten Individualverkehr<br />

setzen, wünschen sich Bürgerliche und Wirtschaftskreise<br />

eine deutliche Verbesserung der Infrastruktur des<br />

motorisierten Strassenverkehrs. Sie setzen auf eine umweltfreundlichere<br />

Technologie im Bereich der Motorenentwicklung.<br />

Dem Individuum soll die Freiheit bei der Wahl des<br />

Verkehrsmittels nicht genommen werden.<br />

Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist in den vergangenen<br />

Jahren stetig vorangetrieben worden. 1991 führten die<br />

Zugerl<strong>and</strong> Verkehrsbetriebe (ZVB) mit dem Abonnement<br />

«Zuger Pass» einen integralen Tarifverbund ein. Das<br />

Busstreckennetz umfasst alle Gemeinden des Kantons. <strong>Die</strong>se<br />

Dauerfahrkarte ist ebenfalls mit dem Zürcher oder Luzerner<br />

Tarifverbund kombinierbar. Mittlerweile ist bei den<br />

Bussen in den Stosszeiten die Kapazitätsgrenze erreicht.<br />

Nehmen Bevölkerung und Mobilität im bisherigen Ausmass<br />

zu, wird bis 2020 mit einer Verdoppelung der Verkehrsspit-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 85


So kam Zug zum Zug<br />

zen gerechnet. <strong>Die</strong> politisch heiklen Fragen des Strassenbaus<br />

und die Kapazitätsgrenzen beziehungsweise der Ausbau<br />

des öffentlichen Verkehrs werden die Zugerinnen und<br />

Zuger also noch Jahre beschäftigen. Einen neuen Impuls in<br />

die Verkehrspolitik bringt das Projekt einer regionalen Zuger<br />

Stadtbahn (einer Mischform zwischen Tram und S-<br />

Bahn), welche in Zukunft Erschliessungsfunktionen bis in<br />

die Innerschweiz erfüllen soll. Moderne Stadtbahnfahrzeuge<br />

können sowohl im Strassenraum als auch auf den SBB-<br />

Geleisen fahren. Das SBB-Trasse Cham/Zythus–Zug–Baar<br />

bildet die Hauptstrecke der Stadtbahn. Es ist jederzeit modulartig<br />

mit Streckenneubauten ergänzbar. Bei wichtigen Verbindungen<br />

könnten Fahrzeitverkürzungen von bis zu 50<br />

Prozent gegenüber heutigen Bahn- und Busverbindungen<br />

erreicht werden.<br />

Mit dem Bahnhofsneubau in Zug inklusive der Zusammenlegung<br />

des SBB-Kundendienstes und der ZVB-«Ticketeria»<br />

sowie mit der Einführung der «Stadtbahn Zug»<br />

erhoffen sich die Verantwortlichen im öffentlichen Verkehr<br />

eine Attraktivitätssteigerung und ein vermehrtes Umsteigen<br />

von der Strasse auf die Schiene.<br />

8 Schlusswort<br />

Auch im Kanton Zug ist die Dynamik europäischer und<br />

globaler Veränderungen spürbar. Der W<strong>and</strong>el von der l<strong>and</strong>wirtschaftlichen<br />

Region zur industriell geprägten Gesellschaft<br />

hat sich in nur 100 Jahren vollzogen. <strong>Die</strong> neu genutzten<br />

ehemaligen Industrieareale sind Zeugen dafür, dass sich<br />

der Kanton innert Kürze auch zu einem qualitativ hochstehenden<br />

<strong>Die</strong>nstleistungsst<strong>and</strong>ort entwickelt hat.<br />

<strong>Die</strong> Zuger Erfolgsstory mag modellhaften Charakter aufweisen,<br />

ist aber nicht ohne weiteres auf <strong>and</strong>ere Regionen<br />

übertragbar, und die Frage bleibt: Wird sie auch in Zukunft<br />

weitergeführt? Sicher besteht in Zug noch Potenzial. <strong>Die</strong><br />

Zuw<strong>and</strong>erung wird anhalten. Das Arbeitsplatzangebot steigt<br />

nach wie vor. Dennoch sind dem Wachstum auch Grenzen<br />

gesetzt.<br />

Fast bei sämtlichen wirtschaftlichen Parametern steht Zug<br />

– aus schweizerischer Sicht – noch heute an der Spitze, aber<br />

die internationale St<strong>and</strong>ortkonkurrenz ist ungleich schärfer<br />

geworden. Andere europäische St<strong>and</strong>orte haben durch die<br />

Schaffung eines innovativen Umfelds ihre Attraktivität erheblich<br />

verbessert. <strong>Die</strong> Neustrukturierung der wirtschaftlichen<br />

Prozesse verändert auch die Anforderungen an den<br />

Lebens- und Wirtschaftsraum Zug. Es ist notwendig, bewusst<br />

in Infrastruktur und Nachhaltigkeit zu investieren, um<br />

das qualitative hochstehende Zuger Wirtschaftswachstum<br />

zu erhalten.<br />

Aufgrund einer neuen Studie beweist der Kanton Zug,<br />

dass mit hoher Wirtschaftskraft und vielen Arbeitsplätzen<br />

gleichzeitig eine nachhaltige Entwicklung (insbesondere<br />

unter ökologischen Aspekten) möglich ist (Zürcher Kantonalbank,<br />

2000).<br />

Zug bleibt aber gleichzeitig Dorf und Stadt, Stadt und<br />

L<strong>and</strong>, konservativ und weltoffen. <strong>Die</strong> pionierhafte, mutige<br />

und offene Denkweise der Industrieväter ist etwas verloren<br />

gegangen, und der hohe Lebensst<strong>and</strong>ard breiter Bevölkerungskreise<br />

birgt die Gefahr, dass man träge wird und sich<br />

auf den Lorbeeren ausruht. <strong>Die</strong> Zugerinnen und Zuger gehen<br />

aber davon aus, dass trotz der Einschränkung der kantonalen<br />

Freiheiten durch den Bund und die EU ein breiter Spielraum<br />

für neue Chancen und eine eigenständige Wirtschaftspolitik<br />

erhalten werden kann.<br />

86 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


So kam Zug zum Zug<br />

Literatur<br />

Arnet, E. & Müller, H. R. (1957). Dreihundert Jahre Papierfabrik<br />

Cham 1657-1957. Zürich: ohne Verlag.<br />

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<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 87


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von<br />

Transportketten<br />

Autoren:<br />

Thomas Baumgartner<br />

Thomas Mettier<br />

Sabina Pfister<br />

Aufbauend auf den<br />

Ergebnissen der Synthesegruppe<br />

Ökoeffizienz:<br />

Steven Byrde<br />

Christian Capello<br />

Sorana Crivii<br />

David Finger<br />

Christian Götz<br />

Stephan Gutzwiller<br />

Dominique Jean-Baptiste<br />

Lars Knechtenhofer<br />

Simon Liechti<br />

Marco Mansfeld<br />

Matthias Möller<br />

Sabina Pfister<br />

Martina Rivola<br />

Simone Schärer<br />

Gionny Volger<br />

Markus Wilke<br />

Thomas Baumgartner (Tutor)<br />

Thomas Mettier (Tutor)<br />

Inhalt<br />

1. Ziel 91<br />

2. Problemstellung 91<br />

3. Was ist Ökoeffizienz 92<br />

4. Methoden 94<br />

5. Transportketten und ihre Ökobilanz 99<br />

6. Der Versuch zur Bestimmung des Gütertransportnutzens 104<br />

7. Vergleich der Ökoeffizienz der Transportketten 106<br />

8. Zukunftsperspektiven 107<br />

9. Schlussfolgerungen und Ausblick 109


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

Zusammenfassung<br />

<strong>Die</strong> Synthesegruppe Ökoeffizienz<br />

hatte zum Ziel, die Ökoeffizienz (ÖE)<br />

konkreter Gütertransportketten und<br />

möglicher Alternativen von Unternehmen<br />

in der Region Zug zu bestimmen.<br />

Bei den Alternativen ging es einerseits<br />

um die Frage, ob die Substitution<br />

von Strassentransporten durch<br />

Bahntransporte zu einer verbesserten<br />

ÖE führen würde, <strong>and</strong>erseits um die<br />

Abschätzung des Einflusses absehbarer<br />

technischer Entwicklungen bei<br />

Bahn und Lastwagen auf die ÖE der<br />

Transportketten. ÖE wurde definiert<br />

als das Verhältnis von Transportleistung<br />

zu der dadurch ausgelösten ökologischen<br />

Belastung. <strong>Die</strong> Transportleistung<br />

wurde als Tonnenkilometer<br />

definiert, wobei die Gruppe auch versucht<br />

hat, den umfassenderen Begriff<br />

des Transportnutzens zu definieren<br />

und zu quantifizieren. <strong>Die</strong> ökologische<br />

Belastung wurde mit Hilfe der<br />

Ökobilanz errechnet. Da Lärm zunehmend<br />

als das Umweltproblem der<br />

Bahn diskutiert wird, haben wir einen<br />

Vorschlag erarbeitet, wie Lärm in die<br />

gewählte Bewertungsmethode «Eco-<br />

Indicator 99» miteinbezogen werden<br />

kann. Dabei ergab sich, dass ein höherer<br />

Bahnanteil in allen untersuchten<br />

Transportketten zu einer besseren<br />

Ökobilanz führt. Der Einbezug von<br />

Lärm kann bei bestimmten Transportketten<br />

die ökologische Belastung fast<br />

verdoppeln, ohne aber die Vorteile der<br />

Bahn zu tangieren. <strong>Die</strong>ser Vorteil wird<br />

aber möglicherweise, ausser bei Lärm,<br />

durch den technischen Fortschritt bei<br />

Strassentransporten in der Zukunft<br />

eher kleiner. Entscheidend dürfte allerdings<br />

sein, ob es im Schienen- oder<br />

im Strassentransport besser gelingt,<br />

die Auslastung als wichtige Einflussgrösse<br />

auf die Ökobilanz zu verbessern.<br />

Keywords: Ökoeffizienz, Transportketten,<br />

Transportnutzen, Eco-Indicator<br />

99, Gütertransport.<br />

Résumé<br />

Le groupe de synthèse éco-efficience<br />

a pour but de déterminer l’éco-efficience<br />

des chaînes concrètes de transport<br />

de march<strong>and</strong>ises et des alternatives<br />

d’entreprises possibles dans la<br />

région de Zoug. Avec les alternatives,<br />

il s’agissait de savoir d’une part si la<br />

substitution des transports routiers par<br />

les transports sur rail aboutit à une<br />

meilleur éco-efficience et d’autre part,<br />

à quel point les développements<br />

techniques prévisibles dans le domaine<br />

du rail et des camions pèsent sur<br />

l’éco-efficience des chaînes de transport.<br />

On comprend par écoefficience<br />

le rapport entre capacité de transport et<br />

nuisances sur l’environnement. La capacité<br />

de transport a été définie<br />

comme tonne-kilomètre. Le groupe a<br />

également essayé de définir et de<br />

quantifier le concept plus ample de<br />

l’avantage du transport. La charge<br />

écologique a été calculée à l’aide de<br />

l’anakyse de cycle de vie. Compte<br />

tenu du fait que le bruit est de plus en<br />

plus perçu comme le problème d’environnement<br />

des chemins ferroviaires,<br />

nous avons élaboré une proposition<br />

pour introduire le bruit dans la méthode<br />

d’évaluation choisie «Eco-Indicator<br />

99». Il en ressort qu’on peut<br />

améliorer l’analyse de cycle de vie<br />

dans toutes les chaînes de transport<br />

analysées en augmentant la part des<br />

chemins de fer. Dans certaines chaînes<br />

de transport, la prise en compte du<br />

bruit peut pratiquement doubler la<br />

charge écologique, sans pour autant<br />

remettre les avantages du rail en question.<br />

Mais il est probable qu’à l’avenir<br />

cet avantage ira en se réduisant,<br />

sauf pour ce qui est du bruit, grâce au<br />

progrès technique dans les transports<br />

routiers. Dans ce cas-là, il s’avérerait<br />

décisif d’améliorer l’utilisation des<br />

capacités, en tant que valeur d’influence<br />

essentielle sur l’analyse de cycle<br />

de vie, dans le transport ferroviaire et<br />

routier.<br />

Mots-clés: éco-efficience, chaînes<br />

de transport, capacité de transport,<br />

Eco-Indicator 99, transport de march<strong>and</strong>ises.<br />

Summary<br />

The objective of the synthesis group<br />

eco-efficiency (EE) was to define specific<br />

chains of freight transport <strong>and</strong><br />

possible alternatives for companies in<br />

the region of Zug. The alternatives<br />

referred to the question whether a substitution<br />

of road transports by rail<br />

would lead to improved EE on the one<br />

h<strong>and</strong>, <strong>and</strong>, on the other h<strong>and</strong>, to an<br />

assessment of the influence of predictable<br />

technological developments<br />

within the rail <strong>and</strong> truck industry upon<br />

the EE of chains of transport. EE was<br />

defined as transport achievement in<br />

relation to the resulting environmental<br />

pollution. Transport achievement was<br />

measured in ton-kilometers, but the<br />

group also attempted to define <strong>and</strong><br />

quantify the more comprehensive notion<br />

of transport benefit. Environmental<br />

pollution was calculated by means<br />

of life cycle assessment. Since noise is<br />

increasingly being discussed as one of<br />

the rail’s environmental problems, we<br />

have established <strong>and</strong> suggested a way<br />

to integrate noise into the chosen life<br />

cycle assessment method «Eco-Indicator<br />

99». The results show that an<br />

increased share of rail leads to an improved<br />

life cycle assessment in all examined<br />

chains of transport. The inclusion<br />

of noise almost doubles the environmental<br />

pollution for certain chains<br />

of transport, albeit without affecting<br />

the rail’s advantages. However, except<br />

for the noise, this advantage might<br />

decrease in the future due to technological<br />

progress of road transport. A decisive<br />

factor may well be found in the<br />

question whether the rail or the road is<br />

more successful in improving the capacity<br />

utility as an important factor of<br />

influence on the life cycle assessment.<br />

Keywords: eco-efficiency, chains of<br />

transport, transport benefit, Eco-Indicator<br />

99, freight transport.<br />

90 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

1 Ziel<br />

<strong>Die</strong> Synthesegruppe Ökoeffizienz hatte das Ziel, die Ökoeffizienz<br />

(ÖE) konkreter Gütertransportketten von Unternehmen<br />

in der Region Zug zu bestimmen. Dabei sollte vor allem<br />

die Effizienz von gegenwärtig benutzten Transportketten<br />

mit derjenigen von Alternativen verglichen werden. Bei den<br />

Alternativen ging es einerseits um die Frage, ob die Substitution<br />

von Strassentransporten durch Bahntransporte zu einer<br />

verbesserten ÖE führen würde, <strong>and</strong>ererseits um die<br />

Abschätzung des Einflusses absehbarer technischer Entwicklungen<br />

bei der Bahn und den Lastwagen auf die ÖE der<br />

Transportketten.<br />

<strong>Die</strong> ÖE von Transporten setzt die erbrachte Transportleistung<br />

in Bezug zu der dadurch produzierten Umweltbelastung.<br />

<strong>Die</strong> Umweltbelastung sollte durch die Ökobilanzierung<br />

der für die Transporte verwendeten Verkehrsmittel<br />

(Güterzug, Lastwagen, Schiff, Umladetechnologien) bestimmt<br />

werden. Dabei sollte der bis jetzt in den gängigen<br />

Ökobilanzierungsmethoden nicht erfasste Aspekt des<br />

Lärms mit einbezogen werden. <strong>Die</strong> Transportleistung sollte<br />

einerseits durch den in der Ökobilanzierung üblichen Indikator<br />

der Tonnenkilometer dargestellt werden, <strong>and</strong>ererseits<br />

durch einen Indikator für den ökonomischen Nutzen des<br />

Transportes für das Unternehmen.<br />

2 Problemstellung<br />

Der Fokus auf die Analyse von konkreten Transportketten<br />

entspricht einem Bedürfnis sowohl der SBB im speziellen<br />

wie auch der Verkehrsplanung im allgemeinen. <strong>Die</strong> SBB<br />

kommt zunehmend in die Situation, dass sie ihren gegenwärtigen<br />

oder potenziellen Kunden beweisen muss, dass der<br />

Bahntransport ökologische Vorteile bietet. Mit der Transportplanung<br />

wird versucht, Gütertransporte vermehrt von<br />

der Strasse auf die Schiene zu verlagern, es muss aber<br />

entschieden werden, bei welchen Transporten hier am besten<br />

angesetzt wird. <strong>Die</strong> Beurteilung der Wirkung solcher<br />

Lenkungsmassnahmen erfolgt in der Regel aufgrund pauschaler<br />

Durchschnittsfaktoren. Schmid, Wacker, Kürbis &<br />

Friedrich (1999) weisen aber darauf hin, dass die Ergebnisse<br />

dieser Berechnungen oftmals «ein verzerrtes, nicht wirklichkeitsgetreues<br />

Bild» vermitteln, da die dazu verwendeten<br />

durchschnittlichen Energieverbrauchs- und Emissionsfaktoren<br />

eine Reihe von Einflussgrössen nicht berücksichtigen,<br />

die aber für den konkreten Entscheid, ob auf Strasse oder<br />

Schiene transportiert werden soll, wichtig sind. Solche Einflussgrössen<br />

sind:<br />

– unterschiedliche Transportentfernungen für die einzelnen<br />

Verkehrsmittel (Umwege),<br />

– Vor- und Nachläufe bei gebrochenen Verkehren,<br />

– unterschiedliche Auslastungsgrade,<br />

– Differenzierung nach verschiedenen Fahrzeugen und unterschiedlichen<br />

Betriebsbedingungen innerhalb der einzelnen<br />

Verkehrsmittel,<br />

– Zusammensetzung des Kraftwerkparks, welcher der<br />

Strombereitstellung im Falle der Elektrotraktion zugrunde<br />

liegt, sowie<br />

– Berücksichtigung des nicht durch Antrieb bedingten<br />

Energieaufw<strong>and</strong>es, z.B. für die Herstellung, Wartung und<br />

Entsorgung der Verkehrsmittel oder den Bau und Unterhalt<br />

der Verkehrswege.<br />

Als weitere Einflussgrösse können auch noch die in<br />

Transportketten üblicherweise notwendigen Umladevorgänge<br />

mit einbezogen werden. <strong>Die</strong>se dürften zwar für die<br />

Grösse der Umweltbelastungen von untergeordneter Bedeutung<br />

sein, könnten allerdings die ökonomische Effizienz der<br />

Verkehrskette und damit den durch den Transport erbrachten<br />

Nutzen, und daher das Mass der Ökoeffizienz (ÖE),<br />

erheblich beeinflussen.<br />

Im Folgenden wird zuerst auf die methodischen Probleme<br />

eingegangen, die zur Erfüllung dieser Ziele gelöst werden<br />

mussten. Anschliessend werden die untersuchten Transportketten<br />

und ihre ÖE beschrieben. Es ist in unterschiedlichem<br />

Ausmasse gelungen, die gesetzten Ziele tatsächlich zu erreichen.<br />

Im Schlussabschnitt wird über das Erreichte und die<br />

sich daraus ergebenden Folgerungen Bilanz gezogen.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 91


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

3 Was ist Ökoeffizienz?<br />

Ökoeffizienz (ÖE) ist ein Indikator, der eine Beziehung<br />

zwischen einer wirtschaftlichen Leistung und den dadurch<br />

hervorgerufenen Umweltbelastungen herstellt. Das Konzept<br />

der ÖE wurde 1992 vom World Business Council for<br />

Sustainable Development (WBCSD) 1 an der Konferenz für<br />

Umwelt und Entwicklung in Rio vorgestellt. Von Weizsäcker<br />

definiert die ÖE und das sich daraus ergebende Ziel<br />

für das H<strong>and</strong>eln der Unternehmen folgendermassen (von<br />

Weizsäcker & Seiler-Hausmann, 1999): «Ökoeffizienz bezeichnet<br />

die zunehmende Produktion von nützlichen Gütern<br />

und <strong>Die</strong>nstleistungen bei laufend abnehmendem Verbrauch<br />

von natürlichen Ressourcen, also Rohmaterialien und Energie.»<br />

Interessant an dieser Definition ist, dass damit ein weiteres<br />

Wachstum der wirtschaftlichen Leistung mit einer Verminderung<br />

des Ressourcen- und Umweltverbrauchs verbunden<br />

werden soll. Damit aber geht von Weizsäcker weiter als der<br />

WBCSD mit seiner Definition, nach der ein Unternehmen<br />

seine ÖE sehr wohl verbessern kann, auch wenn es seinen<br />

Ressourcen- und Umweltverbrauch erhöht. Es muss nur<br />

darauf achten, dass seine wirtschaftliche Leistung schneller<br />

wächst als die von seinen Aktivitäten ausgehende Umweltbelastung.<br />

Damit ist auch klar, dass eine Steigerung der<br />

betrieblichen oder unternehmerischen ÖE noch nicht unbedingt<br />

die Nachhaltigkeit eines Wirtschaftssystems garantiert.<br />

Das Mass der ÖE alleine erlaubt keine Bestimmung der<br />

Nachhaltigkeit von Verhalten.<br />

Gemäss DeSimeone & Popoff (1997) sind die folgenden<br />

Punkte zu beachten, wenn man die ÖE eines Produktes oder<br />

einer <strong>Die</strong>nstleistung messen will:<br />

– <strong>Die</strong> Systemgrenzen sind klar zu definieren. Soll die ÖE<br />

der ganzen Firma, einer Abteilung, einer Produktionsstätte<br />

oder nur eines Prozesses quantifiziert werden?<br />

– Wird die ÖE beispielsweise als Umsatz dividiert durch<br />

die Emissionen definiert, ist zu berücksichtigen, dass im<br />

zeitlichen Verlauf <strong>and</strong>ere Faktoren das Bild unter Umständen<br />

verfälschen. So können auch Inflation, Firmenumstrukturierungen<br />

oder grosse Anschaffungen den<br />

Umsatz beeinflussen und fälschlicherweise eine Verbesserung<br />

der ÖE bewirken.<br />

– Es müssen alle die Umwelt wesentlich belastenden Einwirkungen<br />

berücksichtigt werden. Ist dies zu aufwändig,<br />

kann statt der ÖE eine Effizienz in einem bestimmten<br />

Bereich, zum Beispiel der Energie, quantifiziert werden.<br />

– Wenn eine Firma eine Verbesserung ihrer ÖE vorweisen<br />

kann, sagt das noch nichts über die Nachhaltigkeit ihres<br />

Betriebes aus. Bei rasch wachsenden Märkten kann der<br />

Ressourcenverbrauch auch bei besserer ÖE ansteigen,<br />

bedingt durch die grössere Anzahl von produzierten Gütern<br />

oder <strong>Die</strong>nstleistungen.<br />

Schon in der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 1999 wurde das Konzept<br />

der Ökoeffizienz verwendet. In jener <strong>Fallstudie</strong> ging es<br />

um die Entwicklung eines Instruments für den bereichsübergreifenden<br />

Vergleich von Umweltmassnahmen der SBB.<br />

Dort war eine systematische Erfassung und Bewertung des<br />

ökologischen Nutzens dieser Massnahmen im Vergleich zu<br />

den für die Massnahmen notwendigen betrieblichen Kosten<br />

gefordert (Hitzke, Baumgartner, Théato, Wiek & Scholz,<br />

2001). In diesem Bericht geht es um den Vergleich zweier<br />

«Produkte» oder «Leistungen» in der Form von Transportketten.<br />

Dabei sind die vom Transportvorgang ausgehenden<br />

Umweltwirkungen im Verhältnis zur Leistung, die durch<br />

den Transport erzielt wird, von Bedeutung.<br />

Allgemein gesprochen, kann die ÖE auf zwei Arten ausgedrückt<br />

werden, wobei mathematisch die eine Formel in<br />

die <strong>and</strong>ere überführt werden kann. Kognitiv beinhalten diese<br />

beiden Formeln aber unterschiedliche Perspektiven. Aus<br />

der Perspektive der Ökobilanzierung wird normalerweise<br />

die Umweltbelastung pro funktionelle Einheit bestimmt:<br />

Gleichung 1: Ökoeffizienz als Umweltbelastung pro funktionelle<br />

Einheit. <strong>Die</strong> ÖE ist umso besser, je kleiner der Quotient<br />

ist.<br />

Hier bedeutet eine kleinere Zahl eine höhere ÖE. <strong>Die</strong>ses<br />

Mass kann auch als ein Mass für die «Umweltkosten»<br />

genommen werden, die mit dem «Konsum» einer Einheit<br />

des Gutes oder der <strong>Die</strong>nstleistung einhergeht. Der Blick<br />

wird daher auf die Umweltbelastung gelenkt, die von einer<br />

wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeht. 2<br />

Für die Wirtschaft steht allerdings der umgekehrte Bezug<br />

im Vordergrund, weil damit das Konzept der ÖE demjenigen<br />

der Arbeits- oder Kapitalproduktivität (bzw. -effizienz) entspricht,<br />

und sich somit besser in das Selbstverständnis unternehmerischen<br />

H<strong>and</strong>elns einreihen lässt:<br />

Gleichung 2: Ökoeffizienz als Ausweis für erfolgreiches<br />

unternehmerisches H<strong>and</strong>eln. <strong>Die</strong> ÖE ist umso besser, je<br />

grösser der Quotient ist.<br />

In diesem Fall ist die ÖE umso besser, je grösser der obige<br />

Quotient ist. <strong>Die</strong>ses Konzept lässt sich auch besser gegen<br />

aussen kommunizieren, da in unserer Gesellschaft «grösser»<br />

meistens auch «besser» bedeutet.<br />

1 Siehe auch unter http://www.wbcsd.ch<br />

2 Schlatter (2000, S. 11-14) findet, dass der Begriff der «Umweltkosten» falsch oder wenigstens inopportun ist – er verleitet die Unternehmensleitung zu<br />

der falschen Wahrnehmung, dass Umweltschutz «kostet». <strong>Die</strong> hier eingenommene Perspektive ist aber nicht die von betrieblichen Umweltschutzmassnahmen,<br />

sondern die der Umweltbeinträchtigung – des Verbrauchs an Umwelt – die durch die Erbringung einer wirtschaftlichen Leistung entsteht. Der Begriff<br />

«Umweltkosten» scheint uns diesen Sachverhalt sehr gut zu umschreiben.<br />

92 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

Beide Varianten lassen sich verteidigen, wobei im ersten<br />

Falle eher das Konzept des «Umweltpreises» oder der «Umweltkosten»<br />

eines Produktes im Vordergrund steht. Im zweiten,<br />

hier weiterverfolgten Konzept steht das effiziente unternehmerische<br />

H<strong>and</strong>eln im Vordergrund und ist in diesem<br />

Sinne der Ausweis für erfolgreiches unternehmerisches<br />

H<strong>and</strong>eln. Da wir hier die Sicht des Unternehmens SBB und<br />

seine Stellung im Vergleich zu den Unternehmen des<br />

Strassentransportgewerbes einnehmen, scheint diese Formulierung<br />

die angemessenere zu sein.<br />

Für den Güterverkehr wurde die ÖE bisher noch nie<br />

berechnet. Es musste deshalb ein neues Vorgehen erarbeitet<br />

werden. Dabei sollte für die Bestimmung der ökologischen<br />

Belastung von der Praxis der Ökobilanzierung ausgegangen<br />

werden. Verschiedene Alternativen eines Transportes (mit<br />

definierter Menge und Strecke) wurden bezüglich ihrer Umweltbelastung<br />

verglichen. Dazu dienten die Resultate aus<br />

der Ökobilanzierung, wobei die Umweltbelastung mit einer<br />

der gängigen Bewertungsmethoden, dem Eco-Indicator 99<br />

(siehe Kap. 4.3), berechnet wurde. Als Indikator für die<br />

ökologische Leistung kann die Länge der ganzen Transportkette<br />

genommen werden. Allerdings muss für einen Vergleich<br />

alternativer Transportketten in jedem Falle die kürzest<br />

mögliche Strecke aller verglichenen Alternativen eingesetzt<br />

werden. Mit der Gleichung 3 lassen sich sowohl die<br />

ÖE verschiedener Alternativen als auch jene verschiedener<br />

Transporte vergleichen. Der Transport mit dem grösseren<br />

Quotienten hat die bessere Ökoeffizienz. <strong>Die</strong> Alternative mit<br />

weniger Eco-Indicator Punkten ist die ökologischere.<br />

Im Gütertransportnutzen (GTN) sind individuelle Ansprüche<br />

der Firmen an Kosten, Transportzeit, Flexibilität,<br />

Zuverlässigkeit und Häufigkeit berücksichtigt. Da der GTN<br />

für eine spezifische Strecke mit definierter Menge berechnet<br />

wurde, lassen sich nur die Alternativen für denselben Transport<br />

vergleichen. Der Transport mit dem grösseren Quotienten<br />

hat die bessere ÖE.<br />

Gleichung 3: <strong>Die</strong> Ökoeffizienz verschiedener Alternativen<br />

und verschiedener Transporte kann verglichen werden. Der<br />

Transport mit dem grösseren Quotienten hat die bessere<br />

Ökoeffizienz. <strong>Die</strong> Alternative mit weniger Eco-Indicator<br />

Punkten ist die ökologischere.<br />

Allerdings ist dies ist nur im weiteren Sinne ein Vergleich<br />

von ÖE wie sie oben beschrieben wurde, denn die ökonomische<br />

Komponente wird nicht berücksichtigt, da im Zähler<br />

der Gleichung 3 ausschliesslich die transportierte Menge<br />

und die Streckenlänge berücksichtigt werden. Nach der<br />

Definition des WBCSD erscheint es deshalb fraglich, ob<br />

man hier wirklich von Ökoeffizienz sprechen kann.<br />

Um zu einer Definition der Ökoeffizienz im engeren<br />

Sinne zu kommen (Gleichung 4) und uns somit dem Effizienzansatz<br />

des WBCSD anzunähern, wurde im Zähler die<br />

funktionelle Einheit der Tonnenkilometer durch das ökonomische<br />

Konzept des «Nutzens» ersetzt:<br />

Gleichung 4: Definition der Ökoeffizienz im engeren Sinne.<br />

<strong>Die</strong> funktionelle Einheit «Tonnenkilometer» wurde durch<br />

das ökonomische Konzept des «Nutzens» ersetzt.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 93


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

4 Methoden<br />

Wir gehen hier auf zwei methodische Aspekte unserer Arbeit<br />

etwas näher ein. <strong>Die</strong> Umweltbelastungen der Transport(dienst)leistungen<br />

wurden mit Hilfe der Ökobilanz bestimmt<br />

(Kap. 4.1 bis 4.3). Auf das dabei betretene Neul<strong>and</strong>,<br />

den Einbezug des Strassen- und Schienenlärms, wird im<br />

Kap. Lärm ausführlicher eingegangen. Im Abschnitt 4.4<br />

gehen wir auf unseren Ansatz zur Bestimmung des Gütertransportnutzens<br />

(GTN) ein.<br />

4.1 <strong>Die</strong> Ökobilanz<br />

<strong>Die</strong> Ökobilanz (LCA: Life Cycle Assessment) ist eine Methode<br />

zur Untersuchung der Umweltauswirkungen, die von<br />

Produkten und <strong>Die</strong>nstleistungen verursacht werden. Eine<br />

Ökobilanz-Studie untersucht die Umweltauswirkungen eines<br />

Produkts über den gesamten Lebensweg, von der Bereitstellung<br />

der Ressourcen über die Produktion und die Anwendung<br />

bis zur Entsorgung. <strong>Die</strong> Anwendung der Ökobilanz<br />

erfolgt mit dem Ziel, die Umweltwirkungen von Produkten<br />

über ihren gesamten Lebensweg gesehen zu verringern.<br />

<strong>Die</strong> allgemeinen Kategorien von Umweltwirkungen,<br />

die in einer Ökobilanz berücksichtigt werden, umfassen die<br />

menschliche Gesundheit, ökologische Wirkungen und den<br />

Verbrauch von Ressourcen (ISO, 1997). Eine Ökobilanz<br />

besteht aus den folgenden vier Teilen (siehe Abb. 4.1):<br />

– Festlegung des Ziels und des Untersuchungsrahmens<br />

(Systemgrenzen)<br />

– Sachbilanz<br />

– Wirkungsabschätzung<br />

– Auswertung<br />

In einem ersten Schritt werden die Ziele und Systemgrenzen<br />

der Untersuchung festgelegt. Darauf wird in der Sachbilanz<br />

das zu untersuchende Produktsystem bilanziert, d.h. die<br />

Energie- und Stoffflüsse der Prozesse unterein<strong>and</strong>er (Input-<br />

Outputströme der Technosphäre) und der Prozesse mit der<br />

Umwelt (Input-Outputströme der Biosphäre) werden erfasst.<br />

<strong>Die</strong> bilanzierten Input- und Outputströme werden in<br />

einem Inventar zusammengestellt. In der Wirkungsabschätzung<br />

werden die inventarisierten Input- und Outputströme<br />

der Biosphäre gemäss ihrer Wirkung beurteilt. D.h. die<br />

bilanzierten Input- und Outputströme werden Umweltwirkungen<br />

zugeordnet und es resultieren Kennzahlen für die<br />

potentiellen Wirkungen eines Produkts. In einem abschliessenden<br />

Schritt werden die Informationen aus den drei vorhergehenden<br />

Schritten interpretiert, die Resultate zusammengefasst<br />

und Schlussfolgerungen gezogen. <strong>Die</strong> Ökobilanz<br />

ist eine iterative Methode, d.h. die einzelnen Schritte<br />

werden mehrmals durchlaufen.<br />

4.2 <strong>Die</strong> Datenbank ECOINVENT<br />

ECOINVENT ist eine <strong>ETH</strong>-interne Ökoinventar-Datenbank,<br />

in der die Energie- und Stoffflüsse von Produktelebenszyklen<br />

erfasst sind. <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> ist ein Träger dieser<br />

Datenbank und wendet ca. 25% seines ordentlichen Kredits<br />

dafür auf. Sie basiert auf den Ökoinventaren von Energiesystemen<br />

(Frischknecht et al., 1996) und wurde um Baumaterialien,<br />

Transportprozesse, Entsorgungsprozesse und<br />

Nahrungsmittel erweitert. Für jeden Prozess sind seine Beziehungen<br />

zu <strong>and</strong>eren Prozessen der Technosphäre (Technosphärenmatrix)<br />

und die Beziehung zur Biosphäre (Biosphärenmatrix)<br />

gespeichert. Darüber hinaus sind die In- und<br />

Outputströme der Biosphäre (entspricht dem Ressourcenverbrauch<br />

und den Emissionen) mit den wichtigsten Ökobilanz-Bewertungsmethoden<br />

verknüpft, sodass für einen Prozess<br />

ca. 100 (aggregierte) Umweltindikatoren zur Verfügung<br />

stehen. Zur Zeit enthält ECOINVENT ca. 2000 Prozesse<br />

aus den obengenannten Aktivitäten.<br />

Für unsere Untersuchung besonders wichtig waren die<br />

Transportprozesse, die auf dem «Ökoinventar Transporte»<br />

beruhen (Maibach, Peter & Seiler, 1995). 3 <strong>Die</strong> Inventare der<br />

Abb. 4.1: Best<strong>and</strong>teile einer Ökobilanz<br />

(verändert nach ISO, 1997; Hofstetter,<br />

1998).<br />

3 Daten vergleichbarer Qualität für Deutschl<strong>and</strong> sind in Borken, Patyk & Reinhardt (1999) enthalten. Seit der Veröffentlichung des Transportinventars ist<br />

das Inventar von Energiesystemen allerdings aktualisiert worden (Frischknecht et al., 1996), so dass sich für die Transportprozesse in ECOINVENT leicht<br />

<strong>and</strong>ere (aber aktuellere) Daten ergeben, als zur Zeit publiziert sind.<br />

94 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

untersuchten Transportketten basieren auf ECOINVENT-<br />

Daten, für die Zukunftsperspektiven wurden teils neue Module<br />

erarbeitet. <strong>Die</strong>se Module konnten aber nicht mit der<br />

gesamten Prozessmatrix verknüpft werden, so dass keine<br />

Rückkoppelungen gerechnet werden konnten. Rückkoppelungen<br />

zwischen zwei Prozessen entstehen dann, wenn beide<br />

Prozesse jeweils einen gewissen Anteil des Outputs des<br />

jeweils <strong>and</strong>eren Prozesses als Input benötigen (siehe dazu<br />

Heijungs et al., 1992, S. 52ff oder Frischknecht, 2000, S.<br />

33ff). <strong>Die</strong>se Rückkoppelungen waren aber für wenig verbreitete<br />

Zukunftstechnologien nicht von Bedeutung.<br />

Da ECOINVENT sowohl mit Sachbilanzdaten als auch<br />

mit Wirkungsdaten der wichtigsten Bewertungsmethoden<br />

verknüpft ist, unterstützt es die im Abschnitt 4.1 beschriebenen<br />

Schritte der Sachbilanz und der Wirkungsabschätzung.<br />

Als Bewertungsmethode der Wirkungsabschätzung wurde<br />

Eco-Indicator 99 gewählt.<br />

4.3 Eco-Indicator 99<br />

Eco-Indicator 99 (EI 99) ist eine schadensorientierte Bewertungsmethode<br />

für Ökobilanzen (Goedkoop & Spriensma,<br />

1999). <strong>Die</strong> Umwelt wird über die drei Schutzgüter Humangesundheit,<br />

Ökosystemqualität und Ressourcen dargestellt<br />

(siehe Abb. 4.3). In EI 99 werden für die inventarisierten<br />

Emissionen, Ressourcenverbräuche und L<strong>and</strong>nutzung entlang<br />

verschiedener Wirkungsketten potentielle Schäden an<br />

den drei Schutzgütern modelliert. <strong>Die</strong> drei Schadenskategorien<br />

können mit Hilfe von Gewichtungsfaktoren zu einem<br />

Indikator zusammengefasst werden. <strong>Die</strong> Gewichtungsfaktoren<br />

wurden durch Expertenbefragungen ermittelt. Ergebnisse<br />

von EI 99 können sowohl auf der Ebene des aggregierten<br />

Indikators als auch auf der Ebene der Schadenskategorien<br />

(3) oder der Effekte (11) ausgewertet werden (vgl. Abb.<br />

4.3). Zusätzlich zur Originalmethode wurde im Rahmen der<br />

hier beschriebenen Arbeiten auch die Kategorie Lärm modelliert<br />

und miteinbezogen (siehe Kap. Lärm).<br />

Auf die Schadensmodellierung kann hier nicht detailliert<br />

eingegangen werden. Es soll nur kurz erläutert werden,<br />

wofür die Indikatoren der drei Schadenskategorien stehen.<br />

Der Indikator DALY (Disability Adjusted Life Years) ist eine<br />

aggregierte Kennzahl für Schäden an der Humangesundheit<br />

(«Human Health», DHH in Gleichung 5), die vorzeitige<br />

Todesfälle und beeinträchtigt gelebte Jahre repräsentiert.<br />

Der Indikator PDF*km 2 *a (Potentially Disappeared Fraction)<br />

als aggregierte Kennzahl für Ökosystemqualität («Ecosystem<br />

Quality», D EQ in Gleichung 5), ist ein Mass für die<br />

Abnahme der Biodiversität. Er drückt aus, welcher Anteil<br />

der Arten auf einer Fläche für einen bestimmten Zeitraum<br />

möglicherweise verschwindet. <strong>Die</strong> Kennzahl für Schäden<br />

an den Ressourcen («Resources», DR in Gleichung 5) heisst<br />

surplus energy («zusätzliche Energie»). Der Indikator<br />

drückt aus, um wieviel der Energieaufw<strong>and</strong> gegenüber heute<br />

steigt, wenn von späteren Generationen schlechtere Vorkommen<br />

mineralischer und fossiler Ressourcen genutzt<br />

werden müssen, d.h. alle heute abgebauten Ressourcen tragen<br />

dazu bei, dass spätere Generationen einen höheren<br />

Energieaufw<strong>and</strong> betreiben müssen, um Ressourcen zu fördern.<br />

Der EI 99 wurde in drei verschiedenen Versionen entwickelt,<br />

die drei verschiedenen kulturellen Perspektiven von<br />

Abb. 4.3: Das Konzept des EI 99 (verändert nach Goedkoop & Spriensma, 1999) und die zusätzlich einbezogene<br />

Wirkungskategorie Lärm.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 95


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

möglichen Entscheidungsträgern entsprechen (hierarchistisch,<br />

individualistisch und egalitär). <strong>Die</strong> drei Versionen<br />

unterscheiden sich z.B. hinsichtlich des betrachteten Zeithorizonts<br />

oder der miteinbezogenen Wirkungszusammenhängen.<br />

<strong>Die</strong> Evidenz der Wirkungszusammenhänge muss z.B.<br />

für die individualistische Perspektive höher sein als für die<br />

egalitäre, die eher nach dem Vorsorgeprinzip h<strong>and</strong>elt. Alle<br />

Schritte in der Modellierung wurden für diese drei Perspektiven<br />

unterschiedlich entwickelt. Für diese Untersuchung<br />

wurde die hierarchistische Version (die eigentliche St<strong>and</strong>ardversion)<br />

verwendet.<br />

Der EI 99-Wert für ein Produkt wird wie folgt berechnet:<br />

Gleichung 5: Berechnung des EI 99-Werts für ein Produkt (s.<br />

Erläuterungen im Text).<br />

<strong>Die</strong> drei berechneten Schadenindikatoren Di [i=HH, EQ,<br />

R] in Gleichung 5 werden jeweils durch einen<br />

Normalisierungswert Ni [i=HH, EQ, R] dividiert. Der Normalisierungswert<br />

Ni entspricht dem Schaden, der von einer<br />

Person in Europa durchschnittlich pro Jahr verursacht wird<br />

(Personenäquivalent). <strong>Die</strong> Gewichtungsfaktoren w i [i=HH,<br />

EQ, R] widerspiegeln die Wichtigkeit eines Personenäquivalents<br />

für die verschiedenen Schadenskategorien. In der<br />

hierarchistischen Version werden die Schäden an der<br />

Humangesundheit und den Ökosystemen doppelt so stark<br />

gewichtet wie die Schäden an den Ressourcen (wHH =wEQ<br />

= 400, wR = 200). <strong>Die</strong> Gewichtungsfaktoren addieren sich<br />

zu 1000, d.h. 1000 EI 99-Punkte entsprechen dem Umweltschaden,<br />

den ein durchschnittlicher Europäer im Jahr verursacht<br />

(Goedkoop & Spriensma, 1999, S. 89, 127).<br />

Der EI 99 wurde aus mehreren Gründen als Bewertungsmethode<br />

gewählt. Erstens sind vollaggregierende Methoden<br />

relativ einfach zur Kommunikation von Resultaten. Zweitens<br />

best<strong>and</strong> für EI 99 ein Ansatz zum Einbezug von<br />

Strassenlärm (siehe Kap. Lärm, Abschnitt 2), was z.B. für<br />

die UBP-Methode 4 nicht der Fall ist. Drittens wird in EI 99<br />

die Kategorie L<strong>and</strong>nutzung berücksichtigt, was für einen<br />

Vergleich von Transportketten interessant ist. Darüber hinaus<br />

besteht bei <strong>UNS</strong> durch die Beteiligung an der Entwicklung<br />

von EI 99 ein gutes Fachwissen über diese Bewertungsmethode.<br />

Mit EI 99 besteht die Möglichkeit, die für die SBB<br />

wichtigen Umweltthemen Lärm, Energieverbrauch und<br />

L<strong>and</strong>verbrauch zu integrieren.<br />

4.4 Transportnutzen<br />

Im Rahmen der Festlegung des Ziels und des Untersuchungsrahmens<br />

einer Ökobilanz (vgl. Abb. 4.1) muss gemäss<br />

der Norm für das Life Cycle Assessment (LCA), ISO<br />

14041, auch die funktionelle Einheit (FE) definiert werden.<br />

<strong>Die</strong> Quantität der erbrachten Leistung wird in FE gemessen<br />

und die von der Leistungserbringung ausgehenden Umweltwirkungen<br />

werden in Bezug zur Anzahl produzierter FE<br />

gesetzt. <strong>Die</strong> FE ist also die «gemeinsame Währung» für den<br />

Vergleich der Umweltauswirkungen, die von den zu vergleichenden<br />

Produkten oder Leistungen verursacht werden. Wir<br />

gehen hier zuerst auf die Problematik der FE im Rahmen der<br />

Ökobilanzierung von Transport(dienst)leistungen ein. Anschliessend<br />

schildern wir den in der <strong>Fallstudie</strong> gemachten<br />

Versuch, einen Index «Gütertransportnutzen» (GTN) als FE<br />

zur Bestimmung der Ökoeffizienz (ÖE) zu entwickeln.<br />

4.4.1 <strong>Die</strong> funktionelle Einheit in der Ökobilanzierung<br />

Für die Definition der funktionellen Einheit (FE) wird primär<br />

von den Funktionen oder Leistungscharakteristiken<br />

eines Produkts oder einer <strong>Die</strong>nstleistung ausgegangen, die<br />

Nutzen («use value») erzeugen, d.h. die es dem Produzenten<br />

von – in unserem Falle – Transport(dienst)leistungen ermöglichen,<br />

einen ökonomischen Wert für sich zu generieren.<br />

Dabei sollen für eine bestimmte Ökobilanz die für die<br />

Studie relevanten Funktionen bestimmt und benutzt werden.<br />

<strong>Die</strong> zwei Wege, die in den Erläuterungen zur Norm ISO<br />

14001 vorgeschlagen werden, wie man von den Funktionen<br />

(in der Mehrzahl) zu der FE (Einzahl) kommt, waren allerdings<br />

für unser Problem des Vergleichs von Transportketten<br />

mit verschiedenen Kombinationen von Transportmitteln<br />

wenig hilfreich. Einerseits wird vorgeschlagen, einfach eine<br />

der möglichen Funktionen auszuwählen. Bei der Kogeneration<br />

von Strom und Wärme wäre das entweder die Erzeugung<br />

von Strom oder diejenige von Dampf. Im Falle des<br />

Gütertransports könnten das Tonnenkilometer oder Zeitdauer<br />

(Stunden) sein. Das alternative Vorgehen besteht darin,<br />

alle bis auf eine Funktion in die Definition des Produktes zu<br />

integrieren. Ein immer wieder zitiertes Beispiel ist die FE<br />

für Streichfarbe: <strong>Die</strong> Menge der Farbe, die notwendig ist,<br />

um 20 m 2 W<strong>and</strong> mit einer bestimmten Absorptions- und<br />

Bindefähigkeit während 5 Jahren mit einer Opazität von<br />

98% zu bedecken. Damit sind Farben für Wände mit verschiedenen<br />

Charakteristiken nicht mehr vergleichbar, da sie<br />

unterschiedliche FE haben (ISO, 1998; Baumgartner, Huegel,<br />

Jahn & Weber Marin, 2000). Im Falle des Transportes<br />

würde das bedeuten, dass eine Transportkette von x Tonnenkilometern,<br />

die einmal eine Dauer von 12 Stunden und in der<br />

alternativen Durchführung eine Dauer von 28 Stunden beansprucht,<br />

zwei unterschiedliche und daher nicht vergleichbare<br />

«Produkte» darstellen.<br />

Transportleistungen sind von ihren Charakteristiken her<br />

eher mit <strong>Die</strong>nstleistungen als mit Produkten zu vergleichen.<br />

4 <strong>Die</strong> Methode der ökologischen Knappheit oder UBP-Methode (Umweltbelastungspunkte) ist eine weitere in der Schweiz häufig verwendete Bewertungsmethode,<br />

die im Auftrag des BUWAL entwickelt wurde (Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft, 1998).<br />

96 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

<strong>Die</strong>nstleistungen aber sind wenig st<strong>and</strong>ardisiert und sind in<br />

einem gewissen Sinne das «gemeinsame» Produkt von Verkäufer<br />

und Käufer. <strong>Die</strong> Bestimmung der FE für die Ökobilanzierung<br />

von Verkehrsleistungen erfordert daher, dass auf<br />

diese «Individualität» der Leistungserbringung Rücksicht<br />

genommen wird. <strong>Die</strong>s traf speziell in dem von uns untersuchten<br />

Falle des Vergleichs von Transportleistungen über<br />

eine ganze Transportkette zu, die mit Hilfe verschiedener<br />

Transportmittel mit ihren verschiedenen Eigenschaften erbracht<br />

wurden. Der Konkurrenzkampf zwischen Schiene<br />

und Strasse wird ja auch mit Argumenten des Preises, der<br />

Zuverlässigkeit, des Zeitaufw<strong>and</strong>es, etc., ausgefochten.<br />

<strong>Die</strong> üblicherweise in der Ökobilanzierung im Verkehrsbereich<br />

verwendete FE der Tonnenkilometer (tkm) ist im<br />

Lichte des oben gesagten eigentlich als ungeeignet für die<br />

vergleichende Berechnung der ÖE von Transporten auf der<br />

Schiene und auf der Strasse zu bezeichnen. Eine Gruppe von<br />

Studierenden setzte sich daher das Ziel, als Alternative zu<br />

den tkm einen mehrdimensionalen Indikator «Gütertransportnutzen»<br />

(GTN) zu entwickeln, der als FE zur Berechnung<br />

der ÖE von konkreten Transportketten verwendet<br />

werden kann. <strong>Die</strong>ser Fokus auf die Analyse spezifischer<br />

Transportketten wird zwar immer wieder gefordert, z.B. von<br />

Boege (1993), man befindet sich aber damit im Grenzbereich<br />

der Anwendbarkeit der Ökobilanz, die eigentlich für<br />

die raum- und zeitunspezifische Analyse «generischer» Produkte<br />

gedacht ist (Hofstetter, 1996). Es wird jedoch immer<br />

wieder der Versuch unternommen, diese R<strong>and</strong>bedingung<br />

des Instrumentes zu definieren (z.B. Potting, 2000 oder<br />

Huijbregts & Seppälä, 2000).<br />

4.4.2 Der Index «Gütertransportnutzen» (GTN) als<br />

funktionelle Einheit<br />

Schulz, Kesten, Vrtic & Krumme (1996, S. 10) definieren<br />

neun Transportqualitäten, die für die Nutzer von Transport(dienst)leistungen<br />

wichtig sind:<br />

– Netzdichte der Infrastruktur (km/km 2 , Anzahl Netzanschlüsse)<br />

– Kapazität des Transportsystems (verkehrende Fahrzeuge<br />

pro Stunde)<br />

– Massenleistungsfähigkeit oder Kapazität (Tonnen bzw.<br />

m 3 pro Fahrzeug)<br />

– Transportdauer (Stunden)<br />

– Termintreue (Zuverlässigkeit, Prozent der termintreuen<br />

Transporte)<br />

– Flexibilität (zeitlich: Stunden; mengenmässig: ja/nein)<br />

– Informationsverarbeitung, Güterwertsicherung<br />

– Unfallrisiko (Unfallrate)<br />

– Transportkosten, als zusätzlicher Faktor von Bedeutung<br />

für die Verkehrsmittelwahl<br />

<strong>Die</strong> beiden ersten Transportqualitäten werden von Schulz<br />

et al. allerdings aufgrund ihrer Komplexität nur in einem<br />

allgemeinen, qualitativen Vergleich berücksichtigt. Sie sind<br />

trotzdem entscheidend bei der Transportmittelwahl, da sie<br />

sich je nach Transportmittel stark unterscheiden. So ist z.B.<br />

in Deutschl<strong>and</strong> die Netzdichte der Infrastruktur der Strasse<br />

rund 16 mal so gross wie diejenige der Schiene.<br />

Eine eigene empirische Untersuchung mit verschiedenen<br />

verladenden Unternehmen zur Auswahl und Bewertung von<br />

möglichen Variablen, welche den Transportnutzen definieren,<br />

hätte den zeitlichen Rahmen des Teilprojektes gesprengt.<br />

Daher wurde auf die Datengrundlagen des Berichtes<br />

und einer Tagungspräsentation von Maggi (1999) zurückgegriffen<br />

(siehe auch Maggi et al., 1999). <strong>Die</strong>se haben<br />

Preiselastizitäten für vier Transportqualitäten oder Nutzendimensionen<br />

bestimmt (siehe Tab. 4.4.2).<br />

Gleichung 6: Berechnung des Grenznutzens (GTN s. Gleichung<br />

7).<br />

<strong>Die</strong>se Angaben repräsentieren Durchschnittswerte aus 31<br />

durchgeführten Experimenten mit 22 schweizerischen und<br />

italienischen Unternehmen, welche zu 1271 hypothetischen<br />

Entscheidungen für eine durchschnittliche Transportdistanz<br />

von 776 km führten. <strong>Die</strong> Zahl, z.B. von -1.15 für die Transportzeit<br />

in der zweiten Kolonne, bedeutet, dass ein Kunde<br />

einen Wechsel des Transportmittels nur in Betracht ziehen<br />

wird, wenn eine um eine Stunde längere Transportzeit mit<br />

einem tieferen Preis von mindestens CHF 1.15 pro transportierte<br />

Tonne zusammengehen würde.<br />

<strong>Die</strong> Attraktivität dieser Preiselastizitäten liegt darin, dass<br />

es wegen der einheitlichen Dimension einfach ist, einen<br />

Index für den Gesamtnutzen zu bestimmen. Der Rückgriff<br />

auf diese Daten brachte allerdings auch gewichtige Einschränkungen<br />

in der Bestimmung der GTN für unsere Fall-<br />

Tab. 4.4.2: Wert einer marginalen Verbesserung der verschiedenen Nutzendimensionen (M k ) pro transportierte Tonne über<br />

eine durchschnittliche Strecke – einschliesslich der Schweiz – von 776 km, s. auch Gleichung 6 (Maggi et al., 1999, S. 14).<br />

Transportqualitäten relativer monetärer Wert (M k )<br />

[CHF pro Einheit]<br />

Einheit<br />

Transportzeit -1.15 eine Stunde mehr Transportzeit<br />

Zuverlässigkeit 2.42 1% mehr Zuverlässigkeit<br />

Flexibilität -0.37 eine Stunde mehr Voranmeldezeit<br />

Häufigkeit 1.10 eine Sendung mehr pro Monat<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 97


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

beispiele mit sich. In der Studie von Maggi et al. (1999)<br />

wurden nebst den Transportkosten lediglich vier Qualitäten<br />

ermittelt, die den Transportnutzen im wesentlichen definieren<br />

sollen: Zeit, Zuverlässigkeit, Flexibilität und Häufigkeit.<br />

Nur mit diesen vier Nutzencharakteristiken gelang es nicht,<br />

die in den von uns untersuchten Fällen bedeutenden Nutzen<br />

vollständig abzubilden. So ist z.B. beim Transport von Zellulose<br />

(Fallbeispiel Cham Paper Group) die Sauberkeit des<br />

Gutes im Sinne der Güterwertsicherung von grosser Bedeutung.<br />

<strong>Die</strong>se ist zwar in der Nutzencharakterisierung von<br />

Schulz et al. (1996, S. 10) enthalten, aber nicht in den<br />

Berechnungen von Maggi (1999) operationalisiert. Nach<br />

Aussagen der Logistikverantwortlichen des Unternehmens<br />

garantiert die Transportkette der Cham Paper Group mit<br />

Schiff und Bahn einen höheren Sauberkeitsgrad des Transportgutes<br />

als die Kombination von Schiff- und Strassentransport.<br />

<strong>Die</strong> in Tab. 4.4.2 wiedergegebenen Preiselastizitäten sind<br />

Durchschnittswerte. In unseren Kontakten mit den Logistikverantwortlichen<br />

unserer Fallbeispiele wurde schnell klar,<br />

dass die Unternehmen den verschiedenen Nutzendimensionen<br />

ganz unterschiedliche Gewichte beimessen. Für Cham<br />

Paper Group spielt die Transportzeit keine Rolle, was eher<br />

typisch ist für den Transport von Rohmaterialien. Daher<br />

kann auch der Zellstoff mit dem Schiff von Antwerpen nach<br />

Basel transportiert werden (siehe Kap. 5.2.1). <strong>Die</strong> Zuverlässigkeit<br />

ist wegen der billigen Lagerhaltung ebenfalls relativ<br />

unwichtig. Dagegen wiegt der Transportpreis schwer. Für<br />

die V-Zug dagegen ist es absolut wichtig, dass auch kurzfristig<br />

aufgegebene Bestellungen über Nacht erledigt und die<br />

Güter am Morgen zuverlässig in Basel abgeliefert werden<br />

können (siehe Kap. 5.1.1). Für Migros ist es dagegen wichtig,<br />

dass Lebensmittel zuverlässig transportiert werden, da<br />

bei Verzögerungen (Streiks, Grenzabfertigung) Lebensmittel<br />

schnell verderben, was allerdings für das von uns untersuchte<br />

Beispiel der Dosentomaten weniger wichtig ist als für<br />

frische Früchte und Gemüse. Zudem ist wegen Verkaufsaktionen<br />

eine gewisse Flexibilität ebenfalls von Bedeutung<br />

(siehe Kap. 5.3.1).<br />

<strong>Die</strong> kleine Anzahl von Unternehmen, die Maggi et al.<br />

(1999) ihren Berechnungen zugrunde legen konnten, verunmöglichten<br />

es allerdings, in unseren Fallbeispielen entsprechende<br />

Untergruppen zu bilden und so Elastizitäten für<br />

gleichwertige Anspruchsgruppen zu erhalten.<br />

<strong>Die</strong> von Maggi et al. berechneten Mk-Werte stellen Grenznutzen<br />

für die verschiedenen Transportqualitäten dar. <strong>Die</strong><br />

relativen monetären Mk-Werte beziehen sich eigentlich nur<br />

auf den Wert einer zusätzlichen Einheit für die jeweilige<br />

Nutzendimension (siehe Tab. 4.4.2) in Abweichung von der<br />

durchschnittlichen Leistung, die der Stichprobe eigen ist.<br />

<strong>Die</strong> von uns untersuchten Transportketten unterschieden<br />

sich aber ganz erheblich davon (siehe Kap. 5). Da man nicht<br />

von konstanten Grenznutzen ausgehen kann, war es nicht<br />

möglich, die in Tab. 4.4.2 angegeben Preiselastiziäten mit<br />

den entsprechenden Werten der von uns untersuchten Transportketten<br />

zu multiplizieren, um daraus monetäre Werte für<br />

die Abweichung der Nutzen der einzelnen Transportketten<br />

zu erhalten.<br />

Ausserdem hat sich schnell gezeigt, dass weder die Transportunternehmen<br />

die genauen Konditionen angeben wollten,<br />

zu denen sie ihre Transportleistungen ihren Kunden<br />

anbieten, noch die Unternehmen uns verraten wollten, zu<br />

welchen Kosten sie die Transporte tatsächlich durchführen.<br />

<strong>Die</strong> Transportunternehmen differenzieren ihre Preise entsprechend<br />

ihren (potenziellen) Kunden. Es gibt in diesem<br />

Sinne also gar keinen «Marktpreis». Für die Unternehmen<br />

sind die Konditionen, zu denen sie ihre Transporte durchführen,<br />

ein wichtiges Element ihrer Konkurrenzfähigkeit.<br />

<strong>Die</strong> entsprechenden Informationen wollten sie daher nicht<br />

offenlegen. Im Abschnitt 5 beschreiben wir unseren Versuch,<br />

diese Situation zu meistern.<br />

98 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

5 Transportketten und ihre<br />

Ökobilanz<br />

Wir wollten für verschiedene Unternehmen im Raum Zug<br />

eine typische Transportkette sowie mögliche Alternativen<br />

zu dieser Kette untersuchen. Dabei sollten alle für die Ökobilanz<br />

wichtigen Parameter, wie z.B. die Auslastung der<br />

Transportmittel für die konkrete Transportkette, genau festgelegt<br />

werden. <strong>Die</strong>se Daten sind meist gar nicht bekannt, so<br />

dass wir oftmals doch auf die Durchschnittswerte des Ökoinventars<br />

Transporte (Maibach et al., 1995) zurückgreifen<br />

mussten.<br />

Bei der Untersuchung der Transportketten stellte sich die<br />

wichtige Frage, ob für die Verkehrssysteme nur die Auswirkungen<br />

des Betriebes oder zusätzlich noch die zurechenbaren<br />

Aufwendungen der Infrastruktur für Strassen, Schienen<br />

und Fahrzeuge betrachtet werden sollen. Einerseits hat die<br />

Wahl der Transportkette durch die Unternehmen keinen<br />

Einfluss auf die Infrastruktur, d.h. die möglichen Einsparungen<br />

an Umweltauswirkungen ergeben sich nur aus dem<br />

Betrieb. <strong>Die</strong> Infrastruktur bleibt gleich, unabhängig von der<br />

Entscheidung eines Unternehmens (Grenzbetrachtung). Andererseits<br />

interessieren für einen Vergleich zwischen Schiene<br />

und Strasse auch die Aufwendungen für die Infrastruktur,<br />

weil sie für die Bahn relativ wichtig sind (vgl. Kap. 5.4 oder<br />

Maibach, Iten & Mauch, 1996) und weil der L<strong>and</strong>verbrauch<br />

nur über die Infrastruktur einbezogen werden kann. Um die<br />

für die SBB wichtigen Themen Energie, Lärm und L<strong>and</strong>schaft<br />

einzubeziehen, entschieden wir uns, Wirkungen aus<br />

dem Betrieb und der Erstellung der Infrastruktur zu bilanzieren.<br />

Als Fallbeispiele wurden einzelne Transportketten der<br />

Firmen V-Zug, Cham Paper Group und Migros untersucht.<br />

Wir haben uns auf den europäischen Raum beschränkt.<br />

Transportketten von Übersee wurden erst ab dem ersten<br />

Umschlagsplatz in Europa betrachtet. <strong>Die</strong> Bilanzierung der<br />

Transportketten erfolgte hier aufgrund der heutigen Technologie.<br />

Entwicklungen im verkehrstechnischen Bereich und<br />

ihre Auswirkungen auf die Ökoeffizienz werden im Abschnitt<br />

8 Zukunftsperspektiven beschrieben.<br />

<strong>Die</strong> Länge der Strassenstrecken ermittelten wir mit dem<br />

easyTOUR Europa Online Routenplaner (http://<br />

easytour.de). <strong>Die</strong> Berechnung der Länge der Eisenbahnstrecken<br />

basiert auf den Streckenprofilen in «Schienennetz<br />

Schweiz» (Wägli, 1998). <strong>Die</strong> Länge des Schifftransportes<br />

wurde mit einer Karte der Wasserstrassen berechnet<br />

(Nussbaum, 1992).<br />

5.1 V-Zug<br />

<strong>Die</strong> V-Zug ist in der Schweiz führend als Produzent, Anbieter<br />

und Entwickler von Küchen- und Waschraumgeräten.<br />

Am St<strong>and</strong>ort Zug werden Waschmaschinen, Tumbler,<br />

Geschirrspüler und Backöfen produziert.<br />

<strong>Die</strong> V-Zug ist seit 1998 ISO 14001-zertifiziert. Der Anteil<br />

der Transporte an der gesamten Umweltbelastung ist vermutlich<br />

gering, da die Verzinkung ein sehr belastender<br />

Prozess ist. Bei der Wahl des Transportmittels haben ökonomische<br />

Interessen Vorrang. Der Anteil der totalen Transportkosten<br />

am Firmenumsatz beträgt 1.2%. Als Fallbeispiel<br />

wurde die Auslieferung von Geräten in die Region Basel<br />

betrachtet.<br />

5.1.1 Untersuchte Transportketten für die<br />

Auslieferung in den Raum Basel<br />

<strong>Die</strong> Auslieferung der fertigen Geräte (inkl. Zubehör und<br />

Ersatzteile) an mehrere Detailhändler im Raum Basel erfolgt<br />

zwanzigmal im Monat. Alle Auslieferungen der Produkte<br />

der V-Zug werden mit Lastwagen durchgeführt. Zum<br />

Teil werden Transportunternehmen beauftragt. Auf der<br />

Strecke Zug-Basel gelangen jedoch ausschliesslich firmeneigene<br />

Fahrzeuge zum Einsatz. <strong>Die</strong>se werden auch für<br />

die Feinverteilung im Raum Basel benützt, wobei mehr<br />

Kilometer gefahren werden, als für den Transport von Zug<br />

nach Basel (siehe Abb. 5.1.1). Es erfolgt in Basel also keine<br />

Umladung auf Lieferwagen. <strong>Die</strong>se könnten jedoch in der<br />

Transportkette «Bahn & LKW» eingesetzt werden. Wie in<br />

der Abbildung symbolartig gezeigt, haben wir aber auch<br />

dort mit einer Feinverteilung durch LKWs gerechnet. Der<br />

Wagenpark der V-Zug besteht aus rund einem Dutzend<br />

LKWs. <strong>Die</strong> meisten entsprechen der Norm Euro I. Da in<br />

Zukunft Fahrzeuge der Norm Euro III erworben werden,<br />

wurde die Ökobilanz für beide Typen erstellt.<br />

Im Durchschnitt umfasst ein Transport 4 Tonnen, wofür<br />

ein 14 t LKW eingesetzt wird. Auf dem Rückweg können<br />

Waren abgeholt werden, meist h<strong>and</strong>elt es sich aber um eine<br />

Leerfahrt. <strong>Die</strong> derzeit bestehende Transportkette mit Lastwagen<br />

wird Transportkette «LKW» genannt.<br />

Alternativ dazu überlegten wir uns, wie der Transport mit<br />

der Eisenbahn aussehen würde. <strong>Die</strong> Feinverteilung wird mit<br />

einem Lastwagen durchgeführt. <strong>Die</strong> Bahnstrecke führt über<br />

die Rangierbahnhöfe Rotkreuz und Limmattal. <strong>Die</strong>se Transportkette<br />

wird «Bahn & LKW» genannt.<br />

5.1.2 Ökobilanz der untersuchten Transportkette von<br />

V-ZUG<br />

<strong>Die</strong> oben beschriebenen Transportketten wurden mit Hilfe<br />

von ECOINVENT (siehe Kap. 4.2) bilanziert. Im Ökoinventar<br />

Transporte werden 14 t LKWs nicht bilanziert, daher<br />

wurden die Daten von 16 t LKWs verwendet. Da die mittlere<br />

Auslastung nicht wie im Ökoinventar Transporte angenommen<br />

40%, sondern lediglich ca. 20% beträgt, wurden die<br />

Daten umgerechnet (vgl. Maibach et al., 1995, S. 101ff). Für<br />

die Bahn wurde das Modul «Wagenladungsverkehr SBB»<br />

aus ECOINVENT verwendet und mit der durchschnittlichen<br />

Auslastung gerechnet (s. Kap. 5.4). <strong>Die</strong> Rangiervorgänge<br />

konnten in der Ökobilanz nicht speziell berücksichtigt<br />

werden, sind aber als Durchschnittswerte im Modul<br />

Wagenladungsverkehr in ECOINVENT enthalten. Für die<br />

Wirkungsklasse Lärm wurden die Ergebnisse aus dem Kap.<br />

Lärm verwendet. <strong>Die</strong> Ergebnisse der Berechnungen finden<br />

sich in Abb. 5.1.2.<br />

Wie aus der Abb. 5.1.2 zu ersehen ist, spielt die Wahl der<br />

LKW-Technologie eine untergeordnete Rolle. <strong>Die</strong> beiden<br />

Fahrzeugtypen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer bilan-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 99


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

Abb. 5.1.1: Bilanzierte<br />

Transportketten für<br />

das Fallbeispiel V-<br />

Zug.<br />

Abb. 5.1.2: Bilanz der untersuchten Transportkette von V-Zug für einen Transport von 4 Tonnen Haushaltgeräten aufgeteilt<br />

nach Prozessen (links) und nach Wirkungsklassen (rechts).<br />

zierten Umweltauswirkungen nur wenig. Dagegen resultieren<br />

für die Bahn deutlich geringere Umweltbelastungen.<br />

Das Umladen von der Schiene auf die Strasse ist hinsichtlich<br />

der Umweltbelastungen vernachlässigbar klein. Als wichtigste<br />

Einwirkungen für alle Transportketten werden mit<br />

Eco-Indicator 99 (EI 99) die Kategorien Lärm, Ressourcenverbrauch<br />

und respiratorische Effekte bewertet.<br />

5.2 Cham Paper Group<br />

<strong>Die</strong> Cham Paper Group stellt Spezialpapiere her, z.B. für<br />

Lebensmittelverpackungen, für Tintenstrahldrucker oder<br />

selbstklebende Papiere. Der St<strong>and</strong>ort Cham ist – im Unterschied<br />

zu den zwei italienischen Werken – noch nicht ISO<br />

14001-zertifiziert. <strong>Die</strong> Einführung der Zertifizierung wird<br />

jedoch vorbereitet. <strong>Die</strong> grössten Umweltbelastungen fallen<br />

bei der Papierherstellung an und stammen vom hohen Energieaufw<strong>and</strong><br />

und den VOC-Emissionen. Demgegenüber<br />

spielen die Transporte eine Nebenrolle. Bei der Wahl des<br />

Transportmittels stehen ökonomische Überlegungen im<br />

Vordergrund.<br />

5.2.1 Untersuchte Transportketten zur Anlieferung<br />

von Zellstoff aus Antwerpen<br />

Wir wählten Zellstoff als schweres Gut mit geringer Wertedichte<br />

aus, das gut lagerbar ist. Zellstoff wird aus Übersee<br />

und Sk<strong>and</strong>inavien bezogen. Der grösste Teil davon gelangt<br />

über Antwerpen in die Schweiz. Zellstoff aus Übersee wird<br />

zudem auch über Portugal mit der Bahn nach Cham transportiert,<br />

um den Nachschub auch bei Niedrigwasser im<br />

Rhein zu sichern. In Cham können maximal 35’000 t Zellstoff<br />

gelagert werden. <strong>Die</strong>s ist rund die Hälfte der während<br />

eines Jahres in den beiden schweizerischen Werken Cham<br />

und Tenero verbrauchten Menge. Es kann also durchgehend<br />

das billigste Transportmittel verwendet werden, da der Faktor<br />

Zeit (Transportdauer und Zuverlässigkeit) unwichtig ist.<br />

Wir betrachteten den Transport von Antwerpen nach<br />

Cham. <strong>Die</strong>ser erfolgt von Antwerpen nach Basel mit dem<br />

Schiff, von Basel nach Cham zu 85% mit der Eisenbahn, zu<br />

15% mit Lastwagen. Der jährliche Transportumfang auf<br />

dieser Strecke beträgt 40’000 t; eine Lieferung bewegt sich<br />

zwischen 300 und 500 t.<br />

Der Transport von Basel nach Cham verläuft zum grössten<br />

Teil mit der Eisenbahn, da in Cham ein Bahnanschluss<br />

auf dem Firmengelände vorh<strong>and</strong>en ist. Dabei wird über die<br />

Rangierbahnhöfe Limmattal und Rotkreuz gefahren. <strong>Die</strong>se<br />

Transportkette wird «Bahn» genannt. Bei grossen Mengen<br />

verkehrt der Güterzug direkt von Basel nach Rotkreuz und<br />

Cham; dies verkürzt die gefahrene Strecke (Transportkette<br />

«Bahn Sonderangebot»). Ein Teil des Zellstoffes (15%)<br />

wird von Basel mit Lastwagen nach Cham transportiert.<br />

<strong>Die</strong>se Transportkette nennen wir Transportkette «LKW».<br />

100 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

Abb. 5.2.1: Untersuchte<br />

Transportketten des Fallbeispiels<br />

Cham Paper<br />

Group.<br />

Abb. 5.2.2: Umweltauswirkungen der Transportketten für die Cham Paper Group für den Transport von 400 Tonnen<br />

Zellstoff, aufgeteilt nach Prozessen (links) und Wirkungsklassen (rechts).<br />

5.2.2 Ökobilanz der untersuchten Transportkette der<br />

Cham Paper Group<br />

<strong>Die</strong> Transportketten wurden mit den Modulen «Binnenfrachter»,<br />

«Umladen Hafen», «Wagenladungsverkehr<br />

SBB» und «LKW 28 t Euro II» aus der Datenbank ECOIN-<br />

VENT bilanziert. In Abb. 5.2.2 sind die mit EI 99 bewerteten<br />

Umweltauswirkungen für die verschiedenen Transportketten<br />

dargestellt.<br />

<strong>Die</strong> Umweltauswirkungen aller untersuchten Transportketten<br />

werden durch den langen Schiffstransport dominiert.<br />

Für die Strecke Basel - Cham ergeben sich wiederum klare<br />

Vorteile für die Bahn gegenüber der Strasse, wobei die<br />

verkürzte Strecke bei grossen Liefermengen praktisch keinen<br />

Unterschied macht. Das Umladen vom Schiff auf die<br />

Bahn oder den Lastwagen ist wiederum vernachlässigbar.<br />

Da für den Binnenfrachter keine Lärmauswirkungen berechnet<br />

wurden, spielen für alle Transportketten v.a. die<br />

Wirkungsklassen «Ressourcen» und «respiratorische Effekte»<br />

eine wichtige Rolle.<br />

5.3 Migros<br />

Der Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) ist als Institution<br />

mit hohem Sozial- und Umweltbewusstsein bekannt.<br />

1985 wurde das erste Umweltschutzleitbild verabschiedet.<br />

<strong>Die</strong> Optigal SA (ein Geflügelzuchtbetrieb) erhielt 1996 als<br />

erstes Migros-Unternehmen das ISO-14001 Zertifikat.<br />

Im Detailh<strong>and</strong>el machen Transporte einen grossen Teil<br />

der Umweltbelastung aus. Der MGB ist getreu seinem<br />

Image auch hier an ökologischen Verbesserungen interessiert.<br />

Im Umweltbericht 1999 setzt er sich für das Jahr 2000<br />

folgende Ziele im Transportbereich (Migros-Genossenschafts-Bund,<br />

1999):<br />

– Der Anteil der Bahntransporte ist weiter zu steigern.<br />

– Ältere LKWs mit hohen Emissions- und Energieverbrauchswerten<br />

werden beschleunigt ersetzt (möglichst<br />

keine Fahrzeuge älter als 10 Jahre).<br />

– Förderung des öffentlichen Verkehrs für Geschäftsfahrten.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 101


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

Eine Belieferung der Filialen mit der Eisenbahn ist in der<br />

Regel nicht möglich. Deshalb testet die Migros Möglichkeiten<br />

des kombinierten Verkehrs. 1994 wurde ein Versuch mit<br />

Kombirail gestartet, einem Transportauflieger, der innert<br />

weniger Minuten von einem Strassenfahrzeug in einen<br />

Bahnwagen verw<strong>and</strong>elt werden kann. Der erwünschte Erfolg<br />

bezüglich Wirtschaftlichkeit blieb aber aus. <strong>Die</strong> Kosten<br />

konnten auch bei maximaler Auslastung nicht gedeckt werden.<br />

Zur Zeit laufen Versuche mit Wechselbehältern.<br />

Zur Optimierung der Auslastung haben MGB und SBB<br />

einen Bahnwagen mit Zwischenboden entwickelt, bei dem<br />

volle und halbvolle Paletten überein<strong>and</strong>er gestapelt werden<br />

können.<br />

Da bei der Feinverteilung der Gebrauch von Lastwagen<br />

unumgänglich ist, die Migros aber auch hier ökologische<br />

Verbesserungen bewirken möchte, hat sie erfolgreich einen<br />

Versuch mit gasbetriebenen Lastwagen unternommen. Derzeit<br />

besitzt sie vier solche Wagen, bei denen auch die<br />

Kühlaggregate mit Gas betrieben werden. <strong>Die</strong> ökologischen<br />

Vorteile dieser Lastwagen sind im Abschnitt 8 Zukunftsperspektiven<br />

beschrieben.<br />

5.3.1 <strong>Die</strong> untersuchten Transportketten zur Lieferung<br />

von Dosentomaten Pelati an den MMM<br />

Zugerl<strong>and</strong><br />

Als Fallbeispiel wurde die Belieferung des MMM Zugerl<strong>and</strong><br />

mit Pelati (Dosentomaten) in 800 g Konservenbüchsen<br />

gewählt. Jährlich werden von der Migros 616 t Pelati aus<br />

Scafati bezogen. Davon werden 4 t im MMM Zugerl<strong>and</strong><br />

verkauft. Der Produktionsort der Pelati ist Scafati in Süditalien.<br />

Von Scafati werden die Konserven mit der Eisenbahn<br />

ins Lager nach Weil am Rhein (Deutschl<strong>and</strong>) transportiert.<br />

Der Transport vom Lager ins regionale Verteilzentrum in<br />

Ebikon erfolgt ebenfalls mit der Eisenbahn. Zur Feinverteilung<br />

in die Filiale MMM Zugerl<strong>and</strong> werden Lastwagen<br />

eingesetzt. <strong>Die</strong> Filiale besitzt kein Anschlussgleis, obwohl<br />

sich der Bahnhof Steinhausen nur 300 m nördlich davon<br />

befindet und die Bahnlinie direkt an ihr vorbeiführt.<br />

<strong>Die</strong> Migros plant, die Transportlogistik der Trockengüter<br />

im Migros Verteilzentrum in Suhr (MVS Suhr) zu zentralisieren.<br />

<strong>Die</strong>s würde zu einer deutlichen Verkürzung des<br />

Transportweges führen. Der Transport von Scafati nach<br />

Suhr soll weiterhin mit der Bahn erfolgen (Transportkette<br />

«Bahn zentralisiert» in Abb. 5.3.1).<br />

Zum Vergleich betrachteten wir nochmals die zentralisierte<br />

Transportkette, diesmal aber mit Lastwagentransport auf<br />

der gesamten Strecke («LKW zentralisiert»). <strong>Die</strong>se Variante<br />

ist für Migros nicht geplant und dient lediglich als zusätzliche<br />

Variante für den Vergleich zwischen Strasse und Schiene.<br />

5.3.2 Ökobilanz der untersuchten Transportketten<br />

der Migros<br />

<strong>Die</strong> Ökobilanz der untersuchten Transportketten ist in Abb.<br />

5.3.2 dargestellt. <strong>Die</strong> Zentralisierung der Transportlogistik<br />

für Trockengüter in Suhr würde gegenüber dem heutigen<br />

Zust<strong>and</strong> etwas geringere Umweltauswirkungen bringen. Für<br />

<strong>and</strong>ere St<strong>and</strong>orte, die näher am heutigen Lager liegen, könnte<br />

diese Bilanz aber <strong>and</strong>ers aussehen. Eine (hypothetische)<br />

Variante, die Pelati direkt mit dem Lastwagen nach Suhr zu<br />

transportieren, würde deutlich mehr Umweltbelastung bewirken.<br />

Da wir den Strommix der italienischen Eisenbahnen<br />

nicht kennen, haben wir den UCPTE-Strommix für die<br />

Betriebsenergie der Bahn in Italien angenommen. Dadurch<br />

ergeben sich in Italien pro tkm um einiges höhere Belastungen<br />

(ca. 35%) als in der Schweiz. <strong>Die</strong>s ist möglicherweise<br />

ein zu hohes Ergebnis, da auch die Bahn in Italien mit relativ<br />

viel Strom aus Wasserkraftwerken fährt. <strong>Die</strong> wichtigsten<br />

Wirkungskategorien sind wiederum Lärm und Ressourcen.<br />

Abb. 5.3.1: Untersuchte<br />

Transportketten des Fallbeispiels<br />

Migros.<br />

102 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

Abb. 5.3.2: Umweltauswirkungen der Transportketten der Migros für einen Transport von 4 Tonnen Dosentomaten nach<br />

Prozessen (links) und nach Wirkungskategorien (rechts). In der linken Grafik erscheint der Prozess «Umladen» nicht, da er<br />

zu gering ist.<br />

5.4 Diskussion der Resultate<br />

Ein höherer Bahnanteil führt in allen untersuchten Transportketten<br />

zu einer besseren Ökobilanz. Aber die Unterschiede<br />

zwischen Bahn- und Strassentransport sind nicht so<br />

gross (ca. Faktor 2.5 pro tkm), wie man sie aufgrund des<br />

emissionsarmen Betriebs der Bahn vermuten würde. <strong>Die</strong>s<br />

kommt daher, dass beim Wagenladungsverkehr relativ hohe<br />

Aufwendungen zur Infrastrukturbereitstellung betrieben<br />

werden müssen, was durch eine relativ tiefe Auslastung des<br />

Eisenbahnnetzes bedingt ist (Maibach et al., 1995, S. 64ff).<br />

Würde, wie oben diskutiert, als Grenzbetrachtung nur der<br />

Betrieb bilanziert, so würden die Unterschiede zugunsten<br />

der Bahn bedeutend grösser werden.<br />

Neuere Daten der SBB zur Betriebsenergie im Wagenladungsverkehr<br />

(ca. 20% geringerer Energieverbrauch gegenüber<br />

den Werten im Ökoinventar 5 ) wurden nicht miteinbezogen,<br />

da sie praktisch keinen Unterschied verursachen (ca.<br />

2% geringerer Energieaufw<strong>and</strong> im Gesamtmodul). Wiederum<br />

liegt der Grund dafür in den grossen Aufwendungen zur<br />

Bereitstellung der Infrastruktur gegenüber der Menge der<br />

Betriebsenergie begründet.<br />

Der Umweltindikator wird sehr stark durch die Wirkungskategorien<br />

Ressourcen und Lärm und etwas weniger stark<br />

durch die Kategorie «Respiratorische Effekte» (v.a. von<br />

NOx, VOC und Partikeln) bestimmt. L<strong>and</strong>verbrauch ist eher<br />

von untergeordneter Bedeutung in der Bewertung mit EI 99,<br />

wobei nur Effekte auf die Biodiversität und keine ästhetischen<br />

Wirkungen betrachtet werden. Eine Ausnahme bilden<br />

die Bahnvarianten des Fallbeispiels Migros, wo der L<strong>and</strong>verbrauch<br />

leicht stärker ins Gewicht fällt. <strong>Die</strong>s ist wahrscheinlich<br />

durch die Verwendung des UCPTE-Strommixes<br />

mit relativ hohem Anteil an Kohlekraftwerken und ihren<br />

grossen Tagbaugebieten zu erklären.<br />

Erste Erfahrungen mit der Bewertungsmethode EI 99<br />

zeigen, dass der Erhaltung der fossilen Ressourcenvorräte<br />

häufig relativ grosse Bedeutung zukommt, d.h. der Indikator<br />

eher etwas «ressourcenlastig» ist. Leider existieren noch<br />

keine publizierten Ökobilanzen mit EI 99, so dass keine<br />

Vergleichswerte bestehen.<br />

Der Einbezug des Lärms in die Ökobilanz erscheint sehr<br />

wertvoll, da die Bilanz um einen wichtigen Aspekt ergänzt<br />

wird. Wie im Kap. Lärm beschrieben, bestehen noch sehr<br />

grosse Unsicherheiten bei den verwendeten Modellen. Auch<br />

bei dieser Wirkungskategorie schneidet die Bahn etwas<br />

besser ab als die Strasse im Gegensatz zum Inventar von<br />

Maibach et al. (1995, S. 78). Bei der Betrachtung der drei<br />

grossen SBB Umweltthemen Energie, Lärm und L<strong>and</strong>schaft<br />

werden die Auswirkungen des Lärms und der Energiebereitstellung<br />

durch EI 99 deutlich höher eingestuft als die Auswirkungen<br />

des L<strong>and</strong>verbrauchs. Dabei ist allerdings auch<br />

noch zu berücksichtigen, dass ein Teil der Wirkungskategorie<br />

«L<strong>and</strong>verbrauch» auch den vorgelagerten Prozessen<br />

der Energiebereitstellung zuzuschreiben ist. D.h. der L<strong>and</strong>verbrauch<br />

der SBB-Infrastruktur macht nur einen Teil dieser<br />

Kategorie aus.<br />

Bei der Betrachtung der vom Ökoinventar Transport übernommenen<br />

Annahmen fällt v.a. die grosse Bedeutung auf,<br />

die die Auslastung des Schienen- und Strassennetzes für das<br />

Ergebnis hat. <strong>Die</strong>s bedeutet, dass das eine oder das <strong>and</strong>ere<br />

Transportmittel sich sehr schnell einen ökologischen Vorteil<br />

erkämpfen könnte, wenn es gelingen würde, halbvolle Wagenladungen<br />

und Leer(rück)fahrten zu vermeiden.<br />

5 Helmut Kuppelwieser (BahnUmwelt-Center der SBB AG), persönliche Mitteilung, 11.05.2000.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 103


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

6 Der Versuch zur Bestimmung<br />

des Gütertransportnutzens<br />

Im Abschnitt 4.4.2 haben wir darauf hingewiesen, dass eine<br />

direkte Bestimmung des Nutzens von bestimmten Transportketten<br />

(Gütertransportnutzen, GTN) dadurch erschwert<br />

wurde, dass alle Beteiligten die dafür notwendigen Informationen<br />

vertraulich beh<strong>and</strong>elten. In dieser Situation haben wir<br />

versucht, indirekt an die gewünschten Informationen über<br />

die Transportketten heranzukommen und die Mk-Werte von<br />

Maggi (1999) entsprechend zu skalieren. Dazu sind wir wie<br />

folgt vorgegangen:<br />

1. Von den Transportnachfragern, den Unternehmen, wurden<br />

Angaben über die zu bilanzierende Transportkette<br />

(TK) (siehe Abschnitt 5) eingeholt. <strong>Die</strong> TK ist durch die<br />

Transportdistanz, die Abfolge der Transportmittel und<br />

das zu transportierende Gut (Menge, Dichte, Wert) definiert.<br />

2. Zuvorkommenderweise erklärten sich einige Transportanbieter<br />

(aber vor allem das Bahnlogistikzentrum<br />

der SBB) bereit, eine Richtofferte für diese TK abzugeben,<br />

welche den Preis sowie Angaben über die vier<br />

Transportqualitäten (TQ) Transportzeit, Zuverlässigkeit,<br />

Flexibilität und Häufigkeit enthält. Allerdings sind die in<br />

den Richtofferten angegebenen Preise als problematisch<br />

anzusehen. Obwohl z.B. die SBB allgemein zugängliche<br />

Preistabellen haben und auch für die Strasse und den<br />

kombinierten Verkehr solche Informationen vorliegen<br />

(siehe Maggi et al., 1999, S. 4f), sind die in der Realität<br />

bezahlten Preise bei 90% der SBB-Kunden aufgrund<br />

langjähriger Verträge bis zu 40% tiefer als die in der<br />

Preistabelle enthaltenen Werte. 6<br />

3. In einem weiteren Schritt beurteilten die Transportnachfrager<br />

mit Hilfe eines Fragebogens die Wichtigkeit der<br />

erwähnten TQ für die Transportkette ihres Unternehmens.<br />

Zudem wurde für jede TQ erfragt, unter welchen<br />

minimalen Bedingungen der Nachfrager den Transport<br />

gerade noch ausführen lassen würde.<br />

Mit den durch die Befragungen erhaltenen quantitativen<br />

(K.O.-Werte) und qualitativen Daten (Wichtigkeiten) hofften<br />

wir, den firmenspezifischen GTN für die Transportketten<br />

gemäss der Gleichung 7 der betrachteten Transportketten<br />

zu berechnen. Allerdings haben wir bei diesem Vorgehen,<br />

z.B. für die Transportkette «Bahn» der Cham Paper<br />

Group, einen negativen GTN von zwischen CHF -1065.–<br />

und CHF -2346.– errechnet. <strong>Die</strong>ses Ergebnis ist anzuzweifeln,<br />

wobei verschiedene Erklärungen dafür möglich sind,<br />

auf die wir weiter unten noch eingehen werden. Da die<br />

Berechnungen des GTN für die <strong>and</strong>eren Transportketten<br />

keine besseren Resultate erbrachten, beschränken wir uns<br />

hier auf eine verbale Schilderung des geplanten Berechnungsweges<br />

für den GTN.<br />

<strong>Die</strong> für die Gleichung 7 notwendigen Daten erhält man<br />

einerseits aus der Offerte des Transportanbieters (W Offerte,k )<br />

und den Antworten auf den Fragebogen der Transportnachfrager<br />

(WK.O.,k). <strong>Die</strong> in den Berichten von Maggi (1999)<br />

und Maggi et al. (1999) enthaltenen Elastizitäten (Mk) für<br />

die vier Nutzendimensionen von Tab. 4.4.2 sind Durchschnittswerte.<br />

<strong>Die</strong> entsprechenden Minimal- und Maximalwerte<br />

in Tab. 6 können in Bolis & Maggi (1999) nachgelesen<br />

werden. Für uns stellte sich das Problem, wie wir die qualitativen<br />

Antworten der Transportnachfrager über die Wichtigkeit<br />

der einzelnen Nutzendimensionen in quantitative<br />

Angaben (Mk.spez.) umrechnen konnten. Wir gingen dabei<br />

so vor, dass wir die Endpunkte der Antwortskalen in unserem<br />

Fragebogen («mässig wichtig» und «sehr wichtig») den<br />

jeweiligen Minimal- und Maximalwerten aus Tab. 6 zugeordnet<br />

haben. Hatte also z.B. ein Transportnachfrager im<br />

Fragebogen angegeben, dass für ihn die Transportzeit sehr<br />

wichtig sei, hätten wir für ihn ein M k.spez. von 3.15 CHF/h<br />

in die Gleichung 7 eingesetzt. Im Falle einer mässig wichtigen<br />

Voranmeldezeit wäre der Mk.spez. gleich 0.36 CHF/h.<br />

Wichtigkeiten dazwischen liessen sich proportional in<br />

Mk.spez. umrechnen. Hätte ein Transportnachfrager angegeben,<br />

dass für ihn die Wichtigkeit der Zuverlässigkeit genau<br />

in der Mitte der Skala liege, hätte sich daraus ein Mk.spez. von<br />

CHF 5.08 pro Prozentpunkt errechnen lassen. In diesen<br />

Beispielen nahmen wir eine lineare Skalierung vor. Da<br />

Nutzenfunktionen in der Regel aber nicht linear sind, könnte<br />

man Wichtigkeiten auch mit Hilfe einer logarithmischen<br />

Skala in einen monetären Wert Mk.spez umrechnen. Der oben<br />

erwähnte GTN für den Zellstofftransport von CHF -1065.–<br />

ergibt sich auf Grund der linearen, derjenige von CHF<br />

-2346.– aufgrund der logarithmischen Skalierung.<br />

Wie schon erwähnt, lässt sich das erstaunliche Resultat<br />

eines negativen GTN für die Transportkette der Cham Paper<br />

Group mit unterschiedlichen Hypothesen erklären. Jede von<br />

ihnen bezieht sich auf einen der Schritte in unserem Vorge-<br />

Gleichung 7: Formel zur Bestimmung des Gütertransportnutzens (GTN) für firmenspezifische Transportketten. WOfferte,k =<br />

in der Richtofferte angebotener Wert für die TQk (z.B. 10 h Transportzeit); WK.O.,k = von der Firma bestimmter K.O.-Wert<br />

für die TQ k (z.B. 14 h Transportzeit); M k.spez. = firmenspezifisch relativer Grenznutzen für die TQ k (z.B. -2.20 CHF/h); n =<br />

Anzahl GTN-Variablen.<br />

6 Marc Birchmeier (SBB), persönliche Mitteilung, 11.05.2000.<br />

104 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

Tab. 6: Monetäre Werte (Mk) aus Bolis & Maggi (1999) für vier Transportqualitäten bei durchschnittlich 776 km<br />

Transportdistanz.<br />

GTN-Variablen Einheit Monetäre Werte (M k) pro Nettotonne<br />

min. Durchschnitt max.<br />

Zeit h 0.23 1.15 CHF/Einheit 3.15<br />

Zuverlässigkeit % 0.50 2.42 CHF/Einheit 9.66<br />

Voranmeldezeit h 0.36 0.37 CHF/Einheit 2.21<br />

Häufigkeit Anzahl/Monat 0.41 1.10 CHF/Einheit 8.26<br />

hen, die wir so wählen mussten, um die Nichtöffentlichkeit<br />

der notwendigen Information zu umgehen.<br />

Ein negativer Gesamtnutzen für die Transportkette<br />

«Bahn» würde bedeuten, dass die Cham Paper Group bei<br />

einem rationalen Verhalten den Transport des Zellstoffes<br />

nicht mit dieser sondern mit einer <strong>and</strong>eren Transportkette<br />

durchführen würde. Da aber tatsächlich der meiste Zellstoff<br />

mit dem Rheinschiff nach Basel und von dort mit der Bahn<br />

via den Rangierbahnhof Limmattal nach Cham gelangt, ist<br />

es naheliegend, das von uns gewählte Vorgehen für eine<br />

Quantifizierung des GTN für spezifische Transportketten<br />

als nicht unbedingt geeignet zu erklären.<br />

Umgekehrt könnte der für die Offerte berechnete negative<br />

Nutzen auch damit erklärt werden, dass die Cham Paper<br />

Group ihre Transporte trotz allem auf der Bahn durchführt,<br />

weil sie wahrscheinlich in Wirklichkeit viel weniger für den<br />

Bahntransport bezahlen muss, als in der Offerte angeben ist.<br />

Sie würde, so die Hypothese, den Zellstoff mit Lastwagen<br />

transportieren, falls die SBB auf den Listenpreisen besteht.<br />

Natürlich könnte sich das negative Ergebnis im Falle der<br />

Cham Paper Group auch dadurch ergeben haben, dass eine<br />

wichtige Nutzendimension – die Güterwertsicherung –<br />

nicht in der Berechnung des GTN berücksichtigt wurde. Da<br />

aber auch die Bestimmung des GTN für V-Zug und Migros<br />

unlogische Resultate ergeben haben, ist möglicherweise das<br />

Problem in der Differenz zwischen den öffentlich vorh<strong>and</strong>enen,<br />

in den Offerten genannten Preisen und den von den<br />

Unternehmen tatsächlich bezahlten Preisen zu suchen.<br />

Das Problem kann auch im verwendeten Fragebogen und<br />

der Art und Weise, wie die Unternehmen ihn beantwortet<br />

haben, begründet sein. <strong>Die</strong>s zeigte sich bei den Ergebnissen<br />

daran, dass die Nutzenwerte der verschiedenen TQ im Falle<br />

der V-Zug entgegengesetzte Vorzeichen hatten. Leider<br />

konnte die Kostendifferenz als Prüfwert nicht gebildet werden,<br />

da die Firma dazu keine Angaben machen wollte. Im<br />

Falle der Transportzeit wurde die inkonsistente Bearbeitung<br />

des Fragebogens deutlich: <strong>Die</strong> Zeit wurde zwar etwas bedeutender<br />

als ‚mässig wichtig’ bewertet. Bei der Bestimmung<br />

des K.O.-Wertes wurden dagegen keine Angaben<br />

gemacht – mit der Begründung, dass diese TQ für die<br />

evaluierte Transportkette unwichtig sei.<br />

Damit ist der Versuch zur konkreten Bestimmung einer als<br />

GTN definierten Funktionellen Einheit für die Berechnung<br />

der Ökoeffizienz vorläufig als gescheitert zu betrachten. Wir<br />

konnten daher während der <strong>Fallstudie</strong> die ÖE nicht gemäss<br />

der Gleichung 4 berechnen, sondern mussten uns für den<br />

nachfolgenden Vergleich der Transportketten mit der Funktionellen<br />

Einheit «Tonnenkilometer» gemäss Gleichung 3<br />

begnügen.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 105


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

7 Vergleich der Ökoeffizienz der<br />

Transportketten<br />

Als erstes wurde die Ökoeffizienz des Transportmittels –<br />

ausgedrückt in tkm pro Umwelteinwirkung – berechnet. <strong>Die</strong><br />

Transportleistung (in tkm) für eine Transportstrecke war in<br />

dieser Betrachtungsweise konstant. Zur Berechnung der<br />

Transportleistung wurde die kürzeste LKW Strecke zwischen<br />

Anfangs- und Zielort gewählt und mit dem transportierten<br />

Nettogewicht multipliziert. Für den Transport von<br />

400 t Papierfasern von Antwerpen nach Cham beträgt die<br />

Transportleistung beispielsweise 636 km * 400 t = 254’400<br />

Netto-tkm.<br />

Innerhalb der Unternehmen ergaben sich hinsichtlich der<br />

in Abb. 7 dargestellten Ökoeffizienzen zwischen den verschiedenen<br />

Varianten keine Verschiebungen gegenüber der<br />

alleinigen Betrachtung der Ökobilanz. <strong>Die</strong>s kommt daher,<br />

dass eine konstante Transportleistung durch den jeweiligen<br />

Umweltindikator geteilt wurde. Interessant ist hier dagegen<br />

der Vergleich zwischen den drei verschiedenen Fallbeispielen.<br />

Der Schiffstransport hatte in unserer Berechnung eine<br />

höhere Ökoeffizienz als der Bahntransport, da bei der Bahn<br />

die Infrastrukturaufwendungen viel grösser sind. Möglicherweise<br />

ist aber der Aufw<strong>and</strong> für Flusskanalisierung und<br />

Kanalbau nicht vollständig bilanziert, respektive nicht der<br />

Transportleistung sondern dem Hochwasserschutz oder der<br />

Energiegewinnung zugerechnet worden. Es ist denkbar,<br />

dass Berechnungen für spezifische Neubaustrecken, wie<br />

z.B. den Main-Donaukanal, zu viel schlechteren Resultaten<br />

für den Schiffstransport führen würden. Eine weitere Unsicherheit<br />

besteht hinsichtlich der Emissionen der <strong>Die</strong>selmotoren<br />

der Rheinschiffe. 7<br />

Daher ist die Ökoeffizienz der<br />

Transportkette bei der Cham Paper Group zwar am höchsten,<br />

aber dieses Resultat ist auch am unsichersten. Würde<br />

nur der Betrieb betrachtet, wären Schiff und Bahn etwa<br />

gleich effizient, und die Säulen des Fallbeispiels Migros in<br />

der Abb. 7 wären etwa gleich hoch wie diejenigen der Cham<br />

Paper Group.<br />

<strong>Die</strong> relativ schlecht ausgelasteten LKWs bei der V-Zug<br />

bringen eine tiefe Ökoeffizienz mit sich. <strong>Die</strong> Auslastung<br />

hängt aber mit der Wichtigkeit der termingerechten Lieferung<br />

zusammen, die bei den <strong>and</strong>eren zwei Gütern nicht von<br />

Bedeutung ist.<br />

Abb. 7: Ökoeffizienz der verschiedenen<br />

Transportketten<br />

ausgedrückt in tkm pro EI 99<br />

Punkt. Grosse Werte sind als<br />

positiv zu betrachten.<br />

7 <strong>Die</strong> Annahmen für das Ökoinventar Transporte sind in Maibach, Peter & Seiler, 1995, S. 33f) festgelegt.<br />

106 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

8 Zukunftsperspektiven<br />

In diesem Abschnitt stellen wir neue Technologien im Güterverkehr<br />

vor und beh<strong>and</strong>eln ihre Auswirkungen auf die<br />

Umweltbelastung und die Wirtschaftlichkeit der Transporte<br />

für Bahn, LKW und den kombinierten Güterverkehr.<br />

8.1 Kombinierter Güterverkehr<br />

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten des kombinierten<br />

Verkehrs: Erstens, die «Rollende Autobahn» – der Transport<br />

des ganzen LKW auf der Bahn – und zweitens den unbegleiteten<br />

Kombiverkehr, bei dem Container, Wechselbehälter<br />

und Sattelauflieger direkt auf die Bahn verladen werden.<br />

Der Umschlag der Container vom LKW auf den Bahnwagen<br />

und umgekehrt ist zeit- und kostenintensiv. <strong>Die</strong>ser Umschlag<br />

zwischen Bahn und Strasse ist eine Schwachstelle des<br />

unbegleiteten Kombiverkehrs. <strong>Die</strong> derzeitige Umschlagstechnik<br />

mit Grosskränen ist nur für grosse Terminals lohnend,<br />

für kleine ist sie zu teuer. So kommen Container in der<br />

Schweiz auch fast nur im Import- und Exportverkehr zum<br />

Einsatz. Im Folgenden beschreiben wir daher zwei neue<br />

Umschlagstechniken, den RTS-500 Furmia und den Mobiler-LKW,<br />

die auch für den Einsatz in Kleinterminals geeignet<br />

sind.<br />

RTS-500 Furmia<br />

Furmia ist eine ungarische Erfindung und läuft auf Bahnschienen.<br />

Furmia zieht oder schiebt die Container seitwärts<br />

vom bzw. auf den LKW oder Bahnwagen. Es ergeben sich<br />

durch Furmia folgende Vorteile:<br />

– nur wenige bauliche Massnahmen erforderlich,<br />

– auch unter Fahrleitungen einsetzbar,<br />

– Bedienung durch den Lastwagenfahrer möglich,<br />

– geringe Anschaffungs- und Betriebskosten,<br />

– Zwischenlagerung von Containern möglich.<br />

Da Furmia auf Schienen läuft, ist diese Umladetechnologie<br />

an ein Terminalgleis gebunden.<br />

Mobiler-LKW<br />

Mit dem Mobiler-LKW kann der Umschlag innerhalb weniger<br />

Minuten erfolgen, ohne dass eine lokale Infrastruktur<br />

benötigt wird. Es h<strong>and</strong>elt sich dabei um einen Mobiler-Aufbau<br />

auf einem Serien-LKW, mit dem Container auf einen<br />

Bahnwagen geschoben oder auf den Lastwagen gezogen<br />

werden können (Abb. 8.1). Dadurch ergeben sich folgende<br />

Vorteile:<br />

– keine lokale Infrastruktur erforderlich (abgesehen von<br />

einem Zufahrtsweg für den Lastwagen),<br />

– auch unter Fahrleitungen einsetzbar,<br />

– Umschlag erfolgt durch den Lastwagenfahrer,<br />

– geringe Umschlagszeit (weniger als fünf Minuten).<br />

Als Nachteil muss erwähnt werden, dass eine Modifikation<br />

der ISO-Container erforderlich ist und damit hohe Anpassungsinvestitionen<br />

überall in der Logistikkette anfallen<br />

würden.<br />

8.2 Eisenbahngüterverkehr<br />

<strong>Die</strong> Eisenbahn verliert gegenüber der Strasse sowohl Marktanteile<br />

als auch ökologischen Vorsprung. <strong>Die</strong> hier vorgestellten<br />

Technologien sollen diesem Trend entgegenwirken.<br />

Kunststoffbremsen<br />

Im Bereich Lärm besteht für die Bahn das grösste Verbesserungspotential<br />

bezüglich Umweltbelastung. Der Ersatz von<br />

Graugussklotzbremsen durch Verbundklotzbremsen vermindert<br />

die Lärmemissionen um 5 bis 10 dB(A). Aufgrund<br />

der im Kapitel Lärm beschriebenen Modellierung der Auswirkungen<br />

ergeben sich für Güterzüge, die mit Kunststoffbremsen<br />

ausgerüstet sind, ca. 20% geringere Umweltaus-<br />

Abb. 8.1: Mit dem Mobiler können Container vom LKW auf den Waggon – oder umgekehrt – geschoben werden. Es wird<br />

keine lokale Infrastruktur benötigt (Bild: Palfinger Bermüller).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 107


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

wirkungen (gemessen in EI 99-Punkten) als heute. Eine<br />

Task Force der europäischen Eisenbahnen hat denn auch<br />

entsprechende Modifkationen an den Güterwagen oder deren<br />

Neubau als kosteneffizienteste Lärmschutzmassnahme<br />

identifiziert (UIC Task Force Noise, 1999 und 2000).<br />

Cargosprinter<br />

Beim Cargosprinter h<strong>and</strong>elt es sich um einen modernen<br />

Güterzug mit diversen technischen Neuerungen. Er verkehrt<br />

im Shuttle-Betrieb und kommt auf Strecken zum Einsatz,<br />

auf denen das regionale Güteraufkommen für einen konventionellen<br />

Güterzug nicht ausreicht. Geeignete Einsatzfelder<br />

sind beispielsweise der Feederverkehr von regionalen Terminals<br />

zum Hauptnetz des kombinierten Verkehrs, der<br />

Werkverkehr oder die Verbindung von Seehäfen.<br />

Der Cargosprinter kann im Elektrobetrieb oder mit <strong>Die</strong>sel<br />

(Euro II) fahren. Weitere Besonderheiten sind automatische<br />

Kupplung und Bremsprobe, lärmarme Scheibenbremsen<br />

(Reduktion der Geräuschemissionen um 10 bis 15 dB(A))<br />

und flexible Grösse durch einen modularen Aufbau (Zürcher,<br />

1999). Im Elektrobetrieb verbraucht der Cargosprinter<br />

etwa die gleiche Betriebsenergie, wie sie auch für den Wagenladungsverkehr<br />

benötigt wird.<br />

Der ökologische Vorteil des Cargosprinters liegt v.a. bei<br />

der Lärmreduktion durch die Scheibenbremsen. Aufgrund<br />

der Modelle aus dem Lärmkapitel ergeben sich für einen<br />

Cargosprinter pro tkm etwa 60% geringere Lärmauswirkungen<br />

in der Ökobilanz gegenüber dem Wagenladungsverkehr<br />

heute.<br />

8.3 Strassengüterverkehr<br />

(erdgasbetriebene Motoren)<br />

<strong>Die</strong> Strasse sieht sich mit zunehmend strengeren Abgasvorschriften<br />

konfrontiert. <strong>Die</strong>selmotoren, die dominierende<br />

Antriebsart, werden technisch verbessert, die Optimierungsmöglichkeiten<br />

sind jedoch begrenzt.<br />

<strong>Die</strong> Verwendung von abgasarmen, gasbetriebenen Motoren<br />

für Lastwagen ist noch nicht weit verbreitet. Es bestehen<br />

erst vereinzelte Tankstellen und die Reichweite von mit Gas<br />

angetriebenen Lastwagen ist beschränkt. Der Migros-Genossenschafts-Bund<br />

besitzt zur Zeit vier dieser Lastwagen<br />

und hat bisher gute Erfahrungen mit ihnen gemacht. <strong>Die</strong>se<br />

Lastwagen bieten eine Möglichkeit, Ballungsgebiete mit<br />

hohen Luftbelastungswerten zu entlasten.<br />

<strong>Die</strong> ökologischen Vorteile des mit Gas betriebenen Motors<br />

sind die im Gegensatz zum <strong>Die</strong>selmotor deutlich geringeren<br />

Emissionen von Partikeln, Stickoxiden, Kohlenmonoxid<br />

und Kohlenwasserstoffen sowie die um 3-4 dB(A)<br />

geringeren Geräuschemissionen. <strong>Die</strong> Treibhausgasemissionen<br />

(CO2 und CH4) sind vergleichbar mit denjenigen eines<br />

<strong>Die</strong>selmotors. Der Treibstoffverbrauch ist aufgrund des<br />

schlechteren Wirkungsgrades 25-30% grösser (Weber,<br />

1999).<br />

8.4 Ein Rechenbeispiel<br />

Um den Einfluss der beschriebenen Technologien auf die<br />

Ökobilanz und damit auch auf die Ökoeffizienz der analysierten<br />

Transportketten abzuschätzen, wurden für einen<br />

Elektro-Cargosprinter und einen Erdgas LKW eine Ökobilanz<br />

für das Beispiel V-Zug gerechnet. Für beide Technologien<br />

wurden nur die Betriebsdaten geändert, Infrastruktur<br />

und Herstellung und Entsorgung der Fahrzeuge wurden<br />

übernommen. Dabei wurde für den Betrieb des Erdgaslastwagens<br />

mit unkomprimiertem Erdgas gerechnet, d.h. der<br />

Energieaufw<strong>and</strong> zur Kompression des Erdgases konnte<br />

nicht berücksichtigt werden.<br />

Da für den Cargosprinter pro tkm etwa die gleiche Betriebsenergie<br />

aufgewendet werden muss wie im Wagenladungsverkehr,<br />

wurden nur die verminderten Lärmemissionen<br />

und die etwas kürzere Strecke – es muss nicht rangiert<br />

werden – betrachtet. <strong>Die</strong> Vorteile des Cargosprinters liegen<br />

Abb. 8.4: Ökobilanz für heutige und in Zukunft mögliche, weiter verbreitete Technologien am Beispiel der Transportkette<br />

der V-Zug.<br />

108 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

aber nicht vorrangig in der ökologischen Dimension sondern<br />

in der Flexibilität, was sich über die Auslastung in der<br />

Ökobilanz und auch bei entsprechender Modellierung im<br />

Transportnutzen niederschlagen würde.<br />

Wie aus Abb. 8.4 ersichtlich ist, ergeben sich für die<br />

zukünftigen Technologien gegenüber dem heutigen Zust<strong>and</strong><br />

deutlich weniger Umweltwirkungen. Wichtige Einsparpotentiale<br />

ergeben sich v.a. für den Erdgaslastwagen, der gemäss<br />

unseren Berechnungen gegenüber dem LKW EURO<br />

III ca. 40% weniger Umweltbelastung bringt.<br />

9 Schlussfolgerungen und<br />

Ausblick<br />

9.1 Was wurde erreicht?<br />

<strong>Die</strong> gesteckten Ziele konnten weitgehend erreicht werden.<br />

Der angestrebte Vergleich der Ökoeffizienz von aktuellen<br />

Transportketten mit möglichen Alternativen für Unternehmen<br />

aus der Region Zug konnte v.a. auf Seiten der Umweltauswirkungen<br />

sehr zufriedenstellend erarbeitet werden.<br />

Durch die Ausarbeitung eines Ansatzes zur Abbildung von<br />

Lärmauswirkungen in EI 99 – im Kapitel Lärm ausgeführt –<br />

konnte diese wichtige Wirkungskategorie in die Ökobilanz<br />

integriert werden. Weitere interessante Perspektiven ergaben<br />

sich durch die Betrachtung innovativer Technologien im<br />

Güterverkehr, die ökologische und ökonomische Einsparpotentiale<br />

aufzeigen.<br />

Bei der Bestimmung des Gütertransportnutzens (GTN)<br />

ergaben sich diverse methodische Probleme, sodass die<br />

Berechnung eines GTN-Indizes als Ersatz für die üblicherweise<br />

verwendete funktionelle Einheit «Tonnenkilometer»<br />

nicht vollständig durchgeführt werden konnte.<br />

Aufgrund der untersuchten Fallbeispiele wurden die folgenden<br />

fünf Thesen erarbeitet, die die wichtigsten Schlussfolgerungen<br />

zusammenfassen:<br />

These 1: Lärm als Umweltbelastung leistet einen wichtigen<br />

Beitrag an die Gesamtbelastung. <strong>Die</strong> Ökobilanz wird bei<br />

bestimmten Transportketten durch seinen Einbezug fast verdoppelt.<br />

Wie im Kapitel Lärm dargelegt, sind die methodischen<br />

Unsicherheiten zur Zeit sehr gross. <strong>Die</strong> Modellierung von<br />

Lärmwirkungen in Ökobilanzen steht erst am Anfang. Dennoch<br />

lässt sich aufgrund unserer Untersuchung folgern, dass<br />

Lärm eine zentrale Rolle in der ökologischen Beurteilung<br />

von Transportketten einnimmt.<br />

These 2: <strong>Die</strong> herkömmliche Verwendung von Tonnenkilometern<br />

als funktionelle Einheit zur Berechnung der Ökoeffizienz<br />

ist ungenügend und die funktionelle Einheit muss mindestens<br />

um die Kosten sowie die wichtigsten Transportqualitäten<br />

(Zuverlässigkeit, Zeit, Flexibilität und Häufigkeit)<br />

ergänzt werden, wenn man die unterschiedlichen Leistungsprofile<br />

des Strassen- und des Bahntransports bei der Berechnung<br />

der Ökoeffizienz von Transportketten gebührend<br />

berücksichtigen will.<br />

<strong>Die</strong> betrachteten Fallbeispiele zeigen, dass die Anforderungen<br />

der Unternehmen an die oben erwähnten Transportqualitäten<br />

für die transportierten Güter sehr unterschiedlich<br />

sind. Der Einbezug der Transportqualitäten ist besonders<br />

wichtig für Güter, die sehr flexibel geliefert werden müssen,<br />

wie z.B. im Fall der Transportkette der V-Zug. Bei den<br />

<strong>and</strong>eren beiden betrachteten Transportketten ist v.a. der<br />

Preis ausschlaggebend.<br />

These 3: Eine Transportkette ist heute umso ökologischer, je<br />

grösser der Anteil der Bahn ist. <strong>Die</strong>s gilt vor allem für die<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 109


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

Berechnung der Ökoeffizienz mit Tonnenkilometern pro<br />

Umweltbelastung.<br />

Bei unseren Betrachtungen kommt der Hauptanteil der<br />

Umweltbelastung der Bahn aus der Infrastruktur, wogegen<br />

bei der Strasse die Hauptbelastung auf den Betrieb zurückgeführt<br />

werden kann. Bei einer marginalen Betrachtung, die<br />

für den Entscheid eines Unternehmens eigentlich massgebend<br />

ist, bei der nur Auswirkungen des Betriebs berücksichtigt<br />

werden, steht die Bahn noch deutlich besser da als in<br />

unserer Betrachtung. <strong>Die</strong> Berechnung der Ökoeffizienz mit<br />

Gütertransportnutzen pro Umweltbelastung modifiziert<br />

möglicherweise die in der These festgehaltene Schlussfolgerung,<br />

sofern die immer wieder vorgebrachten Argumente<br />

hinsichtlich des Konkurrenzvorteils der Strasse wirklich<br />

stimmen.<br />

These 4: In Zukunft wird der ökologische Unterschied zwischen<br />

der Bahn und der Strasse – ohne Einbezug der Umweltauswirkung<br />

von Lärm – eher kleiner werden. Mit dem<br />

Einbezug der Umweltauswirkungen von Lärm hängt es von<br />

der Berechnungsmethode ab, ob die Bahn ihren Umweltvorteil<br />

ausbauen kann.<br />

Abgesehen vom Lärm, ergeben sich für die Bahn kleinere<br />

ökologische Einsparmöglichkeiten als für die Strasse, bei<br />

der gegenüber heute deutliche Verbesserungsmöglichkeiten<br />

bestehen. Dadurch könnte der ökologische Vorteil der Bahn<br />

kleiner werden, aber wohl nicht verschwinden. Allerdings<br />

ist das technische Lärmreduktionspotential bei Lastwagen<br />

eher geringer als bei den Güterwagen der Bahn. <strong>Die</strong>s könnte<br />

sich als bedeutend erweisen, sofern die von der Europäischen<br />

Union angepeilte Internalisierung der externen Lärmkosten<br />

verwirklicht werden kann.<br />

These 5: Durch den hohen Beitrag der Infrastruktur am<br />

Gesamtprozess kommt bei der Bahn der Verbesserung der<br />

Auslastung eine wichtige Rolle zu.<br />

Bei der Betrachtung der vom Ökoinventar Transport übernommenen<br />

Annahmen fällt v.a. die Auslastung – sowohl des<br />

Schienen- und Strassennetzes allgemein als auch eines einzelnen<br />

Transportes – als wichtige Einflussgrösse für die<br />

Ökobilanz auf. <strong>Die</strong>s bedeutet, dass das eine oder das <strong>and</strong>ere<br />

Transportmittel sich sehr schnell einen ökologischen Vorteil<br />

erkämpfen könnte, wenn es gelingen würde, halbvolle Wagenladungen<br />

und Leer(rück)fahrten zu vermeiden.<br />

9.2 Ausblick<br />

Der Einbezug von Lärm in die Ökobilanz von Transporten<br />

ist ein weiterer Schritt in der Richtung zu einer vollständigeren<br />

und damit auch gerechteren Abbildung der Umweltauswirkungen<br />

verschiedener Transportmittel. Allerdings ist die<br />

Quantifizierung der Umweltwirkung von Lärm noch mit<br />

grossen Unsicherheiten behaftet. In unserer Arbeit konnten<br />

wir nur einen ersten Schritt tun. Weitere Arbeiten sind<br />

notwendig, unter <strong>and</strong>erem auch eine Berechnung dieser<br />

Auswirkung in <strong>and</strong>eren Ländern. Auch fehlt bis jetzt eine<br />

Bestimmung der Wirkung von Schiffslärm, der für die Bewertung<br />

von Transportketten wichtig ist. Ein Miteinbeziehen<br />

des Schiffslärms in die Rechnung kann eine Minderung<br />

des ökologischen Bonus des Flusstransportes zur Folge<br />

haben.<br />

<strong>Die</strong> Benützung von Ökobilanzdaten für die Bestimmung<br />

der Ökoeffizienz von Transportketten leidet unter dem unvermeidbaren<br />

Widerspruch zwischen dem Anspruch auf<br />

Allgemeingültigkeit der Ökobilanz und der Spezifität der<br />

Transportkette. <strong>Die</strong> Wirkungsketten hinter der Ökobilanz<br />

abstrahieren weitgehend von Raum und Zeit. <strong>Die</strong> sich konkurrierenden<br />

Transporte auf Schiene und Strasse, deren<br />

Ökoeffizienz hier bestimmt wurde, finden aber auf bestimmten<br />

Streckenabschnitten und zu bestimmten Tageszeiten<br />

statt.<br />

Es ist unbedingt notwendig, die mögliche Ablösung der<br />

Tonnenkilometer als funktionelle Einheit bei der Ökobilanzierung<br />

von Gütertransport(dienst)leistungen und der Bestimmung<br />

der Ökoeffizienz durch komplexere Indizes, wie<br />

wir es hier mit dem Gütertransportnutzen versucht haben,<br />

weiterhin zu untersuchen. <strong>Die</strong> Verwendung solcher Indizes<br />

würde möglicherweise auch die hier untersuchten zukunftsorientierten<br />

Umschlagstechniken für den kombinierten Güterverkehr<br />

bei Ökoeffizienzberechnungen in etwas <strong>and</strong>erem<br />

Lichte erscheinen lassen. Eine Vereinfachung (Kosteneinsparung)<br />

und Beschleunigung des Gütertransfers von der<br />

Strasse auf die Schiene und umgekehrt verändert die geleisteten<br />

Tonnenkilometer und damit die Ökobilanz und die<br />

Ökoeffizienz entsprechend der Gleichung 3 in keiner Weise.<br />

Kosten- und Zeiteinsparungen, die dadurch aber erzielt werden<br />

können, erhöhen den Gütertransportnutzen und damit<br />

die Ökoeffizienz derjenigen Transportketten, die Bahntransporte<br />

miteinschliessen.<br />

Ein solcher Perspektivenwechsel kann in der Zukunft von<br />

Bedeutung sein, wenn sich immer mehr Unternehmen aufgrund<br />

der Zertifizierung mit EMAS und ISO 14001 mit der<br />

Ökoeffizienz ihres unternehmerischen H<strong>and</strong>elns ausein<strong>and</strong>ersetzen<br />

müssen. In vielen Fällen dürfte dann die Ökoeffizienz<br />

alternativer Transportketten vermehrt in den Vordergrund<br />

rücken. Da für viele Güter der Gütertransportnutzen<br />

von Strassentransporten offensichtlich höher eingeschätzt<br />

wird als von Bahntransporten, die Ökobilanz aber in der<br />

Regel gerade umgekehrt ausfällt, ist jede Massnahme technischer<br />

oder betrieblicher Art, die den von der Bahn erbrachten<br />

Nutzen (Zeitdauer, Zuverlässigkeit, Kosten) erhöht, ein<br />

Schritt in die Richtung einer verbesserten relativen Ökoeffizienz<br />

des Bahnverkehrs und damit einer verbesserten umweltorientierten<br />

Konkurrenzfähigkeit der Bahn gegenüber<br />

<strong>and</strong>eren Transportmitteln.<br />

110 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten<br />

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<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 111


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112 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Naturraum<br />

Autorinnen:<br />

Petra Vögeli<br />

Evelyn Sonderer<br />

unter Mitarbeit von<br />

Thomas Köllner<br />

Aufbauend auf den Ergebnissen<br />

der Arbeitsgruppe Naturraum:<br />

Laurenz Alder-Künzle<br />

Martin Blaser<br />

Michael Brögli<br />

Thomas Camerata<br />

Jean-David Gerber<br />

Nadine Guthapfel<br />

Markus Hohl<br />

Manuela Hotz<br />

Evelyn Sonderer<br />

Adrian Strehler<br />

Semra Sulejmani<br />

Mathias Tobler<br />

Flurin Trepp<br />

Petra Vögeli<br />

Konrad Zurfluh-Kurz<br />

Ute Woschnack (Tutorin)<br />

Fern<strong>and</strong>e Gächter (Tutorin)<br />

Raimund Rodewald (Tutor)<br />

Inhalt<br />

1. Einführung 115<br />

2. Streckenauswahl 117<br />

3. Kleinraum 119<br />

4. Grossraum 122<br />

5. L<strong>and</strong>schaft 125<br />

6. Diskussion 130<br />

7. Zukunft Böschung 132


Naturraum<br />

Zusammenfassung<br />

Betrieb und Infrastruktur von Verkehrssystemen<br />

haben grosse Auswirkung<br />

auf L<strong>and</strong>schaft und Naturraum.<br />

<strong>Die</strong> Verkehrssysteme Strasse und<br />

Schiene beeinträchtigen das L<strong>and</strong>schaftsbild,<br />

können Wildtierkorridore<br />

zerschneiden, verbrauchen L<strong>and</strong> und<br />

verschlechtern die Habitatqualität<br />

durch Emissionen. Auf der <strong>and</strong>eren<br />

Seite stellen Strassen und Schienenböschungen<br />

auch Sekundärbiotope dar,<br />

die in einer intensiv genutzten Kulturl<strong>and</strong>schaft<br />

zur Vernetzung von Biotopen<br />

beitragen können. Ein umfassender<br />

Vergleich der beiden Verkehrsträger<br />

in ihrer ökologischen Auswirkung<br />

liegt jedoch für die Schweiz bisher<br />

nicht vor. Das Ziel der Naturraumgruppe<br />

war, die beiden Verkehrssysteme<br />

vergleichend zu bewerten. Ein Gesamtvergleich<br />

der Wirkungen von<br />

Schiene und Strasse auf L<strong>and</strong>schaft<br />

und Naturraum ist jedoch mit Schwierigkeiten<br />

verbunden, denn die Folgewirkungen<br />

von Verkehr sind sehr heterogen<br />

und umfassen unterschiedliche<br />

Problemfelder.<br />

<strong>Die</strong> Untersuchungen beschränkten<br />

sich daher auf:<br />

– die kleinräumigen Unterschiede in<br />

der Habitatqualität,<br />

– die Modellierung der grossräumigen<br />

Einflüsse auf Wildtierkorridore<br />

und<br />

– die Bewertung des Einflusses auf<br />

die L<strong>and</strong>schaftsästhetik.<br />

<strong>Die</strong> Naturraumgruppe hat verschiedene<br />

Methoden eingesetzt, die geeignet<br />

sind, einen partiellen ökologischen<br />

Vergleich zwischen Schiene und Strasse<br />

zu ziehen. <strong>Die</strong> aufgetretenen<br />

Schwierigkeiten haben gezeigt, welche<br />

Aspekte bei weiteren Arbeiten besonders<br />

zu berücksichtigen sind. Zusammenfassend<br />

lässt sich sagen: <strong>Die</strong><br />

Ergebnisse der Naturraumgruppe zeigen<br />

Anhaltspunkte für einen partiellen<br />

ökologischen Vorteil der Schiene gegenüber<br />

der Strasse in den Auswirkungen<br />

auf den Naturraum.<br />

Keywords: Böschungen, L<strong>and</strong>schaftsbild,<br />

L<strong>and</strong>schaftsfragmentierung,<br />

Tierbarrieren, Waldr<strong>and</strong>, Wildtierkorridore.<br />

Résumé<br />

L’exploitation et l’infrastructure de<br />

systèmes de transport ont un gr<strong>and</strong><br />

impact sur le paysage et le milieu naturel.<br />

Les systèmes de transport route<br />

et rail portent préjudice au site rural,<br />

peuvent amputer des corridors du gibier,<br />

utilisent le sol et détériorent la<br />

qualité de l’habitat par la pollution.<br />

D’autre part, les talus des routes et des<br />

rails constituent également des biotopes<br />

secondaires qui peuvent contribuer<br />

à interconnecter les biotopes dans<br />

un paysage de culture intensive. Il<br />

n’existe jusqu’à présent pour la Suisse<br />

encore aucune comparaison approfondie<br />

des deux transporteurs quant à leur<br />

impact écologique respectif. L’objectif<br />

du groupe Espace naturel était<br />

d’évaluer comparativement les deux<br />

systèmes de transport. Une comparaison<br />

globale des effets du rail et de la<br />

route sur le paysage et le milieu naturel<br />

n’est cependant pas exempte de<br />

difficultés car les effets secondaires du<br />

trafic sont extrêmement hétérogènes<br />

et comportent différents aspects du<br />

problème.<br />

Les études se sont donc limitées:<br />

– aux différences dans de petits espaces<br />

en terme de qualité d’habitat,<br />

– au modelage des effets dans de<br />

gr<strong>and</strong>s espaces sur les corridors du<br />

gibier et<br />

– à l’évaluation de l’effet sur l’esthétique<br />

des paysages.<br />

Le groupe Espace naturel a mis en<br />

place différentes méthodes aptes à<br />

établir une comparaison partiellement<br />

écologique entre le rail et la route. Les<br />

difficultés rencontrées ont montré<br />

quels sont les aspects spécialement à<br />

retenir dans des travaux ultérieurs.<br />

Pour conclure, les résultats du groupe<br />

Espace naturel révèlent des indices<br />

d’un avantage partiellement écologique<br />

du rail par rapport à la route quant<br />

à l’impact sur l’espace naturel.<br />

Mots-clés: talus, site rural, fragmentation<br />

rurale, barrières pour animaux,<br />

lisière de la forêt, corridors du gibier.<br />

Summary<br />

Running a traffic system <strong>and</strong> its infrastructure<br />

have a large impact on l<strong>and</strong>scape<br />

<strong>and</strong> natural environment. The<br />

traffic systems road <strong>and</strong> rail affect the<br />

l<strong>and</strong>scape, can dissect wild animals’<br />

corridors, use up space <strong>and</strong> diminish<br />

the quality of habitat by emission. On<br />

the other h<strong>and</strong>, road <strong>and</strong> railway embankments<br />

also constitute secondary<br />

biotopes, which can contribute to an<br />

integration of biotopes when cultivated<br />

intensively. However, a comprehensive<br />

comparison of both traffic<br />

bearers regarding their environmental<br />

impact has so far not been drawn for<br />

Switzerl<strong>and</strong>. The natural-environment-group’s<br />

goal was to assess both<br />

traffic systems comparatively. A total<br />

comparison of the rail <strong>and</strong> road’s impact<br />

on l<strong>and</strong>scape <strong>and</strong> natural environment<br />

is bound to be difficult, however,<br />

because the impacts of traffic are very<br />

heterogeneous <strong>and</strong> include various<br />

problem zones. For this reason the studies<br />

were confined to:<br />

– Small scale differences in the quality<br />

of habitat<br />

– Modeling of large scale influences<br />

on wild animals’ corridors <strong>and</strong><br />

– Assessment of the impact on the<br />

aesthetics of the l<strong>and</strong>scape.<br />

The natural-environment-group implemented<br />

several methods fit for drawing<br />

a partial environmental comparison<br />

between rail <strong>and</strong> road. Occurring<br />

difficulties have shown which aspects<br />

are to be specially considered for future<br />

studies. To sum up, one can say that<br />

the results of the natural-environmentgroup<br />

demonstrate grounds for a partial<br />

environmental advantage of the<br />

rail in comparison with the road, regarding<br />

their respective impact on the<br />

natural environment.<br />

Keywords: embankments, l<strong>and</strong>scape,<br />

fragmentation of l<strong>and</strong>scape,<br />

animal barriers, forest boundary, wild<br />

animals’ corridors.<br />

114 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Naturraum<br />

1 Einführung<br />

1.1 Untersuchungsgegenst<strong>and</strong><br />

Infrastruktur und Betrieb von Verkehrssystemen haben einen<br />

grossen Einfluss auf L<strong>and</strong>schaft und Naturraum. Strassen-<br />

und Schienenverkehr verbrauchen L<strong>and</strong>, beeinflussen<br />

das L<strong>and</strong>schaftsbild, zerschneiden Wildtierkorridore und<br />

stören Habitate durch Schadstoffemissionen oder Lärm. Andererseits<br />

können gerade die Bahn- und Strassenböschungen<br />

wertvolle sekundäre Lebensräume darstellen. Böschungen<br />

verfügen aufgrund ihrer linearen Struktur über ein Vernetzungspotential,<br />

d.h. sie gewährleisten die Verbindung<br />

verschiedener Biotope unterein<strong>and</strong>er, sodass die Tier- und<br />

Pflanzenarten besser w<strong>and</strong>ern können. Wir können jedoch<br />

annehmen, dass sich Schiene und Strasse hinsichtlich ihrer<br />

Wirkung auf L<strong>and</strong>schaft und Naturraum deutlich unterscheiden.<br />

Ursachen dafür können Unterschiede in der Anpassung<br />

an die Geländetopographie, im Raumbedarf, im<br />

Nutzungsmuster und in der Böschungspflege sein. Jedoch<br />

ist die Variabilität dieser Faktoren bereits innerhalb der<br />

beiden Verkehrsysteme sehr hoch. Z.B. weisen moderne<br />

Hochgeschwindigkeitsstrecken der Bahn im Vergleich zu<br />

früheren Strecken deutliche Unterschiede in der Anpassung<br />

an die gegebene Geländetopographie auf.<br />

Vergleichende Untersuchungen der Umweltauswirkungen<br />

des Personen- und Gütertransports auf der Schiene oder<br />

auf der Strasse sind bereits mithilfe von Ökobilanzen vorgenommen<br />

worden (Deutsche Bahn AG & WWF, 1999).<br />

Dabei wurden der Primärenergieverbrauch und die Emissionen<br />

von Luftschadstoffen als Bewertungskriterien herangezogen.<br />

Ein ergänzender Vergleich der Verkehrsträger Schiene<br />

und Strasse in ihrer Auswirkung auf L<strong>and</strong>schaft und<br />

Naturraum fehlt bisher in der Schweiz. Einer ökologischen<br />

Bewertung der Verkehrssysteme kann eine wichtig Rolle im<br />

Entscheidungsprozess zwischen alternativen Transportmöglichkeiten<br />

zukommen. <strong>Die</strong> Gruppe Naturraum hatte<br />

sich daher vorgenommen, eine Bewertung durchzuführen,<br />

die ökologische und l<strong>and</strong>schaftsästhetische Kriterien berücksichtigt.<br />

Sie untersuchte den Einfluss von Strasse und<br />

Schiene auf die Schutzgüter Naturraum und L<strong>and</strong>schaft.<br />

Zum Naturraum gehören dabei alle belebten und unbelebten<br />

Elemente wie Gestein, Relief, Boden, Wasser, Luft, Tiere<br />

und Pflanzen sowie die zwischen und in ihnen wirkenden<br />

Kräfte und Gesetzmässigkeiten auf der gesamten Fläche.<br />

<strong>Die</strong> L<strong>and</strong>schaft umfasst zusätzlich zu den natürlichen Elementen<br />

auch die zivilisatorische und kulturelle Prägung<br />

durch den Menschen sowie die subjektive Wahrnehmung<br />

durch menschliche Sinne (Rohner & Stuber, 1996). <strong>Die</strong><br />

ausgewählten Schutzgüter stehen im Einklang mit dem<br />

Schweizer L<strong>and</strong>schaftskonzept, welches für 13 Politikfelder<br />

(einschliesslich Verkehr) Schutzgüter und -ziele aus Sicht<br />

der Natur- und L<strong>and</strong>schaftsentwicklung beschreibt (Bundesamt<br />

für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft [BUWAL],<br />

1998a).<br />

1.2 Problematischer Vergleich Schiene -<br />

Strasse<br />

<strong>Die</strong> lineare L<strong>and</strong>nutzung durch ein Verkehrssystem hat vielfältige<br />

Auswirkungen auf die gewählten Schutzgüter Naturraum<br />

und L<strong>and</strong>schaft. <strong>Die</strong>se Folgewirkungen lassen sich<br />

Problemfeldern zuordnen (Tab. 1.2). Für die operative Bearbeitung<br />

mussten im Rahmen der <strong>Fallstudie</strong> einzelne Problemfelder<br />

ausgewählt werden. Aufgrund ihres hohen Wertes<br />

und ihrer Bedrohung durch die moderne Kulturl<strong>and</strong>schaft<br />

wurden die Problemfelder «Flora/Fauna» und «L<strong>and</strong>schaftsästhetik»<br />

thematisiert. Jede Auswahl von Problemfeldern<br />

ist jedoch mit Subjektivität behaftet und soll nicht<br />

heissen, dass <strong>and</strong>ere Probleme unbedeutend sind.<br />

Folgewirkungen innerhalb dieser beiden Problemfelder<br />

sind vielfältig und lassen sich auf unterschiedlichen Ebenen<br />

feststellen. Dabei ist wichtig festzustellen, dass sich auf<br />

regionaler, grossräumiger Ebene die lineare L<strong>and</strong>nutzung<br />

im Vergleich zur flächigen L<strong>and</strong>nutzung (z.B. L<strong>and</strong>wirtschaft,<br />

Siedlung) nicht allein durch ihren Flächenverbrauch<br />

negativ auswirkt. Vielmehr gibt es indirekte Folgewirkungen,<br />

d.h. der Naturraum wird durch Schiene und Strasse<br />

fragmentiert und L<strong>and</strong>schaften werden durch die lineare<br />

Ausdehnung der Verkehrssysteme visuell und akustisch<br />

stark geprägt. Auf kleinräumiger Ebene sind insbesondere<br />

die Belastung von begleitenden Böschungen als direktes<br />

Ergebnis des Verkehrs und indirekte Einwirkungen auf angrenzenden<br />

Gebiete von Bedeutung.<br />

Aus methodischer Sicht lässt sich der Vergleich von<br />

Schiene und Strasse einer Umweltbewertung zuordnen und<br />

ist damit Teil einer ökologischen Planung (Bastian &<br />

Schreiber, 1999). Bei der operativen Bewertung der Verkehrsträger<br />

können folgende methodische Schwierigkeiten<br />

festgestellt werden:<br />

1) Bewertungsperspektive: <strong>Die</strong> Auswahl der Problemfelder<br />

und die damit eingenommene Bewertungsperspektive<br />

ist nicht frei von Subjektivität. Jedoch wird durch die<br />

dokumentierte Umweltbewertung eine Objektivierung<br />

(d.h. Zunahme der Nachvollziehbarkeit) des gesamten<br />

Bewertungsprozesses erreicht.<br />

2) Auflösungsgrad: Folgewirkungen der Verkehrssysteme<br />

weisen einen unterschiedlichen Wirkungsperimeter auf.<br />

Daher muss die Analyse und Bewertung sowohl kleinräumige<br />

Wirkungen mit kurzer Reichweite als auch<br />

grossräumige mit langer Reichweite umfassen. <strong>Die</strong>s bedeutet<br />

insbesondere, dass nicht ein einziger konsistenter<br />

Untersuchungsraum gewählt werden kann. Eine kleinräumige<br />

Betrachtung von Habitaten ist ebenso nötig, wie<br />

die Bewertung von L<strong>and</strong>schaftsveränderungen in einer<br />

Region.<br />

3) Repräsentativität der ausgewählten Untersuchungsstrecken:<br />

<strong>Die</strong> Untersuchungsstrecken und -räume sind im<br />

besten Fall repräsentativ für eine gesamte Region. <strong>Die</strong>ser<br />

Anspruch kann bei nur einer einzelnen ausgewählten<br />

Strecke nicht erfüllt werden.<br />

4) Art der Daten und Methoden: Abhängig vom betrachteten<br />

Problemfeld müssen für die Analyse der Folgewirkungen<br />

sehr unterschiedliche Methoden eingesetzt werden.<br />

Dadurch sind die erzielten Ergebnisse sehr heterogen.<br />

Unterschiede bestehen hinsichtlich der Art der Er-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 115


Naturraum<br />

Tab. 1.2: Schutzgüter, Problemfelder und Folgewirkungen auf die Umwelt von Schiene und Strasse (vgl. Jäger, 2000). <strong>Die</strong><br />

kursiv gedruckten Problemfelder wurden in der <strong>Fallstudie</strong> genauer untersucht.<br />

Schutzgüter Problemfelder Folgewirkungen<br />

Naturraum Flächenbewegung - Flächenbedarf für Fahrbahn, Strassenkörper und Strassenbegleitflächen<br />

- Bodenverdichtung, Bodenversiegelung<br />

Mikroklima<br />

- Veränderte Temperaturverhältnisse<br />

- Änderungen der Feuchtigkeit<br />

- Veränderte Lichtverhältnisse<br />

- Veränderte Windverhältnisse<br />

Immissionen<br />

- Abgase, Schadstoffe, düngende Stoffe<br />

- Staub<br />

- Lärm<br />

Wasserhaushalt<br />

- Drainage<br />

- Wasserverunreinigungen<br />

- Veränderung von Oberflächengewässer<br />

Flora/Fauna<br />

- Habitatverkleinerung, -qualitätsverlust<br />

- Habitatfragmentierung/Isolation von Teilhabitaten<br />

- Fallwild<br />

- Unruhewirkung à Verlust von Rückzugsgebiet für Wildtiere<br />

L<strong>and</strong>schaft L<strong>and</strong>schaftsästhetik - Störung durch Infrastruktur (Strassen-, Schienenkörper, Begleitflächen,<br />

Masten, Leitungen)<br />

- Störung durch Fahrzeuge (Anwesenheit, Bewegung)<br />

Folgen für die L<strong>and</strong>wirtschaft - Verkehrszunahme<br />

- Qualitätsveränderungen des Ernteguts entlang der Trassen<br />

- Beeinträchtigung von Erholungsgebieten<br />

- Zerschneidung von Wohngebieten<br />

gebnisse (qualitativ/quantitativ), ihrer Erhebung (Messungen/Schätzgrössen/Modellierungen),<br />

ihrer Personenabhängigkeit<br />

(subjektiv/objektiv), ihrem zugrundeliegenden<br />

Wirkungsperimeter (kleinräumig/grossräumig)<br />

und der Möglichkeit zur Verallgemeinerung.<br />

5) Synthese: Aus dieser Heterogenität ergeben sich<br />

zwangsläufig Probleme bei der Synthese der Einzelergebnisse<br />

zu einem eindeutigen Gesamtergebnis. Im Augenblick<br />

einer konkreten Entscheidung für oder gegen<br />

ein Verkehrssystem, werden selbst Gewichtungen zwischen<br />

an sich so unterschiedlichen/inkommensurablen<br />

Schutzzielen wie «Erhaltung der Flora und Fauna» und<br />

«Entwicklung einer ästhetischen L<strong>and</strong>schaft» notwendig<br />

und geschehen entweder unausgesprochen implizit<br />

oder werden explizit dokumentiert und damit einer kritischen<br />

Ausein<strong>and</strong>ersetzung zugänglich gemacht.<br />

Hauptziel ist daher eine transparente Herleitung und<br />

Begründung einer Bewertung.<br />

1.3 Projektarchitektur und angewendete<br />

Methoden<br />

<strong>Die</strong> Naturraumgruppe hat sich auf die Bewertung der Problemfelder<br />

Flora/Fauna und des L<strong>and</strong>schaftsbildes beschränkt.<br />

Um die verschiedenen Aspekte zu bearbeiten,<br />

unterteilte sich die Gruppe in Untergruppen (vgl. auch Abb.<br />

1.3):<br />

– Kleinraum: Analyse der kleinräumigen Umgebung der<br />

Verkehrssysteme, z.B. der Artenvielfalt der Bahnböschungen,<br />

– Grossraum: Zerschneidung auf grossräumigem Gebiet,<br />

– L<strong>and</strong>schaft: Auswirkungen der Schiene und Strasse auf<br />

das L<strong>and</strong>schaftsbild,<br />

– Zukunft Böschung: Lösungen für eine ökologische und<br />

ökonomische Bewirtschaftung der Bahnböschungen.<br />

Möchte man einen sinnvollen Vergleich zwischen Schiene<br />

und Strasse erarbeiten, so ist für die Bewertung von<br />

L<strong>and</strong>schaftsveränderungen eine klein- und eine grossräumige<br />

Betrachtung nötig. Da ein vollständiger und eindeutiger<br />

Vergleich der Naturraum-Wirkungen von Schiene und<br />

Strasse nicht erreichbar schien, hat sich eine Teilprojektgruppe<br />

unter einer pragmatischen Sicht auch mit der Frage<br />

der Böschungspflege ausein<strong>and</strong>ergesetzt. In Ergänzung zur<br />

116 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Naturraum<br />

Tab. 1.3: Untergruppen in der Teilprojektphase der Gruppe Naturraum.<br />

Untergruppe Auflösungsgrad Bewertungsperspektive/<br />

Schutzgut<br />

Art der Daten und Methoden<br />

Kleinraum hoch Habitatsqualitäten Vegetationsaufnahmen nach Ellenberg (1956); Waldr<strong>and</strong>bewertung<br />

nach Krüsi & Schütz (1994).<br />

Grossraum gering Wildtierkorridore Modellierung mittels des Geographischen Informationssystems<br />

(GIS).<br />

L<strong>and</strong>schaft gering L<strong>and</strong>schaftsästhetik Vorgehen nach der «Checkliste zur Beurteilung von<br />

L<strong>and</strong>schaftsveränderungen des Kantons Aargau»<br />

(Kanton Aargau, 2000) und dem «Gutachten über die<br />

L<strong>and</strong>schaftsverträglichkeit einer geplanten Schweinescheune<br />

in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone unterhalb des<br />

Burghügels von Altbüron, Kanton Luzern» (Rodewald,<br />

1999).<br />

Analyse der Problemfelder Flora/Fauna und L<strong>and</strong>schaftsbild<br />

sollte die Gruppe «Zukunft Böschung» Ideen für eine<br />

finanzierbare und ökologisch sinnvolle Böschungspflege<br />

entwickeln. Tab. 1.3 gibt eine Übersicht über die Gruppen,<br />

ihre Bewertungsperspektiven und die angewendeten Methoden.<br />

Abb. 1.3: Projektarchitektur der Gruppe Naturraum.<br />

2 Streckenauswahl<br />

<strong>Die</strong> Anwendung der Methoden und die Bewertungen erfolgten<br />

an einer gemeinsamen Untersuchungsstrecke. Um eine<br />

Bewertung möglich zu machen, und einen Bezug zur <strong>Fallstudie</strong><br />

2000 in der Region Zug herzustellen, sollte die Strecke<br />

folgende Kriterien erfüllen:<br />

1) Strecke im Grossraum Zug<br />

2) Bedeutende Gütertransitachse für Schiene und Strasse<br />

3) Strassen- und Schienenabschnitt nicht zu weit von ein<strong>and</strong>er<br />

entfernt<br />

4) Vergleichbare Transportmitteldichte der beiden Verkehrsträger<br />

5) Möglichst wenig Siedlungsraum vorh<strong>and</strong>en<br />

6) Habitatsvariabilität (Wald, Ackerbau, Weiden,…)<br />

7) Vergleichbare Böschungen der Verkehrssysteme<br />

8) Hinreichende Basisdatengrundlage<br />

9) Wenige natürliche Barrieren wie Seen und Gebirgsketten<br />

in unmittelbarer Nähe<br />

10) Zeitliche Übereinstimmung der Erstellung<br />

Aufgrund dieser Kriterien wurde für die Autobahn und die<br />

Bahn die Strecke zwischen Arth-Goldau und Rotkreuz ausgewählt<br />

(vgl. Abb. 2.1 und Tab. 2.1). Für die Bahn und die<br />

Strassenlogistik ist die ausgewählte Strecke eine bedeutende<br />

Nord-Süd-Achse des Gütertransports (Stuttgart–Zürich–Milano).<br />

Das Verkehrsaufkommen weist für beide Verkehrsträger<br />

eine vergleichbare Transportmitteldichte auf<br />

(Kriterien 2 und 4). <strong>Die</strong> Kriterien 5 und 6 konnten ebenfalls<br />

berücksichtigt werden, da die Strecke vorwiegend durch<br />

schwach besiedeltes Gebiet verläuft. Der Einfluss von<br />

Schiene und Strasse auf den Naturraum wird somit nicht<br />

zusätzlich durch das Siedlungsgebiet verstärkt. <strong>Die</strong> Trassen<br />

verlaufen durch verschiedene L<strong>and</strong>schaftstypen und ermöglichen<br />

somit, den Einfluss der Verkehrsträger für verschiedene<br />

Tier- und Pflanzenarten und deren Habitate zu untersuchen.<br />

Weitere Angaben über die Strecke Arth-Goldau–Rotkreuz<br />

sind in Tab. 2.2 aufgelistet.<br />

Obwohl eine Reihe der geforderten Kriterien für die<br />

Strecke erfüllt werden, zeigte sich, dass die gewählte Stre-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 117


Naturraum<br />

Abb. 2.1: Ausgewählte Untersuchungsstrecke von Rotkreuz bis Arth-Goldau mit den Gebieten, in denen die Untersuchungen<br />

der einzelnen Untergruppen durchgeführt wurden.<br />

118 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Naturraum<br />

cke nicht für alle Untersuchungen ideal war. Abschnitte, die<br />

sich entlang von natürlichen Grenzen wie Seen oder Gebirge<br />

erstrecken, konnten bei der Wahl nicht ausgeschlossen werden<br />

(Kriterium 9). <strong>Die</strong> Nähe der «Grenze Zugersee» erschwerte<br />

vor allem die Bestimmung des Zerschneidungseffektes.<br />

Der parallele Verlauf sowie das unterschiedliche<br />

Baualter der beiden Trassen (Kriterien 3 und 10) erwiesen<br />

sich als weitere Schwierigkeiten bei der Beurteilung und<br />

dem Vergleich der beiden Verkehrsträger. <strong>Die</strong>se Aspekte<br />

werden in den jeweiligen Kapiteln genauer betrachtet.<br />

Tab. 2.1: Streckendaten für die Strecke Arth-Goldau - Rotkreuz<br />

(Quelle: L<strong>and</strong>eskarten und telefonische Auskünfte der<br />

Tiefbauämter der Kantone Zug und Schwyz).<br />

Schiene<br />

Strasse<br />

Länge 16.2 km 15.4 km<br />

Trassefläche 16.9 ha 33.9 ha<br />

Böschungsfläche 39.5 ha<br />

Tunnel 2% 3%<br />

Brücken 42% 4%<br />

Stützmauern 42% 4%<br />

3 Kleinraum<br />

Durch die reduzierte Bewirtschaftung der Böschungen und<br />

aufgrund der mageren St<strong>and</strong>orte entlang der Trassen entstehen<br />

seltene Lebensräume für Pflanzen und Tiere. In den<br />

l<strong>and</strong>wirtschaftlich bewirtschafteten Gebieten dienen die<br />

verkehrsbegleitenden Böschungen zudem als Refugialraum<br />

(Rückzugsfläche, Fluchtraum).<br />

In der intensiv genutzten, mitteleuropäischen Kulturl<strong>and</strong>schaft<br />

wirken Strassenseitenflächen insbesondere durch ihren<br />

Refugialraumcharakter. Sie unterliegen nicht wie l<strong>and</strong>und<br />

forstwirtschaftlich genutzte Flächen dem Zwang zur<br />

Rentabilität, der die Bewirtschaftungsart und -intensität vorschreibt.<br />

Sie könnten damit Rückzugsgebiete für Pflanzen<br />

und Tiere sein, die von angrenzenden Flächen aufgrund von<br />

Mähen, Ernten, Pflügen usw. oder Waldarbeiten vertrieben<br />

werden (Mader, 1981).<br />

Für eine ganzheitliche Beurteilung müssen allerdings<br />

auch die negativen Beeinträchtigungen des Naturraums<br />

durch den Fahrbetrieb (Lärm, Erschütterungen, Stau, Mortalität<br />

etc.) berücksichtigt werden. <strong>Die</strong>se Aspekte wurden<br />

bereits in mehreren Arbeiten beh<strong>and</strong>elt (z.B. Holzner, 1989;<br />

Odzuck, 1982). Mit der folgenden Untersuchung wird versucht,<br />

die Qualität der Lebensräume hinsichtlich der Artenvielfalt<br />

und der Strukturbewertung entlang der Schiene und<br />

der Strasse zu erfassen und zu beurteilen.<br />

Tab. 2.2: Anteil der verschiedenen an die Untersuchungsstrecke<br />

angrenzenden Habitate. BLN: Gebiete, die<br />

im Bundesinventar der L<strong>and</strong>schaft- und Naturdenkmäler<br />

von nationaler Bedeutung erfasst sind.<br />

Habitattyp Schiene Strasse<br />

Wasser 1% 7%<br />

Wald 29% 18%<br />

Gehölz 7% 6%<br />

Extensiv genutzte Wiesen 1% 1%<br />

Intensiv genutzte Wiesen 36% 45%<br />

Ackerl<strong>and</strong> 19% 20%<br />

Siedlung 7% 3%<br />

BLN einseitig 40% 55%<br />

BLN beidseitig 38% 11%<br />

3.1 Methoden<br />

<strong>Die</strong> Vegetationsaufnahme zur Ermittlung der Artenzahl in<br />

den Böschungsflächen wurde nach Ellenberg (1956) vorgenommen.<br />

<strong>Die</strong> Methode liefert eine Liste sämtlicher vorkommender<br />

und bestimmbarer Pflanzenarten. Wir wendeten<br />

diese Methode an zwei Orten (vgl. Abb. 2.1) im L<strong>and</strong>schaftsgebiet<br />

an. In je einer Schienen- und einer Strassenböschung<br />

wurde die Artenzahl von vergleichbaren Flächen<br />

aufgenommen. Jede Aufnahme wurde auf einer Fläche von<br />

zehn Quadratmetern, jeweils einen Meter vom Trasser<strong>and</strong><br />

entfernt, durchgeführt.<br />

Im Waldgebiet erfolgte eine Strukturbewertung des durch<br />

die Verkehrsträger entstehenden Waldr<strong>and</strong>es. Für die Bewertung<br />

wurde die Methode von Krüsi, Bisculm & Schütz<br />

(1994) gewählt. Der Bewertungsschlüssel enthält neun Erhebungskriterien<br />

(vgl. Tab. 3.1). Der Schlüssel wurde auf<br />

einen Waldr<strong>and</strong>abschnitt von 100 Metern angewendet. Mit<br />

Hilfe einer Zuordnungstabelle teilte man den neun erfassten<br />

Kriterien je nach ökologischem Wert Punkte zu. <strong>Die</strong> erreichte<br />

Gesamtpunktzahl bestimmte die ökologische Einstufung<br />

des untersuchten Waldr<strong>and</strong>es in einer Skala von weniger als<br />

18 Punkten (ökologischer Wert des Waldr<strong>and</strong>es gering oder<br />

sogar fehlend) bis maximal 60 Punkte (Waldr<strong>and</strong> ist ökologisch<br />

sehr wertvoll). <strong>Die</strong> Kriterien wurden auf je einer<br />

Fläche von zehn Quadratmetern, jeweils einen Meter vom<br />

Trasser<strong>and</strong> entfernt aufgenommen.<br />

Beide Methoden ziehen bei der Wahl der Vergleichsflächen<br />

in Betracht, dass die Habitatstypen und die Geologie<br />

des Untergrundes übereinstimmte und die Flächen nur vom<br />

direkt anliegenden Verkehrsträger beeinflusst werden. Da<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 119


Naturraum<br />

Tab. 3.1: Methode der Waldr<strong>and</strong>bewertung nach Krüsi et al. (1994): den Kriterien wurden je nach ökologischem Wert Punkte<br />

zugeordnet; B = Bäume, S = Sträucher, K = Kräuter.<br />

Punkte-Zuordnung<br />

Kriterien 0 1 2 3 4 5 6 7<br />

Waldr<strong>and</strong>tiefe [m] < 2 2-2.5 2.6-3.9 4-5.9 6.7-9 8-9.9 10.14.9 > 14.9<br />

Strauchgürteltiefe [m] < 1 1-1.4 1.5-1.9 2-2.9 3-3.9 4-4.9 5-6.9 > 6.9<br />

Krautsaumtiefe [m] < 0.5 0.5-0.9 1-1.4 1.5-1.9 2-2.9 3-4.9 5-6.9 > 6.9<br />

Strauchgürtellänge [%] 1-5 6-10 11-25 26-50 51-75 76-100 –<br />

Krautsaumlänge [%] < 1 1-5 6-10 11-25 26-50 51-75 76-100 –<br />

Belaubungsdichte [%] < 1 1-5 6-10 11-25 26-50 51-75 76-100 –<br />

Laubbaumarten B<br />

[Anzahl]<br />

< 1 1 2 3 4 5 6 > 6<br />

Verholzte Arten S+K<br />

[Anzahl]<br />

Dornstraucharten, S+K<br />

[Anzahl]<br />

< 3 3-5 6-8 9-11 12-14 15-17 18-20 > 20<br />

0 – 1 2 3 4 5 > 5<br />

jeweils nur zwei Flächen mitein<strong>and</strong>er verglichen wurden,<br />

haben die Ergebnisse lediglich Beispielscharakter.<br />

3.2 Ergebnisse<br />

Entlang der Bahnlinie sind vorwiegend magere St<strong>and</strong>orte<br />

vertreten. <strong>Die</strong> Autobahn weist eher Ruderalstellen auf. Im<br />

Vergleich der Artenzahlen schneidet die Autobahn auf den<br />

untersuchten Flächen leicht besser ab als die Schiene (vgl.<br />

Tab. 3.2.1). Es wurden 29 verschiedene Pflanzenarten für<br />

die Strassenböschung, 24 verschieden Pflanzenarten für die<br />

Bahnböschung gefunden.<br />

Tab. 3.2.1: Pflanzenartenzahl auf zwei vergleichbaren Böschungsflächen<br />

von je 10 m 2 (St<strong>and</strong>orte vgl. Abb. 2.1).<br />

Artenzahl<br />

Eisenbahn-Böschung 24<br />

Autobahn-Böschung 29<br />

Offen bleibt die Frage, ob das Resultat auf die ökologischere<br />

Bewirtschaftung der Autobahnböschung oder auf<br />

den Einfluss von Nährstoffimmissionen der Automobile<br />

zurückzuführen ist. Klein befasste sich ebenfalls mit dem<br />

Vergleich von Böschungsrasen. Für die Untersuchung hatte<br />

er die Böschung einer alten Eisenbahnlinie mit jener einer<br />

jungen Nationalstrasse im Baselbieter Jura gewählt. Seine<br />

Ergebnisse bestätigen die oben erzielten Resultate: «<strong>Die</strong><br />

Böschungen an den Nationalstrassen sind frischer, nährstoffreicher<br />

und wegen einem grossen Anteil von Ruderalund<br />

Unkrautpflanzen auch artenreicher» (Klein, 1982).<br />

Obwohl die Artenvielfalt der Autobahn-Böschung leicht<br />

höher ist, als die der Eisenbahn-Böschung, ist die Aussagekraft<br />

dieses Ergebnisses beschränkt, da jeweils nur eine<br />

einzelne Fläche untersucht wurde. Erst eine detailliertere<br />

Untersuchung mit einer höheren Stichprobengrösse (mindestens<br />

10 Flächen je Böschungstyp) würde verlässliche<br />

Resultate ergeben.<br />

Nach der Waldr<strong>and</strong>bewertung von Krüsi et al. (1994)<br />

schneidet der durch die Schiene entstehende abgestufte<br />

Waldr<strong>and</strong> in ökologischer Hinsicht besser ab als jener Waldr<strong>and</strong><br />

mit geringer Tiefe, der durch die Strasse gebildet wird<br />

(vgl. Tab. 3.2.2). Hinsichtlich der botanischen Vielfalt unterscheiden<br />

sich die untersuchten Waldränder wenig. Das bessere<br />

Abschneiden der Waldränder längs der Schiene beruht<br />

in erster Linie auf der vielfältigen Struktur des Pflanzenbest<strong>and</strong>es.<br />

Durch eine kontinuierliche Abstufung der R<strong>and</strong>vegetation<br />

wird ein hoher ökologischer Wert des Waldr<strong>and</strong>es<br />

erreicht. <strong>Die</strong> Beobachtung, dass Waldränder entlang der<br />

Schiene häufig breiter und stärker abgestuft aufgebaut sind<br />

als solche an Strassen, lässt sich auf die Bewirtschaftung und<br />

Pflege der Waldränder zurückführen. Da Windwurf für die<br />

Bahn aufgrund der langen Bremswege ein hohes Sicherheitsrisiko<br />

darstellt, sind Waldränder an Bahntrassen vorzugsweise<br />

gestuft aufgebaut.<br />

120 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Naturraum<br />

Tab. 3.2.2: Bewertung der Waldränder nach der Methode von Krüsi et al. (1994). Bedeutung der Punkte-Summe: 59-60:<br />

sehr wertvoll; 49-58: gut; 39-48: befriedigend; 29-38: unbefriedigend; 19-28: schlecht.<br />

Waldr<strong>and</strong> an Strasse<br />

Waldr<strong>and</strong> an Schiene<br />

Struktur Tiefe [m] Punkte Tiefe [m] Punkte<br />

Waldr<strong>and</strong>tiefe 5 3 30 7<br />

Stauchgürteltiefe 1 1 5 6<br />

Krautsaumtiefe 1.5 3 4 5<br />

[%] [%]<br />

Strauchgürtellänge 0 0 100 6<br />

Krautsaumlänge 100 6 100 6<br />

Belaubungsdichte 100 6 70 5<br />

Botanische Vielfalt (Artenzahl) [Anzahl] [Anzahl]<br />

Laubbaumarten in der Baumschicht 12 7 5 5<br />

Verholzte Arten in der Strauch- und Krautschicht 14 4 21 7<br />

Dornstraucharten in der Strauch- und Krautschicht 3 4 2 1<br />

Punkte-Summe 34 48<br />

Beurteilung unbefriedigend befriedigend<br />

Abb. 3.2: Abgestufte Waldränder<br />

gelten als ökologisch<br />

wertvoll (Quelle:<br />

Krüsi et al., 1994).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 121


Naturraum<br />

4 Grossraum<br />

Der Bau von Strassen und Schienen sowie die Ausdehnung<br />

der Siedlungsgebiete führten in den letzten Jahrzehnten zu<br />

einer zunehmenden Zerschneidung der L<strong>and</strong>schaft (Jäger,<br />

2000). Vor allem im Schweizer Mittell<strong>and</strong> sind grössere<br />

zusammenhängende Flächen selten geworden. <strong>Die</strong> Barrierewirkung<br />

der Verkehrsträger schränkt den Lebensraum<br />

von Tieren ein. Korridore, die verschiedene Habitate mitein<strong>and</strong>er<br />

verbinden oder den Austausch zwischen Populationen<br />

fördern, werden unterbrochen. Es entstehen isolierte Lebensräume.<br />

Von der Zerschneidung der L<strong>and</strong>schaft sind vor<br />

allem Tierarten mit grossem Flächenanspruch und solchen<br />

mit ausgeprägten Biotopwechsel betroffen. Zunehmend<br />

werden auch Fliessgewässer durch Verkehrsträger fragmentiert.<br />

Insbesondere die Aufwärtsw<strong>and</strong>erung von Fischen und<br />

Wirbellosen wird durch Querbauwerke und Eindohlungen<br />

beeinträchtigt.<br />

4.1 Methode<br />

Für die Bestimmung des Zerschneidungsgrades sind schon<br />

verschiedene Modelle angewendet worden (Jäger, 2000).<br />

Das «Durchlässigkeitsmodell» im Bericht der Vogelwarte<br />

Sempach über «Wildtierkorridore in der Schweiz» (Schweizerische<br />

Gesellschaft für Wildtierbiologie, 1999) führte zur<br />

Idee, mit Hilfe des Geographischen Informationssystem<br />

(GIS) ein eigenes Modell zu erstellen. Das Modell sollte sich<br />

aber nicht nur auf die Durchlässigkeit der L<strong>and</strong>schaft beschränken,<br />

sondern weitere wichtige Elemente wie zum<br />

Beispiel die nötigen Habitatsgrössen mit berücksichtigen.<br />

Teilt man eine Fläche in kleine quadratische Teilflächen,<br />

die mathematisch mitein<strong>and</strong>er verknüpft sind, dann bezeichnet<br />

man diese als Pixel. In unserem Modell wird die zu<br />

untersuchende Fläche in Pixel von je einer Hektare aufgeteilt.<br />

Aufgrund der Arealstatistik der Schweiz (Bundesamt<br />

für Statistik [BFS], 1998) und von spezifischen Parametern<br />

für eine Tierart (Habitatstyp, Grösse des Lebensraumes etc.)<br />

werden zuerst alle potenziellen Habitate für eine Tierart<br />

ausgeschieden. In einem weiteren Schritt wird untersucht,<br />

wie gut diese Habitate mitein<strong>and</strong>er verbunden sind. Dazu<br />

wird jedem L<strong>and</strong>schaftstyp ein Wert zugeordnet, der angibt,<br />

wie schwierig es für die untersuchte Tierart ist, diesen<br />

L<strong>and</strong>schaftstyp zu passieren. Zusätzlich zur Arealstatistik<br />

wurden das Strassen-, Schienen und Gewässernetz der<br />

Schweiz benutzt. Man berücksichtigte Brücken und Tunnel,<br />

da sie als verbindende Elemente dienen können. Das Modell<br />

ist prinzipiell für eine beliebige Tierart anwendbar. Es müsste<br />

jedoch berücksichtigt werden, dass die Nutzung von<br />

Brücken und Tunnel als Verbindungselement sehr von der<br />

betrachteten Tierart abhängt. <strong>Die</strong> Pixelwerte werden für jede<br />

Art aufgrund der Eignung des Habitates und der Durchlässigkeit<br />

des L<strong>and</strong>schaftstyps bestimmt.<br />

Durch Hochrechnung der Pixelwerte bestimmt das Modell<br />

für eine Tierart jene Habitate, die mitein<strong>and</strong>er verbunden<br />

sind sowie die Korridore, welche die Verbindung ermöglichen.<br />

In der grafischen Darstellung werden potentielle<br />

Habitate schwarz gefärbt (Abb. 4.2.1 und 4.2.2). Gut passierbare<br />

Gebiete sind dunkler gefärbt, als weniger gut passierbare.<br />

Ein undurchlässiges Siedlungsgebiet, das keine<br />

Verbindung von Habitaten gestattet, wird als weisse Fläche<br />

darstellt. Verkehrsträger sind ebenfalls weiss dargestellt.<br />

Durch Hinzufügen bzw. Entfernen einer Strassen- oder einer<br />

Schienenstrecke können der Zerschneidungseffekt von<br />

Schiene und Strasse sowie mögliche Verbindungen durch<br />

die Verkehrsträger modelliert werden.<br />

<strong>Die</strong> Durchlässigkeit der Verkehrssysteme muss für jede<br />

Tierart bestimmt werden. So sind beispielsweise Zäune für<br />

Kröten kein Hindernis, für Grosswild hingegen unüberwindbar.<br />

Für den Rothirsch wurde die Durchlässigkeit der<br />

Verkehrssysteme folgendermassen bestimmt und modelliert:<br />

– Strassen: <strong>Die</strong> Überquerbarkeit ist von der Frequenz der<br />

Befahrung abhängig. Je stärker und je regelmässiger die<br />

Strecke befahren ist, desto geringer wird die Passierbarkeit.<br />

Abb. 4.1: <strong>Die</strong> L<strong>and</strong>schaft wird durch<br />

die Verkehrssysteme zerschnitten<br />

(Bild: FS-Büro).<br />

122 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Naturraum<br />

– Autobahn: <strong>Die</strong> Autobahn gilt aufgrund der begleitenden<br />

Wildzäune als undurchlässig.<br />

– 2-spurige Schiene: <strong>Die</strong> Durchlässigkeit wird als mittel<br />

bis gut angenommen. <strong>Die</strong> Schiene ist zwar gut überquerbar,<br />

der Fahrbetrieb schränkt aber durch Lärm und Erschütterungen<br />

sowie durch das vorh<strong>and</strong>ene Mortalitätsrisiko<br />

die Überquerung ein.<br />

Als Untersuchungsgebiet wurde eine Fläche von etwa 500<br />

km 2 gewählt. Das Gebiet beschreibt einen Ausschnitt rund<br />

um die ausgewählte Strecke Arth-Goldau–Rotkreuz. <strong>Die</strong><br />

Auswirkungen der Zerschneidung im Untersuchungsgebiet<br />

wurden am Beispiel des Rothirsches gerechnet. Der Rothirsch<br />

beansprucht grossräumige Lebensräume und ist daher<br />

besonders von der Fragmentierung der L<strong>and</strong>schaft betroffen.<br />

<strong>Die</strong> Verkehrssysteme beeinträchtigen seine W<strong>and</strong>erbedürfnisse,<br />

insbesondere den Wechsel vom Sommer- ins<br />

Wintereinst<strong>and</strong>sgebiet. Im Untersuchungsgebiet sind Rothirschpopulationen<br />

beheimatet (Rigi und Rossberg). <strong>Die</strong><br />

Aussagen des Modells könnten somit mit den praktischen<br />

Kenntnissen über die Ausbreitung der Rothirsche verglichen<br />

werden. Mit Expertengesprächen und Literaturstudium<br />

(Merker, 1995; Wagenknecht, 1981) wurden die benötigten<br />

Modellparameter (maximale Ausbreitungsdistanz,<br />

minimale Habitatsansprüche und Passierbarkeit von L<strong>and</strong>schaftstypen)<br />

für den Rothirsch ermittelt.<br />

4.2 Ergebnis<br />

<strong>Die</strong> Ausbreitung des Rothirsches wird durch die Verkehrssysteme<br />

und die dicht besiedelten Gebiete eingeschränkt<br />

(Abb. 4.2.1). Das untersuchte Gebiet wird von den Verkehrsträgern<br />

deutlich zerschnitten. Im Gebiet der Rigi und<br />

des Rossbergs sind mehrere vernetzte Habitate und wertvolle<br />

Ausbreitungskorridore vorh<strong>and</strong>en. Doch die Überquerung<br />

von Autobahnen ist nur bei Brücken, Viadukten oder<br />

Tunnels gewährleistet. Abb. 4.2.1 zeigt einen solchen Korridor<br />

zwischen Arth-Goldau und dem südlichen Ufer des<br />

Zugersees. <strong>Die</strong> Autobahn wird an dieser Stelle durch einen<br />

Tunnel geführt. <strong>Die</strong> Durchgangsmöglichkeit entlang der<br />

Autobahn Rotkreuz–Luzern ist ebenfalls auf einen Tunnel<br />

zurückzuführen. Das Resultat zeigt, dass die Ausbreitung<br />

Abb. 4.2.1: Modell der Durchlässigkeit<br />

für Rothirsche mit<br />

allen Schienen und Strassen.<br />

<strong>Die</strong> schwarz gefärbten Flächen<br />

sind geeignete Habitate<br />

für Rothirsche. <strong>Die</strong> weissen<br />

Flächen stellen Barrieren dar<br />

(Verkehrsträger, Siedlungen<br />

und grosse Wasserflächen).<br />

<strong>Die</strong> grau gefärbten Gebiete<br />

sind potentielle Korridore, die<br />

die Habitate verbinden. Je besser<br />

die Durchlässigkeit eines<br />

Korridors, desto dunkler ist die<br />

Graustufe.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 123


Naturraum<br />

der Rothirschpopulationen von den künstlichen Barrieren<br />

abhängig ist.<br />

Wie ändert sich die Durchlässigkeit des Gebietes, wenn<br />

im Modell Schiene und Strasse weggelassen werden? In<br />

einem zweiten Programmdurchlauf wurde daher die ausgewählte<br />

Schienen- und Autobahnstrecke Arth-Goldau–Rotkreuz<br />

ausgeblendet (Abb. 4.2.2). Ohne den Einfluss der<br />

Verkehrsträger ist zwischen Arth-Goldau und dem Zugersee<br />

ein breiter Verbindungskorridor vorh<strong>and</strong>en. Das Seeufer<br />

stellt eine grossflächige Ausbreitungsstruktur dar da Tiere<br />

entlang des Seeufers w<strong>and</strong>ern können. Doch in unserem Fall<br />

wird der Seer<strong>and</strong> durch die Verkehrsträger vom Uml<strong>and</strong><br />

abgeschnitten. Demzufolge kann das Seeufer für Tiere des<br />

Uml<strong>and</strong>es nur eingeschränkt als W<strong>and</strong>erkorridor genutzt<br />

werden. Insgesamt sind die Veränderungen jedoch wenig<br />

spektakulär. Durch das Entfernen der gewählten Verkehrslinien<br />

ändern sich die Durchlässigkeit und die Ausbreitungsmöglichkeiten<br />

kaum. Das Problem ist, dass der Zugersee für<br />

die Rothirsche eine natürliche Grenze darstellt. Für Hirsche<br />

ist es zwar möglich eine bestimmte Distanz schwimmend<br />

zurückzulegen. Der See mit den angrenzenden Siedlungsflächen<br />

am Ostufer ist aber ein zu grosses Hindernis.<br />

4.3 Fazit<br />

Insgesamt können wir festhalten:<br />

1) <strong>Die</strong> Ergebnisse des GIS-Modells zeigen, dass vor allem<br />

Brücken und Untertunnelungen die Zerschneidung der<br />

L<strong>and</strong>schaft vermindern. Ab einer gewissen Länge und<br />

Höhe können sie von Wildtieren als Korridore benutzt<br />

werden (Schweizerische Gesellschaft für Wildtierbiologie,<br />

1995).<br />

2) <strong>Die</strong> Verkehrssysteme spielen eine zentrale Rolle bei der<br />

Zerschneidung des Naturraums. Der Effekt der Zerschneidung<br />

variiert mit der umgebenden L<strong>and</strong>schaft, mit<br />

der Streckenführung (Brücken, Viadukte und Tunnels)<br />

und mit der Durchlässigkeit der Verkehrsträger.<br />

Auf dem untersuchten Streckenabschnitt weist die Strasse<br />

einen grösseren Anteil an Tunnels und Brücken auf als die<br />

Abb. 4.2.2: Modell der Durchlässigkeit<br />

ohne die Autobahn<br />

und die Bahnstrecke Rotkreuz–<br />

Arth-Goldau (Graustufen wie<br />

in Abb. 4.2.1).<br />

124 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Naturraum<br />

Schiene. <strong>Die</strong> Strasse wird im allgemeinen über lange Brücken<br />

geführt. Bei der Bahn erreichen nur gerade 60% aller<br />

Brücken die nötige Mindestgrösse (zirka 4 m Höhe und 25<br />

m Breite). Offen bleibt die Frage, ob die Brücken mit den<br />

entsprechenden Massen von Wildtieren wirklich als Unterquerungsmöglichkeit<br />

genutzt werden.<br />

Das erstellte GIS-Modell kann auch zur Bestimmung<br />

weiterer wichtiger potentieller Wildtierkorridore und als<br />

Planungsinstrument für bauliche Massnahmen dienen – z.B.<br />

bei der Entscheidung, wo ein Wildtierübergang sinnvoll<br />

anzulegen ist.<br />

5 L<strong>and</strong>schaft<br />

Bis anhin waren in der Forschung vorwiegend Aspekte<br />

ökonomischer und biologischer Art Gegenst<strong>and</strong> von Untersuchungen<br />

der L<strong>and</strong>schaft. So wurde zum Beispiel vom<br />

Systematisch-Geobotanischen Institut der Universität Göttingen<br />

die Flora und Fauna an Strassen und Autobahnen der<br />

Bundesrepublik Deutschl<strong>and</strong> untersucht (Schmidt, 1988).<br />

Auch die SBB haben die Grünflächen an den Schienen und<br />

die Unterhaltsarbeiten beurteilt. <strong>Die</strong> ganzheitlichen Aspekte<br />

für die Bewertung des L<strong>and</strong>schaftsbildes hingegen, wie<br />

Funktionalität und Ästhetik, sind vergleichsweise schwierig<br />

quantifizierbar und deshalb oft vernachlässigt worden. Das<br />

Ziel der folgenden Bewertung war die Erarbeitung eines<br />

Vergleichs des Einflusses der Verkehrssysteme auf die<br />

L<strong>and</strong>schaft hinsichtlich naturgeschichtlichen, kulturhistorischen,<br />

l<strong>and</strong>schaftsästhetischen und funktionalen Aspekten.<br />

5.1 L<strong>and</strong>schaftstypen der Strecke<br />

Rotkreuz–Arth-Goldau<br />

Untersucht wurde die an die Verkehrssysteme Schiene und<br />

Strasse angrenzende L<strong>and</strong>schaft der Strecke Rotkreuz–<br />

Arth-Goldau. Erschwerend für die Beschaffung der Daten<br />

war die Tatsache, dass sich das zu untersuchende Gebiet auf<br />

drei Kantone verteilt. <strong>Die</strong> Gemeinde Risch befindet sich im<br />

Kanton Zug, zum Kanton Luzern gehört die Gemeinde<br />

Meierskappel, und auf dem Kantonsgebiet von Schwyz<br />

liegen die beiden Gemeinden Küssnacht am Rigi und Arth.<br />

Unsere Erfassung der L<strong>and</strong>schaftstypen beginnt auf der<br />

Höhe von Rotkreuz, wo sich die Autobahn und die Eisenbahnlinie<br />

schneiden, und endet auf der Höhe von Arth-<br />

Goldau. Das Untersuchungsgebiet wurde auf Sichtweite<br />

von den Verkehrsträgern aus begrenzt. Betrachten wir die<br />

gewählte Teilstrecke etwas genauer (vgl. auch «Schweizer<br />

Lexikon: in sechs Bänden», 1993):<br />

<strong>Die</strong> L<strong>and</strong>schaft von Rotkreuz nach Arth-Goldau gestaltet<br />

sich sehr vielseitig. Das ist schon an der Einteilung der<br />

Kantonsgebiete ersichtlich: Das Kantonsgebiet von Zug<br />

wird zum Mittell<strong>and</strong> gerechnet, das Kantonsgebiet von<br />

Schwyz zu den Alpen, und das Gebiet von Luzern zu den<br />

Voralpen. Vom geologischen Gesichtspunkt betrachtet, befindet<br />

sich die Teilstrecke in der Molasse des Mittell<strong>and</strong>es<br />

(Region Zug), bzw. in der subalpinen Molasse (Kanton<br />

Schwyz) <strong>Die</strong> Molasseschichten zwischen Rigi und Rossberg<br />

sowie im ganzen nördlichen Teil des Kantons Schwyz<br />

sind tertiären Ursprungs, sie bestehen aus S<strong>and</strong>stein-, Mergel-<br />

und Nagelfluhbänken. <strong>Die</strong> ganze L<strong>and</strong>schaft wurde von<br />

eiszeitlichen Gletschern geprägt, welche mannigfaltige<br />

Spuren (Moränen, erratische Blöcke) hinterlassen haben.<br />

Wenn man sich von Rotkreuz Richtung Arth-Goldau wendet,<br />

wird man zuerst ein schwach gewelltes Molassel<strong>and</strong>,<br />

ein Gebiet mit Einzelhöfen antreffen, wo Graswirtschaft mit<br />

Acker- und Obstbau betrieben wird. <strong>Die</strong> Siedlungen neigen<br />

zur Zergliederung, die Gemeindezentren sind aufgelockert<br />

und zwischen ihnen liegen zerstreut Einzelhöfe.<br />

Der Zugersee liegt in einem durch tektonische Brüche<br />

vorgezeichneten Tal, das durch Fluss- und Gletschererosion<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 125


Naturraum<br />

in der subalpinen Molasse gebildet wurde. Er wird durch die<br />

Molasserippe der Chiemen-Halbinsel in ein tieferes Süd-<br />

Becken mit steilen, felsigen Ufern (Rigi im Westen, Zuger-<br />

/Rossberg im Osten) und in ein flacheres Nord-Becken<br />

unterteilt.<br />

Eine zweite Molasseschuppe, die Rooterberg-Halbinsel<br />

Buonas (Buchennase) ragt ebenfalls in den Zugersee hinaus.<br />

In dieser Region erzeugt die Wechsellagerung von Mergeln,<br />

Kalken, Molasse- und Nagelfluh-Schichten eine deutliche<br />

Bänderung und Terrassierung, die man die Riginen genannt<br />

hat. <strong>Die</strong> Seen- und Bergl<strong>and</strong>schaft Vierwaldstätter-/Zugersee<br />

mit der Rigi gilt als besonders wertvolles und deshalb als<br />

schützenswertes Gebiet (auch Pflanzenschutzreservat). <strong>Die</strong><br />

Ufervegetation des Zugersees jedoch ist zu weniger als<br />

einem Drittel noch naturnah.<br />

Nach Immensee (etwa auf der Hälfte unseres Weges)<br />

führen die Verkehrswege weiter entlang dem Nordosthang<br />

des Rischberges bzw. der Rigi. <strong>Die</strong>ser Teil zeichnet sich vor<br />

allem durch die Buchenwälder und durch die in höheren<br />

Lagen vorkommenden Fichtenwälder aus, welche an den<br />

z.T. steilen Hängen wachsen. Teilweise findet man in Seenähe<br />

oder an den Hängen noch L<strong>and</strong>wirtschaftsl<strong>and</strong> (v.a. Viehweide).<br />

Bahnverkehr, National- und Kantonsstrasse teilen<br />

sich den engen und steilen Raum am See. <strong>Die</strong>se Verkehrsachsen<br />

werden durch die ausgedehnten Wälder an der Rigilehne<br />

geschützt. Auch Hochspannungsleitungsmasten und<br />

Liegenschaften werden vor Lawinen, Erdrutschen und<br />

Steinschlag abgesichert.<br />

Am Ende des Zugersees befindet sich das Dorf Arth. <strong>Die</strong><br />

Strecke von Arth am See bis nach Goldau zeichnet sich<br />

durch grosse Matten mit Obstbäumen aus, und in jüngster<br />

Zeit auch immer mehr mit neuen Siedlungen, z.T. auch am<br />

gegenüberliegenden Rossberg. Am Osthang der Rigi erreichen<br />

wir Arth-Goldau, das Ende unserer Teilstrecke.<br />

5.2 St<strong>and</strong>ortsauswahl<br />

Für die Auswahl der St<strong>and</strong>orte für die Bewertung waren<br />

folgende Kriterien massgebend:<br />

1) L<strong>and</strong>schaftliche Eingriffe müssen sichtbar sein.<br />

2) <strong>Die</strong> L<strong>and</strong>schaft muss überschaubar sein, da sich die<br />

Grenzen des Untersuchungsgebietes auf Sichtweite beschränken.<br />

3) Das Fallbeispiel muss repräsentativ sein für die Strecke<br />

Rotkreuz bis Arth-Goldau, d.h. die charakteristischen<br />

Merkmale sollten vorh<strong>and</strong>en sein.<br />

4) Eine Begehung bzw. Besichtigung muss möglich sein.<br />

5) Siedlungsgebiete werden ausgeschlossen.<br />

6) Abschnitte, in denen Schiene und Strasse parallel verlaufen,<br />

werden nicht bewertet.<br />

Nach einer Ortsschau und dem Studium der Richtpläne<br />

wurde der Streckenabschnitt Rotkreuz - Arth-Goldau detaillierter<br />

betrachtet, da diese Strecke von verschiedenen l<strong>and</strong>schaftlichen<br />

Merkmalen und Bauwerken geprägt wird (vgl.<br />

Tab. 5.2).<br />

Anh<strong>and</strong> der obigen Kriterien wurden die beiden St<strong>and</strong>orte<br />

Risch und Graschlad ausgewählt.<br />

Tab. 5.2: L<strong>and</strong>schaftsprägende Merkmale und Bauwerke<br />

die Strecke Rotkreuz–Arth-Goldau.<br />

L<strong>and</strong>schaften ohne<br />

Bauwerke:<br />

- Wälder<br />

- Obstgärten<br />

- l<strong>and</strong>wirtschaftliche<br />

Fruchtfolgeflächen<br />

- Weiden/Magerwiesen<br />

- Felsbänder<br />

- Bäche/Seen<br />

Bauwerke entlang von<br />

Schiene und Strasse:<br />

- Hochbauten<br />

- Viadukte<br />

- Strommasten<br />

- Kantonsstrassen<br />

- Begradigte/kanalisierte<br />

Gewässer<br />

Risch<br />

Das Gebiet verfügt über sanfte Reliefformen (ondulierend).<br />

Blickt man in Richtung Süden, so sieht man mehrere alte<br />

Einzelhöfe, die zum Teil über wertvolle Hochstammobstgärten<br />

verfügen. <strong>Die</strong> L<strong>and</strong>wirtschaft wird vor allem durch<br />

Wiesl<strong>and</strong>- und Grünl<strong>and</strong>nutzung dominiert. Bei der Sicht<br />

nach Norden erblickt man einen alten Hof. Hier wird intensive<br />

Ackerl<strong>and</strong>nutzung betrieben, nur wenige Bäume prägen<br />

die L<strong>and</strong>schaft. Auffällig sind die kleinen Hochspannungsmasten<br />

mit ihren Leitungen.<br />

<strong>Die</strong> Autobahn verläuft eher unauffällig, da sie von Baumalleen<br />

gesäumt wird. Den tiefsten Punkt in der L<strong>and</strong>schaft<br />

markiert die Bahnlinie. <strong>Die</strong> L<strong>and</strong>schaft ist vielfältig strukturiert.<br />

Zwischen Eisen- und Autobahn wird intensive L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

betrieben.<br />

Graschlad<br />

Man findet in dieser Gegend wertvolle geologische Formationen<br />

von Nagelfluh-Aufschlüssen. Das Graschlad wird<br />

beweidet. An der Hangseite westlich der Bahn erstreckt sich<br />

ein Mischwald. Felsbänder säumen die Verkehrswege.<br />

Das Autobahn-Viadukt an diesem St<strong>and</strong>ort dominiert den<br />

L<strong>and</strong>schaftseindruck. <strong>Die</strong> Eisenbahn ist in unauffälliger<br />

Weise in die Umgebung eingebettet, da sie den Höhenlinien<br />

entlang verläuft.<br />

Abb. 5.2.1: St<strong>and</strong>ort Risch: <strong>Die</strong> Baumalleen verhindern die<br />

Sicht auf die Autobahn (Bild: FS-Büro).<br />

126 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Naturraum<br />

und klimatische Merkmale; biologische Merkmale (Flora,<br />

Fauna, Lebensgemeinschaften).<br />

– Kulturgeschichtliche und ästhetische Aspekte: Zeugnisse<br />

der Menschheitsgeschichte; Zeugnisse der L<strong>and</strong>schaftsgestaltung<br />

durch den Menschen; ästhetisch wertvolle<br />

Erscheinungen.<br />

– Funktionelle Aspekte: Funktion von Feld und L<strong>and</strong> für<br />

den L<strong>and</strong>schaftstyp (Nutzungsmuster); Erholungsfunktion,<br />

Erreichbarkeit, Abgeschiedenheit; Funktion im Nutzungsgefüge<br />

oder im L<strong>and</strong>schaftshaushalt.<br />

Abb. 5.2.2: St<strong>and</strong>ort Graschlad: Ein Autobahn-Viadukt<br />

prägt das Bild (Bild: FS-Büro).<br />

5.3 Methode der L<strong>and</strong>schaftsbewertung<br />

Um die St<strong>and</strong>orte bewerten zu können, wurden die «Checkliste<br />

zur Beurteilung von L<strong>and</strong>schaftsveränderungen des<br />

Kanton Aargaus» (Kanton Aargau, 2000) und das «Gutachten<br />

über die L<strong>and</strong>schaftsverträglichkeit einer geplanten<br />

Schweinescheune in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone unterhalb des<br />

Burghügels von Altbüron, Kanton Luzern» (Rodewald,<br />

1999) als Vorlage verwendet.<br />

Es wurde entschieden, die beiden St<strong>and</strong>orte Risch und<br />

Graschlad hinsichtlich folgender Aspekte zu untersuchen:<br />

naturgeschichtliche Aspekte (biologische und abiotische<br />

Faktoren), kulturgeschichtliche und ästhetische Aspekte<br />

(Kulturl<strong>and</strong>schaft, Naturerscheinungen) und funktionelle<br />

Aspekte. <strong>Die</strong> drei Aspekte wurden wie folgt aufgeteilt:<br />

– Naturgeschichtliche Aspekte: geomorphologische/geologische<br />

Merkmale (Erdoberfläche, Aufschlüsse, Geotope);<br />

hydrologische Merkmale (Gewässer, Grundwasser)<br />

Für jeden St<strong>and</strong>ort und jeden Aspekt wurde ein separater<br />

Bewertungsbogen erstellt. Mit diesen Bogen wurde an den<br />

beiden St<strong>and</strong>orten der Einfluss der Schiene und Strasse<br />

bezogen auf die jeweiligen verschiedenen Einflusskriterien<br />

(Tab. 5.3) bewertet.<br />

Nach der oben erwähnten Methode erfolgte die Bewertung<br />

ausschliesslich in Form von Text, der in die Bewertungsbogen<br />

eingetragen wurde. Zusätzlich wurde die Einflussstärke<br />

von Schiene und Strasse anh<strong>and</strong> eines Zahlenwertes<br />

beurteilt. <strong>Die</strong>ser reichte von +3 (sehr starker positiver<br />

Einfluss) bis -3 (sehr starker negativer Einfluss), wobei nur<br />

ganze Zahlen in die Bogen eingetragen wurden. <strong>Die</strong> Gesamteinflussstärke<br />

der Bauwerke berechnete sich aus dem<br />

Quotienten der ermittelten Punktezahl und der maximal<br />

möglichen Punktezahl. Ein Resultat nahe bei 1 sagt aus, dass<br />

das jeweilige Verkehrssystem (Schiene oder Strasse) einen<br />

stark positiven Einfluss auf das L<strong>and</strong>schaftsbild ausübt. Ein<br />

Resultat nahe bei -1 hingegen bedeutet, dass der Einfluss<br />

stark negativ bewertet wurde.<br />

5.4 Resultate der L<strong>and</strong>schaftsbewertung<br />

<strong>Die</strong> L<strong>and</strong>schaftsbewertung wurde von Mitgliedern der<br />

Gruppe L<strong>and</strong>schaft selbst vorgenommen. <strong>Die</strong> Tab. 5.4.1 und<br />

5.4.2 zeigen die Ergebnisse. <strong>Die</strong> Schiene ist besser in die<br />

Tab. 5.3: Einflusskriterien zur Bewertung der Wirkung von Schiene und Strasse.<br />

Einflusskriterien<br />

Massstäblichkeit, Dimensionen<br />

Farbeffekte, Kontraste<br />

Expositionsgrad<br />

Verkehr, Verkehrsfrequenz, Lärm<br />

Architektonische Qualität<br />

Harmonie<br />

Vielfalt<br />

Naturnähe<br />

Eigenart<br />

Bewertung<br />

Wie wirkt das Bauwerk im Vergleich zu den natürlichen Grössenordnungen?<br />

störende Effekte, z.B. Schattenwurf<br />

Einsehbarkeit des Bauwerks von mehreren Orten<br />

z.B. Lärmkataster<br />

z.B. Typenbeschreibung (Stelzenbau, Viadukt): Was ist das Besondere des Bauwerks?<br />

Wie harmonisch werden die Beziehungen zwischen den Elementen der L<strong>and</strong>schaft<br />

empfunden?<br />

Welche Merkmalsträger wirkten sich in der Vergangenheit stark/wenig/kaum auf<br />

die l<strong>and</strong>schaftliche Vielfalt aus?<br />

Bestehende Elemente sehr grosser, grosser, mittlerer, geringer oder sehr geringer<br />

Naturnähe?<br />

Worin liegt das Unverwechselbare, Individuelle, Wiedererkennbare des Raumes?<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 127


Naturraum<br />

Tab. 5.4.1: Resultate für den St<strong>and</strong>ort Risch im Hinblick auf die beiden Verkehrssysteme Schiene und Strasse. <strong>Die</strong><br />

Gesamteinflussstärke berechnet sich als arithmetisches Mittel der drei Teileinflussstärken (bzgl. naturgeschichtlichen/kulturhistorischen<br />

und ästhetischen/funktionalen Aspekten).<br />

Naturgeschichtliche<br />

Aspekte<br />

Kulturhistorische<br />

und ästhetische<br />

Aspekte<br />

Funktionale<br />

Aspekte<br />

Schiene<br />

Risch<br />

Strasse<br />

Einflussstärke: -0.25 Einflussstärke: -0.4<br />

Der Hügelzug wird durch das Trasse der Bahn<br />

durchschnitten. Trotzdem ist die Bahn gut in die<br />

L<strong>and</strong>schaft eingebettet, weil sie nicht sehr stark<br />

erhöht ist. <strong>Die</strong> weniger stark negative Bewertung<br />

des Einflusses der Bahn rührt daher, dass<br />

die ursprünglichen Oberflächenwasserverhältnisse<br />

nur unwesentlich verändert wurden. Das<br />

ursprüngliche Feuchtgebiet (ev. Flachmoor) in<br />

der Senke wurde früher durch die Schiene tangiert,<br />

aber nicht zerstört (heute ist das Feuchtgebiet<br />

zerstört). <strong>Die</strong> Linienführung der Schiene<br />

folgt den Höhenkurven des Hügelfusses in<br />

harmonischer Weise.<br />

Einflussstärke: -0.13 Einflussstärke: -0.19<br />

<strong>Die</strong> Linearität der Schiene stört durch die tiefere<br />

Lage und die visuelle Durchlässigkeit die<br />

charakteristische Form des Reliefs wenig. Visuell<br />

trennt die Schiene die L<strong>and</strong>schaftskammer<br />

weniger stark als die Strasse.<br />

Einflussstärke -0.22 Einflussstärke -0.21<br />

<strong>Die</strong> Schiene bewirkt eine vollständige Trennung<br />

der Streuobstwiesen und der L<strong>and</strong>wirtschaftsflächen<br />

in der Ebene. <strong>Die</strong> Verkehrsfrequenz ist<br />

nicht kontinuierlich, daher wird der Erholungswert<br />

weniger stark beeinträchtigt als bei der<br />

Strasse. <strong>Die</strong> räumliche Trennung ist nicht so<br />

stark, da das Bauwerk nicht so imposant ist.<br />

Trotzdem wird die L<strong>and</strong>schaftskammer durch<br />

die Schiene getrennt, was die Zugänglichkeit<br />

vom Hof zur Flur vermindert.<br />

Zentral ist die vollständige Zerstörung des ursprünglichen<br />

Feuchtgebietes durch den Bau<br />

der Strasse. <strong>Die</strong> Hecke bietet heute aber zusätzlichen<br />

Lebensraum, was sich in der Bewertung<br />

positiv auswirkt. <strong>Die</strong> Linearität der Hecke<br />

und der Strasse beeinträchtigen das abwechslungsreiche<br />

Relief und das charakteristische<br />

L<strong>and</strong>schaftsbild, in welchem ursprüngliche<br />

Hochstammobstbaumanlagen und Einzelbaumstrukturen<br />

vorherrschten, sehr stark. Das Trasse<br />

nimmt den Verlauf der Höhenkurven nicht auf.<br />

Der grösste negative Einfluss auf die ästhetisch<br />

wertvollen Erscheinungen (sanfte Wellenformen<br />

des Reliefs) ist die Linearität der Strasse.<br />

Ein weiterer, weniger starker Effekt ist die räumliche<br />

Aufspaltung der L<strong>and</strong>schaftskammer<br />

durch die Strasse, welcher durch die Baumreihen<br />

unterstützt wird. <strong>Die</strong>se Baumreihen sind<br />

farblich gut in die L<strong>and</strong>schaftskammer integriert.<br />

Auf die traditionelle Bewirtschaftungsform<br />

hat die Strasse keinen wesentlichen Einfluss.<br />

<strong>Die</strong> Strasse bewirkt eine vollständige Trennung<br />

der Streuobstwiesen und der L<strong>and</strong>wirtschaftsflächen<br />

in der Ebene und vermindert den Zugang<br />

zu den Teilflächen, da kein Durchgang<br />

vorh<strong>and</strong>en ist. Dadurch wird eine Umfahrung<br />

notwendig. Der Erholungsanreiz in dieser Gegend<br />

ist vermindert, da die Strasse von allen<br />

Seiten her einsehbar ist. <strong>Die</strong> vorbeifahrenden<br />

Fahrzeuge erzeugen einen ständigen Lärmpegel<br />

und bewirken auch eine ständige Betriebsamkeit,<br />

welche die Erholungsfunktion dieser<br />

L<strong>and</strong>schaftskammer beeinträchtigt.<br />

L<strong>and</strong>schaft eingegliedert als die Strasse und die ursprünglichen<br />

L<strong>and</strong>schaftstypen werden durch die Schiene weniger<br />

beeinträchtigt. <strong>Die</strong> beiden Bauelemente Schiene und Strasse<br />

trennen Nutzungssysteme in ähnlichem Ausmass, wobei die<br />

Strasse die L<strong>and</strong>schaft als Erholungsgebiet in grösserem<br />

Mass stört als die Schiene.<br />

5.5 Fazit<br />

<strong>Die</strong> Schiene ist besser in die L<strong>and</strong>schaft eingegliedert als die<br />

Strasse. <strong>Die</strong> ursprünglichen L<strong>and</strong>schaftstypen werden durch<br />

die Schiene weniger beeinträchtigt. <strong>Die</strong> beiden Bauelemente<br />

Schiene und Strasse trennen Nutzungssysteme in ähnlichem<br />

Ausmass. Wobei die Strasse die L<strong>and</strong>schaft als Erholungsgebiet<br />

in grösserem Mass stört als die Schiene.<br />

<strong>Die</strong> negativen Werte in der Abb. 5.5 bedeuten, dass keines<br />

der Bauwerke einen positiven Einfluss auf die L<strong>and</strong>schaftsästhetik<br />

hat. Das kommt daher, dass die Bauwerke weder<br />

128 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Naturraum<br />

Tab. 5.4.2: Resultate für den St<strong>and</strong>ort Graschlad im Hinblick auf die beiden Verkehrssysteme Schiene und Strasse. <strong>Die</strong><br />

Einflussstärke wie in Tab. 5.4.1 berechnet.<br />

Naturgeschichtliche<br />

Aspekte<br />

Kulturhistorische<br />

und ästhetische<br />

Aspekte<br />

Funktionale<br />

Aspekte<br />

Schiene<br />

Graschlad<br />

Strasse<br />

Einflussstärke: -0.07 Einflussstärke: -0.39<br />

<strong>Die</strong> Schiene ist dem Hang entlang gebaut und<br />

beeinflusst daher die ursprüngliche Reliefform<br />

auf eine positive Weise, indem sie die Formen<br />

hervorhebt. Das Bauwerk ist gut in die ursprünglichen<br />

geomorphologischen Verhältnisse<br />

eingebettet. <strong>Die</strong>s vor allem, weil die Stützmauern<br />

(aus Rigi-Nagelfluhgestein) dieselbe Farbe<br />

haben wie die Nagelfluhaufschlüsse.<br />

Einflussstärke: -0.03 Einflussstärke: -0.34<br />

<strong>Die</strong> Schiene ist durch die Verwendung des im<br />

Gebiet vorkommenden Nagelfluhsteins in die<br />

L<strong>and</strong>schaftskammer gut eingegliedert, was<br />

farblich gut übereinstimmt. Sie rückt durch die<br />

Dominanz des Viadukts in den Hintergrund.<br />

Einflussstärke: -0.20 Einflussstärke: -0.26<br />

<strong>Die</strong> Schiene trennt die Nutzungsbeziehung<br />

Wald-Offenl<strong>and</strong> und Bauernbetrieb-Flur. Durch<br />

den Bau des Trasses am Waldr<strong>and</strong> wird die<br />

funktionelle Vernetzung vermindert.<br />

<strong>Die</strong> starken Konturen, die massige, helle Betonkonstruktion<br />

und die Überdimensionalität des<br />

Bauwerkes stören das ursprüngliche L<strong>and</strong>schaftsbild<br />

des Nordhangfusses der Rigi,<br />

welches durch Nagelfluhaufschlüsse, erratische<br />

Blöcke und Mulden geprägt ist. <strong>Die</strong> natürlichen<br />

Übergänge werden, ausser an Brückenst<strong>and</strong>orten,<br />

verhindert. <strong>Die</strong> harmonischen Beziehungen<br />

zwischen den L<strong>and</strong>schaftselementen werden<br />

durch das Viadukt stark gestört.<br />

<strong>Die</strong> Strasse hat einen hohen Expositionsgrad<br />

und dominiert das ganze L<strong>and</strong>schaftsbild. Sie<br />

stört durch Lärm und ihrer Anwesenheit (Fremdkörper)<br />

die Naturwahrnehmung in stärkerem<br />

Masse als bei der Schiene.<br />

<strong>Die</strong> Strasse unterbricht das Nutzungsmuster<br />

kaum. Das Passieren ist möglich, allerdings für<br />

den Menschen unattraktiv. Durch den hohen<br />

Expositionsgrad wirkt das Viadukt omnipräsent<br />

in dieser L<strong>and</strong>schaftskammer. <strong>Die</strong> Dimension<br />

des Viadukts verhindert den freien Blick von der<br />

Zufahrtstrasse aus nach Arth-Goldau und ist<br />

gleichzeitig von weiter Ferne noch gut einsehbar.<br />

über eine bautechnisch hervorragende Struktur verfügen,<br />

noch als architektonisch sehr wertvoll bezeichnet werden<br />

können. Bauwerke können einen positiven Einfluss haben,<br />

falls sie als Zeugnis der Kulturgeschichte gelten (z.B.<br />

Teufelsbrücke im Kanton Uri). <strong>Die</strong> Beurteilung dieses<br />

Aspekts kann sich natürlich im Laufe der Zeit ändern.<br />

Abb. 5.5: Durchschnittliche Einflussstärken von Strasse und<br />

Schiene auf den Naturraum (-1: sehr starker negativer Einfluss<br />

bis +1: sehr stark positiver Einfluss).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 129


Naturraum<br />

6 Diskussion<br />

6.1 Zusammenfassung der Ergebnisse<br />

1) Kleinraum: Böschungen können als Lebensraum für verschiedene<br />

Pflanzen und Tiere dienen. Auf den untersuchten<br />

Flächen weist die Autobahnböschung eine höhere Artenzahl<br />

auf als die Schienenböschung. Ohne eine Berücksichtigung<br />

von weiteren Einflüssen kann sie aber nicht als ökologisch<br />

besser bewertet werden. Zudem ist die Aussagekraft des<br />

Ergebnisses sehr einschränkt, da jeweils nur eine einzelne<br />

Fläche von 10 m 2 untersucht wurde. <strong>Die</strong> Waldr<strong>and</strong>struktur<br />

entlang der Schiene scheint vor allem hinsichtlich der vielfältigen<br />

Struktur des Pflanzenbest<strong>and</strong>es ökologisch besser<br />

zu sein als die Waldr<strong>and</strong>struktur entlang der Strasse.<br />

2) Grossraum: Strasse und Schiene zerschneiden Lebensräume<br />

und blockieren Wildtierw<strong>and</strong>erungen. Je nach<br />

Durchlässigkeit und Linienführung der Verkehrsträger kann<br />

der Zerschneidungseffekt variieren. Durch Tunnels und grössere<br />

Strassen- und Bahnbrücken, welche die Tiere überbzw.<br />

unterqueren können, kann der Zerschneidungseffekt<br />

verringert werden.<br />

Auf der Strecke Arth-Goldau–Rotkreuz weist die Autobahn<br />

einen höheren Streckenanteil an Tunnels (1% mehr)<br />

und Brücken (13% mehr) auf als die Bahnlinie (Tab. 2.1).<br />

<strong>Die</strong> Autobahn wird im allgemeinen über lange Brücken<br />

geführt, die den Tieren die Unterquerung ermöglichen, während<br />

die Schiene nur wenige Brücken mit den nötigen Massen<br />

aufweist. Zusätzlich wird die Autobahn von einer weit<br />

geringeren Kilometerzahl an unpassierbaren Stützmauern<br />

begleitet als die Schiene.<br />

3) L<strong>and</strong>schaft: Aus ästhetischer Sicht wurde gezeigt, dass<br />

sich an den gewählten Untersuchungsorten die Schiene besser<br />

in das L<strong>and</strong>schaftsbild einfügt als die Autobahn. <strong>Die</strong><br />

Autobahn vermindert sowohl die Ursprünglichkeit als auch<br />

den Erholungswert der L<strong>and</strong>schaft in grösserem Masse als<br />

die Schiene.<br />

6.2 Schwierigkeiten einer Gesamtbewertung<br />

Für einen umfassenden Vergleich zwischen dem Einfluss<br />

der Schiene und dem Einfluss der Strasse auf den Naturraum<br />

müssten sämtliche Problemfelder und Folgewirkungen (siehe<br />

Tab. 1.2) angemessen berücksichtigt werden. Mit den aus<br />

der Studie erreichten Ergebnissen kann jedoch nur ein Teil<br />

der Umweltauswirkungen abgedeckt werden. Andererseits<br />

ist anzunehmen, dass nicht jedem in Tab. 1.2 aufgeführten<br />

Punkt die gleiche Bedeutung zukommt und daher eine Prioritätensetzung<br />

in der Bewertung erfolgen muss. Eine Rangierung<br />

der Problemfelder ist natürlich mit Subjektivität<br />

verbunden, aber innerhalb des Schutzgutes «Naturraum»<br />

kommt der Flora und Fauna eine zentrale Stellung zu. Erstens<br />

ist deren Schutzwürdigkeit durch die «Konvention zum<br />

Schutz der biologischen Vielfalt», einem von 177 Ländern<br />

ratifizierten völkerrechtlichen Vertrag (UNEP, 1992) und<br />

deren nationalen Umsetzung (BUWAL, 1998b) hervorgehoben.<br />

Zweitens dürfen die genannten Problemfelder nicht als<br />

unabhängig betrachtet werden. Einige der genannten Probleme<br />

(Flächenbelegung, Kleinklima, Immissionen, Wasserhaushalt)<br />

tragen zumindest teilweise ihrerseits zu dem<br />

Problem der Gefährdung von Flora und Fauna bei. Daraus<br />

ergibt sich, dass die Ergebnisse für Flora und Fauna einige<br />

der nicht explizit untersuchten Problemfelder teilweise mit<br />

abdecken.<br />

Eine Synthese der Teilergebnisse (Kleinraum, Grossraum<br />

und L<strong>and</strong>schaft) wird durch folgende Punkte erschwert:<br />

1) <strong>Die</strong> verschiedenen Methoden ergeben unterschiedliche<br />

Datenniveaus in den Resultaten. <strong>Die</strong> Daten wurden qualitativ<br />

oder quantitativ erhoben.<br />

2) <strong>Die</strong> Ergebnisse beziehen sich nur auf wenige Untersuchungsstrecken<br />

bzw. Untersuchungsflächen und können<br />

deshalb nur als Fallbeispiel gelten und nicht verallgemeinert<br />

werden.<br />

3) <strong>Die</strong> Untersuchungsflächen weisen Dimensionen auf, die<br />

zwischen mehreren Quadratkilometern und wenigen<br />

Quadratmetern variieren.<br />

4) In den Ergebnissen zeigen sich Widersprüche je nach<br />

Bewertungsaspekt und Sichtweise.<br />

5) <strong>Die</strong> beiden Verkehrsträger weisen eine unterschiedliche<br />

Bauepoche und somit eine unterschiedliche Ausgangslage<br />

der Konstruktionen auf.<br />

Zu 1): Durch die Komplexität des Themas konnte keine<br />

einheitliche Methode für die Untersuchungen gewählt werden.<br />

Entsprechend unterschiedlich fielen die Resultate bei<br />

Anwendung der verschiedenen Methoden aus. <strong>Die</strong> Vegetationsaufnahme<br />

und die Waldr<strong>and</strong>bewertung, welche die<br />

Gruppe Kleinraum durchgeführt hatten, liefern Daten in<br />

quantitativer Form. <strong>Die</strong> Gruppe L<strong>and</strong>schaft präsentiert ihre<br />

Ergebnisse sowohl in beschreibender Form sowie mit einer<br />

Auswertung in Zahlen (Tab. 5.4.1 & 5.4.2). Das GIS-Modell<br />

der Gruppe Grossraum stellt die Daten anh<strong>and</strong> einer zweidimensionalen<br />

Karte dar, die in quantitativer wie auch qualitativer<br />

Form ausgewertet werden kann.<br />

Zu 2): <strong>Die</strong> Resultate der Studie beziehen sich jeweils nur<br />

auf die Untersuchungsstrecke oder auf die begrenzten Untersuchungsflächen<br />

entlang dieser Strecke. Von der untersuchten<br />

Strecke/Fläche darf nicht auf das Schienen- und<br />

Strassennetz im allgemeinen geschlossen werden. Es hat<br />

sich gezeigt, dass die umgebende L<strong>and</strong>schaft der ausgewählten<br />

Strecke einen sehr starken Einfluss auf die Resultate<br />

ausübt. <strong>Die</strong> Nähe der natürlichen Grenze «Zugersee» beeinflusste<br />

die Ergebnisse hinsichtlich des Zerschneidungseffektes<br />

erheblich. Da der Zugersee selber für Rothirsche eine<br />

fast unüberwindbare Barriere ist, verschwindet der künstliche<br />

Barriereeffekt von Strasse und Schiene nahezu.<br />

Zu 3): <strong>Die</strong> Grössen der Untersuchungsflächen der verschiedenen<br />

Gruppen variieren. So beschäftigten sich die<br />

Gruppen Grossraum und L<strong>and</strong>schaft mit Untersuchungsgebieten<br />

von mehreren Quadratkilometern Grösse. Das Gebiet<br />

der Gruppe Kleinraum hingegen, verfügte lediglich über<br />

Dimensionen im Quadratmeterbereich.<br />

Zu 4): <strong>Die</strong> Ergebnisse widersprechen sich innerhalb sowie<br />

auch zwischen verschiedenen Problemfeldern. Böschungen<br />

mit Sträuchern und Büschen sind für Greifvögel als Jagdgebiet<br />

relativ unattraktiv. <strong>Die</strong> dichten Strukturen verhindern<br />

die Mäusejagd. Somit verhindern verbuschte Böschungen,<br />

130 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Naturraum<br />

Tab. 6.2: <strong>Die</strong> Ergebnisse widersprechen sich innerhalb sowie auch zwischen verschiedenen Problemfeldern.<br />

Blumenreiche Böschungen:<br />

Wildzäune:<br />

Strassenbecken:<br />

Brücken und Viadukte:<br />

«Todesfalle» für Greifvögel oder Habitat für Tagfalter?<br />

Tierbarrieren oder Verhindern des Überfahrenwerdens von Tieren?<br />

Unerwünschte Verstärkung der Linearität oder Strassenverdeckung?<br />

Störende Elemente oder Wildtierkorridore?<br />

dass die Greifvögel sich am R<strong>and</strong>e des Verkehrssystems<br />

aufhalten und die Wahrscheinlichkeit eines Unfalles sinkt.<br />

Für Tagfalter hingegen sind verbuschte Böschungen ungünstig,<br />

da dort der Blütenreichtum und damit die Nahrungsgrundlage<br />

gegenüber einer unverbuschten Böschung<br />

verringert ist. <strong>Die</strong> Wildzäune entlang der Autobahnen sind<br />

für Wildtiere undurchlässig. Es entsteht eine starke Barrierewirkung.<br />

Durch die Unpassierbarkeit der Zäune wird<br />

jedoch der Tod von vielen Tieren verhindert. <strong>Die</strong> Tab. 6.2<br />

gibt eine Übersicht mit Beispielen für eine widersprüchliche<br />

Bewertung.<br />

Aus l<strong>and</strong>schaftsästhetischer Sicht werden lineare Strukturen<br />

besonders in topographisch bewegten L<strong>and</strong>schaften als<br />

negativ gewertet. <strong>Die</strong> Geradlinigkeit widerspricht den natürlichen<br />

Formen eines geschwungenen L<strong>and</strong>schaftsbildes.<br />

<strong>Die</strong> Hecken entlang von Autobahnen verstärken die Linearität<br />

in der L<strong>and</strong>schaft (vgl. Abb. 5.2.1). Andererseits wird<br />

die Trasse der Autobahn durch das begleitende Grün verdeckt,<br />

so dass die Störung des L<strong>and</strong>schaftsbildes gering<br />

bleibt. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Barrierewirkung<br />

eines Verkehrssystems durch eine geeignete<br />

Linienführung stark vermindert wird. Tunnels und grössere<br />

Brücken ermöglichen für Wildtiere eine Über- oder Unterquerung<br />

der Verkehrsträger und fördern die Verbindung<br />

zwischen verschiedenen Habitaten und zwischen einzelnen<br />

Populationen. Nach unseren Ergebnissen weist die Autobahn<br />

auf der untersuchten Strecke mehr Bauwerke dieser<br />

Art auf als die Schiene. <strong>Die</strong> visuell stark exponierten Viadukte<br />

und Brücken der Autobahn sind aber unter <strong>and</strong>erem<br />

ein Grund dafür, dass die Strasse aus l<strong>and</strong>schaftsästhetischer<br />

Sicht schlechter abschneidet als die Schiene. <strong>Die</strong> überdimensionalen<br />

Bauwerke werden als störende Elemente im<br />

L<strong>and</strong>schaftsbild empfunden.<br />

Zu 5): <strong>Die</strong> meisten Schienenstrecken in der Schweiz sind<br />

Ende des 19. oder Anfangs des 20. Jahrhundert entst<strong>and</strong>en.<br />

<strong>Die</strong> Bauten der neueren Zeit unterscheiden sich von den<br />

Bauten der damaligen Zeit vor allem durch die technischen<br />

Möglichkeiten. <strong>Die</strong> Tatsache, dass die Schiene zu einem<br />

<strong>and</strong>eren Zeitpunkt erbaut wurde als die Strasse, konnte nicht<br />

kontrolliert werden und erschwerte das Erstellen eines realistischen<br />

Vergleichs Schiene-Strasse.<br />

<strong>Die</strong> durchgeführten Untersuchungen zeigen die grundsätzlichen<br />

Schwierigkeiten des ökologischen Vergleichs von<br />

Schiene und Strasse exemplarisch für die Region Zugersee.<br />

Ein Gesamtvergleich der Wirkungen von Schiene und Strasse<br />

auf Naturraum und L<strong>and</strong>schaft scheint nur schwer zu<br />

bewerkstelligen.<br />

<strong>Die</strong> Bewertungsfrage ist sehr grundsätzlicher Art. Von<br />

den Auswirkungen der Verkehrsträger sind sowohl L<strong>and</strong>schaftsästhetik<br />

als auch Fauna und Flora betroffen. Aus<br />

wessen Sicht sollen die Auswirkungen nun bewertet werden?<br />

Aus der Sicht des Menschen, für den die Trassen zwar<br />

ein störendes Element im L<strong>and</strong>schaftsbild darstellen, der<br />

aber trotzdem von den Verkehrsträgern abhängig ist? Oder<br />

aus der Perspektive der Fauna, die eine grosse Beeinträchtigung<br />

ihres Lebensraumes, z.B. durch L<strong>and</strong>schaftszerschneidung<br />

erfährt?<br />

<strong>Die</strong> Naturraumgruppe hat Methoden gefunden, die geeignet<br />

sind, einen partiellen ökologischen Vergleich zwischen<br />

Schiene und Strasse zu ziehen. <strong>Die</strong> aufgetretenen Schwierigkeiten<br />

haben gezeigt, welche Aspekte bei weiteren Arbeiten<br />

besonders zu berücksichtigen sind. Zusammenfassend<br />

lässt sich sagen, dass die Ergebnisse Anhaltspunkte für<br />

einen ökologischen Vorteil der Schiene in den Auswirkungen<br />

auf den Naturraum und die L<strong>and</strong>schaft aufweisen.<br />

6.3 Schlussfolgerung<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 131


Naturraum<br />

7 Zukunft Böschung<br />

Seit in der Schweiz in den 60er Jahren eine Intensivierung<br />

der L<strong>and</strong>wirtschaft eingesetzt hat, nimmt die ökologische<br />

Verarmung der bestehenden Kulturl<strong>and</strong>schaft ein enormes<br />

Ausmass an. Vor allem das Mittell<strong>and</strong> ist davon betroffen.<br />

Durch die düngefreie Bewirtschaftung sind Bahnböschungen<br />

zu wertvollen Rückzugsgebieten für seltene Pflanzenund<br />

Tierarten geworden.<br />

7.1 <strong>Die</strong> heutige Böschungspflege<br />

Aufgrund des gestiegenen Kostendruckes wird heute in der<br />

Böschungspflege das absolute Minimum geleistet. In den<br />

letzten Jahren wurde vor allem die Bewirtschaftungsweise<br />

mit dem Schlegelmäher stark forciert. <strong>Die</strong>ses Gerät zerkleinert<br />

und spaltet das abgemähte Gut, so dass es sehr schnell<br />

verrottet und liegen gelassen werden kann. Dadurch entfällt<br />

das Wegräumen des angefallenen Schnittgutes. <strong>Die</strong>se zeitsparende,<br />

bequeme und dadurch kostengünstige Methode<br />

hat aber grosse ökologische Nachteile. Das liegengelassene<br />

Mähgut hat eine Düngung der bestehenden Magerwiesen<br />

zur Folge. <strong>Die</strong>s bewirkt, dass die Artenvielfalt der langsam<br />

entst<strong>and</strong>enen Wiesentypen stark beeinflusst wird, und wegen<br />

des erhöhten Nährstoffniveaus mit der Zeit eine Veränderung<br />

zu einer Fettwiese erfolgt. Auch konnte oftmals eine<br />

Vermoosung der Böschungen beobachtet werden, vor allem<br />

wenn zu tief gemulcht und dadurch die oberste Bodenschicht<br />

mitbearbeitet wird. <strong>Die</strong>s kann sich bei steilen Böschungsabschnitten<br />

auch negativ auf deren Stabilität auswirken,<br />

da die Böschungen nicht durch ein tiefgreifendes<br />

Wurzelwerk stabilisiert werden. <strong>Die</strong>se Folgen werden erst<br />

nach einer längeren Anwendung eintreten. Zudem fallen<br />

sehr viele Tiere dieser Bearbeitungsmethode zum Opfer. Vor<br />

allem Kleintiere wie Reptilien (Eidechsen, Blindschleichen,<br />

Schlangen), Wirbellose und Kleinsäuger werden in beachtlicher<br />

Anzahl getötet.<br />

<strong>Die</strong> Kosten pro Quadratmeter Böschungspflege sind sehr<br />

unterschiedlich. Sie hängen einerseits vom Vegetationstyp<br />

ab, <strong>and</strong>ererseits von der Bewirtschaftungsmethode, den topographischen<br />

Gegebenheiten und Zugangsmöglichkeiten.<br />

Eine Zusammenstellung der Pflegekosten für unterschiedliche<br />

Vegetationstypen und Methoden wurden dem Grünflächenkataster<br />

der SBB (1997) entnommen (vgl. Tab. 7.1).<br />

Hier sind die schwankenden Kosten auf die unterschiedliche<br />

Pflegeintensität zurückzuführen, die aufgrund der topographischen<br />

Gegebenheiten (Damm oder Einschnitt) gefordert<br />

wird. Falls das Material liegen gelassen werden kann, ergibt<br />

sich ein <strong>and</strong>erer Kostenfaktor, als wenn es von der Böschung<br />

wegtransportiert werden muss.<br />

Aus sicherheitstechnischer Sicht ist heute die Böschungspflege<br />

ein wichtiger Best<strong>and</strong>teil des Unterhaltsdienstes der<br />

SBB. <strong>Die</strong> prioritäre Aufgabe des Unterhaltsdienstes ist aber<br />

nicht die Böschungspflege, sondern die Inst<strong>and</strong>haltung der<br />

Gleisinfrastruktur und damit die Aufrechterhaltung von Sicherheitsst<strong>and</strong>ards.<br />

Für eine ökologische Böschungspflege<br />

wäre es sinnvoll, wenn für den Böschungsunterhalt jeder<br />

Region eine eigene Mannschaft geschaffen würde, die auch<br />

ein eigenes Budget zur Verfügung hat. Um die anspruchsvolle<br />

Arbeit ausführen zu können und das nötige Know-how<br />

zu erwerben, sollte die Böschungstruppe fortlaufend durch<br />

Kurse ökologisch weitergebildet werden. Das neue Anforderungsprofil<br />

durch die ökologische Pflege macht die Arbeit<br />

anspruchsvoller, abwechslungsreicher und interessanter.<br />

7.2 Alternative Möglichkeiten der<br />

Böschungspflege<br />

Betrachtet man das gesamte Schienennetz der Schweiz, so<br />

stellt man schnell fest, dass der Bahnverkehr im Schweizer<br />

Mittell<strong>and</strong> sehr dicht und vernetzt ist. Da die Schweiz in<br />

diesem L<strong>and</strong>esteil zudem über eine hohe Siedlungsdichte<br />

verfügt und Naturschutzgebiete in vergleichsweise niedriger<br />

Zahl und Ausdehnung vorh<strong>and</strong>en sind, ist es erstrebenswert,<br />

wertvolle Lebensräume naturnah zu pflegen und zu<br />

schützen (Stichwort «Grünes Netz», vgl. Tab. 7.2). Durch<br />

die Schaffung von Böschungen sind neue und seltene Lebensräume<br />

entst<strong>and</strong>en, die es zu erhalten gilt. Für die Finanzierung<br />

eines Pflegekonzepts für eine naturnahe Bahnböschung<br />

wurden neun Massnahmen formuliert.<br />

Um die erarbeiteten Vorschläge zu bewerten, wurden zwei<br />

Bewertungsbogen entwickelt. <strong>Die</strong> Massnahmen wurden im<br />

Hinblick auf die Realisierbarkeit und den Erfolg mit jeweils<br />

fünf verschiedenen Bewertungskriterien evaluiert (Kasten<br />

7.2). <strong>Die</strong> Bewertung erfolgte mittels eines Zahlenwertes (3<br />

= hoher, 2 = relativ hoher, 1 = geringer, 0 = keinen Einfluss).<br />

<strong>Die</strong> zwei Bewertungsbogen wurden von drei Experten aus<br />

den Bereichen SBB und Naturschutz ausgefüllt, wobei sie<br />

die Massnahmen unmittelbar auf Realisierbarkeit und Erfolg<br />

hin beurteilen sollten.<br />

Tab. 7.1: Auflistung der Kosten für verschiedene Pflegemassnahmen (Quelle: Schweizerische Bundesbahnen, 1997).<br />

Schienengängiges Mulchen ist teurer als H<strong>and</strong>mulchen, da beim schienengängigen Mulchen der Bahnverkehr blockiert<br />

werden muss.<br />

Böschungspflegearten<br />

Kosten pro Jahr und Quadratmeter<br />

H<strong>and</strong>mulchen Fr. 0.23 bis Fr. 0.59<br />

Schienengängiges Mulchen Durchschnittlich Fr. 0.67<br />

H<strong>and</strong>mähen von Magerwiesen Durchschnittlich Fr. 0.69<br />

Heckenpflege Fr. 0.14 bis Fr. 0.40<br />

132 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Naturraum<br />

Tab. 7.2: Alternative Möglichkeiten der Böschungspflege in der Zukunft.<br />

1) Sponsoring von Streckenabschnitten<br />

Über finanzielle Patenschaften und Sponsoring versuchen die SBB, Firmen, Vereine<br />

u.a. für die Bewirtschaftung der Bahnböschungen zu gewinnen. <strong>Die</strong> Firmen,<br />

Vereine u.a. können ihren finanziellen Beitrag über eine Urkunde bestätigt bekommen<br />

und sich damit als Teilhaber des «Grünen Netzes» nach aussen präsentieren.<br />

2) «Green-Ticket» <strong>Die</strong> SBB erheben einen für die Fahrgäste freiwilligen Beitrag auf die Fahrkarten.<br />

Betätigen die Bahnbenützer den «Grünen-Knopf» auf dem Touch-Screen, so wird<br />

ihnen automatisch dieser Mehrbetrag auf den üblichen Billettpreis aufsummiert.<br />

<strong>Die</strong>ser Beitrag wird in Prozenten vom Fahrpreis abhängen oder einen Minimalsatz<br />

von wenigen Rappen pro Fahrkarte betragen. <strong>Die</strong> dadurch erhaltenen Gelder<br />

werden vollumfänglich für den naturnahen Böschungsunterhalt eingesetzt<br />

(siehe auch Balmer, 2000).<br />

3) Verkauf von Böschungsprodukten<br />

<strong>Die</strong> SBB versuchen, durch den Verkauf von Böschungsprodukten (Kleintierheu,<br />

Wildsamenproduktion u.s.w.) die Böschungen als Produktionsfläche zu nutzen.<br />

Der Erlös der Böschungsprodukte soll den Selbstkostendeckungsgrad der Produktionsfläche<br />

Böschung heben und damit die naturnahe Bewirtschaftung<br />

unterstützen.<br />

4) Zusätzlicher Beitrag der SBB <strong>Die</strong> SBB erklären sich bereit, die naturnahe Böschungsbewirtschaftung mit<br />

namhaften finanziellen Zuschüssen zu unterstützen.<br />

5) Ökologische Ausgleichsflächen<br />

für die L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

6) Böschungen als ökologische<br />

Ausgleichsfläche<br />

7) Projektorientierte Pflegearbeit für<br />

naturschützerisch wertvolle<br />

Böschungsgebiete durch die<br />

öffentliche H<strong>and</strong><br />

8) Pflegerische Verantwortung bei<br />

Kantonen und Gemeinden für<br />

neue Naturschutzgebiete<br />

9) Firmen, Vereine oder Private<br />

übernehmen Patenschaft durch<br />

aktive, naturnahe Pflegearbeit<br />

<strong>Die</strong> SBB können die Bahnböschungen, gebunden an Nutzungsverträge, kostenlos<br />

an die L<strong>and</strong>wirtschaft abtreten. <strong>Die</strong> L<strong>and</strong>wirte ihrerseits bewirtschaften die<br />

Böschungen als ökologische Ausgleichsflächen und erhalten somit Beiträge vom<br />

Bund. <strong>Die</strong>se Massnahme beschränkt sich auf die 16 Typen der ökologischen<br />

Ausgleichsflächen, für die Beiträge ausbezahlt werden (Bundesamt für L<strong>and</strong>wirtschaft<br />

[BLW], 1999).<br />

Wie bei 5): Es wird ein neuer Ausgleichsflächentyp geschaffen, der speziell<br />

Bahnböschungen als ökologische Ausgleichsflächen anerkennt.<br />

<strong>Die</strong> kantonalen Behörden, die für die Pflege von Naturschutzgebieten und<br />

Bundesinventaren verantwortlich sind, sorgen gleichzeitig dafür, dass die Bahnböschungen<br />

in Naturschutzgebieten in deren Pflegeunterhalt integriert werden.<br />

Dasselbe gilt für Gemeinden, die bereits bestehende Naturschutzgebiete o.ä.<br />

ausgeschieden haben.<br />

Kantone und Gemeinden scheiden neue Naturschutzflächen inklusive Böschungen<br />

aus. Damit kann die Erhaltung der biologischen Vielfalt unterstützt und<br />

gleichzeitig der Auftrag des Bundes an die Kantone und Gemeinden erfüllt<br />

werden. <strong>Die</strong> Pflegekosten werden von den Kantonen oder Gemeinden übernommen.<br />

Interessierte Firmen, Vereine oder Private erklären sich bereit, die Böschungspflege<br />

zu übernehmen.<br />

<strong>Die</strong> Abbildungen im Kasten 7.2 zeigen die Ergebnisse der<br />

Bewertung. <strong>Die</strong> Massnahme «Verkauf von Böschungsprodukten»<br />

(Nummer 3) schnitt im Vergleich zu den restlichen<br />

Massnahmen im Bezug auf die Realisierbarkeit deutlich<br />

schlechter ab. Als sehr gut realisierbar wird die Massnahme<br />

«Projektorientierte Pflegearbeit für naturschützerisch-wertvolle<br />

Böschungsgebiete durch die öffentliche H<strong>and</strong>» (Nummer<br />

7) erachtet. <strong>Die</strong> übrigen Massnahmen lassen sich auf<br />

einer Skala bei mittel bis gut realisierbar einordnen. <strong>Die</strong><br />

Massnahmen, die durch externe Partner getragen werden<br />

sollen, wurden von den Experten meist als erfolgversprechender<br />

angesehen (z.B. die Massnahmen Nummer 5 bis 7).<br />

<strong>Die</strong> Massnahmen, für welche die SBB selbst verantwortlich<br />

sind, schneiden deutlich schlechter ab. Es muss aber hinzugefügt<br />

werden, dass eine Befragung von lediglich drei Experten<br />

nicht ausreicht, um entscheiden zu können, welche<br />

Massnahmen wirklich in der Realität umgesetzt werden<br />

können und zudem erfolgversprechend sind.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 133


Naturraum<br />

Realisierbarkeitskriterien<br />

- Einfluss rechtlicher Aspekte: Inwiefern erfordern die<br />

Massnahmen eine Änderung der rechtlichen Gegebenheiten?<br />

- Organisations- und Strukturw<strong>and</strong>el: Mit welchem Aufw<strong>and</strong><br />

ist eine Anpassung innerhalb der SBB-internen<br />

Struktur nötig?<br />

- Zusätzlicher Aufw<strong>and</strong> der betroffenen Mitarbeiter:<br />

Inwiefern beanspruchen die Massnahmen die Mitarbeiter<br />

in arbeitsintensiver und projektunterstützender<br />

Hinsicht? Als betroffene Mitarbeiter gelten die Bautrupps,<br />

Administration und das <strong>Die</strong>nstleistungspersonal.<br />

- Einmalige Anfangsinvestitionen (Zeit und Geld):<br />

Wie wichtig sind für die jeweilige Massnahme eine<br />

Anfangsinvestition und wie hoch die zeitliche Beanspruchung<br />

der Verantwortlichen, um die Massnahme<br />

einzuleiten?<br />

- Unterhaltsaufw<strong>and</strong>, laufende Kosten (Zeit und Geld):<br />

Wie hoch sind die laufenden Kosten (Unterhalts-, Lohn-,<br />

Materialkosten, etc.) für die Massnahmen?<br />

Erfolgskriterien<br />

- Einfluss auf den finanziellen Ertrag der SBB: Inwiefern<br />

bringen die Massnahmen einen finanziellen Ertrag, der<br />

die SBB direkt oder indirekt entlastet?<br />

- Akzeptanz bei der SBB-Kundschaft: In welchem Ausmass<br />

üben die Massnahmen einen Einfluss auf das<br />

Kauf- und Auswahlverfahren der Kundschaft der SBB<br />

aus?<br />

- Wirksamkeit für Ökologie: Wie hoch ist der Druck auf<br />

die SBB aufgrund einer externen Kontrolle (Öffentlichkeit,<br />

Behörden, vertragliche Vereinbarungen) die<br />

ökologische Böschungsbewirtschaftung umzusetzen?<br />

- Imageverbesserung der SBB: wie stark tragen die Massnahmen<br />

zur Imageverbesserung der SBB bei?<br />

- Spielraum der H<strong>and</strong>lungsmöglichkeiten der SBB:<br />

Inwiefern schränken die Massnahmen den Spielraum<br />

der SBB und somit deren H<strong>and</strong>lungsmöglichkeiten ein?<br />

Kasten 7.2: Kriterien zur Beurteilung der Realisierbarkeit der Alternativen der Böschungspflege und des erwarteten Erfolgs<br />

(3 = maximale Realisierbarkeit bzw. maximaler Erfolg).<br />

7.3 Umsetzung der Massnahmen<br />

<strong>Die</strong> Massnahmen wurden von allen Experten als mittel bis<br />

gut realisierbar bewertet und sie versprechen sich bei ihrer<br />

Realisierung guten bis sehr guten Erfolg. <strong>Die</strong> eine oder<br />

<strong>and</strong>ere Massnahme in die Realität umzusetzen, ist ein Vorhaben,<br />

dass mit einigen verwaltungstechnischen Änderungen<br />

von Seiten der SBB und dem Einsatz von Gemeinden,<br />

Kantonen, Bund, verschiedenen Verbänden und Vereinen<br />

erreicht werden kann.<br />

Ein Vorbild könnte Sissach sein (vgl. NZZ, 2000): Seit<br />

1988 werden die Autobahnböschungen in Basell<strong>and</strong> nach<br />

den Richtlinien für die Gestaltung der Grünflächen entlang<br />

der Autobahn bewirtschaftet. <strong>Die</strong> Equipe des Autobahn-<br />

Werkhofes Sissach setzt diese Richtlinien nun seit mehr als<br />

zehn Jahren zusammen mit der Unterstützung einer Öko-<br />

Beratungsfirma in die Tat um. In einer Medienorientierung<br />

im Frühjahr 2000 konnte nun die Bau- und Umweltschutzdirektorin<br />

erste Erfolge bekannt geben. Der Strukturreichtum<br />

hat sich verbessert. Eine Zunahme der niedrigen, dornigen<br />

und früchtetragenden Sträucher entlang der Autobahnen<br />

in Basell<strong>and</strong> konnte beobachtet werden. <strong>Die</strong> Autobahnböschungen<br />

bieten damit vermehrt Lebensraum für Vogelarten<br />

wie den Neuntöter. 1997 wurden denn auch dreissig Prozent<br />

mehr Vogelnester gezählt als noch 1994. Als Erfolg hat sich<br />

auch die Umw<strong>and</strong>lung einer Hecke an der Böschung der A2<br />

134 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Naturraum<br />

bei Itingen in eine Magerwiese herausgestellt. Zwischen 50<br />

und 60 Pflanzenarten blühen inzwischen hier, wobei wichtige<br />

Magerwiesenpflanzen wie die Aufrechte Trespe oder der<br />

Wiesensalbei gut vertreten sind. Allerdings liess der Erfolg<br />

lange auf sich warten. Zwölf Jahre sind seit der Rodung<br />

vergangen.<br />

Dem guten Beispiel der naturnahen Bewirtschaftung der<br />

Autobahnböschungen in Basell<strong>and</strong> folgten nun auch <strong>and</strong>ere<br />

Kantone. Es bleibt nun zu hoffen, dass auch die SBB sich<br />

diesem Thema annehmen und sie die wertvollen Lebensräume,<br />

die sich in den letzten Jahrzehnten entlang der Eisenbahnböschungen<br />

entwickelt haben, zukünftig ökologisch<br />

bewirtschaften werden. <strong>Die</strong> im Bereich der <strong>Fallstudie</strong> erarbeiteten<br />

Massnahmen können hierfür als Grundlage verwendet<br />

werden.<br />

Literatur<br />

Balmer, M. (2000). Akzeptanz eines Ökostromaufschlages. Unveröffentlichte<br />

Semesterarbeit, <strong>ETH</strong>Z, Zürich.<br />

Bastian, O. & Schreiber, K.-F. (Hrsg.). (1999). Analyse und ökologische<br />

Bewertung der L<strong>and</strong>schaft (2. Aufl.). Heidelberg, Berlin:<br />

Spektrum Akademischer Verlag.<br />

Bundesamt für L<strong>and</strong>wirtschaft (BLW) (1999). Wegleitung für den<br />

ökologischen Ausgleich auf dem L<strong>and</strong>wirtschaftsbetrieb. Bern:<br />

BLW.<br />

Bundesamt für Statistik (BfS) (1998). Arealstatistik Schweiz. <strong>Die</strong><br />

Bodennutzung in den Kantonen Zürich, Zug, Schaffhausen, Thurgau.<br />

Gemeindeergebnisse 1979/85 und 1992/97. Neuchâtel: BfS.<br />

Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft (BUWAL) (1998a).<br />

L<strong>and</strong>schaftskonzept Schweiz. Bern: BUWAL.<br />

Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft (BUWAL) (1998b).<br />

Nationaler Bericht der Schweiz zum Übereinkommen über die<br />

biologische Vielfalt. Bern: BUWAL.<br />

Deutsche Bahn AG & WWF (Hrsg.). (1999). Mobilitätsbilanz für<br />

Personen und Güter. Deutsche Bahn AG, Zentralbereich Umwelt,<br />

Schicklerstr. 5-7, 10179 Berlin.<br />

Ellenberg, H. (1956). Aufgaben und Methoden der Vegetationskunde.<br />

Stuttgart: Ulmer Verlag.<br />

Holzner, W. (1989). <strong>Die</strong> Bedeutung der strassenbegleitenden Flächen<br />

für den Naturschutz – naturnahe Gestaltung und Management.<br />

Wien: Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten<br />

Strassenforschung.<br />

Jäger, J. A. G. (2000). L<strong>and</strong>scape division, splitting index, <strong>and</strong><br />

effective mesh size: new measures of l<strong>and</strong>scape fragmentation.<br />

L<strong>and</strong>scape Ecology, 15 (2), 115-130.<br />

Kanton Aargau (2000). Checkliste zur Beurteilung von L<strong>and</strong>schaftsveränderungen.<br />

Arbeitshilfe zur Bewertung der L<strong>and</strong>schaft<br />

und von Veränderungsvorhaben. (Grundlagen und Berichte zum<br />

Naturschutz, 18). Aarau: Baudepartement Aargau, Sektion Natur<br />

und L<strong>and</strong>schaft.<br />

Klein, A. (1982). Vergleich der Vegetation an Eisenbahn- und<br />

Nationalstrassenböschungen im Kanton Basell<strong>and</strong>. Zürich: <strong>ETH</strong>Z.<br />

Krüsi, B., Bisculm, A. & Schütz, M. (1994). Infoblatt WSL.<br />

Birmensdorf: Institut für Wald, Schnee und L<strong>and</strong>schaft (WSL).<br />

Mader, H.-J. (1981). Der Konflikt Strasse – Tierwelt aus ökologischer<br />

Sicht. In Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und<br />

L<strong>and</strong>schaftsökologie (Hrsg.), (Schriftenreihe für L<strong>and</strong>schaftspflege<br />

und Naturschutz, 22).<br />

Merker, M. (1995). Rothirsche in der Schweiz. Baden: Baden-Verlag.<br />

Neue Zürcher Zeitung (NZZ) (2000, 13.07.). Autobahnböschungen<br />

als Naturparadies. NZZ, S. 14.<br />

Odzuck, W. (1982). Umweltbelastungen. Stuttgart: UTB Verlag<br />

Ulmer.<br />

Rodewald, R. (1999). Gutachten über die L<strong>and</strong>schaftsverträglichkeit<br />

einer geplanten Schweinescheune in der L<strong>and</strong>wirtschaftszone<br />

unterhalb des Burghügels von Altbüron, Kanton Luzern. Bern:<br />

Schweizerische Stiftung für L<strong>and</strong>schaftsschutz und L<strong>and</strong>schaftspflege.<br />

Rohner, J. & Stuber, A. (1996). Aktualisierung der Begriffe im<br />

Bereich des Natur- und L<strong>and</strong>schaftschutzes und der L<strong>and</strong>schaftspflege<br />

in der Schweiz. Bern: BUWAL.<br />

Schweizerische Bundesbahnen (SBB) (1997). Unterhaltskosten.<br />

Bern: SBB.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 135


Naturraum<br />

Schmidt, W. (1988). Flora und Vegetation an Strassen und Autobahnen<br />

der Bundesrebublik Deutschl<strong>and</strong>, (529). Göttingen: Systematisch-Geobotanisches<br />

Institut der Universität Göttingen, Forschung<br />

Strassenbau und Strassenverkehrstechnik.<br />

Schweizerische Gesellschaft für Wildtierbiologie (1995). Wildtiere,<br />

Strassenbau und Verkehr. Chur: Schweizerische Gesellschaft<br />

für Wildtierbiologie.<br />

Schweizerische Gesellschaft für Wildtierbiologie (1999). Wildtierkorridore<br />

Schweiz – Räumlich eingeschränkte, überregional<br />

wichtige Verbindungen für terrestrische Wildtiere im Ökologischen<br />

Vernetzungssystem der Schweiz. Sempach: Schweizerische<br />

Vogelwarte Sempach.<br />

Schweizer Lexikon: in sechs Bänden (1993). Luzern: Schweizer<br />

Lexikon Mengis und Ziehr.<br />

UNEP (United Nations Environment Programme) (1992). Convention<br />

on Biological Diversity. Nairobi, Kenya: UNEP.<br />

Wagenknecht, E. (1981). Rothirsch. Berlin: UEB Deutscher L<strong>and</strong>wirtschaftsverlag.<br />

136 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Akteure im regionalen<br />

Transportgewerbe<br />

Autoren:<br />

Dirk Ressel<br />

Michael Guggisberg<br />

Andreas Hofer<br />

Aufbauend auf den<br />

Ergebnissen der Arbeitsgruppe<br />

Akteure:<br />

Michael Berney<br />

Jorge Canales<br />

Michael Guggisberg<br />

Chris Hürlimann<br />

Christoph von Känel<br />

Christian Kohler<br />

Samuel Luzi<br />

Ronny Ott<br />

Dirk Ressel<br />

Stefan Rüegg<br />

Mark Schneider<br />

Christian Schweizer<br />

Miriam Wanner<br />

Andreas Hofer (Tutor)<br />

Christoph Schreyer (Tutor)<br />

Markus Siegenthaler (Tutor)<br />

Marc Birchmeier (Tutor)<br />

Inhalt<br />

1. Einleitung 139<br />

2. Ökobilanz von Transportketten 140<br />

3. Akteursgruppen 144<br />

4. Das Güterforum Region Zug 148<br />

5. Ausblick 151


Akteure<br />

Zusammenfassung<br />

<strong>Die</strong> Lage im Transportbereich ist gespannt,<br />

ein W<strong>and</strong>el der Strukturen<br />

setzt die Transporteure unter Druck.<br />

Wie alle Veränderungen bietet dieser<br />

W<strong>and</strong>el die Möglichkeit, Neuerungen<br />

zu diskutieren:<br />

Können durch eine Verbesserung<br />

der Kommunikation im Güterverkehrswesen<br />

ökologischere Transportketten<br />

realisiert und die Sensibilität<br />

für ökologische Anliegen bei den Entscheidungsträgern<br />

im Transportgewerbe<br />

gestärkt werden?<br />

Für die Erarbeitung des notwendigen<br />

Systemwissens kamen natur- und<br />

sozialwissenschaftliche Methoden<br />

zum Einsatz:<br />

– Ermittlung der ökologischen Relevanz<br />

ausgewählter Transportketten,<br />

– Ausloten der Positionen und H<strong>and</strong>lungsspielräume<br />

der Akteure,<br />

– Diskussion von Ansatzpunkten für<br />

eine optimale Ausnutzung der ökologischen<br />

Potentiale durch alle Akteure.<br />

<strong>Die</strong> Interviews und Diskussionen<br />

im Rahmen eines Güterforums zeigten<br />

ein differenziertes Bild des Güterverkehrs<br />

und H<strong>and</strong>lungsansätze hin<br />

zu einem ökologischeren Transportwesen:<br />

Transportieren ist Vertrauenssache;<br />

die SBB Cargo muss sich als<br />

Gesamtlogistikanbieterin etablieren,<br />

im Transportgewerbe gilt: ökologisch<br />

sinnvoll = ökonomisch sinnvoll; die<br />

Veränderungen im Transportgewerbe<br />

machen eine verstärkte Zusammenarbeit<br />

nötig.<br />

Vertrauen, persönliche Kontakte<br />

und Zusammenarbeit sind zentrale<br />

Punkte im Transportgewerbe. Das<br />

Güterforum erwies sich als Schritt zur<br />

Intensivierung der bei diesen Punkten<br />

zugrunde liegenden Kommunikation.<br />

Keywords: Transporteure, Verlader,<br />

Logistik, Ökobilanz, Transportketten,<br />

Akteursnetz, Güterforum.<br />

Résumé<br />

La situation dans le secteur des transports<br />

est tendue, la transformation des<br />

structures met les transporteurs sous<br />

pression. Comme tout changement,<br />

cette transformation offre la possibilité<br />

d’examiner les innovations:<br />

En améliorant la communication<br />

dans les transports de march<strong>and</strong>ises,<br />

peut-on réaliser des chaînes de transport<br />

plus écologiques et renforcer la<br />

sensibilité des décideurs dans les<br />

Transports pour les questions d’ordre<br />

écologique?<br />

Pour l’élaboration des connaissances<br />

nécessaires du système, des méthodes<br />

des sciences physiques et naturelles<br />

ainsi que des sciences sociales<br />

ont été appliquées:<br />

– détermination de l’importance écologique<br />

des chaînes de transport<br />

sélectionnées,<br />

– sondage des positions et des marges<br />

de manœuvre des acteurs,<br />

– discussion des points de départ<br />

pour une utilisation optimale des<br />

potentiels écologiques par tous les<br />

acteurs.<br />

Les interviews et des discussions à<br />

un forum march<strong>and</strong>ises ont donné une<br />

image différenciée du transport march<strong>and</strong>ises<br />

et des approches d’action<br />

vers un secteur des transports plus<br />

écologiques: le transport est une affaire<br />

de confiance; les CFF Cargo doivent<br />

s’établir comme un fournisseur<br />

de logistique global; dans les Transports<br />

est écologiquement judicieux =<br />

économiquement judicieux; les changements<br />

dans les Transports exigent<br />

une collaboration plus étroite.<br />

La confiance, les contacts personnels<br />

et la collaboration sont trois<br />

points centraux des Transports. Le forum<br />

march<strong>and</strong>ises a signifié un pas en<br />

avant vers l’intensification de la communication<br />

qui constitue la base de ces<br />

trois points.<br />

Mots-clés: transporteurs, chargeurs,<br />

logistique, analyse de cycle de vie,<br />

chaînes de transport, réseau d’acteurs,<br />

forum march<strong>and</strong>ises.<br />

Summary<br />

The situation within the transport industry<br />

is strained, a change of structures<br />

is putting pressure on the transport<br />

companies. Like all changes, this one<br />

also offers the opportunity to discuss<br />

renewal:<br />

Could improved communication<br />

within the freight transport industry<br />

help realize environmentally sounder<br />

chains of transport <strong>and</strong> help increase<br />

the sensitivity towards environmental<br />

dem<strong>and</strong>s among decision-makers in<br />

the transport industry?<br />

In order to establish the required<br />

systemic knowledge, methods of the<br />

natural <strong>and</strong> of the social sciences were<br />

implemented:<br />

– Determination of the environmental<br />

relevance of selected chains of<br />

transport.<br />

– Plumbing the positions <strong>and</strong> scopes<br />

of action of the protagonists.<br />

– Discussion of grounds for an optimal<br />

use of environmental potentials<br />

of all protagonists.<br />

The interviews <strong>and</strong> discussions<br />

within a freight forum display a differentiated<br />

view of the freight transport<br />

<strong>and</strong> approaches of action toward<br />

a more environmental transport industry:<br />

to transport is a matter of confidence<br />

<strong>and</strong> trust; the SBB Cargo has<br />

established itself as a total provider of<br />

logistics; the equation: environmentally<br />

sensible = economically sensible<br />

can be applied to the transport industry;<br />

<strong>and</strong> changes within the transport<br />

industry call for increased co-operation<br />

Confidence, personal contacts <strong>and</strong><br />

co-operation are crucial items within<br />

the transport industry. The freight forum<br />

has proven to be a step towards<br />

intensification of the communication<br />

regarding these items.<br />

Keywords: transport companies,<br />

shipping companies, logistics, environmental<br />

assessment, chains of transport,<br />

protagonists’ network, freight<br />

forum.<br />

138 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Akteure<br />

1 Einleitung<br />

Nicht nur im NFP 41-Bericht über das Verladerverhalten<br />

(Kaspar, Laesser & Meister, 2000) wird dem Gütertransport<br />

auf der Strasse und auf der Schiene eine hohe wirtschaftliche,<br />

ökologische und somit gesellschaftliche Relevanz zugesprochen.<br />

<strong>Die</strong> Bedeutung des Gütertransports wird im<br />

Alltag klar, z.B. wenn der Warentransport über längere Zeit<br />

nicht wie gewohnt verläuft (Streik der Camionneure, Stau,<br />

etc.) und Versorgungsengpässe entstehen können. <strong>Die</strong> Lage<br />

im Transportbereich selber ist gespannt; marktwirtschaftliche<br />

Zwänge setzen die Transporteure unter Druck und führen<br />

zu einem starken W<strong>and</strong>el der Struktur. Wie Veränderungen<br />

im Allgemeinen bietet auch dieser W<strong>and</strong>el grundsätzlich<br />

die Möglichkeit, Neuigkeiten zu diskutieren und auszuprobieren.<br />

Aus einer umweltnaturwissenschaftlichen Sichtweise<br />

heraus könnte beispielsweise diskutiert werden, ob durch<br />

die Bereitstellung von besseren Strukturen und Verh<strong>and</strong>lungsprozessen<br />

die postulierten ökologischen Potentiale in<br />

der Transportkettenführung besser ausgenutzt werden könnten.<br />

<strong>Die</strong> Gestaltung des Gütertransports ist eng mit der wirtschaftlichen<br />

Situation der produzierenden Unternehmen<br />

verbunden. <strong>Die</strong>se sehen sich einer immer grösseren und<br />

zunehmend auch internationalen Konkurrenz gegenüber;<br />

eine der zahlreichen Folgen der Liberalisierung der Märkte<br />

und der Globalisierung. Der gestiegene Konkurrenz- und<br />

der daraus resultierende Preisdruck beeinflussen wiederum<br />

die Produktionsweise. So löste in vielen Betrieben die Lean-<br />

Production die Massenanfertigung ab, um besser und<br />

schneller auf wechselnde Kundenbedürfnisse reagieren zu<br />

können. <strong>Die</strong> Kernidee von Lean-Production ist die flexible<br />

Herstellung von Varianten desselben Produkts. Dabei wird<br />

u.a. auf flache Hierarchien, absatzorientierte Produktion,<br />

Beschränkung auf wenige Lieferanten vorgefertigter Module<br />

sowie externe Lager gesetzt.<br />

Im Folgenden wird auf die drei Aspekte dieses Anpassungsprozesses<br />

näher eingegangen, welche unmittelbare<br />

Auswirkungen auf das Transportwesen im Allgemeinen und<br />

die Logistikbedürfnisse im Speziellen haben:<br />

– <strong>Die</strong> starke Kundenorientierung führt bei den Produzenten<br />

zu einer immer breiter werdenden Angebotspalette.<br />

<strong>Die</strong>s bedingt flexible Produktionsprozesse, erschwert<br />

aber längerfristige Planung.<br />

– Das Just-in-time Management von Zeit, Material und<br />

Personal hat häufigere Fahrten mit geringerem Transportgewicht<br />

zur Folge. Ziel dieser Massnahme ist die<br />

Vermeidung von Lagerbeständen. <strong>Die</strong> Reduktion der<br />

Lagerkapazitäten macht das Einhalten von Lieferfristen<br />

für einen reibungslosen Ablauf der Produktionsprozesse<br />

äusserst wichtig. Allfällige Engpässe in der Verkehrsinfrastruktur<br />

behindern diesen Prozess und müssen deshalb<br />

mit geeigneten Massnahmen umgangen werden.<br />

– Das Re-Engineering der Produktionsprozesse von der<br />

Forschung und Entwicklung bis zur Auslieferung des<br />

Produktes löst die alten betrieblichen Abläufe auf und<br />

macht den einzelnen Betrieb zu einem Teil eines übergeordneten<br />

Produktionsprozesses. <strong>Die</strong> materialflussorientierte<br />

Betrachtungsweise führt dazu, dass die Logistik,<br />

früher eine relativ autonome Abteilung innerhalb eines<br />

Unternehmens, zunehmend in die betrieblichen Abläufe<br />

eingebettet wird und allgemein an Bedeutung zunimmt.<br />

<strong>Die</strong> «Atomisierung» der Verladeranforderungen erfordert<br />

von den Transporteuren Anstrengungen im operativen Bereich,<br />

wollen sie die Transportkosten trotz der gestiegenen<br />

Ansprüche gering halten. <strong>Die</strong>ser hohe Druck zwingt die<br />

Transporteure, sich nach kurzfristigen Geschäften zu richten.<br />

Eine solche Geschäftspraxis ist grundsätzlichen Überlegungen<br />

über längerfristige Entwicklungskonzepte im Transportwesen<br />

wenig förderlich. Denn gerade die zunehmende<br />

Komplexität der Transportprozesse würde neue Formen der<br />

Zusammenarbeit zwischen allen am Transport beteiligten<br />

und interessierten Akteursgruppen bedingen.<br />

Basierend auf der Feststellung, dass bei sich im W<strong>and</strong>el<br />

befindenden Systemen durch die Bereitstellung von neuen,<br />

geeigneten Strukturen und Prozessen bestehende Potentiale<br />

erschlossen werden können und dass für das reibungslose<br />

Funktionieren des Transportwesens Zusammenarbeit wichtig<br />

ist, entschied die Synthesegruppe «Akteure», sich innerhalb<br />

der <strong>Fallstudie</strong> «Zukunft Schiene Schweiz» mit den<br />

Kommunikationsstrukturen zwischen den beteiligten Akteuren<br />

im Güterverkehrswesen der Region Zugersee zu befassen.<br />

Im Einklang mit den Zielen der <strong>Fallstudie</strong> sollte<br />

untersucht werden, ob durch eine Verbesserung der Kommunikation<br />

ökologisch effizientere Transportketten erarbeitet<br />

werden können. <strong>Die</strong> Analyse der Ausgangssituation<br />

stützte sich in einer ersten Phase u.a. auf zwei Berichte aus<br />

dem Nationalen Forschungsprogramm 41 (NFP 41), welche<br />

das Verladerverhalten und die Unternehmensstrategien<br />

im Güterverkehr am Beispiel der Region Zug thematisieren<br />

(Kaspar et al., 2000 und Thierstein, Schnell & Schwegler,<br />

1999). Aufbauend auf Ergebnissen dieser beiden Untersuchungen<br />

bearbeiteten Teilgruppen unterschiedliche Aspekte<br />

dieses komplexen Themas mit naturwissenschaftlichen und<br />

sozialwissenschaftlichen Methoden:<br />

– Abschätzung der ökologischen Relevanz der einzelnen<br />

Transportketten mittels einer Ökobilanz (Methode mit<br />

Umweltbelastungspunkten),<br />

– Definition der Positionen und H<strong>and</strong>lungsspielräume der<br />

unterschiedlichen Akteursgruppen basierend auf Interviews,<br />

– Diskussion der Resultate und Diskussion von Möglichkeiten<br />

für ökologisch effizientere Transportkettenführungen<br />

mit ausgewählten Akteuren an einem Forum (im<br />

Folgenden als Güterforum bezeichnet).<br />

<strong>Die</strong> Informationsbeschaffung hat sich in <strong>Fallstudie</strong>n<br />

schon oft als problematisch erwiesen. <strong>Die</strong> Aussicht, bei den<br />

eigenen Recherchen auf fundierte Analysen und eine bereits<br />

gut dokumentierte Region zurückgreifen zu können, sprach<br />

für die Region Zugersee als Fallbeispiel, obwohl es dort<br />

kaum nennenswerten Bahngüterverkehr gibt. <strong>Die</strong> Region<br />

als wichtiger Produktionsst<strong>and</strong>ort stellt einen interessanten<br />

Modellfall dar, weil hier die oben beschriebenen Trends,<br />

welche auch auf nationaler und internationaler Ebene immer<br />

wichtiger werden, schon weit fortgeschritten sind. Für die<br />

gewählte Region bezeichnend ist eine gut ausgebaute Infra-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 139


Akteure<br />

struktur, ein hohes Wirtschaftswachstum v.a. im <strong>Die</strong>nstleistungssektor<br />

sowie überregionale H<strong>and</strong>elsbeziehungen. In<br />

diesem wirtschaftlichen Umfeld hat die Bahn als traditionell<br />

auf grosse Tonnagen ausgerichtetes Transportsystem einen<br />

schweren St<strong>and</strong>. Ihr Anteil am Güterverkehrsaufkommen<br />

liegt in der Region Zugersee unter dem gesamtschweizerischen<br />

Durchschnitt und sank zwischen 1986-1996 um 8%<br />

(Thierstein et al., 1999).<br />

In den folgenden Abschnitten wird zuerst auf die mit Hilfe<br />

der Ökobilanz-Methode untersuchten Transportketten eingegangen.<br />

Der anschliessende Abschnitt beschreibt die verschiedenen<br />

Akteursgruppen in ihrem System und zeigt dabei<br />

ihre jeweiligen Positionen und Rahmenbedingungen<br />

auf. Im Abschnitt 4 werden die erarbeiteten Thesen zum<br />

Thema «optimierte Transportkettenführung» mit Erläuterungen<br />

dargelegt. In jedem Teil wird auf die zur Datengewinnung<br />

eingesetzten Methoden vertieft eingegangen.<br />

2 Ökobilanz von Transportketten<br />

<strong>Die</strong> Bewertungen der Emissionen der verschiedenen Transportketten<br />

auf Schiene und Strasse mit Hilfe der Ökobilanz<br />

dienten als Diskussionsthema für das Güterforum. <strong>Die</strong> Berechnungen<br />

stützen sich zumeist auf bekannte Daten und<br />

Studien aus der Literatur. Für unsere Zwecke genügte es, mit<br />

einem groben Ansatz Argumente ökologischer Natur für die<br />

Optimierung der Transportketten zu finden.<br />

Eine weitergehende und breiter abgestützte Bilanz wird<br />

im Kap. <strong>Die</strong> Ökoeffizienz von Transportketten erarbeitet.<br />

<strong>Die</strong> folgenden Aussagen werden durch die dort erhaltenen<br />

Resultate unterstützt.<br />

Eine moderne Transportkette im Güterverkehr ist ein<br />

komplexes Gebilde. Es geht darum, ein Gut über verschiedene<br />

Stationen von einem Sender (Verlader) zu einem Empfänger<br />

(Kunde) zu transportieren. <strong>Die</strong>ser Weg enthält Schritte<br />

wie Anlieferung, Umschlag, Rangieren, Fern- und Nahtransport<br />

und Verteilung. Beim Transport wirken oft verschiedene<br />

Personen und Unternehmen mit (Verlader, Logistikunternehmen,<br />

Transporteure auf Schiene und Strasse,<br />

Güterabnehmer usw.). Unterschiedliche Transportmittel<br />

werden über verschiedene Wege kombiniert eingesetzt (siehe<br />

Abb. 2.1). Damit das Gut den Empfänger sicher und<br />

reibungslos erreicht, ist logistische Feinarbeit und somit ein<br />

gut funktionierender Informationsfluss notwendig.<br />

Abb. 2.1: Komponenten<br />

einer Transportkette.<br />

140 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Akteure<br />

2.1 Der ökologische Vergleich von<br />

Strasse und Schiene im Güterverkehr<br />

Mit der Umweltbelastungspunkte-Methode (UBP-Methode,<br />

Beschreibung s. Kasten 2.1.1) wurden die Emissionen<br />

von acht Beispielstrecken vergleichend bewertet, wobei für<br />

die Auswahl deren Relevanz für die Unternehmungen in der<br />

Region Zug das Hauptkriterium darstellte: Von Zug nach<br />

Mendrisio (CH), Genf (CH), Winterthur (CH), Vals (CH),<br />

Scafati (I), Stockholm (S), Rotterdam (NL) und Genua (I).<br />

Der zeitliche Aufw<strong>and</strong> des Vergleichs definierte die Systemgrenze<br />

weitgehend, die Anzahl der für die Bewertung<br />

berücksichtigten Prozesse blieb beschränkt. Bei der vorliegenden<br />

Erhebung h<strong>and</strong>elt es sich um eine Momentaufnahme.<br />

Dabei wird vorausgesetzt, dass sowohl die für einen<br />

Transportvorgang benötigte Infrastruktur, als auch genügend<br />

grosse Kapazitäten bereits vorh<strong>and</strong>en sind. Eine weitere<br />

Fahrt zieht deshalb keine weiteren Emissionen aufgrund<br />

des Baus neuer Infrastrukturen nach sich, weshalb diese<br />

Prozesse für die Berechnungen nicht relevant sind. Darüber<br />

hinaus verunmöglicht die gemeinsame Benutzung der Infrastruktur<br />

durch Personen- und Güterverkehr eine exakte Zuordnung<br />

der aus dem Bau entstehenden Emissionen (Maibach<br />

et al., 1995, S. 110). Emissionen aus Bau und Unterhalt<br />

der Infrastruktur sowie der Herstellung bzw. Entsorgung der<br />

Fahrzeuge befinden sich deshalb ausserhalb der Systemgrenze.<br />

Für eine grobe Bewertung des Transports eines bestimmten<br />

Guts sind also primär die direkten Emissionen aus Betrieb<br />

und Unterhalt des Fahrzeuges sowie der «Precombustion»<br />

(Bereitstellung des Fahrstromes für die Bahn bzw. des<br />

Treibstoffes für die Lastwagen) zu berücksichtigen.<br />

Der Vollständigkeit halber muss hier darauf hingewiesen<br />

werden, dass die getroffene Wahl der Systemgrenze das<br />

System Schiene bezüglich der Emissionen begünstigt, da<br />

der Belastungsanteil aus der Infrastruktur an der gesamten<br />

Transportleistung bei der Schiene höher ist als bei der Strasse.<br />

<strong>Die</strong> Berücksichtigung dieses Prozesses würde demzufolge<br />

zu einem vergleichsweise höheren Belastungsanstieg<br />

beim System Schiene führen.<br />

Als Datengrundlage für die Emissionen, die bei Transportvorgängen<br />

entstehen, diente für die Schiene das «Ökoinventar<br />

Transporte» (Maibach et al., 1995) und für die<br />

Strasse das Softwareprogramm «H<strong>and</strong>buch Emissionsfaktoren<br />

des Strassenverkehrs» (Bundesamt für Umwelt, Wald<br />

und L<strong>and</strong>schaft [BUWAL], 1999). Da das Programm jedoch<br />

nicht alle erforderlichen Emissionsfaktoren enthält und<br />

nicht alle Prozesse berücksichtigt, wurden die zusätzlich<br />

benötigten Daten (Unterhalt des Transportmittels und Bereitstellung<br />

des Treibstoffes) aus dem Datensatz «Ökoinventar<br />

Transporte» herangezogen.<br />

Der Leerfahrtenanteil im Transportwesen wurde mit der<br />

Einführung eines Auslastungskoeffizienten berücksichtigt.<br />

Für die Schiene wird der Faktor 0.4 und für die Strasse 0.5<br />

verwendet.<br />

Der von der SBB Cargo für Transporte innerhalb der<br />

Schweiz benutzte Strommix wird grösstenteils durch Wasserkraft<br />

produziert. Der im europäischen Raum verwendete<br />

UCPTE-Mix (Union pour la coordination de la production<br />

et du transport de l’électricité) hingegen besteht zum grossen<br />

Teil aus fossiler (43%) und nuklearer Energie, wodurch<br />

dieser in der Ökobilanz gegenüber dem CH-Strommix<br />

schlechter abschneidet.<br />

Gegenwärtige Situation<br />

Für die Berechnung der Emissionen wurden für alle Strecken<br />

die Daten eines Lastwagens mit 28 t Gesamtgewicht<br />

Ökobilanz und Umweltbelastungspunkte-Methode<br />

Kasten 2.1.1: Ökobilanz und UBP-Methode.<br />

Ökobilanzen sind ein Instrument, mit dem die Umweltbelastungen<br />

eines Produkts erfasst und aggregiert bewertet<br />

werden können. Dabei wird der gesamte Lebensweg betrachtet;<br />

von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung<br />

bis zur Entsorgung. Um zu validen Daten zu gelangen, ist<br />

es unerlässlich, die Systemgrenzen des Untersuchungsgegenst<strong>and</strong>es<br />

(berücksichtigte Prozesse) sowie die R<strong>and</strong>bedingungen<br />

(z.B. Strom-Mix-Wahl, Auslastung, Lastwagenmodell)<br />

festzulegen. Nun sind aber die auftretenden<br />

Umweltbelastungen oft verschiedener Natur und somit<br />

nicht direkt vergleichbar. Um dennoch einen Vergleich zu<br />

ermöglichen, müssen die Umweltbelastungen normiert<br />

werden (entspricht dem Öko-Faktor einer Umweltbelastung).<br />

Grundlage für diese Normierung können z.B. die<br />

gesetzlich festgelegten Grenzwerte eines L<strong>and</strong>es für<br />

Schadstoffe sein. Für jede einzelne Umweltbelastung müssen<br />

in der Folge die Umweltbelastungspunkte (UBP) durch<br />

Multiplikation der Belastungen mit dem Öko-Faktor ermittelt<br />

werden. Das Ergebnis besteht aus in UBP ausgedrückten<br />

Umweltbelastungen. Je grösser dieser Zahlenwert ist,<br />

umso grösser ist auch die Umweltbelastung.<br />

<strong>Die</strong> Umweltbelastungspunkte-Methode bietet sowohl<br />

Vor- wie auch Nachteile. <strong>Die</strong> wichtigsten sind nachfolgend<br />

aufgelistet.<br />

Vorteile:<br />

– <strong>Die</strong> UBP-Methode eignet sich für Werte und Belastungen,<br />

welche gut messbar und klar definierbar sind (z.B.<br />

Cadmiumbelastung im Boden).<br />

– <strong>Die</strong> Methode ist einfach anwendbar und ermöglicht eine<br />

schnelle Abschätzung der Umweltauswirkung.<br />

Nachteile:<br />

– Gewisse umweltschädliche Einflüsse, deren Wirkung<br />

auf die Umwelt und den Menschen bisher nicht klar<br />

definiert wurden (wie z.B. Lärm), sind in der UBP-Methode<br />

nicht enthalten.<br />

– Dadurch, dass sich die Grundlage der UBP mit der Zeit<br />

ändert (Gesetzgebung, Grenzwerte), sind Langzeitvergleiche<br />

von Ökobilanzen nur mit Vorbehalten möglich.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 141


Akteure<br />

angenommen. Enthielten Transportketten Schienenstrecken<br />

im Ausl<strong>and</strong>, so wurde dieser Teil mit den Emissionsdaten<br />

des UCPTE-Mixes berechnet.<br />

Unter diesen Prämissen ist der Gütertransport auf der<br />

Schiene unabhängig von Distanz (nationale und internationale<br />

Strecken) und verwendetem Transportgefäss (Kombioder<br />

Einzelwagenladungsverkehr) deutlich – gemäss Tabelle<br />

wären es drei bis vier mal – ökologischer als derjenige auf<br />

der Strasse (vgl. Kasten 2.1.2).<br />

B<strong>and</strong>breite der heute abschätzbaren Entwicklungen<br />

Der umfassende W<strong>and</strong>el im Transportgewerbe und die sich<br />

verändernden politischen Rahmenbedingungen erschweren<br />

genaue Voraussagen über kommende Entwicklungen im<br />

Güterverkehr.<br />

Deshalb gingen wir im Sinne eines Extremszenarios davon<br />

aus, dass in den nächsten zehn Jahren die geplante<br />

Verschärfung der Abgasnormen europaweit zügig umgesetzt<br />

wird (EURO 3, 4 und 5). Ältere Fahrzeuge scheiden<br />

nach und nach aus (durchschnittliche Lebensdauer eines<br />

LKW: 10 Jahre). Zudem werden in der Schweiz Lastwagen<br />

mit 40 t statt 28 t Gesamtgewicht eingesetzt, was zu einer<br />

weiteren Reduktion des Schadstoffausstosses pro transportierte<br />

Tonne führt. Bei der Bahn hingegen werden keine<br />

substantiellen Ökoeffizienz-Steigerungen erwartet. Es wird<br />

im Gegenteil damit gerechnet, dass der UCPTE-Mix auch<br />

auf Schweizer Strecken eingesetzt wird.<br />

<strong>Die</strong>se Annahmen bedeuten bezüglich der ökologischen<br />

Transportführung für die Strasse ein «best case» Szenario<br />

und für die Bahn ein «worst case» Szenario. <strong>Die</strong> Resultate<br />

zeigen im Vergleich zur gegenwärtigen Situation eine Reduktion<br />

der Umweltbelastung pro Nettotonne transportierter<br />

Ware auf der Strasse um etwa die Hälfte und eine<br />

Zunahme derselben auf der Schiene um ebenfalls die Hälfte.<br />

<strong>Die</strong>se Entwicklung hat zur Folge, dass sich die Umweltbelastungen<br />

beider Transportmittel annähern und der Umweltvorteil<br />

der Bahn schrumpft.<br />

Aufgrund dieser Aussagen ergibt sich für die SBB Cargo<br />

folgende Schlussfolgerung: <strong>Die</strong> Schiene muss ihrem ökologischen<br />

Vorsprung Sorge tragen. <strong>Die</strong> Art der Bereitstellung<br />

des Stroms ist dabei von zentraler Bedeutung für die ökologische<br />

Qualität des Schienentransports. Darüber hinaus<br />

können Innovationen logistischer sowie technologischer<br />

Art weitere Beiträge zur nachhaltigen Sicherung einer<br />

ökoeffizienten Bahn leisten.<br />

Ein Beispiel zur UBP-Methode<br />

Als Illustration der Bewertung der Systeme Schiene und Strasse soll die Strecke Zug-Scafati (1100 km) dienen. Es werden<br />

2 Szenarien mitein<strong>and</strong>er verglichen: Ein aktuelles Szenario mit 28 t Lastwagen der Kategorie Euro 2 und dem System<br />

Schiene, welches den SBB-Strom-Mix benutzt (Szenario 1) und ein «Best-case-worst-case»-Szenario (Szenario 2) mit<br />

verbesserten Emissionswerten für den LKW (Kategorie Euro 3, 4, 5 sowie 40 t Gesamtgewicht) und einen bezüglich<br />

Umweltauswirkungen schlechteren UCPTE-Strom-Mix für die Bahn. Beim UKV (unbegleiteter Kombiverkehr) sowie<br />

WLV (Wagenladungsverkehr) sind die Anteile des LKW-Transports am Gesamttransport berücksichtigt worden.<br />

Umweltauswirkungen von Szenario 1 in UBP:<br />

Transportmittel LKW (28 t, Euro 2) WLV (mit Gleisanschluss) WLV (ohne Gleisanschluss) UKV<br />

Energieträger <strong>Die</strong>sel SBB-Mix SBB-Mix SBB-Mix<br />

Bahn 50’150 50’134 43’700<br />

LKW 170’572 1’641 2’263<br />

Total UBP 170’572 50’150 51’775 45’963<br />

Umweltauswirkungen von Szenario 2 in UBP:<br />

Transportmittel LKW (40 t, Euro 3, 4, 5) WLV (mit Gleisanschluss) WLV (ohne Gleisanschluss) UKV<br />

Energieträger <strong>Die</strong>sel UCPTE-Mix UCPTE-Mix UCPTE-<br />

Mix<br />

Bahn 59’771 59’724 50’293<br />

LKW (UBP) 82’146 1’102 1’651<br />

Total UBP 82’146 59’771 60’826 51’944<br />

Kasten 2.1.2: Ein Beispiel zur UBP-Methode. Je höher die Punktzahl, desto grösser ist die Umweltbelastung.<br />

142 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Akteure<br />

Datenlage<br />

Für die Berechnung der Umweltbelastungspunkte eines<br />

Transports mit dem Schienen- bzw. Strassensystem wurde<br />

auf zwei verschiedene Datensets zurückgegriffen. Das<br />

«Ökoinventar Transporte» (Maibach et al., 1995) verfügt<br />

über umfassende Datensätze der Emissionsfaktoren für beide<br />

Systeme. Jedoch wurden eine Reihe von Annahmen und<br />

Vereinfachungen getroffen, welche die Auflösung der Daten<br />

stark verringert. Demgegenüber lässt die Verwendung der<br />

Software «H<strong>and</strong>buch Emissionsfaktoren des Strassenverkehrs»<br />

(BUWAL, 1999) eine genauere Analyse zu. Der<br />

Nachteil dieses Datensets liegt darin, dass es nur über eine<br />

beschränkte Anzahl von Emissionsfaktoren verfügt, die fehlenden<br />

Daten wurden daher dem «Ökoinventar Transporte»<br />

entnommen.<br />

Um die beiden Datensätze zu validieren und das Ausmass<br />

des Unterschieds zu bestimmen, wurden die Umweltauswirkungen<br />

des Prozesses «Betrieb» für das System Strasse mit<br />

beiden H<strong>and</strong>büchern bestimmt. Benutzt wurden jedoch nur<br />

diejenigen Emissionsfaktoren, welche in beiden Büchern<br />

enthalten waren.<br />

Auf den Strecken innerhalb der Schweiz liegt der BU-<br />

WAL-Datensatz um einen Faktor 2 bis 3 tiefer als die Daten<br />

von Maibach et al.. Der Grund dafür liegt in der vorgenommen<br />

Mittelung der pro Kilometer durchschnittlich zurückgelegten<br />

Höhendifferenz in der Schweiz bei Maibach et al.<br />

(die BUWAL-Daten lassen eine genaue Erfassung der Höhenmeter<br />

zu). Flache Strecken (e) werden demnach bei<br />

Maibach bzgl. gefahrener Höhendifferenz über-, ausgesprochene<br />

Bergstrecken (b, c) unterbewertet. <strong>Die</strong> internationalen<br />

Strecken weisen eine <strong>and</strong>ere Charakteristik auf. Bei den<br />

ausgewählten Langstrecken (f, h) wird ein beträchtlicher<br />

Anteil der Kilometer auf der Autobahn zurückgelegt. Auf<br />

Schnellstrassen ist der Treibstoffverbrauch aufgrund der<br />

höheren Geschwindigkeit grösser. Der Datensatz von Maibach<br />

et al. geht von einem Mix aus allen Strassenklassen der<br />

Schweiz aus, welcher aber in seiner Zusammensetzung nicht<br />

dem internationalen Langstrecken-Mix entspricht. Der BU-<br />

WAL-Datensatz trägt dieser Situation besser Rechnung.<br />

2.2 LSVA und Entwicklung der<br />

Verkehrsleistung auf Schiene und<br />

Strasse<br />

<strong>Die</strong> bevorstehende Einführung der LSVA (Leistungsabhängige<br />

Schwerverkehrsabgabe) wird den ökonomischen<br />

Druck auf einen optimalen Einsatz der Lastwagen erhöhen<br />

und den Restrukturierungsprozess in der Transportbranche<br />

beschleunigen (Sommer & Neuenschw<strong>and</strong>er, 1999). <strong>Die</strong><br />

Transportunternehmen versuchen u.a. mit einer höheren<br />

Auslastung bzw. der Vermeidung von Leerfahrten, durch<br />

einen umweltfreundlicheren Fahrzeugpark mit weniger Abgaben,<br />

sowie dem Ausschöpfen von organisatorischen Synergien<br />

dem Kostendruck entgegenzutreten. Der Fahrzeugpark<br />

wird besser auf die unterschiedlichen transportierten<br />

Güter (Gewicht oder Volumen) abgestimmt. <strong>Die</strong>ser Investitionsbedarf<br />

sprengt aller Voraussicht nach die finanziellen<br />

Mittel von kleineren und mittleren Betrieben mit weniger als<br />

80 Lastwagen (Haas, 2000). Für diese bietet sich als Ausweg<br />

entweder den Anschluss an ein grösseres Unternehmen oder<br />

die Spezialisierung auf Nischenangebote an.<br />

Vom ökologischen St<strong>and</strong>punkt her gesehen bedeutet diese<br />

Entwicklung eine Verbesserung, da durch eine höhere Auslastung<br />

und umweltfreundlichere Fahrzeuge die Emissionen<br />

pro Nettotonne Transportgut sinken. Durch den Kostendruck<br />

wird v.a. für längere Strecken eine Verlagerung auf die<br />

Schiene begünstigt. <strong>Die</strong>s reduziert den ökonomischen<br />

Druck auf den heute nur bedingt rentablen Kombiverkehr.<br />

Das Ausweichen auf kleinere Lieferwagen, um der<br />

LSVA-Abgabe zu entgehen, kann jedoch in Mehrverkehr<br />

resultieren. Darüber hinaus wird – unabhängig von den<br />

Auswirkungen der LSVA – in verschiedensten Szenarien<br />

von einem starken Wachstum der Verkehrsleistung ausgegangen,<br />

welches die von den Transporteuren schon heute<br />

spürbaren Kapazitätsengpässe auf den Strassen der Ballungsräumen<br />

noch weiter verschärfen wird (Sommer &<br />

Neuenschw<strong>and</strong>er, 1999).<br />

Tab. 2.1: Vergleich der Emissionen aus dem Strassentransport der Datensätze gemäss BUWAL (1999) und Maibach et al.<br />

(1995) für den Prozess «Betrieb».<br />

Von Zug nach:<br />

Streckenlänge<br />

in km<br />

Total UBP/Nettotonne<br />

(A: Daten nach BUWAL)<br />

Total UBP/Nettotonne<br />

(B: Daten nach Maibach et al.)<br />

a) Winterthur 50 1’722 5’265 3.1<br />

b) Vals 165 5’152 17’439 3.4<br />

c) Mendrisio 182 9’221 19’166 2.1<br />

d) Genf 290 15’017 30’540 2.0<br />

e) Genua 404 25’373 42’545 1.7<br />

f) Rotterdam 855 116’453 90’041 0.8<br />

g) Scafati 1’112 121’366 117’106 1.0<br />

h) Stockholm 2’100 346’268 221’154 0.6<br />

Faktor<br />

(B/A)<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 143


Akteure<br />

2.3 Résumé<br />

Als Diskussions-Stoff für das Güterforum konnten wir Folgendes<br />

festhalten: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann auf<br />

der Schiene deutlich ökologischer transportiert werden als<br />

auf der Strasse. Der niedrige Bahnanteil am Güterverkehr in<br />

der Region Zugersee macht deutlich, dass hier noch nicht<br />

ausgeschöpfte Optimierungsmöglichkeiten bestehen. In Zukunft<br />

wird sich der ökologische Unterschied zwischen den<br />

beiden Verkehrssystemen verkleinern. <strong>Die</strong> Forderung der<br />

Öffentlichkeit nach einer stärkeren Berücksichtigung umweltrelevanter<br />

Kriterien im Transportwesen wird den Druck<br />

auf eine verbesserte Zusammenarbeit von Schiene und Strasse<br />

und somit die Erarbeitung von vernetzten, ökologisch<br />

optimierten Transportkettenführungen erhöhen. Dabei muss<br />

von Konzepten Abst<strong>and</strong> genommen werden, die eine Nur-<br />

Strasse oder Nur-Schiene Lösung vorsehen. <strong>Die</strong> Systembetrachtung<br />

zeigt, dass bei kleiner werdendem Unterschied der<br />

Emissionen die Forderung nach dem Einsatz beider Systeme<br />

aufgrund ihrer Stärken berechtigt ist: <strong>Die</strong> Schiene übernimmt<br />

den Transport von grösseren Mengen über grössere<br />

Distanzen, während die Feinverteilung auf der Strasse erfolgt.<br />

<strong>Die</strong>se Forderung wird durch die prognostizierte stärkere<br />

Auslastung und zeitweise Überlastung der Schienenbzw.<br />

Strassenkapazität durch zusätzliches Verkehrsleistungswachstum<br />

noch weiter unterstützt.<br />

3 Akteursgruppen<br />

3.1 Einleitung<br />

Eine eingehende Ausein<strong>and</strong>ersetzung mit dem System Güterverkehr<br />

setzt die Kenntnis der Positionen und Interessen<br />

der wichtigsten Akteursgruppen und deren Beziehungen<br />

unterein<strong>and</strong>er voraus. Wir untersuchten deshalb diese Beziehungen<br />

und stellten sie in einem Akteursnetz dar (Abb.<br />

3.1). Erst das Wissen um die Zusammenhänge machte es<br />

möglich, eigene Ideen zur umweltfreundlicheren Gestaltung<br />

von Transportketten zu entwickeln und zu diskutieren.<br />

Für die Bearbeitung dieses Teils konnte neben den Informationen<br />

aus den Interviews auf zusätzliches Systemwissen<br />

aus Workshops und Vorträgen zurückgegriffen werden, in<br />

denen externe Experten Wissen zu Themen wie Logistik und<br />

Entwicklungen in der Verkehrstechnik vermittelten.<br />

3.2 Akteursnetz<br />

Zum Akteursnetz im Güterverkehr der Region Zugersee<br />

gehören neun Akteursgruppen, wobei es v.a. die Strassen-<br />

Transportunternehmen, SBB Cargo, Verlader bzw. Unternehmen<br />

mit Transportbedürfnissen sowie der Kanton Zug<br />

sind, welche die Ausgestaltung des Systems definieren.<br />

<strong>Die</strong> H<strong>and</strong>lungen von einzelnen Akteuren in diesem System<br />

führen zu Reaktionen der <strong>and</strong>eren Akteursgruppen.<br />

Aufgrund der Analyse des Akteursnetzes konnten vier wichtige<br />

Typen von Interaktionen identifiziert werden, welche<br />

nachfolgend an Beispielen erläutert werden:<br />

– Verträge: Dazu gehört das bilaterale L<strong>and</strong>esverkehrsabkommen.<br />

– Der Bund kann für jeden einzelnen Akteur Rahmenbedingungen<br />

setzen. Dazu gehören LSVA, Alpenschutzar-<br />

Abb. 3.1: Akteursnetz.<br />

144 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Akteure<br />

tikel (Bundesbeschluss über den Bau der schweizerischen<br />

Eisenbahn-Alpentransversale, SR 742.104) und<br />

der Service Publique im Personen- bzw. Schienengüterverkehr.<br />

– Vergeben die verladenden Unternehmen Transportaufträge,<br />

so können sowohl Strassentransporteure wie auch<br />

SBB Cargo oder Privatbahnen die Nutzniesser sein. Im<br />

Kombi-Verkehr treten die Schienen- und Strassentransporteure<br />

dabei als Partner auf, welche einen Auftrag<br />

gemeinsam abwickeln.<br />

– Auf der <strong>and</strong>eren Seite bewerben sich sowohl die Schienen-<br />

wie auch die Strassenunternehmen als Konkurrenten<br />

um dieselben Aufträge. Im Gegensatz zu dieser Art<br />

von Konkurrenz besteht auch eine Konkurrenz um die<br />

Benutzungsrechte der Infrastruktur (beispielsweise zwischen<br />

SBB Cargo und SBB-Personenverkehr). Ähnlichen<br />

Konflikten sind die Camionneure auf der Strasse<br />

ausgesetzt. Sie stehen in Konkurrenz mit dem Personenindividualverkehr<br />

um das immer knapper werdende<br />

Gut «Strasse».<br />

3.3 Interessen und Positionen der<br />

Akteure<br />

Das zentrale Ergebnis, das aus den Interviews gewonnen<br />

werden konnte ist die Erkenntnis, dass es DEN Verlader<br />

nicht gibt, ebensowenig wie DEN Transportanbieter. Jeder<br />

einzelne der beteiligten Akteure zeichnet sich durch individuelle<br />

Bedürfnisse und Anforderungen bzw. Angebote aus.<br />

Es zeigte sich aber, dass die unterschiedlichen Akteursgruppen<br />

differenzierte Stellungen zu folgenden, für die Weiterarbeit<br />

relevanten Punkten einnehmen:<br />

– regionale Logistikkonzepte,<br />

– Ausgestaltung des kombinierten Ladungsverkehr-Systems<br />

(KLV-System),<br />

– gewünschte oder benötigte Rahmenbedingungen für eine<br />

optimierte Transportkettenführung.<br />

3.3.1 SBB Cargo<br />

<strong>Die</strong> Überführung des ehemals staatlichen Betriebes in einen<br />

privaten Betrieb, sowie die Aufteilung in SBB Personenverkehr,<br />

SBB Cargo und SBB Infrastruktur haben im Grossbetrieb<br />

SBB sowohl bei den Angestellten als auch bei der<br />

Kundschaft zu Verunsicherungen geführt. Bei einem solch<br />

tiefgreifenden W<strong>and</strong>el lässt sich nicht verhindern, dass zeitweise<br />

zwei verschiedene Unternehmensstrukturen und -kulturen<br />

nebenein<strong>and</strong>er bestehen. <strong>Die</strong>se Tatsache erschwert der<br />

SBB Cargo ein einheitliches Auftreten gegenüber der Kundschaft.<br />

In diesem Umfeld kommen den Ergebnissen einer bei<br />

Kunden der SBB Cargo durchgeführten Umfrage grosse<br />

Bedeutung zu (IHA-GfM, 1999):<br />

– Image: 21% aller Teilnehmer bezeichneten SBB Cargo<br />

als zuverlässigen Partner. Des weiteren wurde die SBB<br />

Cargo mit Begriffen wie Monopolist, umweltfreundlicher<br />

Transport, Firma im W<strong>and</strong>el, unflexibel und<br />

nicht innovativ in Verbindung gebracht.<br />

Interviewte Akteure<br />

Verlader: Im Hinblick auf das Güterforum wurde hauptsächlich<br />

nach Unternehmen mit grossen Güterumschlagsvolumina<br />

gesucht. Weil möglichst alle relevanten Branchen<br />

abgedeckt werden sollten, stellten die Verlader<br />

schlussendlich die grösste Gruppe der Befragten dar.<br />

– Coop Zentralschweiz<br />

– Migros Genossenschaftsbund<br />

– Cham Paper Group<br />

– PPC Electronics<br />

– Roche Diagnostics Tegimenta AG<br />

– Ritmeyer AG<br />

– LEGO<br />

– V-Zug<br />

Transportunternehmen (Strasse und Schiene): Es wurden<br />

national und international operierende Transportunternehmen<br />

ausgewählt.<br />

– Bertschi AG<br />

– Hangartner Transporte AG<br />

– Giezendanner AG<br />

– Galliker Transporte<br />

– Kriens-Luzern-Bahn (KLB)<br />

– SBB Cargo<br />

Öffentliche H<strong>and</strong>:<br />

– Kt. Amt für öffentlichen Verkehr Zug<br />

– Kt. Amt für öffentlichen Verkehr Zürich<br />

– Generalsekretariat für Bau, Verkehr und Energie des<br />

Kt. Bern (GSBVE BE)<br />

Logistik-Berater:<br />

– Hr. Bruno Lifart<br />

Kasten 3.3: Interviewte Akteure.<br />

– Vorteile der Bahn: <strong>Die</strong> Wahl der Bahn als Transportmittel<br />

wurde mit grossen zu transportierenden Transportvolumina<br />

(45%), vorh<strong>and</strong>enen Einrichtungen wie Anschlussgeleise<br />

(12%) sowie Umweltschutz (11%) begründet.<br />

– Erwartungen: Für den Cargo-Kunden ist es wichtig,<br />

einen (persönlichen) Ansprechpartner zu haben (66%).<br />

<strong>Die</strong>s gewährleistet den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses.<br />

<strong>Die</strong> Verlader erwarten dadurch eine schnellere<br />

Abwicklung der Geschäfte und eine klare Regelung der<br />

Zuständigkeiten. Erstaunlicherweise erwartet jedoch nur<br />

etwas mehr als die Hälfte der Befragten, dass die SBB<br />

Cargo ihre Bedürfnisse kennt. <strong>Die</strong> befragten Kunden<br />

erwarten von der SBB Cargo vermehrte Angebote im<br />

Kombi-Bereich Strasse/Schiene (25%), ein verstärktes<br />

Auftreten als Logistik-Anbieter (19%), einen schnelleren<br />

Gütertransport (13%) sowie niedrigere Transportpreise<br />

(7%).<br />

Innerhalb des Unternehmens SBB AG bestehen unterschiedliche<br />

Wahrnehmungen der Situation im Güterverkehr<br />

und daraus folgend verschiedene Auffassungen bezüglich<br />

der strategischen Neupositionierung. <strong>Die</strong> zwei in persönli-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 145


Akteure<br />

chen Gesprächen mit Mitarbeitern von SBB Cargo immer<br />

wieder erwähnten Möglichkeiten sind «Konzentration auf<br />

das Kerngeschäft» und «W<strong>and</strong>el zum Gesamtlogistikanbieter».<br />

Während bei der ersten Variante die Tätigkeiten von<br />

SBB Cargo auf den Transport grosser Tonnagen über weite<br />

Strecken ausgerichtet wird, müssten bei der zweiten weitreichende<br />

Umstrukturierungen vorgenommen werden. <strong>Die</strong> Positionierung<br />

der SBB Cargo als Gesamtlogistikanbieterin<br />

würde den Ausbau der internationalen Partnerschaften und<br />

eine flächendeckende Organisation der Feinverteilung (allenfalls<br />

in Kooperation mit Strassentransport-Unternehmungen)<br />

bedingen.<br />

Als Beispiel für die Möglichkeiten, die einem Bahnanbieter<br />

im regionalen Güterverkehr offen stehen, können Privatbahnen<br />

dienen, die sich seit der Liberalisierung des Netzzugangs<br />

auf regionale und gut frequentierte Strecken spezialisiert<br />

haben und in ihrem begrenzten Einzugsgebiet einen<br />

intensiven Kundenkontakt pflegen. Neben der national bekannt<br />

gewordenen Mittel-Thurgau-Bahn (MThB), soll an<br />

dieser Stelle auf die in der Region Zugersee ansässige Kriens–Luzern-Bahn<br />

(KLB) verwiesen werden, deren Einzugsgebiet<br />

verglichen mit demjenigen der SBB Cargo verschwindend<br />

klein ist. <strong>Die</strong> Verlader (u.a. die Brauerei Eichhof<br />

und Coop Zentralschweiz) schätzen die Flexibilität der<br />

KLB und das gute Preis-/Leistungsverhältnis.<br />

Im Einzugsgebiet der KLB haben sich die Gemeinden und<br />

Vertreter der örtlichen Industrie zur Industrie-Geleise-Genossenschaft<br />

(IGG) zusammengeschlossen. <strong>Die</strong>se Genossenschaft<br />

stellt sicher, dass das wachsende Industriegebiet in<br />

Kriens über Anschlussgeleise verfügt. <strong>Die</strong> Finanzierung der<br />

Geleise basiert ausschliesslich auf Bundessubventionen<br />

(rechtliche Grundlage ist die Anschlussgeleise-Verordnung).<br />

3.3.2 Strassen-Transportunternehmer<br />

Wie für die Schienen- gilt auch für die Strassentransporteure,<br />

dass sie sich in dem Masse w<strong>and</strong>eln müssen, wie die<br />

Unternehmen Lager und Logistik auslagern. Aus diesem<br />

Grund bieten die meisten der befragten Transportunternehmer<br />

einen umfassenden Logistikservice an und sind auch<br />

international tätig. Dabei wird optimale Kundenbetreuung<br />

grossgeschrieben um unnötigen Aufw<strong>and</strong> für den Kunden<br />

zu vermeiden.<br />

Gründe, die für den Strassen-Transport sprechen, sind<br />

Erreichbarkeit der Kundschaft (Feinverteilung, Transport<br />

von Tür zu Tür), höhere Flexibilität und geringe Kosten.<br />

Im kombinierten Ladungsverkehr werden in der Regel<br />

Waren von regelmässig verkehrenden Shuttle-Zügen weitertransportiert<br />

(Shuttle-Züge fahren zu bestimmten Zeiten<br />

ohne zusätzliches Rangieren und Umladen auf offener<br />

Strecke von A nach B, z.B. Shuttle-Zug von Amsterdam<br />

nach Zürich).<br />

Obwohl die Strassen-Transporteure der Schiene Vorteile<br />

bei der Transportsicherheit und der Transportzuverlässigkeit<br />

(z.B. Einhalten der Zeitlimiten) einräumen, nehmen sie<br />

bezüglich eines Binnen-Kombiverkehr eine skeptische Haltung<br />

ein, da der Kombiverkehr erst ab einer Distanz von<br />

400-600 km rentabel zu führen sei. Auf jeden Fall soll der<br />

Vor- und Nachlauf des Bahntransports in ihrem Kompetenzbereich<br />

bleiben (also Transport per LKW). Der SBB Cargo<br />

als Gesamtlogistikanbieterin räumen sie nur geringe Chancen<br />

auf eine Steigerung ihres Marktanteils an der Feinverteilung<br />

ein.<br />

<strong>Die</strong> Zusammenlegung von Güterströmen findet laut den<br />

Transportunternehmen innerhalb der von ihnen angebotenen<br />

Logistikleistung statt (Firmeninternes Pooling). Einer<br />

firmenübergreifenden Zusammenarbeit im Rahmen von regionalen<br />

Gesamtverkehrskonzepten stehen sie skeptisch gegenüber.<br />

3.3.3 Verlader<br />

<strong>Die</strong> Verlader spielen eine zentrale Rolle im Akteursnetz. Sie<br />

müssen äusserst sensibel auf die Bedürfnisse der Kundschaft<br />

reagieren. <strong>Die</strong> Berücksichtigung marktwirtschaftlicher<br />

Trends ist überlebenswichtig und führt zu einer ständigen<br />

Optimierung der Produktionsprozesse. Zuverlässigkeit,<br />

Flexibilität und das Wissen um das H<strong>and</strong>ling der Waren sind<br />

unerlässlich. <strong>Die</strong>s hat einen direkten Einfluss auf die Logistikbedürfnisse<br />

(erhöhte Anzahl Fahrten bei sinkender Stückzahl<br />

pro Fahrt). <strong>Die</strong>se Entwicklung verläuft in einer stark<br />

dienstleistungs-, konsumgüter- und high-tech-orientierten<br />

Region besonders ausgeprägt.<br />

<strong>Die</strong> Verlader halten im Non-Food Bereich und für gut<br />

haltbare Waren im Lebensmittelbereich ein Steigerungspotential<br />

für die Schiene für möglich. Um mit der Strasse bei<br />

zeitsensitiven und transportempfindlichen Gütern konkurrieren<br />

zu können, müsste die SBB Cargo ihr Angebot erheblich<br />

verbessern.<br />

Der regionalen Zusammenlegung von Güterströmen bringen<br />

die Verlader Interesse entgegen. <strong>Die</strong> Organisation sollte<br />

jedoch von Dritten übernommen werden und ein sachgerechtes<br />

H<strong>and</strong>ling der Güter müsste sichergestellt sein. Trotz<br />

des Trends zu Gesamtlogistik-Konzepten entscheiden in<br />

den meisten Fällen die Verlader die Transportart. Selten<br />

übergibt eine Firma die gesamte Verantwortung dem Transporteur.<br />

Neben den betriebswirtschaftlichen Kriterien spielen ökologische<br />

Argumente meist eine untergeordnete Rolle. Einzelne<br />

Konsumgüter produzierende Firmen setzen den Bahntransport<br />

schon heute als Argument im Marketing ein (z.B.<br />

Migros). Im Zuge von ISO 14001 Zertifizierungsprozessen<br />

kann die Transportmittelwahl nach ökologischen Kriterien<br />

an Bedeutung gewinnen.<br />

3.3.4 Öffentliche H<strong>and</strong><br />

Neben dem Kanton Zug wurden zusätzlich zwei grössere<br />

Kantone (Bern, Zürich) befragt. Wiederholt wurde dabei die<br />

Tatsache erwähnt, dass auf Bundesebene Vorgaben zur Verlagerung<br />

des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene<br />

bestehen. Ein nationales Gesamtverkehrskonzept hingegen,<br />

welches die einzelnen Kantone und ihre Aufgaben einbinden<br />

würde, existiert nicht. <strong>Die</strong> Rolle der öffentlichen H<strong>and</strong><br />

im Gütertransport ist somit nicht klar definiert.<br />

Auf planerischer Ebene streben die Vertreter der öffentlichen<br />

H<strong>and</strong> die optimale Anschliessung der Unternehmen an<br />

die Güterströme, die Entlastung des Strassenverkehrs durch<br />

146 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Akteure<br />

Verlagerung von Transporten auf die Schiene, sowie die<br />

Koordination von Personen- und Güterverkehr, an. <strong>Die</strong>se<br />

Ziele setzen die befragten Kantone durch die Subventionierung<br />

von Anschlussgleisen, die Unterstützung innovativer<br />

Projekte (neue Umladetechniken im Kombiverkehr), die<br />

Mithilfe an der Ausarbeitung eines nationalen Verteilsystems<br />

und durch die Vermittlung zwischen den verschiedenen<br />

Akteuren im Güterverkehr um.<br />

<strong>Die</strong> Vertreter der Kantone bezeichnen die SBB Cargo als<br />

zu passiv, da sie ihrer Meinung nach in der regionalen<br />

Güterverteilung nicht eine ihrer Grösse entsprechende Rolle<br />

spielt.<br />

Laut Martin Bütikofer, Leiter des Amtes für öffentlichen<br />

Verkehr Kanton Zug, wäre der Kanton Zug bereit, innovative<br />

Projekte bezüglich einer regionalen Zusammenarbeit zu<br />

unterstützen (Martin Bütikofer, persönliche Mitteilung,<br />

16.6.2000). <strong>Die</strong> Initiative erwartet er jedoch von <strong>and</strong>erer<br />

Seite (Transporteure, Verlader). <strong>Die</strong> Verwaltung sieht er in<br />

der Rolle der Interessenvermittlerin zwischen den Akteuren.<br />

Im Gegensatz zum öffentlichen Personenverkehr soll der<br />

Güterverkehr dem freien Markt überlassen werden.<br />

Über die zukünftige Stellung der Bahn sind sich die verschiedenen<br />

Akteure nicht einig. Auf der Ebene des regionalen<br />

Güterverkehrs zeigt das Beispiel der Kriens-Luzern-<br />

Bahn gangbare Möglichkeiten v.a. im Bereich Kundeneinbindung<br />

und Zusammenarbeit mit regionalen Akteuren auf.<br />

International sind Partnerschaften mit <strong>and</strong>eren Bahngesellschaften<br />

unumgänglich.<br />

Ein effizienter kombinierter Ladungsverkehr (KLV) wird<br />

von allen Befragten unterstützt. Uneinigkeit herrscht v.a.<br />

bezüglich der räumlichen Ausdehnung des KLV-Netzes<br />

(Binnen-/Internationales Netz). <strong>Die</strong> Forderung der Verlader<br />

nach einer verstärkten Positionierung der SBB Cargo als<br />

Gesamtlogistikanbieterin wird seitens der Strassentransporteure<br />

als unrealistisch beurteilt.<br />

Ansätze für eine regionale Zusammenarbeit sind bereits<br />

vorh<strong>and</strong>en. Zu einer umfassenderen Zusammenarbeit wären<br />

die meisten Akteure bereit, falls sich die Rahmenbedingungen<br />

entscheidend ändern sollten (u.a. Kapazitätsengpässe<br />

der Infrastruktur, nationales Gesamtverkehrskonzept) und<br />

eine neutrale Stelle die Organisation übernehmen würde.<br />

Als zentraler Erfolgsfaktor wird die Kommunikation zwischen<br />

den Akteuren angesehen. Zur Zeit verläuft diese<br />

Kommunikation bei den untersuchten Unternehmungen v.a.<br />

bilateral zwischen Transporteur und Verlader. Eine Zusammenarbeit<br />

zwischen allen am Transport beteiligten Akteuren<br />

aufgrund eines vernetzten Informationsaustauschsystems<br />

findet bestenfalls in einzelnen Bereichen statt. Für das<br />

Anbieten von spezialisierten Transportleistungen gemeinsam<br />

gegründete Unternehmen wie HUPAC oder Cargo Domicil<br />

spielen dabei eine grössere Rolle als Interessenpartnerschaften<br />

wie Swiss Shippers Council 1 .<br />

3.4 Zusammenfassung der<br />

Akteurspositionen<br />

1 SSC ist eine branchenübergreifende Verladeorganisation, mit 230 Vollmitgliedern aus Industrie und H<strong>and</strong>el sowie 60 Abonnementsmitgliedern aus dem<br />

Speditions- und Transportgewerbe. Sie stellt die Interessenvertretung der Verladebedürfnisse gegenüber Politik, Transportunternehmungen, Verwaltung<br />

und Öffentlichkeit sicher.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 147


Akteure<br />

4 Das Güterforum Region Zug<br />

4.1 Das Forum als Methode<br />

Ein Diskussionsforum, bei dem die verschiedenen Akteure<br />

des Güterverkehrs Meinungen oder Vorstellungen austauschen,<br />

ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Kommunikation<br />

im Güterverkehrswesen der Region Zug. Für das<br />

Güterforum wurde das Konzept der Fokusgruppe (Dürrenberger<br />

& Behringer, 1999) in einer angepassten Form übernommen.<br />

<strong>Die</strong> klassische Fokusgruppe ist eine moderierte Gruppendiskussion<br />

mit Ausrichtung auf einen vorgegebenen Inhalt.<br />

<strong>Die</strong> Moderation folgt einem definierten Gesprächsleitfaden.<br />

Fokusgruppen eignen sich besonders gut für Marktanalysen<br />

(sog. prelaunching tests) sowie Politikberatung (z.B. Empfehlungen<br />

zu politischen Fragen). <strong>Die</strong> Teilnehmenden können<br />

durch Zufall oder – wie in unserem Fall – nach Kriterien<br />

bezüglich der Diskussionskompetenz (sog. Realgruppe)<br />

ausgewählt werden. Der Diskussionsleitfaden ist das zentrale<br />

Instrument einer Fokusdiskussion. Als Vorbereitung werden<br />

darin die Moderationshilfen definiert und die Art der<br />

Fragen für die Diskussionsführung festgelegt.<br />

Der oder die Moderierende kann verschiedene St<strong>and</strong>punkte<br />

einnehmen. Er kann in einer Fokusgruppe eine passive<br />

Gesprächsleiterrolle (bei themenorientierten Diskussionen,<br />

z.B. in der Marktforschung) oder die Rolle der<br />

Fachperson oder des aktiven Mediators (bei Konfliktthemen<br />

mit Vermittlungsbedarf, z.B. Politdiskussionen) übernehmen.<br />

In der passiven Gesprächsleiterrolle ist der oder die<br />

Moderierende keine Fachperson, sie sorgt lediglich dafür,<br />

dass die Gruppe arbeitsfähig bleibt und lenkt das Gespräch<br />

(Seifert, 1997). Bei einer Moderation durch mehrere Personen<br />

muss eine klare Kompetenzzuteilung bestehen.<br />

<strong>Die</strong> Diskussion wird protokolliert, sei es mit audiovisuellen<br />

Mitteln oder einem bzw. mehreren Protokollführenden.<br />

Anh<strong>and</strong> dieser Protokolle erfolgt die Auswertung und Weiterbearbeitung<br />

der gewonnenen Informationen.<br />

<strong>Die</strong> Anpassungen gegenüber der strengen Fokusgruppe-<br />

Methode von Dürrenberger & Behringer (1999) best<strong>and</strong>en<br />

in der Auswahl der Zielgruppe, der Themendefinition (kein<br />

definiertes Thema sondern Diskussionsanreize) und der<br />

Auswertung (Führung eines Protokolls, jedoch Verzicht auf<br />

Schlussfragebogen und Videoaufzeichnung).<br />

4.2 Ziel des «Güterforums Region Zug»<br />

Das Ziel des Güterforums war, die Kommunikation zwischen<br />

den Akteuren im Güterverkehr der Region Zug durch<br />

eine Stärkung des Kommunikationsnetzwerkes zu verbessern.<br />

Das übergeordnete Ziel war, einen Prozess in Richtung<br />

ökologischerer Transportkettenführung in Gang zu setzen.<br />

Am Güterforum, welches am 16. Juni 2000 in Zug stattf<strong>and</strong>,<br />

diskutierten die Teilnehmenden über die geographischen<br />

Grenzen des Güterverkehrs, sowie über die Möglichkeit<br />

einer regionalen Zusammenarbeit (vgl. Kasten 4.2).<br />

Am Güterforum nahmen Vertreter der vier wichtigsten<br />

Interessengruppen teil. <strong>Die</strong> Schienentransporteure waren<br />

durch je eine Person aus der Abteilung SBB-Güterverkehr-<br />

Ablauf des Güterforums<br />

Das «Güterforum Region Zug» f<strong>and</strong> am 16. Juni 2000 im<br />

Institut für Finanzdienstleistungen in Zug statt.<br />

Es nahmen vier Vertretende der verladenden Unternehmen,<br />

vier Vertretende der Transporteure und eine Person<br />

aus der kantonalen Verwaltung an der Diskussion teil. <strong>Die</strong><br />

Synthesegruppe Akteure moderierte die Diskussionsrunde,<br />

welche in zwei Themenblöcke gegliedert war. Nach<br />

einer kurzen Einführungs- und Vorstellungsrunde wurde<br />

im ersten Block das Thema «Räumliche Grenzen des Güterverkehrs<br />

in der Region Zug» diskutiert. Um das Thema<br />

einzuleiten, hatte die SBB Gelegenheit, einen Vortrag über<br />

die Visionen der SBB Cargo zu halten. Um die ökologischen<br />

Aspekte der Transportvorgänge in die Diskussion<br />

einzubringen, wurden an dieser Stelle die Ergebnisse der<br />

Ökobilanz präsentiert. Im Einzelnen wurden die Themen<br />

«Produktivitätssteigerung», «Optimierung in der Transportkettenführung»,<br />

«Joint Ventures», «Preisgestaltung»,<br />

«Kombi- und Binnenkombiverkehr», «Stellung der Bahnen<br />

und LKW im Gütertransport», «Konsumverhalten und<br />

Kundenbedürfnisse» sowie «Leerfahrten und Transporteffizienz»<br />

beh<strong>and</strong>elt. Der zweite Block beh<strong>and</strong>elte das Thema<br />

«Regionale Zusammenarbeit und Koordination im Güterverkehr».<br />

<strong>Die</strong> Diskussion wurde hier ebenfalls durch<br />

einen Vortrag zum Thema «Kapazitäten und Auslastung<br />

im Bereich Verkehrsinfrastruktur im Kanton Zug» durch<br />

die Studenten eingeleitet. Danach begann die moderierte<br />

Diskussion zwischen den Akteuren. Hier wurde über<br />

Schlagwörter wie «Staus und Überlastung der Verkehrsinfrastruktur»,<br />

«Kapazitätsengpässe», «Just-in-Time-Produktion»,<br />

«Pooling», «City-Logistik», «Frachtbörsen» sowie<br />

«LSVA» diskutiert. Beide Themenblöcke wurden zudem<br />

mit Plakaten zu den Themen «Ökologische Bewertung<br />

verschiedener Transportketten», «Komponenten einer<br />

Transportkette», «Akteure im Güterverkehr der Region<br />

Zugersee», «Positionen der Akteure» und «Güterverkehrsentwicklungstrends»<br />

illustriert. Zwischen den beiden<br />

Blöcken f<strong>and</strong> eine kurze Pause statt, welche einen zusätzlichen<br />

Meinungsaustausch zwischen den Akteuren ermöglichte.<br />

<strong>Die</strong> Teilnehmer hatten am Schluss noch Gelegenheit zu<br />

einer Feedbackrunde und zur Äusserung ihrer Meinung<br />

bzgl. des Güterforums anh<strong>and</strong> eines Feedbackposters.<br />

Kasten 4.2: Ablauf des Güterforums.<br />

Luzern und der Abteilung für Koordination von Grossprojekten<br />

SBB Cargo vertreten, die Strassenspediteure durch<br />

die Firmen Galliker Transport AG und Hangartner AG. Von<br />

Verladerseite nahmen die Firmen V-Zug AG, LEGO AG<br />

sowie die Cham Paper Group an der Veranstaltung teil. Das<br />

Amt für öffentlichen Verkehr des Kantons Zug vertrat die<br />

Interessen der öffentlichen H<strong>and</strong>.<br />

Wir stellen im Folgenden die Ergebnisse aus den wichtigsten<br />

vier Themenbereichen in Form von Thesen zum Güterverkehr<br />

in der Region Zug dar.<br />

148 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Akteure<br />

4.3 Erarbeitete Thesen<br />

These 1: «Transportieren ist Vertrauenssache»<br />

<strong>Die</strong>se Aussage mag auf den ersten Blick überraschen, ist<br />

aber von Entscheidungsträgern im Transportgeschäft, welche<br />

nicht direkt im operativen Bereich tätig sind, ein oft<br />

unterschätzter «Soft-Faktor». Der Verlader und somit auch<br />

der Transportunternehmer muss auf kurzfristige Änderungen<br />

hin – oft innert Stundenfrist – Liefervolumen und Liefertermine<br />

anpassen können. Trägt ein Transportbetrieb diesen<br />

Anforderungen Rechnung, ist die Basis für gegenseitiges<br />

Vertrauen in die Kompetenz des Geschäftspartners geschaffen.<br />

Persönliche Beziehungen beim Ein- und Ausladen<br />

der Güter (z.B. mit dem Chauffeur) sind für viele Verlader<br />

ebenfalls wichtig. Vertrauen hat viel mit Kommunikation zu<br />

tun. An zwei Beispielen soll aufgezeigt werden warum:<br />

Lieferfrist<br />

<strong>Die</strong> Kunden verlangen immer kürzere Bestell- und Lieferzeiten<br />

und Verlader können es sich nicht leisten, Kunden<br />

durch unzuverlässige Lieferungen zu verlieren. <strong>Die</strong> Ware<br />

soll schnell und unbeschadet ihren Zielort erreichen. Transportvorgänge<br />

können in der Regel schneller auf der Strasse<br />

als auf der Schiene abgewickelt werden. Strassenspediteure<br />

nennen Geschwindigkeiten von durchschnittlich 40-60<br />

km/h gegenüber etwa 14-17 km/h im internationalen Verkehr<br />

bei der Schiene. Verlader nehmen also an, dass die<br />

Bahn zu langsam und unflexibel ist und darum für kurzfristige<br />

Transport- und Auslieferaufträge nicht in Frage kommt.<br />

Bei zeitunempfindlichen Gütern und grossen Transportdistanzen<br />

ist aber die Bahn der Strasse bezüglich Preis und<br />

teilweise auch bezüglich Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit<br />

überlegen.<br />

Warengerechtes H<strong>and</strong>ling<br />

Grundsätzlich bedeutet jedes Umladen und Rangieren der<br />

Ware eine Erhöhung des Beschädigungsrisikos. Das Wissen<br />

über die Art des transportierten Gutes, die Beh<strong>and</strong>lung der<br />

Ware und geeignete Transportbehältnisse sind von ausserordentlicher<br />

Wichtigkeit für einen zuverlässigen Transport.<br />

Viele der Unternehmen in der Region Zug verfügen nicht<br />

über firmeneigene Anschlussgleise, was ein Umladen von<br />

der Schiene auf die Strasse für die Feinverteilung nötig<br />

macht. Hier sehen Verlader die Schwächen des Kombiverkehrs,<br />

speziell bei empfindlichen Gütern.<br />

Aus diesen Gründen bestehen bei ähnlichen Preis-/Leistungs-Angeboten<br />

wenig Anreize, neue Transportmöglichkeiten<br />

in Betracht zu ziehen. Es werden oft Preisnachteile in<br />

Kauf genommen, wenn dafür die Sicherheit besteht, dass die<br />

Ware zuverlässig den Abnehmer erreicht. Unter diesen Umständen<br />

ist es für neue Transportunternehmen schwierig,<br />

neue Kunden zu gewinnen. Neue Konzepte wie eine elektronische<br />

Frachtbörse finden dadurch auch wenig Anklang.<br />

These 2: «<strong>Die</strong> SBB Cargo muss sich als gesamtlogistikanbietendes<br />

Unternehmen etablieren»<br />

<strong>Die</strong> bereits erwähnten Bedürfnisse der Verlader bezüglich<br />

Flexibilität, Transportqualität und Preis stellen hohe Anforderungen<br />

an Transportunternehmen. Um jedoch konkurrenzfähig<br />

zu bleiben, müssen zusätzlich diverse Leistungen<br />

im Logistikbereich (Lagermanagement, Verpackung, Rechnungswesen,<br />

usw.) angeboten werden. Outsourcing seitens<br />

der Verlader führt dazu, dass Transportunternehmen mit<br />

einem Gesamtlogistikangebot in die Produktions- und<br />

Transportkette eingebunden werden.<br />

<strong>Die</strong>se Entwicklungen stellen die Schienengütertransport-<br />

Unternehmen vor grosse Herausforderungen. Als einem<br />

Unternehmen, das sich im W<strong>and</strong>el und auf der Suche nach<br />

einer neuen Position im Transportmarkt befindet, bieten sich<br />

der SBB Cargo zwei gegensätzliche Strategien an:<br />

Konzentration auf das Kerngeschäft<br />

Damit gemeint ist der Transport grosser Tonnagen (sog.<br />

«bahnaffine» Güter) über weite Strecken. <strong>Die</strong> Feinverteilung<br />

wird Privatbahnen und Strassentransporteuren überlassen.<br />

Gesamtlogistikanbieter kaufen im Kombi-Bereich<br />

Transportdienstleistungen auf der Schiene bei der SBB Cargo<br />

ein. <strong>Die</strong>se Variante bietet den Vorteil, dass sie kompatibel<br />

mit dem bestehenden Bahnsystem (Infrastruktur und Wagenmaterial)<br />

ist und der SBB Cargo aufgrund der Art der<br />

Güter durch die Strasse nur geringe Konkurrenz erwächst.<br />

Dabei geht jedoch die Kontrolle über das Feeder-System<br />

(Zulieferung bis zu den Bahnhöfen) und die Feinverteilung<br />

der Güter an die Abnehmer verloren. Kleine Margen und ein<br />

produktbedingtes, schrumpfendes Auftragsvolumen lassen<br />

für dieses Marktsegment jedoch kein überdurchschnittliches<br />

Wachstum erwarten.<br />

W<strong>and</strong>el zum Gesamtlogistikanbieter<br />

<strong>Die</strong>se Positionierung entspricht den Forderungen der Verlader.<br />

<strong>Die</strong> SBB Cargo behält und verbessert dabei sowohl den<br />

Kontakt und die Bindung zum Kunden sowie die Kontrolle<br />

über die gesamte Wertschöpfung durch den Transport. Gemäss<br />

verschiedener Prognosen wird in diesem Markt mit<br />

guten Wachstumsraten gerechnet (Ernst Basler und Partner<br />

& Jenni + Gottardi, 1999; Kaspar et al., 2000; Thierstein et<br />

al., 1999). <strong>Die</strong> Grösse der SBB Cargo kann bei der Positionierung<br />

durchaus ein Vorteil sein. Sie verfügt über eine gute<br />

Infrastruktur (Lager, fein ausgebautes Schienennetz), eingespieltes<br />

Personal und langjährige Erfahrung im Transportgewerbe.<br />

Auf der <strong>and</strong>eren Seite kann ihr Image als unflexibler<br />

Grossbetrieb neue Kunden von einem Vertragsabschluss<br />

abhalten. Zudem besteht im Bereich der Gesamtlogistikangebote<br />

eine grosse Konkurrenz von Seiten <strong>and</strong>erer<br />

Transportunternehmer (hauptsächlich Strassenspediteure).<br />

Aus dieser Situation folgern wir, dass die SBB Cargo<br />

vermehrt als Gesamtlogistikanbieter auftreten und das<br />

Kerngeschäft als integrierten Teil der Gesamtlogistik beibehalten<br />

sollte. Durch eine regionale und überregionale Zusammenarbeit<br />

mit <strong>and</strong>eren Unternehmen des Transport- und<br />

Logistikbereiches (Strasse und Schiene) kann die SBB Cargo<br />

das Feedersystem und die Feinverteilung optimieren und<br />

damit ihre Marktsegmente erweitern. Angebotene Lagermöglichkeiten<br />

können die «just-in-time»-Bedürfnisse der<br />

Kunden decken, entweder in regionalen Güterumschlagszentren<br />

oder kurzfristig in Bahnwagen, im sog. rollenden<br />

Lager. <strong>Die</strong>se zweite Variante der Lagerung wird laut SBB<br />

Cargo bei genügender Wagenkapazität vereinzelt bereits<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 149


Akteure<br />

angeboten (Marc Birchmeier, persönliche Mitteilung, Juli<br />

2000).<br />

Es ist noch nicht klar, wie breit das Angebot im Bereich<br />

Gesamtlogistik aufgebaut werden soll. SBB Cargo könnte<br />

einerseits Bahnlogistik anbieten, welche lediglich die Lagerung<br />

und den Transport der vom Kunden produzierten Güter<br />

übernimmt. Andererseits kann das Unternehmen zusätzlich<br />

auch weitere <strong>Die</strong>nstleistungen wie Palletierung, Verpackung<br />

oder Rechnungswesen anbieten. <strong>Die</strong>se Zusatzleistungen<br />

würden einen personellen sowie logistisch-organisatorischen<br />

Mehraufw<strong>and</strong> verlangen und hohe Anforderungen<br />

an die SBB Cargo stellen.<br />

These 3: «Im Transportgewerbe gilt: ökologisch<br />

sinnvoll = ökonomisch sinnvoll»<br />

Im Transportgewerbe hängt die Wirtschaftlichkeit von Grössen<br />

wie Art und Auslastung der Transportmittel, gefahrene<br />

Distanzen und Verbrauch der Fahrzeuge ab. <strong>Die</strong>s sind auch<br />

die Variablen, welche bei einer ökologischen Optimierung<br />

in Betracht gezogen werden müssen. Somit bringt eine<br />

wirtschaftliche Optimierung auch eine ökologische Verbesserung<br />

mit sich, Wirtschaftlichkeit und Ökologie stellen im<br />

Transportgewerbe keine Gegensätze dar. Verlader und<br />

Transporteure können auf der operativen Ebene durch wirtschaftlich<br />

effiziente Transportführungen Kosteneinsparungen<br />

und gleichzeitig ökologische Vorteile erzielen. Dem<br />

Faktor Ökologie wird allerdings nur solange Interesse entgegengebracht,<br />

wie die Integration in den Produktionsprozess<br />

kostenneutral erfolgen kann (Thierstein et al., 1999).<br />

Am Beispiel des Outsourcing der gesamten Logistik von<br />

Verladern an professionelle Logistikunternehmen kann das<br />

Zusammengehen von Ökonomie und Ökologie illustriert<br />

werden. Individualisierte Lieferbedingungen, komplizierte<br />

Transportketten und Zeitdruck bedeuten für die Verlader oft<br />

eine suboptimale Auslastung der Auslieferfahrzeuge und<br />

vermehrte Leerfahrten. Pooling (Zusammenlegung von Güterströmen<br />

verschiedener Verlader) erhöht die Auslastung<br />

der Fahrzeuge, sofern gemeinsame Transportwege existieren.<br />

Zudem führt dies zu einer Entlastung der Stausituation<br />

auf den Strassen.<br />

Ein optimal auf die Transportbedürfnisse abgestimmter<br />

Wagenpark, eine differenzierte Wahl des Transportmittels<br />

(Strasse/Schiene) und die Optimierung der Auslastung der<br />

Fahrzeuge erhöhen sowohl die ökonomische wie auch die<br />

ökologische Effizienz.<br />

Bei Unternehmen, welche ökologische Ziele in ihrer Unternehmensphilosophie<br />

mit eingebunden haben (z.B. Migros<br />

oder der Zuger Entsorgungsbetrieb ZEBA), besteht<br />

eine Korrelation zwischen dem angestrebten Firmen- bzw.<br />

Produktimage und den ökologischen Verpflichtungen. Solange<br />

ökologische Argumente im Transportgewerbe keine<br />

Selbstverständlichkeit geworden sind, können sich Unternehmen<br />

mit diesem «Ökofeature» profilieren und es als<br />

Marktinstrument zu ihrem Vorteil verwenden.<br />

These 4: «<strong>Die</strong> Veränderungen im Transportgewerbe<br />

machen eine verstärkte Zusammenarbeit nötig»<br />

Der Transportmarkt ist unübersichtlich und bietet aus den<br />

folgenden Gründen wenig Anreiz für die Verlader und<br />

Transporteure, den weitgehend auf der Strasse abgewickelten<br />

Gütertransport zu hinterfragen:<br />

– <strong>Die</strong> Zusammenarbeit zwischen Verladern und Transporteuren<br />

basiert auf gewachsenen Geschäftsbeziehungen.<br />

Kunden legen Wert auf engen persönlichen Kontakt,<br />

weshalb viele Verlader eine eigene Fahrzeugflotte betreiben<br />

(z.B. V-Zug).<br />

– Der Kanton Zug ist ein <strong>Die</strong>nstleistungskanton, die Gesamtmenge<br />

an Gütern ist im Vergleich zu <strong>and</strong>eren Regionen<br />

in der Schweiz klein, zudem sind viele dieser Güter<br />

nicht «bahnaffin».<br />

<strong>Die</strong> Unternehmen produzieren deshalb in der Region Zug<br />

weitgehend für den Transport auf der Strasse. Dadurch hat<br />

dieses Transportsegment in den letzten Jahren seinen Anteil<br />

am Transportvolumen vergrössert.<br />

Laut Aussagen der Strassenspediteure lohnt sich der kombinierte<br />

Ladungsverkehr (KLV) momentan kaum für Distanzen<br />

unter 450 km, die 40-Tonnen-Limite wird diese<br />

Distanz noch erhöhen. <strong>Die</strong>se Distanzangabe wird von SBB<br />

Cargo jedoch angezweifelt. Zur Abklärung dieser Frage<br />

laufen Tests im Bereich Binnenkombiverkehr, um die Möglichkeit<br />

eines nationalen Kombiverkehrs zu prüfen (KLV-<br />

CH, Ost-West-Achse). Zudem stehen technologische Erneuerungen<br />

im Wagenpark auf der Schiene (bimodale Wagen)<br />

in der Endphase von Testreihen. Aber auch wenn<br />

positive Ergebnisse erzielt werden, sind technologische Innovationen<br />

schwierig durchzusetzen, da die Investitionen in<br />

diesem Bereich sehr hoch sind und die Implementierung ein<br />

langwieriger Prozess ist.<br />

Trotz der grossen Konkurrenz im Transportgewerbe spielen<br />

die Preise in der Regel eine untergeordnete Rolle. <strong>Die</strong>s<br />

trifft v.a. bei «teuren» Gütern (z.B. Haushaltselektronik) zu.<br />

Hier machen die Transportkosten nur einen verschwindend<br />

kleinen Anteil der Gesamtkosten aus. Ausgenommen davon<br />

sind die klassischen bahnaffinen Güter, wie z.B. Kies.<br />

Zur Zeit beschleunigen Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

den W<strong>and</strong>el im Transportbereich noch<br />

zusätzlich. <strong>Die</strong> Einführung der LSVA, die schrittweise Erhöhung<br />

der Gewichtslimite auf 40-Tonnen sowie die Liberalisierung<br />

des Schienennetzzugangs werden das Verhältnis<br />

zwischen Schienen- und Strassentransport verändern.<br />

Vor dem Hintergrund der heutigen Gütertransportstruktur<br />

und der bisherigen Entwicklung rechnen Fachleute aus dem<br />

Transportgewerbe damit, dass das Schienen- und Strassennetz<br />

schon in naher Zukunft an seine Kapazitätsgrenzen<br />

stossen wird. Gründe dafür sind ein hoher Leerfahrtenanteil,<br />

Bevorzugung des Personenverkehrs gegenüber dem Güterverkehr<br />

auf der Schiene, Just-in-time-Management, Kapillarisierung<br />

von Güterströmen, Zersiedelung und Auslagerung<br />

von Produktionsprozessen. Es ist absehbar, dass sich<br />

die Kapazitätsprobleme in Ballungszentren und Transit-<br />

Korridoren zuerst manifestieren werden. Für den Wirtschaftsraum<br />

Zürich beispielsweise wird bis 2010 mit einem<br />

Zuwachs der Verkehrsleistung um 65% für die Strasse bzw.<br />

37% für die Schiene gerechnet (Ernst Basler + Partner &<br />

150 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Akteure<br />

Jenni + Gottardi, 1999). <strong>Die</strong> Kapazitätsgrenze der Transportsysteme<br />

hat bei der Wahl des Transportmittels durch die<br />

Verlader bzw. Transporteure bis jetzt eine geringe Bedeutung.<br />

<strong>Die</strong>s wird sich in Zukunft jedoch verändern. Schon<br />

heute werden die Staukosten auf rund 750 Mio. bis 1.2 Mrd.<br />

Fr. pro Jahr geschätzt (Keller, Iten, Aebi & Frick, 1998).<br />

Staus auf der Strasse führen zu Zeitverlusten, Betriebs-,<br />

Umwelt- und Unfallkosten sowie höheren Produktionskosten<br />

für die verladende Wirtschaft (z.B. grösserer Fahrzeugpark).<br />

Der steigende Druck von aussen, die sich verändernden<br />

Rahmenbedingungen und das vermehrte Stauaufkommen<br />

werden dazu führen, dass sowohl alternative Transportarten<br />

erprobt werden, als auch eine verstärkte regionale Zusammenarbeit<br />

zwischen den Akteuren im Transportmarkt mit<br />

dem Ziel einer besseren Auslastung der Warentransporte<br />

angestrebt wird.<br />

Am Güterforum wurde ersichtlich, dass bisher die Anpassung<br />

an die sich verändernden Marktbedingungen lediglich<br />

innerhalb der bilateralen Beziehungen zwischen Verladern<br />

und Transporteuren stattgefunden hat, ohne Gesamtverkehrs-<br />

oder Gütertransportkonzepte mit einzubeziehen.<br />

5 Ausblick<br />

5.1 H<strong>and</strong>lungsoptionen<br />

Aus den im obigen Abschnitt erläuterten vier Thesen lassen<br />

sich folgende H<strong>and</strong>lungsoptionen und Empfehlungen an die<br />

Akteure ableiten:<br />

SBB Cargo<br />

Operative Entscheide müssen sich an marktwirtschaftlichen<br />

Kriterien orientieren. <strong>Die</strong> Erfüllung ökologischer Kriterien<br />

darf dabei allerdings nicht vernachlässigt werden. Ökologie<br />

kann als zusätzliches, jedoch nicht als einziges Verkaufsargument<br />

eingesetzt werden. Konkurrenzfähige Angebote im<br />

Kombi-Verkehr bedingen Innovationen wie z.B. neue Beund<br />

Entladungstechniken, die Sicherstellung einer schnellen<br />

Zustellung und Flexibilität in der Entgegennahme von<br />

verschieden grossen Auftragsvolumen. Bei all diesen Vorgängen<br />

kommt der Kommunikation nach Aussen wie auch<br />

innerhalb des Unternehmens eine grosse Bedeutung zu.<br />

Transporteure<br />

Um die bestehenden ökologischen Potentiale optimal ausnutzen<br />

und den drohenden Kapazitätsengpässen ausweichen<br />

zu können, wird für die Transporteure die Notwendigkeit<br />

bestehen, ihr bis anhin hauptsächlich intern betriebenes<br />

Pooling auszuweiten und eine umfassendere Zusammenarbeit<br />

mit externen Stellen anzustreben. Zum einen können<br />

Güterströme mit dem Kombi-Verkehr über längere Distanzen<br />

auf die Schiene verladen werden und zum <strong>and</strong>eren<br />

Güterumschlagsplätze in Ballungszentren eingerichtet werden.<br />

Von dort aus kann die Versorgung durch Sammelfahrten<br />

koordiniert werden.<br />

Verlader<br />

Eine regionale Zusammenarbeit zwischen den Akteuren<br />

kann zur Verminderung von Staus und den damit verbundenen<br />

Verspätungen im Gütertransport beitragen. Dadurch<br />

können die Verlader Kosten reduzieren und gleichzeitig von<br />

einem ökologischen Image profitieren. <strong>Die</strong> Einbringung<br />

ihrer Interessen und Bedürfnisse sowie die Kommunikation<br />

der eigenen Spielräume bei den Transporteuren sind wichtige<br />

Schritte in diese Richtung, da Märkte oft durch die<br />

Kundenbedürfnisse gesteuert werden.<br />

Öffentliche H<strong>and</strong><br />

Zunehmende Kapazitätsengpässe zwingen die staatlichen<br />

und kantonalen Stellen, im Interesse der Allgemeinheit<br />

Prioritäten für die Benutzung der Strassen- und Schieneninfrastruktur<br />

zu setzen. <strong>Die</strong> Priorität des Personenschienenverkehrs<br />

und der Leistungsauftrag an die SBB Cargo sind<br />

Aufträge aus der öffentlichen H<strong>and</strong>. <strong>Die</strong> Verkehrsinfrastruktur<br />

wird von dieser Stelle bereitgestellt. Deshalb ist die<br />

Mitsprache der öffentlichen H<strong>and</strong> in den Diskussionen um<br />

den Güterverkehr von grosser Wichtigkeit. Der Ausbau des<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 151


Akteure<br />

öffentlichen Verkehrs, Verlagerung von Gütertransporten<br />

auf die Schiene und die Bündelung der Ströme in den<br />

Ballungszentren werden eine zentrale Stellung einnehmen.<br />

Der Kanton kann eine aktive Vermittlerrolle übernehmen,<br />

indem er eine Kommunikationsplattform anbietet und moderiert.<br />

<strong>Die</strong> öffentliche H<strong>and</strong> eignet sich bestens dazu, da sie<br />

einen neutralen Charakter hat und bei den Akteuren im<br />

Allgemeinen ein hohes Ansehen geniesst.<br />

5.2 Fazit<br />

Aus der Ausein<strong>and</strong>ersetzung mit dem Thema Güterverkehr<br />

in der Region Zugersee kann geschlossen werden, dass<br />

Vertrauen und persönliche Beziehungen im Transportgewerbe<br />

ausserordentlich wichtig sind. Kommunikation ist<br />

eine notwendige Grundlage dafür. Das Güterforum erwies<br />

sich als erster Schritt für eine Intensivierung dieser Kommunikation.<br />

Zwar wurden inhaltlich keine Entschlüsse gefasst,<br />

jedoch f<strong>and</strong>en erste Kontakte zwischen allen Beteiligten<br />

statt. Das Feedback der Teilnehmer fiel positiv aus, und es<br />

hat sich gezeigt, dass Veranstaltungen in dieser Form einen<br />

gangbaren Weg in Richtung einer engeren Zusammenarbeit<br />

darstellen (vgl. Kasten 5.2).<br />

Es sind jedoch weitere Schritte nötig, um in Zukunft einen<br />

ökologischeren Gütertransport zu erzielen. Wer dazu die<br />

Verantwortung übernehmen soll, ist unklar, hier könnte die<br />

öffentliche H<strong>and</strong> eine aktive Vermittlerrolle übernehmen.<br />

<strong>Die</strong> sich in Zukunft ändernden Rahmenbedingungen werden<br />

auf jeden Fall genügend Anreize für die Diskussion von<br />

neuen Konzepten im Güterverkehr schaffen.<br />

«Güterforum Zug»: Erkenntnisse für die SBB Cargo<br />

<strong>Die</strong> Diskussionsrunde in der Form eines Güterforums war<br />

für alle Anwesenden eine interessante Möglichkeit, sich<br />

mit <strong>and</strong>eren «Akteuren» aus dem Transportgewerbe auszutauschen.<br />

Es war für alle Beteiligten wertvoll, an einem<br />

Tisch zu sitzen und die verschiedenen Positionen zu erfahren.<br />

Am konkreten Fall «Güterverkehr in der Region Zug»<br />

traten die unterschiedlichen Haltungen und Stärken der<br />

einzelnen Akteure klar zutage. Beide Transportmittel,<br />

Schiene und Strasse, haben ihre Berechtigung. Im konkreten<br />

Fall zeigt sich nicht nur Konkurrenz, sondern auch, dass<br />

sich die beiden Transportmittel ergänzen können und sogar<br />

aufein<strong>and</strong>er angewiesen sind.<br />

<strong>Die</strong> «alte» SBB wurden in Umfragen immer wieder mit<br />

negativen Begriffen wie «Monopolist», «unflexibel» und<br />

«nicht innovativ» in Verbindung gebracht. Der W<strong>and</strong>el<br />

vom staatlich kontrollierten Bahnunternehmen zu einer<br />

eigenständigen Bahnunternehmung ermöglicht der SBB<br />

Cargo nun, sich neu zu positionieren. <strong>Die</strong> Entwicklung der<br />

SBB Cargo zielt in Richtung eines diversifizierten, wettbewerbsfähigen,<br />

technologisch basierten, europäischen Logistikunternehmens.<br />

Dabei werden wir uns auf drei Punkte<br />

konzentrieren:<br />

– Produktivitätssteigerungen (Ökologie allein hilft nicht),<br />

– Verbesserung des Kundenservices,<br />

– W<strong>and</strong>el zum Logistikunternehmen mittels Allianzen.<br />

<strong>Die</strong> Verbesserung des Kundenservices und der W<strong>and</strong>el<br />

zum Gesamtlogistikanbieter sind zwingende Schritte für<br />

Kasten 5.2: Güterforum Zug.<br />

die Bahnen. Denn um als Transporteur berücksichtigt zu<br />

werden, muss ein Vertrauensverhältnis zwischen Verlader<br />

und Transporteur hergestellt werden (auch dies zeigte sich<br />

auf dem Güterforum). <strong>Die</strong>ses Vertrauensverhältnis wird<br />

beim LKW viel schneller erreicht, weil die Ware nicht<br />

«anonym» reist, sondern von einem Menschen begleitet<br />

wird. Beim Bahntransport ist dieses Vertrauen viel weniger<br />

oder gar nicht vorh<strong>and</strong>en. Nach der Spedition einer Bahnsendung<br />

geht diese in die Hände der Bahnen über; es<br />

besteht keine Gewissheit, wo sich die Sendung befindet<br />

und wie sie beh<strong>and</strong>elt wird. <strong>Die</strong>se Ungewissheit verstärkt<br />

sich im internationalen Verkehr, da die Zusammenarbeit<br />

mit <strong>and</strong>eren europäischen Bahnen nicht überall optimal ist.<br />

<strong>Die</strong> SBB Cargo wird auch als Gesamtlogistikanbieterin<br />

ihr Kerngeschäft als integrierten Teil der Gesamtlogistik<br />

beibehalten. Durch eine regionale und überregionale Zusammenarbeit<br />

mit <strong>and</strong>eren Unternehmen des Transportund<br />

Logistikbereiches (Strasse und Schiene) besteht die<br />

Möglichkeit, das Feedersystem und die Feinverteilung zu<br />

optimieren. <strong>Die</strong> «just-in-time» Bedürfnisse der Kunden<br />

lassen sich durch angebotene Lagermöglichkeiten decken,<br />

entweder in regionalen Güterumschlagszentren oder kurzfristig<br />

in Bahnwagen, im sog. rollenden Lager. Auf diese<br />

Weise kann die SBB Cargo ihre Marktsegmente erweitern.<br />

Für mich war das «Güterforum Zug» eine gewinnbringende<br />

Erfahrung. <strong>Die</strong>se Veranstaltungs-Form möchte ich<br />

bei nächster Gelegenheit anwenden, wenn es darum geht,<br />

an einem Tisch verschiedene Haltungen und Ansichten zu<br />

diskutieren und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.<br />

Markus Siegenthaler, SBB Cargo<br />

152 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Akteure<br />

Literatur<br />

Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft (BUWAL) (1999).<br />

H<strong>and</strong>buch Emissionsfaktoren des Strassenverkehrs. Bern: BU-<br />

WAL.<br />

Dürrenberger, G. & Behringer, J. (1999). <strong>Die</strong> Fokusgruppe in<br />

Theorie und Anwendung. Stuttgart: Akademie für Technikfolgenabschätzung<br />

in Baden-Württemberg.<br />

Ernst Basler + Partner AG & Jenni + Gottardi (1999). Verkehrsentwicklung<br />

im Kanton Zürich bis 2025 (Grundlagenbericht). Zürich:<br />

Amt für Verkehr des Kantons Zürich.<br />

Haas, E. (2000, 19.07.). Transpörtler ändern ihre Geschäftsstrategie.<br />

Tages-Anzeiger, S. 19.<br />

IHA-GfM. (1999). Kundenbefragung der SBB Cargo. Hergiswil:<br />

IHA-GfM.<br />

Kaspar, C., Laesser, C. & Meister, J. (2000). Verladeverhalten<br />

(Berichte des NFP 41 «Verkehr und Umwelt» Bericht B1). Bern:<br />

EDMZ.<br />

Keller, M., Iten, R., Aebi, C. & Frick, R. (1998). Staukosten im<br />

Strassenverkehr (Schlussbericht). Bern: ASTRA.<br />

Maibach, M., Peter, D., Seiler, B., Schreyer, C., Lautner, M. &<br />

Zanola, V. (1995). Ökoinventar Transporte. Zürich: INFRAS.<br />

Seifert, J. W. (1997). Visualisieren, Präsentieren, Moderieren.<br />

Offenbach: Gabal.<br />

Sommer, H. & Neuenschw<strong>and</strong>er, R. (1999). <strong>Die</strong> verkehrlichen<br />

Auswirkungen des bilateralen L<strong>and</strong>verkehrsabkommens zwischen<br />

der Schweiz und der Europäischen Union auf den Strassen- und<br />

Schienengüterverkehr (GVF-Bericht 2/99). Bern: EDMZ.<br />

Thierstein, A., Schnell, K.-D. & Schwegler, U. (1999). Unternehmensstrategien<br />

und Güterverkehr. Wirkungen und Zusammenhänge<br />

– gezeigt am Beispiel der Region Zug (Berichte des NFP 41<br />

«Verkehr und Umwelt» Bericht B3). Bern: EDMZ.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 153


Szenarien – Bahn und Umwelt<br />

Autoren:<br />

Christian Holzner<br />

Márton Varga<br />

Aufbauend auf den Ergebnissen<br />

der Arbeitsgruppe Szenarien:<br />

Pascal Benkert<br />

Annina Geret<br />

Christian Holzner<br />

Markus Niedermair<br />

Kuno Strassmann<br />

Márton Varga<br />

Bernhard Weber<br />

Martin Weymann<br />

Jenny Oswald (Tutorin)<br />

Susanne Ulbrich (Tutorin)<br />

Erstellt in Zusammenarbeit mit<br />

Peter Hübner (SBB BahnUmwelt-<br />

Center) und Walter Moser (SBB<br />

Generalsekretariat)<br />

Inhalt<br />

1. Wirtschaftlichkeit und ökologische Leistung 157<br />

2. Formative Szenarioanalyse Schritt für Schritt 158<br />

3. Vier Szenarien in Wort und Bild 166<br />

4. Schmilzt der ökologische Vorsprung der Schiene? 170<br />

5. <strong>Die</strong> Szenarien in ihrem Kontext 176<br />

6. Was konnten wir aus Szenarien und Bewertung lernen? 177<br />

7. Und wie weiter? 178


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Zusammenfassung<br />

Rasche Veränderungen in Politik,<br />

Wirtschaft, Gesellschaft und Technik<br />

stellen heute neue Anforderungen an<br />

die Bahnen, eröffnen aber auch neue<br />

Möglichkeiten. Das Unternehmen<br />

SBB AG befindet sich in einem Umstrukturierungsprozess.<br />

Unter diesen<br />

Voraussetzungen hat sich die Arbeitsgruppe<br />

Szenarien mit der Frage befasst,<br />

wie sich die SBB AG zukünftig<br />

wirtschaftlich erfolgreich entwickeln<br />

und dabei ökologisch aktiv bleiben<br />

kann.<br />

Um Zukunftsbilder für das Unternehmen<br />

zu erarbeiten, wurde in Zusammenarbeit<br />

mit Vertretern der SBB<br />

AG eine formative Szenarioanalyse<br />

durchgeführt. Dabei ging es auch darum,<br />

der SBB AG die Möglichkeiten<br />

dieses Planungsinstruments zu demonstrieren.<br />

Aus der Arbeit resultierten<br />

vier Szenarien. In einer ökologischen<br />

Bewertung wurden die Umweltauswirkungen<br />

des Schienen- und<br />

des Strassenverkehrs in den verschiedenen<br />

Szenarien quantifiziert.<br />

<strong>Die</strong> Bewertung zeigt, dass die Strasse<br />

den ökologischen Vorsprung der<br />

Bahn aufholen kann. Bei der Entwicklung<br />

der Umweltauswirkungen bestehen<br />

grosse Unterschiede zwischen<br />

Personen- und Güterverkehr. Für die<br />

Luftschadstoff-Emissionen der Bahn<br />

ist die Herkunft des Antriebstroms<br />

von grosser Bedeutung.<br />

Aus den Szenarien wird ersichtlich,<br />

dass für den wirtschaftlichen Erfolg<br />

der SBB eine aktive Gesamtstrategie<br />

massgebend ist: Im Güterverkehr<br />

müssen neue Marktsegmente akquiriert<br />

werden, eine Kooperation mit <strong>and</strong>eren<br />

Transportunternehmen ist unerlässlich.<br />

Umweltanstrengungen sind<br />

nicht als Belastung, sondern als Investitionen<br />

in die Zukunft zu bewerten:<br />

Eine klare ökologische Position kann<br />

auf dem Markt von morgen hohen Ertrag<br />

bringen.<br />

Keywords: Szenarioanalyse, entscheidungsorientiertes<br />

System, Planung,<br />

Unternehmensentwicklung,<br />

ökologischer Wettbewerb, Umweltauswirkungen,<br />

Ökologie als Marketinginstrument.<br />

Résumé<br />

Les changements rapides observés aujourd’hui<br />

dans la politique, l’économie,<br />

la société et la technique lancent<br />

aux chemins de fer de nouveaux défis<br />

au même titre cependant que de nouvelles<br />

chances. L’entreprise CFF SA<br />

se trouve dans une phase de restructuration.<br />

Dans ce contexte, le groupe de<br />

travail Scénarios s’est penché sur la<br />

question comment la CFF SA pourra<br />

se développer économiquement avec<br />

succès et continuer à jouer la carte<br />

écologique.<br />

Afin d’élaborer des projets d’avenir<br />

pour la CFF SA, une analyse de scénario<br />

formative a été réalisée en collaboration<br />

avec des représentants de l’entreprise.<br />

Il s’agissait également de<br />

démontrer à la CFF SA les possibilités<br />

de cet instrument de planification.<br />

Quatre scénarios résultèrent de ce travail.<br />

Dans une évaluation écologique,<br />

l’impact sur l’environnement du<br />

transport ferroviaire et routier a été<br />

quantifié à l’aide de divers scénarios.<br />

L’évaluation montre que la route<br />

peut rattraper l’avance écologique du<br />

train. L’évolution des effets sur l’environnement<br />

met en évidence l’écart important<br />

qui existe entre le transport de<br />

personnes et celui de march<strong>and</strong>ises.<br />

Pour les émissions des produits de pollution<br />

atmosphériques du train, l’origine<br />

de l’énergie de propulsion revêt<br />

une importance capitale.<br />

Les scénarios montrent sans équivoque<br />

à quel point une stratégie globale<br />

active est déterminante pour le succès<br />

commercial de la CFF SA: il faut prospecter<br />

de nouvelles parts de marché<br />

dans le trafic de march<strong>and</strong>ises; une<br />

coopération avec les autres entreprises<br />

de transport est une nécessité absolue.<br />

Les efforts relatifs à l’environnement<br />

ne doivent pas être évalués comme<br />

une charge mais comme un investissement<br />

dans l’avenir: une prise de position<br />

franchement écologique peut se<br />

traduire en un haut rendement dans le<br />

marché de demain.<br />

Mots-clés: analyse de scénario, planification,<br />

développement de l’entreprise,<br />

compétition écologique, effets<br />

sur l’environnement, écologie comme<br />

instrument de marketing.<br />

Summary<br />

Rapid changes in politics, economy,<br />

society <strong>and</strong> technology set new dem<strong>and</strong>s,<br />

but also bear new possibilities<br />

for the railway. The company SBB<br />

AG is in the process of re-structuring<br />

itself. On this prerequisite, the studyteam<br />

Scenarios analyzed how the<br />

SBB AG can undergo a successful<br />

development economically while remaining<br />

active environmentally in the<br />

future.<br />

In order to establish future scenarios,<br />

a formative scenario analysis was<br />

conducted in co-operation with representatives<br />

of the SBB AG. One of the<br />

goals was to show the SBB AG the<br />

possibilities of this planning instrument.<br />

This study resulted in four scenarios.<br />

An environmental assessment<br />

quantified the environmental impacts<br />

of rail <strong>and</strong> road traffic within the various<br />

scenarios.<br />

The assessment shows that the road<br />

might catch up with the rail’s environmental<br />

lead. The development of environmental<br />

impacts demonstrates large<br />

differences between passenger <strong>and</strong><br />

freight traffic. Regarding the rail’s<br />

emission of air pollutants, the type of<br />

power source is of significant importance.<br />

The scenarios demonstrate that an<br />

active strategy is important for SBB’s<br />

economic success: in the realm of<br />

freight traffic, new market segments<br />

have to acquired; co-operating with<br />

other transport companies is imperative.<br />

Environmental efforts are not to<br />

be seen as a burden, but as an investment<br />

in the future: a clear-cut environmental<br />

position can yield high profits<br />

in tomorrow’s markets.<br />

Keywords: scenario-analysis, decision-oriented<br />

system, planning, management<br />

development, environmental<br />

competition, environmental impact,<br />

environment as marketing instrument.<br />

156 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

1 Wirtschaftlichkeit und<br />

ökologische Leistung<br />

Mit der Bahnreform haben die Schweizerischen Bundesbahnen<br />

den grössten Umstrukturierungsprozess in ihrer Geschichte<br />

begonnen. Von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt<br />

des Bundes muss sich die neu geschaffene SBB AG rasch zu<br />

einem selbständigen Unternehmen im europäischen Transportmarkt<br />

entwickeln.<br />

Neben den Bahngesellschaften wird europaweit eine ganze<br />

Reihe von staatlichen Monopolbetrieben privatisiert. Der<br />

sich öffnende Strommarkt und das Telekommunikations-<br />

Business könnten als gewinnbringende neue Geschäftssparten<br />

auch für die Bahnen interessant sein.<br />

Andererseits verschärft sich der Wettbewerb zwischen der<br />

Bahn und den übrigen Verkehrsmitteln. An einem Symposium<br />

der europäischen Verkehrsminister wurden dafür der seit<br />

dem Fall des Eisernen Vorhangs explosionsartig angestiegene<br />

H<strong>and</strong>el und neue Trends in der Güterproduktion verantwortlich<br />

gemacht (Grubert, 1999): <strong>Die</strong> industrielle Produktion<br />

wird zunehmend in Länder mit niedrigerem Lohnniveau<br />

verlagert, was neuen Transportbedarf über weite Strecken<br />

generiert. Gleichzeitig verändert sich aber auch die Art<br />

der zu transportierenden Güter. Anstelle der sogenannten<br />

«bahnaffinen» Rohstoffe werden immer mehr empfindlichere<br />

Halbfertig- und Fertigprodukte transportiert. <strong>Die</strong> örtlich<br />

und zeitlich eingeschränkte Flexibilität der Bahnen<br />

verstärkt die Konkurrenz durch <strong>and</strong>ere Verkehrsmittel zusätzlich.<br />

<strong>Die</strong> Gesellschaft stellt immer grössere Ansprüche an die<br />

Verkehrsmittel: Der Wunsch nach höherer Geschwindigkeit<br />

stellt Bahnen wie auch Strassenverkehr und Luftfahrt vor<br />

grosse Herausforderungen. Auf der <strong>and</strong>eren Seite zeichnet<br />

sich ein neuer Anspruch an die Nachhaltigkeit des Verkehrs,<br />

auf eine die Umwelt weniger belastende Mobilität ab (Internationaler<br />

Eisenbahnverb<strong>and</strong> [UIC], 1997). Wie sich diese<br />

gegensätzlichen Ansprüche auf den Wettbewerb zwischen<br />

den Verkehrsträgern auswirken, ist zur Zeit schwer abzuschätzen.<br />

Von der technischen Seite her begrenzt die Langlebigkeit<br />

von Infrastruktur und Rollmaterial die Fähigkeit der Bahnen,<br />

sich schnellen Trendänderungen anzupassen. In den<br />

nächsten Jahrzehnten werden die Eisenbahnprojekte NEAT<br />

(s. a. Kasten 1.1 im Kap. Unterwegs zu einem nachhaltigen<br />

Güterverkehr?), Bahn 2000 und die Anbindung an das<br />

europäische Hochgeschwindigkeitsnetz die Netzentwicklungspolitik<br />

der SBB AG bestimmen (SBB AG, 2000b).<br />

Fragestellungen<br />

– Kann die SBB AG ihre Marktanteile halten oder sogar<br />

ausbauen und gleichzeitig ihre Umweltleistung beibehalten<br />

oder verbessern?<br />

– Welches sind Schlüsselbereiche für unternehmerischen<br />

Erfolg und für ökologische Qualität?<br />

Kasten 1: Fragestellungen der Synthesegruppe Szenarien.<br />

Unter diesen Rahmenbedingungen muss sich das neue<br />

Unternehmen SBB AG im europäischen Transportmarkt<br />

positionieren. <strong>Die</strong>se Rahmenbedingungen liegen auch unserer<br />

Arbeit zugrunde, in der verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten<br />

der SBB AG aufgezeigt werden sollen. Das Zentrum<br />

der Untersuchungen bilden Fragestellungen an der<br />

Schnittstelle von Ökonomie und Ökologie, denen sich die<br />

Bahnen der Schweiz im Rahmen ihrer strategischen Planung<br />

gegenübergestellt sehen (vgl. Kasten 1).<br />

Zur Analyse wurde die Szenario-Technik eingesetzt, ein<br />

innovatives Planungsinstrument, das seit den 1970-er Jahren<br />

von einer Vielzahl von Unternehmen bei der langfristigen<br />

Planung verwendet wird. Eine Zusammenstellung namhafter<br />

Beispiele findet sich in Götze (1993). Um unternehmensspezifische<br />

Chancen und Risiken rechtzeitig aufdecken<br />

und in Planungsüberlegungen einbeziehen zu können,<br />

werden mehrere Szenarien, d.h. alternative, in sich stimmige<br />

Zukunftsbilder entwickelt (Opitz, 1993). Dabei werden<br />

quantifizierbare und qualitative Einflüsse aus der Umwelt<br />

und die zwischen ihnen auftretenden Beziehungen berücksichtigt<br />

(Götze, 1993). <strong>Die</strong> Szenario-Technik formalisiert<br />

das Denken in Varianten und <strong>and</strong>ere intuitive Schritte der<br />

Planung.<br />

Ziel unserer Arbeit war, gemeinsam mit der SBB AG<br />

verschiedene Szenarien für die Entwicklung des Unternehmens<br />

in den nächsten 15 Jahren zu entwerfen. Anh<strong>and</strong> dieser<br />

Szenarien sollte anschliessend der Stellenwert der Umwelt<br />

in der strategischen Unternehmensplanung der SBB AG<br />

untersucht werden.<br />

Aufgrund der Fragestellungen wurden in den Szenarien<br />

vor allem Aussagen zum wirtschaftlichen Erfolg und zur<br />

ökologischen Leistung der SBB AG angestrebt. Beide Grössen<br />

konnten an die Entwicklung des Bahnangebotes gekoppelt<br />

werden. So entst<strong>and</strong> eine stark strategieorientierte Szenarioanalyse<br />

mit dem Schwergewicht auf unternehmensspezifischen<br />

Einflussgrössen. <strong>Die</strong> oben geschilderten Rahmenbedingungen<br />

wurden in der Szenarioanalyse nicht variiert.<br />

Es wurde davon ausgegangen, dass sich ihr Einfluss bis<br />

2015 kaum verändern wird. Eine Ausnahme bildet der Faktor<br />

Verkehrspolitik: Hier bleibt abzuwarten, ob die leistungsabhängige<br />

Schwerverkehrsabgabe tatsächlich ihre gewünschte<br />

Lenkungswirkung entfalten wird.<br />

<strong>Die</strong> Rolle der Politik als Regulierungsinstanz im Verkehrsmarkt<br />

wird zur Zeit auf nationaler und internationaler<br />

Ebene intensiv diskutiert. Während der UIC (1997) weiterhin<br />

an der Umsetzung der Richtlinien der EU (91/440) zur<br />

Privatisierung der nationalen Bahngesellschaften festhält,<br />

kritisiert Peter Füglistaler, Generalsekretär der SBB AG, im<br />

Jahrbuch der Schweizerischen Verkehrswissenschaftlichen<br />

Gesellschaft die Auswirkungen dieser Richtlinien: <strong>Die</strong> Vielfalt<br />

der strukturellen Erscheinungsformen der privatisierten<br />

Bahnen sowie die zusätzlichen Regulierungsversuche der<br />

EU würden den freien Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern<br />

erschweren (Füglistaler, 2000). <strong>Die</strong> Verkehrsminister<br />

der europäischen Länder betonen hingegen die Wichtigkeit<br />

von Regulation im Verkehrsmarkt (Grubert, 1999): Nur<br />

so könnten wichtige Grundsätze wie eine transparente Informationspolitik<br />

gegenüber den Kunden oder eine Entwicklung<br />

in Richtung Nachhaltigkeit garantiert werden.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 157


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Das Gleichgewicht zwischen staatlicher Regulation und<br />

freiem Wettbewerb im komplexen Transportmarkt scheint<br />

nicht einfach zu finden zu sein. Gerade diese Tatsache<br />

eröffnet aber den Bahnen Möglichkeiten, durch eine konstruktive<br />

Zusammenarbeit die politischen Rahmenbedingungen<br />

für den Transportmarkt mitzugestalten.<br />

2 Formative Szenarioanalyse<br />

Schritt für Schritt<br />

2.1 Szenarioanalyse: Eine Methode der<br />

strategischen Planung<br />

<strong>Die</strong> Grundidee jeder Szenarioanalyse ist die Ermittlung der<br />

wichtigsten internen und externen Einflussfaktoren für das<br />

zu beschreibende System. So können die einzelnen Einflüsse<br />

untersucht und verborgene Beziehungen sichtbar gemacht<br />

werden. Durch die Variation der Einflussfaktoren<br />

entstehen mögliche Szenarien, die wiederum auf ihre Plausibilität<br />

oder Wünschbarkeit hin untersucht werden können<br />

(Abb. 2.1).<br />

Begreift man die Szenarioanalyse als naturwissenschaftliche<br />

Beschreibung eines Systems, so muss man sich mit der<br />

Frage nach ihrer Genauigkeit ausein<strong>and</strong>ersetzen. <strong>Die</strong> Unsicherheit<br />

einer Prognose steigt mit der Anzahl der betrachteten<br />

Alternativen: <strong>Die</strong> Szenarien dürften also allein schon<br />

wegen der Vielzahl der gleichzeitig wirkenden Faktoren<br />

nicht zur Vorhersage einer bestimmten Entwicklung verwendet<br />

werden.<br />

Unter Planungsgesichtspunkten spielt die Vorhersagekraft<br />

von Szenarien eine untergeordnete Rolle. Für den<br />

Gewinn an Freiheitsgraden, den man mit der Betrachtung<br />

von mehreren Alternativen erhält, nimmt man gerne eine<br />

grössere Unsicherheit in Kauf. <strong>Die</strong> Methode wird deshalb<br />

oft in Systemen eingesetzt, deren Entwicklung auf lange<br />

Frist nicht vorhersagbar ist, wie z.B. im Verkehrsmarkt der<br />

Schweiz. <strong>Die</strong> Szenarien bilden sinnvolle zukünftige Zustände<br />

des betrachteten Systems ab und können so den gedanklichen<br />

Spielraum der Planung erweitern.<br />

Experten oder die Planenden selbst können aus einer<br />

Szenarioanalyse neben den Szenarien auch wichtige Erkenntnisse<br />

über die Systemzusammenhänge oder die entscheidenden<br />

Grössen und Einflüsse gewinnen (Scholz &<br />

Tietje, in press). Wird die Szenarioanalyse innerhalb eines<br />

Unternehmens durchgeführt, erfüllt sie zusätzlich Funktionen<br />

des gegenseitigen Lernens und der Kommunikation<br />

(Götze, 1993):<br />

– Zur Durchführung müssen oft Grundlagen und Annahmen<br />

offengelegt werden, die sonst bei der Planung unausgesprochen<br />

blieben;<br />

– die Beschäftigung mit mehreren Alternativen vergrössert<br />

die Offenheit der Teilnehmenden gegenüber neuen Ideen<br />

und Entwicklungen;<br />

– durch die intensive Ausein<strong>and</strong>ersetzung mit der Zukunft<br />

wird das Problembewusstsein geschärft.<br />

<strong>Die</strong>s hat einen positiven Einfluss auf die Entscheidungen,<br />

die im Unternehmen getroffen werden. Götze betont auch,<br />

dass diese Vorteile durch die Beteiligung von Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern aus verschiedenen Unternehmensbereichen<br />

und durch den Einbezug der Entscheidenden vervielfacht<br />

werden können (Götze, 1993).<br />

In der Szenario-Technik wird eine Vielzahl verschiedener<br />

Ansätze verwendet (Götze, 1993). Wir bedienten uns der<br />

formativen Szenarioanalyse (Götze, 1993; Mißler-Behr,<br />

1993; Hassler & Schärli, 1996 und Scholz & Tietje, in<br />

158 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Abb. 2.1: <strong>Die</strong> formative Szenarioanalyse im Überblick. EFi<br />

= Einflussfaktoren, Aij = Ausprägungen, Sk = Szenarien.<br />

press). Ein wichtiger Best<strong>and</strong>teil dieser Variante ist die<br />

Konsistenzanalyse: Durch diese ergibt sich die Möglichkeit,<br />

die entst<strong>and</strong>enen Zukunftsbilder auf das Vorh<strong>and</strong>ensein innerer<br />

Widersprüche zu prüfen. Anwendungsbeispiele finden<br />

sich in den Berichten vergangener <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n<br />

(Zwicker & Schibli, 1996; Kästli, Krapf, Weber,<br />

Wüthrich & Weber, 1998; Schlatter, Oberholzer, Jäger,<br />

Mieg & Reutemann, 1998; Muncke & Rudolf, 1999 u.a.).<br />

2.2 Systemverständnis und<br />

Dekomposition: <strong>Die</strong> Auswahl der<br />

Einflussfaktoren<br />

Zunächst wurden die wichtigsten Systembereiche im Umfeld<br />

der SBB AG und die für die Fragestellungen relevanten<br />

Grössen bestimmt. Wir orientierten uns dabei an:<br />

– den im Rahmen früherer <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n durchgeführten<br />

Szenarioanalysen;<br />

– Berichten über die Ausgangssituation der SBB AG (Informationsdienst<br />

für den öffentlichen Verkehr [LITRA],<br />

1997 und 1998; SBB AG, 2000a);<br />

– bestehenden Untersuchungen zur Verkehrsentwicklung<br />

(St. Galler Zentrum für Zukunftsforschung [SGZZ],<br />

1994 und 1995; Arbeitsgemeinschaft prognos/Rudolf<br />

Keller AG, 1995; Bundesamt für Umwelt, Wald und<br />

L<strong>and</strong>schaft [BUWAL], 1995; Keller, Kessler & El<strong>and</strong>,<br />

1996; Sommer & Neuenschw<strong>and</strong>er, 1999);<br />

– Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung und zur wirtschaftlichen<br />

Lage in der Schweiz (Bundesamt für Statistik<br />

[BfS], 1997; SGZZ, 1998).<br />

<strong>Die</strong> Systembereiche und die relevanten Grössen wurden<br />

in einem ersten Systemmodell zusammengefügt.<br />

Daraus wurde ein vorläufiges Set von Einflussfaktoren<br />

definiert und wichtige Rahmenbedingungen identifiziert.<br />

Aufgrund der Rückmeldungen von Verkehrsexperten und<br />

Vertretern der SBB (Kasten 2.2) konnten die Definitionen<br />

der Einflussfaktoren (siehe Tab. 2.3) endgültig formuliert<br />

werden.<br />

An der Expertenbefragung beteiligte Organisationen<br />

– Professur für Mensch-Umwelt-Beziehungen, <strong>ETH</strong> Zürich<br />

– Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften,<br />

<strong>ETH</strong> Zürich<br />

– Institut für Verkehrstechnik, <strong>ETH</strong> Zürich<br />

– Ohne Organisation: Ein Architekt und Planer aus Zürich<br />

– St. Galler Zentrum für Zukunftsforschung, St. Gallen<br />

– Programmleitung NFP 41, Bern<br />

– Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr,<br />

Energie und Kommunikation (UVEK), Bern<br />

– Generalsekretariat SBB AG, Bern<br />

– Geschäftsleitung SBB AG, Bern<br />

– Division Personenverkehr SBB AG, Bern<br />

Kasten 2.2: An der Beurteilung von Systemmodell und Einflussfaktoren<br />

beteiligte Institutionen.<br />

2.3 Untersuchung der Einflüsse zwischen<br />

den Einflussfaktoren<br />

Im nächsten Schritt wurden in einer Einflussmatrix die<br />

direkten gegenseitigen Einflüsse der Einflussfaktoren bewertet<br />

(siehe Tab. 2.3). Unterschieden wurde zwischen starken,<br />

schwachen und nicht vorh<strong>and</strong>enen Einflüssen. Ein<br />

Beispiel: Der Einfluss von Strategischen Allianzen unter<br />

den Bahngesellschaften auf die Rentabilitätsentwicklung<br />

der SBB AG wurde als stark, der umgekehrte Einfluss als<br />

schwach bewertet.<br />

Durch die Bildung der Zeilen- bzw. Spaltensummen in der<br />

Einflussmatrix kann für jeden Einflussfaktor seine Aktivität<br />

(d.h. die Summe der Einflüsse, die von ihm ausgehen) bzw.<br />

seine Passivität (d.h. die Summe der Einflüsse, die auf ihn<br />

wirken) bestimmt werden. Besonders aktive Faktoren bezeichnet<br />

Mißler-Behr (1993, S. 68) auch als «treibende»<br />

Faktoren, besonders passive als «getriebene» Faktoren. Für<br />

einen Vergleich ihrer Einflussstärken lassen sich aus den<br />

Faktoren zwei Rangfolgen bezüglich ihrer Aktivität und<br />

ihrer Passivität bilden.<br />

Als Ketten der direkten Einflüsse zwischen den Faktoren<br />

entstehen indirekte Einflüsse, die erheblich von den direkten<br />

abweichen können. Um auch diese mitein<strong>and</strong>er zu vergleichen,<br />

wurde eine Matrizenmultiplikation durchgeführt<br />

(MICMAC-Analyse, vgl. Hassler & Schärli, 1996). In unserem<br />

Fall ergaben sich hierbei keine wesentlichen Änderungen<br />

in der Rangfolge der Einflussfaktoren bezüglich ihrer<br />

Aktivität und Passivität.<br />

Im System-Grid (Abb. 2.3.1) erfolgt eine graphische Darstellung<br />

von Aktivität und Passivität der Einflussfaktoren.<br />

<strong>Die</strong> Mittelwerte der Aktivitäten und Passivitäten spannen<br />

ein Fadenkreuz auf, welches vier Sektoren einer Ebene<br />

definiert:<br />

– puffernde Grössen werden wenig beeinflusst und üben<br />

selbst wenig Einflüsse aus,<br />

– aktive Grössen wirken vor allem auf <strong>and</strong>ere Grössen,<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 159


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Tab. 2.3: Ausschnitt aus der Einflussmatrix. Hier wurde bewertet, welchen direkten Einfluss die Faktoren in den Zeilen auf<br />

die Faktoren in den Spalten ausüben (Einflüsse erster Ordnung). 0 = kein direkter Einfluss, 1 = geringer direkter Einfluss,<br />

2 = starker direkter Einfluss.<br />

Einflussfaktoren<br />

Zugkraft Ökologie<br />

Verkehrspolitik<br />

Umweltpolitik<br />

Konkurrenzdruck<br />

Harmonisierung<br />

Rentabilitätsentwicklung<br />

Strategische Allianzen<br />

...<br />

Marktanteil Personenverkehr<br />

Aktivität<br />

Rang<br />

Zugkraft Ökologie 0 0 1 0 0 0 ... 1 2 6<br />

Verkehrspolitik 1 2 2 1 1 0 ... 1 8 1<br />

Umweltpolitik 1 2 1 0 0 0 ... 1 5 3<br />

Konkurrenzdruck 0 1 0 1 2 2 ... 2 8 1<br />

Harmonisierung 0 0 0 1 1 2 ... 1 5 3<br />

Rentabilitätsentwicklung 0 0 0 0 0 1 ... 0 1 7<br />

Strategische Allianzen 0 0 0 1 1 2 ... 1 5 3<br />

... ... ... ... ... ... ... ... ... ... ...<br />

Marktanteil Personenverkehr 0 1 0 0 0 0 0 ... 1 7<br />

Passivität 2 4 2 6 3 6 5 ... 7<br />

Rang 7 5 7 2 6 2 4 ... 1<br />

– passive Grössen werden stark von <strong>and</strong>eren Grössen beeinflusst,<br />

– ambivalente Grössen sind Schlüsselfaktoren: Sie erfahren<br />

ebenfalls viele Einflüsse, wirken aber auch selber auf<br />

viele <strong>and</strong>ere Faktoren.<br />

Im Anschluss an die Betrachtung der Einflüsse wurde das<br />

System auf 12 Faktoren reduziert. Dabei wurden ähnliche<br />

Faktoren zusammengefasst und solche mit sehr geringen<br />

Einflüssen weggelassen. Faktoren, die sich im Zeitraum bis<br />

2015 nur wenig verändern werden, wurden mit den übrigen<br />

Rahmenbedingungen ausserhalb des Systems festgehalten.<br />

<strong>Die</strong> stärksten Beziehungen zwischen den verbliebenen 12<br />

Einflussfaktoren wurden in einem System-Graph visualisiert<br />

(Abb. 2.3.2). Um die Übersicht zu wahren, sind gegenseitige<br />

Einflüsse mit Doppelpfeilen dargestellt; in den <strong>and</strong>eren<br />

Fällen bezeichnet die Pfeilrichtung auch die Richtung<br />

des Einflusses. So können auch aus dieser Abbildung Aktivität<br />

und Passivität der Einflussfaktoren grob abgeschätzt<br />

werden. Der gestrichelte Pfeil von Verkehrspolitik zur Umweltstrategie<br />

steht für einen starken indirekten Einfluss über<br />

den inzwischen eliminierten Faktor Umweltpolitik.<br />

2.4 Variation: «Hier wird die Zukunft<br />

gemacht...»<br />

Für jeden Einflussfaktor wurden zwei bis drei Ausprägungen<br />

formuliert. <strong>Die</strong>se möglichen Zustände der Einflussfaktoren<br />

im Jahre 2015 wurden unter Berücksichtigung vorliegender<br />

Studien zur Verkehrsentwicklung (SGZZ, 1994 und<br />

1995; Sommer & Neuenschw<strong>and</strong>er, 1999) und in Zusammenarbeit<br />

mit Peter Hübner, Leiter des SBB BahnUmwelt<br />

Centers, festgelegt (Tab. 2.4).<br />

2.5 Konsistenzanalyse: «...auf innere<br />

Widersprüche überprüft...»<br />

Jede Kombination der 12 Einflussfaktoren in ihren verschiedenen<br />

Ausprägungen bildet ein Szenario (siehe Abb. 2.1),<br />

ergibt jedoch nicht zwangsweise auch einen Sinn. In der<br />

Konsistenzanalyse wurden aus der Menge der mathematisch<br />

möglichen Szenarien (in unserem Fall rund 105’000) die<br />

widerspruchsfreien Szenarien ausgewählt.<br />

Ähnlich der Einflussmatrix wurde in einer Konsistenzmatrix<br />

die Verträglichkeit jeder Ausprägung mit allen <strong>and</strong>eren<br />

bewertet. Dabei wurde bedingende Abhängigkeit (2),<br />

160 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

1 Zugkraft Ökologie<br />

2 Verkehrspolitik<br />

3 Umweltpolitik<br />

4 Konkurrenzdruck<br />

5 Harmonisierung<br />

6 Rentabilitätsentwicklung<br />

7 Unternehmensstruktur<br />

8 Eignerstrategie<br />

9 Umweltstrategien<br />

10 Entwicklung Infrastruktur<br />

11 Optimierung Rollmaterial<br />

12 Bahninnovationen<br />

13 Mobilitätsbedürfnis<br />

14 Personenverkehrsaufkommen<br />

15 Fahrplangestaltung<br />

16 Haltestellendichte<br />

17 Komfort/Kundenservice<br />

18 Preisentwicklung Personenverkehr<br />

19 Art und Menge produzierter Güter<br />

20 Beschaffungs-, Produktions-,<br />

Verteilungsverhalten<br />

21 Güterverkehrsaufkommen<br />

22 Transportdienstleistungen Güterverkehr<br />

23 Preisentwicklung Güterverkehr<br />

24 Marktanteil Güterverkehr<br />

25 Marktanteil Personenverkehr<br />

Abb. 2.3.1: System-Grid der Einflüsse erster Ordnung. Das Bild zeigt eine Anordnung der Einflussfaktoren nach Art und<br />

Stärke ihrer direkten Einflüsse aufein<strong>and</strong>er. Einflussfaktoren oberhalb der Diagonalen üben mehr Einflüsse auf <strong>and</strong>ere<br />

Faktoren aus, als sie Wirkungen durch <strong>and</strong>ere Grössen erfahren, unterhalb der Diagonalen ist es umgekehrt.<br />

Abb. 2.3.2: System-Graph der<br />

starken Einflüsse. Er zeigt die<br />

für die weiteren Betrachtungen<br />

ausgewählten Einflussfaktoren<br />

und die starken Einflüsse zwischen<br />

ihnen. Weiss mit einem<br />

grauen Schatten sind die in die<br />

Szenarioanalyse eingeflossenen<br />

Rahmenbedingungen gezeichnet.<br />

Dunkelgrau unterlegt<br />

sind Einflussfaktoren, die gänzlich<br />

von der SBB AG kontrolliert<br />

werden. Hellgrau sind<br />

Faktoren, deren Entwicklung<br />

die SBB AG nur partiell beeinflussen<br />

kann und weiss ohne<br />

Schatten sogenannte Indikatorvariablen.<br />

<strong>Die</strong>se bilden den<br />

wirtschaftlichen Erfolg der<br />

SBB AG ab und entziehen sich,<br />

wie auch die Rahmenbedingungen,<br />

einer direkten Beeinflussung<br />

durch die Bahn.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 161


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Tab. 2.4: <strong>Die</strong> Einflussfaktoren mit Definition und Ausprägungen. <strong>Die</strong> Hintergrundfarben entsprechen der Einteilung des<br />

System-Graphs (Abb. 2.3.2) in Rahmenbedingungen, teilweise und vollständig kontrollierbare Faktoren und Indikatorvariablen.<br />

<strong>Die</strong> Nummern in der ersten Spalte stimmen mit der Nummerierung der Einflussfaktoren im System-Grid (Abb. 2.3.1) überein.<br />

Einflussfaktor<br />

2 Verkehrspolitik umfasst politische<br />

Ziele im Verkehrsbereich, die daraus<br />

abgeleiteten fiskalischen Lenkungsmassnahmen<br />

sowie gesetzliche Normen,<br />

welche auf eine Beeinflussung<br />

des Verkehrsaufkommens abzielen.<br />

1 Zugkraft von Ökologie als Marketinginstrument<br />

beschreibt den Einfluss<br />

umweltbezogener Argumente auf die<br />

Transportmittelwahl im Personen- und<br />

im Güterverkehr.<br />

8 Unter Eignerstrategie werden die unternehmenspolitischen<br />

Ziele der Besitzer<br />

der Aktienmehrheit verst<strong>and</strong>en.<br />

7 Unternehmensstruktur und Strategische<br />

Allianzen umschreibt die Entwicklung<br />

der inneren Struktur der SBB AG<br />

sowie die Form der Kooperation mit<br />

Partnerunternehmen.<br />

5,<br />

12<br />

Harmonisierung beschreibt die Bestrebungen<br />

der europäischen Bahnunternehmen,<br />

die heute bestehenden<br />

Hindernisse für den open access zu<br />

beseitigen. Bahninnovationen sind<br />

technische Neuerungen, die zu diesem<br />

Zweck entwickelt und eingesetzt<br />

werden.<br />

9 Umweltstrategie beschreibt, welche<br />

Umweltziele (speziell in den Bereichen<br />

Lärmreduktion und Energieeffizienz)<br />

die SBB AG anstrebt und<br />

welche Investitionen sie tätigt, um<br />

diese zu erreichen.<br />

Ausprägungen<br />

- Lenkungsmassnahmen greifen nicht: Massnahmen zur Lenkung des<br />

Modalsplits zu Gunsten der Bahn (LSVA etc.) werden zwar getätigt, zeigen<br />

jedoch nicht die erwünschte Wirkung.<br />

- Lenkungsmassnahmen greifen: Es kommt zu einer Umlagerung des Verkehrs<br />

von der Strasse auf die Schiene.<br />

- Minim: Umweltbezogene Argumente haben weiterhin nur minimales<br />

Gewicht bei der Auswahl der Verkehrsmittel.<br />

- Hoch: Ein grosser Anteil der Bevölkerung entscheidet sich für eine ökologische<br />

Mobilität und ist auch bereit, dafür einen höheren Preis zu bezahlen.<br />

- Sicherung des ÖV Schweiz: <strong>Die</strong> SBB AG sieht ihr Hauptgeschäftsfeld<br />

wie bisher in der Sicherung des ÖV Schweiz. Eine Ausweitung in <strong>and</strong>ere<br />

Branchen ist untergeordnet.<br />

- Diversifikation: Mit dem Gang an die Börse gewinnt der Shareholder<br />

Value an Bedeutung. Hauptziel der SBB AG ist die Steigerung des<br />

Unternehmenswertes. Neue, gewinnversprechende Geschäftsfelder<br />

wie E-Business und Telekommunikation ergänzen zunehmend das<br />

klassische Transportgeschäft.<br />

- Holding bleibt bestehen: <strong>Die</strong> heutige Unternehmensstruktur (Güterverkehr,<br />

Personenverkehr und Infrastruktur unter dem «Dach» der SBB AG)<br />

wird beibehalten.<br />

- Selbständige Firmen: <strong>Die</strong> Bereiche Güterverkehr, Personenverkehr und<br />

Infrastruktur werden in eigenständige Aktiengesellschaften mit unterschiedlichen<br />

Partnern überführt.<br />

- «AG ÖV Schweiz»: Der Trend zur Trennung in immer kleinere Strukturen<br />

kehrt sich um: die SBB AG schliesst sich mit den schweizerischen<br />

Privatbahnen zu einer «AG ÖV Schweiz» zusammen.<br />

- Keine: Innovationen sind vorh<strong>and</strong>en, werden aber nicht genutzt. <strong>Die</strong><br />

heutigen Unterschiede in Betrieb und technischer Ausstattung der einzelnen<br />

nationalen Netze bleiben weitgehend bestehen.<br />

- Schweiz und Partner: Beim Zusammenschluss von Teilbereichen der<br />

SBB AG mit ausländischen Partnern werden technische Anpassungen<br />

getätigt.<br />

- Europaweit: Aus den nationalen Netzen wird ein europäisches Infrastruktursystem<br />

entwickelt. Dabei werden die Zugangsvoraussetzungen<br />

zu den Netzen (z.B. Trassenpreise, Betriebsinformatik, Sicherheitstechnik)<br />

vereinheitlicht und flächendeckend neue Technologien (Cargo-<br />

Sprinter, Automatische Kupplung, Horizontalumschlag etc.) eingeführt.<br />

- Einsparungen bei Umweltleistungen: Aus Kostengründen gibt die SBB<br />

AG die Energieproduktion in Wasserkraftwerken auf und bezieht ihre<br />

Energie vollständig aus dem liberalisierten Markt. <strong>Die</strong> Umweltmassnahmen<br />

beschränken sich auf die Erfüllung gesetzlicher Vorschriften.<br />

- Umsetzung der heutigen Strategie: Ökologie bleibt ein Unternehmensziel<br />

der SBB AG. <strong>Die</strong> heutigen Umweltziele und Massnahmenprogramme<br />

werden im vorgesehenen Zeit- und Finanzrahmen umgesetzt.<br />

- Leistungssteigerung im Umweltbereich: <strong>Die</strong> SBB AG versucht verstärkt,<br />

ihren Umweltvorteil zu einem Wettbewerbsvorteil zu machen und sich<br />

als nachhaltiges Unternehmen zu profilieren. <strong>Die</strong> bestehenden Umweltziele<br />

werden weiter ausgebaut und zusätzliche Mittel für Umweltmassnahmen<br />

gesprochen.<br />

Fortsetzung nächste Seite<br />

162 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Tab. 2.4: Fortsetzung.<br />

Einflussfaktor<br />

22 Transportdienstleistungen im Güterverkehr<br />

beschreibt Art und Qualität<br />

der durch die SBB angebotenen Transportdienstleistungen.<br />

18 Preisgestaltung im Personenverkehr<br />

bietet zwei Möglichkeiten, die Fahrpreise<br />

zu berechnen.<br />

15 Fahrplangestaltung beschreibt die Gestaltung<br />

der Taktabstände und der<br />

Anschlussbedingungen in den wichtigen<br />

Verkehrsknoten.<br />

4 Konkurrenzdruck beschreibt, wie erfolgreich<br />

<strong>and</strong>ere Verkehrssysteme<br />

(Strasse, Luft und Pipeline) die Bahn<br />

durch Angebotsqualität, Infrastruktur,<br />

ökologische Leistungen, Preise oder<br />

Werbung konkurrieren.<br />

25 Der Marktanteil der Bahn im Personenverkehr<br />

ist der auf der Schiene<br />

zurückgelegte Anteil des gesamten<br />

Personenverkehrs.<br />

24 Der Marktanteil der Bahn im Güterverkehr<br />

ist der auf der Schiene transportierte<br />

Anteil des gesamten Güterverkehrs.<br />

Ausprägungen<br />

- Klassische Bahngüter: <strong>Die</strong> SBB AG w<strong>and</strong>elt sich zwar vom Schienenverkehrsanbieter<br />

zu einem Logistikunternehmen, das integrale Transportdienstleistungen<br />

anbietet, konzentriert sich dabei allerdings weiterhin<br />

auf den Transport schwerer Massengüter.<br />

- Erschliessung neuer Gütersegmente: Neben Verbesserungen der Transportqualität<br />

(Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit v.a. im internationalen Güterverkehr)<br />

entwickelt die SBB AG neue Konzepte zum Transport von<br />

leichten Kleingütern und kann so ihr Kundenspektrum erweitern.<br />

- Globale Transportketten: <strong>Die</strong> SBB AG bietet den weltweiten Transport<br />

von Massen- und Spezialgütern an und bindet neben der Schiene auch<br />

Strasse, Schiff und Flugzeug in ihre Transportketten ein.<br />

- Nachfrageabhängig: Zu Stosszeiten gelten höhere Fahrpreise. In R<strong>and</strong>zeiten<br />

wird mit Sonderangeboten (z.B. «Gleis 7») eine bessere Auslastung<br />

angestrebt.<br />

- Angebotsabhängig: Der Fahrpreis hängt weitgehend von der zurückgelegten<br />

Distanz ab. Strecken, auf denen neue Infrastruktur amortisiert<br />

werden muss, werden nach höherem Kilometerpreis berechnet als<br />

Regionalstrecken.<br />

- Leistungsabbau: Der Fahrplan wird von einzelnen Bahngesellschaften<br />

allein aufgrund ihrer betrieblichen Gegebenheiten und mit dem Ziel<br />

einer optimalen Auslastung gestaltet. Für die Kunden ergibt sich dadurch<br />

eine Angebotsverschlechterung: Lange Umsteigezeiten durch<br />

fehlende Koordination erschweren die Reise.<br />

- S-Bahn Schweiz: Das Konzept der Bahn 2000 wird verwirklicht.<br />

- S-Bahn Europa: Das Konzept der Bahn 2000 wird auf ganz Europa ausgedehnt.<br />

Durch die Fahrplankoordination verbessern sich die Anschlussbedingungen<br />

im internationalen Verkehr; die Reisezeiten zwischen<br />

Metropolen verkürzen sich massiv.<br />

- Bleibt gleich im Güterverkehr, sinkt im Personenverkehr: Im Güterverkehr<br />

bleibt der Konkurrenzdruck unverändert. Im Personenverkehr wird<br />

der Konkurrenzdruck im Vergleich zu heute kleiner.<br />

- Steigt im Güterverkehr, bleibt gleich im Personenverkehr: Im Güterverkehr<br />

nimmt der Konkurrenzdruck zu. Im Personenverkehr bleibt der<br />

Konkurrenzdruck im Vergleich zu heute unverändert.<br />

- Steigt im Güterverkehr, steigt im Personenverkehr: Der Konkurrenzdruck<br />

nimmt sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr im Vergleich zu<br />

heute zu.<br />

- Bleibt gleich: Bleibt auf dem heutigen Niveau von 14.8%.<br />

- Steigt mässig: Steigt um 20% des heutigen Marktanteils auf 17.7%.<br />

- Steigt stark: Steigt um 50% des heutigen Marktanteils auf 22.1%.<br />

- Sinkt: Sinkt um 20% des heutigen Marktanteils auf 32.2%.<br />

- Bleibt gleich: Bleibt auf dem heutigen Niveau von 40.3%.<br />

- Steigt: Steigt um 20% des heutigen Marktanteils auf 48.4%.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 163


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Unterstützung (1), Unabhängigkeit (0), Hemmung (-1) und<br />

Widerspruch (-2) zwischen je zwei Ausprägungen 1 unterschieden.<br />

Aus dieser Bewertung wurde für jedes Szenario ein Konsistenzwert<br />

errechnet. Wir wählten dabei die Methode der<br />

Multiplikation, wie sie von Hassler & Schärli (1996) vorgeschlagen<br />

wird. Hier werden die umkodierten Verträglichkeitszahlen<br />

eines Szenarios mitein<strong>and</strong>er multipliziert, was<br />

eine gute Differenzierung ermöglicht: Ein Szenario, dessen<br />

Ausprägungen unterein<strong>and</strong>er verträglich sind, erhält einen<br />

sehr hohen Konsistenzwert, während dieser bei allen Szenarien<br />

mit inneren Widersprüchen zu Null wird. In der<br />

Annahme, dass mit zunehmender Konsistenz auch die Realisierbarkeit<br />

der Szenarien steigt, wurden inkonsistente<br />

Szenarien aus der weiteren Bewertung ausgeschlossen und<br />

die übrigen in eine Reihenfolge gebracht.<br />

2.6 Szenarienauswahl: «...und in<br />

Szenarien gegossen.»<br />

Aus den konsistenten Szenarien haben wir argumentativ<br />

vier ausgewählt, welche relevante Aussagen zu unserer Fragestellung<br />

erlauben.<br />

Zuerst bestimmten wir ein Trendszenario, welches die<br />

Erwartungen der SBB AG für das Jahr 2015 widerspiegelt.<br />

Von diesem ausgehend definierten wir dann für die wirtschaftliche<br />

und für die ökologische Entwicklung der SBB<br />

AG jeweils erfolgreiche und erfolglose Szenarien.<br />

<strong>Die</strong> Relevanz für die betrachteten Planungsfragen besass<br />

für uns als Auswahlkriterium mehr Gewicht als die absoluten<br />

Konsistenzwerte der Szenarien. <strong>Die</strong> konsistentesten<br />

Szenarien waren sich ohnehin sehr ähnlich: Bis auf kleine<br />

Abweichungen zeigten sie alle das gleiche «Wunschszenario»<br />

einer positiven Entwicklung der SBB AG in den beiden<br />

betrachteten Dimensionen.<br />

Tab. 2.6: Übersicht der ausgewählten Szenarien. Für jedes Szenario sind die jeweiligen Ausprägungen der Einflussfaktoren<br />

angegeben. <strong>Die</strong> Hintergrundfarben entsprechen auch hier der Einteilung des System-Graphs (Abb. 2.3.2) in Rahmenbedingungen,<br />

teilweise und vollständig kontrollierbare Faktoren und Indikatorvariablen.<br />

Kurzbeschrieb<br />

Verkehrspolitik<br />

Trend<br />

<strong>Die</strong> SBB AG verfolgt<br />

weiterhin ihre bisherige<br />

Geschäftsund<br />

Umweltstrategie.<br />

Lenkungsmassnahmen<br />

greifen<br />

Erfolg dank<br />

Ökologie<br />

Durch eine klare ökologische<br />

Position am<br />

Markt sichert sich die<br />

SBB AG langfristigen<br />

Erfolg.<br />

Lenkungsmassnahmen<br />

greifen<br />

Gewinnmaximierung<br />

Kurzfristige Gewinnmaximierung<br />

hat für<br />

die SBB-Group oberste<br />

Priorität.<br />

Lenkungsmassnahmen<br />

greifen<br />

Misere<br />

Durch ihre passive<br />

Haltung versäumt die<br />

SBB AG, sich den<br />

neuen Gegebenheiten<br />

anzupassen.<br />

Lenkungsmassnahmen<br />

greifen nicht<br />

Zugkraft Ökologie Minim Hoch Hoch Minim<br />

Eignerstrategie Sicherung des ÖV Diversifikation Diversifikation Sicherung des ÖV<br />

Schweiz<br />

Schweiz<br />

Umweltstrategie<br />

Unternehmensstruktur<br />

Harmonisierung &<br />

Innovationen<br />

Transportdienstleistungen<br />

im GV<br />

Holding bleibt<br />

bestehen<br />

Holding bleibt<br />

bestehen<br />

Selbständige Firmen<br />

Schweiz und Partner Europaweit Schweiz und Partner Keine<br />

Umsetzung der<br />

heutigen Strategie<br />

Einschliessung neuer<br />

Gütersegmente<br />

Leistungssteigerung<br />

im Umweltbereich<br />

Globale Transportketten<br />

Einsparungen bei<br />

Umweltleistungen<br />

Globale Transportketten<br />

Holding bleibt<br />

bestehen<br />

Umsetzung der<br />

heutigen Strategie<br />

Klassische Bahngüter<br />

Fahrplangestaltung S-Bahn Schweiz S-Bahn Schweiz Leistungsabbau Leistungsabbau<br />

Konkurrenzdruck Steigt im GV, bleibt<br />

gleich im PV<br />

Bleibt gleich im GV,<br />

sinkt im PV<br />

Bleibt gleich im GV,<br />

sinkt im PV<br />

Steigt im GV, steigt<br />

im PV<br />

Marktanteil PV Steigt mässig Steigt stark Steigt mässig Bleibt gleich<br />

Marktanteil GV Bleibt gleich Steigt Steigt Sinkt<br />

1 Über die Verträglichkeit der Ausprägungen des Einflussfaktors «Preisgestaltung im Personenverkehr» mit den Ausprägungen <strong>and</strong>erer Einflussfaktoren<br />

konnten keine stichhaltigen Aussagen gemacht werden. Deshalb liessen wir diesen Faktor bei den weiteren Schritten unberücksichtigt.<br />

164 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Das Szenario Gewinnmaximierung weist in sich zwar<br />

keinen Widerspruch auf, besitzt aber einen deutlich tieferen<br />

Konsistenzwert als die <strong>and</strong>eren drei Szenarien. Wir haben<br />

hier bewusst ein Szenario ausgewählt, in dem die SBB AG<br />

finanziellen Gewinn allen <strong>and</strong>eren Aspekten des Unternehmenserfolgs<br />

vorzieht und dabei sogar die Entwicklung der<br />

gesellschaftlichen Bedürfnisse ignoriert.<br />

Begreift man die Szenarioanalyse als Instrument der strategischen<br />

Planung, dann hat auch ein weniger konsistentes<br />

Szenario seine Berechtigung: Es könnte tatsächlich eintreten.<br />

Ein Beispiel für die Inkonsistenz komplexer Entscheidungen<br />

ist die aktuelle schweizerische Verkehrspolitik: Auf<br />

der einen Seite versucht der Bundesrat, durch FinöV, LSVA<br />

und <strong>and</strong>ere Instrumente den Verkehr von der Strasse auf die<br />

Schiene zu lenken, gleichzeitig billigen National- und Ständerat<br />

den Ausbau des Strassennetzes (z.B. Tages-Anzeiger,<br />

2000c).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 165


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

3 Vier Szenarien in Wort und Bild<br />

In einem letzten Schritt wurden die vier ausgewählten Szenarien<br />

ausformuliert. <strong>Die</strong>se Beschreibungen vermitteln ein<br />

anschauliches Gesamtbild der Szenarien. Obwohl die Szenarioanalyse<br />

selbst keine Angaben zum Weg und zu den<br />

Entwicklungen macht, die vom heutigen Zust<strong>and</strong> zu einem<br />

Szenario in 2015 führen, werden hier auch mögliche Gründe<br />

und Ereignisse im Umfeld beschrieben.<br />

3.1 Trend<br />

Im Trendszenario verfolgt die SBB AG weiterhin ihre bisherige<br />

Umwelt- und Geschäftsstrategie. Auch das Umfeld<br />

der verkehrspolitischen Massnahmen und der Transportmärkte<br />

entwickelt sich gemäss den heutigen Tendenzen.<br />

Rahmenbedingungen<br />

Das Umweltwissen in der Gesellschaft ist in den letzten<br />

Jahren angestiegen. Umweltanliegen haben aufgrund von<br />

immer deutlicheren Anzeichen einer Klimaveränderung an<br />

Bedeutung gewonnen. Dennoch überwiegen praktische Argumente<br />

weiterhin bei der Transportmittelwahl: Ökologie<br />

alleine rechtfertigt keine Einbusse an Komfort oder Zeit,<br />

und schon gar nicht einen höheren Preis.<br />

Abb. 3.1: Szenario Trend. <strong>Die</strong> im Jahre 2000 beschlossenen<br />

Strategien und Projekte der SBB wurden umgesetzt. <strong>Die</strong> SBB<br />

wurde erfolgreich von einem Staatsbetrieb in eine unternehmerische<br />

Aktiengesellschaft umgew<strong>and</strong>elt. <strong>Die</strong> erste Etappe<br />

der Bahn 2000 sowie der Gotthard-Basistunnel stehen in<br />

Betrieb (Bild: Strassmann et al., 2001 2 ).<br />

<strong>Die</strong> vom Bund angestrebte Verlagerung des Verkehrs von<br />

der Strasse auf die Schiene wurde durch die finanziellen<br />

Lenkungsmassnahmen nicht vollständig erreicht. Eine konsequente<br />

Internalisierung der externen Kosten im Verkehrsbereich<br />

bleibt als langfristiges Ziel auf der politischen Trakt<strong>and</strong>enliste.<br />

<strong>Die</strong> LSVA war ein erster Schritt in diese Richtung.<br />

Unternehmen SBB<br />

<strong>Die</strong> kurz vor der Jahrtausendwende durch die Bahnreform<br />

geschaffene Holdingstruktur der SBB AG ist bestehen geblieben;<br />

die dadurch errungene unternehmerische Freiheit<br />

hat sich als vorteilhaft herausgestellt. <strong>Die</strong> SBB AG tritt als<br />

«gewöhnliche Unternehmung mit kritischen Geldgebern»<br />

auf und hat in den letzten Jahren ihre Geschäftsfelder zu<br />

E-business und Telekommunikation und somit auch ihren<br />

Aktionsradius ausgeweitet (Walter Moser, Stv. Generalsekretär<br />

SBB AG, persönliche Aussage, 8. Juni 2000). Mit<br />

ihrem fundierten Wissen über operative Betriebsführung ist<br />

die SBB AG auch als Consulting-Unternehmen im aussereuropäischen<br />

Raum tätig.<br />

Trotzdem sind Transportdienstleistungen das zentrale Geschäftsfeld<br />

der SBB AG geblieben, die Sicherung des öffentlichen<br />

Verkehrs in der Schweiz weiterhin eines ihrer<br />

wichtigsten Ziele. <strong>Die</strong> SBB AG ist allerdings ein umfassender<br />

Mobilitätsanbieter geworden und hat auch die engen<br />

Grenzen der Schweiz hinter sich gelassen. <strong>Die</strong> Allianz mit<br />

der DB und den ÖBB im Jahre 2000, u.a. zur gemeinsamen<br />

Beschaffung von Rollmaterial und effizienteren Abwicklung<br />

des grenzüberschreitenden Verkehrs, war ein durchschlagender<br />

Erfolg: <strong>Die</strong> wichtigsten Städte im Umfeld der<br />

Schweiz sind heute bequem ohne Wartezeiten und Umsteigen<br />

erreichbar. Dadurch stellen die Bahnen eine harte Konkurrenz<br />

für den innereuropäischen Nahflugverkehr dar. Um<br />

ihre Wettbewerbsfähigkeit noch mehr zu steigern, sind die<br />

SBB weitere Allianzen mit <strong>and</strong>eren europäischen Bahnen<br />

eingegangen. Der Marktanteil im Personenverkehr ist wegen<br />

des umfassenden und flächendeckenden Angebots stetig<br />

gewachsen; dank dem attraktiven und gut abgestimmten<br />

grenzüberschreitenden Nahverkehr sind in den letzten Jahren<br />

sogar viele Grenzgänger auf die Bahn umgestiegen. Das<br />

in der Fertigstellung begriffene Netz S-Bahn Schweiz wird<br />

alle wichtigen Zentren der Schweiz im Halbstundentakt<br />

verbinden.<br />

Im Güterverkehr konnte der Marktanteil dank erheblicher<br />

Anpassungsleistungen an die Kundenbedürfnisse gehalten<br />

werden. Gute Kundendienstleistungen werden in diesem<br />

Bereich immer wichtiger. Ein Umbau der bestehenden Wagen<br />

ermöglicht den Transport heiklerer Güter wie Elektronik<br />

oder Tiefkühlprodukte. <strong>Die</strong> SBB AG w<strong>and</strong>elt sich im<br />

Güterbereich immer mehr in Richtung eines Gesamttransport-<br />

oder Logistikunternehmens.<br />

2 Im Anschluss an die <strong>Fallstudie</strong> 2000 haben wir eine ca. achtminütige Multimedia-Präsentation zur Illustration unserer Ergebnisse erstellt (Strassmann et<br />

al., 2001). Als Erweiterung zur beschreibenden Darstellung wird in den «Szenarien für die Zukunft der SBB AG» ein visuell und akustisch orientierter<br />

Zugang zu den vier Szenarien geboten. Weitere Informationen sind erhältlich bei: Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften (<strong>UNS</strong>), <strong>ETH</strong> Zürich,<br />

<strong>Fallstudie</strong>nbüro, <strong>ETH</strong> Zentrum HAD, CH-8092 Zürich.<br />

166 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Investitionen bzw. Verbesserungen im Umweltbereich<br />

werden weiterhin dort getätigt, wo sie gesetzlich vorgeschrieben<br />

sind oder betriebswirtschaftliche Vorteile mit sich<br />

bringen; beispielsweise im Zuge der Effizienzsteigerung<br />

durch Einführung neuer Technologien. <strong>Die</strong> Umweltstrategien<br />

der SBB AG sind nicht in der Unternehmensplanung<br />

integriert. <strong>Die</strong> Bahn unternimmt auch keine speziellen Anstrengungen,<br />

ihren Umweltvorteil gegenüber <strong>and</strong>eren Verkehrssystemen<br />

nach aussen zu kommunizieren und ihn dadurch<br />

aktiv als Wettbewerbsvorteil zu nutzen.<br />

Gesellschaft für Umweltfragen sensibilisiert. Ökologisches<br />

Verhalten nimmt in den Augen der Allgemeinheit einen<br />

immer grösseren Stellenwert ein. Es gilt nicht mehr als<br />

Belastung, sondern als Teil einer neuen Lebensqualität.<br />

Neben diesem eher langsamen Prozess haben die Lenkungsmassnahmen<br />

des Bundes entscheidenden Einfluss auf<br />

die Verkehrsentwicklung: <strong>Die</strong> im Jahre 2001 eingeführte<br />

LSVA sowie hohe Benzin- und Vignettenpreise führten zu<br />

einer weitgehenden Kostenwahrheit im Verkehr und trugen<br />

somit zu einer Ökologisierung des Marktes bei.<br />

3.2 Erfolg dank Ökologie<br />

Das Szenario Erfolg dank Ökologie verbindet wirtschaftlichen<br />

Erfolg mit ökologischer Qualität. <strong>Die</strong> SBB AG verbessert<br />

gegenüber dem Trendszenario ihre Angebotsgestaltung<br />

und sucht neue Partnerschaften auch ausserhalb des Bahnbereichs.<br />

Augenfällig ist die klare Ausrichtung der Unternehmensstrategie<br />

auf eine nachhaltige Entwicklung und die<br />

Erhöhung der Umweltinvestitionen.<br />

Rahmenbedingungen<br />

Eine Häufung von extremen Naturereignissen in den letzten<br />

Jahren, die Information der Öffentlichkeit über die Gefährdung<br />

der Umwelt und die politischen Debatten um die<br />

Einführung eines ökologischen Steuersystems haben die<br />

Abb. 3.2: Szenario Erfolg dank Ökologie. <strong>Die</strong> SBB AG<br />

profiliert sich als ein innovatives Unternehmen mit erfolgreicher<br />

Zukunft. Ökologisches Denken und ökoeffizentes H<strong>and</strong>eln<br />

sind wichtige Best<strong>and</strong>teile der Unternehmensphilosophie.<br />

Mehrere extreme Naturereignisse führten zu einem<br />

allgemeinen Gesinnungsw<strong>and</strong>el zugunsten der Ökologie,<br />

welcher sich auch bei der Bahn niederschlägt. <strong>Die</strong> SBB AG<br />

zeichnet sich durch fortschrittliches und längerfristiges Denken<br />

aus (Bild: Strassmann et al., 2001).<br />

Unternehmen SBB<br />

Der Transport bleibt weiterhin das Kerngeschäft der SBB<br />

AG. Durch Beteiligungen in neuen, gewinnbringenden<br />

Märkten, beispielsweise im Telekommunikationsbereich,<br />

wird der wirtschaftliche Erfolg des Gesamtkonzerns gesteigert;<br />

das Stammhaus kann sich weiterhin seiner volkswirtschaftlich<br />

sinnvollen Aufgabe als Anbieter von Transportdienstleistungen<br />

widmen.<br />

<strong>Die</strong>se Aufgabe nimmt die SBB AG mitsamt der damit<br />

einhergehenden Verantwortung für eine langfristige Entwicklung<br />

wahr und setzt dabei bewusst auf den ökologischen<br />

Wert ihrer Leistungen. Der hohe Marketingwert einer<br />

guten ökologischen Performance wird auf strategischer<br />

Ebene wahrgenommen. Das SBB-Management verfolgt<br />

konsequent eine vorbildliche Umweltstrategie und nimmt<br />

auch im Markt klar eine ökologische Position ein. Durch<br />

laufende technische Innovationen kann u.a. die Energieeffizienz<br />

des gesamten Systems Schiene (Antrieb, Klimatisierung,<br />

Signalübertragung, Unterhalt der stationären Anlagen<br />

etc.) verbessert werden. <strong>Die</strong> Lärmschutzstrategie aus dem<br />

Jahre 2000 wurde vollständig umgesetzt und eine Zertifizierung<br />

nach ISO 14001 (bzw. nach den Folgenormen im Jahre<br />

2015) in die Wege geleitet. Ausserdem ist die SBB AG aktiv<br />

an der Ausarbeitung europäischer Umweltst<strong>and</strong>ards beteiligt.<br />

Als Anbieterin von Gesamttransportdienstleistungen<br />

schliesst sich die SBB nicht nur mit <strong>and</strong>eren europäischen<br />

Bahngesellschaften, sondern auch mit regionalen Strassenund<br />

interkontinentalen Wasser- und Luftfrachtunternehmen<br />

zu einem Netzwerk zusammen, um bei jedem Transportauftrag<br />

eine kundenfreundliche, ökologisch optimale und möglichst<br />

günstige Lösung finden zu können.<br />

Im Personenverkehr wird ein europaweit einheitliches<br />

Konzept angestrebt, mit regionalen S-Bahn-ähnlichen Systemen<br />

(viele Linien in Netzstruktur, dichter Taktfahrplan,<br />

etc.) und schnellen Fernverkehrsverbindungen zwischen ihnen.<br />

<strong>Die</strong> Schweiz selbst besitzt sechs solche Knotenpunkte<br />

(Zürich, Bern, Innerschweiz, Basel, Genf, Tessin, die letzten<br />

drei als grenzüberschreitende regionale Verkehrssysteme),<br />

die durch ein Taktsystem mit den nächsten ausländischen<br />

Zentren (Paris, Lyon, Frankfurt, München, Innsbruck, Milano,<br />

Torino, etc.) verbunden sind.<br />

<strong>Die</strong> Zusammenarbeit mit Anbietern der <strong>and</strong>eren Verkehrssysteme<br />

und die dadurch entst<strong>and</strong>ene optimale Aufgabenverteilung<br />

erlaubt es den Bahnen, einen Teil der heutigen<br />

Konkurrenz im Güterverkehr kooperativ einzubinden und<br />

so insgesamt einen deutlich höheren Marktanteil zu erreichen.<br />

Durch nicht assoziierte Transportunternehmen besteht<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 167


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

jedoch immer noch ein Konkurrenzdruck, der mit dem<br />

heutigen vergleichbar ist. Das attraktive Personenverkehrsangebot,<br />

zusammen mit dem ökologischen Vorteil der Bahn,<br />

motiviert viele Benutzer und Benutzerinnen des motorisierten<br />

Individualverkehrs und der innereuropäischen Luftfahrt<br />

zum Umstieg. In diesem Bereich erzielt die SBB AG einen<br />

markanten Zuwachs ihres Marktanteils.<br />

3.3 Gewinnmaximierung<br />

Im Szenario Gewinnmaximierung steht für die SBB AG der<br />

finanzielle Gewinn im Vordergrund. Sie konzentriert sich<br />

auf rentable Geschäftsfelder, in denen sie wie im Szenario<br />

Erfolg dank Ökologie führend bleibt. Bei den Umweltmassnahmen,<br />

der Versorgung von R<strong>and</strong>regionen und den Elektrizitätswerken<br />

findet dagegen ein Leistungsabbau statt.<br />

Rahmenbedingungen<br />

<strong>Die</strong> Ökologie spielt in der Gesellschaft eine immer wichtigere<br />

Rolle, was sich auch im Kaufverhalten der Bevölkerung<br />

widerspiegelt.<br />

Auch die schweizerische Verkehrspolitik zielt auf Nachhaltigkeit:<br />

In ihrem Rahmen werden Lenkungsmassnahmen<br />

zugunsten der Schiene durchgesetzt. <strong>Die</strong> SBB-Group gerät<br />

wegen ihrer Politik der Gewinnmaximierung ohne Rücksicht<br />

auf ökologische und soziale Aspekte immer häufiger<br />

unter Kritik.<br />

Abb. 3.3: Szenario Gewinnmaximierung. <strong>Die</strong> SBB-Teilfirmen<br />

sind durch kurzfristiges, profitorientiertes H<strong>and</strong>eln<br />

charakterisiert. Gewinnmaximierung hat erste Priorität.<br />

Durch Konzentration auf die finanziell interessanten Geschäfte<br />

und Ausweitung auf neue boomende Märkte ist die<br />

SBB-Group wirtschaftlich erfolgreich. Ökologie hat innerhalb<br />

der Bahnunternehmen einen geringen Stellenwert und<br />

wird auch nicht als Werbeinstrument genutzt (Bild: Strassmann<br />

et al., 2001).<br />

Unternehmen SBB<br />

In diesem Jahr feiern die SBB-Unternehmen wieder neue<br />

Gewinnrekorde. <strong>Die</strong> Aufspaltung der SBB AG in separate<br />

Firmen für Güterverkehr, Personenverkehr und Infrastruktur<br />

schlägt sich auch in der Unternehmensbilanz positiv<br />

nieder. SBB-Aktien werden an der Börse geh<strong>and</strong>elt: Der<br />

Bund hat seine Mehrheitsbeteiligung schon vor Jahren zu<br />

Gunsten von Privaten aufgegeben. In den letzten Jahren<br />

wurden unprofitable Nebenzweige der SBB-Teilfirmen abgebaut.<br />

Zusätzlich zu E-Business und Telekommunikation<br />

hat die SBB-Group neue, erfolgversprechende Märkte erschlossen.<br />

Durch Mehrheitsbeteiligungen an Unternehmen<br />

sichert sie auch hier ihre Einflussmöglichkeiten.<br />

Das Kerngeschäft, der Betrieb eines qualitativ hochstehenden<br />

Schienentransportangebotes für Personen und Güter,<br />

wird grenzüberschreitend ausgebaut. Das vorh<strong>and</strong>ene<br />

Wissen über die operative Betriebsführung wird ausgenützt,<br />

um im europaweiten Know-How-Transfer eine führende<br />

Rolle zu übernehmen. Globale Transportketten laufen dank<br />

Kooperation mit <strong>and</strong>eren Bahngesellschaften, Reedereien<br />

und sonstigen Transportunternehmen reibungslos ab.<br />

<strong>Die</strong> SBB Personenverkehr AG ging eine mitteleuropäische<br />

Allianz mit Bahngesellschaften von Deutschl<strong>and</strong>, Italien,<br />

Frankreich und Österreich ein. Dadurch wurde die Bahn<br />

gegenüber dem Flugverkehr im Mittelstreckenbereich konkurrenzfähig.<br />

In Mitteleuropa werden auch Sicherheitssysteme<br />

und Infrastruktur aufein<strong>and</strong>er abgestimmt. Innerhalb<br />

der Schweiz fördert die SBB Personenverkehr AG die gewinnbringenden<br />

Intercity-Verbindungen und S-Bahn-Netze;<br />

sie schliesst hingegen unprofitable R<strong>and</strong>strecken oder<br />

verkauft sie an <strong>and</strong>ere Unternehmen.<br />

<strong>Die</strong> SBB-Group hat ihre Elektrizitätswerke verkauft und<br />

bezieht nun den billigsten Strom aus dem liberalisierten<br />

europäischen Strommarkt. Statt des früheren, grösstenteils<br />

auf Wasserkraft basierenden SBB-Strommixes verwendet<br />

die Bahn nun Strom aus dem UCPTE-Mix mit hohen Anteilen<br />

an fossiler und nuklearer Energie. Im Lärmbereich konnten<br />

die gesetzlich geforderten Grenzwerte eingehalten werden.<br />

Da diese auch in <strong>and</strong>eren Bereichen nicht überschritten<br />

werden, sind weitere Investitionen in den Umweltschutz<br />

nicht vorgesehen. <strong>Die</strong> ökologischen Vorteile der Bahn werden<br />

nicht kommuniziert, während die Strasse ihr ökologisches<br />

Potenzial immer weiter ausschöpft.<br />

Neben den gewinnbringenden Geschäften konnten die<br />

SBB-Teilfirmen dank den Lenkungsmassnahmen von einer<br />

Umlagerung des Verkehrs auf die Schiene profitieren. Trotz<br />

dieser positiven Entwicklung steigt der Marktanteil im Personenverkehr<br />

nur mässig. <strong>Die</strong> SBB Güterverkehr AG kann<br />

ihren Anteil kontinuierlich steigern.<br />

3.4 Misere<br />

Das passive Verharren in alten Märkten und Strukturen führt<br />

die SBB in eine fatale Abwärtsspirale. Im Gegensatz zu den<br />

<strong>and</strong>eren Szenarien hat die SBB in dieser «worst-case-Situation»<br />

versäumt, sich den neuen Kundenbedürfnissen anzupassen.<br />

Der negative Einfluss des unzureichenden Angebots<br />

wird durch das Scheitern der verkehrspolitischen Massnahmen<br />

zugunsten der Bahn zusätzlich verstärkt.<br />

168 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Abb. 3.4: Szenario Misere. Trotz neuer Firmenstruktur hat<br />

die SBB ihre unternehmerische Freiheit nicht optimal ausgenutzt.<br />

<strong>Die</strong> Firmenstrategie ist geprägt von Misstrauen gegenüber<br />

Innovationen und einem Verharren in alten Märkten.<br />

<strong>Die</strong> SBB ist weiterhin vorrangig auf die Schweiz ausgerichtet<br />

und hat es versäumt, sich den neuen Gegebenheiten<br />

anzupassen (Bild: Strassmann et al., 2001).<br />

Rahmenbedingungen<br />

<strong>Die</strong> Bedeutung von Ökologie in Entscheidungssituationen<br />

ist marginal. Unsachlich argumentierende Interessenvertreter<br />

für die Umwelt und das Ausbleiben der prognostizierten<br />

Katastrophen haben dem Thema Brisanz und Glaubwürdigkeit<br />

genommen.<br />

<strong>Die</strong> verkehrspolitischen Massnahmen des Bundes sind<br />

zwar alle in Kraft, können ihre Wirkung aber mangels<br />

Rückhaltes in der Gesellschaft nicht entfalten. Der Kapazitätsausbau<br />

im Rahmen der NEAT und der Bahn 2000 sowie<br />

die LSVA hat nicht zur gewünschten Verlagerung des Verkehrs<br />

von der Strasse auf die Schiene geführt.<br />

Unternehmen SBB<br />

Trotz der Unternehmensreform hat die SBB immer noch die<br />

Attribute des «alten Staatsbetriebs». Sie ist wenig flexibel<br />

und macht von ihrer unternehmerischen Freiheit nicht genügend<br />

Gebrauch. <strong>Die</strong> Reorganisation (Ausrichtung auf<br />

Marktfähigkeit, unabhängiges Management) ist zwar formal<br />

erfolgt, «in den Köpfen» hat die Umstellung aber nicht<br />

stattgefunden. <strong>Die</strong> erhoffte Entwicklung hin zu einem dynamischen,<br />

eigenständigen und kundenorientierten Unternehmen<br />

setzt nur langsam ein.<br />

<strong>Die</strong> SBB hat zwar ihre <strong>Die</strong>nstleistungen für die Güterkunden<br />

ausgebaut, setzt aber nach wie vor auf klassische bahnaffine<br />

Güter und Langstreckentransporte. <strong>Die</strong>s hat zur Folge,<br />

dass die Bahn für viele Unternehmen keine Alternative<br />

zum Strassentransport darstellt. Der Marktanteil im Bereich<br />

der bahnaffinen Güter konnte zwar gehalten werden; in den<br />

Bereichen allerdings, in denen ein grosses Wachstum des<br />

Güterumsatzes zu verzeichnen ist (z.B. Kommunikationselektronik),<br />

steht die SBB auf dem Abstellgleis. Der gesamte<br />

Marktanteil der SBB im Güterverkehr sinkt kontinuierlich.<br />

Im Personenverkehr ist die SBB auf die Schweiz fokussiert<br />

geblieben. Im grenzüberschreitenden Verkehr hat sie es<br />

nicht geschafft, mit Partnerbahnen ein attraktives Angebot<br />

aufzubauen. <strong>Die</strong> Konkurrenz <strong>and</strong>erer Anbieter auf dem<br />

Schweizer Netz zwingt die SBB, ihr Angebot stärker an<br />

betrieblichen Gegebenheiten auszurichten: Der service<br />

public hat nicht mehr erste Priorität. Unprofitable Strecken<br />

werden abgestossen und nur zum Teil durch Buslinien ersetzt.<br />

Im Zuge dessen erodiert das öffentliche Netz an der<br />

Peripherie. Mit der Zeit sind auch Zubringerstrecken zu<br />

Intercity-Achsen betroffen. Der Leistungsabbau beeinträchtigt<br />

das Image der SBB: <strong>Die</strong> Passagierzahlen zeigen eine<br />

rückläufige Tendenz. Im Bereich der Städteverbindungen<br />

(Intercity) und der Linien innerhalb der wirtschaftlichen<br />

Zentren (S-Bahnen) hat sich nicht viel verändert: <strong>Die</strong> neu<br />

eingeführten Verbindungen sind gut, aber nicht optimal<br />

ausgelastet. Der Marktanteil im Personenverkehr konnte<br />

insgesamt gehalten werden.<br />

Bezüglich der Umweltverträglichkeit vertrauen die SBB<br />

auf den «ewigen» Vorteil der Bahn. <strong>Die</strong>ser wird als selbstverständlich<br />

und allgemein bekannt erachtet. Daher werden<br />

die Umweltleistungen weder ausgebaut noch entsprechend<br />

kommuniziert. Das Thema Umwelt hat es nicht geschafft,<br />

bis auf die Ebene der strategischen Unternehmensplanung<br />

vorzudringen. <strong>Die</strong> Anstrengungen der SBB beschränken<br />

sich konsequenterweise auf das Einhalten der gesetzlichen<br />

Rahmenbedingungen. Investitionen, die darüber hinausgehen<br />

oder eine Selbstverpflichtung zur Verbesserung der<br />

Umweltleistungen im Sinne eines Umweltmanagementsystems<br />

sind nicht geplant.<br />

3.5 Gegenüberstellung der Szenarien<br />

Das Szenario Trend ist gekennzeichnet durch einen verhaltenen<br />

Erfolg des Unternehmens SBB AG. <strong>Die</strong>ses positive<br />

Ergebnis kommt vor allem durch die Gewinne beim<br />

Güterverkehr zust<strong>and</strong>e. Hier f<strong>and</strong>en zwar keine aussergewöhnlichen<br />

Veränderungen statt, die SBB hat aber kontinuierlich<br />

neue Gütersegmente erschlossen. <strong>Die</strong> durch die<br />

Bahnreform begonnene Erneuerung der SBB bewährt sich<br />

auch im Jahr 2015.<br />

<strong>Die</strong> SBB AG ist im Szenario Erfolg dank Ökologie ein<br />

starkes Unternehmen mit einer vielversprechenden Zukunft.<br />

Als Effekt der Ausweitung des S-Bahn-Konzepts auf die<br />

ganze Schweiz und der guten Verknüpfungen zu den europäischen<br />

Metropolen floriert der Personenverkehr. Im Güterverkehr<br />

kann die SBB AG ihre Marktpräsenz als Anbieterin<br />

ganzer Transportketten erheblich verbessern.<br />

Am Szenario Gewinnmaximierung sehen wir, dass wirtschaftlicher<br />

Erfolg auch ohne ökologische Investitionen<br />

möglich ist. <strong>Die</strong> SBB AG findet in der Konzentration auf<br />

rentable Geschäftsfelder zum Erfolg. Sie setzt allerdings<br />

ihren Umweltvorteil und damit einen ihrer wichtigsten<br />

Wettbewerbsvorteile aufs Spiel. Eine zu starke Konzentration<br />

auf bestimmte Geschäftsfelder kann langfristig auch eine<br />

Einschränkung bedeuten: Das Unternehmen verliert da-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 169


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

4 Schmilzt der ökologische<br />

Vorsprung der Schiene?<br />

Mit dem Faktor Umweltstrategie bildeten wir in den Szenarien<br />

das unternehmerische Engagement der SBB AG im<br />

Bereich der Ökologie ab. <strong>Die</strong> Umweltleistung eines Unternehmens<br />

wird aber nicht an guten Vorsätzen, sondern anh<strong>and</strong><br />

seiner effektiven Umweltauswirkungen gemessen<br />

(Caduff, 1998). Bei der SBB AG fällt der grösste Teil der<br />

Umweltbelastungen im Verkehrsbetrieb an (SBB AG,<br />

2000d). In einem separaten Bewertungsschritt haben wir<br />

deshalb versucht, die Umweltauswirkungen des Schienenverkehrs<br />

in den vier Szenarien abzuschätzen und mit entsprechenden<br />

Werten zur Strasse zu vergleichen.<br />

Abb. 3.5: Eine Anordnung der Szenarien im Spannungsfeld<br />

zwischen Ökologie und Ökonomie (Grafik: Strassmann et<br />

al., 2001).<br />

durch seine Flexibilität, rechtzeitig auf Veränderungen des<br />

Marktes reagieren zu können.<br />

Im Szenario Misere fehlt der SBB AG der Mut zu neuen<br />

Lösungen. <strong>Die</strong>se Haltung ist gerade im Bereich Güterverkehr,<br />

der für den Gewinn entscheidend ist, fatal. <strong>Die</strong> Bahn<br />

wird von den Strassentransporteuren an vielen Marktsegmenten<br />

verdrängt und fristet ein Nischendasein als Anbieterin<br />

von Langstreckentransporten für schwere Massengüter.<br />

Für die Umwelt ist nur im Szenario Erfolg dank Ökologie<br />

ein deutlicher Gewinn zu erwarten. <strong>Die</strong> SBB AG erkennt in<br />

diesem Szenario den Wert einer guten Umweltleistung für<br />

die langfristige Entwicklung des Unternehmens und bezieht<br />

deshalb Umweltaspekte auf höchster Ebene in ihre Geschäftsstrategie<br />

ein.<br />

4.1 Vorgehen bei der ökologischen<br />

Bewertung<br />

Szenario-Ansatz<br />

Erst die Entwicklung der Konkurrenzsituation mit der Strasse<br />

bestimmt die Position der Bahn im ökologischen Wettbewerb.<br />

Deshalb verwenden wir auch in der ökologischen<br />

Bewertung den Ansatz der Szenario-Technik und stellen den<br />

Emissionen des Schienenverkehrs zwei verschiedene Emissionsniveaus<br />

der Strasse gegenüber.<br />

Obwohl wir uns bei der Bestimmung der Emissionen auf<br />

eine Reihe von wissenschaftlichen Berichten abstützen<br />

konnten (Quellen siehe Kasten 4.1), erheben wir nicht den<br />

Anspruch, exakte Prognosen aufzustellen (dies wäre in der<br />

zur Verfügung stehenden Zeit ohnehin nicht möglich gewesen).<br />

Vielmehr sind auch die Ergebnisse dieser Berechnungen<br />

als Planungshilfe, als eine Ergänzung der Szenarioanalyse<br />

zu betrachten.<br />

Vorgehen und Methoden<br />

Als Kenngrössen für die Umweltbelastung dienten der spezifische<br />

Energieverbrauch, Treibhauspotenzial in Form von<br />

freigesetzten Kohlendioxid-Äquivalenten, Stickoxide,<br />

nicht-methanogene Kohlenwasserstoffe (NMHC), Partikel,<br />

Lärm und Flächenverbrauch durch die Infrastruktur. Aufgrund<br />

der unsicheren Datenlage konnte jedoch nur für Energieverbrauch,<br />

Treibhauspotenzial und Stickoxide eine vollständige<br />

Berechnung durchgeführt werden.<br />

<strong>Die</strong> Verkehrsentwicklung bis 2015 haben wir aus verschiedenen<br />

einschlägigen Studien zusammengestellt (Quellen<br />

siehe Kasten 4.1). Aus den Verkehrszahlen haben wir die<br />

heutigen und für 2015 prognostizierten Marktanteile von<br />

Schiene und Strasse bestimmt und letztere gemäss den Ausprägungen<br />

in den Szenarien (Tabelle 2.4 und 2.6) variiert.<br />

Dabei gingen wir von einem vereinfachten Markt aus, an<br />

dem ausser der Schiene nur die Strasse teilnimmt.<br />

<strong>Die</strong> aktuellen Emissionsfaktoren haben wir dem Bericht<br />

Umweltindikatoren im Verkehr entnommen und ebenfalls<br />

nach den Szenarien variiert (Maibach, Schenkel, Peter &<br />

Gehrig, 1997). Für die Szenarien Trend und Misere haben<br />

wir im Schienenverkehr eine realistische (auf den heutigen<br />

170 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Grenzwertvorschlägen basierende) Änderung der Emissionsfaktoren<br />

angenommen, für Erfolg mit Ökologie eine<br />

optimistische (maximal technisch realisierbare). Für das<br />

Szenario Gewinnmaximierung haben wir statt den heutigen<br />

SBB-Strommix zu verwenden, die durchschnittliche Zusammensetzung<br />

des UCPTE-Stromes herangezogen. Unabhängig<br />

von den Szenarien haben wir für die Strasse eine<br />

realistische und eine optimistische Emissionsänderung angenommen.<br />

Dabei stützten wir uns auf die Abschätzung der<br />

Reduktionspotenziale in Maibach et al. (1997).<br />

Da zwischen den Emissionsfaktoren verschiedener Fahrzeuge<br />

auf Strasse und Schiene starke Unterschiede bestehen,<br />

mussten die Marktanteile des Personen- und Güterverkehrs<br />

nochmals in die wichtigsten Fahrzeugkategorien unterteilt<br />

werden. <strong>Die</strong> aktuellen Marktanteile haben wir über die<br />

entsprechenden Verkehrszahlen der letzten Jahre gemittelt<br />

bzw. bei der SBB AG erfragt, ihre Änderung bis 2015<br />

aufgrund der Beschreibung der Szenarien selbst abgeschätzt.<br />

Rechnungshilfe<br />

Kasten 4.1 liefert eine Übersicht der verwendeten Verkehrsdaten<br />

und Emissionsfaktoren. Aus den Werten kann die<br />

Treibhausgas- und NOx-Belastung für jedes Szenario errechnet<br />

werden (wegen Rundungsfehlern bei der Darstellung<br />

ist eine Abweichung um 1-2% von den von uns präsentierten<br />

Ergebnissen möglich).<br />

Durch Multiplikation der Gesamtverkehrsleistung im Güter-<br />

bzw. im Personenverkehr (VLVB) mit den Marktanteilen<br />

der einzelnen Fahrzeugkategorien (MFFZK,S) erhalten<br />

wir eine spezifische Verkehrsleistung pro Fahrzeugkategorie<br />

(VLFZK,S). Durch Multiplikation dieser Verkehrsleistungen<br />

mit den dazugehörigen Emissionsfaktoren<br />

(EMF FZK,S ) bilden wir spezifische Umweltbelastungswerte<br />

für jede Fahrzeugkategorie. <strong>Die</strong> Emissionsfaktoren sind für<br />

jede Kategorie und jedes Szenario direkt angegeben. <strong>Die</strong><br />

Summe über alle Fahrzeugkategorien eines Verkehrsträgers<br />

(VT) ergibt dessen Umweltbelastung (UBVT,S) durch den<br />

betrachteten Schadstoff. <strong>Die</strong> «relativen Emissionen»<br />

(REVT,S) eines Verkehrsträgers erhalten wir als Quotient<br />

dieser Umweltbelastung und der Verkehrsleistung, die<br />

durch den Verkehrsträger im betrachteten Szenario erbracht<br />

wird (VL VT,S ). <strong>Die</strong>se ist die Summe der Verkehrsleistungen<br />

der einzelnen Fahrzeugkategorien (VL FZK,S ), die als Produkte<br />

der jeweiligen Marktanteile (MFFZK,S) und der Gesamtverkehrsleistung<br />

im betrachteten Verkehrsbereich<br />

(VLVB) gebildet werden können.<br />

4.2 Resultate der ökologischen<br />

Bewertung: Umweltauswirkungen<br />

in den Szenarien<br />

Umweltauswirkungen absolut<br />

Aufgrund seines höheren Marktanteils und seiner grösseren<br />

Reduktionspotenziale ist für die Entwicklung der Gesamtemissionen<br />

vor allem der Strassenverkehr verantwortlich.<br />

Mit der besten heute verfügbaren Technik auf der Strasse<br />

(realistische Änderung) sind gleichbleibende oder leicht<br />

erhöhte Treibhausgasemissionen gegenüber 1995 zu erwarten<br />

(vgl. Abb. 4.2.1). <strong>Die</strong>s steht im Gegensatz zu den Reduktionszielen<br />

des Bundes, wie sie im CO2-Gesetz festgehalten<br />

sind (Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,<br />

1999). Dort wird in Anlehnung an das Kyoto-Protokoll<br />

eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 8%<br />

gegenüber dem St<strong>and</strong> von 1995 bis ins Jahr 2010 gefordert.<br />

Nutzt der Strassenverkehr sein gesamtes Reduktionspotenzial<br />

aus (optimistische Änderung), wird dieses Ziel in jedem<br />

Szenario erreicht.<br />

Bei den Stickoxidemissionen (Abb. 4.2.2) ist mit der<br />

realistischen Änderung eine Abnahme um knapp 30%, je<br />

nach Szenario auf zwischen 70’000 und 80’000 t NOx pro<br />

Jahr, zu erwarten. Das Luftreinhaltekonzept des Bundesrates<br />

strebt jedoch eine Reduktion der NOx-Emissionen auf<br />

den St<strong>and</strong> von 1960 an (siehe Elektrowatt, 1996). Damals<br />

wurden jährlich 64’000 Tonnen NO x freigesetzt, die Hälfte<br />

davon im Verkehr. Mit der optimistischen Änderung der<br />

Strassenemissionen kann der Verkehr in jedem unserer<br />

Szenarien ihren Ausstoss von 1960 deutlich unterbieten.<br />

Der Anteil des Schienenverkehrs ist hier jedoch entsprechend<br />

grösser: Im Szenario Gewinnmaximierung sind die<br />

Bahnemissionen sogar mit denen der Strasse vergleichbar.<br />

Da wir uns in der Szenarioanalyse vor allem mit der<br />

Entwicklung des Schienenverkehrs beschäftigten, liegen die<br />

Gesamtemissionen für alle vier Szenarien in der gleichen<br />

Grössenordnung. <strong>Die</strong> Rangfolge der Szenarien ist aber bei<br />

beiden Schadstoffen ähnlich: Erfolg dank Ökologie verursacht<br />

die geringsten Emissionen, während die Umwelt in der<br />

Regel in Misere am stärksten belastet wird.<br />

«Relative Emissionen»: Umweltauswirkungen pro<br />

Transporteinheit<br />

Unter Wettbewerbsgesichtspunkten sind neben den Gesamtemissionen<br />

von Strasse und Schiene vor allem ihre Umweltauswirkungen<br />

pro Transporteinheit (tkm oder Pkm) von<br />

Bedeutung. <strong>Die</strong>se Darstellung erlaubt einen direkten, vom<br />

jeweiligen Marktanteil unabhängigen Vergleich der Verkehrsträger.<br />

Für beide Schadstoffe ist zu erwarten, dass der heutige<br />

Trend zur Reduktion der relativen Belastungen durch die<br />

Strasse auch in Zukunft anhält, während die relative Belastung<br />

durch die Bahn gleich bleiben oder gar zunehmen wird.<br />

Im Güterverkehr hat die Bahn einen deutlichen Umweltvorteil<br />

gegenüber der Strasse (siehe Abb. 4.2.3 und 4.2.4).<br />

Im Personenverkehr ist dieser Vorsprung hingegen viel geringer<br />

und wird noch weiter reduziert, falls die SBB AG, wie<br />

im Szenario Gewinnmaximierung, auf den UCPTE-Strom<br />

ausweicht.<br />

Gesamthaft gesehen ist der ökologische Vorsprung der<br />

Bahn unter der Annahme einer von uns als realistisch eingestuften<br />

Emissionsreduktion der Strasse zwar kleiner als<br />

heute, doch in keinem der aufgezeigten Szenarien ernsthaft<br />

bedroht. Bei einer optimistischen Schätzung hingegen<br />

kommt es stark auf das jeweilige Szenario an, ob eine<br />

Marktanteilsverschiebung zu Gunsten der Bahn ökologisch<br />

gerechtfertigt ist oder nicht.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 171


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Übersicht zu den verwendeten Verkehrsdaten und Emissionsfaktoren für NOx und CO2<br />

Formeln für die Berechnung:<br />

UB<br />

VT, S<br />

= VL<br />

Mit: UB VT,S = Umweltbelastung eines Verkehrsträgers (VT) in einem Szenario (S)<br />

RE VT,S = relative Emissionen eines Verkehrsträgers (VT) in einem Szenario (S)<br />

VL VB,G2015 = Gesamtverkehrsleistung in einem Verkehrsbereich (VB) im Grundszenario 2015<br />

MF FZK,S = Marktanteile der einzelnen Fahrzeugkategorien (FZK) im betrachteten Szenario S<br />

EMF FZK,S = Emissionsfaktoren der jeweils gleichen FZK in S<br />

FZKVT = Fahrzeugkategorien eines Verkehrsträgers<br />

Für die Emissionswerte des Grundszenarios 1995 muss entsprechend mit VL VB, G1995 gerechnet werden.<br />

Verkehrsentwicklung<br />

VB, G2015<br />

⋅<br />

∑<br />

FZKVT<br />

(MF<br />

FZK, S<br />

⋅ EMF<br />

)<br />

FZK, S<br />

RE<br />

VT,<br />

S<br />

=<br />

∑<br />

FZKVT<br />

(MF<br />

∑<br />

FZK,<br />

FZKVT<br />

S<br />

⋅ EMF<br />

VB VT G1995 G2015<br />

Strasse 77447 1) 89483 2)<br />

Tab. 1 in Kasten 4.1: Verkehrsleistung (VL) in den<br />

Grundszenarien [Mio. Pkm/a bzw. Mio. tkm/a].<br />

Gesamt 21554 4) 33983 4)<br />

PV<br />

Schiene 13408 1) 29080 2)<br />

Gesamt 90855 4) 118563 4)<br />

Strasse 12868 1) 22589 3)<br />

GV<br />

Schiene 8686 1) 11394 3)<br />

MF<br />

FZK,<br />

S<br />

FZK,<br />

S<br />

)<br />

VB VT Grundszenarien Szenarien 2015 (S)<br />

Tab. 2 in Kasten 4.1: Marktanteile<br />

von Strasse<br />

G1995 G2015 Trend EdÖ Gemax Misere<br />

PV Strasse 0.85 5) 0.75 5) 0.82 6) 0.78 6) 0.82 6) 0.85 6) Schiene (MA).<br />

und<br />

Schiene 0.40 5) 0.34 5) 0.40 6) 0.48 6) 0.48 6) 0.32 6)<br />

Schiene 0.15 5) 0.25 5) 0.18 6) 0.22 6) 0.18 6) 0.15 6)<br />

GV Strasse 0.60 5) 0.66 5) 0.60 6) 0.52 6) 0.52 6) 0.68 6)<br />

VT FZK Grundszenarien Szenarien 2015<br />

Tab. 3 in Kasten 4.1: Aufteilung<br />

der Verkehrsträger in<br />

G1995 G2015 Trend / EdÖ Gemax / Misere<br />

PV Strasse PW 1,00 7) 1,00 7) 1,00 7) 1,00 7) Fahrzeugkategorien (AF).<br />

UKV 0,33 12) 0,40 13) 0,40 13) 0,40 13)<br />

PV Schiene RZ 0,25 8) 0,21 8) 0,21 8) 0,15 9)<br />

SZ 0,75 8) 0,79 8) 0,79 8) 0,85 9)<br />

GV Strasse LW 0,11 10) 0,15 11) 0,15 11) 0,15 11)<br />

LKW 0,89 10) 0,85 11) 0,85 11) 0,85 11)<br />

GV Schiene WLV 0,61 12) 0,50 13) 0,50 13) 0,50 13)<br />

RLS 0,06 12) 0,10 13) 0,10 13) 0,10 13)<br />

VB FZK Grundszenarien Szenarien 2015<br />

Tab. 4 in Kasten 4.1: Marktanteile<br />

der Fahrzeugkate-<br />

G1995 G2015 Trend EdÖ Gemax Misere<br />

PV PW 0,85 14) 0,75 14) 0,82 14) 0,78 14) 0,82 14) 0,85 14) gorien (MF).<br />

UKV 0,13 14) 0,13 14) 0,16 14) 0,19 14) 0,19 14) 0,13 14)<br />

RZ 0,04 14) 0,05 14) 0,04 14) 0,05 14) 0,03 14) 0,02 14)<br />

SZ 0,11 14) 0,19 14) 0,14 14) 0,17 14) 0,15 14) 0,13 14)<br />

GV LW 0,07 14) 0,10 14) 0,09 14) 0,08 14) 0,08 14) 0,10 14)<br />

LKW 0,53 14) 0,56 14) 0,51 14) 0,44 14) 0,44 14) 0,58 14)<br />

WLV 0,25 14) 0,17 14) 0,20 14) 0,24 14) 0,24 14) 0,16 14)<br />

RLS 0,02 14) 0,03 14) 0,04 14) 0,05 14) 0,05 14) 0,03 14)<br />

Kasten 4.1: Verkehrsentwicklung in den vier Szenarien.<br />

Fortsetzung nächste Seite →<br />

172 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Emissionsentwicklung (Emissionsfaktoren EMF)<br />

FZK G1995 Trend EdÖ Gemax Misere Tab. 5 in Kasten 4.1:<br />

EMF Änd% EMF Änd% EMF Änd% EMF Änd% EMF NOx-Emissionen in<br />

RZ 0.24 15) -10 16) 0,21 20) -20 17) 0,19 20) +25 18) 0,30 20) -10 16) 0,21 20) g/Pkm bzw. g/tkm<br />

SZ 0.10 15) -10 16) 0,09 20) -20 17) 0,08 20) +50 18) 0,16 20) -10 16) 0,09 20) für die Schiene.<br />

UKV 0.06 15) 0 16) 0,06 20) 0 17) 0,06 20) +10 18) 0,07 20) 0 16) 0,06 20)<br />

WLV 0.28 15) -5 16) 0,26 20) -10 17) 0,25 20) +90 18) 0,52 20) -5 16) 0,26 20)<br />

RL 0.09 15) 0 16) 0,09 20) 0 17) 0,09 20) +10 18) 0.10 20) 0 16) 0,09 20)<br />

in g/Pkm<br />

FZK G1995 realistisch optimistisch<br />

EMF Änd% EMF Änd% EMF<br />

Tab. 6 in Kasten 4.1: NOx-Emissionen<br />

bzw. g/tkm für die Strasse.<br />

LKW 3,06 15) -50 19) 1,53 20) -90 19) 0,31 20)<br />

PW 0,74 15) -50 19) 0,37 20) -90 19) 0,07 20)<br />

LW 6,85 15) -50 19) 3,43 20) -90 19) 0,6920)<br />

FZK G1995 Trend EdÖ Gemax Misere Tab. 7 in Kasten<br />

EMF Änd% EMF Änd% EMF Änd% EMF Änd% EMF 4.1: Treibhauspotentiale<br />

in g CO 2 -Ä<br />

RZ 76 15) -10 16) 68 20) -30 17) 53 20) +35 18) 103 20) -10 16) 68 20)<br />

SZ 34 15) +10 16) 37 20) -10 17) 31 20) +80 18) 61 20) +10 16) 37 20) quivalenten/Pkm<br />

bzw. g CO2-Äquivalenten/tkm<br />

für die<br />

WLV 73 15) -5 16) 69 20) -10 17) 65 20) +20 18) 87 20) -5 16) 69 20)<br />

UKV 19 15) 0 16) 19 20) 0 17) 19 20) +20 18) 23 20) 0 16) 19 20)<br />

RL 25 15) 0 16) 25 20) 0 17) 25 20) +20 18) 30 20) 0 16) 25 20)<br />

Schiene.<br />

FKZ G1995 realistisch optimistisch Tab. 8 in Kasten 4.1: Treibhauspotentiale in g<br />

EMF Änd% EMF Änd% EMF CO 2 -Äquivalenten/Pkm bzw. g CO 2 -Äquivalenten/tkm<br />

für die Strasse.<br />

PW 200 15) -30 19) 140 20) -50 19) 100 20)<br />

LKW 316 15) -10 19) 284 20) -20 19) 253 20)<br />

LW 1643 15) -30 19) 1150 20) -50 19) 822 20)<br />

Quellen:<br />

1) aus BfS, 2000<br />

2) aus SGZZ, 1994, S. 147, 151 und 154<br />

3) aus Sommer & Neuenschw<strong>and</strong>er, 1999, S. A-11<br />

4) Summe über Strasse und Schiene<br />

5) Aus den Verkehrsleistungen errechnet<br />

6) Variation nach den Ausprägungen in den Szenarien (Siehe<br />

Tabellen 2.4 und 2.6)<br />

7) Beim PV auf der Strasse haben wir nur den PW berücksichtigt.<br />

Motorrad und Car haben einen verschwindend geringen Anteil an<br />

der Verkehrsleistung (siehe SGZZ, 1994, S. 154).<br />

8) Angabe SBB AG, Division Personenverkehr, Juni 2000<br />

9) Annahme aus den Szenarien: Aus finanziellen Gründen konzentriert<br />

sich die SBB AG auf den rentableren Fernverkehr.<br />

10) Gemittelt aus SGZZ, 1995, S.156, Jahre 1990-92<br />

11) Annahme, dass sich die Verteilung wegen der LSVA geringfügig<br />

zugunsten der leichteren LW verschiebt<br />

12) Gemittelt aus SBB, 1998, S. 9, und SBB AG, 2000c, S. 9, Jahre<br />

1990, 1995-1999<br />

13) Eigene Annahme: Fortführung der unter<br />

12) sichtbaren Trends<br />

14) Berechnet aus MA und AF: MFi =MA i *AF i<br />

15) Emissionsfaktoren 1995 aus Maibach et al., 1997, S. 11-20<br />

16) Eigene Schätzung: realistische Änderung der Bahnemissionen<br />

17) Eigene Schätzung: optimistische Änderung der Bahnemissionen<br />

18) Eigene Schätzung: Änderung der Bahnemissionen nach Umstieg<br />

auf den UCPTE-Mix<br />

19) Änderung der Strassenemissionen aus Maibach et al., 1997, S.<br />

52. Realistisch: «bestes heutiges Verkehrsmittel»; optimistisch:<br />

«Technisches Potenzial in absehbarer Zukunft» inkl. Verbesserungen<br />

bei der Auslastung. Für LW waren keine separaten Werte<br />

vorh<strong>and</strong>en, deshalb haben wir hier die Werte der konzeptionell<br />

ähnlichen PW eingesetzt.<br />

20) Errechnete neue Emissionsfaktoren Emii = Emi G1995 *(1-<br />

Änd% i /100)<br />

Fortsetzung Kasten 4.1: Emissionsentwicklung in den vier Szenarien.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 173


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Abb. 4.2.1: Total durch den Verkehr emittierte CO2-Äquivalente. <strong>Die</strong> verschiedenen Szenarien zeigen einen relativ kleinen<br />

Spielraum. <strong>Die</strong> gestrichelte Linie markiert das Reduktionsziel im CO 2 -Gesetz.<br />

Abb. 4.2.2: Kumulierte Stickoxidemissionen durch den Verkehr in den verschiedenen Szenarien. Deutlich sichtbar ist das<br />

grosse Reduktionspotenzial im Strassenverkehr. <strong>Die</strong> gestrichelten Linien markieren das Reduktionsziel im Luftreinhaltekonzept<br />

des Bundesrates, die gesamten (oben) und verkehrsbedingten (unten) Emissionen im Jahre 1960.<br />

174 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Abb. 4.2.3: Treibhauspotenziale pro Transporteinheit und Kilometer für den Güter- und Personenverkehr.<br />

Abb. 4.2.4: Stickoxidemissionen pro Transporteinheit und Kilometer für den Güter- und Personenverkehr.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 175


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

4.3 Einschränkungen bei Durchführung<br />

und Interpretation der ökologischen<br />

Bewertung<br />

Wie schon eingangs erwähnt, stellt unsere ökologische Bewertung<br />

weder eine vollständige Ökobilanz noch eine exakte<br />

Prognose aller Umweltauswirkungen des Verkehrs für das<br />

Jahr 2015 dar. Für einen solchen Anspruch enthält sie zu<br />

viele Vereinfachungen, die zum Teil bereits durch die vorangegangene<br />

Szenarioanalyse vorgegeben wurden.<br />

So erscheint vor allem die Festlegung einer identischen<br />

Gesamtverkehrsmenge in allen Szenarien aus dem Blickwinkel<br />

der Bewertung nicht mehr sinnvoll: Eine Variation<br />

dieser Grösse hat einen ähnlich starken Einfluss auf die<br />

Resultate wie die Änderung der Marktanteile in den Szenarien.<br />

Auch die Annahmen für die zukünftigen Emissionsfaktoren<br />

des Schienenverkehrs sind entscheidend für unsere Bewertung<br />

und gleichzeitig mit grossen Unsicherheiten behaftet.<br />

<strong>Die</strong> Entwicklungen im Energiemarkt sind schwer abzuschätzen,<br />

haben jedoch einen grossen Einfluss auf die Emissionen<br />

der Bahn. Ein Umsteigen von Wasserkraft auf<br />

UCPTE-Strom erscheint aus heutiger Sicht auch bei einem<br />

möglichen Verkauf der SBB-Kraftwerke wenig wahrscheinlich.<br />

Der Fall könnte jedoch eintreten, wenn z.B. die Transformationskosten<br />

drastisch sinken. Bei der angestrebten<br />

Marktanteilssteigerung muss der zusätzliche Energiebedarf<br />

aus dem UCPTE-Mix gedeckt oder der spezifische Energieverbrauch<br />

gesenkt werden, wenn die SBB AG keine neuen<br />

Wasserkraftwerke bauen will.<br />

Während der <strong>Fallstudie</strong> ist ein Nachtrag zur BUWAL-Studie<br />

«Luftschadstoffemissionen des Strassenverkehrs 1950-<br />

2010» (Keller & de Haan, 2000) erschienen, den wir zur<br />

Relativierung unserer Emissionsannahmen heranziehen<br />

können. Aufgrund von differenzierten Analysen zur Verkehrsentwicklung<br />

und den in den nächsten Jahren in Kraft<br />

tretenden Abgasnormen der EU prognostizieren die Autoren<br />

bis 2015 eine Zunahme der strassenseitigen CO2-Emissionen<br />

um 9% und gleichzeitig eine Abnahme der NOx-<br />

Emissionen auf der Strasse um 73% (Keller & de Haan,<br />

2000, S. 50-52). <strong>Die</strong> Reduktionspotenziale aus Maibach et<br />

al. (1997), die unseren Annahmen zugrunde liegen, werden<br />

also für CO 2 kaum, für NO x hingegen fast vollständig<br />

ausgenutzt. Aus diesen Prognosen können wir folgern, dass<br />

der ökologische Vorteil der Schiene bezüglich Treibhausgasemissionen<br />

noch weniger als in unserer Bewertung gefährdet<br />

ist. Für die Belastung durch Stickoxide gelten annähernd<br />

unsere optimistischen Annahmen für die Emissionen<br />

des Strassenverkehrs: Bei diesen Schadstoffen wird für die<br />

Wahrung eines ökologischen Vorteils entscheidend, aus<br />

welchen Quellen die Bahn ihren Strom bezieht.<br />

5 <strong>Die</strong> Szenarien in ihrem Kontext<br />

5.1 <strong>Die</strong> strategischen Ziele der SBB<br />

Kurz vor Abschluss unserer <strong>Fallstudie</strong> hat die SBB AG eine<br />

neue Unternehmensstrategie entwickelt 3 . <strong>Die</strong> darin genannten<br />

Ziele nehmen zum Teil weichenstellende Entscheide aus<br />

unseren Szenarien vorweg.<br />

<strong>Die</strong> SBB AG sieht sich als eine «ganz gewöhnliche Unternehmung»<br />

und richtet sich konsequent nach Trends in Wirtschaft<br />

und Gesellschaft aus. Sie will:<br />

– als umfassende Mobilitätsanbieterin alle Wertschöpfungspotenziale<br />

im Mobilitätsumfeld nutzen;<br />

– basierend auf einer starken Marke SBB eine führende<br />

europäische Unternehmung werden;<br />

– sich als E-company profilieren;<br />

– durch die Kapitalmarktfähigkeit und den stufenweisen<br />

Abbau der staatlichen Subventionsbeiträge ihre unternehmerische<br />

Autonomie erhöhen;<br />

– als Arbeitgeberin für Frauen und Männer gleichermassen<br />

attraktiv sein und<br />

– als Technologie-Avantgardistin eine Vorreiterrolle im<br />

Mobilitätsbereich übernehmen.<br />

<strong>Die</strong> dazu erforderliche Produktivitätssteigerung will die<br />

SBB AG unter <strong>and</strong>eren durch eine erhöhte Kundenorientierung<br />

in allen Geschäftsbereichen, durch Expansion ins Ausl<strong>and</strong>,<br />

Einstieg ins Consulting-Business und Kooperation mit<br />

<strong>and</strong>eren Transportanbietern zur Schaffung von ganzen<br />

Transportketten erreichen.<br />

Bis auf das Szenario Misere sind in der SBB-Strategie<br />

Elemente aller Szenarien erkennbar. Insgesamt könnte man<br />

sie zwischen den Szenarien Trend und Gewinnmaximierung<br />

einordnen. Im Umweltbereich werden auf der Ebene der<br />

strategischen Planung keine Ziele gesetzt. <strong>Die</strong> Umweltleistung<br />

der SBB AG soll indirekt über den Einsatz neuer,<br />

effizienterer Technologien verbessert werden; auf ihre gezielte<br />

Kommunikation, z.B. als Best<strong>and</strong>teil der «Marke<br />

SBB», wird vorerst verzichtet.<br />

5.2 Szenarien aus dem NFP 41 «Verkehr<br />

und Umwelt» und dem UIC Railplan<br />

Im Folgenden gehen wir auf zwei Studien aus der gegenwärtigen<br />

Forschung um die Zukunft des Schienenverkehrs ein,<br />

die ebenfalls Szenarien beinhalten.<br />

Der Internationale Eisenbahnverb<strong>and</strong> UIC fasste im Jahre<br />

1997 seine Vorstellungen und Strategien im UIC Railplan<br />

zusammen (UIC, 1997). Aus einem Rahmenbedingungsszenario<br />

werden in dieser Studie allgemeine Strategien und<br />

aus diesen wiederum konkrete Aktionen für die Bahngesellschaften<br />

abgeleitet. Neben den Rahmenbedingungen aus<br />

3 Zukunft SBB: Vision und Strategie der SBB AG. Vorgestellt von W. Moser<br />

(Stv. Generalsekretär SBB AG) am 8. Juni 2000. Wird im Folgenden<br />

Strategie genannt.<br />

176 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Technik fasst der UIC<br />

in einem Szenario die Anforderungen des Marktes (aufgeteilt<br />

nach Kundensegmenten), die Effekte des Wettbewerbs<br />

zwischen den Verkehrsträgern und die Auswirkungen externer<br />

Umwelteffekte zusammen. Anschliessend beschreibt<br />

der UIC Strategien und Ziele zur Verbesserung der Marktposition<br />

der Bahnen. Dazu gehören eine bessere Ausnutzung<br />

der vorh<strong>and</strong>enen Systemstärken wie z.B. der Geschwindigkeit,<br />

Kapazität und Sicherheit, eine weitere Steigerung<br />

der Qualität und Produktivität der Bahnen, erhöhte<br />

Flexibilität durch vermehrte Interoperabilität und Intermodalität<br />

sowie weitere Anstrengungen im Umweltschutz, vor<br />

allem beim Lärm und bei der Energie.<br />

Lebküchner et al. (2000) haben in der NFP-Studie Zukunftsgüterbahn<br />

die mittelfristigen Innovationspotenziale<br />

des Bahngüterverkehrs untersucht. Zentrale Fragestellung<br />

bildet die Möglichkeit eines «Faktor 4» beim Bahngüterverkehr:<br />

«Wie kann die Bahn innert nützlicher Frist ihre ökonomische<br />

und ökologische Produktivität derart steigern, dass<br />

ihre Nachhaltigkeit im Markt sichergestellt werden kann?»<br />

(S. 5). Ausgehend vom heute existierenden technischen<br />

Innovationspotenzial, den Marktanforderungen und den politischen<br />

Rahmenbedingungen werden Investitionsgrundsätze<br />

für die zukünftigen Bahnen erarbeitet und in einer<br />

<strong>Fallstudie</strong> zum Einzelwagenladungsverkehr (EWLV) in der<br />

Schweiz konkretisiert. <strong>Die</strong> Autoren untersuchen aufgrund<br />

der heutigen Verkehrsmengen und Marktverhältnisse das<br />

ökologische Potenzial des EWLV in den Bereichen Lärm,<br />

Energie, Luftschadstoffeund Partikelemissionen und stellen<br />

schliesslich vier verschiedene Optimierungspfade zur Diskussion.<br />

<strong>Die</strong>se «Szenarien» werden anh<strong>and</strong> verschiedener<br />

Kriterien ausführlich beurteilt. Aufgrund der gewonnenen<br />

Erkenntnisse zeigen die Autoren, dass technische Neuerungen<br />

nur in Verbindung mit innovativen Ansätzen im organisatorischen<br />

Bereich und einer Neupositionierung am Markt<br />

zur erforderlichen Produktivitätssteigerung im Bahngüterverkehr<br />

führen können.<br />

Der UIC Railplan bildete die Grundlage für einige unserer<br />

Rahmenbedingungen; die Hauptaussagen der zu unserer<br />

Arbeit parallel erarbeiteten NFP-Studie decken sich mit<br />

unseren Ergebnissen. <strong>Die</strong> Studien zeigen zudem exemplarisch<br />

die Verwendungsmöglichkeiten von Szenarien in der<br />

strategischen Planung: Zum einen dienen Szenarien als Rahmen<br />

für die Bewertung von Strategien und Massnahmen,<br />

zum <strong>and</strong>eren bilden verschiedene Massnahmen selbst unternehmensspezifische<br />

H<strong>and</strong>lungsszenarien. In unserer Arbeit<br />

versuchten wir, Rahmenbedingungen und H<strong>and</strong>lungsoptionen<br />

in ein gemeinsames System zu integrieren. In der von<br />

uns verwendeten Methode der formativen Szenarioanalyse<br />

wird zudem auch die Konsistenz der Szenarien überprüft,<br />

d.h. das Zusammenspiel der verschiedenen Ausprägungen<br />

innerhalb jedes Szenarios bewertet. Durch diesen Schritt<br />

wird die Auswahl der Szenarien methodisch gestützt und<br />

somit besser begründbar.<br />

6 Was konnten wir aus Szenarien<br />

und Bewertung lernen?<br />

Für unsere Fragestellungen (siehe Kasten 1) gibt es keine<br />

einzig richtige «Lösung». Mit Hilfe der vorgestellten Ergebnisse<br />

können wir hier aber einige Lösungsvorschläge aufzeigen:<br />

Zur Frage, ob die Bahn gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich<br />

und ökologisch aktiv sein kann, konnte ein konsistentes<br />

Szenario gefunden werden: In Erfolg dank Ökologie<br />

verbindet die SBB AG diese oft als gegensätzlich erachteten<br />

Ziele. Gleichzeitig ist aber auch ein Szenario der Gewinnmaximierung<br />

denkbar: <strong>Die</strong> SBB AG kann auch im klassischen<br />

Sinne, ohne Rücksicht auf Peripherie und Umwelt,<br />

hohe Gewinne erzielen.<br />

Für den unternehmerischen Erfolg ist die Erschliessung<br />

neuer Marktsegmente sowie eine verstärkte Kooperation<br />

mit <strong>and</strong>eren Transportunternehmen unerlässlich. Besonders<br />

im Güterverkehr zeichnen sich grosse Veränderungen der<br />

Kundenbedürfnisse ab. <strong>Die</strong> Bahn muss hier neue Transportkonzepte<br />

entwickeln, um unter den veränderten Bedingungen<br />

gegenüber der Strasse konkurrenzfähig zu bleiben. Laut<br />

Füglistaler (2000) können sich die einzelnen Bahngesellschaften<br />

nur mittels Allianzen erfolgreich im veränderten<br />

europäischen Güterverkehrsmarkt positionieren. Durch eine<br />

intermodale Zusammenarbeit können zusätzlich die bislang<br />

ungenutzten wirtschaftlichen Potenziale ganzer Transportketten<br />

freigesetzt werden. So kann die Bahn ihre Systemstärken<br />

ausnutzen und gleichzeitig ihre Konkurrenzfähigkeit<br />

erhöhen.<br />

Der ökologische Vorsprung der Bahn gegenüber der Strasse<br />

ist im Bereich der Luftschadstoffe nur temporär; ob er<br />

weiterhin Grössenordnungen beträgt oder ob auch hier eine<br />

Konkurrenzsituation eintritt, hängt vor allem von der Entwicklung<br />

der Strasse ab. In Anbetracht der verschärften<br />

Abgasnormen der EU ist in absehbarer Zeit mit erheblichen<br />

Fortschritten der Strasse zu rechnen. Schöpft sie einen<br />

Grossteil ihrer Reduktionspotenziale aus, ist der Umweltvorteil<br />

der Bahn nicht mehr gesichert.<br />

<strong>Die</strong> wichtigsten H<strong>and</strong>lungsbereiche für die ökologische<br />

Qualität des Bahnverkehrs sind Lärm, Energie und Auslasung.<br />

Im Bereich des Lärms scheint vor allem der Güterverkehr<br />

schlechte Karten zu haben: Während im Personenverkehr<br />

jede Gesellschaft ihren eigenen Wagenpark betreibt, ist<br />

die Lärmsanierung der Güterwagen wegen ihrer hohen<br />

Durchmischung nur in Zusammenarbeit mit allen <strong>and</strong>eren<br />

europäischen Bahngesellschaften sinnvoll. Dass eine Kooperation<br />

auch im Personenverkehr fruchten kann, zeigt die<br />

anfangs Sommer 2000 abgeschlossene Vereinbarung zwischen<br />

DB, ÖBB und der SBB AG, die als Erstes die gemeinsame<br />

Beschaffung von modernen – und lärmarmen – ICN-<br />

Neigezügen vorsieht.<br />

Für eine gute ökologische Performance kommt es sowohl<br />

auf die Menge als auch auf die Quellen der verbrauchten<br />

Energie an. Heute deckt die SBB AG ihren Strombedarf<br />

grösstenteils mit einheimischer Wasserkraft. Bei den Marktanteilssteigerungen<br />

der erfolgreichen Szenarien wird sie aus<br />

Kapazitätsgründen auf den weniger umweltfreundlichen europäischen<br />

Strommix ausweichen müssen. In welchem Ma-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 177


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

sse sie auf diesen angewiesen ist, hängt nicht zuletzt von der<br />

Grösse der Effizienzsteigerungen ab, die sie durch ihre Angebotsgestaltung<br />

erzielen kann. Eine zu kleine Auslastung<br />

ist der Hauptgrund dafür, dass die Bahn im Personenverkehr<br />

einen weitaus geringeren ökologischen Vorsprung vor der<br />

Strasse besitzt als im Güterverkehr.<br />

Einige der angesprochenen Veränderungen steigern<br />

gleichzeitig den unternehmerischen Erfolg und die ökologische<br />

Qualität der Bahn. Neben Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit,<br />

Schnelligkeit und Sicherheit ist auch die ökologische<br />

Verträglichkeit zu einem Qualitätsausweis geworden, der<br />

eng mit dem Label SBB verbunden ist. Da in der Zukunft die<br />

Chance besteht, dass Ökologie auch im Wirtschaftsleben<br />

eine grössere Rolle spielen wird als heute (UIC, 1997), tut<br />

die SBB AG sicher gut daran, ihre hohe Umweltleistung als<br />

potentielles Marketingargument weiter zu halten oder gar<br />

auszubauen.<br />

7 Und wie weiter?<br />

7.1 Fazit für die SBB AG<br />

Aus der Arbeit der Szenariengruppe sind vier Thesen hervorgegangen,<br />

die wichtige Aussagen unserer Szenarien zusammenfassen<br />

und eine weitere Ausein<strong>and</strong>ersetzung mit der<br />

Zukunft der SBB AG fördern sollen:<br />

– Damit die SBB AG fit für den Markt bleibt, muss sie<br />

Trends antizipieren und mitbestimmen. Das Erschliessen<br />

neuer Gütersegmente und eine Kooperation mit <strong>and</strong>eren<br />

Transportunternehmen sind unerlässlich für ihr wirtschaftliches<br />

Überleben.<br />

– Wirtschaftlicher Erfolg des Unternehmens SBB AG ist<br />

kurzfristig mit und auch ohne Rücksicht auf die Umwelt<br />

möglich. Längerfristig zahlt sich aber eine nachhaltige<br />

Strategie aus.<br />

– Der Umweltvorteil der Bahn wird wesentlich durch den<br />

Energiemix bestimmt. Ein Ausstieg aus der Wasserkraft<br />

und eine steigende Auslastung im Strassenverkehr könnten<br />

den Umweltvorsprung der Bahn gefährden.<br />

– Wenn die SBB AG ihren Umweltvorteil nicht kommuniziert,<br />

verschenkt sie ein starkes Marketingargument.<br />

7.2 <strong>Die</strong> Szenarien werden Realität:<br />

Ein Blick in die Tagespresse<br />

Bereits während der <strong>Fallstudie</strong> und deren Nachbereitung<br />

liess die Entwicklung der SBB AG Ansätze zu allen Szenarien<br />

erkennen:<br />

– Im Februar gaben die SBB Cargo und die italienische FS<br />

ihre Absicht einer Fusion zum Güterverkehrsunternehmen<br />

Cargo SI bekannt (Tages-Anzeiger, 2000a, die Fusion<br />

wurde zwischenzeitlich wieder aufgeschoben, Tages-<br />

Anzeiger, 2000d); im Juni schlossen sich DB, ÖBB und<br />

SBB zur TEE Rail-Alliance zum Betrieb eines gemeinsamen<br />

Intercity-Netzes zusammen (NZZ, 2000a).<br />

– Gemeinsam mit der SNCF, der DB und den Luxemburgischen<br />

Staatsbahnen CFL wurde die Rhealys AG gegründet,<br />

welche die Hochgeschwindigkeitsstrecken zwischen<br />

den Zentren Paris, Luxemburg, Frankfurt und Zürich<br />

ausbauen und ca. ab dem Jahre 2006 betreiben will<br />

(Tages-Anzeiger, 2000b).<br />

– Anfangs September äusserte die SBB AG die Bereitschaft,<br />

sich auf dem britischen Transportmarkt zusammen<br />

mit dem Bauunternehmen John Laing (Chiltern<br />

Railways) um Konzessionen für den Betrieb der regionalen<br />

Eisenbahnen Thames und Wessex zu bewerben<br />

(NZZ, 2000b).<br />

– <strong>Die</strong> knappe Ablehnung der ökologischen Steuerreform in<br />

der Volksabstimmung vom 24. September (NZZ, 2000c<br />

und 2000d) zeugt zwar von einer hohen Diskussions-,<br />

gleichzeitig aber geringen H<strong>and</strong>lungsbereitschaft in der<br />

Schweizer Bevölkerung bezüglich ökologischer Anliegen.<br />

– <strong>Die</strong> Projekte NEAT und Bahn 2000 sind in ihre Realisierungsphasen<br />

getreten; die LSVA wurde trotz anfängli-<br />

178 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

chen Protesten seitens der Strassentransporteure am 1.<br />

Januar 2001 eingeführt (NZZ, 2000e und 2001a).<br />

– Nach einer vorübergehenden Personalknappheit bei den<br />

Lokomotivführern im Herbst (Aschw<strong>and</strong>en, 2000) gaben<br />

die Angestellten der SBB AG bei einer Mitarbeiterbefragung<br />

einer gewissen Unzufriedenheit Ausdruck (Tages-<br />

Anzeiger, 2000e).<br />

– <strong>Die</strong> für 2001 neu festgesetzten Löhne des Spitzenmanagements<br />

sorgten für missbilligende Kommentare in den<br />

Medien (NZZ, 2001b und 2001c); die NZZ (2001d)<br />

brachte sogar einen Streckenausfall mit der Restrukturierung<br />

des Unternehmens in Verbindung.<br />

Bleibt es beim Trend? Geht die SBB AG den Weg der<br />

Gewinnmaximierung? Schlittert sie in die Misere oder zeigt<br />

sie die Richtung an, indem sie auf ökologische Werte setzt?<br />

<strong>Die</strong>se Fragen muss die SBB AG schon heute beantworten,<br />

indem sie die Weichen für ihre zukünftige Entwicklung<br />

stellt.<br />

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<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 179


Szenarien: Bahn und Umwelt<br />

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180 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Lärm im Gütertransport –<br />

Ökobilanzierungen<br />

Autorin und Autoren:<br />

Sabina Pfister<br />

Thomas Baumgartner<br />

Thomas Mettier<br />

Inhalt<br />

1. Einführung 183<br />

2. Einbezug von Strassenlärm in den Eco-Indicator 99 184<br />

3. Modell für die Auswirkungen des Schienenlärms 189<br />

4. Vergleich der Bewertung von Strassen- und Schienenlärm 194<br />

5. Lärmbilanz konkreter Transportketten 197<br />

6. Diskussion 200


Lärm im Gütertransport<br />

Zusammenfassung<br />

Obwohl Lärm als Umweltbelastung<br />

anerkannt ist, blieb er bisher in Ökobilanzen<br />

meist unberücksichtigt. In Studien<br />

zu den externen Kosten des Verkehrs<br />

macht Lärm ca. 5% bis 75% der<br />

Gesamtkosten aus. Müller-Wenk<br />

(1999) stellt ein Modell vor, mit dessen<br />

Hilfe die Lärmemissionen von<br />

Strassenverkehr in die Ökobilanzmethode<br />

«Eco-Indicator 99» integriert<br />

werden können.<br />

Auf der Grundlage dieses Modells<br />

erarbeiteten wir ein Modell für den<br />

Einbezug von Schienenlärm, speziell<br />

für den Wagenladungsverkehr. Da wir<br />

einen streckenbezogenen Ansatz<br />

wählten, unterscheidet sich unser Modell<br />

von demjenigen von Müller-<br />

Wenk für die Strasse, so dass die Resultate<br />

für Eisenbahn und Strasse<br />

nicht direkt verglichen werden können.<br />

Um dennoch einen Vergleich zu<br />

ermöglichen, nahmen wir eine Anpassung<br />

der Methode von Müller-Wenk<br />

vor.<br />

Wir erstellten die Lärmbilanz von<br />

konkreten Transportketten sowie von<br />

möglichen Alternativen der Firmen<br />

V-Zug (Transportgut: Küchengeräte),<br />

Cham Paper Group (Transportgut:<br />

Zellstoff) und Migros (Transportgut:<br />

Pelati).<br />

<strong>Die</strong> Lärmbilanzen von Eisenbahn<br />

und Strasse differieren nicht stark. Ein<br />

wichtiger Parameter der Bilanz ist die<br />

Auslastung des Transportmittels,<br />

weshalb auf deren genaue Bestimmung<br />

Wert gelegt werden muss. Da<br />

die Daten zu den von Lärm betroffenen<br />

Personen aus dem Jahre 1990<br />

stammen, könnte sich die Bilanz bei<br />

Verwendung von aktuelleren Daten<br />

zugunsten der SBB verbessern, denn<br />

die SBB hat seither viel in Lärmschutzmassnahmen<br />

investiert. Für die<br />

Eisenbahn besteht aber sicher ein Verbesserungspotential<br />

im Bereich Lärm.<br />

Keywords: Lärmbilanzen, Lärmschutzmassnahmen,<br />

Eco-Indicator<br />

99, Ökobilanzen.<br />

Résumé<br />

Bien qu’il soit reconnu comme un facteur<br />

polluant de l’environnement, le<br />

bruit est resté absent jusqu’à maintenant<br />

des bilans écologiques. Dans des<br />

études relatives aux coûts externes du<br />

trafic, le bruit constitue environ 5% à<br />

75% des coûts totaux. Müller-Wenk<br />

(1999) propose un modèle qui permet<br />

d’intégrer les émissions sonores du<br />

transport routier dans la méthode du<br />

bilan écologique «Eco-Indicator 99».<br />

En nous appuyant sur ce modèle,<br />

nous avons élaboré un modèle permettant<br />

l’inclusion du bruit du rail, spécialement<br />

pour le trafic par wagons complets.<br />

Ayant choisi une analyse qui a<br />

comme référence le trajet parcouru,<br />

notre modèle diffère de celui de Müller-Wenk<br />

pour la route et les résultats<br />

pour le chemin de fer et la route ne<br />

peuvent donc pas être comparés directement.<br />

Afin de permettre néanmoins<br />

une comparaison, nous avons procédé<br />

à une adaptation de la méthode Müller-Wenk.<br />

Nous avons établi un bilan du bruit<br />

des chaînes de transport concrètes ainsi<br />

que des alternatives possibles des<br />

entreprises V-Zug (march<strong>and</strong>ise<br />

transportée: appareils ménagers),<br />

Cham Paper Group (matériel transporté:<br />

cellulose) et Migros (march<strong>and</strong>ise<br />

transportée: pelati).<br />

Les bilans des nuisances sonores du<br />

chemin de fer et de la route ne<br />

diffèrent pas énormément. Un paramètre<br />

essentiel du bilan constitue le<br />

taux d’utilisation des moyens de transport,<br />

ce qui implique la nécessité de le<br />

connaître exactement. Vu que les<br />

données concernant les personnes exposées<br />

au bruit datent de 1990, le bilan<br />

pourrait s’améliorer en faveur des<br />

CFF si on avait recours à des données<br />

plus récentes, car les CFF ont investi<br />

depuis lors en d’importantes mesures<br />

de protection contre le bruit. Il subsiste<br />

certes pour le chemin de fer un<br />

potentiel d’amélioration en matière de<br />

bruit.<br />

Mots-clés: bilans du bruit, mesures<br />

de protection contre le bruit, Eco-Indicator<br />

99, bilans écologiques.<br />

Summary<br />

Although noise has been recognized<br />

as a damage to the environment, it<br />

usually fails to be considered in environmental<br />

assessments. According to<br />

studies on the external costs of traffic,<br />

noise makes up about 5% to 75% of<br />

the total costs. Müller-Wenk (1999)<br />

presents a model which helps integrate<br />

noise emissions of road traffic<br />

into the environmental assessment<br />

method «Eco-Indicator 99».<br />

Based on this model, we worked out<br />

a model that integrates rail noise,<br />

especially freight transportation by<br />

rail. The selection of a route-focused<br />

approach distinguishes our model<br />

from Müller-Wenk’s – so the results<br />

for rail <strong>and</strong> for road allow no direct<br />

comparison. In order to enable a comparison<br />

we adapted Müller-Wenk’s<br />

method to our needs.<br />

We conducted a noise assessment of<br />

specific transport chains <strong>and</strong> of possible<br />

alternatives of the companies V-<br />

Zug (freight goods: kitchen appliances),<br />

Cham Paper Group (freight<br />

good: cellulose) <strong>and</strong> Migros (freight<br />

good: canned tomatoes)<br />

The assessment noise of rail <strong>and</strong><br />

roads do not differ greatly. One important<br />

parameter of the assessment is<br />

the means of transport’s capacity utilization,<br />

which is why its exact determination<br />

is of importance. As the data<br />

regarding people affected by noise<br />

were established in 1990, an assessment<br />

using more recent data might<br />

improve to the benefit of SBB, because<br />

SBB has invested a lot in noise<br />

prevention devices since then. Still,<br />

rail transport certainly has a potential<br />

of improvement as far as noise is concerned.<br />

Keywords: noise assessment, noise<br />

prevention measures, Eco-Indicator<br />

99, environmental assessment.<br />

182 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Lärm im Gütertransport<br />

1 Einführung<br />

1.1 Gegenst<strong>and</strong><br />

Lärm 1 wird allgemein als ein ernsthaftes Umweltproblem<br />

angesehen. In Europa leben ungefähr 17% der Gesamtbevölkerung<br />

in Immissionssituationen, bei denen sich ernsthafte<br />

Schäden bemerkbar machen (Stanners & Bourdeau,<br />

1995, S. 363). Gemäss dem ersten Umweltbericht der<br />

Schweiz sind fast 30% der Bevölkerung Lärmwerten des<br />

Strassenverkehrs ausgesetzt, die als kritisch bezeichnet werden<br />

müssen (Bundesamt für Statistik (BfS) und Bundesamt<br />

für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft (BUWAL), 1997, S.<br />

129-130). Ungefähr 0,7% der Bevölkerung (50’000 Personen)<br />

erfahren Eisenbahnlärm, der über dem Alarmgrenzwert<br />

liegt; weitere 300’000 Personen sind von Eisenbahnlärm<br />

über dem Immissionsgrenzwert betroffen.<br />

Bickel & Friedrich (1995, S. 112) kommen in ihrer Studie<br />

über die externen Kosten des Verkehrs in den alten Bundesländern<br />

Deutschl<strong>and</strong>s für das Jahr 1990 allerdings zum<br />

Schluss, dass die Unsicherheiten der Bewertung der Lärmschadenskosten<br />

sehr gross sind. Für den Strassenlärm erhalten<br />

sie einen Betrag zwischen 1 und 18 Milliarden DM, für<br />

den Schienenlärm Kosten zwischen 130 Millionen und 4<br />

Milliarden DM. In ihren Berechnungen ergibt dies – soweit<br />

quantifizierbar – für den Strassenverkehr einen Anteil von<br />

5% bis 26%, für den Schienenverkehr von 22% bis 74% an<br />

den externen Kosten, wenn Trennwirkung, Unfallkosten,<br />

Wasserbelastung und nicht quantifizierbare CO2-Emissionen<br />

nicht berücksichtigt werden.<br />

INFRAS & IWW (2000, S. S-3) stellen fest, dass der Lärm<br />

in Europa einen Anteil von fast 7% an den externen Kosten<br />

des Verkehrs ausmacht. 2 Schliesst man Unfälle als Schadenkategorie<br />

aus, ergibt sich für Lärm einen Anteil an den<br />

externen Kosten von fast 10%. Über 90% dieser Lärmkosten<br />

werden durch den Strassenverkehr verursacht. <strong>Die</strong> Schiene<br />

ist nur für einen Anteil von ungefähr 2% verantwortlich.<br />

Trotzdem wird der Bahnlärm als einer der Schwachpunkte<br />

der sonst guten Umweltbilanz der Bahn angesehen. <strong>Die</strong>s ist<br />

der Fall, weil dieser Lärm konzentriert entlang einiger<br />

Hauptbahnstrecken auftritt.<br />

Trotzdem wird in der Ökobilanzierung Lärm als eine<br />

Schadenkategorie oft weggelassen, z.B. in der EPS Methode<br />

(Steen, 1996). Eine verbreitete Ökobilanzierungsmethode,<br />

der Eco-Indicator 95, schliesst die Berücksichtigung von<br />

Lärm explizit aus, da Lärm als lokales Problem nicht in die<br />

von Zeit und Raum abstrahierende Methodik der Ökobilanzierung<br />

passe (Goedkoop, 1995). Wenn der Lärm aufgeführt<br />

wird, wie z.B. in der CML-Methode (Heijungs, 1992) oder<br />

von Udo de Haes (1996), dann in der Regel ohne praktikable<br />

Vorschläge, wie die Schadensbewertung durchzuführen ist.<br />

Es hat in der Vergangenheit immer wieder einzelne Vorschläge<br />

geben, wie der Strassenlärm in der Ökobilanz gewichtet<br />

werden könnte. Braunschweig & Müller-Wenk<br />

(1993, S. 146) berechnen für die von ihnen entwickelte<br />

Methode der Umweltbelastungspunkte (UBP) einen Ökofaktor<br />

von 1600 UBP/km für einen Lastwagen und 140<br />

UBP/km für einen Personenwagen. Lafleche & Sacchetto<br />

(1997, S. 115) berechneten die Lärmbelastung, die von<br />

einem Transport auf der Strecke Bologna - Mail<strong>and</strong> ausgeht,<br />

und kamen auf 7.47*10 -4 betroffene Personen pro tkm für<br />

einen Lastwagen und 6.88*10 -4 betroffene Personen pro<br />

pkm für einen Personenwagen. Maibach, Peter & Seiler<br />

(1995, S. 20f) berechnen im «Ökoinventar Transporte» die<br />

Fläche, auf der wegen eines Transportes der Immissionsgrenzwert<br />

überschritten wird. 3 Pro tkm ergibt sich in diesem<br />

Modell eine Belastung von 32 bis 45 m 2 /tkm für Güterbahntransporte<br />

und von 19 bis 52 m 2 /tkm für Lastwagen (Maibach<br />

et al., 1995, S. 78).<br />

Müller-Wenk (1999) stellte eine Methode zur Diskussion,<br />

wie die Lärmbelastung des Strassenverkehrs in den Eco-Indicator<br />

99 integriert werden könnte. Angewendet wurde<br />

diese Methode noch nie. Für <strong>and</strong>ere Lärmquellen, insbesondere<br />

für die Eisenbahn, bestehen noch keine Modelle.<br />

1.2 Ziel<br />

<strong>Die</strong> Ziele dieser Arbeit sind die Erarbeitung einer Methode<br />

zur Bilanzierung der Lärmemissionen der Eisenbahn und<br />

die Erstellung einer Lärmbilanz für ausgewählte Transportketten<br />

von und nach der Region Zug. Grundlage für das<br />

Eisenbahnmodell bildet das Modell für den Strassenlärm<br />

von Müller-Wenk (1999). Da wir Gütertransporte betrachten,<br />

beschränken wir uns auf den Güterverkehr, zeigen aber<br />

auf, wie das Modell auf Personenverkehr erweitert werden<br />

könnte.<br />

1 Eine Erklärung aller Fachbegriffe bezüglich Lärm würde den Umfang dieses Kapitels sprengen. Im Kapitel Lärm des <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>nb<strong>and</strong>es ‘99<br />

(Scholz et al., 2001) werden diese Begriffe – z.B. die Einheit dB(A) – erklärt.<br />

2 <strong>Die</strong> externen Kosten des Verkehrs wiederum machen etwa 8% des Bruttoinl<strong>and</strong>produktes der in die Studie einbezogenen 17 europäischen Länder aus.<br />

3 Dabei gehen sie so vor, dass eine 1 km lange Strassenstrecke voll mit unimodalem Verkehr ausgelastet wird. <strong>Die</strong> dadurch betroffene Fläche wird dann<br />

durch die geleistete Verkehrsleistung bei realer Auslastung dividiert.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 183


Lärm im Gütertransport<br />

2 Einbezug von Strassenlärm in<br />

den Eco-Indicator 99<br />

2.1 Einleitung<br />

Müller-Wenk (1999) beschreibt eine Methode, die den Einbezug<br />

der Lärmemissionen von Strassenverkehr in eine<br />

Ökobilanz, durchgeführt mit Eco-Indicator 99, ermöglicht.<br />

Wir fassen im Folgenden diese Methode zusammen, da<br />

unser Modell ohne deren Kenntnis nur schwer verständlich<br />

ist. Eine kurze Beschreibung des Eco-Indicator 99 findet<br />

sich im Kap. Ökoeffizienz von Transportketten, Abschnitt<br />

4.3.<br />

Als Auswirkungen von Lärm werden Schäden am Schutzgut<br />

«Menschliche Gesundheit» betrachtet. 4 Der Eco-Indicator<br />

99 bewertet Schäden an den drei Schutzgütern «Menschliche<br />

Gesundheit», «Ökosystemqualität» und «Ressourcenvorrat».<br />

Obwohl Lärm auch auf die Ökosystemqualität einwirkt<br />

– z.B. durch Störung von Tieren – wird diese aus<br />

folgenden Gründen vernachlässigt: Einerseits wäre die Bewertung<br />

wesentlich schwieriger durchzuführen und <strong>and</strong>erseits<br />

werden die Auswirkungen auf Ökosysteme im Vergleich<br />

mit den Einflüssen auf die menschliche Gesundheit<br />

als gering eingeschätzt.<br />

Als gesundheitliche Schäden von Lärm betrachtet Müller-<br />

Wenk Kommunikations- und Schlafstörungen. Weitere Beeinträchtigungen,<br />

die im Bereich des Lärmpegels von Strassenverkehr<br />

(ca. 40–70 dB(A)) auftreten, sind Konzentrationsstörungen<br />

und Behinderung von Freizeittätigkeiten, insbesondere<br />

Erholung (Müller-Wenk, 1999, S. 11ff und Infraconsult,<br />

1992). Kommunikationsstörungen können mit einer<br />

Erschwerung der Kommunikation durch Schwerhörigkeit<br />

verglichen werden. <strong>Die</strong>se werden vor allem während<br />

des Tages (06-22 Uhr), Schlafstörungen während der Nacht<br />

(22-06 Uhr) verursacht.<br />

2.2 Ausbreitungsmodell<br />

<strong>Die</strong> Fragestellung beim Ausbreitungsmodell lautet: «Um<br />

wie viele dB(A) wird der Lärmpegel durch eine zusätzliche<br />

Lärmquelle erhöht?». Als Lärmquelle definiert Müller-<br />

Wenk ein zusätzliches Fahrzeug pro Stunde. Seine Berechnungen<br />

beruhen auf einem Modell des BUWAL, mit<br />

dem der Lärmpegel einer Strasse bestimmt werden kann. Es<br />

werden darin zwei Fahrzeugkategorien unterschieden (Bundesamt<br />

für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft, 1991):<br />

– Kategorie 1: Personenwagen, Lieferwagen, Motorfahrräder;<br />

Abb. 2.1: Schema des Eco-Indicator 99 mit dem zusätzlichen Schadensindikator «Lärm». Es zeigt die Einordnung des<br />

Vorgehens von Müller-Wenk in das allgemeine Schema des Eco-Indicator 99 und gliedert sich in die vier Schritte<br />

«Ausbreitungsmodell», «Expositionsanalyse», «Abschätzung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen» und «Schadenabschätzung»<br />

(von rechts nach links). Verändert nach Goedkoop & Spriensma, 1999.<br />

4 Berglund et al. (1999) geben eine kurze Zusammenfassung der gesundheitlichen Auswirkungen von Lärm.<br />

184 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Lärm im Gütertransport<br />

– Kategorie 2: Lastwagen, Autobusse, Traktoren, Motorräder.<br />

Da die Einheit dB(A) logarithmisch ist, verursacht ein<br />

zusätzliches Fahrzeug auf stark befahrenen Strassen mit<br />

hohem Lärmpegel eine geringere Zunahme des Lärmpegels<br />

als auf schwach befahrenen Strassen. Müller-Wenk berechnet<br />

die Zunahme des Lärmpegels (∆Leq) für vier Strassentypen:<br />

– Autobahnen,<br />

– Hauptverkehrsstrassen / Autostrassen (HVS) ausserorts,<br />

– verkehrsreiche Strassen innerorts,<br />

– übrige Strassen.<br />

Ausserdem unterscheidet er Verkehr bei Tag (06-22 Uhr)<br />

und Verkehr bei Nacht (22-06 Uhr). <strong>Die</strong> Resultate sind in<br />

Tab. 2.2.1 aufgeführt.<br />

Bei der Ökobilanzierung weiss man im Allgemeinen<br />

nicht, wo genau ein Transport durchfährt, sondern man kann<br />

in der Regel nur die Transportdistanz und die Tonnage,<br />

respektive die Zahl der benötigten Fahrzeuge und die Fahrzeugart<br />

angeben. Das Ausbreitungsmodell muss dieser Lage<br />

Rechnung tragen. <strong>Die</strong> in Tab. 2.2.1 aufgeführten ∆Leq-Werte<br />

gelten für den Verkehr von einem zusätzlichen Fahrzeug<br />

während jeder Stunde auf dem gesamten Schweizer Streckennetz.<br />

Davon ausgehend berechnet Müller-Wenk den<br />

∆Leq einer einzigen Fahrt von 1000 km Länge in zwei<br />

Schritten. <strong>Die</strong> Linearisierung bei Multiplikation und Division<br />

ist möglich, da die ∆Leq-Werte klein sind (Ruedi Müller-<br />

Wenk, persönliche Mitteilung, 22.7.2000):<br />

– Multiplikation des ∆Leq mit 1000 km und Division durch<br />

die Länge des Streckennetzes des entsprechenden<br />

Strassentyps. <strong>Die</strong>se Rechnung basiert auf der Überlegung,<br />

dass die 1000 km gleichmässig über das ganze<br />

Streckennetz verteilt sind als Anteile jedes einzelnen<br />

1-km Stücks.<br />

– Division des Ergebnisses durch die Anzahl Tages- bzw.<br />

Nachtstunden in einem Jahr (5840 bzw. 2920), da das<br />

Fahrzeug nur einmal verkehrt.<br />

Es wird nun die zentrale Annahme gemacht, der mit Hilfe<br />

der Ökobilanz zu beurteilende zusätzliche Transportfall mit<br />

definierter Personenzahl bzw. Nutzlast und Transportdistanz<br />

(im Beispiel 1000 km) sei über das ganze Strekkennetz<br />

proportional zum bisher vorh<strong>and</strong>enen Gesamtverkehr<br />

verteilt. Somit wird die angenommene Fahrt von 1000<br />

km entsprechend ihrem Anteil am Verkehrsaufkommen auf<br />

die verschiedenen Strassentypen verteilt.<br />

Durch dieses Vorgehen wird der tatsächlich auf irgendeiner<br />

unbekannten Route des Gesamtnetzes stattfindende<br />

Transport derart auf das ganze Strassennetz «verschmiert»,<br />

dass eine theoretische Lärmpegelerhöhung auf dem Gesamtnetz<br />

errechnet werden kann, die schadensäquivalent ist<br />

zum tatsächlichen Transport auf der nicht bekannten Route.<br />

<strong>Die</strong>se Lärmpegelerhöhungen sind in Tab. 2.2.2 aufgeführt,<br />

unterschieden nach Tageszeiten und Fahrzeugkategorien.<br />

2.3 Expositionsanalyse<br />

<strong>Die</strong> Fragestellung der Expositionsanalyse lautet: «Wie viele<br />

Personen sind von der Erhöhung des Lärmpegels betroffen?».<br />

Eigentlich sind alle in der Nähe von Strassen wohnenden<br />

Personen von der entsprechenden Erhöhung des äquivalenten<br />

Lärmpegels betroffen. Wie die Wirkungsanalyse (s.<br />

Abschnitt 2.4) zeigt, lösen Lärmpegel unterhalb 45-50<br />

dB(A) nachts und unterhalb 50-55 dB(A) tags keine greifbaren<br />

Schadwirkungen aus. Demzufolge entsteht in diesem<br />

Bereich durch die kleinen Erhöhungen des äquivalenten<br />

Lärmpegels, wie sie im Ausbreitungsmodell errechnet wurden,<br />

kein Schaden. Darum ist die von der Pegelerhöhung<br />

betroffene Bevölkerung gleich der Bevölkerung, die mit<br />

Lärmpegeln oberhalb der vorgenannten kritischen Grenze<br />

vorbelastet ist. 5<br />

Müller-Wenk (1999, S. 38ff) verwendet für die Expositionsanalyse<br />

das Lärmübersichtskataster (LUK) des Kantons<br />

Zürich (beschrieben in Angst, Grauwiler & Müller, 1998),<br />

da dieses die aktuellsten Daten für die Schweiz liefert. Das<br />

LUK-Modell berechnet die Anzahl Wohnungen mit einer<br />

Lärmbelastung von 30-85 dB(A) im Kanton Zürich ohne die<br />

Tab. 2.2.1: Zunahme des Lärmpegels durch den Verkehr eines zusätzlichen Fahrzeugs pro Stunde. Auf stärker befahrenen<br />

Strassen ist dieser Wert wegen der logarithmischen Einheit dB(A) geringer (nach Müller-Wenk, 1999, S. 32).<br />

Tageszeit Tag Nacht<br />

Strassentyp<br />

Autobahnen<br />

übrige<br />

Strassen<br />

Autobahnen<br />

HVS<br />

ausserorts<br />

verk.-reich<br />

innerorts<br />

HVS<br />

ausserorts<br />

verk.-reich<br />

innerorts<br />

übrige<br />

Strassen<br />

Leq [dB(A)] 85.3678 73.0286 74.8313 64.0849 76.0747 63.6172 65.6195 59.0613<br />

∆Leq Kat. 1 [dB(A)] 0.00230 0.01629 0.00455 0.09375 0.01950 0.14027 0.03782 0.29134<br />

∆Leq Kat. 2 [dB(A)] 0.01641 0.15181 0.05631 0.88923 0.13755 1.17485 0.44872 2.36149<br />

5 Durch die Ausbreitung des Lärms verändert sich der ∆Leq nicht, da die Abnahme des Leq in dB(A) linear ist. In zehn Meter Entfernung von der Strasse<br />

beträgt die Zunahme des Lärmpegels gleich viele dB(A) wie in einer Entfernung von nur einem Meter.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 185


Lärm im Gütertransport<br />

Tab. 2.2.2: Zunahme des Lärmpegels durch eine Fahrt von 1000 km. <strong>Die</strong> Mittel wurden nach dem Anteil des Strassentyps<br />

am Verkehrsaufkommen gewichtet. <strong>Die</strong> Werte der Fahrzeugkategorie 2 sind ca. zehnmal grösser als diejenigen der Kategorie<br />

1. Nachtwerte sind ebenfalls ca. zehnmal grösser als Tageswerte (nach Müller-Wenk, 1999, S. 32).<br />

Tageszeit Tag Nacht<br />

Strassentyp<br />

Autobahnen<br />

übrige<br />

Strassen<br />

Autobahnen<br />

Anteil am Verkehrsaufkommen<br />

HVS<br />

ausserorts<br />

verk.-reich<br />

innerorts<br />

HVS<br />

ausserorts<br />

verk.-reich<br />

innerorts<br />

übrige<br />

Strassen<br />

24% 30% 26% 20% 24% 30% 26% 20%<br />

Länge [km] 1560 15683 3790 58967 1560 15683 3790 58967<br />

∆Leq Kat. 1 [dB(A)] 0.0023 0.0163 0.0046 0.0938 0.0195 0.1403 0.0378 0.2913<br />

∆Leq Kat. 2 [dB(A)] 0.0164 0.1518 0.0563 0.8892 0.1376 1.1749 0.4487 2.3615<br />

∆Leq 1000 km<br />

Kat. 1<br />

∆Leq 1000 km<br />

Kat. 2<br />

gewichtetes Mittel<br />

Kategorie 1<br />

gewichtetes Mittel<br />

Kategorie 2<br />

2.5*10 -7 1.8 * 10 -7 2.1 * 10 -7 2.7*10 -7 4.3 * 10 -6 3.1 * 10 -6 3.4*10 -6 1.7 * 10 -6<br />

1.8*10 -6 1.7 * 10 -6 2.5 * 10 -6 2.6*10 -6 3.0 * 10 -5 2.6 * 10 -5 4.1*10 -5 1.4 *10 -5<br />

2.22 * 10 -7 3.17 * 10 -6<br />

2.11 * 10 -6 2.82 * 10 -5<br />

Tab. 2.3: Anzahl der in der Schweiz vom Strassenlärm betroffenen<br />

Personen. Lärmpegel an der Aussenw<strong>and</strong> des Hauses<br />

(nach Müller-Wenk, 1999, S. 46f).<br />

Betroffene<br />

Tag<br />

Nacht<br />

Person<br />

> 55 dB(A) 3’053’600<br />

> 50 dB(A) 5’157’500 1’957’700<br />

> 45 dB(A) 3’739’600<br />

Städte Zürich und Winterthur; die Klassenbreite beträgt 1<br />

dB(A).<br />

Unter der Annahme, dass die Situation im Kanton Zürich<br />

(ohne die Städte Zürich und Winterthur) repräsentativ ist für<br />

die gesamte Schweiz, wird diese Verteilung der Lärmbetroffenheit<br />

auf die ganze Schweiz erweitert. Dazu wird zuerst<br />

die Anzahl belärmter Wohnungen durch die Gesamtzahl der<br />

Wohnungen im betrachteten Gebiet dividiert; der so berechnete<br />

Faktor bezeichnet den Anteil einer dB(A)-Klasse an der<br />

Grundgesamtheit. <strong>Die</strong>ser Faktor wird mit der Bevölkerungszahl<br />

der Schweiz multipliziert, woraus sich die Anzahl<br />

Personen ergibt, die in der Schweiz bei dem Lärmpegel der<br />

entsprechenden dB(A)-Klasse leben. Eine gesundheitliche<br />

Beeinträchtigung der betroffenen Personen erfolgt tags ab<br />

ca. 50-55 dB(A), nachts ab ca. 45-50 dB(A) (siehe Tab. 2.3).<br />

2.4 Abschätzung von Dosis-Wirkungs-<br />

Beziehungen<br />

<strong>Die</strong> Fragestellung der Abschätzung von Dosis-Wirkungs-<br />

Beziehungen lautet: «Wie werden die einem erhöhten<br />

Lärmpegel ausgesetzten Personen durch diesen beeinträchtigt?».<br />

<strong>Die</strong> Personen, die bei einer Lärmbelastung oberhalb<br />

der kritischen Grenzen Kommunikations- bzw. Schlafstörungen<br />

aufweisen, nennen wir beeinträchtigte Personen, 6 im<br />

Gegensatz zu den betroffenen Personen, die unter erhöhter<br />

Lärmbelastung leben, durch diese aber nicht unbedingt gestört<br />

werden. <strong>Die</strong> Dosis-Wirkungs-Beziehung (im Folgenden<br />

Störwirkungskurve genannt) zeigt auf, bei welcher<br />

Lärmbelastung ein wie grosser Anteil der betroffenen Bevölkerung<br />

beeinträchtigt ist.<br />

Müller-Wenk (1999, S. 45) verwendet ein lineares Modell<br />

zwischen den Grenzen von 50 dB(A) (0% beeinträchtigt)<br />

und 83 dB(A) (100% beeinträchtigt) mit einer Steigung von<br />

3% pro 1 dB(A) (siehe Abb. 2.4.1).<br />

Das Modell ist dasselbe für Tag (Kommunikationsstörungen)<br />

und Nacht (Schlafstörungen). Es kann der Einw<strong>and</strong><br />

erhoben werden, dass Kommunikationsstörungen eher bei<br />

6 In der Literatur als «highly annoyed» oder «seriously disturbed persons» bezeichnet.<br />

186 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Lärm im Gütertransport<br />

Abb. 2.4.1: <strong>Die</strong> von Müller-Wenk<br />

(1999) verwendete Modellierung der<br />

Beziehung zwischen Lärmpegel und<br />

Anteil beeinträchtigter Personen (Störwirkungskurve).<br />

<strong>Die</strong> Beeinträchtigung<br />

besteht aus Kommunikationsstörungen<br />

(Tag) bzw. Schlafstörungen (Nacht).<br />

Abb. 2.4.2: Eine zweite Variante der<br />

Störwirkungskurve. Kommunikationsstörungen<br />

treten erst ab 55 dB(A) auf,<br />

Schlafstörungen bereits ab 45 dB(A).<br />

einem höheren, Schlafstörungen bei einem tieferen Lärmpegel<br />

als 50 dB(A) eintreten. Müller-Wenk (1999, S. 47)<br />

schlägt deshalb auch eine zweite Modellvariante vor, nach<br />

der die untere Grenze für Kommunikationsstörungen bei 55<br />

dB(A) gesetzt wird, für Schlafstörungen bei 45 dB(A). <strong>Die</strong><br />

Steigung bleibt mit 3% pro 1 dB(A) unverändert (siehe Abb.<br />

2.4.2). <strong>Die</strong>se Grenzen von 55 bzw. 45 dB(A) entsprechen<br />

den Planungswerten der Lärmschutzverordnung (LSV) für<br />

Wohnzonen (Empfindlichkeitsstufe II).<br />

Da wir für das Eisenbahnlärmmodell die Grenzen 55/45<br />

dB(A) verwenden, rechnen wir auch für die Strasse mit<br />

dieser Variante. Im folgenden beziehen sich daher alle Aussagen<br />

und Rechnungen immer auf die zweite Modellvariante<br />

gemäss Abb. 2.4.2.<br />

Wie wirkt sich eine Zunahme, ∆Leq, des Lärmpegels um<br />

1 dB(A) aus? Zum Beispiel beträgt die Belastung für Personen,<br />

die vorher bei einem Lärmpegel von 60 dB(A) lebten,<br />

jetzt 61 dB(A). Am Tag beträgt der Anteil beeinträchtigter<br />

Personen bei 60 dB(A) 15% und bei 61 dB(A) 18%. Durch<br />

einen Anstieg des Lärmpegels von 60 dB(A) auf 61 dB(A)<br />

werden demnach 3% der von diesem Lärmpegel betroffenen<br />

Personen neu beeinträchtigt, d.h. zusätzlich zu den bereits<br />

vorher beeinträchtigten Personen. Da das Modell linear ist,<br />

ergibt sich die gleiche Zunahme an beeinträchtigten Personen<br />

im ganzen Bereich von 55-88 dB(A) (am Tag) bzw.<br />

45-78 dB(A) (nachts).<br />

Damit ermöglicht das lineare Modell eine bedeutende<br />

Vereinfachung: Bei jeder <strong>and</strong>eren Form der Störwirkungskurve<br />

müsste die Anzahl der zusätzlich beeinträchtigten<br />

Personen für jede dB(A)-Klasse einzeln berechnet werden.<br />

Da aber im relevanten Bereich die Zunahme der beeinträchtigten<br />

Personen immer 3% pro 1 dB(A) beträgt, genügt es,<br />

die gesamte Zahl der von einem Lärmpegel über 55 bzw. 45<br />

dB(A) betroffenen Personen zu kennen. <strong>Die</strong> Anzahl der<br />

durch einen ∆Leq von 1 dB(A) zusätzlich beeinträchtigten<br />

Personen beträgt dann 3% dieser Gesamtzahl Betroffener.<br />

2.5 Schadenabschätzung<br />

<strong>Die</strong> Fragestellung der Schadenabschätzung lautet: «Wie<br />

schwer wiegt die Beeinträchtigung im Vergleich mit <strong>and</strong>eren<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 187


Lärm im Gütertransport<br />

gesundheitlichen Schäden?». <strong>Die</strong> Aggregationseinheit des<br />

Eco-Indicator 99 für Schäden an der menschlichen Gesundheit<br />

ist die von Weltbank und WHO unter Leitung von<br />

Murray & Lopez (1996a) entwickelte Einheit DALY (disability<br />

adjusted life years). Ein DALY entspricht einem verlorenen<br />

gesunden Lebensjahr. Verschiedenen Krankheiten<br />

können dabei entsprechende Gewichtungsfaktoren der Beeinträchtigung<br />

von 0 (vollständige Gesundheit) bis 1 (Tod)<br />

zugeordnet werden. Ein Gewichtungsfaktor von 0.1 bedeutet,<br />

dass zehn mit dieser Krankheit gelebte Jahre vergleichbar<br />

sind mit einem um ein Jahr vorzeitigen Tod. Ein Panel<br />

von sechs Medizinern ordnete der Kommunikations- und<br />

der Schlafstörung Gewichtungsfaktoren der Beeinträchtigung<br />

zu (siehe Abb. 2.5).<br />

<strong>Die</strong> Spannweite der Werte ist relativ gross und die Zahl<br />

von sechs Experten gering. Müller-Wenk rechnet sowohl für<br />

Kommunikations- als auch für Schlafstörungen mit einem<br />

Gewichtungsfaktor von 0.05. Er betrachtet diesen Schritt als<br />

den unsichersten Teil der gesamten Analyse. In der Tat<br />

kommt die kürzlich erschienene Studie von De Holl<strong>and</strong>er et<br />

al. (1999) zu Gewichtungsfaktoren von 0.01 sowohl für<br />

Kommunikations- als auch für Schlafstörungen.<br />

2.6 Berechnung des Lärmschadens<br />

Zunächst wird berechnet, welche Erhöhung des Lärmpegels<br />

∆Leqi ein zusätzliches Fahrzeug pro Stunde auf verschiedenen<br />

Strassentypen verursacht. Daraus wird die theoretische<br />

Lärmpegelerhöhung einer Fahrt von 1000 km auf unbekannter<br />

Strecke berechnet (vgl. Abschnitt 2.2). <strong>Die</strong>se theoretische<br />

Lärmpegelerhöhung gilt während eines Jahres für das<br />

gesamte Schweizer Streckennetz.<br />

Durch diese Lärmpegelerhöhung ist nun ein entsprechender<br />

Anteil der bereits von einer kritischen Lärmbelastung<br />

betroffenen Bevölkerung zusätzlich in ihrer Gesundheit beeinträchtigt,<br />

nämlich 3% pro dB(A). Deshalb wird die theoretische<br />

Lärmpegelerhöhung mit der Anzahl betroffener<br />

Personen in der Schweiz BCH und mit 3% multipliziert,<br />

woraus sich die Anzahl Personen ergibt, die durch eine Fahrt<br />

von 1000 km zusätzlich beeinträchtigt sind. <strong>Die</strong>se wird nun<br />

noch mit dem Gewichtungsfaktor für Kommunikationsbzw.<br />

Schlafstörungen dw gewichtet. Daraus ergibt sich der<br />

Lärmschaden, der durch eine Fahrt von 1000 km verursacht<br />

wird. <strong>Die</strong> Einheit dieses Schadens ist DALY. <strong>Die</strong> Berechnung<br />

kann mit Formel 1 dargestellt werden, numerische<br />

Werte für die Fahrzeugkategorien sind aus Tab. 2.6. ersichtlich.<br />

Lärmschaden<br />

⎛<br />

= ∑⎜<br />

i ⎝<br />

L<br />

SL<br />

1<br />

h<br />

[ DALY ] ⎜∆<br />

Leq ⋅ ⋅ ⋅% V ⎟⋅<br />

B ⋅s⋅dw<br />

Formel 1: Berechnung des Lärmschadens in DALY. ∆Leqi =<br />

∆Leq des Strassentyps i, wenn zu jeder Tages- bzw. Nachtstunde<br />

ein zusätzliches Fahrzeug verkehrt; L = Länge der<br />

gefahrenen Strecke; SLi = Streckennetzlänge des Strassentyps<br />

i; hy = Anzahl Tages- bzw. Nachtstunden pro Jahr (5840<br />

bzw. 2920); %V i = Anteil des Strassentyps i am gesamten<br />

Verkehrsaufkommen; BCH = Anzahl der in der Schweiz von<br />

Strassenlärm über einem bestimmten Grenzwert betroffenen<br />

Personen; s = Anteil der durch einen ∆Leq von 1 dB(A)<br />

zusätzlich beeinträchtigten Personen (Steigung der Störwirkungskurve,<br />

hier 3%); dw = Gewichtungsfaktor der Beeinträchtigung<br />

für Kommunikations- bzw. Schlafstörung.<br />

Tab. 2.6: Lärmschaden einer Fahrt von 1000 km in DALY für<br />

die beiden in Abschnitt 2.2 definierten Fahrzeugkategorien.<br />

<strong>Die</strong> Werte wurden mit den Grenzen 55/45 dB(A) berechnet<br />

und entsprechen deshalb nicht den von Müller-Wenk (1999,<br />

S. 50) aufgeführten Werten.<br />

Fahrzeugkategorie<br />

Lärmschaden<br />

Tag [DALY]<br />

i<br />

i<br />

y<br />

i<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

CH<br />

Lärmschaden<br />

Nacht [DALY]<br />

Kategorie 1 (PKW) 0.0010 0.018<br />

Kategorie 2 (LKW) 0.010 0.16<br />

Abb. 2.5: Von einem Medizinerpanel bestimmte Gewichtungsfaktoren<br />

der Beeinträchtigung für Kommunikationsund<br />

Schlafstörungen (nach Müller-Wenk, 1999, S. 49).<br />

188 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Lärm im Gütertransport<br />

3 Modell für die Auswirkungen<br />

des Schienenlärms<br />

Im Folgenden stellen wir ein Modell vor, das die Auswirkungen<br />

der Lärmemissionen einer Güterzugsfahrt in DALY<br />

berechnet. Das Modell lehnt sich an die Methodik von<br />

Müller-Wenk (1999) für Strassenlärm an. Durch Unterschiede<br />

in den vorh<strong>and</strong>enen Daten, die für die Eisenbahn im<br />

Gegensatz zur Strasse immer streckenbezogen sind, ergeben<br />

sich jedoch beträchtliche Abweichungen.<br />

<strong>Die</strong> Modelle sind für Gütertransport, speziell für Wagenladungsverkehr<br />

ausgearbeitet, können aber leicht auf <strong>and</strong>ere<br />

Gütertransportarten (z.B. unbegleiteter Kombiverkehr) und<br />

auf den Personenverkehr erweitert werden. Wir gehen davon<br />

aus, dass die genaue Route des Zuges bekannt ist, und<br />

nicht nur die gefahrene Distanz.<br />

3.1 Ausbreitungsmodell<br />

Im Abschnitt Ausbreitungsmodell ist die Berechnung der<br />

Zunahme des Lärmpegels, die durch den Verkehr von zusätzlichen<br />

Zügen verursacht wird, aufgeführt.<br />

3.1.1 Emissionskataster der SBB<br />

Der Lärmpegel entlang einer Eisenbahnstrecke hängt von<br />

folgenden Faktoren ab:<br />

– Rollmaterial,<br />

– Geschwindigkeit,<br />

– Verkehrsmenge (Unterscheidung nach Perioden und<br />

Zugstypen),<br />

– Fahrbahnbeschaffenheit.<br />

Zunächst wird der Emissionspegel Leq,z jedes Zugstyps<br />

berechnet 7 , daraus ergibt sich der Gesamtemissionspegel<br />

der Strecke nach Formel 2.<br />

⎛<br />

Leq,e = 10⋅log⎜∑ ⋅<br />

⎝ i<br />

Leq,z<br />

10 0.1 i<br />

Formel 2: Berechnung des Gesamtemissionspegels (Leq,e)<br />

einer Strecke anh<strong>and</strong> der Emissionspegel der Zugstypen<br />

(Leq,z).<br />

<strong>Die</strong> Lärmschutzverordnung (LSV) definiert einen Beurteilungspegel<br />

Lr, der massgebend ist für die Bewertung der<br />

Lärmimmissionen. Er wird gem. Formel 3 berechnet.<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

Lr = Leq + K1<br />

Formel 3: Berechnung des Beurteilungspegels (Lr) als<br />

massgebende Grösse zur Bewertung der Lärmimmissionen.<br />

Pegelkorrektur (K1) = -15 für M < 7.9; K1 = 10 * log (M /<br />

250) für 7.9 ≤ M ≤ 79; K1 = -5 für M > 79; M = Verkehrsmenge<br />

(Anzahl Züge pro Periode); Leq = Emissionspegel.<br />

<strong>Die</strong> Pegelkorrektur K1 beruht darauf, dass Eisenbahnlärm<br />

als weniger störend empfunden wird als Strassenlärm (Eidgenössische<br />

Kommission für die Beurteilung von Lärm-Immissionsgrenzwerten,<br />

1982). <strong>Die</strong>s belegen auch internationale<br />

Untersuchungen (z.B. Miedema & Vos, 1998).<br />

Wenn wir das Störwirkungsmodell für Strassenlärm von<br />

Müller-Wenk (vgl. Abschnitt 2) verwenden wollen, müssen<br />

wir eine Änderung des Beurteilungspegels und nicht des<br />

Gesamtemissionspegels betrachten. Im Emissionskataster<br />

der SBB (Schweizerische Bundesbahnen, 1999a) sind für<br />

jeden Streckenabschnitt folgende Grössen aufgeführt:<br />

– Emissionspegel jedes Zugstyps (Leq,z),<br />

– effektive Geschwindigkeit jedes Zugstyps,<br />

– Verkehrsmenge jedes Zugstyps (aufgeteilt nach Tag und<br />

Nacht),<br />

– Fahrbahnkorrektur (z.B. für Weichenzonen oder Brükkenabschnitte),<br />

– Gesamtemissionspegel (Leq,e) des Streckenabschnitts<br />

(aufgeteilt nach Tag und Nacht).<br />

3.1.2 Berechnung der Zunahme des Lärmpegels<br />

durch den Verkehr zusätzlicher Züge auf einem<br />

Streckenabschnitt<br />

Der ∆Leq eines Streckenabschnittes wird folgendermassen<br />

berechnet: Indem für den entsprechenden Zugstyp eine höhere<br />

Verkehrsmenge M eingesetzt wird 8 , ergibt sich ein<br />

neuer Leq,e. <strong>Die</strong> Differenz der beiden Leq,e-Werte bildet<br />

den ∆Leq. <strong>Die</strong> Fahrbahnkorrektur muss nicht weiter berücksichtigt<br />

werden, da sie unabhängig von der Verkehrsmenge<br />

ist und keinen Einfluss auf den ∆Leq hat. <strong>Die</strong> Pegelkorrektur<br />

hingegen ändert sich bei einer Änderung von Verkehrsmengen<br />

mit bis zu 79 Zügen pro Periode. Auf den meisten<br />

Streckenabschnitten liegen die Verkehrsmengen in der<br />

Nacht unter, am Tag über 79.<br />

Einerseits sind die Veränderungen der Pegelkorrektur<br />

nicht einfach vernachlässigbar, da sie in der Grössenordnung<br />

der ∆Leq-Werte liegen können. Wenn wir aber die<br />

Veränderungen der Pegelkorrektur berücksichtigen wollen,<br />

ergibt sich ein Konflikt zwischen dem Modell der Ausbreitung<br />

und demjenigen der Dosis-Wirkungs-Beziehungen:<br />

Das Modell unterschiedlicher Störwirkung von Eisenbahn-<br />

7 <strong>Die</strong> Formeln zur Berechnung des Leq,z eines Zugstyps sind in Anhang I des wissenschaftlichen Anhangs aufgeführt. <strong>Die</strong>ser Anhang kann über <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

bezogen werden. Kontaktanschrift: Dr. Thomas Mettier, <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong>, <strong>ETH</strong>-Zentrum, CH-8092 Zürich.<br />

8 <strong>Die</strong> Verkehrsmengen der übrigen Zugstypen bleiben unverändert.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 189


Lärm im Gütertransport<br />

und Strassenlärm, das der Pegelkorrektur zu Grunde liegt,<br />

ist nicht linear (vgl. Eidgenössische Kommission für die<br />

Beurteilung von Lärm-Immissionsgrenzwerten, 1982, S.<br />

24ff), wohingegen wir für die Dosis-Wirkungs-Beziehungen<br />

nach Müller-Wenk ein lineares Modell verwendeten<br />

(vgl. Abschnitt 2.4).<br />

Um diesen Konflikt zu vermeiden, berücksichtigten wir<br />

Veränderungen der Pegelkorrektur nicht, obwohl sich dadurch<br />

ein grosser Fehler ergeben kann. Wir behalten auch<br />

die Bezeichnung ∆Leq bei, um klarzustellen, dass es sich um<br />

eine Differenz des Emissionspegels (und nicht des Beurteilungspegels)<br />

h<strong>and</strong>elt; diese stellt eine Schätzung für die<br />

Änderung des Beurteilungspegels dar.<br />

Wir berechneten den ∆Leq-Wert von 27 Streckenabschnitten<br />

für einen zusätzlichen Zug pro Stunde (siehe<br />

Abb. 3.1.2). <strong>Die</strong>s bedeutet eine Erhöhung der Verkehrsmengen<br />

auf jedem dieser Streckenabschnitte um 16 Züge (am<br />

Tag) bzw. 8 Züge (nachts). 9 Da für unsere Berechnungen nur<br />

der Wagenladungsverkehr interessiert, rechneten wir mit<br />

den Zugstypen «Ferngüterzug» (FG) und «Nahgüterzug»<br />

(NG).<br />

3.1.3 Kategorisierung des SBB-Streckennetzes<br />

Eine Einteilung in Kategorien von unterschiedlich stark<br />

befahrenen Strecken, wie sie für das Strassennetz vorh<strong>and</strong>en<br />

sind und von Müller-Wenk (1999) verwendet wurden, existiert<br />

für das SBB-Streckennetz nicht. <strong>Die</strong> Unterteilung in<br />

mehrere Kategorien ist aber sinnvoll, da bei den höheren<br />

Lärmpegeln von stärker befahrenen Strecken der ∆Leq abnimmt.<br />

Wir nahmen eine grobe Einteilung des Netzes vor.<br />

Als Kriterium diente die mittlere tägliche Belastung der<br />

Hauptgeleise in Gesamtbruttotonnen (GBRT) pro Tag. <strong>Die</strong><br />

Gleisbelastung entnahmen wir der Karte «Mittlere tägliche<br />

Belastung der Hauptgeleise» (Schweizerische Bundesbah-<br />

Abb. 3.1.2: <strong>Die</strong> berechneten ∆Leq-Werte eines zusätzlichen Zuges pro Stunde für 27 Streckenabschnitte in Abhängigkeit der<br />

Gleisbelastung für Ferngüterzüge (FG) und Nahgüterzüge (NG). Zur besseren Übersichtlichkeit sind Extremwerte über 1.5<br />

dB(A) nicht dargestellt. <strong>Die</strong> Werte liegen bei geringerer Gleisbelastung eher höher, der Zusammenhang ist jedoch nicht<br />

eindeutig.<br />

9 Vgl. Teil II und III des wissenschaftlichen Anhangs.<br />

190 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Lärm im Gütertransport<br />

Tab. 3.1.3: Kategorien zur Einteilung des SBB-Strekkennetzes<br />

in unterschiedlich stark befahrene Abschnitte. Als<br />

Massstab dient die Gleisbelastung in tausend Gesamtbruttotonnen<br />

(GBRT) pro Tag.<br />

Streckenkategorie<br />

Gleisbelastung<br />

[1000 GBRT d -1 ]<br />

A < 85<br />

B 85-115<br />

Ebenso liegen die Nachtwerte höher als die Tageswerte<br />

(auch hier mit zwei Ausnahmen). <strong>Die</strong>s entspricht ebenfalls<br />

der Erwartung, da nachts der Lärmpegel tiefer ist und ein<br />

zusätzlicher Zug diesen stärker erhöht als tagsüber. Es fällt<br />

aber auf, dass die Unterschiede zwischen den Strekkenkategorien<br />

nachts viel grösser sind als am Tag. Ein<br />

möglicher Grund dafür ist, dass auf grundsätzlich stark<br />

befahrenen Strecken der Verkehr auch nachts gross ist,<br />

während er auf insgesamt schwach befahrenen Nebenstrekken<br />

nachts stark verringert ist.<br />

C 116-145<br />

D > 145<br />

nen, 1999b), wobei wir die Belastung aller Geleise einer<br />

Strecke addierten. <strong>Die</strong> Kategorien wurden relativ willkürlich<br />

festgelegt 10 , die Einteilung ist aus Tab. 3.1.3 ersichtlich.<br />

3.1.4 Berechnung des ∆Leq für jede Kategorie<br />

In der weiteren Rechnung wird für jede Kategorie der Median<br />

der ∆Leq-Werte aller entsprechenden Beispielstrecken<br />

verwendet. <strong>Die</strong> Werte sind in Tab. 3.1.4 aufgeführt.<br />

3.1.5 Diskussion der Resultate<br />

<strong>Die</strong> ∆Leq-Werte gem. Tab. 3.1.4 sind grösser für schwächer<br />

befahrene Strecken. Eine Ausnahme bilden zwei Werte:<br />

∆Leq Tag FG Kategorie A und ∆Leq Tag NG Kategorie C.<br />

<strong>Die</strong>se Abweichungen können ohne genauere Abklärungen<br />

nicht erklärt werden. Mögliche Gründe für dieses Ergebnis<br />

sind die auf der Strecke verkehrenden Zugstypen (Reiseoder<br />

Güterzüge) oder die auf verschiedenen Strekkenabschnitten<br />

unterschiedlichen Geschwindigkeiten.<br />

<strong>Die</strong> Werte sind für Ferngüterzüge grösser als für Nahgüterzüge.<br />

<strong>Die</strong>s entspricht der Erwartung, da Ferngüterzüge<br />

länger sind als Nahgüterzüge.<br />

3.1.6 Diskussion des Vorgehens<br />

Ein erster Diskussionspunkt ist die zeitliche Bezugsbasis der<br />

zusätzlichen Züge. Müller-Wenk setzt für die Strasse ein<br />

zusätzliches Fahrzeug pro Stunde ein. Für die Eisenbahn ist<br />

dieser Wert sehr hoch, da er für schwach befahrene Strecken<br />

in der Grössenordnung der tatsächlichen Verkehrsmenge<br />

liegt, was für eine Grenzbetrachtung problematisch ist.<br />

Wir rechneten zum Vergleich auch für eine Frequenz von<br />

einem zusätzlichen Zug pro Periode (ein Tag bzw. eine<br />

Nacht). Dadurch ergeben sich tatsächlich etwas höhere Werte.<br />

11 Es besteht aber folgendes Problem: <strong>Die</strong> Leq-Werte der<br />

Zugstypen sind im Emissionskataster der SBB auf 0.1<br />

dB(A) genau angegeben. Bei einer Zunahme der Verkehrsmenge<br />

um einen Zug pro Periode ergäben sich Werte < 0.1<br />

dB(A), d.h. kleiner als die Genauigkeit der Ausgangswerte.<br />

Dadurch würde die Genauigkeit der ∆Leq-Werte stark beeinträchtigt.<br />

Wir entschieden uns deshalb, mit einem zusätzlichen<br />

Zug pro Stunde zu rechnen. <strong>Die</strong>se Frage der zeitlichen<br />

Bezugsbasis wird auch in Abschnitt 6.1.3 Zeitliche<br />

Bezugsbasis unter <strong>and</strong>eren Gesichtspunkten diskutiert.<br />

Einen weiteren Diskussionspunkt bildet die Kategorisierung<br />

der Strecken. <strong>Die</strong> Gleisbelastung scheint auf den ersten<br />

Blick ein repräsentativer Wert für den Lärmpegel eines<br />

Streckenabschnittes zu sein. Eine eindeutige Beziehung<br />

zwischen ∆Leq und Gleisbelastung ist aber nicht feststellbar.<br />

Tab. 3.1.4: ∆Leq (Median) für Fern- und Nahgüterzüge auf den vier Streckenkategorien, wenn pro Tages- bzw. Nachtstunde<br />

ein Zug der entsprechenden Kategorie mehr verkehrt. <strong>Die</strong> Werte sind höher für Ferngüterzüge, während der Nacht und auf<br />

schwächer befahrenen Strecken (A entspricht der Streckenkategorie mit der geringsten Gleisbelastung).<br />

Kategorie ∆Leq Ferngüterzug ∆Leq Nahgüterzug<br />

Tag Nacht Tag Nacht<br />

A 0.5 2.3 0.2 1.0<br />

B 0.6 1.0 0.2 0.4<br />

C 0.6 0.5 0.3 0.2<br />

D 0.3 0.5 0.2 0.2<br />

10 Das Vorgehen ist in Teil IV des wissenschaftlichen Anhangs beschrieben.<br />

11 <strong>Die</strong> Werte für beide Frequenzen sind in Teil V des wissenschaftlichen Anhangs aufgeführt.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 191


Lärm im Gütertransport<br />

<strong>Die</strong> Streckenkategorisierung ist sicher verbesserungsbedürftig.<br />

Möglicherweise ist eine Einteilung in Transit- und<br />

übrige Strecken – wie im Ökoinventar Transporte (Maibach,<br />

Peter & Seiler, 1995, S. 32) – sinnvoll. Eine grössere Anzahl<br />

an Beispielstrecken wäre wohl hilfreich.<br />

3.2 Expositionsanalyse<br />

In der Expositionsanalyse bestimmen wir die Anzahl Personen,<br />

die vom Lärm einer zusätzlichen Zugsfahrt betroffen<br />

sind. Wir benötigen dazu die Anzahl Personen, die am<br />

SBB-Schienennetz einem bestimmten Beurteilungspegel<br />

ausgesetzt sind. Ideal wäre eine Verteilung in 1 dB(A)-Klassen,<br />

vereinfacht genügt aber auch die Anzahl Personen über<br />

einer Grenze von 55 dB(A) am Tag bzw. 45 dB(A) nachts<br />

(vgl. auch Abschnitt 2.3 und 2.4).<br />

Bei den Werten 55/45 dB(A) h<strong>and</strong>elt es sich um die von<br />

Müller-Wenk (1999) in der zweiten Variante vorgeschlagenen<br />

Werte. <strong>Die</strong> Werte 50/50 dB(A), wie sie Müller-Wenk<br />

(1999) in erster Linie annimmt, kamen für uns aus Gründen<br />

der Datenlage nicht in Frage. 12<br />

Wir verwendeten Daten aus dem Bericht der Infraconsult<br />

(1992) im Auftrag des <strong>Die</strong>nstes für Gesamtverkehrsfragen<br />

(GVF) «Soziale Kosten des Verkehrslärms in der Schweiz».<br />

Darin wurde die Zahl der belärmten Wohnungen ab einem<br />

Beurteilungspegel von 55 dB(A) (Tag) bzw. 45 dB(A)<br />

(Nacht) mit einer Klassenbreite von 5 dB(A) berechnet.<br />

Indem wir eine durchschnittliche Wohnungsbelegung von<br />

drei Personen annahmen (Armin Zach, SBB, persönliche<br />

Mitteilung, Mai 2000), berechneten wir aus diesen Zahlen<br />

die Anzahl betroffener Personen in der Schweiz. 13 Ausserdem<br />

mussten die Zahlen mit einem Faktor korrigiert werden,<br />

da sie für das gesamte Schweizer Schienennetz berechnet<br />

wurden, wir aber nur die SBB-Strecken betrachten. 14 Daraus<br />

ergibt sich die Anzahl der am SBB-Streckennetz von Schienenlärm<br />

betroffenen Personen von 596’000. Der Wert ist<br />

derselbe für Tag und Nacht, da die Studie eine durchschnittliche<br />

Anzahl betroffener Wohnungen ermittelt hat, die für<br />

Tag und Nacht dieselbe ist. <strong>Die</strong> Immissionsgrenzwerte der<br />

Lärmschutzverordnung (LSV) sind für die Nacht um 10<br />

dB(A) tiefer angesetzt als für den Tag.<br />

<strong>Die</strong> Daten stammen aus dem Jahre 1990. Das Bundesamt<br />

für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft nimmt an, dass die<br />

Belastung von 1985 bis Mitte der 90er-Jahre stabil geblieben<br />

ist, da Mehrverkehr durch Lärmschutzmassnahmen<br />

kompensiert wurde (BfS & BUWAL, 1997). Seither hat die<br />

SBB so viel in Lärmschutzmassnahmen investiert, dass sich<br />

die Länge der Lärmschutzwände zwischen 1995 und 1999<br />

verdoppelt hat (Schweizerische Bundesbahnen, 2000). Deshalb<br />

hat die Anzahl Betroffener seit 1990 möglicherweise<br />

abgenommen.<br />

<strong>Die</strong> 596’000 Personen wären von einer Erhöhung des<br />

Lärmpegels betroffen, wenn auf dem gesamten SBB-Strekkennetz<br />

ein zusätzlicher Zug pro Stunde verkehren würde.<br />

Wie viele Personen aber sind betroffen, wenn der Zug nur<br />

auf einem Teil des Streckennetzes verkehrt?<br />

Der einfachste Ansatz ist, die Anzahl Betroffener durch<br />

die Streckennetzlänge zu dividieren und mit der Länge der<br />

gefahrenen Strecke zu multiplizieren. 15 <strong>Die</strong>se Annahme<br />

setzt aber voraus, dass die Bevölkerungsdichte entlang der<br />

Eisenbahn gleichmässig verteilt und der Lärmpegel aller<br />

Strecken gleich hoch ist, dies ist jedoch nicht der Fall.<br />

Eine mögliche Lösung, die aber letztlich nicht befriedigt,<br />

wäre eine Differenzierung der Strecken nach ihrer Gleisbelastung,<br />

wodurch die unterschiedlichen Lärmpegel der verschiedenen<br />

Strecken berücksichtigt würden. Für die<br />

Gotthardstrecke zum Beispiel würde dies aber zu einem<br />

grossen Fehler führen, da diese Strecke sehr stark befahren,<br />

aber nur dünn besiedelt ist.<br />

<strong>Die</strong> genaue Anzahl betroffener Personen könnte für mehrere<br />

ausgewählte Streckenabschnitte (möglichst dieselben,<br />

die zur Bestimmung des ∆Leq verwendet wurden) anh<strong>and</strong><br />

des Immissionskatasters der SBB bestimmt werden. <strong>Die</strong>s<br />

bedeutet jedoch einen beträchtlichen Aufw<strong>and</strong>, der im Rahmen<br />

der <strong>Fallstudie</strong> nicht geleistet werden konnte. Wir folgen<br />

deshalb notgedrungen dem einfachsten Ansatz. Wir rechneten<br />

mit einer Streckennetzlänge von 2941 km (Schweizerische<br />

Bundesbahnen, 1999b). Daraus ergibt sich die Anzahl<br />

betroffener Personen pro Kilometer, nämlich 203. Am Tag<br />

und in der Nacht ist jeweils die gleiche Anzahl Wohnungen,<br />

resp. die gleiche Anzahl Personen von Schienenlärm betroffen.<br />

3.3 Abschätzung von Dosis-Wirkungs-<br />

Beziehungen und des Schadens<br />

Für die Abschätzung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen bestimmten<br />

wir die Anzahl der durch die Erhöhung des<br />

Lärmpegels zusätzlich beeinträchtigten Personen. Wir verwenden<br />

die zweite der von Müller-Wenk (1999) vorgeschlagenen<br />

Modellvarianten für Strassenlärm (vgl. Abb. 2.4.2).<br />

<strong>Die</strong>se geht davon aus, dass Kommunikationsstörungen ab<br />

55 dB(A) und Schlafstörungen ab 45 dB(A) auftreten. <strong>Die</strong><br />

Zunahme des Anteils der beeinträchtigten Personen beträgt<br />

3% pro dB(A).<br />

Bei der Schadenabschätzung wird die Gewichtung von<br />

Kommunikations- und Schlafstörungen im Vergleich zu<br />

<strong>and</strong>eren Krankheiten bestimmt. Wir verwendeten die von<br />

Müller-Wenk (1999, S. 49) mit Hilfe eines Medizinerpanels<br />

12 Vgl. dazu Teil VI des wissenschaftlichen Anhangs.<br />

13 Müller-Wenk (1999, S. 39) rechnet mit einer Wohnungsbelegung von 2,4 Personen.<br />

14 Das Vorgehen ist in Teil VI des wissenschaftlichen Anhangs dargestellt, ebenso eine Diskussion weiterer Quellen sowie der Qualität der Daten.<br />

15 <strong>Die</strong>ser Ansatz würde auch der Methodik von Ökobilanzen entsprechen, Durchschnittswerte zu verwenden. Eine regionale Differenzierung ist in der<br />

Ökobilanzierung nicht üblich. Allerdings wird versucht, diese «Schwäche» durch die Zusammenführung von Risk Assessment und Life Cycle Assessment<br />

(LCA) zu überwinden (Hauschild et al., 2000).<br />

192 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Lärm im Gütertransport<br />

festgelegten Gewichtungsfaktoren der Beeinträchtigung<br />

von 0.05, sowohl für Kommunikations- wie auch für Schlafstörungen<br />

(siehe auch Abschnitt 2.5)<br />

<strong>Die</strong>se Gewichtungsfaktoren (dw) gelten, wenn die Beeinträchtigung<br />

während eines ganzen Jahres besteht, d.h. wenn<br />

an jedem Tag des Jahres zu jeder Tages- und jeder Nachtstunde<br />

ein Zug mehr fahren würde. Da der Zug aber nur<br />

einmal fährt, muss durch die Anzahl der Tages- bzw. Nachtstunden<br />

eines Jahres dividiert werden (hy in Formel 4).<br />

3.4 Berechnung des Lärmschadens<br />

<strong>Die</strong> Lärmpegelerhöhung ∆Leq i durch einen zusätzlichen<br />

Zug pro Stunde wurde für Kategorien von unterschiedlich<br />

stark befahrenen Strecken berechnet. Dazu müssen die Längen<br />

der in jeder dieser Kategorien gefahrenen Strecken L i<br />

bekannt sein. <strong>Die</strong> Anzahl der von dieser Lärmpegelerhöhung<br />

betroffenen Personen errechnet sich durch die Strekkenlänge<br />

der entsprechenden Streckenkategorie L i , multipliziert<br />

mit der Anzahl betroffener Personen pro Kilometer<br />

BSBB,km. Zusätzlich in ihrer Gesundheit beeinträchtigt sind<br />

pro dB(A) Lärmpegelerhöhung 3% dieser Personen.<br />

Nun wird mit dem Gewichtungsfaktor der Beeinträchtigung<br />

dw gewichtet. Da der Zug nur einmal verkehrt, und<br />

nicht während eines ganzen Jahres zu jeder Tages- und<br />

Nachtstunde, wird noch durch die Anzahl Tages- bzw.<br />

Nachtstunden pro Jahr hy geteilt. Als Schlussresultat erhalten<br />

wir den Lärmschaden der Fahrt eines Güterzuges von A<br />

nach B. Formal kann das Vorgehen folgendermassen dargestellt<br />

werden.<br />

Lärmschaden<br />

[ DALY ] = ∑( ∆ Leq ⋅ L ⋅ B ) ⋅<br />

SBB,km<br />

3.5 Umrechnung von Fahrzeug- in<br />

Tonnenkilometer<br />

i<br />

<strong>Die</strong> vorgestellten Methoden ermitteln die Auswirkungen<br />

des Lärms für die Einheit Fahrzeugkilometer. Da Ökobilanzen<br />

aber üblicherweise auf der Basis von Tonnenkilometern<br />

erstellt werden, muss von Fahrzeugkilometern in Tonnenkilometer<br />

umgerechnet werden.<br />

i<br />

i<br />

s⋅dw⋅<br />

Formel 4: Berechnung des Lärmschadens in DALY. ∆Leqi =<br />

∆Leq der Streckenkategorie i, wenn zu jeder Tages- bzw.<br />

Nachtstunde ein zusätzlicher Zug verkehrt; Li = Länge der<br />

in der Kategorie i gefahrenen Strecke; BSBB,km = Anzahl der<br />

pro Kilometer Streckenlänge von Eisenbahnlärm der SBB<br />

über einem bestimmten Grenzwert betroffenen Personen;<br />

s = Anteil der durch einen ∆Leq von 1 dB(A) zusätzlich<br />

beeinträchtigten Personen (Steigung der Störwirkungskurve,<br />

3%); dw = Gewichtungsfaktor der Beeinträchtigung für<br />

Kommunikations- bzw. Schlafstörung; hy = Anzahl Tagesbzw.<br />

Nachtstunden pro Jahr (5840 bzw. 2920).<br />

1<br />

h<br />

y<br />

3.5.1 Strasse<br />

Wenn die tatsächliche Auslastung unbekannt ist, kann mit<br />

den Durchschnittswerten des Ökoinventars Transporte<br />

(Maibach et al.,1995) gerechnet werden (siehe Tab. 3.5.1).<br />

Für die Betrachtung des Lärms zählt der Lieferwagen zur<br />

Fahrzeugkategorie 1 (PKW).<br />

Tab. 3.5.1: Auslastung von Liefer- und Lastwagen (Maibach<br />

et al., 1995).<br />

Typ Kapazität Auslastung<br />

relativ<br />

3.5.2 Eisenbahn<br />

Auslastung<br />

absolut<br />

Lieferwagen 1,0 t 30% 0,3 t<br />

LKW 16 t 9,5 t 40% 3,8 t<br />

LKW 28 t 17,5 t 40% 7,0 t<br />

LKW 40 t 27,0 t 40% 10,8 t<br />

Das Ökoinventar Transporte (Maibach et al., 1995) enthält<br />

Angaben zum Wagenladungsverkehr, allerdings nicht aufgeteilt<br />

in Nah- und Ferngüterzüge. Aufgrund von Daten der<br />

SBB zur durchschnittlichen Zugslänge (Markus Siegenthaler,<br />

SBB Cargo, persönliche Mitteilung, Juli 2000) berechneten<br />

wir eine absolute Auslastung von 387 t für Ferngüterund<br />

131 t für Nahgüterzüge. Dabei h<strong>and</strong>elt es sich um<br />

Durchschnittswerte, von denen die tatsächlichen Verhältnisse<br />

aufgrund unterschiedlicher Zugskomposition stark abweichen<br />

können.<br />

Tab. 3.5.2: Durchschnittliche Auslastung von Nah- und<br />

Ferngüterzügen. <strong>Die</strong> Berechnung beruht auf Daten der SBB<br />

(Markus Siegenthaler, SBB Cargo, persönliche Mitteilung,<br />

Juli 2000) und des Ökoinventars Transporte (Maibach et al.,<br />

1995).<br />

Faktoren<br />

Ferngüterzug<br />

Nahgüterzug<br />

durchschnittliche Länge 700 m 250 m<br />

Länge der Lokomotive 20 m 20 m<br />

durchschnittliche Wagenlänge<br />

15 m 15 m<br />

durchschnittliche Kapazität<br />

eines Wagens<br />

20 t 20 t<br />

durchschnittliche relative<br />

Auslastung<br />

absolute Auslastung des<br />

Zuges<br />

43% 43%<br />

387 t 131 t<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 193


Lärm im Gütertransport<br />

4 Vergleich der Bewertung von<br />

Strassen- und Schienenlärm<br />

4.1 Resultatevergleich – ein Beispiel<br />

Denken wir uns einen hypothetischen Transport von 10 t<br />

über 100 km. <strong>Die</strong> Distanz sei auf Strasse und Eisenbahn<br />

dieselbe. <strong>Die</strong> Eisenbahnstrecke soll zu 70% in der Streckenkategorie<br />

C und zu je 10% in den Kategorien A, B und D<br />

verlaufen. Der Transport soll mit einem 28 t-LKW mit einer<br />

absoluten Auslastung von 7 t bzw. mit einem Ferngüterzug<br />

mit einer absoluten Auslastung von 387 t erfolgen. Der<br />

LKW fährt tagsüber, der Güterzug nachts.<br />

Für den Transport der 10 t werden somit 1.4 28 t-LKWs<br />

bzw. 0.026 Ferngüterzüge benötigt. Ein LKW verursacht<br />

während des Tages auf 1000 km einen Schaden von 0.01<br />

DALY (siehe Tab. 2.6). Der Schaden von 1.4 LKWs auf 100<br />

km beträgt demnach 0.0014 DALY oder 1.4 mDALY.<br />

<strong>Die</strong> Rechnung für die Eisenbahn ist etwas komplizierter.<br />

Ein zusätzlicher Ferngüterzug verursacht nachts eine<br />

Lärmpegelerhöhung von 2.3 dB(A) in der Streckenkategorie<br />

A, von 1.0 dB(A) in der Kategorie B und von 0.5<br />

dB(A) in den Kategorien C und D. Nach Formel 4 lautet die<br />

Berechnung:<br />

(2.3 * 10 + 1.0 * 10 + 0.5 * 70 + 0.5 * 10) * 203 * 3% * 0.05<br />

/ 2920 = 0.0076 DALY<br />

<strong>Die</strong>s ist der Lärmschaden der Fahrt eines Ferngüterzuges<br />

über die oben beschriebene Strecke. Für 0.026 Ferngüterzüge<br />

beträgt der Schaden demnach 0.0002 DALY oder 0.2<br />

mDALY.<br />

Der Lärmschaden des Strassentransports wäre in diesem<br />

Beispiel also siebenmal grösser als der Schaden desselben<br />

Transportes mit der Eisenbahn. Es stellt sich die Frage, ob<br />

dieses Resultat plausibel ist oder ob der beträchtliche Unterschied<br />

ev. in den verwendeten Modellen begründet ist.<br />

4.2 Modellvergleich<br />

Der Schaden von Strassenlärm wird nach Müller-Wenk<br />

(1999) mit folgender Formel beschrieben (Formel 1):<br />

Lärmschaden<br />

⎛<br />

= ∑⎜<br />

i ⎝<br />

L<br />

SL<br />

[ DALY ] ⎜∆<br />

Leq ⋅ ⋅ ⋅% V ⎟⋅<br />

B ⋅s⋅dw<br />

Da der Anteil am Verkehrsaufkommen %Vi die Verteilung<br />

der Fahrt auf die verschiedenen Strassentypen ausdrückt,<br />

ist der Anteil am Verkehrsaufkommen %Vi multipliziert<br />

mit der Streckenlänge L gleich der Länge der auf dem<br />

entsprechenden Strassentyp gefahrenen Strecke Li, also: Li<br />

=L*%V i . <strong>Die</strong>s in Formel 1 eingesetzt, ergibt nach dem<br />

Umstellen einiger Faktoren Formel 5.<br />

i<br />

i<br />

1<br />

h<br />

Formel 1: Herleitung und Legende siehe Abschnitt 2.6.<br />

y<br />

i<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

CH<br />

Lärmschaden<br />

[ DALY ]<br />

⎛ L ⎞<br />

i<br />

= ∑<br />

⎜∆<br />

Leqi⋅<br />

B<br />

i SL<br />

⎟ ⋅<br />

⎝<br />

i ⎠<br />

Für den Schaden von Eisenbahnlärm lautet die Formel<br />

nach unserem Modell gem. Formel 4:<br />

<strong>Die</strong> Anzahl der betroffenen Personen pro Kilometer<br />

Streckenlänge ist gleich der Anzahl Betroffener am ganzen<br />

Schienennetz der SBB geteilt durch die Streckennetzlänge,<br />

also: B SBB,km =B SBB /SL SBB .<br />

<strong>Die</strong>s in Formel 4 eingesetzt, ergibt nach dem Umstellen<br />

einiger Faktoren Formel 6:<br />

Vergleichen wir Formel 5 mit Formel 6, so zeigen sich<br />

zwei Unterschiede: die Streckennetzlänge SL und die Anzahl<br />

Betroffener B. <strong>Die</strong> Faktoren BCH (Strasse) und BSBB<br />

(Eisenbahn) sind mitein<strong>and</strong>er vergleichbar, da beide die<br />

Anzahl betroffener Personen entlang des gesamten betrachteten<br />

Streckennetzes bezeichnen.<br />

CH<br />

⋅s⋅dw⋅<br />

Formel 5: Berechnung des Lärmschadens in DALY für Strassenverkehr,<br />

abgeänderte Formel 1. ∆Leqi = ∆Leq des<br />

Strassentyps i, wenn zu jeder Tages- bzw. Nachtstunde ein<br />

zusätzliches Fahrzeug verkehrt; Li = Länge der auf dem<br />

Strassentyp i gefahrenen Strecke; SL i = Streckennetzlänge<br />

des Strassentyps i; hy = Anzahl Tages- bzw. Nachtstunden<br />

pro Jahr (5840 bzw. 2920); BCH = Anzahl der in der Schweiz<br />

von Strassenlärm über einem bestimmten Grenzwert betroffenen<br />

Personen; s = Anteil der durch einen ∆Leq von 1<br />

dB(A) zusätzlich beeinträchtigten Personen (Steigung der<br />

Störwirkungskurve); dw = Gewichtungsfaktor der Beeinträchtigung<br />

für Kommunikations- bzw. Schlafstörung.<br />

Lärmschaden<br />

[ DALY ] = ∑( ∆ Leq ⋅ L ⋅ B ) ⋅<br />

i<br />

i<br />

i<br />

SBB,km<br />

s⋅dw⋅<br />

Formel 4: Herleitung und Legende siehe Abschnitt 3.4.<br />

Lärmschaden<br />

[ DALY ]<br />

⎛ Li<br />

= ∑<br />

⎜∆<br />

Leqi⋅<br />

i ⎝ SL<br />

SBB<br />

⎞<br />

⎟⋅<br />

B<br />

⎠<br />

SBB<br />

⋅s⋅dw⋅<br />

Formel 6: Berechnung des Lärmschadens in DALY für<br />

Schienenverkehr, abgeänderte Formel 4. ∆Leqi = ∆Leq der<br />

Streckenkategorie i, wenn zu jeder Tages- bzw. Nachtstunde<br />

ein zusätzlicher Zug verkehrt; L i = Länge der in der Kategorie<br />

i gefahrenen Strecke; SL SBB = Länge des SBB-Strekkennetzes;<br />

BSBB = Anzahl der am Streckennetz der SBB von<br />

Eisenbahnlärm über einem kritischen Wert betroffenen Personen:<br />

s = Anteil der durch einen ∆Leq von 1 dB(A) zusätzlich<br />

beeinträchtigten Personen (Steigung der Störwirkungskurve);<br />

dw = Gewichtungsfaktor der Beeinträchtigung für<br />

Kommunikations- bzw. Schlafstörung; h y = Anzahl Tagesbzw.<br />

Nachtstunden pro Jahr (5840 bzw. 2920).<br />

1<br />

h<br />

y<br />

1<br />

h<br />

y<br />

1<br />

h<br />

y<br />

194 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Lärm im Gütertransport<br />

Somit besteht die Differenz zwischen den beiden Modellen<br />

einzig im Faktor SL. Bei der Strasse wird die Länge des<br />

Teilnetzes des entsprechenden Strassentyps eingesetzt, bei<br />

der Eisenbahn hingegen die Länge des gesamten Streckennetzes.<br />

<strong>Die</strong>s erklärt, wieso der berechnete Lärmschaden des<br />

Strassentransportes soviel grösser ist als derjenige des Eisenbahntransportes.<br />

<strong>Die</strong> Länge eines Teilnetzes ist immer<br />

kleiner als die Länge des Gesamtnetzes, wodurch das Ergebnis<br />

nach Formel 5 notwendig grösser sein muss als dasjenige<br />

von Formel 6, falls alle übrigen Parameter gleich sind. 16<br />

Wie entsteht der Unterschied? <strong>Die</strong> Verwendung beider<br />

Faktoren ist aus der Sicht des jeweiligen Ansatzes verständlich;<br />

aus der Sicht des jeweils <strong>and</strong>eren Ansatzes wirkt sie<br />

jedoch völlig unverständlich. Warum sollte die Anzahl Betroffener<br />

nur durch die Länge eines Teilstreckennetzes dividiert<br />

werden? Weshalb sollte <strong>and</strong>ererseits der ∆Leq einer<br />

Kategorie über das gesamte Streckennetz verteilt werden,<br />

wenn nur diese eine Kategorie betrachtet wird?<br />

Zudem wurde bei beiden Fällen an der kritischen Stelle<br />

eine nicht triviale Annahme gemacht. Bei der Eisenbahn<br />

h<strong>and</strong>elt es sich um die Vereinfachung, dass die Bevölkerungsdichte<br />

entlang der Schiene sowie die Lärmbelastung<br />

aller Strecken gleich ist (vgl. Abschnitt 3.2). Bei der Strasse<br />

wird angenommen, dass die Division des ∆Leq-Wertes<br />

durch die Länge des Teilstreckennetzes linear möglich ist,<br />

obwohl es sich um eine logarithmische Einheit h<strong>and</strong>elt (vgl.<br />

Abschnitt 2.2).<br />

Daraus folgt, dass die mit diesen unterschiedlichen Methoden<br />

erhaltenen Resultate keinesfalls mitein<strong>and</strong>er verglichen<br />

werden dürfen. Da der Vergleich der Lärmbelastung<br />

von Strasse und Eisenbahn aber unser Ziel ist, muss eines der<br />

Modelle dem <strong>and</strong>eren angepasst werden. Wir ziehen das von<br />

uns für die Eisenbahn erarbeitete Modell aus mehreren<br />

Gründen vor:<br />

Würden wir für die Eisenbahn nach dem Strassenlärmmodell<br />

rechnen, wäre das Resultat stark von der Kategorisierung<br />

der Strecken abhängig, die wir mehr oder weniger<br />

arbiträr vornahmen. Das Streckennetz der Kategorie A ist<br />

zehnmal grösser als die Streckennetze der <strong>and</strong>eren Kategorien.<br />

Dadurch würden die Werte für die Kategorie A überdurchschnittlich<br />

vermindert. 17 Eine <strong>and</strong>ere Kategorisierung<br />

ergäbe vermutlich ganz <strong>and</strong>ere Resultate.<br />

<strong>Die</strong>ses Argument wird durch eine kleine Rechnung verständlicher.<br />

Wenn der ∆Leq für alle Strassentypen gleich<br />

gross wäre, so müsste das Resultat unabhängig von der<br />

Verteilung der Fahrt auf die verschiedenen Strassentypen<br />

sein. Denken wir uns also eine Fahrt von insgesamt 1000 km<br />

Länge, verteilt auf vier Teilstreckennetze. <strong>Die</strong> Längen der<br />

Teilstreckennetze seien SL1 = 1560 km, SL2 = 15’683 km,<br />

SL3 = 3790 km, SL4 = 58’967 km. Der ∆Leq betrage auf<br />

jedem Teilstreckennetz 0.1 dB(A), d.h. ∆Leq i = 0.1 dB(A)<br />

für i = 1-4. Weiter sei BCH = 3’053’600 Personen, s = 3%,<br />

dw = 0.05 und hy = 5840. Wie Tab. 4.2.1 zeigt, ergeben sich<br />

entgegen der Erwartung unterschiedliche Resultate, je nach<br />

Verteilung der 1000 km-Fahrt auf die vier Strassentypen.<br />

Einmal wird die Fahrt gleichmässig verteilt, ein <strong>and</strong>eres Mal<br />

erfolgt die Verteilung nach dem Längenanteil der vier<br />

Strassentypen.<br />

Führen wir dieselbe Rechnung (Fahrt von 1000 km) auch<br />

mit dem Modell für Eisenbahnlärm nach Formel 6 durch. Es<br />

sei ∆Leq i = 0.5 für i = 1-4, SL SBB = 2941 km, B SBB =<br />

596’000 Personen, s = 3%, dw = 0.05 und h y = 5840. Im<br />

Gegensatz zum Strassenlärmmodell von Müller-Wenk ist<br />

der Lärmschaden unabhängig von der Verteilung der 1000<br />

km-Fahrt auf die verschiedenen Streckenkategorien (siehe<br />

Tab. 4.2.2). Unserer Meinung nach stellt dieses Verhalten<br />

des Modells von Müller-Wenk eine Fehlerquelle dar, die<br />

nach Möglichkeit vermieden werden sollte.<br />

Ausserdem ist uns der Schritt von Müller-Wenk (1999, S.<br />

33f), in dem er die 1000 km-Fahrt aufteilt auf das Teilstrekkennetz<br />

eines Strassentyps als Anteil an jedem 1 km-Stück,<br />

nicht ganz verständlich. Nach unserem Verständnis besteht,<br />

wenn der ∆Leq für ein zusätzliches Fahrzeug pro Stunde<br />

z.B. 0.02 beträgt, auf einer Strecke von 1000 km ein ∆Leq<br />

von 0.02 und auf der restlichen Länge des Strassennetzes ein<br />

∆Leq von 0. Wir nahmen deshalb zur Bilanzierung konkreter<br />

Transportketten eine Anpassung der Methode von Müller-Wenk<br />

vor. 18<br />

Tab. 4.2.1: Lärmschaden einer Autofahrt von 1000 km bei unterschiedlicher Verteilung der Fahrt auf vier Strassentypen,<br />

wenn für jeden Strassentyp ein hypothetischer ∆Leq von 0.1 dB(A) eingesetzt wird. <strong>Die</strong> Berechnung erfolgte nach Formel 5.<br />

L 1 [km] L 2 [km] L 3 [km] L 4 [km] Lärmschaden [DALY]<br />

250 250 250 250 0.019<br />

20 200 45 735 0.0039<br />

16 Da wir Strasse und Eisenbahn vergleichen, sind sie das natürlich nicht. Man könnte aber z.B. den Lärmschaden der Eisenbahn nach dem der Formel 4<br />

zugrundeliegenden Modell berechnen. Damit ergäbe sich mit Sicherheit ein höheres Resultat, als wenn Formel 6 verwendet wird.<br />

17 Details dazu sind im wissenschaftlichen Anhang VIII aufgeführt.<br />

18 <strong>Die</strong> Alternative dazu wäre, unser Modell an dasjenige von Müller-Wenk anzupassen. Wie dies gemacht werden könnte, ist im Teil VIII des<br />

wissenschaftlichen Anhangs beschrieben. Im Teil IX werden beide Varianten (d.h. Anpassung der Methode von Müller-Wenk vs. Anpassung unserer<br />

Methode) mitein<strong>and</strong>er verglichen.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 195


Lärm im Gütertransport<br />

Tab. 4.2.2: Lärmschaden einer Zugsfahrt von 1000 km bei unterschiedlicher Verteilung der Fahrt auf vier Strekkenkategorien,<br />

wenn für jede Streckenkategorie ein hypothetischer ∆Leq von 0.5 dB(A) eingesetzt wird. <strong>Die</strong> Berechnung<br />

erfolgte nach Formel 6.<br />

L 1 [km] L 2 [km] L 3 [km] L 4 [km] Lärmschaden [DALY]<br />

250 250 250 250 0.026<br />

20 200 45 735 0.026<br />

4.3 Anpassung der Methode von<br />

Müller-Wenk<br />

Um den Vergleich der Resultate von Strasse und Eisenbahn<br />

zu ermöglichen, passten wir die Methode von Müller-Wenk<br />

für die Strasse an unser Modell an. Dazu ersetzten wir die<br />

Länge des Teilstreckennetzes durch die des gesamten Strekkennetzes<br />

(siehe Tab. 4.3). 19<br />

Tab. 4.3: Lärmschaden einer Fahrt von 1000 km nach einer Anpassung der Methode von Müller-Wenk (1999). Mit diesen<br />

Werten berechnete Resultate für die Strasse können mit Resultaten nach der Variante «<strong>Fallstudie</strong> 2000» für die Eisenbahn<br />

verglichen werden. Vgl. dazu auch die Werte vor der Anpassung in Tab. 2.6.<br />

Fahrzeugkategorie Lärmschaden 1000 km Tag [DALY] Lärmschaden 1000 km Nacht [DALY]<br />

Kategorie 1 (PKW) 2.5 * 10 -4 2.8 * 10 -3<br />

Kategorie 2 (LKW) 2.4 * 10 -3 2.3 * 10 -2<br />

19 <strong>Die</strong> ausführliche Berechnung findet sich im Teil VII des wissenschaftlichen Anhangs.<br />

196 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Lärm im Gütertransport<br />

5 Lärmbilanz konkreter<br />

Transportketten<br />

Wir wenden im Folgenden die beschriebenen Methoden auf<br />

einige ausgewählte Transportketten an. Das Resultat ist eine<br />

Bewertung der Lärmemissionen der Transportketten in Disability<br />

Adjusted Life Years (DALY). <strong>Die</strong>s ermöglicht, den<br />

Schadensindikator «Lärm» in die gesamte Ökobilanz mit<br />

einzubeziehen. <strong>Die</strong>ser letzte Schritt erfolgt im Kapitel<br />

Ökoeffizienz von Transportketten.<br />

5.1 Ausgewählte Transportketten und<br />

ihre Lärmbilanz<br />

<strong>Die</strong> hier untersuchten Transportketten (TK) sind im Kapitel<br />

Ökoeffizienz von Transportketten ausführlich beschrieben.<br />

Wir führen hier nochmals die für die Bilanzierung des Lärms<br />

relevanten Daten auf: die Streckenlänge (für die Eisenbahn<br />

auch die Streckenführung), die transportierte Menge sowie<br />

die Auslastung des Verkehrsmittels. Leerfahrten werden<br />

entweder bei der Auslastung (Cham Paper Group und Migros)<br />

oder bei der Streckenlänge (V-Zug) einbezogen.<br />

5.1.1 V-Zug<br />

Transportgut: Küchengeräte<br />

Verlauf der Eisenbahnstrecken Zug – Basel:<br />

– TK Bahn: Zug–Rotkreuz–Rangierbahnhof Limmattal–<br />

Frick–Pratteln–Basel SBB Güterbahnhof<br />

– TK Cargosprinter: Zug–Rotkreuz–Frick–Pratteln–Basel<br />

SBB Güterbahnhof<br />

Tab. 5.1.1: Transportketten der V-Zug.<br />

Transportkette Beschreibung Länge Schiene Länge Strasse Menge<br />

LKW Zug – Basel Strasse 382 km 20 4 t<br />

Bahn<br />

Zug – Basel Bahn<br />

Feinverteilung Strasse<br />

131 km<br />

150 km<br />

4 t<br />

Cargosprinter 21<br />

Zug – Basel Cargosprinter<br />

Feinverteilung Strasse<br />

108 km<br />

150 km<br />

4 t<br />

Abb. 5.1.1: Bilanz der Lärmemissionen<br />

einer Fahrt der Transportketten der V-<br />

Zug. <strong>Die</strong> Transportketten der V-Zug mit<br />

Bahnanteil weisen eine deutlich bessere<br />

Lärmbilanz auf als der reine Lastwagentransport.<br />

Der Einfluss der verkürzten<br />

Bahnstrecke bei der Variante<br />

«Cargosprinter» ist gering.<br />

20 Da es sich um einen firmeneigenen LKW h<strong>and</strong>elt, wird der Rückweg zum Firmensitz als Leerfahrt mit eingerechnet.<br />

21 Wir berücksichtigen hier nur die Auswirkung der verkürzten Strecke. Eine Abschätzung des Einflusses der verringerten Lärmemissionen kann im Kapitel<br />

Ökoeffizienz von Transportketten nachgewiesen werden.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 197


Lärm im Gütertransport<br />

5.1.2 Cham Paper Group<br />

Transportgut: Zellstoff<br />

Verlauf der Eisenbahnstrecken Basel–Cham:<br />

– TK Bahn: Basel Kleinhüningen Hafen–Pratteln–Frick–<br />

Rangierbahnhof Limmattal–Othmarsingen–Rotkreuz–<br />

Cham<br />

– TK Bahn Sonderangebot: Basel Kleinhüningen Hafen–<br />

Pratteln–Frick–Othmarsingen–Rotkreuz–Cham<br />

5.1.3 Migros<br />

Transportgut: Pelati<br />

Verlauf der Eisenbahnstrecken:<br />

– TK Bahn aktuell (Chiasso–Ebikon): Chiasso–Arth-<br />

Goldau–Othmarsingen–Frick–Pratteln–Basel Badischer<br />

Bahnhof–Weil a.R.–Basel Badischer Bahnhof–Pratteln–<br />

Frick–Rangierbahnhof Limmattal–Othmarsingen–Rotkreuz–Ebikon<br />

– TK Bahn zentralisiert (Chiasso–Suhr): Chiasso–Arth-<br />

Goldau–Othmarsingen–Rangierbahnhof Limmattal–<br />

Lenzburg–Suhr<br />

5.1.4 Annahmen<br />

Strassentransport findet tagsüber statt, Eisenbahntransport<br />

nachts. <strong>Die</strong>se Annahme ist für die Strasse zweckmässig<br />

(Nachtfahrverbot für LKWs, dieses dauert allerdings nur bis<br />

5 Uhr). <strong>Die</strong>s wirkt sich im Vergleich der Lärmbilanzen zum<br />

Nachteil der Resultate der Eisenbahn aus, da die Nachtwerte<br />

höher sind als die Tageswerte.<br />

Aufteilung Ferngüterzug/Nahgüterzug: Ferngüterzug von<br />

Rangierbahnhof zu Rangierbahnhof, Nahgüterzug zwischen<br />

Ausgangs-/Zielbahnhof und Rangierbahnhof. <strong>Die</strong>se<br />

Annahme ist nach Armin Zach, SBB, gerechtfertigt.<br />

Auslastung der Eisenbahn: Absolute Auslastung von<br />

Ferngüterzügen 387 t, von Nahgüterzügen 131 t (vgl. Abschnitt<br />

3.5.2).<br />

Tunnel: Grosse Streckenabschnitte, die in Tunnels verlaufen<br />

(z.B. der Gotthardtunnel bei der Migros), werden für die<br />

Lärmbilanz nicht berücksichtigt.<br />

Alternative Cargosprinter: In diesem Teil wird nur die<br />

Verkürzung der Strecke durch Wegfall des Umweges über<br />

den Rangierbahnhof Limmattal berücksichtigt. Eine Abschätzung<br />

der Auswirkungen der verringerten Lärmemissionen<br />

ist im Kap. Ökoeffizienz von Transportketten dargelegt.<br />

Tab. 5.1.2: Transportketten der Cham Paper Group.<br />

Transportkette Beschreibung Länge<br />

Schiene<br />

LKW<br />

Basel – Cham<br />

Strasse<br />

Bahn<br />

Bahn Sonderangebot<br />

Basel – Cham<br />

Eisenbahn<br />

Basel – Cham<br />

Eisenbahn direkt<br />

Länge<br />

Strasse<br />

LKW-Typ<br />

Auslastung<br />

absolut<br />

Menge<br />

93 km 28 t 7 t 400 t<br />

132 km 400 t<br />

109 km 400 t<br />

Abb. 5.1.2: Bilanz der Lärmemissionen<br />

einer Fahrt der Transportketten der<br />

Cham Paper Group. <strong>Die</strong> Lärmbilanz<br />

des Eisenbahntransportes ist bei den<br />

Transportketten der Cham Paper<br />

Group nur wenig geringer als die des<br />

Lastwagentransportes. Der Einfluss<br />

der verkürzten Bahnstrecke bei der Variante<br />

«Bahn Sonderangebot» ist auch<br />

hier gering.<br />

198 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Lärm im Gütertransport<br />

Tab. 5.1.3: Transportketten der Migros.<br />

Transportkette Beschreibung Länge<br />

Schiene<br />

LKW zentralisiert<br />

Bahn aktuell<br />

Bahn zentralisiert<br />

Chiasso – Suhr Strasse<br />

Suhr – Zug Strasse<br />

Chiasso – Weil a.R. Eisenbahn<br />

Weil a.R. – Ebikon Eisenbahn<br />

Ebikon – Zug Strasse<br />

Chiasso – Suhr Eisenbahn<br />

Suhr – Zug Strasse<br />

311 km<br />

135 km<br />

279 km<br />

Länge<br />

Strasse<br />

251 km<br />

45 km<br />

LKW-<br />

Typ<br />

28 t<br />

28 t<br />

Auslastung<br />

absolut<br />

7.00 t<br />

12.25 t<br />

19 km 28 t 12.25 t<br />

45 km 28 t<br />

Menge<br />

4 t<br />

4 t<br />

12.25 t 4 t<br />

Abb. 5.1.3: Bilanz der Lärmemissionen<br />

einer Fahrt der Transportketten der Migros.<br />

<strong>Die</strong> Lärmbilanz der Migros ist bei<br />

der zentralisierten Transportkette mit<br />

Bahntransport am besten. Der Transport<br />

mit LKW weist eine höhere Lärmbilanz<br />

auf.<br />

Abb. 5.2: Vergleich der Lärmbilanz pro<br />

Tonnenkilometer. <strong>Die</strong> Werte der einzelnen<br />

TK liegen sehr nahe zusammen, so<br />

dass die Berechnung eines mittleren<br />

Wertes pro Tonnenkilometer möglich<br />

wäre. <strong>Die</strong> Stichprobenzahl ist allerdings<br />

gering. TK = Transportkette.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 199


Lärm im Gütertransport<br />

Beschränkung auf die Schweiz: <strong>Die</strong> Modelle sind für die<br />

Schweiz ausgearbeitet, weshalb wir uns auf den schweizerischen<br />

Teil der Transportketten beschränken. Für die kurze<br />

Strecke in Deutschl<strong>and</strong> von Basel nach Weil a.R. nahmen<br />

wir Schweizer Verhältnisse an, was gerechtfertigt erscheint.<br />

5.1.5 Fehlerabschätzung<br />

Eine sehr grobe Fehlerabschätzung durch Betrachtung von<br />

Maximal- und Minimalwerten ergibt einen Unsicherheitsbereich<br />

von 10% bis 600%, d.h., das Resultat könnte im<br />

Extremfall zehnmal kleiner bis sechsmal grösser sein. 22<br />

Durch die Wahl der zeitlichen Bezugsbasis von einer<br />

Stunde wird ein systematischer Fehler eingeführt (vgl. Abschnitt<br />

3.1.6), wodurch die Resultate möglicherweise um ca.<br />

10% vermindert werden. 23<br />

Müller-Wenk (1999) gibt die Fehler der einzelnen Teilschritte<br />

an, nicht aber der gesamten Analyse. Da er zur<br />

Abschätzung der Unsicherheiten zumeist St<strong>and</strong>ardabweichungen<br />

verwendet, macht ein Vergleich mit unserer Fehlerabschätzung<br />

wenig Sinn.<br />

5.2 Lärmbilanz pro Tonnenkilometer<br />

Abschliessend ist in Abb. 5.2 noch ein Vergleich der Lärmbilanzen<br />

der Bahnanteile aller Transportketten pro Tonnenkilometer<br />

dargestellt.<br />

6 Diskussion<br />

6.1 Diskussion der Methoden<br />

6.1.1 Unsicherheit<br />

<strong>Die</strong> Unsicherheit ist gross. <strong>Die</strong>s ist für einen Vergleich der<br />

Lärmbilanzen der verschiedenen Transportketten weniger<br />

wichtig, da der Fehler für alle der gleiche ist. Beim Einbezug<br />

in die gesamte Ökobilanz ist eine Unsicherheit in dieser<br />

Grössenordnung allerdings problematisch, insbesondere<br />

wenn der Anteil des Lärms in der gesamten Ökobilanz hoch<br />

ist.<br />

Müller-Wenk (1999) betrachtet die Schadensabschätzung,<br />

d.h. das Festlegen der Gewichtungsfaktoren der Beeinträchtigung<br />

der Gesundheit, als den schwächsten Teil<br />

seiner Methode. Aufgrund unserer Resultate möchten wir<br />

noch einige <strong>and</strong>ere Schritte nennen, deren Unsicherheit wir<br />

als sehr hoch erachten:<br />

<strong>Die</strong> Modellierung der Störwirkungskurve:<br />

<strong>Die</strong> Anzahl Betroffener nimmt unterhalb von 60 dB(A) stark<br />

zu; die Festlegung der unteren Grenze, wo 0% der Betroffenen<br />

beeinträchtigt sind, beeinflusst das Resultat daher wesentlich.<br />

Es sollte eine <strong>and</strong>ere Modellierung der Störwirkungskurve<br />

(z.B. mit einer logistischen Wachstumskurve)<br />

geprüft werden.<br />

<strong>Die</strong> Auslastung der Lastwagen bzw. Güterzüge:<br />

Wenn konkrete Transportketten betrachtet werden, sollte<br />

wenn möglich auch mit den effektiven Auslastungen gerechnet<br />

werden, da die Auslastung die Bilanz stark beeinflusst<br />

und hier oft ein Ansatzpunkt für ökonomische und<br />

ökologische Verbesserungen besteht.<br />

6.1.2 Übertragbarkeit der schweizerischen<br />

Verhältnisse auf Europa<br />

<strong>Die</strong> Methode wurde spezifisch für die Schweiz ausgearbeitet;<br />

eine Übertragung auf Europa ist nur bedingt möglich.<br />

Müller-Wenk (1999, S. 55ff.) führte für den Strassenlärm<br />

einen Vergleich mit elf europäischen Staaten durch. Er gelangte<br />

zu dem Ergebnis, dass sich die Werte vieler europäischer<br />

Staaten nicht wesentlich von denjenigen der Schweiz<br />

unterscheiden. Für Länder mit stark abweichenden Verhältnissen<br />

schlägt er Korrekturfaktoren vor (0.5 für Dänemark,<br />

Finnl<strong>and</strong> und Schweden; 4 für die Slowakei und Spanien).<br />

Da wir im Rahmen der <strong>Fallstudie</strong> keine solchen Abschätzungen<br />

durchführen konnten, beschränkten wir uns in der<br />

Lärmbilanz auf den schweizerischen Teil der Transportketten.<br />

Zudem liegt der einzige relevante ausländische Transportkettenteil<br />

– nämlich der Pelati-Transport der Migros von<br />

Scafati nach Chiasso – in Italien, das nicht zu den von<br />

Müller-Wenk betrachteten Staaten gehört.<br />

22 Das Vorgehen bei der Fehlerabschätzung ist im Teil X des wissenschaftlichen<br />

Anhangs dargestellt.<br />

23 Vgl. Teil V des wissenschaftlichen Anhangs.<br />

24 <strong>Die</strong> genauen Werte sind im Teil IX des wissenschaftlichen Anhangs<br />

aufgeführt.<br />

6.1.3 Zeitliche Bezugsbasis<br />

Da der ∆Leq nicht linear von der Verkehrsmenge der zusätzlichen<br />

Fahrzeuge (z.B. ein zusätzliches Fahrzeug pro Stun-<br />

200 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Lärm im Gütertransport<br />

de) abhängt, beeinflusst die Wahl der zeitlichen Bezugsbasis<br />

das Resultat.<br />

Eine genaue Abbildung der Wirklichkeit würde dafür<br />

sprechen, die Zeit zu betrachten, während der das Fahrzeug<br />

für eine sich nicht bewegende Person hörbar ist, da nur<br />

während dieser Zeit der Lärmpegel effektiv erhöht ist – also<br />

ein Zeitintervall von wenigen Minuten bis Sekunden.<br />

Andererseits ist für die Beeinträchtigung der Personen<br />

eher der mittlere Lärmpegel über längere Zeit relevant.<br />

Kurzfristige, starke Erhöhungen des Lärmpegels sind aber<br />

vor allem nachts wegen ihrer Weckwirkung wichtig.<br />

<strong>Die</strong> verwendeten Gewichtungsfaktoren der Beeinträchtigung<br />

der Gesundheit gelten für eine Beeinträchtigung zu<br />

jeder Zeit. Nimmt die Zeitdauer der Einwirkung ab, ist die<br />

Abnahme des Schadens wahrscheinlich nicht proportional.<br />

«Kann man gelegentliche Belästigungen noch als zumutbar<br />

bezeichnen, so bedeuten jedoch wiederholte Belästigungen<br />

eindeutig eine Beeinträchtigung der Gesundheit.» (Wanner,<br />

1993).<br />

Mit dem Wert von einem zusätzlichen Fahrzeug pro Stunde<br />

haben wir versucht, einen Mittelweg zu finden. <strong>Die</strong>ser<br />

kann natürlich nicht allen obigen Überlegungen gerecht<br />

werden.<br />

6.1.4 Betroffene Personen<br />

Wie auch Müller-Wenk (1999) betrachten wir die Anzahl<br />

der tatsächlich von Eisenbahnlärm betroffenen Personen.<br />

<strong>Die</strong>s entspricht dem schadensorientierten Ansatz, denn nur<br />

diese Personen erfahren durch die zusätzliche Zugsfahrt<br />

eine Lärmpegelerhöhung im kritischen Bereich.<br />

Mit dieser Methode werden aber schwach besiedelte Gebiete,<br />

die wegen starker Belärmung weniger dicht besiedelt<br />

sind, als sie es sonst möglicherweise wären, sowie Erholungsgebiete<br />

nicht berücksichtigt. <strong>Die</strong>se könnten beispielsweise<br />

durch eine Betrachtung der belärmten Fläche mit<br />

einbezogen werden.<br />

6.2 Wichtige Einflussfaktoren<br />

Auslastung<br />

Bei der V-Zug ist im Gegensatz zu den <strong>and</strong>eren Firmen –<br />

insbesondere der Cham Paper Group – der Unterschied<br />

zwischen Strecken mit und ohne Bahnanteil beträchtlich.<br />

<strong>Die</strong>s liegt insbesondere an der schlechten Auslastung des<br />

firmeneigenen LKWs mit durchschnittlich vier Tonnen pro<br />

Fahrt und einer Leerfahrt auf dem Rückweg. Für die Bahnvarianten<br />

wurde mit einer allgemeinen Auslastung gerechnet,<br />

die für diesen Fall vermutlich zu hoch angesetzt ist.<br />

<strong>Die</strong>ses Beispiel zeigt, dass die Auslastung eine wichtige<br />

Grösse der Bilanz ist und auf ihre korrekte Bestimmung<br />

Wert gelegt werden sollte, was nur in Einzelfallbetrachtungen<br />

möglich ist.<br />

LKW-Typ<br />

Für die Lärmbilanz macht es keinen Unterschied, welcher<br />

LKW-Typ verwendet wird. Somit fällt sie für kleinere Lastwagen<br />

schlechter aus, da diese weniger Last transportieren<br />

können. Um den Unterschied zwischen verschiedenen Typen<br />

zu berücksichtigen, müssten die Fahrzeugkategorien<br />

feiner aufgeteilt werden. Es ist allerdings fraglich, ob die<br />

Differenz der Lärmemissionen verschiedener Lastwagen<br />

bedeutsam ist.<br />

Tageszeit<br />

<strong>Die</strong> Lärmbilanz ist sowohl für die Strasse als auch für<br />

Eisenbahn in der Nacht schlechter als am Tag. Während für<br />

Lastwagen Nachtfahrverbot herrscht, findet ein grosser Teil<br />

der Gütertransporte mit der Eisenbahn nachts statt. <strong>Die</strong>ses<br />

Verhältnis wirkt sich im Vergleich der Lärmbilanzen zum<br />

Nachteil der Eisenbahn aus.<br />

Streckenlänge<br />

<strong>Die</strong> Eisenbahnstrecke ist meist länger als die Strassenstrecke<br />

für denselben Transport, da ein Umweg über mindestens<br />

einen Rangierbahnhof in Kauf genommen werden muss.<br />

Eine Verringerung der Rangiervorgänge (bei den Varianten<br />

V-Zug Cargosprinter sowie Cham Bahn Sonderangebot)<br />

resultiert in einer Verbesserung der Lärmbilanz, die in erster<br />

Näherung linear zur Reduktion der Streckenlänge ist.<br />

6.3 Schlusswort<br />

Transportketten mit Bahnanteil zeigen eine etwas bessere<br />

Lärmbilanz als der entsprechende reine Lastwagentransport.<br />

Obwohl «Lärm die ökologische Achillesferse der Bahn<br />

ist» (P. Hübner, in Eichenberger, 2000), spricht also auch die<br />

Lärmbilanz nicht zu Ungunsten der Bahn, wobei nach wie<br />

vor ein deutliches Verbesserungspotential in diesem Bereich<br />

besteht (siehe auch Scholz et al., 2001).<br />

Der Einbezug von Lärm in Ökobilanzen steht noch am<br />

Anfang. In dieser Arbeit wurde erstmals eine Methode zur<br />

Bilanzierung des Eisenbahnlärms dargestellt sowie eine<br />

Lärmbilanz von konkreten Transportketten erstellt. Der<br />

Wert unseres Beitrags liegt vor allem im Aufzeigen der<br />

Methodik mit all ihren Schwächen und weniger in den<br />

Zahlen, die sich am Ende ergeben.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 201


Lärm im Gütertransport<br />

Literatur<br />

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(LUK) des Kantons Zürich. Zürich: Statistisches Amt des<br />

Kantons Zürich.<br />

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Guidelines for Community Noise. Geneva: World Health Organization<br />

(WHO).<br />

Bickel, P. & Friedrich, R. (1995). Was kostet uns die Mobilität?<br />

Externe Kosten des Verkehrs. Berlin: Springer.<br />

Braunschweig, A. & Müller-Wenk, R. (1993). Ökobilanzen für<br />

Unternehmungen. Eine Wegleitung für die Praxis. Bern: Haupt.<br />

Bundesamt für Statistik (BfS) & Bundesamt für Umwelt, Wald und<br />

L<strong>and</strong>schaft (BUWAL) (1997). Umwelt in der Schweiz. Bern:<br />

BUWAL.<br />

Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft (BUWAL) (1991).<br />

Strassenlärmmodell für überbaute Gebiete (SR Umwelt Nr. 15).<br />

Bern: BUWAL.<br />

De Holl<strong>and</strong>er, A. E. M., Melse, J. M., Lebrte, E. & Kramers, P. G.<br />

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impact of multiple environmental exposures. Epidemiology, 10,<br />

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Eichenberger, R. (2000). Grüne Bahn, ich hör’ dich kommen. Via,<br />

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202 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el<br />

<strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n 1994 bis 2000<br />

Autoren:<br />

S<strong>and</strong>ro Bösch<br />

Jenny Oswald<br />

Inhalt<br />

1. Entwicklung 205<br />

2. Zielsetzung 206<br />

3. <strong>Fallstudie</strong>nbüro 208<br />

4. Projektorganisation 210<br />

5. Produkte 212<br />

6. Zukunft 215


<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el<br />

Zusammenfassung<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong>n sind Lehrprojekte des<br />

Departements Umweltnaturwissenschaften<br />

der <strong>ETH</strong> Zürich. Mit der Beauftragung<br />

der Professur für Umweltnatur-<br />

und Umweltsozialwissenschaften<br />

zur Durchführung der <strong>Fallstudie</strong>n<br />

und der Schaffung eines «<strong>Fallstudie</strong>nbüros»<br />

wurde eine längerfristige Konsolidierung<br />

der <strong>Fallstudie</strong>norganisation<br />

angestrebt. So entwickelte sich die<br />

seit 1994 bestehende <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>.<br />

Schwerpunkt der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>narbeit<br />

ist die interdisziplinäre<br />

Ausein<strong>and</strong>ersetzung eines Studienjahrganges<br />

mit einem realen, komplexen<br />

Problem mit zentralen Umweltaspekten.<br />

Dabei soll das Wissen zum<br />

Fall unter verschiedenen Gesichtspunkten<br />

zusammengetragen und aus<br />

umweltnaturwissenschaftlicher Sicht<br />

bewertet werden. <strong>Die</strong> Wissensintegration<br />

erfolgt in Gruppen von 12 bis 18<br />

Studierenden – den Synthesegruppen.<br />

Unterstützt werden die Studierenden<br />

von einem Team aus Fachleuten – den<br />

Tutorinnen und Tutoren.<br />

Der Einbezug des Falls über seine<br />

Repräsentantinnen und Repräsentanten<br />

– die Träger der <strong>Fallstudie</strong> – ist zu<br />

jedem Zeitpunkt der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

von zentraler Bedeutung und<br />

unterstreicht den transdisziplinären<br />

Charakter der Veranstaltung.<br />

Keywords: <strong>Fallstudie</strong>, Transdisziplinarität,<br />

Projektmanagement, Wissensintegration.<br />

Résumé<br />

Les études de cas sont des projets<br />

d’enseignement du Département des<br />

<strong>Science</strong>s de l’Environnement de<br />

l’EPFZ. En chargeant la Chaire pour<br />

les sciences naturelles et sociales de<br />

l’environnement de la réalisation des<br />

études de cas et avec la création d’un<br />

«bureau d’étude de cas», le but visé<br />

était de consolider à long terme l’organisation<br />

des études de cas. C’est ainsi<br />

que l’étude de cas EPFZ-<strong>UNS</strong> s’est<br />

développée depuis sa création en<br />

1994.<br />

Le point essentiel des études de cas<br />

EPF-<strong>UNS</strong> consiste en l’analyse interdisciplinaire<br />

par les étudiants d’une<br />

même année d’un problème réel et<br />

complexe comportant des aspects écologiques<br />

fondamentaux. Les connaissances<br />

relatives au cas sont alors compilées<br />

sous différents aspects et évaluées<br />

du point de vue des sciences<br />

naturelles de l’environnement.<br />

L’intégration des connaissances se fait<br />

au sein de groupes constitués de 12 à<br />

18 étudiants, appelés groupes de synthèse.<br />

Les étudiants bénéficient du<br />

soutien d’un team de spécialistes, les<br />

tutrices et tuteurs.<br />

La prise en compte du cas par l’entremise<br />

de ses représentantes et représentants<br />

– les protagonistes de<br />

l’étude de cas – revêt une importance<br />

primordiale tout au long de l’étude de<br />

cas EPF-<strong>UNS</strong> et souligne le caractère<br />

transdisciplinaire de l’organisation.<br />

Mots-clés: étude de cas, transdisciplinarité,<br />

gestion de projet, intégration<br />

de connaissance.<br />

Summary<br />

The case studies are curricular projects<br />

of the Department of Environmental<br />

<strong>Science</strong>s at the <strong>ETH</strong> <strong>Zurich</strong>.<br />

Appointing the Chair of Environmental<br />

<strong>Science</strong>s, <strong>Natural</strong> <strong>and</strong> <strong>Social</strong><br />

<strong>Science</strong> Interface to carry out the case<br />

studies <strong>and</strong> create an according «Case<br />

Study Bureau» was an effort to consolidate<br />

the case study organization for<br />

the longer term. This is how the <strong>ETH</strong>-<br />

<strong>UNS</strong> case study, existing since 1994,<br />

came to being.<br />

The <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> case study’s main<br />

focus is for a class to deal with real,<br />

complex problems, including central<br />

environmental aspects, in an interdisciplinary<br />

fashion. Knowledge<br />

about the case is collected from different<br />

st<strong>and</strong>points <strong>and</strong> assessed according<br />

to the view of the environmental<br />

sciences. The integration of knowledge<br />

is carried out in groups of 12 to<br />

18 students – the synthesis groups.<br />

The students are supported by a team<br />

of experts – the tutors.<br />

The inclusion of the case’s representatives<br />

– the actual supporters of<br />

the case study – is of crucial importance<br />

at any given time of the <strong>ETH</strong>-<br />

<strong>UNS</strong> case study <strong>and</strong> emphasizes the<br />

transdisciplinary nature of the program.<br />

Keywords: Case study, transdisciplinarity,<br />

project management, knowledge<br />

integration.<br />

204 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el<br />

1 Entwicklung<br />

1.1 Der Studiengang Umweltnaturwissenschaften<br />

Abteilung und Departement Umweltnaturwissenschaften<br />

der <strong>ETH</strong> Zürich bestehen seit 1990. Auslöser für die Gründung<br />

waren die Umweltkatastrophen von Tschernobyl im<br />

Jahr 1986 und S<strong>and</strong>oz/Schweizerhalle im Jahr 1986. <strong>Die</strong><br />

systemorientierte Ausrichtung der Ausbildung soll die traditionell<br />

disziplinorientierte Organisation der Hochschulen<br />

ergänzen (vgl. Kasten 1.1).<br />

1.2 <strong>Die</strong> umweltnaturwissenschaftliche<br />

<strong>Fallstudie</strong><br />

Umweltnaturwissenschaften als Beruf<br />

«<strong>Die</strong> Absolventinnen und Absolventen des Studienganges<br />

Umweltnaturwissenschaften lernen, Umweltsysteme zu<br />

analysieren und Lösungen für ökologische Probleme zu<br />

erarbeiten.<br />

<strong>Die</strong> Ausbildung vermittelt die Fähigkeit, ausgehend von<br />

einer naturwissenschaftlichen Analyse der Systeme Wasser,<br />

Boden und Luft, die Wechselwirkungen zwischen<br />

diesen Systemen und der Biosphäre und Anthroposphäre<br />

zu verstehen. Dabei werden die ökologischen Nebenfolgen<br />

menschlicher Aktivitäten und Technologien mitbedacht.<br />

<strong>Die</strong>s erfordert eine interdisziplinäre Arbeitsweise,<br />

die neben den Naturwissenschaften auch die Sozial- und<br />

Geisteswissenschaften sowie die Umwelttechnik einschliesst.<br />

Eine besondere Fähigkeit von Umweltnaturwissenschaftlerinnen<br />

und Umweltnaturwissenschaftlern besteht<br />

in der Kommunikationsfähigkeit, die sich vor allem<br />

im Umgang mit Betroffenen im Falle von Zielkonflikten<br />

bewährt.» (Departement Umweltnaturwissenschaften D-<br />

UMNW, 1999, S. 60).<br />

«Umweltnaturwissenschaftler und Umweltnaturwissenschaftlerinnen<br />

sind Naturwissenschaftler und Naturwissenschaftlerinnen<br />

eines neuen Typs. Sie erfassen das Einzelne<br />

vom Ganzen her und verbinden dabei die erfolgreiche<br />

Art der alten Naturwissenschaft, Einzelfragen zu bearbeiten,<br />

mit neuen theoretischen und methodischen Ansätzen,<br />

Zusammenhänge im Grösseren zu erkennen.»<br />

(Frischknecht & Frey, 1999, S. 5).<br />

Kasten 1.1: Umweltnaturwissenschaften als Beruf.<br />

Im 8. Semester des Studienganges findet für alle Studierenden<br />

eines Jahrgangs eine forschungs- und praxisorientierte<br />

Lehrveranstaltung statt – die umweltnaturwissenschaftliche<br />

<strong>Fallstudie</strong> (auch: Grosse <strong>Fallstudie</strong>). Dabei soll die umweltnaturwissenschaftliche<br />

Forschung mit gesellschaftlichen<br />

Fragen und praxisorientierter Anwendung verbunden werden.<br />

1992 wurde an der <strong>ETH</strong> im Zusammenhang mit der<br />

umweltnaturwissenschaftlichen <strong>Fallstudie</strong> eine neue Professur<br />

für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften<br />

(<strong>UNS</strong>) ausgeschrieben. Zu den Lehraufgaben gehört die<br />

«Entwicklung und Leitung von [umweltnaturwissenschaftlichen]<br />

<strong>Fallstudie</strong>n». Erwartet wurde die «Fähigkeit zu disziplinenübergreifendem<br />

Forschen im Bereich der Ursache<br />

von Umweltproblemen und zur Entwicklung von Konzepten<br />

zur ganzheitlichen Untersuchung von Prozessen in<br />

Mensch-Umwelt-Systemen».<br />

Von Beginn weg nahmen die Studierenden einen grossen<br />

Einfluss auf die Gestaltung der <strong>Fallstudie</strong> (Koller, Mieg,<br />

Schmidlin & Scholz, 1995). <strong>Die</strong> Neukonzeption und Planung<br />

der Lehrveranstaltung wurde 1994 in die Hände einer<br />

<strong>Fallstudie</strong>nkommission gelegt, in der neben den Professoren<br />

Rol<strong>and</strong> W. Scholz und Theo Koller die Studierenden die<br />

Mehrheit bildeten. <strong>Die</strong> Kommission konzipierte die <strong>Fallstudie</strong><br />

als problemorientierte Lehrveranstaltung mit gewissen<br />

Forschungsansprüchen:<br />

«<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> ist ein besonderer Typ von Lehrveranstaltung<br />

und Forschungsmethode, die über das Erheben und<br />

Interpretieren von naturwissenschaftlichen Daten hinausgeht.<br />

Sie soll insbesondere ein Freiraum sein für die Entwicklung<br />

einer eigentlich umweltnaturwissenschaftlichen<br />

Vorgehensweise. Angestrebt wird eine integrale Betrachtung<br />

der natürlichen und sozialen Systeme, die befähigt,<br />

Lösungen für ökologische Probleme zu erarbeiten. […]<br />

Gefordert ist ein interdisziplinäres Vorgehen, das neben den<br />

Naturwissenschaften auch die Sozial- und Geisteswissenschaften<br />

einschliesst. Einen wichtigen Stellenwert hat hierbei<br />

nicht nur die Kommunikation zwischen den einzelnen<br />

Disziplinen, sondern auch das Gespräch mit den betroffenen<br />

und beteiligten Menschen.<br />

Zur allgemeinen didaktischen Zielsetzung gehören insbesondere<br />

die Befähigung zu Kooperation und Teamarbeit<br />

[…] und die Fähigkeit zur wissenschaftlichen Bewertung<br />

bereits erfolgter Untersuchungen. Wichtig ist auch, dass die<br />

Teilnehmenden lernen, die eigene Kompetenz und den<br />

St<strong>and</strong> der erreichten Professionalität einzuschätzen.» (Departement<br />

Umweltnaturwissenschaften, <strong>Fallstudie</strong>nkommission<br />

1994, Pflichtenheft der Projekte).<br />

Unter der Leitung der Professur Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften<br />

(Prof. Scholz) hat die <strong>Fallstudie</strong><br />

eine feste organisatorische Form gefunden: die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong>-<br />

<strong>Fallstudie</strong>. Organisiert und durchgeführt durch das <strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong>nbüro f<strong>and</strong>en seit 1994 sieben <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n<br />

statt (siehe Tab. 1.2).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 205


<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el<br />

Tab. 1.2: Überblick über die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n seit 1994. <strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> wurde dabei von Jahr zu Jahr<br />

weiterentwickelt, und – wo nötig – wurden Anpassungen in der Konzeption vorgenommen.<br />

Jahr Studierende Titel Neuerungen<br />

1994 88 Perspektive<br />

Grosses Moos<br />

1995 80 Industrieareal<br />

Sulzer-Escher Wyss<br />

1996 126 Zentrum<br />

Zürich Nord<br />

1997 91 Region<br />

Klettgau<br />

1998 80 Chancen der<br />

Region Klettgau<br />

1999 65 Zukunft<br />

Schiene Schweiz I<br />

2000 52 Zukunft<br />

Schiene Schweiz II<br />

«Neuer» <strong>Fallstudie</strong>ntyp mit studentischer Führung: Konzept der<br />

externen «Träger» der <strong>Fallstudie</strong>; Szenarioanalyse als <strong>Fallstudie</strong>n-<br />

Methode; weiterführende Diplomarbeiten<br />

Kriterienkatalog zur Themenwahl; Kooperation mit Architekturabteilung<br />

der <strong>ETH</strong>; Kuratorium als unterstützendes Element;<br />

verbesserte Wissenschaftlichkeit durch definierte Methoden<br />

Medien- und Kommunikationskonzept; Modularisierung der Synthesegruppen;<br />

Integration sozialwissenschaftlicher Forschung;<br />

Prozess des gemeinsamen Lernens von Hochschule und Fall;<br />

Förderung der Kooperation der verschiedenen Träger des Falls<br />

2-jährige Bearbeitung eines Falls; Einbezug möglichst aller Studierenden<br />

in die Vorbereitung, Grenzüberschreitung; Kooperation<br />

mit Kultur- und Forstingenieuren der <strong>ETH</strong> und dem EU-<br />

Programm Interreg II<br />

Aufbauend auf den Arbeiten der <strong>Fallstudie</strong> 1997; neues Informationsmanagement<br />

(Infoblatt und Intranet); Einbezug der Bevölkerung<br />

mit Begleitgruppen<br />

SBB-Angestellte arbeiten als Tutorierende mit (direkter Einbezug<br />

von Fallakteuren in die studentischen Synthesegruppen); «Querschnitt-Synthesegruppe»<br />

Individualisierter Unterricht (Kurse zu GIS und Berichte schreiben,<br />

Vorträge zu Gruppenprozessen, Einzelgespräche, etc.);<br />

Synthesetag; stellvertretende Leitung (Prof. Mieg)<br />

2 Zielsetzung<br />

Eine <strong>Fallstudie</strong> orientiert sich immer an einem konkreten<br />

Beispiel – dem Fall (vgl. Scholz, 1995). Eine <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> ist jedoch weder ein Projekt über einen Fall, noch<br />

eine Arbeit für jem<strong>and</strong>en, also keine Auftragsforschung. Sie<br />

ist vielmehr ein Projekt mit den Betroffenen und relevanten<br />

Entscheidungsträgern des Falls. <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> ist ein transdisziplinäres<br />

Projekt (lat. Trans = jenseits, über hinaus).<br />

Gemäss den Zielsetzungen der Unterrichtskommission sollen<br />

die Studierenden lernen, in einem gemeinsamen Prozess<br />

mit den «Akteuren des Falls» Themen und Probleme zu<br />

definieren, die mit Hilfe umweltnatur- und umweltsozialwissenschaftlicher<br />

Methoden bearbeitet werden können<br />

(vgl. Kasten 2). Dementsprechend verfolgt die <strong>Fallstudie</strong><br />

mehrere Zielsetzungen: Lehre, Forschung und Anwendung.<br />

Als Lehrveranstaltung führt sie die Studierenden zu den<br />

Lernzielen (vgl. Tab. 2.). <strong>Die</strong> Studierenden müssen die<br />

Freiheit haben, zu Gunsten des Lerneffekts mit Methoden zu<br />

experimentieren – ihre Projekte müssen auch scheitern dürfen.<br />

Als Ort für Forschung bietet die <strong>Fallstudie</strong> die Möglichkeit,<br />

Methoden zur Wissensintegration (Scholz & Tietje,<br />

1996; in press) weiterzuentwickeln oder neue konzeptionelle<br />

Ansätze auszuprobieren. Erkenntnisse, die aus diesem<br />

Forschungsansatz entspringen, werden in Semester- und<br />

Diplomarbeiten oder in der <strong>UNS</strong>-Forschungsgruppe aufgenommen.<br />

Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Rahmen<br />

der <strong>Fallstudie</strong> ist kein Selbstzweck: Sie wird da betrieben,<br />

wo die Studierenden ihr selbst definiertes Projektziel <strong>and</strong>ers<br />

nicht erreichen können.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> als gemeinsamer Lernprozess von Studierenden<br />

und Fallvertretern soll Orientierungen für zukünftiges<br />

H<strong>and</strong>eln liefern (Anwendung). <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> kann und<br />

will keine «pfannenfertigen» Lösungen oder Vorschriften<br />

abgeben. Von Beginn weg wird den Fallvertretern kommuniziert,<br />

dass die <strong>Fallstudie</strong> scheitern kann und somit eine<br />

«Risikokarte» ist.<br />

206 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el<br />

Charakteristika der Grossen <strong>Fallstudie</strong><br />

<strong>Die</strong> grosse <strong>Fallstudie</strong> des Departements Umweltnaturwissenschaften<br />

beschäftigt sich mit einem realen, komplexen,<br />

gesellschaftlich relevanten Problem, welches durch Umweltaspekte<br />

mitbestimmt ist. Ausgangspunkt der Arbeit ist<br />

jeweils ein konkreter Fall.<br />

<strong>Die</strong> Studierenden sollen – in einem gemeinsamen Prozess<br />

mit den «Akteuren des Falls» – Themen und Probleme<br />

definieren lernen, die mit umweltnatur- und umweltsozialwissenschaftlichen<br />

Methoden bearbeitet werden können.<br />

Ein besonderes Lernziel liegt in der Optimierung der<br />

Schnittstelle zwischen natürlichen und sozialen Systemen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> ist ein transdisziplinäres Projekt.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong>narbeit bedient sich verschiedener speziell<br />

für die <strong>Fallstudie</strong> entwickelter bzw. angepasster Methoden<br />

der Wissensintegration. <strong>Die</strong>se Methoden dienen dazu,<br />

eine Integration von Wissen aus verschiedenen Horizonten<br />

(Disziplinen, Umweltsystemen, Interessensperspektiven<br />

etc.) vorzunehmen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> dient dazu, Kommunikations- und Darstellungsfähigkeit,<br />

Teamarbeit sowie Projektorganisation<br />

zu erlernen. <strong>Die</strong> Methoden dienen auch dazu, Teamarbeit<br />

und Projektorganisation zu unterstützen.<br />

Ein wesentliches Merkmal der <strong>Fallstudie</strong>narbeit ist, dass<br />

diese von den Studierenden nicht nur bearbeitet, sondern<br />

auch geplant und geleitet wird.<br />

Kasten 2: Vorgaben für die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> (Auswahl<br />

der wichtigsten Punkte; aus: Departement Umweltnaturwissenschaften,<br />

Unterrichtskommission, April 1998; internes<br />

Arbeitspapier).<br />

Tab. 2: <strong>Die</strong> Lernziele der <strong>Fallstudie</strong> 2000.<br />

Wissenschaftliche<br />

Ebene<br />

Transdisziplinäre<br />

Ebene<br />

Grundkompetenzen<br />

- Fallverständnis entwickeln<br />

- Methodenbewusstsein (Methoden<br />

der Wissensintegration)<br />

- Mutual Learning: Probleme gemeinsam<br />

mit dem Fall definieren<br />

- Networking: das Beziehungsnetz<br />

des Falls fördern<br />

- Kooperation, Kommunikation<br />

(v.a. in der Gruppe)<br />

- wissenschaftliches Arbeiten (Literaturrecherche;<br />

wiss. Fragestellung<br />

definieren; Berichtskonzeption)<br />

Abb. 2:Um deren Bedürfnisse<br />

kennenzulernen, müssen die<br />

Studierenden in einen engen<br />

Dialog mit den Fallakteuren<br />

eintreten. Ziel ist, einen gemeinsamen<br />

Lernprozess von<br />

Studierenden und Fallvertretern<br />

zu gestalten, ein «mutual<br />

learning between science <strong>and</strong><br />

society» (Bild: Jenny Oswald).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 207


<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el<br />

3 <strong>Fallstudie</strong>nbüro<br />

3.1 Allgemeine Aufgaben<br />

Eine Grossveranstaltung wie die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> mit<br />

50 bis 120 Studierenden und zeitweise mehreren hundert<br />

involvierten Personen aus der Umgebung des Falls verlangt<br />

nach einer aufwändigen Projektorganisation. Dabei stehen<br />

Planung, Überwachung, Koordination und Steuerung als<br />

klassische Aufgaben des Projektmanagements im Vordergrund<br />

(Witschi, Erb & Biagini, 1996). Um diese Aufgaben<br />

professionell bewältigen zu können, wurde das <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>nbüro<br />

eingerichtet. Das <strong>Fallstudie</strong>nbüro übernimmt<br />

die operative Leitung der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> und ist Sekretariat<br />

sowie Organisationszentrum. Seit 1994 steht es<br />

unter der Leitung von S<strong>and</strong>ro Bösch und ist zusätzlich mit<br />

zwei Personen für die natur- sowie sozialwissenschaftliche<br />

Qualitätskontrolle besetzt. Ebenfalls Mitglied des <strong>Fallstudie</strong>nbüros<br />

ist der verantwortliche Hochschullehrer – in der<br />

<strong>Fallstudie</strong> 2000 Prof. Harald A. Mieg. Zur Unterstützung<br />

wird für die Vorbereitung und Durchführung der <strong>Fallstudie</strong><br />

jeweils eine Studierende oder ein Studierender aus dem<br />

Vorjahr als Hilfsassistenz beigezogen. Für die Redaktion des<br />

<strong>Fallstudie</strong>nb<strong>and</strong>es wird ebenfalls eine zusätzliche Person für<br />

eine befristete Zeit eingestellt. Einzelne Aufgaben des <strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong>nbüros sind in Tab. 3.1 beschrieben.<br />

Tab. 3.1: Aufgaben und Funktionen des <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>nbüros.<br />

Aufgabe, Funktion<br />

Akquisition und Vorbereitung<br />

Mitarbeit in der <strong>Fallstudie</strong>nkommission<br />

Teilnahme Orga-<br />

Sitzungen<br />

Ausbildung und Coaching<br />

der Tutorierenden<br />

Aussenkontakte<br />

Organisieren des<br />

<strong>Fallstudie</strong>n-Beirats<br />

Erstellen von Orga-<br />

Dossier und FS-Card<br />

Spezialausbildungen<br />

Organisation von Veranstaltungen<br />

Organisieren der<br />

Erfahrungstage<br />

Projekt- und Qualitätskontrolle<br />

Beschreibung<br />

<strong>Die</strong> Träger des Falls müssen für eine Zusammenarbeit gefunden werden. Ausarbeitung<br />

möglicher Themenbereiche und Sicherung der Finanzierung (Kooperationsvertrag mit dem<br />

Fall).<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong>nkommission (FSK) ist verantwortlich für die Wahl des Falles und für die thematische<br />

Ausrichtung.<br />

<strong>Die</strong> Orga-Gruppe koordiniert die Arbeiten zwischen den Synthesegruppen und ist das Gremium,<br />

in dem organisatorische Entscheide getroffen und Informationen vom FS-Büro an die<br />

Synthesegruppen und zwischen diesen weitergegeben werden. Weitere Aufgaben sind das<br />

Projekt-Controlling und die Früherkennung von Problemen.<br />

<strong>Die</strong> Tutorierenden müssen ausgewählt, eingestellt und auf ihre Aufgabe vorbereitet werden.<br />

Das FS-Büro führt eine Adressdatenbank mit Angaben zu den in der <strong>Fallstudie</strong> kontaktierten<br />

Personen und Institutionen. <strong>Die</strong> Aussenkontakte müssen gepflegt werden und eventuelle<br />

Überlastungen durch studentische Anfragen müssen aufgefangen werden.<br />

Akteure aus dem Fall (z.B. SBB AG, Kantonale Verwaltung Zug, Wirtschaftsvertreter) und<br />

der Hochschule sollen die <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> inhaltlich beraten und steuern.<br />

Das Orga-Dossier enthält die wichtigsten Informationen zur <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> in schriftlicher<br />

Form. <strong>Die</strong> FS-Card enthält für alle Studierenden Zeitplan mit Meilensteinen, Aufbauorganisation,<br />

wichtige Adressen und Telefonnummern.<br />

Für die Gruppenarbeit wichtige Funktionen wie «Dokumentation der Arbeit», «Logistik»<br />

(Reisen und Material), «Verfassen von Berichten» erfordern z.T. zusätzliche Kenntnisse.<br />

Entsprechende Ausbildung wird durch das FS-Büro angeboten.<br />

Während der Vorbereitung, der Durchführung und nach Abschluss der <strong>Fallstudie</strong> werden<br />

Plenarveranstaltungen zur Information der Studierenden und des Falls durchgeführt (Eröffnung,<br />

Falltag, Postermarkt, Schlusspräsentation, Synthesetag, Schlussveranstaltung<br />

extern, etc.).<br />

Alle Studierenden sollen im Sinne eines Perspektivenwechsels einen Tag Arbeiten in der<br />

Umgebung des Falls übernehmen (z.B. SBB-Stellwerk, Bahnhofskiosk, Bahn-Böschungspflege,<br />

Spedition eines Zuger Unternehmens; vgl. auch Kasten 5).<br />

Erstellen und Überprüfen von Zeitplan, Feedback zu Vorträgen und schriftlichen Zwischenerzeugnissen.<br />

208 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el<br />

Tab. 3.1: Fortsetzung.<br />

Aufgabe, Funktion<br />

Pressearbeit und<br />

Kommunikation gegen<br />

aussen<br />

Durchführung der<br />

Evaluation<br />

Erstellen der<br />

Arbeitszeugnisse<br />

Schlussbericht<br />

(<strong>Fallstudie</strong>nb<strong>and</strong>)<br />

Archivierung<br />

Weiterentwicklung der<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

EDV und Material<br />

Internet-Auftritt<br />

Beschreibung<br />

<strong>Die</strong> Arbeit der Studierenden soll in der Region publik gemacht werden. Einzelne Resultate<br />

können auch in Form wissenschaftlicher Publikationen oder an Kongressen verbreitet werden.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> wird mit drei Fragebogen (Anfang, Mitte, Schluss des Semesters) sowie einer<br />

moderierten Schlussdiskussion durch die Studierenden bewertet.<br />

Bescheinigt den Studierenden die Teilnahme an der <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> und listet spezielle<br />

Fähigkeiten und Funktionen auf.<br />

Das <strong>Fallstudie</strong>nbüro ist Herausgeber des Schlussberichts und organisiert Redaktion und<br />

Review (intern und extern). Neben dem Verfassen eigener Kapitel betreut das FS-Büro auch<br />

die Produktion von Texten im Rahmen von Semesterarbeiten.<br />

Sämtliche Unterlagen der vergangenen <strong>Fallstudie</strong>n werden zusammengestellt und archivarisch<br />

erfasst.<br />

Aufbauend auf den Erfahrungen der vergangenen <strong>Fallstudie</strong>n und unter Berücksichtigung<br />

der studentischen Evaluation werden Änderungen (insbesondere auch der <strong>Fallstudie</strong>ndidaktik)<br />

und Neuerungen erarbeitet.<br />

<strong>Die</strong> Arbeitsräume der Studierenden werden mit Arbeitsstationen für E-mail und Datenbankrecherchen<br />

sowie Verbrauchs- und Moderationsmaterialien ausgerüstet.<br />

<strong>Die</strong> Studierenden, Beteiligte des Falls und weitere interessierte Personen sollen sich im<br />

Internet über die <strong>Fallstudie</strong> informieren können. Das FS-Büro erstellt die entsprechenden<br />

Webseiten.<br />

3.2 Zusammenarbeit mit der <strong>Fallstudie</strong>nkommission<br />

Anlässlich der Revision der <strong>Fallstudie</strong> 1994 wurde eine<br />

<strong>Fallstudie</strong>nkommission (FSK) ins Leben gerufen. Neben<br />

Studierenden sowie Prof. Scholz waren auch die Mitglieder<br />

des <strong>Fallstudie</strong>nbüros vertreten. Für jede <strong>Fallstudie</strong> wurde<br />

eine eigene FSK als leitendes Gremium berufen, die ca. ein<br />

Jahr vor der eigentlichen <strong>Fallstudie</strong> ihre Arbeit aufnahm.<br />

Während der <strong>Fallstudie</strong> tagte die FSK wöchentlich, um<br />

kurzfristig organisatorisch oder inhaltlich eingreifen zu können.<br />

Mit den Jahren w<strong>and</strong>elten sich jedoch Auftrag und<br />

Selbstverständnis der FSK. Insbesondere übernahm das<br />

<strong>Fallstudie</strong>nbüro den Grossteil der organisatorischen Aufgaben,<br />

die anfangs auch von den Studierenden der FSK geleistet<br />

wurden.<br />

Aus den Erfahrungen der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n 1994 und<br />

1995 st<strong>and</strong>en für die folgenden <strong>Fallstudie</strong>n eine erprobte<br />

Projektstruktur und ein Konzept zur Verfügung. <strong>Die</strong> Arbeit<br />

der <strong>Fallstudie</strong>nkommission verlagerte sich dadurch zunehmend<br />

vom Konzeptionellen zu inhaltlich-administrativen<br />

Fragen.<br />

Tab. 3.2: Anzahl Sitzungen der <strong>Fallstudie</strong>nkommission in der<br />

Vorbereitungszeit zur <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>.<br />

Abb. 3.2: <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong>nkommission 1996 – mit Beteiligung<br />

des <strong>Fallstudie</strong>nbüros – setzt sich mit dem möglichen Fall<br />

«Zentrum Zürich Nord» ausein<strong>and</strong>er (Bild: FS-Büro).<br />

<strong>Fallstudie</strong>njahr<br />

Anzahl Sitzungen<br />

1994 über 50<br />

1995 46<br />

1996 27<br />

1997/98 ca. 25<br />

1999/00 18<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 209


<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el<br />

3.3 Kommunikation<br />

Kommunikation ist für den Arbeitsprozess und insbesondere<br />

die Wissensintegration und Synthesearbeit von zentraler<br />

Bedeutung (Bösch, Oswald & Scholz, 1997). <strong>Die</strong> Informationen<br />

über den Fall und die (Zwischen-)resultate der <strong>Fallstudie</strong><br />

sollen möglichst allen Beteiligten zugänglich gemacht<br />

werden. Tab. 3.3 gibt einen Überblick zu den wich-<br />

tigsten Kommunikationsmitteln der vergangenen <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong>n.<br />

Seit 1999 stehen allen Studierenden der <strong>ETH</strong> individuelle<br />

E-mail-Adressen und Benutzerkonti zur Verfügung. Dadurch<br />

hat sich die interne Kommunikation merklich verbessert.<br />

<strong>Die</strong> Einrichtung von je einem EDV-Arbeitsplatz in den<br />

Gruppenräumen hat sich für das Abrufen von E-mail und den<br />

Zugriff auf den <strong>Fallstudie</strong>n-Server als positiv erwiesen.<br />

Tab. 3.3: In der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> eingesetzte Kommunikationsmittel. <strong>Die</strong> «klassischen» Kommunikationsmittel wie<br />

persönliches Gespräch, Telefon oder Briefpost sind nicht aufgelistet.<br />

Kommunikationsmittel Bereich Partner/Zielpublikum <strong>Fallstudie</strong>njahr<br />

<strong>Fallstudie</strong>nzeitung intern Studierende, Tutorierende 1994-1998<br />

Zeitungs- und Journalartikel extern Fallvertreter, Fachleute seit 1994<br />

Intranet intern Studierende, Tutorierende 1998-1999<br />

Internet<br />

intern<br />

extern<br />

Studierende<br />

Fallvertreter<br />

seit 1998<br />

Gruppen-E-mail<br />

intern<br />

z.T. extern<br />

Studierende, Tutorierende<br />

Fallvertreter, Fachleute<br />

seit 1994<br />

4 Projektorganisation<br />

4.1 Modularisierung und Synthese<br />

Wie der Ablauf einer <strong>Fallstudie</strong> organisiert und strukturiert<br />

wird, bildet sich in der Herangehensweise an den «Fall» ab<br />

(siehe Abb. 4.1). Der Ablauf der FS ’94 wurde in «rollender<br />

Planung» organisiert. <strong>Die</strong> Studierenden begannen in fachdisziplinären<br />

Teilprojekten, die anschliessend zu drei Synthesegruppen<br />

umgruppiert wurden. <strong>Die</strong> Zusammenführung<br />

in einer abschliessenden Gesamtsynthese wurde – obwohl<br />

geplant – nicht erreicht.<br />

1995 wurde das Ziel einer Gesamtsynthese – zu Gunsten<br />

mehrerer paralleler Synthesen aus verschiedenen Perspektiven<br />

– aufgegeben. Dazu wurden drei unabhängige Synthesegruppen<br />

und 19 fachdisziplinäre Teilprojekte definiert.<br />

<strong>Die</strong> ersten vier Wochen verbrachten die Studierenden in den<br />

Synthesegruppen und teilten sich anschliessend auf die Teilprojekte<br />

auf. In allen Teilprojektgruppen waren Studierende<br />

aus jeder Synthesegruppe vertreten. Nach Ende der Teilprojekte<br />

kehrten die Studierenden wieder in ihre Synthesegruppe<br />

zurück (Bösch, 1998).<br />

<strong>Die</strong>se Organisationsform war zu kompliziert und motivationshemmend:<br />

<strong>Die</strong> Studierenden fühlten sich in keiner der<br />

unterschiedlich zusammengesetzten Gruppe zu Hause,<br />

manche konnten ihr Teilprojektwissen nicht in die Synthese<br />

einbringen, weil ihr Teilprojekt nicht relevant für die Synthesefragestellung<br />

war. 1996 wurde deshalb die Organisation<br />

nochmals geändert und erhielt die bis 1998 gültige Form.<br />

– <strong>Die</strong> ersten vier Wochen verbringen die Studierenden in<br />

der Synthesegruppe zu 12 bis 18 Personen. <strong>Die</strong> Synthese-<br />

Abb. 4.1: <strong>Die</strong> schematische Ablauf-Organisationsform der<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> für die Jahre 1994 bis 2000. Seit 1996<br />

sind die Teilprojektgruppen aus Mitgliedern jeweils nur<br />

einer Synthesegruppe zusammengesetzt.<br />

210 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el<br />

Abb. 4.2: Der Zeitplan der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 2000. Meilensteine sind fett hervorgehoben.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 211


<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el<br />

phase I dient der Zielfindung. <strong>Die</strong> Gruppe definiert Gegenst<strong>and</strong>,<br />

Ziel, Methode und Produkte. Innerhalb ihrer<br />

Synthese definiert sie drei bis vier Teilprojekte, welche<br />

die inhaltliche und methodische Grundlage zur Synthese<br />

liefern sollen.<br />

– <strong>Die</strong> nächsten sechs Wochen wird in den Teilprojekten<br />

gearbeitet. Parallel wird in Plenumssitzungen der ganzen<br />

Gruppe überprüft, ob die Teilprojekte immer noch auf das<br />

gemeinsame Ziel hinarbeiten.<br />

– Für die letzten vier Wochen, die Synthesephase II, arbeiten<br />

die Studierenden wieder in der Grossgruppe. <strong>Die</strong><br />

Ergebnisse aus den Teilprojekten werden zusammengeführt<br />

und Aussagen zur gewählten Fragestellung abgeleitet.<br />

In der Projektorganisation der <strong>Fallstudie</strong>n 1996 bis 1998<br />

ist das Fehlen der Gesamtsynthese offenkundig. <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong>n<br />

«Zukunft Schiene Schweiz» 1999 und 2000 unternahmen<br />

nun den Versuch einer solchen Gesamtsynthese. In der<br />

<strong>Fallstudie</strong> 1999 wurde eine Querschnitts-Synthesegruppe,<br />

die OeRe-Gruppe (Ökologische Rechnungseinheiten), gebildet.<br />

<strong>Die</strong> Mitglieder der OeRe-Gruppe arbeiteten eine Zeit<br />

lang auch in den «normalen» Synthesegruppen mit. Auf der<br />

Grundlage der Arbeit der verschiedenen Synthesegruppen<br />

(z.B. «Altlasten», «Energie») erarbeitete die OeRe-Gruppe<br />

ein Modell zur Verrechnung der SBB-Umweltinvestitionen.<br />

Zum Abschluss der <strong>Fallstudie</strong> 2000 wurde erstmalig ein<br />

Synthesetag durchgeführt. Als «Gesamtschau» der Ergebnisse<br />

sollte er auch dem Abschluss der <strong>Fallstudie</strong> als gemeinsames<br />

Projekt mit der SBB AG und dem Kanton Zug<br />

dienen. <strong>Die</strong>ser Synthesetag f<strong>and</strong> in Zug statt.<br />

4.2 Zeitplan<br />

Für einen erfolgreichen Abschluss eines Projektes wie der<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> sind zeitlich und inhaltlich definierte<br />

Übergänge zwischen den einzelnen Projektetappen unabdingbar<br />

– sogenannte Meilensteine (siehe auch Tab. 5). Mit<br />

Hilfe des für alle Teilnehmenden verfügbaren Zeitplans<br />

kann die Realisierbarkeit des Ziels vom Endpunkt her rückblickend<br />

überprüft werden (backward planning). Abb. 4.2<br />

zeigt den Zeitplan zur <strong>Fallstudie</strong> 2000.<br />

5 Produkte<br />

Für die <strong>Fallstudie</strong> gilt: Produkte der <strong>Fallstudie</strong> sind nicht nur<br />

Ergebnisse im klassischen Sinn, sondern auch Prozesse.<br />

<strong>Fallstudie</strong>nb<strong>and</strong><br />

Jedes Jahr wird im Anschluss an die <strong>Fallstudie</strong> durch einzelne<br />

Studierende ein <strong>Fallstudie</strong>nb<strong>and</strong> erstellt. Dabei h<strong>and</strong>elt<br />

es sich um eine Mischung aus Sach- und Fachbuch. Der<br />

B<strong>and</strong> informiert die Vertreter des Falles über die beh<strong>and</strong>elten<br />

Fragestellungen, Vorgehen, Resultate und Schlussfolgerungen<br />

der Studierenden. Andererseits richtet er sich an<br />

interessierte Fachleute und Wissenschaftler. Um zu gewährleisten,<br />

dass die Beiträge in Form und Qualität den Kriterien<br />

einer Publikation für ein wissenschaftliches Publikum genügen<br />

– unter der Berücksichtigung, dass es sich um die<br />

Resultate eines Lehrprojektes h<strong>and</strong>elt – durchlaufen alle<br />

Beiträge ein Reviewverfahren: Nach dem Review durch die<br />

Tutorierenden und die Herausgeber werden die einzelnen<br />

überarbeiteten Kapitel durch externe Fachleute kritisch begutachtet<br />

und anschliessend nochmals überarbeitet.<br />

Schriftliche Produkte während der <strong>Fallstudie</strong><br />

<strong>Die</strong> Erfahrungen haben gezeigt, dass für einen Teil der<br />

Studierenden der <strong>Fallstudie</strong>nb<strong>and</strong> als «greifbares» Produkt<br />

der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> zu spät kommt. Sie haben am Ende<br />

des <strong>Fallstudie</strong>nsemesters den Eindruck, nichts «Bleibendes»<br />

geleistet zu haben. In der FS ’00 wurde deshalb – auch<br />

im Sinne einer Prozessoptimierung – Wert auf schriftliche<br />

Produkte zum Zeitpunkt der Meilensteine gelegt (siehe Tab.<br />

5.2).<br />

Prozesse als Produkte<br />

Der <strong>Fallstudie</strong>nb<strong>and</strong> ist also nicht das einzige Produkt der<br />

<strong>Fallstudie</strong>. Genauso bedeutend für die Studierenden und den<br />

Fall sind <strong>and</strong>ere schriftliche oder multimediale Produkte<br />

und angeregte Prozesse. Wichtig ist die Einsicht, dass die<br />

<strong>Fallstudie</strong> nicht nur konkrete Ergebnisse für den untersuchten<br />

Fall liefert (wie z.B. einen Plan oder eine Entscheidungshilfe),<br />

sondern vor allem Prozesse in Gang bringt. Der in der<br />

<strong>Fallstudie</strong> erlebte gemeinsame Lernprozess von Studierenden<br />

und Fallvertretern, ein wechselseitiges Lernen (mutual<br />

learning between science <strong>and</strong> society), ist deshalb ein wichtiges<br />

Produkt der <strong>Fallstudie</strong>, wie folgender Zeitungsausschnitt<br />

illustriert:<br />

«’Zuerst waren wir dem ganzen gegenüber eher kritisch<br />

eingestellt, wir hatten Angst, die Studierenden würden hier<br />

in unsere Welt eindringen, ohne uns mit einzubeziehen’,<br />

erklärt der Gemüsebauer Charles Aebersold aus Treiten.<br />

Nach mehreren Gesprächen mit den Betreffenden habe sich<br />

aber eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit entwickelt, erzählt<br />

er. Man müsse auch immer sehen, dass diese Studie ein<br />

Lehrgang sei, und keine Meisterarbeit. ’Es hat auch für uns<br />

Gedankenanstösse gegeben’, ist er überzeugt.» (Bieler Tagblatt,<br />

1994).<br />

212 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el<br />

Tab. 5.1: Auswahl von <strong>Fallstudie</strong>nprodukte der vergangenen Jahre.<br />

Art des Produkts Beschreibung<br />

Schriftlich - <strong>Fallstudie</strong>nbände (FS ‘94 bis ‘00)<br />

- «Das kleine Emmer-Büchlein», Rezeptheft (FS ‘97)<br />

- «Der zweite Blick...»: Velo- und W<strong>and</strong>erführer für den Klettgau (FS ‘97)<br />

- Stellungnahme zur Revision des kantonalen Richtplanes des Kt. Schaffhausen (FS ‘98)<br />

- Grundlagenordner für naturraum-relevante Projekte in der Region Klettgau (FS ‘98)<br />

- «Wie kommen die Güter auf die Bahn». Artikel im Umwelt Focus 3/2000 (FS ‘00)<br />

Multimedial - Video «StadtBrachL<strong>and</strong>: urbane architektur und umwelt» (Gewinner des «gr<strong>and</strong> prix au féstival<br />

européen du clip vidéo sur l’environnement 1996») (FS ‘95)<br />

- Computergestütztes Tool zur Bestimmung der ökologisch-ökonomisch optimalen Beh<strong>and</strong>lungstechnik<br />

für belasteten Aushub (FS ‘99)<br />

- Computer-Präsentation «Szenarien zur Verkehrsentwicklung» (FS ‘00)<br />

- «Methoden der Wissensintegration» als WWW-Portal (FS ‘00)<br />

Prozesse - Kooperation zwischen ABB, Stadt Zürich und Anwohnern (FS ‘96)<br />

- Runder Tisch der Klettgauer Regionalbanken zum Thema «Nachhaltige Kreditvergabe» (FS ‘98)<br />

- Gründung einer Interessengemeinschaft Klettgau zur Förderung naturraum-relevanter Projekte<br />

(FS ‘98)<br />

- Bevölkerungsinitiative Klettgau CH-D (FS ‘98)<br />

- Güterforum Zug (FS ‘00)<br />

Erfahrungstag<br />

Der folgende Text beschreibt die Erfahrungen einer studentischen<br />

Gruppe bei der Geleisebaugruppe in Herzogenbuchsee:<br />

Abfahrt Schaffhausen 05:27 Uhr, Abfahrt St. Gallen<br />

05:09, Kaffee und Gipfeli im Zug. In Herzogenbuchsee<br />

herzlicher Empfang durch den Aufseher Chrigu Bickel und<br />

der nächste Kaffee wurde eingeworfen. Nächstes Trakt<strong>and</strong>um:<br />

Fassen der orangen Sicherheitswesten und Besteigen<br />

der schweren <strong>Die</strong>sellok Typ Am 841. Abwarten des IC<br />

87523 von Genf nach Zürich, kaum ist die Strecke freigegeben,<br />

ab aufs Gleis in Richtung Baustelle mit flotten 80<br />

Sachen. Gegenzug aus Burgdorf, der obligate Gruss von<br />

Lokführer zu Lokführer, man ist halt eine grosse Familie.<br />

Baustelle in Sicht, Tempo wird gedrosselt, die orangen<br />

Punkte auf den Geleisen bekommen langsam Gesichter,<br />

braune Gesichter, gegerbt von Wind und Wetter. Es werden<br />

kurze Komm<strong>and</strong>os erteilt, jeder kennt seinen Job, es muss<br />

schnell gehen, denn der EC Interlaken - Stuttgart liebt<br />

keine Verspätungen. Der Einsatz darf höchstens 7 Minuten<br />

dauern, eben wegen dem nahenden EC. Der <strong>Die</strong>selmotor<br />

heult auf, für uns war die Zeit zu kurz, um unserer Arbeit<br />

nachzugehen, zurück in den schützenden Heimatbahnhof<br />

Abb. 5.1: <strong>Die</strong> vordere Umschlagsseite des <strong>Fallstudie</strong>nb<strong>and</strong>es<br />

zur <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> ’99.<br />

Kasten 5: Eine Besonderheit der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>: Der<br />

Erfahrungstag. Im Sinne des «gemeinsamen, gegenseitigen<br />

Lernens» von Fall und Hochschule soll für einen Tag die Brille<br />

des (angehenden) Akademikers abgelegt und mit der des direkt<br />

Betroffenen vertauscht werden. Es geht dabei nicht darum, die<br />

Systemerfahrung eines langjährigen Mitarbeiters in einem einzigen<br />

Tag vermittelt zu bekommen. <strong>Die</strong> Erfahrungen haben<br />

jedoch gezeigt, dass ein solcher Perspektivenwechsel eine <strong>and</strong>ere<br />

Sicht – die der Betroffenen – auf die konkreten Probleme<br />

des Falls ermöglicht (Fortsetzung nächste Seite).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 213


<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el<br />

Tab. 5.2: Jeder Meilenstein – als Abschluss einer Projektphase (resp. als Übergang zur nächsten) – verlangt nach einem<br />

schriftlichen Produkt der Arbeitsgruppen.<br />

Meilenstein<br />

Synthesekonzept<br />

(Ende Synthesephase I)<br />

Postermarkt<br />

(Ende Teilprojektphase)<br />

Interner Resultateaustausch<br />

am Synthesetag<br />

(Ende Synthesephase II)<br />

Dritte Beiratssitzung<br />

(Nach Abschluss der <strong>Fallstudie</strong>)<br />

Verlangtes Produkt<br />

Das Synthesekonzept enthält folgende Informationen in klaren Formulierungen<br />

ohne undefinierte Begriffe: Gegenst<strong>and</strong>, Problemstellung der Synthesegruppe und<br />

Arbeitsziel, Produkte und Zielgruppen, Synthese- und <strong>and</strong>ere Methoden, Projektarchitektur,<br />

Teilprojektinhalte und -ziele, Zeitplan, Literatur.<br />

Am Postermarkt präsentiert sich jedes Teilprojekt auf einem Poster Format A1 mit<br />

folgenden Informationen: Name des Teilprojektes und Beteiligte, Zielsetzung/Fragestellung,<br />

Verwendete Methoden und Vorgehensweise, Resultate und Schlussfolgerungen,<br />

kritische Selbstbeurteilung. Jede Synthesegruppe stellt ihre Teilprojekte den<br />

<strong>and</strong>ern Gruppen in einer Kurzpräsentation vor (je 15 Minuten).<br />

Am internen Resultateaustausch stellen die Synthesegruppen gegenseitig ihre Arbeit<br />

vor. <strong>Die</strong> Präsentationen bewegen sich auf zwei Ebenen: Einerseits sollen Vorgehensweise,<br />

Resultate und Schlussfolgerungen dargestellt werden (inkl. eine bis drei prägnante<br />

«take home-messages»). Anderseits ist Raum für eine künstlerisch-multimediale<br />

Darstellung oder das Parodieren der eigenen Arbeit vorh<strong>and</strong>en.<br />

Als Grundlage für die dritte Beiratssitzung dienen die Synthesepapiere der verschiedenen<br />

Gruppen und die am Synthesetag erstellten Produkte. Berichtskonzepte<br />

für den B<strong>and</strong> sollten bereits vorliegen. <strong>Die</strong> Sitzung hat zum Ziel, die Arbeiten und<br />

Resultate zu bewerten und die folgenden Arbeiten für den B<strong>and</strong> auszurichten.<br />

Herzogenbuchsee. Einfahrsignal auf grün, die Weichen unserer<br />

Fahrstrasse gestellt, einbiegen ins Nebengleis, Weiche<br />

zurückstellen für die reibungslose Durchfahrt unseres EC’s.<br />

Er braust heran, gezogen von einer Re 4/4 II, dem stolzen<br />

Arbeitspferd unserer Staatsbahn. Eine Erklärung hier, eine<br />

Erklärung da, man sei am umstrukturieren, wisse noch nicht<br />

genau wie weiter und schon ist das Ausfahrts- und Zwergsignal<br />

auf grün und back to the Baustelle. Fachausdrücke wie<br />

Steg, Flansch, Pumpbeton, Kurvenüberhöhung, Schienenprofil<br />

4, UIC-Norm 174.3, einige laute Komm<strong>and</strong>os, ein<br />

Gegenzug beladen mit Lothar-Material, furchtbar laut, diese<br />

Güterwagen, man versteht ja sein eigenes Wort nicht<br />

mehr, ein weiterer Gegenzug und wieder Schluss und zurück,<br />

denn wie gesagt, maximale Verweildauer des Bauzugs<br />

auf der Strecke 7 Minuten. Zeit für die Znünipause im<br />

Bauwagen auf dem Stumpengeleise. Würste, Salami und<br />

alles was man zwischen 2 Scheiben Brot legen kann tauchen<br />

auf. <strong>Die</strong> Arbeit auf der Strecke ist anstrengend: steile<br />

Böschungen, sengende Sonne, schwere Lasten, nicht für<br />

jedermann/frau geeignet. Wir haben nur schon vom Zuschauen<br />

blutige Schwielen bekommen und hoffen auf Arbeitserleichterung,<br />

die uns dann auch subito zugest<strong>and</strong>en<br />

wird. Statt mit Hammer und Sichel sind wir nun mit dem<br />

Aufseher auf der Strecke unterwegs. Wir haben unser Fortbewegungsmittel<br />

<strong>Die</strong>sellok nun gegen einen Baubus Typ<br />

VW LT 35 eingetauscht (leider) und sind nun reguläre<br />

Benutzer der alten Kantonsstrasse Zürich–Bern. Wir sind<br />

nun wieder auf unserer Baustelle und sehen uns die Sache<br />

mal von unten, mal von oben, mal von links und mal von<br />

rechts an. Chrigu hat eine Engelsgeduld und erklärt uns<br />

alten Bau- und Maschinenfachmännern und -frauen jedes<br />

Detail des Geleisebaus, der Unterhaltsarbeiten, etc. Mittagessen<br />

wieder im sog. Rottenwagen. Der Nachmittag: wieder<br />

brutal heiss. Streckenbesichtigung bei der zukünftigen<br />

Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist, wieder ein Intercity,<br />

nur diesmal musste einer im Zug schei... und betätigt hygienischerweise<br />

die Spülung. Ein Kommentar zu diesem Erlebnis<br />

bleibt aus. <strong>Die</strong>ser Chrigu hat sich für uns ins Zeug<br />

gelegt, dass nur so die Schwarten krachen. Es war ein<br />

unglaublich eindrucksvoller und strenger Tag, der uns wohl<br />

noch lange in Erinnerung bleiben wird. Wir haben viel<br />

Respekt gewonnen vor diesen Leuten mit den kräftigen<br />

Oberkörpern, dem braunen Teint und den orange leuchtenden<br />

Kleidern. (Manuela Hotz, Adrian Strehler, Laurenz<br />

Alder).<br />

Kasten 5: Fortsetzung.<br />

214 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el<br />

6 Zukunft der <strong>Fallstudie</strong><br />

Aus den Evaluationen zu den vergangenen <strong>Fallstudie</strong>n zeigten<br />

sich vor allem drei Problemfelder:<br />

Organisation: <strong>Die</strong> Studierenden müssen sich in einer klaren<br />

Gruppenstruktur «zu Hause» fühlen. <strong>Die</strong> Vereinfachung<br />

der Organisation seit 1994 spiegelt sich in der jährlichen<br />

Evaluation der <strong>Fallstudie</strong> durch die Studierenden wieder.<br />

Zielvorgaben bei Projektbeginn: Nachdem die Synthesephase<br />

I oft als zu richtungslos kritisiert wurde, wurden 1999<br />

verbindliche Grobkonzepte für die Synthesegruppen vorgegeben<br />

(<strong>Die</strong> Ausarbeitung des detaillierten Projektplanes<br />

bleibt aber weiterhin Aufgabe der Gruppen). <strong>Die</strong>se «Leitplanken»<br />

wurden von den Studierenden in der Schlussdiskussion<br />

mehrheitlich positiv bewertet und auch für das<br />

<strong>Fallstudie</strong>njahr 2000 beibehalten.<br />

Abb. 5.2: Der Erfahrungstag fördert das gegenseitige Verständnis<br />

von Fall und Hochschule (Bild: K. Zurfluh).<br />

Produkte im Internet<br />

In zunehmendem Masse gewinnt das Internet Bedeutung in<br />

der Recherche, Bereitstellung und Präsentation von Berichten<br />

und <strong>and</strong>eren Informationen. In diesem Sinne plant die<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> ihre Kommunikationsstrategie in<br />

Richtung Internet weiterzuentwickeln, d.h. wir wollen zukunftsorientiert<br />

arbeiten und uns den veränderten Darstellungsformen<br />

so weit notwendig und sinnvoll anpassen.<br />

Für die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n ’01 und ’02, die voraussichtlich<br />

in der Region Appenzellerl<strong>and</strong> stattfinden, ist ein<br />

neues Produkt geplant: das «Living Document». Dabei h<strong>and</strong>elt<br />

es sich um eine kommentierte und laufend ergänzte<br />

elektronische Datenbank (Informationsbank) mit Informationen<br />

zu fallrelevanten Projekten, Plänen, Dokumenten,<br />

Literatur, Personen und deren Zuständigkeiten. 1 Insbesondere<br />

sollen auch die während der <strong>Fallstudie</strong> erstellten Dokumente<br />

und Berichte fortlaufend hier publiziert werden. Als<br />

Weiterentwicklung der bisher produzierten <strong>Fallstudie</strong>nbände<br />

soll das Internet nach der <strong>Fallstudie</strong> eine Gesamtsicht der<br />

geleisteten Arbeiten ermöglichen und zusätzliche Zielgruppen<br />

erreichen.<br />

1 Vgl. als Beispiel die vom BUWAL entwickelte Datenbank zu Umweltinformationen:<br />

http://www.ch.cds.ch.<br />

Anbindung ans Studium: Viele Studierende erleben die<br />

<strong>Fallstudie</strong> als «Welt für sich» und haben zunehmend Mühe,<br />

Bezüge zum restlichen Studium zu knüpfen. <strong>Die</strong>se Entwicklung<br />

sollte sowohl vom Departement als auch von der <strong>Fallstudie</strong><br />

aus sorgfältig analysiert werden.<br />

<strong>Die</strong> Diskussion über die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n findet<br />

auch innerhalb des Departements Umweltnaturwissenschaften<br />

statt. Es zeigte sich, dass die Idee einer grossen<br />

<strong>Fallstudie</strong> am Ende des Studiums sowohl von den Dozierenden<br />

als auch von den Studierenden mehrheitlich unterstützt<br />

wird. Aus den Resultaten eines departementsinternen Ausschusses<br />

und den Vorschlägen des <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>nbüros<br />

wurde ein Reglement ausgearbeitet und von der Departementskonferenz<br />

vom Juni 2000 genehmigt. Das wichtigste<br />

Resultat ist, dass in Zukunft mehrere parallele <strong>Fallstudie</strong>n<br />

angeboten werden, unter denen die Studierenden wählen<br />

können. Man ist sich einig, dass die neue Vielfalt der weiteren<br />

Entwicklung der umweltnaturwissenschaftlichen <strong>Fallstudie</strong><br />

im Allgemeinen und der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> im<br />

Besonderen nur förderlich sein kann.<br />

Abschliessend sind die Anforderungen an zukünftige umweltnaturwissenschaftliche<br />

<strong>Fallstudie</strong>n aufgeführt, wie sie<br />

vom Departement Umweltnaturwissenschaften der <strong>ETH</strong><br />

Zürich an der Departementskonferenz vom Juni 2000 erarbeitet<br />

wurden (internes Protokoll):<br />

– Es steht ein realer Fall eines Umweltproblems im Zentrum.<br />

– Mehrere Disziplinen sind beteiligt, es wird interdisziplinär<br />

(optional: transdisziplinär) gearbeitet.<br />

– Es erfolgt eine Problemanalyse, d.h. die Ursachen von<br />

Umweltproblemen sowie die komplexen Wirkungsketten,<br />

welche von den Ursachen zum Problem führen,<br />

werden betrachtet.<br />

– Identifikation von betroffenen Interessensgruppen (optional:<br />

Integration dieser Interessen in den FS-Prozess).<br />

– Es werden Lösungsansätze umschrieben, welche die Interessen<br />

der Betroffenen berücksichtigen.<br />

– <strong>Die</strong> Studierenden lernen, Recherchen zu einem realen<br />

Problem vorzunehmen (z.B. bei Behörden etc.).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 215


<strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el<br />

– <strong>Die</strong> Studierenden lernen die projektorientierte Arbeit in<br />

einem Team von mindestens fünf Studierenden kennen:<br />

realistische Definition von Gruppenzielen, Projekt- und<br />

Zeitplanung, Meilensteine.<br />

– <strong>Die</strong> Studierenden kommunizieren ihre Resultate gegenüber<br />

den Betroffenen (Nichtwissenschaftler bzw. Angehörige<br />

<strong>and</strong>erer Fachdisziplinen) in geeigneter Form und<br />

tragen sie aus der <strong>Fallstudie</strong> heraus.<br />

– <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> bietet den Studierenden die Möglichkeit,<br />

sich aktiv an der Vorbereitung und Durchführung zu<br />

beteiligen.<br />

Literatur<br />

Bieler Tagblatt (1994, 15.10.). Wenn sich Wissenschaft und Praxis<br />

die H<strong>and</strong> reichen. Bieler Tagblatt, S. 21.<br />

Bösch, S., Oswald, J. & Scholz, R. W. (1997). Kommunikation in<br />

der <strong>Fallstudie</strong>. In R. W. Scholz, S. Bösch, H. A. Mieg & J. Stünzi<br />

(Hrsg.), Zentrum Zürich Nord – Stadt im Aufbruch. Bausteine für<br />

eine nachhaltige Stadtentwicklung. <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 1996, (S. 45-<br />

64). Zürich: vdf Hochschulverlag AG.<br />

Bösch, S. (1998). <strong>Die</strong> Organisation der <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>. In R. W.<br />

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216 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Fallstudie</strong>ndidaktik –<br />

<strong>Die</strong> Steuerung von gruppendynamischen<br />

Prozessen in einem<br />

transdisziplinären Lehrprojekt<br />

Autor:<br />

Michael Stauffacher<br />

Inhalt<br />

1. Einleitung 219<br />

2. Studierende: selbstverantwortliches Lernen und spezifische Aufgaben 220<br />

3. Tutorierende: Lehrpersonen als Coach 221<br />

4. <strong>Die</strong> Steuerung von Gruppenprozessen als zentrale Schwierigkeit 222<br />

5. Werkzeuge zur Steuerung des Gruppenprozesses 224<br />

6. Mögliche Weiterentwicklungen: Verstehen von Gruppenprozessen<br />

als Lernziel 226


<strong>Fallstudie</strong>ndidaktik<br />

Zusammenfassung<br />

<strong>Die</strong>ses Kapitel gibt konkrete Einblicke<br />

in die Arbeit von Lehrpersonen<br />

und Studierenden in der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> als Lehrveranstaltung.<br />

Gruppenprozesse, die innerhalb der<br />

studentischen Arbeitsgruppen wie<br />

auch zwischen Studierenden, Tutorierenden<br />

und Fallakteuren erfolgen, stehen<br />

dabei im Mittelpunkt. <strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<br />

<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> geht vom Prinzip des<br />

«selbstverantwortlichen Lernens»<br />

aus, d.h. die Studierenden müssen sich<br />

mit den Anforderungen aktiv ausein<strong>and</strong>ersetzen<br />

und ihre Arbeiten selbständig<br />

planen und durchführen. <strong>Die</strong><br />

Tutorierenden begleiten die Studierenden<br />

in einer «Coaching-Rolle»: sie<br />

weisen frühzeitig auf Schwierigkeiten<br />

hin und zeigen Möglichkeiten auf,<br />

darauf zu reagieren. Voraussetzung jedes<br />

Gruppencoachings ist die Kenntnis<br />

sozialpsychologischer Grundlagen<br />

von Gruppenprozessen, die wir kurz<br />

skizzieren. Mit einem einfachen Modell<br />

zeigen wir, dass im Projektablauf<br />

die Steuerung von inhaltlicher Ebene<br />

und psychosozialer Ebene verschieden<br />

wichtig ist und ein unterschiedliches<br />

Mass an Intervention erfordert.<br />

Folgende konkrete Werkzeuge werden<br />

vorgestellt: Projektmanagement,<br />

2-Phasen-Schwungrad-Modell, Moderation,<br />

Visualisierung und Feedback.<br />

Wir folgern, dass die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> als Lehrveranstaltung nur<br />

erfolgreich ist, falls es gelingt, auch<br />

Gruppenprozesse als Zielgrösse für<br />

die Arbeit der Studierenden zu verankern.<br />

Dazu müssen die Tutorierenden<br />

stärker als Lehrpersonen auftreten und<br />

Feedback und Unterstützung bei der<br />

Selbstreflexion von Gruppenprozessen<br />

geben.<br />

Keywords: <strong>Fallstudie</strong>ndidaktik,<br />

Projektunterricht, Gruppenprozesse,<br />

selbstverantwortliches Lernen, Coaching,<br />

Teamteaching, Moderation.<br />

Résumé<br />

Le présent article donne des aperçus<br />

concrets sur le travail des enseignants<br />

et étudiants dans l’étude de cas EPFZ-<br />

<strong>UNS</strong> en tant que cours. La clé de voûte<br />

repose sur les processus de groupe qui<br />

ont lieu au sein des groupes de travail<br />

des étudiants ou entre étudiants, tuteurs<br />

et acteurs de cas. L’étude de cas<br />

EPFZ-<strong>UNS</strong> part du principe de<br />

l’«apprentissage autonome», c’est-àdire<br />

que les étudiants doivent analyser<br />

activement les exigences et planifier et<br />

réaliser leurs travaux de façon indépendante.<br />

Les tuteurs accompagnent<br />

les étudiants en exerçant un<br />

«rôle de coaching»: ils leur signalent<br />

prématurément les difficultés et leur<br />

indiquent des possibilités pour les surmonter.<br />

La condition préalable de tout<br />

coaching de groupe est la connaissance<br />

des principes de psychosociologie<br />

des processus de groupe que nous traitons<br />

brièvement. Nous démontrons à<br />

l’aide d’un modèle simple que, au<br />

cours du déroulement du projet, l’importance<br />

du pilotage diffère selon<br />

qu’il s’agit du niveau du contenu ou de<br />

celui de la psychologie sociale et qu’il<br />

requiert un degré différent d’intervention.<br />

Les outils concrets énumérés ciaprès<br />

sont présentés: management du<br />

projet, modèle de la roue volante biphasée,<br />

modération, visualisation et<br />

feed-back. Nous déduisons que l’étude<br />

de cas EPFZ-<strong>UNS</strong> en tant que cours<br />

n’est efficace que si nous arrivons à<br />

ancrer aussi des processus de groupe<br />

comme cible pour le travail des étudiants.<br />

Pour cela, les tuteurs doivent<br />

donner plus de feed-back et de soutien<br />

lors de l’autocritique des processus de<br />

groupe.<br />

Mots-clés: didactique d’étude de<br />

cas, enseignement par la méthode des<br />

projets, processus de groupe, apprentissage<br />

autonome, coaching, enseignement<br />

en équipe, modération.<br />

Summary<br />

This chapter provides a practical insight<br />

into the project work of teachers<br />

<strong>and</strong> students within the <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

case study classes. The focus lies upon<br />

group processes – either within the<br />

students’ project groups or between<br />

students, tutors <strong>and</strong> case actors. The<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> case study is based on the<br />

principle of self-regulated learning;<br />

i.e. students must actively deal with<br />

the requirements as well as plan <strong>and</strong><br />

execute their project work on their<br />

own. The tutors accompany the students<br />

in their role as coaches: they<br />

point out difficulties early on <strong>and</strong> demonstrate<br />

possibilities to react thereupon.<br />

A prerequisite for any group<br />

coaching is to know about social-psychological<br />

basics regarding group<br />

processes, which we outline briefly. In<br />

a simple model, we demonstrate that<br />

managing the project course with regard<br />

to the level of content is different<br />

in importance from the social-psychological<br />

dimension <strong>and</strong> requires a different<br />

extent of intervention. The following<br />

concrete tools will be introduced:<br />

project management, 2-phaseflywheel<br />

approach, moderating, visualization,<br />

<strong>and</strong> feedback. We conclude<br />

that the <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> case study<br />

can only be a successful part of the<br />

curriculum if it manages to embed<br />

group processes as an object of the<br />

students’ program. This calls for the<br />

tutors’ increased feedback <strong>and</strong> support<br />

of self-reflection of group processes.<br />

Keywords: case study didactics,<br />

project instruction, group processes,<br />

self-regulated learning, coaching,<br />

team-teaching, moderating.<br />

218 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Fallstudie</strong>ndidaktik<br />

1 Einleitung<br />

Schon 1994 wurde festgehalten, dass die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

Lehre, Forschung und Anwendung vereinen soll<br />

(Scholz, 1995). Seitdem wurde die <strong>Fallstudie</strong> kontinuierlich<br />

weiterentwickelt, wobei vor allem die Entwicklung von<br />

Methoden der Wissensintegration im Mittelpunkt st<strong>and</strong>.<br />

Weniger sichtbar und dennoch von Bedeutung ist die Frage,<br />

wie die <strong>Fallstudie</strong>ndidaktik optimiert werden kann. In diesem<br />

Kapitel soll dieser Entwicklungsprozess reflektiert und<br />

konkrete Einblicke in die Arbeit von Lehrpersonen und<br />

Studierenden in der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> als Lehrveranstaltung<br />

gegeben werden.<br />

Für Leserinnen und Leser mit einem didaktischen bzw.<br />

pädagogischen Hintergrund kann der Ausdruck «<strong>Fallstudie</strong>»<br />

ein falsches Bild vermitteln. In einer klassischen <strong>Fallstudie</strong><br />

wird ein vergangenes Ereignis auf der Grundlage<br />

einer aufbereiteten Dokumentation von Studierenden analysiert<br />

und diskutiert (Kaiser, 1983). In Anlehnung an das<br />

H<strong>and</strong>buch didaktischer Modelle h<strong>and</strong>elt es sich bei der<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> als Lehrveranstaltung um einen Projektunterricht<br />

(Flechsig, 1991, S. 162ff).<br />

Für Frey (1998, S. 14) ist die Projektmethode «[…] ein<br />

Weg zur Bildung. […] Entscheidend dabei ist, dass sich die<br />

Lernenden ein Betätigungsgebiet vornehmen, sich darin<br />

über die geplanten Betätigungen verständigen, das Betätigungsgebiet<br />

entwickeln und die dann folgenden Aktivitäten<br />

im Betätigungsgebiet zu einem sinnvollen Ende führen. Oft<br />

entsteht ein vorzeigbares Produkt.» Zentral sind die<br />

Selbstorganisation der Lernenden, die intensive Ausein<strong>and</strong>ersetzung<br />

mit einer vorgegebenen Projektinitiative, d.h. die<br />

selbständige Erarbeitung von Problem- und Fragestellung<br />

und die Produktorientierung. <strong>Die</strong>se Grundsätze sind auch<br />

für die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> von grosser Bedeutung.<br />

Neben diesen Übereinstimmungen bestehen deutliche<br />

Unterschiede im Vergleich mit der Projektmethode:<br />

– Der gesamte Arbeitsprozess wird geleitet durch Synthesemethoden,<br />

es wird methodengestützt vorgegangen<br />

(Kästli & Scholz, 1998; Scholz & Tietje, in press).<br />

– <strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> steht viel stärker in der Praxis,<br />

tritt in einen intensiven Austausch mit ihr und stellt somit<br />

ein «transdisziplinäres» Projekt dar (vgl. Kap. Transdisziplinaritäts-Laboratorium<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>).<br />

– Beginnend mit der Festlegung der Problem- und Fragestellung<br />

wird zusammen mit Akteuren aus dem Fall<br />

gearbeitet, es wird vom Fall ausgegangen. Ein Prozess<br />

gegenseitigen Lernens, sogenanntes «mutual learning»,<br />

wird angestrebt (Scholz, 2000).<br />

– <strong>Die</strong> Anforderungen an die Lernenden und Lehrenden<br />

sind in einem transdisziplinären Prozess deutlich höher<br />

als bei der Projektmethode, die unterschiedlichen Erwartungen<br />

der direkt Beteiligten müssen fortlaufend abgestimmt<br />

werden.<br />

– <strong>Die</strong> Arbeit in grossen Gruppen von 12 bis 18 Studierenden,<br />

gecoacht von einem Team von drei bis vier Tutorierenden,<br />

ist ein zentrales Prinzip der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>.<br />

<strong>Die</strong>s führt zu erhöhten Anforderungen bei der Steuerung<br />

des Lernprozesses.<br />

Abb. 1: In der <strong>Fallstudie</strong> wird in grossen Gruppen gearbeitet<br />

(Bild: FS-Büro).<br />

– Allgemeine Führungsfähigkeiten werden somit als zusätzliche<br />

Lernziele relevant: u.a. Moderation, Coaching,<br />

Prozesssteuerung, Projektmanagement.<br />

Zusammenfassend betrachtet stehen Gruppenprozesse,<br />

die innerhalb der studentischen Arbeitsgruppen wie auch<br />

zwischen Studierenden, Tutorierenden und Fallakteuren erfolgen,<br />

bei der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> als Lehrveranstaltung<br />

im Mittelpunkt. Wir skizzieren dazu im Folgenden einige<br />

sozialpsychologische Grundlagen und geben praktische<br />

Tipps zur optimierten Steuerung von Gruppenprozessen.<br />

Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung ist jedoch,<br />

dass die Studierenden Verantwortung übernehmen,<br />

und zwar gegenüber dem Fall, den Mitstudierenden sowie<br />

auch bezüglich den Resultaten und Prozessen der Lehrveranstaltung<br />

(Mieg, 1994). Verschiedene «Ämtli» wurden eingeführt,<br />

um die Verantwortungsübernahme zu fördern. <strong>Die</strong>se<br />

legen wir vorab kurz dar. Auch die Lehrpersonen, Tutorierende<br />

genannt, übernehmen unterschiedliche und aufein<strong>and</strong>er<br />

abgestimmte Aufgaben und Rollen, die wir anschliessend<br />

erläutern. Wir schliessen unsere Ausführungen mit<br />

einem Ausblick auf mögliche Verbesserungen der <strong>ETH</strong>-<br />

<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 219


<strong>Fallstudie</strong>ndidaktik<br />

2 Studierende:<br />

selbstverantwortliches Lernen<br />

und spezifische Aufgaben<br />

<strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> geht vom Prinzip des «selbstverantwortlichen<br />

Lernens» aus, d.h. die Studierenden müssen<br />

sich mit den Anforderungen des Projektes aktiv ausein<strong>and</strong>ersetzen<br />

und ihre Arbeiten selbständig planen und durchführen.<br />

Selbständiges Vorgehen erfordert, dass jede Person<br />

Aufgaben wahrnimmt und sich mit diesen identifiziert. In<br />

jeder Gruppe werden spontane Rollen wahrgenommen, die<br />

für ein erfolgreiches Funktionieren der Gruppe bedeutsam<br />

sind, wie z.B.:<br />

– die Fotografin, die alle Arbeiten und den Gruppenprozess<br />

mit der Kamera dokumentiert,<br />

– der Internetspezialist, der die neusten Informationen zum<br />

Thema vom Netz herunterlädt,<br />

– die Computerspezialistin, die Poster vierfarbig auf A0-<br />

Format ausdruckt,<br />

– der sozial Veranlagte, der die Gruppe immer wieder zu<br />

einem gemeinsamen Bier überredet,<br />

– die exakte Wissenschaftlerin, die jedes Resultat in Frage<br />

stellt.<br />

Daneben wurden zur internen Strukturierung der studentischen<br />

Arbeitsgruppen verschiedene feste und wechselnde<br />

«Ämtli» und Verantwortlichkeiten verbindlich festgelegt,<br />

die jeweils durch eine Kurzausbildung eingeführt werden.<br />

Wochenverantwortliche<br />

<strong>Die</strong> Wochenverantwortlichen (Amtsdauer: eine Woche, immer<br />

zwei Personen) überlegen sich vor Wochenbeginn, welche<br />

Arbeiten erledigt werden müssen: Stehen Meilensteine<br />

im Zeitplan bevor? Welche Veranstaltungen sind bzw. müssen<br />

noch geplant werden? Sie entwerfen den Wochenablauf<br />

im Detail und richten die Arbeiten am Projektziel aus. Sie<br />

bestimmen zwei Personen für das Protokoll (z.B. die Wochenverantwortlichen<br />

der nachfolgenden Woche), die wesentliche<br />

Aspekte von Plenumsdiskussionen und Expertenvorträgen<br />

festhalten. Sie sind verantwortlich für das Controlling<br />

der Arbeiten und führen eine Liste mit Aufgaben,<br />

Verantwortlichkeiten und Terminen, die fortlaufend aktualisiert<br />

wird.<br />

<strong>Die</strong> Wochenverantwortlichen übernehmen die Moderation<br />

von Gruppendiskussionen und alle Arbeiten im Plenum.<br />

Als Moderierende sind sie dafür verantwortlich, dass die<br />

vorgegebenen Themen in der zur Verfügung stehenden Zeit<br />

diskutiert und notwendige Entscheidungen getroffen werden.<br />

AussenministerIn<br />

<strong>Die</strong> AussenministerInnen (eine Person plus StellverteterIn)<br />

vertreten die Gruppe nach aussen, d. h. gegenüber den<br />

<strong>and</strong>eren Synthesegruppen, aber auch gegenüber den Akteuren<br />

aus dem Fall. Sie müssen immer auf dem aktuellen St<strong>and</strong><br />

der Gruppenarbeit sein. Sie treffen sich regelmässig mit dem<br />

Abb. 2: <strong>Die</strong> Wochenverantwortlichen planen eine Sitzung<br />

und präsentieren den Studierenden zu Beginn den genauen<br />

Ablauf der Diskussion (Bild: FS-Büro).<br />

<strong>Fallstudie</strong>nbüro und sichern somit die Verbindung zwischen<br />

den Synthesegruppen und dem <strong>Fallstudie</strong>nbüro, besprechen<br />

wesentliche Anlässe und Produkte der <strong>Fallstudie</strong> und tauschen<br />

inhaltliche und organisatorische Informationen aus<br />

(vgl. Orgasitzung im Kap. <strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el).<br />

Logistik-Verantwortliche<br />

<strong>Die</strong> Verantwortlichen für die Logistik (eine Person pro Synthesegruppe)<br />

führen die Gruppenkasse, verwalten die<br />

Schlüssel zu den Schränken in den Gruppenräumen, organisieren<br />

Verbrauchsmaterial, Mietautos, Kollektivbillets, usw.<br />

Sie sind verantwortlich, dass am Freitagabend die Gruppenräume<br />

aufgeräumt sind.<br />

DokumentaristIn<br />

<strong>Die</strong> DokumentaristInnen (zwei Personen pro Synthesegruppe)<br />

sind verantwortlich für die Ordnung in Dokumenten,<br />

Büchern, Daten, Kontakten usw. Sie entwerfen papiergestützt<br />

wie auch auf dem EDV-Server die Struktur der Ablage<br />

(mit Ordnern, Unterordnern, usw.), instruieren die <strong>and</strong>eren<br />

Studierenden in der H<strong>and</strong>habung, kontrollieren die korrekte<br />

Ausführung und leiten notwendige Korrekturen an. Mithilfe<br />

eines elektronischen Literaturverwaltungssystems erfassen<br />

sie Bücher, Artikel und <strong>and</strong>ere Dokumente, die von der<br />

Gruppe bearbeitet werden. <strong>Die</strong> DokumentaristInnen führen<br />

ein Logbuch, das alle Kontakte mit externen Personen verzeichnet.<br />

220 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Fallstudie</strong>ndidaktik<br />

Berichtverantwortliche<br />

<strong>Die</strong> Berichteverantwortlichen (zwei pro Synthesegruppe)<br />

erstellen nach der <strong>Fallstudie</strong> einen Bericht über die Arbeit<br />

und Resultate der Synthesegruppe. Sie verfolgen kritisch<br />

den gesamten Arbeitsprozess, um ihn später im Bericht<br />

darstellen zu können. Schon während der <strong>Fallstudie</strong> entwerfen<br />

sie ein Inhaltsverzeichnis, das mit den verantwortlichen<br />

Herausgebern diskutiert wird. Der Bericht kann im <strong>Fallstudie</strong>nb<strong>and</strong><br />

veröffentlicht werden (vgl. z.B. Scholz, Bösch,<br />

Mieg & Stünzi, 1997; Scholz, Bösch, Mieg & Stünzi, 1998).<br />

3 Tutorierende: Lehrpersonen als<br />

Coach<br />

Aufgabe der Tutorierenden ist die verantwortungsbewusste<br />

Unterstützung der Arbeit der Studierenden in fachlicher und<br />

persönlicher Hinsicht. <strong>Die</strong> Tutorierenden begleiten die Studierenden<br />

im Sinne einer «Coaching-Rolle»: sie weisen<br />

frühzeitig auf Schwierigkeiten hin und zeigen Möglichkeiten<br />

auf, darauf zu reagieren. <strong>Die</strong> Interventionsmöglichkeiten<br />

umfassen dabei ein breites Spektrum von praktischen Anleitungen<br />

im Bereich des Projektmanagements bis hin zur<br />

fachlichen und methodischen Beratung. Anforderungen an<br />

die Tutorierenden sind somit nebst der fachlichen Qualifikation<br />

auch die Erfahrung im Coaching (Kostka, 1998;<br />

Schreyögg, 1996).<br />

Abb. 3.1: Überblick über die Rollenverteilung und gegenseitige<br />

Unterstützung der Tutorierenden.<br />

<strong>Die</strong> Synthesegruppen werden von einem Tutorierendenteam<br />

betreut: «Teamteaching» (Scholz, 1978). Im Sinne<br />

eines Expertenrollenansatzes bringen die Tutorierenden ihr<br />

je spezifisches Fachwissen ein, für das sie explizit bezeichnet<br />

sind (Mieg, 2000). <strong>Die</strong> sozialpsychologische Expertenforschung<br />

zeigt, dass Expertenwissen nur so wirklich berücksichtigt<br />

werden kann (Stewart & Stasser, 1995). Ein<br />

Team besteht in der Regel aus drei Personen mit sich ergänzenden<br />

Aufgaben: Didaktik-, Fach- und Systemtutorierende.<br />

Dazu kommen Fachpersonen für <strong>Fallstudie</strong>nmethoden,<br />

die bei Bedarf beigezogen werden. Mieg (2000) weist darauf<br />

hin, dass in der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> immer weniger externe<br />

Fachleute aus Umweltbüros als Tutorierende angestellt wurden.<br />

<strong>Die</strong>sen fällt es seit der stärkeren Formalisierung des<br />

Vorgehens (fester Satz an Synthesemethoden, strukturierter<br />

Ablaufplan, feste Rollenverteilungen) meist schwer, sich an<br />

den Anforderungen als Lehrperson zu orientieren.<br />

Didaktiktutorierende<br />

Den Didaktiktutorierenden kommt eine zentrale Rolle im<br />

Rahmen der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> zu. Sie kennen die Fall-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 221


<strong>Fallstudie</strong>ndidaktik<br />

studie, ihre Anforderungen und Hauptideen und können<br />

diese sowohl gegenüber den Studierenden wie den <strong>and</strong>eren<br />

Tutorierenden vermitteln und allenfalls vertreten. Sie begleiten<br />

die Studierenden im Lernprozess vor, während und<br />

nach der <strong>Fallstudie</strong>.<br />

Sie besprechen mit den Wochenverantwortlichen den Ablauf<br />

der Woche, die Grob- und Feinplanung der Arbeiten<br />

und geben ihnen zum Ende der Woche ein persönliches<br />

Feedback zu ihrer Tätigkeit: Planung, Projekt-Controlling,<br />

Moderation usw.<br />

Fachtutorierende<br />

<strong>Die</strong> Fachtutorierenden sollen die Ziele der Synthesegruppen<br />

fachlich abstützen und ausrichten. Sie sichern die inhaltliche<br />

Qualität der Arbeiten und gewährleisten die Wahl machbarer<br />

Projektziele. Sie kommunizieren den «state of the art»<br />

der entsprechenden Fachgebiete gegenüber den Studierenden<br />

und gewährleisten, dass dieses Niveau angestrebt wird.<br />

Systemtutorierende<br />

<strong>Die</strong> Systemtutorierenden ermöglichen den Fallbezug. Sie<br />

stellen sicher, dass die Projektziele mit den Bedürfnissen der<br />

Akteure übereinstimmen. Sie liefern Daten bzw. stellen den<br />

Zugang zu Daten her und vermitteln als «Türöffner» Kontakte<br />

zu geeigneten Experten.<br />

ExpertInnen in <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

ExpertInnen in <strong>Fallstudie</strong>nmethoden zeichnen sich aus<br />

durch fundierte Kenntnisse verschiedener Synthesemethoden<br />

und <strong>and</strong>erer Methoden aus Natur- bzw. Sozialwissenschaften.<br />

Sie sind insbesondere verantwortlich für die Wissensintegration<br />

und stellen die korrekte Anwendung der<br />

<strong>Fallstudie</strong>nmethoden sicher.<br />

4 <strong>Die</strong> Steuerung von Gruppenprozessen<br />

als zentrale<br />

Schwierigkeit<br />

Im Laufe der vergangenen <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n hat sich<br />

gezeigt, dass keine Gruppe wie die <strong>and</strong>ere funktioniert und<br />

dass es schwierig ist, allgemein verbindliche Ratschläge zu<br />

geben, wie die Arbeitsgruppen geführt bzw. gecoacht werden<br />

sollen. Voraussetzung jedes Gruppencoachings ist die<br />

Kenntnis sozialpsychologischer Grundlagen von Gruppenprozessen<br />

(Haug, 1994).<br />

Sozialpsychologische Grundlagen<br />

Zu Beginn ist darauf hinzuweisen, dass eine Gruppe nicht<br />

direkt auf inhaltlicher Ebene mit der Arbeit beginnen kann<br />

(Cohn, 1975). Vielmehr starten alle Studierenden zu Beginn<br />

als Einzelpersonen (vgl. Abb. 4.1 «Ich»), setzen sich mit den<br />

<strong>and</strong>ern ausein<strong>and</strong>er und werden langsam ein «Wir»-Gefühl<br />

herausbilden. Erst jetzt kann die eigentliche inhaltliche Arbeit<br />

beginnen. <strong>Die</strong>ser Prozess läuft dabei nicht nur einmal<br />

ab, er wiederholt sich vielmehr, er muss jeden Tag beachtet<br />

werden.<br />

Um solche Gruppenprozesse zu erkennen und damit gezielt<br />

steuern zu können, müssen – wie bei jeder Form der<br />

Kommunikation – folgende Ebenen ausein<strong>and</strong>ergehalten<br />

bzw. beachtet werden (Watzlawick, Beavin & Jackson,<br />

1985):<br />

– die Sachebene: der Inhalt, die Vorgehensweisen und deren<br />

Organisation, fachspezifische Schwierigkeiten usw.,<br />

– die Beziehungsebene: persönliche Befindlichkeiten, Beziehungen<br />

unterein<strong>and</strong>er, Motivation der einzelnen Personen<br />

usw.<br />

Abb. 3.2:<br />

Der Fachtutor<br />

erklärt<br />

einen<br />

komplexen<br />

Sachver -<br />

halt (Bild:<br />

FS-Büro).<br />

Abb. 4.1: Der Gruppenprozess in der themenzentrierten<br />

Interaktion (verändert nach Cohn, 1975).<br />

222 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Fallstudie</strong>ndidaktik<br />

Ergeben sich im Laufe der Gruppenarbeit Probleme, muss<br />

gefragt werden, auf welcher Ebene diese liegen: H<strong>and</strong>elt es<br />

sich um ein inhaltliches Problem? Es bestehen z.B. unterschiedliche<br />

Ansichten darüber, ob zur Berechnung der Umweltbelastung<br />

die Methode der Ökobilanzierung angew<strong>and</strong>t<br />

werden soll. Oder jem<strong>and</strong> will sich z.B. mit seinem Wissen<br />

profilieren und vertritt aus diesem Grund eine gegensätzliche<br />

inhaltliche Position. Erst wenn erkannt wird, wo das<br />

Problem tatsächlich liegt, kann gezielt reagiert werden: im<br />

ersten Fall wird man einen Methodenexperten beiziehen,<br />

während der Profilierungsversuch am besten offen gelegt<br />

und zur Diskussion gestellt wird.<br />

Auf der psychosozialen Ebene werden verschiedene Phasen<br />

des Gruppenprozesses unterschieden (Tuckman & Jensen,<br />

1977):<br />

– forming: ankommen, auftauen, sich orientieren;<br />

– storming: eigene Interessen durchsetzen, Rivalität wird<br />

ausgelebt;<br />

– norming: aush<strong>and</strong>eln von Regeln, Gruppennormen bilden<br />

sich aus;<br />

– performing: Aufgabenverteilung, Resultate erzielen;<br />

– adjourning: Gruppe löst sich wieder auf.<br />

Es ist zu beachten, dass eine Gruppe erst in der «performing»-Phase<br />

inhaltlich effizient arbeiten kann. <strong>Die</strong>s führt in<br />

der Praxis dazu, dass die Studierenden die ersten Wochen<br />

der <strong>Fallstudie</strong> als ineffizient erleben und z.B. darauf drängen,<br />

dass Entscheide schneller und von oben bzw. aussen<br />

getroffen werden. Aus unserer Sicht liegt gerade hier eine<br />

zentrale Lernerfahrung für die Studierenden: zu erkennen,<br />

dass Gruppenprozesse Zeit brauchen und beschwerlich sind<br />

(Haug, 1994, S. 74).<br />

Zum Schluss sei angemerkt, dass einzelne Gruppen nicht<br />

jede dieser verschiedenen Phasen durchlaufen, <strong>and</strong>ere<br />

durchlaufen sie sogar mehrfach (Ardelt-Gattinger & Gattinger,<br />

1998, S. 9). Das Modell ist – wie jedes Modell – stark<br />

vereinfachend, kann aber in schwierigen Phasen als Hilfestellung<br />

dienen.<br />

Ein einfaches Modell zur Steuerung von Inhalt und<br />

Prozess im Projektablauf<br />

Im Projektablauf der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> ist die Steuerung<br />

von inhaltlicher Ebene und psychosozialer Ebene verschieden<br />

wichtig und erfordert ein unterschiedliches Mass an<br />

Intervention von Seiten der Tutorierenden (Stauffacher &<br />

Hofer, 1999). Abb. 4.2 stellt die Intensität dieser zwei Interventionsebenen<br />

– Inhalt und Prozess – im Prozessablauf dar.<br />

In der folgenden Darstellung legen wir das Schwergewicht<br />

auf die Prozessebene.<br />

Vor Beginn der <strong>Fallstudie</strong> muss sich das Tutorierendenteam<br />

finden und zu einer Gruppe wachsen, was vor allem<br />

von Seiten der Didaktiktutorierenden geringen, aber gezielten<br />

Input auf Prozessebene erfordert. Der Fokus der Steuerung<br />

bei der Erstellung des Grobkonzeptes liegt aber auf<br />

dem Inhalt.<br />

Innerhalb der ersten vier Wochen der <strong>Fallstudie</strong> – der<br />

Synthesephase I – müssen die Studierenden zu einer Gruppe<br />

zusammenfinden, es bilden sich langsam Gruppennormen<br />

heraus (Langmaack & Braune-Krickau, 1989, S. 64ff). All<br />

dies erfordert starke Steuerung auf Prozessebene, die Gruppenbildung<br />

muss durch spezifische Massnahmen gestärkt<br />

werden. Nur so wird die Lösung der eigentlichen inhaltlichen<br />

Arbeit, die Überarbeitung des Grobkonzeptes, überhaupt<br />

möglich.<br />

In der Teilprojektphase (Wochen 5 bis 10) arbeiten die<br />

Studierenden in kleineren Arbeitsgruppen. Auch diese<br />

Gruppen müssen sich finden, wobei hier selten eine Prozessintervention<br />

nötig ist, da alle Studierenden schon Erfahrungen<br />

in Kleingruppenarbeit gesammelt haben und somit auftretende<br />

Probleme meist selbständig lösen.<br />

In der zweiten Synthesephase (Woche 11 bis 14) werden<br />

Interventionen auf der Prozessebene wieder wichtiger und<br />

auch häufiger. Zu Beginn muss die Synthesegruppe wieder<br />

zusammengeführt werden, einige Studierende müssen<br />

«überredet» werden, sich von ihren Teilprojekten zu lösen<br />

und sich wieder mit dem Ziel der Gesamtgruppe ausein<strong>and</strong>erzusetzen.<br />

Gegen Ende der <strong>Fallstudie</strong> muss noch einmal<br />

dem Prozess Aufmerksamkeit geschenkt werden, die Gruppe<br />

muss zu einem geordneten Abschluss der Arbeiten finden<br />

(Langmaack & Braune-Krickau, 1989, S. 77ff).<br />

Abb. 4.2: Intensität der Steuerung von<br />

Prozess und Inhalt in der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 223


<strong>Fallstudie</strong>ndidaktik<br />

5 Werkzeuge zur Steuerung des<br />

Gruppenprozesses<br />

Wir sehen, dass die Steuerung des Gruppenprozesses sehr<br />

aufwändig ist und einen grossen Einsatz von Seiten der<br />

Tutorierenden erfordert. Es fragt sich nun, welche konkreten<br />

Werkzeuge dazu zur Verfügung stehen. Wie in der Einleitung<br />

erwähnt, wird der gesamte Prozess der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> in erster Linie durch die Synthesemethoden gesteuert,<br />

dennoch sind die folgenden Werkzeuge unentbehrlich<br />

für eine erfolgreiche Durchführung.<br />

Projektplanung<br />

Wie in jedem Projekt ist bei der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> ein<br />

gezieltes Projektmanagement Grundvoraussetzung für erfolgreiches<br />

Arbeiten (Boy, Dudek & Kuschel, 1999). Insbesondere<br />

die Arbeit in einer Grossgruppe erfordert, dass<br />

zentrale Termine, d.h. Meilensteine, früh genug festgelegt<br />

werden, allen bekannt sind und auch eingehalten werden.<br />

<strong>Die</strong> Organisation der <strong>Fallstudie</strong> dient hier als wichtige Unterstützung,<br />

da sie in der Abfolge von erster Synthese-,<br />

Teilprojekt- und zweiter Synthesephase drei Meilensteine<br />

vorgibt, an denen ein schriftliches Produkt vorgelegt und<br />

eine Präsentation gehalten werden muss (siehe Kap. <strong>Fallstudie</strong><br />

im W<strong>and</strong>el). <strong>Die</strong> Detailplanung der Arbeiten erfolgt<br />

innerhalb der Synthesegruppen und wird von den Wochenverantwortlichen<br />

geleitet und überprüft. <strong>Die</strong> Planung erfolgt<br />

mit Vorteil nach dem Prinzip des «backward-planning»:<br />

Man definiert das Endprodukt und entscheidet, was alles<br />

getan werden muss, um dieses zu erreichen. <strong>Die</strong>se Zwischenschritte<br />

werden in eine logische Reihenfolge gebracht<br />

und der jeweils notwendige Zeitaufw<strong>and</strong> wird abgeschätzt.<br />

Abb. 5.1: Wechsel zwischen Einzelarbeiten und Arbeiten in<br />

Gruppen unterschiedlicher Grösse helfen den Tagesablauf<br />

spannend und abwechselnd zu gestalten (Bilder: FS-Büro).<br />

224 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Fallstudie</strong>ndidaktik<br />

Abb. 5.2: Mit Visualisierungen werden komplexe Sachverhalte dargestellt und diskutiert (Bild: FS-Büro).<br />

Es bleibt festzuhalten, dass die Projektplanung ein notwendiges<br />

aber nicht hinreichendes Hilfsmittel für die erfolgreiche<br />

Durchführung einer <strong>Fallstudie</strong> darstellt, da nicht ein<br />

Projekt möglichst effizient durchgezogen werden muss,<br />

sondern eine Lehrveranstaltung mit spezifischen Lernzielen<br />

verfolgt wird.<br />

2-Phasen-Schwungrad-Modell<br />

Oft stellt sich die Frage, wie stark die Tutorierenden in den<br />

Prozess eingreifen bzw. ob sie die Gruppe als Projektleiter/innen<br />

führen sollen. Mieg hat dazu schon 1995 ein<br />

konkretes Vorgehensmodell entwickelt, das als Ansatzpunkt<br />

dienen kann: das 2-Phasen-Schwungrad-Modell (Mieg,<br />

Bösch, Stünzi & Zwicker, 1997).<br />

<strong>Die</strong>ses Modell sieht vor, dass in einer ersten Phase die<br />

Tutorierenden vorzeigen, wie eine <strong>Fallstudie</strong>nwoche geplant<br />

und durchgeführt wird. Danach übernehmen die studentischen<br />

Wochenverantwortlichen diese Aufgabe und die<br />

Tutorierenden greifen nur ein, falls es erforderlich ist, d.h.<br />

wenn der Schwung nachlässt. Zentrales Ziel bleibt, dass die<br />

Studierenden selber die Verantwortung für das inhaltliche<br />

Produkt ihrer Arbeit und den Gruppenprozess übernehmen.<br />

Moderation<br />

<strong>Die</strong> Arbeiten und insbesondere Diskussionen in Grossgruppen<br />

stellen eine grosse Herausforderung dar, die nur mit<br />

Hilfe gezielter Planung und Steuerung sinnhaft und effizient<br />

durchgeführt werden können. Zentrales Werkzeug ist hier<br />

die Technik der Moderation, die Diskussionen und Gruppenprozesse<br />

ermöglichen und optimieren soll (Klebert,<br />

Schrader & Straub, 1991; Seifert, 1997). <strong>Die</strong> Moderierenden<br />

sind für einen optimalen Diskussionsprozess verantwortlich,<br />

sie steuern die Diskussion so, dass alle eine Chance<br />

haben, ihre Meinung einzubringen und dass zielgerichtet,<br />

inhaltlich diskutiert wird. <strong>Die</strong> Arbeit mit verschiedenen<br />

Visualisierungstechniken ist hierbei besonders wichtig. Im<br />

Weiteren sorgen die Moderierenden dafür, dass die geeignete<br />

Gruppengrösse für die anstehende Arbeit gewählt wird<br />

und z.B. eine auflockernde Abfolge von Arbeiten in Kleingruppen,<br />

alleine und im Plenum erfolgt (Lipp & Will, 1998).<br />

Visualisierung<br />

<strong>Die</strong> bestens moderierte Gruppendiskussion hilft nichts,<br />

wenn ihre Resultate nicht aufgezeichnet werden. Visualisierungen<br />

garantieren eine fortlaufende Dokumentation der<br />

Arbeiten und dienen als Grundlage für Beseitigung von<br />

bestehenden Unklarheiten und Widersprüchen. <strong>Die</strong> Metaplan-Technik<br />

liefert hier einige Hinweise, die vor allem in<br />

der ersten Synthesephase bei der Erarbeitung der Fragestellung<br />

gewinnbringend eingesetzt werden können (Metaplan,<br />

1992). Hilfsmittel, die zum Einsatz gelangen, sind Hellraumprojektor,<br />

W<strong>and</strong>tafel, Flip-Chart, Pinw<strong>and</strong>, Packpapier,<br />

Diagramme, Tabellen, Karten usw. (Lipp & Will, 1998;<br />

Seifert, 1999).<br />

Feedback<br />

Kenntnisse und Erfahrungen zu Gruppenprozessen sollen<br />

mit der Gruppe wie mit einzelnen Studierenden diskutiert<br />

werden. Gezieltes und auch deutliches Feedback ist in der<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> notwendig, da nur so ein eigentlicher<br />

Lernprozess ausgelöst werden kann. Frey (1998, S. 28ff)<br />

spricht in diesem Zusammenhang von einer Metadiskussion<br />

bzw. -interaktion. Neben der eigentlichen Aufgabe, gezielt<br />

Rückmeldung zur Qualität der Arbeit der Einzelnen wie<br />

auch der Gruppe zu geben, dienen diese Gespräche auch der<br />

Förderung der Selbstreflexion. Nur falls Gruppenprozesse<br />

wie auch erzielte Arbeitsresultate reflektiert und hinterfragt<br />

werden, kann für folgende Arbeiten aus allfälligen Fehlern<br />

gelernt werden.<br />

Folgende Zeitpunkte des Feedbacks haben sich im Rahmen<br />

der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> als geeignet erwiesen:<br />

– für die Wochenverantwortlichen jeweils nach Wochenabschluss;<br />

– für die Gesamtgruppe nach Bedarf, zumindest bei Beendigung<br />

der verschiedenen Projektphasen;<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 225


<strong>Fallstudie</strong>ndidaktik<br />

Feebackbeispiel Wochenverantwortliche und Moderation<br />

Beurteilt werden die folgenden Punkte:<br />

1. Wird die Woche gut und geeignet geplant? Machen sie<br />

sich schon in der Vorwoche Gedanken zum Wochenablauf?<br />

Nehmen sie selbständig ihre Aufgabe wahr?<br />

2. Wird der Wochenplan genügend klar den <strong>and</strong>ern Studierenden<br />

vorgestellt? Ist bei allen Plenen klar, wie lange<br />

sie dauern und welches Ziel sie haben?<br />

3. Werden Aufträge klar genug formuliert und wird abgesichert,<br />

dass alles richtig verst<strong>and</strong>en wurde?<br />

4. Übernehmen sie Verantwortung für die Arbeit der gesamten<br />

Gruppe? Versuchen sie sich einen Überblick zu<br />

erhalten, wo die <strong>and</strong>eren stehen?<br />

5. Kommunizieren sie auch ausserhalb der Plena, um ihre<br />

Aufgabe der Wochenverantwortung wahrzunehmen?<br />

6. Wird neben der inhaltlichen Ebene auch der Prozessebene<br />

Rechnung getragen (Stimmung, Konflikte, usw.)?<br />

7. Werden Gruppendiskussionen zielgerichtet moderiert?<br />

Wird immer klar, wer die Moderation innehat und die<br />

Diskussion führt? Wird versucht, bei Diskussionen inhaltlich<br />

zu folgen? Werden gezielt Fragen gestellt? Werden<br />

Missverständnisse aufgespürt und zu lösen versucht?<br />

8. Werden zentrale Punkte festgehalten und visualisiert?<br />

9. Werden Hilfsmittel geeignet eingesetzt?<br />

10. Wird für Abwechslung durch Änderung der Gruppengrösse<br />

gesorgt? Wird genügend Zeit für die eigentliche<br />

Projektarbeit in kleinen Gruppen bzw. Einzelarbeit gelassen?<br />

11. Werden nicht erledigte Arbeiten aus der vorhergehenden<br />

Woche wieder aufgenommen? Werden kritische Punkte<br />

wirklich ausdiskutiert?<br />

12. Erfolgt ein gut organisierter Übergang in das Wochenende?<br />

Kasten 5: Ein Beispiel für detaillierte Kriterien, auf die in<br />

einem Feedback Bezug genommen werden kann.<br />

– für einzelne Studierende nach Bedarf und insbesondere<br />

nach Präsentationen oder <strong>and</strong>eren, klare Eigenleistung<br />

erfordernden Tätigkeiten.<br />

Zusätzlich wird mit allen Studierenden ein persönliches<br />

Schlussgespräch geführt, dessen Ergebnisseauf Wnsch in<br />

ein Arbeitszeugnis einfliessen. Der Inhalt des Feedbacks<br />

fokussiert auf folgende Schwerpunkte:<br />

– <strong>Fallstudie</strong>n-Spezifisches: z.B. Verständnis für den Fall,<br />

Kontakte mit Akteuren des Falles wahrnehmen und sich<br />

mit ihnen austauschen, einen klaren Beitrag zu den Produkten<br />

liefern.<br />

– Allgemein-wissenschaftliches H<strong>and</strong>werk: zu klarer<br />

Problem- und Fragestellung beitragen, Literatur lesen<br />

und verarbeiten, methodengestützt und reflektiert vorgehen,<br />

um Nachvollziehbarkeit der erzielten Resultate besorgt<br />

sein, verständlich schreiben, klar und strukturiert<br />

präsentieren.<br />

– Persönliches: Teamfähigkeit, Moderation, effiziente Arbeitsweise,<br />

Einsatz.<br />

6 Mögliche Weiterentwicklungen:<br />

Verstehen von Gruppenprozessen<br />

als Lernziel<br />

Abschliessend wollen wir einige bestehende Schwächen<br />

unseres Lehrkonzeptes und mögliche Optimierungen diskutieren.<br />

<strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> wurde in diesem Jahr bereits<br />

zum siebten Mal durchgeführt und hat innerhalb wie<br />

ausserhalb der <strong>ETH</strong> grosse Anerkennung gewonnen. Trotzdem<br />

kann und soll sie nicht stehen bleiben, sondern fortlaufend<br />

verbessert werden.<br />

<strong>Die</strong> Erfahrung zeigt, dass die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> als<br />

Lehrveranstaltung nur erfolgreich ist, falls es gelingt, auch<br />

das Verstehen und die Steuerung von Gruppenprozessen als<br />

Zielgrösse für die Arbeit der Studierenden zu verankern.<br />

<strong>Die</strong>s deckt sich auch mit Ergebnissen der Evaluation von<br />

<strong>Fallstudie</strong>n bzw. Projektunterricht in der Lehre, die zeigen,<br />

dass diejenigen Studierenden am meisten lernen, «[who]<br />

focus the underlying learning process rather than project<br />

outcomes (e.g., grades, teacher approval)» (Ertmer, Newby<br />

& MacDougall, 1996, p. 722).<br />

Widerstände gegen projektbasierten Unterricht bestehen<br />

vor allem in einem Umfeld, wo leicht nachprüfbare Leistungsnachweise<br />

das Lerngeschehen bestimmen und einfache<br />

Problemlöseleistungen hoch bewertet werden (Frey,<br />

1998, S. 278). <strong>Die</strong>s trifft für die <strong>ETH</strong> und das Departement<br />

UMNW zu, was mit dazu beiträgt, dass sich einige Studierende<br />

eher ablehnend gegenüber der <strong>Fallstudie</strong> äussern.<br />

Ertmer und Kollegen haben darauf hingewiesen, dass der<br />

Ablehnung durch Studierende in der Evaluationsforschung<br />

zu wenig Beachtung geschenkt wird: «The possibility that<br />

some students’ needs may not match the characteristics <strong>and</strong><br />

dem<strong>and</strong>s of this method has been downplayed, if not completely<br />

ignored.» (Ertmer et al., 1996, p. 720). Sie betonen,<br />

dass die Lehrpersonen darauf reagieren müssen: «It is important<br />

for case instructors to be aware of students’ responses<br />

<strong>and</strong> approaches to the case method <strong>and</strong> to provide<br />

support for those who are intimidated, reluctant, or unprepared<br />

to engage in these unfamiliar <strong>and</strong> ambiguous learning<br />

tasks.» (Ertmer et al., 1996, p. 722).<br />

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach notwendigen<br />

Anpassungen in der <strong>Fallstudie</strong>ndidaktik. Es scheint,<br />

dass die <strong>Fallstudie</strong> nicht für alle Studierenden eine geeignete<br />

Lehrform darstellt bzw. sie mit dieser nicht ohne Unterstützung<br />

umgehen können. <strong>Die</strong>s erfordert, dass ein modulares<br />

System aufgebaut wird, da nicht alle Gleiches lernen wollen<br />

bzw. auch können. Es soll eine stärkere Individualisierung<br />

des Unterrichtes erfolgen. Dazu müssen die Lernziele klarer<br />

definiert und mit den Studierenden diskutiert werden. In der<br />

<strong>Fallstudie</strong> 2000 wurden einige Anstrengungen in diese<br />

Richtung unternommen: die Lernziele wurden wiederholt<br />

präsentiert, es wurden Einzelgespräche zu bestehenden Vorbehalten<br />

gegenüber der <strong>Fallstudie</strong> geführt, Vorträge und<br />

Diskussionen zu Gruppenprozessen abgehalten, ein Einführungskurs<br />

in GIS (Geographical Information System) angeboten,<br />

eine ganztägige Berichte-Werkstatt zum Üben des<br />

Schreibens von Texten organisiert, usw. <strong>Die</strong>se Anstrengungen<br />

müssen auch in Zukunft weiterverfolgt werden.<br />

226 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


<strong>Fallstudie</strong>ndidaktik<br />

Gruppenprozesse und der Lernprozess als solcher müssen<br />

als wesentliche Elemente der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> etabliert<br />

werden. Wie oben angedeutet, braucht es dazu ein Bewusstsein<br />

unter den Studierenden, und die Rolle der Tutorierenden<br />

muss überdacht werden: Sie müssen vermehrt als Lehrpersonen<br />

auftreten sowie Feedback und Unterstützung bei<br />

der Selbstreflexion von Gruppenprozessen geben.<br />

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<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 227


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228 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

Autoren:<br />

Olaf Tietje<br />

Rol<strong>and</strong> W. Scholz<br />

Inhalt<br />

1. Ursprung 231<br />

2. Charakteristika: Synthese und Wissensintegration 232<br />

3. Vom Lehre-Forschungs-Anwendungs-Paradigma zur Wissensintegration 234<br />

4. Übersicht 238<br />

5. Ausblick 241


Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

Zusammenfassung<br />

<strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>nmethodik<br />

wurde in ihren Grundzügen bereits<br />

mit der <strong>Fallstudie</strong> im Jahre 1994 festgelegt.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong>n-Methoden entstammen<br />

verschiedenen Gebieten der<br />

Wissenschaft, aus der Systemanalyse<br />

(z. B. System Dynamics), der Entscheidungsforschung<br />

(z. B. multikriterielle<br />

Nutzentheorie) oder dem Bereich<br />

der spezifisch umweltnaturwissenschaftlichen<br />

Methoden (z. B. Ökobilanz<br />

und Stoffflussanalyse). Einige<br />

Methoden wurden für die <strong>Fallstudie</strong>narbeit<br />

adaptiert, <strong>and</strong>ere wurden neu<br />

entwickelt, z.B. die Raumnutzungsverh<strong>and</strong>lungen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

unterstützen die<br />

<strong>Fallstudie</strong>narbeit, insbesondere die<br />

Synthese und die Wissensintegration<br />

in den Projektgruppen.<br />

Mit der Anwendung und Weiterentwicklung<br />

der <strong>Fallstudie</strong>n-Methoden<br />

wird ein wissenschaftlicher Beitrag<br />

zur Methodenentwicklung an der<br />

Schnittstelle zwischen Umweltsozialund<br />

Umweltnaturwissenschaften geleistet.<br />

Darüber hinaus leisten die <strong>Fallstudie</strong>n-Methoden<br />

einen Beitrag zur<br />

Analyse und Regelung von Systemen<br />

der Anthroposphäre (z.B. Altlastenbearbeitung,<br />

Stadtentwicklung).<br />

Keywords: ill-defined problems,<br />

Wissensintegration, multikriterielle<br />

Bewertung, Synthese, Stoffflussanalyse,<br />

dynamische Modellierung, formative<br />

Szenarioanalyse.<br />

Résumé<br />

La méthodologie des études de cas<br />

EPFZ-<strong>UNS</strong> avait déjà été fixée dans<br />

ses gr<strong>and</strong>es lignes dans l’étude de cas<br />

de 1994. Les méthodes des études de<br />

cas proviennent de divers domaines de<br />

la science, de l’analyse des systèmes<br />

(par ex. System Dynamics), de la recherche<br />

de décision (par ex. théorie du<br />

profit multicritère ou du domaine des<br />

méthodes spécifiques des sciences naturelles<br />

écologiques (par ex. analyse<br />

de cycle de vie et analyse de flux).<br />

Certaines méthodes ont été adaptées<br />

au travail des études de cas, d’autres<br />

ont été nouvellement développées, par<br />

ex. négociations de l’utilisation de<br />

l’espace. Les méthodes des études de<br />

cas EPFZ-<strong>UNS</strong> renforcent le travail<br />

des études de cas, en particulier la<br />

synthèse et l’intégration des connaissances<br />

dans les groupes de projet.<br />

L’application et l’amélioration des<br />

méthodes des études de cas apportent<br />

une contribution scientifique au développement<br />

des méthodes à l’intersection<br />

entre les sciences sociales de l’environnement<br />

et les sciences physiques<br />

et naturelles. De plus, les méthodes<br />

des études de cas fournissent une contribution<br />

à l’analyse et au règlement de<br />

systèmes de l’anthroposphère (par ex.<br />

élaboration des décharges désaffectées,<br />

développement urbain).<br />

Mots-clés: ill-defined problems,<br />

intégration des connaissances, évaluation<br />

multicritère, synthèse, analyse de<br />

flux, System Dynamics, analyse formative<br />

des scénarios.<br />

Summary<br />

The basis of the <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> case study<br />

methodology had already been developed<br />

with the case study 1994. The<br />

case study methods originate from various<br />

scientific areas, from systems<br />

analysis (e.g. system dynamics), decision-making<br />

sciences (e.g. multi-attribute<br />

utility theory) or from the specific<br />

environmental sciences (e.g. environmental<br />

assessment <strong>and</strong> material flux<br />

analysis). Some methods were adapted<br />

for the <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> case study,<br />

others were developed anew, e.g. area<br />

development negotiations. The <strong>ETH</strong>-<br />

<strong>UNS</strong> case study methods support the<br />

case study work, in particular the synthesis<br />

<strong>and</strong> the knowledge integration<br />

conducted by the study teams.<br />

The application <strong>and</strong> further development<br />

of the case study methods are<br />

a scientific contribution to the development<br />

of methods, which organize<br />

the interface between the natural <strong>and</strong><br />

social sciences of the environment.<br />

Moreover, the case study methods<br />

contribute to analysis <strong>and</strong> regulation<br />

of anthropospheric systems (e.g. treatment<br />

of contaminated sites).<br />

Keywords: ill-defined problems,<br />

knowledge integration, multi-criteria<br />

evaluation, synthesis, material flux<br />

analysis, system dynamics, formative<br />

scenario analysis.<br />

230 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

1 Ursprung<br />

<strong>Die</strong> gegenwärtigen Herausforderungen, vor denen die berufstätigen<br />

UmweltnaturwissenschafterInnen stehen, sind<br />

häufig sogenannte ill-defined problems, also komplexe,<br />

schlecht definierbare Probleme. <strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n<br />

beschäftigen sich mit solchen ill-defined problems an realen,<br />

komplexen Fällen, bei denen Umweltaspekte zentral<br />

sind. Kennzeichnend für die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n ist, dass<br />

sie nicht von einer einzelnen Theorie oder einem speziellen<br />

Modellansatz ausgehen und versuchen, diesen in einer <strong>Fallstudie</strong><br />

zu illustrieren. Ausgangspunkt der <strong>Fallstudie</strong> sind<br />

reale Fälle in ihrer Gesamthaftigkeit. <strong>Die</strong> Beteiligten sollen<br />

lernen, mit diesen Fällen umzugehen und sie wissenschaftlich<br />

zu bearbeiten. <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong>nmethoden dienen dazu, in<br />

diesem unscharfen Raum zu manövrieren.<br />

Seit 1994 wurde in jedem Sommersemester eine <strong>Fallstudie</strong><br />

neuen Stils durchgeführt. Lernziel war, einen «besonderen<br />

Typ von umweltnaturwissenschaftlicher Forschung und<br />

Anwendung» zu entwickeln (Scholz, Koller, Mieg, &<br />

Schmidlin, 1995, S. 14). Hierbei st<strong>and</strong> vielfach die Nachhaltigkeit<br />

als Anwendungsziel bzw. fallbezogener Zielzust<strong>and</strong><br />

im Vordergrund. Studien zur nachhaltigen Entwicklung<br />

zeichnen sich dadurch aus, dass nicht nur der Zielzust<strong>and</strong><br />

nicht wohldefiniert ist, sondern auch unklar ist, wie nachhaltig<br />

oder unnachhaltig der Anfangs- oder Ausgangszust<strong>and</strong><br />

ist. Zudem ist häufig unklar ist, welcher Typ von Barriere bei<br />

der «Problemlösung zu überwinden ist» (s. Abb. 1). Daraus<br />

ergab sich das Forschungsziel, wissenschaftliche Methoden<br />

anzuwenden oder (weiter) zu entwickeln, mit deren Hilfe<br />

gesellschaftlich relevante (Umwelt-) Probleme gelöst werden<br />

können. Ein besonderer Aspekt bei der Entwicklung der<br />

<strong>Fallstudie</strong>nmethoden war weiterhin der Einbezug der Fallakteure.<br />

<strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n trugen insofern auch zur<br />

Entwicklung der Methoden der Transdisziplinarität bei, einer<br />

in den letzten Jahren verstärkt diskutierten und entwickelten<br />

Form der wissenschaftlichen Arbeit (vgl. Kap.<br />

Transdisziplinaritäts-Laboratorium <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>;<br />

Scholz, 1999).<br />

Eine Reihe von wissenschaftlichen Methoden erwiesen<br />

sich als sinnvoll und notwendig und wurden für die <strong>Fallstudie</strong>narbeit<br />

als <strong>Fallstudie</strong>nmethoden adaptiert oder neu<br />

entwickelt (Scholz & Tietje, in press). Von zentraler Bedeutung<br />

sind systemanalytische Methoden, auf die wir an dieser<br />

Stelle etwas näher eingehen möchten. Für eine Analyse von<br />

Umweltsystemen stellen diese Methoden häufig eine unabdingbare<br />

Voraussetzung dar. <strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

greifen aber im Rahmen der Verwendung von System<br />

Dynamics-Methoden nicht nur auf die Systemökologie<br />

(Odum, 1983; Richter, 1985; Fischlin, 1992) zurück, welche<br />

vornehmlich die Dynamik von Ökosystemen bis hin zum<br />

Weltmodell zum Gegenst<strong>and</strong> hatte (Meadows, Meadows, &<br />

R<strong>and</strong>ers, 1993; Fischlin et al., 1991). Ein Beispiel für diesen<br />

eher traditionellen naturwissenschaftlichen Umgang mit<br />

System Dynamics findet sich in der <strong>Fallstudie</strong> Zentrum<br />

Zürich Nord, in der der Wasserhaushalt eines Siedlungsgebiets<br />

modelliert wurde. System Dynamics wird in der <strong>ETH</strong>-<br />

<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> auch im Rahmen der Optimierung des «wissenschaftlichen<br />

Managements» (Forrester, 1961) genutzt,<br />

wie es sich im Operations Research entwickelt hat. Als<br />

Beispiel sei hier die Konstruktion sogenannter «Softmodelle»<br />

im Rahmen der <strong>Fallstudie</strong> 1995 Umwelt und Bauen<br />

genannt, mit der die Auswirkungen verschiedener umweltpolitischer<br />

Massnahmen auf die Stoffflüsse modelliert wurden<br />

(Scholz, Bösch, Koller, Mieg & Stünzi, 1996). Spezifisch<br />

umweltnaturwissenschaftliche Methoden wie die<br />

Stoffflussanalyse (Baccini & Bader, 1996) und das Life<br />

Cycle Assessment (Frischknecht, Hofstetter, Knoepfel, Dones<br />

& Zollinger, 1995) lassen sich im weiteren Sinne als<br />

Weiterentwicklungen oder Vereinfachungen dieses Modellansatzes<br />

ansehen. <strong>Die</strong>se spezifischen Methoden sind an die<br />

Datenlage und die Zielsetzung angepasst und finden auch<br />

ihren Platz in den <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n. 1<br />

Abb. 1: Komplexe, schlecht definierbare<br />

Probleme (ill-defined problems).<br />

1 Ein typisches Beispiel findet sich im Kapitel Ökobilanz der <strong>Fallstudie</strong> Sulzer-Escher Wyss-Areal (Scholz et al., 1996) bzw. in der Synthesegruppe Gebäude<br />

in der <strong>Fallstudie</strong> Zentrum Zürich Nord (Scholz, Bösch, Mieg & Stünzi, 1997).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 231


Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

Der historische Bezug zur Umweltsystemanalyse ist sicher<br />

wichtig und grundlegend. Mindestens von gleicher<br />

Bedeutung bei der Entwicklung der Synthesemethoden waren<br />

die Bezüge zur wirtschaftspsychologischen Entscheidungsforschung,<br />

zur Risikoforschung und zu den Planungswissenschaften.<br />

Schon in der ersten <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

wurde eine formative Szenarioanalyse durchgeführt, eine<br />

Methodik, die in allen darauffolgenden <strong>Fallstudie</strong>n Anwendung<br />

f<strong>and</strong> und weiterentwickelt wurde. Parallel zum wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Bereich setzte sich – wenn auch<br />

langsamer und noch nicht vollständig – im Umweltbereich<br />

die Erkenntnis durch, dass die Systemanalyse und -beschreibung<br />

durch eine Bewertung von Systemzuständen zu ergänzen<br />

sei. <strong>Die</strong>s wurde schon programmatisch in einem der<br />

ersten Artikel zu den Zielsetzungen der <strong>Fallstudie</strong> und zum<br />

Studium Umweltnaturwissenschaften zum Ausdruck gebracht:<br />

«Zentral für die Absolventen/Absolventinnen [der<br />

Umweltnaturwissenschaften] sollte die Fähigkeit sein, Umweltsysteme<br />

ausgehend von einer naturwissenschaftlichen<br />

Analyse in ihrem Gesamtzusammenhang und ihren sozialen<br />

Bestimmungskomponenten zu analysieren, zu bewerten und<br />

zu reflektieren.» (Scholz, 1993). Wichtige Bezugspunkte<br />

der <strong>Fallstudie</strong> bilden somit die Entscheidungstheorie<br />

(Scholz et al., 1997; Keeney & Raiffa, 1976; Paustenbach,<br />

1989) sowie das Systemmanagement (Dauscher, 1998;<br />

Beroggi, 1999). Weil <strong>Fallstudie</strong>narbeit im Team stattfindet,<br />

best<strong>and</strong> eine Aufgabe auch darin, Methoden zur Kommunikation<br />

(vgl. Oswald & Scholz, 1999), Organisation (vgl.<br />

Mieg, Scholz & Stünzi, 1996) und zum Teammanagement<br />

(Schnelle, 1979) zu entwickeln.<br />

<strong>Die</strong> übergeordnete <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>nmethodik beinhaltet<br />

die wissenschaftliche und wissenschaftstheoretische<br />

Fundierung der <strong>Fallstudie</strong>n, insbesondere die Synthese und<br />

die Wissensintegration mit Hilfe der genannten Methoden,<br />

und deren Umsetzung für den Umgang mit dem Fall und die<br />

Organisation der <strong>Fallstudie</strong>. Sie stellt den ersten Versuch<br />

dar, die genannten Methoden und deren spezifischen Beitrag<br />

für eine ganzheitliche Falluntersuchung in einem wissenschaftlichen<br />

Konzept zusammenzufassen. Grundprinzip bei<br />

der Verwendung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden ist das Postulat,<br />

dass der Gegenst<strong>and</strong> bzw. das vorliegende Problem die Wahl<br />

und die Ausgestaltung der wissenschaftlichen Methode bestimmt<br />

und nicht umgekehrt mit einer Methode auf einen<br />

Fall losgegangen wird und so lange gesucht wird, bis sich<br />

ein geeigneter Anwendungsaspekt ergibt. Damit unterscheiden<br />

sich die <strong>Fallstudie</strong>nmethoden in einem weiteren Punkt<br />

von <strong>and</strong>eren Methoden, welche als transdisziplinäre Forschungsansätze<br />

bezeichnet werden. Als Beispiel seien hier<br />

der Bedürfnisfeld-Ansatz (Minsch & Mogalle, 1998) oder<br />

der Syndrom-Ansatz (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung<br />

Globale Umweltveränderungen, 1996) genannt.<br />

<strong>Die</strong>se sind nicht spezifisch fallorientiert bzw. nicht<br />

detailliert auf spezifische Einzelmethoden bezogen.<br />

Ziel dieses Kapitels ist es, die Bedeutung der wissenschaftlichen<br />

Methodik der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n zu betonen,<br />

mit einem Rückblick und Überblick Verständnis dafür<br />

zu wecken und dem interessierten Leser durch die Angabe<br />

von Referenzen den Einstieg in die wissenschaftliche Struktur<br />

und Vernetzung der <strong>Fallstudie</strong>nmethodik zu ermöglichen.<br />

2 Charakteristika: Synthese und<br />

Wissensintegration<br />

Jede <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> ist etwas Neues. Sie beschäftigt<br />

sich mit einem Fall. Der Fall ist ein spezieller und in gewisser<br />

Hinsicht einmaliger Gegenst<strong>and</strong>. Ein Gegenst<strong>and</strong> wird<br />

ein Fall, da er für etwas steht und ein bestimmtes Problem<br />

repräsentiert. Der «SBB-Bahngüterverkehr in der Region<br />

Zugersee» wird zum Fall, da an ihm die aktuellen Entwicklungsprobleme<br />

und Fragen der Umweltbewertung von Güterverkehr<br />

exemplarisch in einer solchen Weise untersucht<br />

werden können, dass Erkenntnisse gewonnen werden, die<br />

auch für <strong>and</strong>ere Fälle und die Problemlage des Güterverkehrs<br />

von Aufschluss sind.<br />

Da jede <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> Fälle mit wissenschaftlich<br />

noch wenig oder unbefriedigt untersuchten Fragestellungen<br />

definiert, wird bei der Studie des Falls vielfach wissenschaftliches<br />

Neul<strong>and</strong> betreten. <strong>Fallstudie</strong>n dieses Typs werden<br />

auch «groundbreaking case studies» genannt (Scholz &<br />

Tietje, in press). <strong>Die</strong> Studierenden werden auf eine harte<br />

Probe gestellt. Das Wissen, das sie sich in den bisherigen<br />

Studienjahren angeeignet haben, muss in eigenständiger,<br />

weitgehend selbstorganisierter Arbeit in einem neuen Gebiet<br />

mit neuen, praktischen, fallspezifischen Aspekten verknüpft<br />

und sinnvoll angewendet werden.<br />

Im Rahmen einer Fallbearbeitung treffen Studierende auf<br />

höchst unterschiedliche Probleme, wie die Lärmbelastung<br />

der Bevölkerung, die Qualität des Naturraumes oder die<br />

Wirtschaftlichkeit einer Bahnstrecke. In der Regel können<br />

die Studierenden einen Teil dieser Probleme lösen, indem<br />

sie auf im Studium vermitteltes Wissen zurückgreifen. Für<br />

einige Probleme müssen sie neue Lösungsstrategien erlernen<br />

oder gar entwickeln. Unterstützt und gecoacht werden<br />

sie dabei von einem Team von Fachtutorierenden.<br />

Eine Hauptaufgabe der <strong>Fallstudie</strong>narbeit ist die Synthese,<br />

die durch verschiedene Formen der Wissensintegration vorgenommen<br />

werden kann. Eine Form der Synthese ist, dass<br />

das Wissen verschiedener Fallakteure oder Fallexperten einbezogen<br />

wird. <strong>Die</strong>s erfolgt in der Regel dadurch, dass die<br />

Studierenden und die Tutorierenden, die Betroffenen und<br />

die <strong>and</strong>eren an der <strong>Fallstudie</strong> Beteiligten mitein<strong>and</strong>er kommunizieren<br />

und kooperieren. <strong>Die</strong>ser Prozess beginnt mit<br />

dem gegenseitigen Zuhören und endet im Entwickeln von<br />

Verständnis und dem wechselseitigen Lernen (mutual learning).<br />

Im Laufe der letzten Jahre hat sich für diese Arbeit der<br />

Begriff transdisziplinär entwickelt (vgl. Scholz, 2000; Häberli,<br />

Scholz, Bill & Welti, 2000; Thompson Klein et al.,<br />

2001).<br />

Obwohl der Fall für jede <strong>Fallstudie</strong> neu definiert wird und<br />

das <strong>Fallstudie</strong>nteam prinzipiell vor neuen Aufgaben steht,<br />

wird mit den <strong>Fallstudie</strong>nmethoden ein Rüstzeug zur Verfügung<br />

gestellt, mit dem sich «ill-defined problems» bearbeiten<br />

lassen. <strong>Die</strong> Methoden werden problembezogen zur Organisation<br />

der Arbeit und zur Wissensintegration verwendet.<br />

Für ihre Anwendung müssen i. a. spezielle Zwischenziele<br />

oder Untereinheiten des Falls definiert oder konstruiert<br />

werden. Für eine solche Vorgehensweise im Rahmen einer<br />

Fallanalyse hat sich im Englischen der Terminus «embed-<br />

232 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

ded case study» durchgesetzt (Yin, 1994; Scholz & Tietje, in<br />

press).<br />

Wissensintegration bedeutet jedoch mehr als nur die Zusammenstellung<br />

verschiedener Informationen. Mit Hilfe der<br />

<strong>Fallstudie</strong>nmethoden soll eine Synthese erzeugt werden.<br />

<strong>Die</strong>s ist ein neues Produkt, das ohne die Zusammenführung<br />

der verschiedenen Elemente nicht möglich ist. Ein gutes<br />

Beispiel, wie die <strong>Fallstudie</strong>nmethoden eine Synthese unterstützen,<br />

ist die Formative Szenarioanalyse: Hier werden<br />

neue Zukunftsbilder, also Szenarien, in mehreren Schritten<br />

aufgebaut, anh<strong>and</strong> derer das Ziel konkret als Beschreibung<br />

des zukünftigen Systemzust<strong>and</strong>s diskutiert werden kann<br />

und deren Konsistenz und damit Glaubwürdigkeit mit einem<br />

einfachen Ansatz gemessen wird (vgl. z.B. Achermann<br />

& Kehl, 1996). Auch eine integrale Bewertung ist ein Beispiel<br />

für eine Synthese, sie kann auf verschiedene Weisen<br />

erstellt werden. Eine Möglichkeit besteht darin, über verschiedene<br />

Kriterien oder Systemperspektiven zu integrieren,<br />

eine <strong>and</strong>ere Möglichkeit ist, die Wünsche und Präferenzen<br />

eines Personenkreises zu integrieren.<br />

Das Prinzip der <strong>Fallstudie</strong>narbeit als Wissensintegration<br />

ist bereits in der Übersicht der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden im<br />

Bericht zur zweiten <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> Industrieareal<br />

Sulzer-Escher Wyss enthalten. Folgende Typen der Integration<br />

werden genannt (Scholz et al., 1996):<br />

– Disziplinen (insbesondere Sozial- und Naturwissenschaften),<br />

– Systeme (z. B. Wasser, Boden, Luft),<br />

– Typen von Wissen (z. B. Erfahrungswissen/Wissenschaftswissen),<br />

– Interessen (von verschiedenen Beteiligten, die sich z. B.<br />

auch in Bewertungen ausdrücken).<br />

Abb. 2 gibt eine Übersicht über diese Integrationstypen.<br />

<strong>Die</strong> Wissensintegration ermöglicht die Verarbeitung heterogener<br />

Informationen und ist daher ein wesentliches Element<br />

der robusten Wahrnehmung der untersuchten Probleme.<br />

Ein Beispiel für eine Methode, mit der eine Integration<br />

von Disziplinen unterstützt wird, ist die Szenarioanalyse.<br />

<strong>Die</strong> gleichzeitige Berücksichtigung von wirtschaftlichen<br />

Einflussfaktoren (z. B. Bruttoinl<strong>and</strong>sprodukt), sozialen Ein-<br />

Abb. 2: In den <strong>Fallstudie</strong>n-Methoden<br />

werden vier Typen der Wissensintegration<br />

unterschieden. Zwei Kreuze zeigen<br />

den jeweiligen Typ der Wissensintegration<br />

an, der bei der Anwendung der<br />

Methoden im Vordergrund gest<strong>and</strong>en<br />

hat, weitere Erläuterung s. Text.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 233


Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

flussfaktoren (z. B. ökologisches Bewusstsein) und ökologischen<br />

Einflussfaktoren (z. B. ökologische Qualität, Biodiversität)<br />

erfordert eine gemeinsame Sprache über die Disziplinen<br />

hinweg. <strong>Die</strong> Beziehungen zwischen den Wirkgrössen<br />

werden in der formativen Szenarioanalyse entsprechend<br />

ihrer Einflusstärke modelliert. <strong>Die</strong>s ermöglicht so eine Verbindung<br />

von Disziplinen, etwa indem der Einfluss von<br />

(ökologischen) Einstellungen auf Umweltsysteme betrachtet<br />

wird.<br />

<strong>Die</strong> Ökobilanz ist ein Beispiel für die Integration von<br />

Systemen. <strong>Die</strong> Methode ermöglicht die gleichzeitige Berücksichtigung<br />

von Umweltemissionen in Wasser, Boden<br />

und Luft (Atmosphäre). Mit Hilfe der Ökobilanz erfolgt eine<br />

gemeinsame Bewertung aller Emissionen und somit eine<br />

Gewichtung der verschiedenen Umweltprobleme.<br />

<strong>Die</strong> Integration von verschiedenen Typen von Wissen erfolgt<br />

sowohl durch die direkte Begegnung mit dem Fall als<br />

auch durch den Einbezug des Erfahrungswissens der Fallakteure<br />

und durch den Kontakt mit den persönlich Betroffenen<br />

während der <strong>Fallstudie</strong>. Ein Ereignis während der <strong>ETH</strong>-<br />

<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>, das persönlichen Kontakt in besonderem<br />

Masse herstellt, ist der Erfahrungstag (Experiential Case<br />

Encounter). Hier werden eigene persönliche Erfahrungen<br />

durch einen Tag gemeinsamen Arbeitens mit den Fallakteuren<br />

gesammelt. <strong>Die</strong> Studierenden vollziehen einen Seitenwechsel.<br />

Sie sind einzeln mit ganz verschiedenen Arbeiten<br />

beschäftigt und tauschen hinterher die Erfahrungen unterein<strong>and</strong>er<br />

aus. Sie profitieren auch von den mitgeteilten<br />

Erfahrungen der Fallakteure. <strong>Die</strong>se Erfahrungen haben eine<br />

besondere Bedeutung für die eigene Motivation, für den Fall<br />

geeignete Problemlösungen zu finden. <strong>Die</strong> anstudierte analytisch-wissenschaftliche<br />

Denkweise wird hier ergänzt<br />

durch die intuitiv-wertende Wahrnehmung.<br />

<strong>Die</strong> Integration von Interessen ist sicher eine der anspruchsvollsten<br />

Aufgaben, weil sie in den meisten Fällen die<br />

<strong>and</strong>eren Integrationen voraussetzt. Selbst bei einem schwierigen<br />

Konsens über den Gegenst<strong>and</strong> gehen die interessensgeleitete<br />

Interpretation und die Bewertung von H<strong>and</strong>lungsoptionen<br />

oft weit ausein<strong>and</strong>er. Sicher lassen sich einige<br />

verschiedene Interessen der Fallakteure leicht ausmachen,<br />

aber in den meisten Fällen werden die genauen Positionen<br />

und Perspektiven viel ausgefeilter und schwieriger zu beurteilen<br />

sein. Durch eine multikriterielle Bewertung kann ein<br />

Bewusstmachen erfolgen. <strong>Die</strong> Diskussion, der Vergleich<br />

und die Gruppierung verschiedener Positionen helfen, Probleme<br />

aufzuzeigen und Kompromissmöglichkeiten auszuloten.<br />

3 Vom Lehre-Forschungs-<br />

Anwendungs-Paradigma zur<br />

Wissensintegration<br />

<strong>Die</strong> erste <strong>Fallstudie</strong> der Professur <strong>UNS</strong> war die Perspektive<br />

Grosses Moos (Scholz, Koller, Mieg & Schmidlin, 1995).<br />

Bereits hier wurden die wesentlichen Merkmale der <strong>ETH</strong>-<br />

<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n entwickelt und mit dem Begriff Lehre-Forschungs-Anwendungs-Paradigma<br />

zusammengefasst. Das<br />

bedeutet soviel wie: <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> ist primär eine Lehrveranstaltung<br />

und daher für die Studierenden da. Darüber hinaus<br />

sollte ein Teil Forschung enthalten sein – insbesondere<br />

die Anwendung und Erprobung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden –<br />

und ein Teil Anwendung, also das Ziel, realistische Lösungen<br />

für den Fall zu produzieren. <strong>Die</strong> Studierenden der<br />

Umweltnaturwissenschaften sollten lernen, ihr sinnvolles<br />

Wissen nicht nur für das Bücherregal, sondern für den Fall<br />

einzusetzen.<br />

<strong>Fallstudie</strong>n werden nicht nur in den Umweltnaturwissenschaften<br />

eingesetzt, z.B. auch in der Lehre: In der Ausbildung<br />

zum «Master of Business Administration» in hochrangigen<br />

Einrichtungen wie der Harvard Business School werden<br />

<strong>Fallstudie</strong>n eingesetzt, um ein offenes, nicht einfach<br />

lösbares Problem darzustellen und den Umgang damit einzuüben.<br />

<strong>Die</strong> vielfache Anwendung ausserhalb der Umweltnaturwissenschaften<br />

erfolgt auch unter dem Forschungsaspekt,<br />

zum Beispiel in den Erziehungs-, Wirtschafts-<br />

und Rechtswissenschaften. Aus Erfahrungen in diesen<br />

Anwendungsbereichen wurden an der Professur <strong>UNS</strong><br />

sehr früh bereits Prinzipien herausgestellt, welche die Auswahl,<br />

die Adaption und die Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

bestimmt haben (Tab. 3.1). <strong>Die</strong> Betonung des Anwendungsaspektes<br />

der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> resultierte zunächst<br />

aus dem Ziel, das «Wissen der SystemkennerInnen in<br />

die Forschung zu integrieren» (Scholz et al., 1995, S. 43; s.<br />

a. Tab. 3.1). Damit wurde bereits am Anfang der Entwicklung<br />

eine Berücksichtigung dessen festgeschrieben, was<br />

unter dem Aspekt der Partizipation, der Beteiligung Betroffener<br />

inzwischen eine sehr grosse Bedeutung hat. <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong>nmethodik<br />

ist daher im Ansatz transdisziplinär (Gibbons<br />

et al., 1994, Scholz, 2000).<br />

Der Bericht zur zweiten <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> Industrieareal<br />

Sulzer-Escher Wyss (Scholz et al., 1996) enthält bereits<br />

eine erste kurze Übersicht über die Methoden der <strong>Fallstudie</strong>.<br />

Das Ziel beim Umgang mit einem schlecht definierbaren<br />

Problem (vgl. Abb. 1) soll die Synthese, die Konstruktion<br />

von neuen, integrierten Lösungen für den Fall darstellen.<br />

Als mögliche und geeignete Vorgehensweise wird das<br />

Brunswiksche Linsenmodell und der damit verbundene<br />

probabilistische Funktionalismus erläutert (Brunswik,<br />

1950). <strong>Die</strong> einzelnen <strong>Fallstudie</strong>nmethoden werden in dieser<br />

Übersicht erstmals im Schema des Brunswikschen Linsenmodells<br />

dargestellt.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong>nmethoden dienen dazu, schlecht definierbare<br />

Probleme zu beh<strong>and</strong>eln. Sie helfen dem <strong>Fallstudie</strong>nteam,<br />

in einem unscharfen Raum zu manövrieren (vgl. Abb.<br />

1). Der Zielzust<strong>and</strong> ist unscharf, weil die Rahmenbedingungen<br />

nicht prognostiziert werden können und weil er von<br />

234 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

Tab. 3.1: Prinzipien der <strong>Fallstudie</strong>nforschung am Anfang der Methodenentwicklung (aus Scholz et al., 1995, S. 43).<br />

Prinzipien der <strong>Fallstudie</strong>nforschung<br />

P1 Erhaltung der Komplexität und Ganzheitlichkeit des Falls: Beschreibung und Analyse des Falls sollten komplex und<br />

ganzheitlich sein und Variablen aus natürlichen und sozialen Systemen einbeziehen.<br />

P2 Erkenntnisgewinnung durch Rekonstruktion der Veränderung: <strong>Fallstudie</strong>nforschung muss eine Analyse der Vergangenheit<br />

und Geschichte des untersuchten Systems einschliessen.<br />

P3 Generalisierung durch Analyse und Synthese und nicht durch statistisches Schliessen (vgl. Blumenberg, 1952): Eine<br />

Verallgemeinerung – innerhalb eines Falles und darüber hinaus – sollte theorie- und verständnisgeleitet sein («Analyse<br />

und Synthese»).<br />

P4 Studium des Verhältnisses vom Besonderen zum Allgemeinen: Obwohl sich eine <strong>Fallstudie</strong> mit einem konkreten Fall<br />

beschäftigt, ist sie dennoch nicht singulär. Vielmehr gilt es, am Fall das Verhältnis des Besonderen zum Allgemeinen zu<br />

studieren (vgl. Otte & Vogel, 1978).<br />

P5 Integration von Wissen aller Beteiligten an der <strong>Fallstudie</strong>: Für den <strong>Fallstudie</strong>nforscher ist der Fall nicht «Studienobjekt»,<br />

vielmehr charakterisiert sich die <strong>Fallstudie</strong>nforschung durch die Integration des Wissens aller Beteiligten (Forscher, Entscheidungsträger,<br />

Bürger etc.).<br />

vielfachen persönlichen, wirtschaftlichen und <strong>and</strong>eren Interessen<br />

abhängt. <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong>nmethoden liefern jedoch<br />

keine Lösungen in traditionellem Sinne und sind nicht als<br />

Heilmittel zu verstehen, um das schlecht-definierbare Problem<br />

nachträglich doch noch definierbar zu machen. Vielmehr<br />

geht es darum:<br />

– einige Barrieren zu identifizieren und durch besser überschaubare<br />

Barrieren zu ersetzen: zum Beispiel die unbekannte<br />

zukünftige Entwicklung auf ein dynamisches<br />

Systemmodell mit begründeten Annahmen zu reduzieren<br />

oder die unterschiedliche Bewertung von Alternativen<br />

durch Akteure mit Hilfe einer formal-quantitativen Beschreibung<br />

transparent und diskutabel zu machen;<br />

– den Zielzust<strong>and</strong> wenigstens in Hinblick auf einen Teil<br />

seiner Charakteristika zu beschreiben: Zum Beispiel, den<br />

«einzig wahren Zielzust<strong>and</strong>» als Diskussionsgegenst<strong>and</strong><br />

aufzugeben und die Diskussion über eine zukünftige<br />

Entwicklung durch die Erstellung von überschaubaren<br />

Szenarien zu ermöglichen.<br />

Nach Brunswik (1950) stehen die Informationen bezogen<br />

auf das Gesamtresultat in einer logischen Beziehung zuein<strong>and</strong>er.<br />

Elemente des Linsenmodells – die Perzeptoren –<br />

können als eine Art gleichzeitige Interpretation verst<strong>and</strong>en<br />

werden (vgl. Abb. 3.1). Nach Brunswik bilden sie eine<br />

«oder»-Relation: Eine zuverlässige Wahrnehmung erfolgt<br />

bereits, wenn einige und nicht alle Informationen vorh<strong>and</strong>en<br />

sind (vicarious mediation, vgl. Scholz, 1999). Es gibt viele<br />

bekannte Beispiele von Zeichnungen, die sich dies zunutze<br />

machen. Oft reicht es aus, ein Objekt mit nur wenigen<br />

Federstrichen darzustellen, um es erkenntlich zu machen.<br />

Hier sehen wir, dass unser Bild – zum Beispiel von einem<br />

Kind – aus einer sehr grossen Anzahl von Elementen besteht,<br />

von denen eigentlich sehr wenige schon ausreichen<br />

würden, um es zu identifizieren. Darüber hinaus könnten<br />

auch ganz <strong>and</strong>ere dieser Elemente zur Identifikation führen.<br />

Kurz gesagt, das Brunswiksche Linsenmodell liefert eine<br />

Erklärung für die robuste Informationsverarbeitung bei der<br />

visuellen Wahrnehmung. <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong>nmethodik macht<br />

sich diese robuste Informationsverarbeitung bei der Lösung<br />

von schlecht definierbaren Problemen in den Umweltnaturwissenschaften<br />

zunutze.<br />

Ein Beispiel aus der <strong>Fallstudie</strong> Zentrum Zürich Nord<br />

(Scholz et al., 1997): Es soll bestimmt werden, welche<br />

langfristige Entwicklung dieses Gebiets als nachhaltig eingestuft<br />

werden kann. Dazu wird eine Formative Szenarioanalyse<br />

durchgeführt (siehe Abb. 3.1). Der erste Schritt<br />

besteht aus der Analyse und Dekomposition des Anfangszust<strong>and</strong>s,<br />

um relevante Einflussfaktoren zu identifizieren, die<br />

als Perzeptoren dienen können. In der anschliessenden formativen<br />

Synthese werden eine Reihe von Verfahrensschritten<br />

auf diese Einflussvariablen angewendet, mit denen die<br />

Art der Fallrepräsentation verändert wird (z. B. als Tabelle,<br />

als System Grid oder als Netzwerkgrafik). Das Ergebnis, die<br />

Synthese, ist eine gewisse Anzahl von konsistenten (und<br />

daher möglichen) zukünftigen Systemzuständen – den<br />

Szenarien. <strong>Die</strong> Ergebnisse der einzelnen Verfahrensschritte<br />

und insbesondere die Auswahl weniger wichtiger Szenarien<br />

geben ein robustes Bild von der zukünftigen Entwicklung<br />

des Zentrums Zürich Nord, das auf diese Art für eine (anschliessende)<br />

Untersuchung der Nachhaltigkeit zugänglich<br />

gemacht wurde. In unserem Beispiel waren es die Szenarien<br />

«Wirtschaftlicher Aufbruch», «Orientierungslosigkeit und<br />

Krise», «Polarisierung» und «Neue gesellschaftliche Werte»,<br />

aus denen mehrere Thesen für das weitere Vorgehen im<br />

Planungsprozess des Zentrums Zürich Nord abgeleitet wurden.<br />

Das Beispiel macht deutlich, warum eine robuste Wahrnehmung<br />

notwendig für die Planung und Steuerung eines<br />

Stadtteils ist. Es zeigt, wie die <strong>Fallstudie</strong>nmethoden im<br />

Sinne des Brunswikschen Linsenmodells eine Reihe von<br />

Informationselementen (Perzeptoren) generieren und wie<br />

sie diese zur Synthese führen. Hervorzuheben ist, dass die<br />

Synthese ein qualitativer Denk(!)schritt ist, der aufgrund der<br />

Ergebnisse jedoch nachvollziehbar sein muss. <strong>Die</strong> Planung<br />

der Synthese – und damit die Gestaltung der <strong>Fallstudie</strong> –<br />

muss also das Schlussfolgern aus möglichen (Zwischen-)<br />

Ergebnissen einbeziehen und ist daher eine äusserst schwie-<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 235


Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

Abb. 3.1: Das Brunswiksche Linsenmodell für die formative Szenarioanalyse. Ausgangspunkt der Analyse ist der Fall.<br />

Zielpunkt ist ein Verständnis des zukünftigen Zust<strong>and</strong>es des Falls. Um zu letzterem zu gelangen wird eine Dekomposition<br />

vorgenommen und es werden die wichtigsten Einflussvariablen bestimmt, die als hinreichend betrachtet werden, um Zust<strong>and</strong><br />

und Dynamik des Falls zu beschreiben (z.B. Energieverbrauch). Um zu einer Synthese zu kommen, werden mit Einflussfaktoren<br />

eine Reihe von Beziehungen konstruiert und die Ergebnisse dieser Arbeit (Erarbeitung durch die <strong>Fallstudie</strong>nteams) in<br />

verschiedener Form dargestellt (z.B. als Matrix oder Graph). Von diesen Repräsentationen ausgehend erfolgt dann eine<br />

qualitative Beschreibung der zukünftigen Zustände.<br />

rige und für einen Teil der Beteiligten eine neue Aufgabe.<br />

<strong>Die</strong> Erfüllung dieser Aufgabe wird wesentlich vereinfacht,<br />

wenn die Synthese als Brunswiksche Linse dargestellt und<br />

diskutiert wird.<br />

<strong>Die</strong> Notwendigkeit von speziellen <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

wird offenbar allgemein akzeptiert und durch die geleistete<br />

Arbeit auch bestätigt. Es wird darauf hingewiesen, dass die<br />

Methoden Hilfsmittel zur Wissens- und Projektorganisation<br />

sind. Nachfolgend sind Leitlinien für die Anwendung der<br />

Methoden aufgelistet, wie sie nach der <strong>Fallstudie</strong> 1997<br />

erstellt wurden (Scholz, Bösch, Mieg, & Stünzi, 1998).<br />

– <strong>Die</strong> Anwendung der Methoden erfordert Vorwissen: Insbesondere<br />

einen «groben Überblick» über die Methoden,<br />

über die Theorie der <strong>Fallstudie</strong> und über ihre Architektur.<br />

– Fallverständnis: <strong>Die</strong>s ist die Voraussetzung für jede <strong>Fallstudie</strong>narbeit<br />

und insbesondere für die Anwendung der<br />

Methoden.<br />

– Das Problem bestimmt die Methode: <strong>Die</strong>s sollte ein<br />

Grundsatz für jede wissenschaftliche Untersuchung sein.<br />

– Methoden nicht mechanisch verwenden: Vielmehr soll<br />

mit ihnen kreativ umgegangen werden.<br />

– Den «epistemischen Status» der Aussagen reflektieren:<br />

<strong>Die</strong>s bedeutet, dass die fachwissenschaftliche Absicherung,<br />

der Detailliertheitsgrad und die Genauigkeit im<br />

richtigen Ausmass für alle Aussagen etwa gleichmässig<br />

gelten müssen.<br />

– Das Prinzip der Methoden verstehen: <strong>Die</strong>s ist wichtig für<br />

die Auswahl der richtigen Methode für die eigene Synthesegruppe<br />

und für die Einschätzung von Arbeitsergebnissen<br />

<strong>and</strong>erer Gruppen.<br />

<strong>Die</strong> zweite Klettgaufallstudie, Chancen der Region Klettgau<br />

(Scholz, Bösch, Carlucci & Oswald, 1999), wartet mit<br />

einer Bestimmung der Begriffe Region und L<strong>and</strong>schaft auf<br />

und diskutiert verschiedene wissenschaftliche Zugänge.<br />

Hierbei wird auf den Unterschied zwischen Verstehen, Begreifen<br />

und Erklären eingegangen, in denen sich die Architektur<br />

der <strong>Fallstudie</strong> spiegelt (s. Abb. 3.2). Darüber hinaus<br />

werden Intuition und Analyse als gleich wichtige Denkmodi<br />

in ihrer Bedeutung für die <strong>Fallstudie</strong>narbeit dargestellt.<br />

In den <strong>Fallstudie</strong>n 1999 und 2000 Zukunft Schiene<br />

Schweiz wird ein inhaltlicher Schwerpunkt auf die Umwelteffizienz<br />

bzw. auf das ökologische Potential der SBB gelegt.<br />

Ein besonderer Punkt dabei ist die Einrichtung einer übergeordneten<br />

Synthesegruppe (die OeRe-Gruppe beschäftigte<br />

sich mit oekologischen Rechnungseinheiten). Auf diese<br />

Weise wird die Erstellung einer Gesamtsynthese für die<br />

<strong>Fallstudie</strong> ermöglicht. Tab. 3.2 gibt eine Übersicht der Methoden<br />

in den <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n seit 1994.<br />

236 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

Abb. 3.2: <strong>Die</strong> Architektur der <strong>Fallstudie</strong>. <strong>Die</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong>nmethoden dienen vor allem zur<br />

Synthese. Sie verbinden die Ergebnisse der<br />

vorwiegend disziplinären Arbeit in den Teilprojekten<br />

unterein<strong>and</strong>er und mit dem ganzheitlichen<br />

Erfassen des Falls.<br />

Tab. 3.2: Überblick über die Methoden in den <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n seit 1994.<br />

Jahr Titel Methoden<br />

1994 Perspektive<br />

Grosses Moos<br />

1995 Industrieareal<br />

Sulzer-<br />

Escher Wyss<br />

1996 Zentrum<br />

Zürich Nord<br />

1997 Region<br />

Klettgau<br />

1998 Chancen der<br />

Region<br />

Klettgau<br />

1999 Zukunft<br />

Schiene<br />

Schweiz<br />

2000 Zukunft<br />

Schiene<br />

Schweiz<br />

Neu: Erkennen der Notwendigkeit einer methodenbasierten komplexen Fallanalyse, erste Methodenanwendungen<br />

Angewendete Methoden: Formative Szenarioanalyse, Fragestellungswerkstatt, die Idee zur Methode Raumnutzungsverh<strong>and</strong>lungen<br />

wird geboren, die Synthesemoderation wird als wichtiges Hilfsmittel erkannt<br />

Neu: Erste kurze Übersicht über die Methoden der <strong>Fallstudie</strong><br />

Angewendete Methoden: erstmalige Anwendung von Ökobilanz, Formative Szenarioanalyse, die Methode der<br />

Raumnnutzungsverh<strong>and</strong>lungen und der Explorationsparcours werden entwickelt, Ideenwerkstatt, Erfahrungstage<br />

Neu: Intensive Methodenanwendungen als Ziel der <strong>Fallstudie</strong>narbeit<br />

Angewendete Methoden: Formative Szenarioanalyse, Multikriterielle Nutzentheorie (mit Explorationsparcours),<br />

System Dynamics Modellierung, Stoffflussanalyse, Risikoabschätzung, Planspiel, Erfahrungstage<br />

Neu: Kurzes Fazit über die <strong>Fallstudie</strong>nmethoden zur Wissensintegration in vereinfachter Darstellung als Einstieg<br />

für den «Methodenanfänger» (Kästli & Scholz, 1998)<br />

Angewendete Methoden: Formative Szenarioanalyse, Raumnutzungsverh<strong>and</strong>lungen (einschl. Explorationsparcours),<br />

Multikriterielle Nutzentheorie, System Dynamics Modellierung, Risikoh<strong>and</strong>lungsmodell, Synthese-<br />

Moderation, Erfahrungstage<br />

Angewendete Methoden: Formative Szenarioanalyse, Zukunftswerkstatt, Multikriterielle Bewertung,<br />

Erfahrungstage<br />

Neu: Methodische Integration aller Synthesegruppen in der SG OeRe<br />

Angewendete Methoden: Formative Szenarioanalyse, Multikriterielle Nutzentheorie, Ökobilanz, Stoffflussanalyse,<br />

Erfahrungstage<br />

Neu: Rückblick auf die Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong> und ihrer Methoden<br />

Angewendete Methoden: Formative Szenarioanalyse, Ökobilanz, Erfahrungstage<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 237


Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

4 Übersicht<br />

4.1 Methodenüberblick<br />

Im Jahr 2001 wurde auch das Buch zu den <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

fertiggestellt (Scholz & Tietje, in press). Es gibt<br />

einen umfassenden Einblick in das Design von <strong>Fallstudie</strong>n,<br />

die Anwendung von <strong>Fallstudie</strong>n in verschiedenen Disziplinen<br />

und die Architektur der <strong>Fallstudie</strong>n (vgl. Abb. 3.2) am<br />

Beispiel der <strong>Fallstudie</strong> Zentrum Zürich Nord. Neben detaillierten<br />

Beschreibungen der verschiedenen <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

wurde auch eine Systematik und ein Überblick über<br />

die Methoden erstellt. Dort wurden die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

in vier Klassen eingeteilt (s. a. Tab. 4):<br />

– Fallrepräsentation und Modellierung,<br />

– Fallbewertung und Evaluation,<br />

– Fallentwicklung und Fallveränderung,<br />

– <strong>Fallstudie</strong>n-Gruppen.<br />

<strong>Die</strong> meisten der beschriebenen Methoden sind bei ihrer<br />

Anwendung nicht auf die Umweltnaturwissenschaften beschränkt,<br />

sondern auch in <strong>Fallstudie</strong>n aus <strong>and</strong>eren Bereichen<br />

anwendbar, sei es zum Beispiel beim Management von<br />

Organisationen, in der Pädagogik, der Medizin oder der<br />

Rechtswissenschaft.<br />

4.2 Methoden zur Fallrepräsentation<br />

und Modellierung<br />

<strong>Die</strong>s sind zunächst die formative Szenarioanalyse (FSA) und<br />

System Dynamics (SD), aber auch die Stoffflussanalyse.<br />

formative Szenarioanalyse<br />

<strong>Die</strong> Formative Szenarioanalyse versucht, mit einer definierten<br />

Menge von Annahmen Einsicht in den Fall und seine<br />

potentielle Entwicklung zu erhalten. Ein Szenario be-<br />

Tab. 4: Schlüsselfragen für die Methoden der Wissensintegration in <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n.<br />

Methode<br />

Formative Szenarioanalyse<br />

System Dynamics<br />

Stoffflussanalyse<br />

Multiattributive Nutzentheorie<br />

Integriertes Risikomanagement<br />

Ökobilanz<br />

Bioökologische Potenzialanalyse<br />

Raumnutzungsverh<strong>and</strong>lungen<br />

Zukunftswerkstätten<br />

Erfahrungstage<br />

Synthese-Moderation<br />

Schlüsselfragen<br />

Fallrepräsentation und Modellierung<br />

- Welches sind die Variablen, die für den Systemzust<strong>and</strong> und seine Veränderung<br />

entscheidend sind?<br />

- Wie könnte und wie sollte das System sich entwickeln? Was kann passieren?<br />

- Welche Variablen bestimmen die zeitliche Dynamik des Systems?<br />

- Welche (unerwarteten) Resultate ergeben sich aus den dynamischen Wechselwirkungen<br />

zwischen den Variablen?<br />

- Welches sind die kritischen Stoffflüsse und Materialien?<br />

- Welche Quellen und Senken besitzt das System bzw. der Fall?<br />

Fallbewertung und Evaluation<br />

- Wie können verschiedene Bewertungskriterien zusammengefasst werden?<br />

- Welche Fehlwahrnehmungen ergeben sich aus übergreifenden Bewertungen?<br />

- Welche Menge von H<strong>and</strong>lungsalternativen implizieren das geringste Risiko?<br />

- Welche Alternative entspricht am ehesten meiner Bewertung?<br />

- Wie kann oder soll ich mit Unsicherheiten umgehen?<br />

- Wie können die hauptsächlichen Umweltauswirkungen bilanziert werden?<br />

- Wie kann die bioökologische Qualität des Fallareals bewertet werden?<br />

Fallentwicklung und Fallveränderung<br />

- Was verursacht Konflikte zwischen den Schlüsselakteuren des Falls?<br />

- Welche Fehlwahrnehmungen haben die Fallakteure?<br />

- Wie können wir pareto-optimale Lösungen finden?<br />

- Welche Ideen können zur Beantwortung der Fragen führen: Was kann eintreten<br />

/ was soll eintreten?<br />

<strong>Fallstudie</strong>n-Gruppen<br />

- Wie sieht der Fall aus der Perspektive der Betroffenen aus?<br />

- Wie kann ich die Zusammenarbeit optimieren um den Syntheseprozess zu<br />

verbessern?<br />

- Wie finde ich die richtige Synthesemethode?<br />

238 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

schreibt einen hypothetischen zukünftigen Systemzust<strong>and</strong>.<br />

Dazu werden sogenannte Einflussfaktoren definiert, die den<br />

gegenwärtigen Zust<strong>and</strong> und die mögliche Dynamik des<br />

Falls charakterisieren und die im Allgemeinen aus verschiedenen<br />

Disziplinen stammen. <strong>Die</strong> Kunst der Szenarioanalyse<br />

besteht darin, eine suffiziente Menge von Einflussfaktoren<br />

zu definieren und sie so mitein<strong>and</strong>er zu verknüpfen, dass<br />

mehrere valide Fallbeschreibungen entstehen. <strong>Die</strong> Formative<br />

Szenarioanalyse besteht aus mehreren Schritten, in denen<br />

quantitative Analysen der Einflussfaktoren durchgeführt<br />

werden und die Szenarien in Hinsicht auf ihre Möglichkeit<br />

und Konsistenz eingeschätzt werden. Eine Szenarioanalyse<br />

ist angebracht, wenn keine genaue Prognose möglich ist,<br />

wenn aber die anstehenden Entscheidungen mehr Klarheit<br />

über die zukünftige Entwicklung erfordern. Eine Szenarioanalyse<br />

ist keine eindeutige Prognose, sondern eine «mehrdeutige»<br />

Zukunftsschau über verschiedene mögliche Entwicklungen.<br />

Eine Szenarioanalyse ist auch keine Bewertung,<br />

sondern erstellt nur die Zukunftsbilder und somit den<br />

Gegenst<strong>and</strong> einer Bewertung. Eine Bewertung, sei sie intuitiv<br />

oder wissenschaftlich, kann erst – wenn überhaupt – in<br />

einem weiteren, anschliessenden Schritt erfolgen. Eine<br />

Szenarioanalyse kann auch in Thesen resultieren, wie bestimmte<br />

Entwicklungen gefördert oder verhindert werden<br />

können.<br />

System Dynamics (SD)<br />

Bei der Anwendung von System Dynamics werden die Systemvariablen<br />

– im Vergleich mit den Einflussfaktoren der<br />

Szenarioanalyse – genauer mitein<strong>and</strong>er verknüpft. <strong>Die</strong><br />

funktionalen Beziehungen der Systemvariablen unterein<strong>and</strong>er<br />

machen die Modellstruktur aus und bestimmen die Dynamik<br />

der Veränderungen. Mit der Vorhersage der Entwicklung<br />

des Systems und von zukünftigen Systemzuständen<br />

wird versucht, ein genaues Verständnis von der Dynamik<br />

des Falls zu entwickeln. Dass inzwischen recht benutzerfreundliche<br />

Software existiert, darf nicht darüber hinweg<br />

täuschen, dass man oftmals Unsicherheiten in den Daten und<br />

der Modellstruktur berücksichtigen muss, indem man verschiedene<br />

Annahmen durchrechnet. <strong>Die</strong> resultierenden Ergebnisse<br />

werden hier oft auch Szenarien genannt, weil sie<br />

ebenfalls hypothetische zukünftige Systemzustände sind.<br />

<strong>Die</strong>se Szenarien können zwar differenzierter oder valider<br />

sein als in diejenigen der Szenarioanalyse, der Informationsbedarf<br />

und der Modellierungsaufw<strong>and</strong> sind jedoch im allgemeinen<br />

auch wesentlich höher. Daher ist die Anwendung<br />

von SD nur angebracht, wenn die Aussicht auf genügend<br />

genaue Daten und Informationen besteht, um innerhalb<br />

eines Modells auch wirklich Rechnungen durchführen zu<br />

können. In den <strong>Fallstudie</strong>n besteht jedoch nicht der Anspruch,<br />

mit Hilfe von SD perfekte Systemmodelle zu erstellen.<br />

Im Verlauf der Konstruktion des System Dynamics<br />

Modells wird ein spezielles Fallverständnis entwickelt.<br />

Stoffflussanalyse<br />

<strong>Die</strong> Stoffflussanalyse beinhaltet die Aufnahme, Beschreibung,<br />

und Interpretation von kritischen Flüssen in einem<br />

System. Obwohl wir vorwiegend Material- und Energie-<br />

Flüsse innerhalb von Umweltsystemen modellieren, kann<br />

die Methodik leicht auf <strong>and</strong>ere Systeme angewendet werden.<br />

Der Sinn der Methode besteht darin, fehlende Glieder<br />

in der Massen- und Energiebilanz zu bestimmen, aufgrund<br />

von Massen- und Energieerhaltung, die als (Neben-) Bedingungen<br />

in die Berechnung eingehen. Grundsätzlich beschreibt<br />

das Modell die gegenwärtigen Stoff- und Energieflüsse<br />

mit einem linearen Gleichungssystem (Baccini &<br />

Bader, 1996), ist also ein stationäres lineares Modell. Eine<br />

Erweiterung auf eine dynamische Betrachtung liegt jedoch<br />

vor. In jedem Fall ist die Anwendung wegen dem hohen<br />

Datenbedarf aufwändig, vergleichbar mit System Dynamics.<br />

Eine Reihe von Anwendungen im Umweltbereich liegen<br />

vor, so dass für weitere Anwendungen ein Teil der notwendigen<br />

Daten «recycliert» werden können.<br />

4.3 Methoden zur Fallbewertung und<br />

Evaluation<br />

<strong>Die</strong>se sind die Multiattributive Nutzentheorie, das Integrierte<br />

Risikomanagement, die Ökobilanz und die Bioökologische<br />

Potenzialanalyse.<br />

Multiattributive Nutzentheorie<br />

<strong>Die</strong> Multiattributive Nutzentheorie bildet den wissenschaftlichen<br />

Hintergrund für Bewertungen aufgrund von mehreren<br />

Kriterien. <strong>Die</strong> Kriterien messen zunächst die für die<br />

Bewertung wichtigen Eigenschaften des Falls. Sie können<br />

sich auf Teilsysteme des Falls beziehen und auch unterschiedliche<br />

disziplinäre Perspektiven repräsentieren. Darüber<br />

hinaus können sie auf verschiedenen Skalen definiert<br />

sein und einer subjektiven Einschätzung bedürfen. Wesentlich<br />

ist jedoch, dass die Wichtigkeit der Kriterien durch die<br />

verschiedenen Perspektiven und Interessen der Beteiligten<br />

bestimmt wird. Aufgabe in den <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n ist es<br />

daher, die subjektiven Einschätzungen der Kriterien und<br />

ihre Wichtigkeit (Gewichtungen) – wie sie von einem speziellen,<br />

repräsentativen Personenkreis gesehen werden – mit<br />

Hilfe von sozialwissenschaftlichen Methoden zu messen<br />

und auszuwerten. <strong>Die</strong> Komposition der Kriterien mit ihren<br />

Gewichten zu einem Gesamturteil ist daher oft nicht das<br />

oberste Ziel. Vielmehr geht es um das Bewusstmachen von<br />

Bewertungen, um die Diskussion, den Vergleich und die<br />

Gruppierung verschiedener Positionen.<br />

Integriertes Risikomanagement<br />

Das Integrierte Risikomanagement befasst sich mit der Erstellung<br />

von H<strong>and</strong>lungsalternativen (Optionen) zur Lösung<br />

eines Problems, mit den damit verbundenen mehr oder<br />

weniger wahrscheinlichen Ereignissen (Konsequenzen,<br />

Outcomes) und mit der Konstruktion einer Risikofunktion<br />

zur integralen Bewertung der relevanten Teilaspekte des<br />

Problems.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 239


Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

Ökobilanz<br />

Eine Ökobilanz dient zur gesamthaften Umweltbewertung<br />

von Alternativen (meist von alternativen Produkten). Der<br />

Nutzen der Alternativen wird als funktionelle Einheit quantifiziert.<br />

<strong>Die</strong> Bewertung erfolgt integriert über Zeit und<br />

Raum und berücksichtigt die mit der Alternative verbundenen<br />

vor- und nachgeschalteten Aktivitäten, also alle wichtigen<br />

Prozesse vom Ressourcenabbau über Produktion,<br />

Transport, Verteilung, Gebrauch bis zur Entsorgung, kurz<br />

gesagt den gesamten Lebenszyklus. Bei der Bewertung<br />

werden die aktuellen Umweltprobleme soweit wie pragmatisch<br />

möglich berücksichtigt. Dazu gehören im Moment die<br />

Ozonschichtzerstörung, die Eutrophierung der Gewässer,<br />

die Versauerung von Böden, die Beeinträchtigung der Biodiversität<br />

durch L<strong>and</strong>nutzung, aber auch die Wirkung von<br />

Schadstoffemissionen auf den Menschen und den Verbrauch<br />

von Ressourcen.<br />

Bioökologische Potenzialanalyse<br />

<strong>Die</strong> Bioökologische Potenzialanalyse ist komplementär zur<br />

Ökobilanz. Sie erfolgt als Bewertungsprozess, der den bioökologischen<br />

Wert von Gebieten und L<strong>and</strong>schaften beurteilt<br />

und sich auf St<strong>and</strong>orte in ihrer Beziehung zur Region bezieht.<br />

4.4 Methoden zur Fallentwicklung und<br />

Fallveränderung<br />

<strong>Die</strong>s sind die Raumnutzungsverh<strong>and</strong>lungen und die Zukunftswerkstätten.<br />

4.5 Methoden zur Unterstützung der<br />

<strong>Fallstudie</strong>n-Gruppen<br />

<strong>Die</strong>s sind die Erfahrungstage und die Synthese-Moderation.<br />

Erfahrungstage<br />

<strong>Die</strong> Erfahrungstage basieren auf der Strategie, die Perspektive<br />

eines Insiders durch einen Seitenwechsel zu erreichen<br />

(Scholz, 1987). <strong>Die</strong> wissenschaftlichen Teilnehmer der <strong>Fallstudie</strong><br />

agieren während der Erfahrungstage als Fallakteure,<br />

indem sie einen Tag lang auf dem Gebiet der <strong>Fallstudie</strong> eine<br />

praktische Tätigkeit ausüben. Wichtig ist hier das enaktive<br />

Lernen (Bruner, Goodnow, & Austin, 1956) und das «Learning<br />

By Doing». <strong>Die</strong> Erfahrungstage werden vorher häufig<br />

als nicht effizient, nachher jedoch überwiegend als positiv<br />

eingeschätzt. Durch diese Art des Kennenlernens wird eine<br />

persönliche Beziehung zum Fall und seinen Akteuren aufgebaut,<br />

die die Motivation zur Lösung der vorliegenden<br />

Probleme – und damit die Lösung selbst – entscheidend<br />

beeinflusst. Ein ähnliches Prinzip wird zur Weiterbildung<br />

schweizerischer Kaderleute verwendet (siehe<br />

www.seitenwechsel.ch).<br />

Synthese-Moderation<br />

<strong>Die</strong> Synthese-Moderation umfasst eine Reihe von Techniken<br />

zur Anleitung von Arbeitsgruppen, zur Ideengenerierung,<br />

Fallanalyse und Projektmanagement. <strong>Die</strong>se Techniken<br />

unterstützen in erster Linie die <strong>Fallstudie</strong>ngruppen (Synthesegruppen)<br />

bei der Organisation und Kommunikation. Sie<br />

beinhalten auch Regeln zur Erzeugung einer produktiven<br />

Atmosphäre.<br />

Raumnutzungsverh<strong>and</strong>lungen (RNV)<br />

<strong>Die</strong> Raumnutzungsverh<strong>and</strong>lungen sind eine einzigartige<br />

Technik, die speziell für die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n entwickelt<br />

wurde. <strong>Die</strong> Methode beinhaltet ein mehrstufiges Vorgehen:<br />

Zuerst werden die verschiedenen Interessengruppen<br />

bestimmt. Anschliessend werden ihre Interessen identifiziert,<br />

indem eine multi-attributive Nutzenbewertung durchgeführt<br />

wird. <strong>Die</strong> hierbei häufigsten Methoden zur Datenerhebung<br />

werden in den RNV durch die Technik des Explorationsparcours<br />

ergänzt. Mit dieser Technik wird eine möglichst<br />

realistische Konfrontation der Fallakteure mit den<br />

Vertretern der jeweils <strong>and</strong>eren Interessengruppen und mit<br />

den verfügbaren Informationen über den Fall erreicht.<br />

Zukunftswerkstätten<br />

<strong>Die</strong> Zukunftswerkstätten sind eine «Familie» von Techniken<br />

zur kreativen Problembearbeitung. Auf der Suche nach neuen<br />

Perspektiven und Lösungen wird das Blickfeld erweitert,<br />

um den Blick auf unkonventionelle Lösungsvorschläge zu<br />

ermöglichen. <strong>Die</strong>se Techniken erfordern und fördern das<br />

analytische und intuitive Wissen der Fallakteure.<br />

240 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

5 Ausblick<br />

Literatur<br />

<strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong>nmethoden stellen in der Praxis erarbeitete<br />

und erprobte Lösungswege dar. Spezifische, prototypische<br />

Anwendungen in den Umweltnaturwissenschaften sind in<br />

den <strong>Fallstudie</strong>nbänden und in Scholz & Tietje (in press)<br />

dargestellt. <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong>nmethoden sind zu verstehen als<br />

ein Werkzeugkasten, der je nach Fall zu verändern oder zu<br />

ergänzen ist. Mit der Anwendung und Weiterentwicklung<br />

der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden wurde ein wissenschaftlicher Beitrag<br />

zur Methodenentwicklung an der Schnittstelle zwischen<br />

Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften geleistet.<br />

Das Potenzial, das diese Methoden für Anwendungen<br />

auf weitere Fälle besitzen, ist noch lange nicht ausgeschöpft.<br />

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Scholz, R. W., Bösch, S., Mieg, H.A. & Stünzi, J. (Hrsg.). (1997).<br />

Zentrum Zürich Nord – Stadt im Aufbruch. Bausteine für eine<br />

nachhaltige Stadtentwicklung. <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 1996. Zürich: vdf<br />

Hochschulverlag AG.<br />

Scholz, R. W., Bösch, S., Mieg, H. A. & Stünzi, J. (Hrsg.). (1998).<br />

Region Klettgau – Verantwortungsvoller Umgang mit Boden.<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 1997. Zürich: Rüegger.<br />

Scholz, R. W., Bösch, S., Carlucci, L. & Oswald, J. (Hrsg.). (1999).<br />

Chancen der Region Klettgau – Nachhaltige Regionalentwicklung.<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 1998. Zürich: Rüegger.<br />

Scholz, R. W., Koller, T., Mieg, H. A. & Schmidlin, C. (Hrsg.).<br />

(1995). Perspektive grosses Moos. Wege zu einer nachhaltigen<br />

L<strong>and</strong>wirtschaft. <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 1994. Zürich: vdf Hochschulverlag<br />

AG.<br />

Scholz, R. W. & Tietje, O. (in press). Embedded case study<br />

methods. Integrating quantitative <strong>and</strong> qualitative knowledge.<br />

Thous<strong>and</strong> Oaks: Sage.<br />

Thompson Klein, J., Grossenbacher-Mansuy, W., Häberli, R., Bill,<br />

A., Scholz, R. W. & Welti, M. (Eds.). (2001). Transdisciplinarity:<br />

Joint Problem Solving among <strong>Science</strong>, Technology, <strong>and</strong> Society.<br />

An effective way for managing complexity. Basel: Birkhäuser.<br />

Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen<br />

(1996). Welt im W<strong>and</strong>el: Herausforderungen für<br />

die deutsche Wirtschaft. Jahresgutachten 1996. Berlin und Heidelberg:<br />

Springer.<br />

Yin, R.K. (1994). Case study research: Design <strong>and</strong> methods (2nd<br />

ed.). London: Sage.<br />

242 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Transdisziplinaritäts-Laboratorium<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> –<br />

Werkstatt für ein neuartiges Zusammenwirken<br />

von Wissenschaft und Praxis<br />

Autoren:<br />

Rol<strong>and</strong> W. Scholz<br />

Michael Stauffacher<br />

Inhalt<br />

1. Einleitung 245<br />

2. Geschichte und Theorie des TDL 245<br />

3. Praxis des TDL 248<br />

4. Folgerungen 252


Transdisziplinaritäts-Laboratorium <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

Zusammenfassung<br />

Das Transdisziplinaritäts-Laboratorium<br />

(TDL) wird vorgestellt. Der Begriff<br />

Laboratorium beschreibt eine<br />

Art Werkstätte, in der ein Satz von<br />

Instrumenten und Methoden zur Verfügung<br />

steht und Transdisziplinarität<br />

gelernt und weiterentwickelt wird. Ein<br />

neuartiges Zusammenwirken von<br />

Wissenschaft und Praxis ist ein wichtiger<br />

Wesenszug dieses Laboratoriums.<br />

Wir diskutieren, wie es zu dieser<br />

Form der Zusammenarbeit in der<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> gekommen ist<br />

und präsentieren Prinzipien dieses<br />

Dialogs.<br />

<strong>Die</strong> Arbeit eines <strong>Fallstudie</strong>nteams<br />

im Transdisziplinaritäts-Laboratorium<br />

beginnt mit einem umfassenden<br />

Verständnis des Falls und seiner Problemlagen.<br />

<strong>Die</strong> Fallakteure sind «Systemexperten<br />

einer <strong>and</strong>eren Art»: Sie<br />

kooperieren mit Studierenden und<br />

Dozierenden nicht nur in der Problemdefinition,<br />

sondern auch in der Erarbeitung<br />

von Orientierungen. Ziel ist<br />

es, in einen gemeinsamen Lernprozess<br />

zu treten. Von diesem neuartigen Dialog<br />

profitieren beide Seiten gleichermassen.<br />

Wir schliessen, dass die <strong>ETH</strong>-<br />

<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> eine ideale Werkstatt<br />

sein kann, um Transdisziplinarität zu<br />

lernen und neue Ansätze auszuloten.<br />

Keywords: Transdisziplinarität, Laboratorium,<br />

<strong>Fallstudie</strong>, Schnittstellen,<br />

Kommunikation, Qualitätskontrolle.<br />

Résumé<br />

Le laboratoire transdisciplinaire<br />

(TDL) est présenté. Le concept laboratoire<br />

décrit une sorte d’atelier doté<br />

d’un lot d’outils où l’interdisciplinarité<br />

est enseignée et perfectionnée.<br />

Une collaboration d’un nouveau genre<br />

entre science et pratique est un trait<br />

caractéristique important de ce laboratoire.<br />

Nous discutons de la manière<br />

dont on est arrivé à cette forme de<br />

collaboration dans l’étude de cas<br />

EPFZ-<strong>UNS</strong> et présentons des principes<br />

de ce dialogue.<br />

Le travail d’une équipe d’étude de<br />

cas dans le laboratoire transdisciplinaire<br />

débute par une compréhension<br />

globale du cas et de sa problématique.<br />

Les acteurs de cas sont des «experts de<br />

système d’un autre type»: ils coopèrent<br />

avec les étudiants et les enseignants<br />

non seulement dans la<br />

définition du problème mais également<br />

dans l’élaboration des orientations.<br />

L’objectif recherché est d’initier<br />

un processus d’apprentissage en commun.<br />

Les deux parties profitent au<br />

même titre de ce dialogue innovateur.<br />

Nous concluons que l’étude de cas<br />

EPFZ-<strong>UNS</strong> peut être un atelier idéal<br />

pour apprendre l’interdisciplinarité et<br />

sonder de nouvelles approches.<br />

Mots-clés: transdisciplinarité, laboratoire,<br />

étude de cas, intersections,<br />

communication, contrôle de qualité.<br />

Summary<br />

The transdisciplinarity-lab (TDL) is<br />

introduced. The term «lab» describes<br />

a sort of workshop with a set of tools,<br />

where transdisciplinarity is taught <strong>and</strong><br />

developed. A novel co-operation of<br />

sciences <strong>and</strong> practice is one this lab’s<br />

essential traits. We discuss how it<br />

came to this form of co-operation in<br />

the <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> case study <strong>and</strong> present<br />

the principles of this dialogue.<br />

Each case-study team’s activity in<br />

the TDL starts with a comprehensive<br />

underst<strong>and</strong>ing of the case <strong>and</strong> its set of<br />

problems. The case protagonists are<br />

«systems experts of another kind»:<br />

Their co-operation with students <strong>and</strong><br />

lecturers not only concerns the definition<br />

of problems but the elaboration of<br />

orientations as well. The goal is to<br />

share a common learning process.<br />

Both sides st<strong>and</strong> to gain equally from<br />

this novel dialogue. We conclude that<br />

the <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> case study is an ideal<br />

workshop for learning transdisciplinarity<br />

<strong>and</strong> exploring new approaches.<br />

Keywords: transdisciplinarity, lab,<br />

case study, interface, communication,<br />

quality control.<br />

244 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Transdisziplinaritäts-Laboratorium <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

1 Einleitung<br />

Der Gedanke, die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> als ein Transdisziplinaritäts-Laboratorium<br />

(TDL) zu begreifen, ist langsam<br />

gewachsen. Er ist das Ergebnis von nunmehr gut acht Jahren<br />

der Vorbereitung, Durchführung und Reflexion von <strong>Fallstudie</strong>n<br />

im Umweltbereich 1 . Der Begriff Laboratorium im Umfeld<br />

von Lernen ist in der Geschichte der Wissenschaft<br />

bereits verschiedentlich genutzt worden. Als zwei prägnante<br />

Beispiele seien die lernpsychologischen Laboratorien genannt,<br />

welche zu Anfang des letzten Jahrhunderts geschaffen<br />

wurden sowie die von Hartmut v. Hentig gegründete<br />

Laborschule an der Universität Bielefeld (Thurn & Tillmann,<br />

1997). Experimentallaboratorien zur Erforschung<br />

des Lernens und didaktischer Prozesses wurden an verschiedenen<br />

Stellen, so z.B. von Wilhelm Wundt in Leipzig, 1906<br />

(Katz, 1913) oder von Karl Bühler in Wien (Benetka, 1990)<br />

geschaffen, um in einer Art Selbsthilfe Zugang zu den<br />

wissenschaftlichen Grundlagen des Lernens zu bekommen.<br />

Der Begriff Laboratorium beschreibt für uns eine Art Werkstätte,<br />

in der ein Satz bewährter Werkzeuge zur Verfügung<br />

steht und von erfahrenen Personen zusammen mit Studierenden<br />

angew<strong>and</strong>t und ausgebaut wird: es wird Transdisziplinarität<br />

gelernt und weiterentwickelt.<br />

Wir legen hier zunächst dar, vor welchem Hintergrund<br />

diese neue Form des Wissenschaftslabors entst<strong>and</strong>en ist,<br />

welcher Nutzen aus einem solchen Laboratorium entstehen<br />

kann, welche Anforderungen an ein solches Laboratorium<br />

innerhalb der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n zu stellen sind und wie<br />

es in der Praxis funktioniert.<br />

2 Geschichte und Theorie des TDL<br />

2.1 Hintergrund und Grundsätze<br />

<strong>Die</strong> Idee, in der Lehre und Forschung mit der <strong>Fallstudie</strong>nmethodik<br />

zu arbeiten, ist nicht neu (vgl. DeTombe, 1990;<br />

Kaiser, 1983; Ronstadt, 1993). <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong>n als wissenschaftliches<br />

Instrument sind in der Wissenschaftsgeschichte<br />

wiederholt in verschiedenen Varianten entwickelt und realisiert<br />

worden (für eine Taxonomie von <strong>Fallstudie</strong>n siehe<br />

Scholz & Tietje, in press). Prägend waren insbesondere<br />

Ansätze in der Psychiatrie und Neuropsychologie, Teilgebieten<br />

der Medizin und Psychologie, den Planungswissenschaften<br />

sowie den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften.<br />

<strong>Die</strong>sen Ansätzen ist zum einen gemein, dass sie die<br />

Vielschichtigkeit und Gesamtheit von Problemen nicht nur<br />

dulden, sondern zu einem wissenschaftlichen Gegenst<strong>and</strong><br />

machten, der mit geeigneten Methoden zu beh<strong>and</strong>eln ist.<br />

Zum <strong>and</strong>eren wird bei diesen Ansätzen der Erfolg nicht nur<br />

mit wissenschaftsinternen Kriterien gemessen, vielmehr ist<br />

der Praxisbeitrag, den ein Verfahren, ein Modell oder eine<br />

Grundsätze der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

– Gegenst<strong>and</strong> ist ein komplexer, realer, gesellschaftlich<br />

relevanter Fall, bei dem Umweltprobleme bedeutend<br />

sind. Während der Studie bleiben Komplexität und<br />

Ganzheitlichkeit erhalten (vgl. Scholz, Koller, Mieg &<br />

Schmidlin , 1995; Stake, 1976).<br />

– Interdisziplinarität und Wissensintegration wird wissenschaftlich<br />

über die Anwendung spezieller Methoden<br />

unterstützt bzw. organisiert (Scholz & Tietje, in press).<br />

– Es wird ein Prozess des wechselseitigen Lernens<br />

(Scholz, 2000) zwischen Lehrenden, Lernenden und<br />

Fallakteuren angestrebt, der einen Nutzen für alle Beteiligten<br />

erbringt. In diesem Prozess werden Netzwerke<br />

geschaffen und organisiert (Mieg & Scholz, 2001).<br />

– Das Lernen wird in tutorierten Lerngruppen nach den<br />

Team-Kleingruppenmodell organisiert (Bair &<br />

Woodward, 1963; Br<strong>and</strong>t & Liebau, 1978; Scholz,<br />

1978; Winkel, 1974 vgl. auch Kapitel <strong>Fallstudie</strong>ndidaktik).<br />

– Es werden Orientierungen für den Fall, jedoch keine<br />

schnellen Lösungen, vorfertigen Projekte, Empfehlungen<br />

oder Belehrungen erzeugt.<br />

– <strong>Die</strong> Ergebnisse der Studie werden überarbeitet, zusammengefasst,<br />

weiterentwickelt und (in einem B<strong>and</strong>) publiziert.<br />

Kasten 2.1: <strong>Die</strong> Grundsätze der <strong>Fallstudie</strong> befinden sich in<br />

einer laufenden Entwicklung. Unterschiedliche Darstellungen<br />

begründen sich vor allem dadurch, dass die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> ein sogenannter Hybrid ist, in dem Lehre, Forschung<br />

und Anwendung mitein<strong>and</strong>er verknüpft werden.<br />

1 <strong>Die</strong> Geschichte der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n und ihre Entwicklung lassen sich am besten aus den Vorworten und Synopsen der Buchpublikationen zu diesen<br />

Projekten rekonstruieren (Scholz, Bösch, Carlucci & Oswald, 1999; Scholz, Bösch, Koller, Mieg & Stünzi, 1996; Scholz, Bösch, Mieg & Stünzi, 1997;<br />

Scholz, Bösch, Mieg & Stünzi, 1998; Scholz, Bösch, Oswald & Stauffacher, 2000; Scholz, Koller, Mieg & Schmidlin, 1995) sowie aus dem Kap. <strong>Fallstudie</strong><br />

im W<strong>and</strong>el.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 245


Transdisziplinaritäts-Laboratorium <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

Theorie liefern kann, gleichermassen in der Bewertung zu<br />

berücksichtigen.<br />

2.2 Transdisziplinarität: ein Bedürfnis<br />

der Praxis<br />

...-disziplinär<br />

Wir unterscheiden zwischen disziplinärer (fachspezifischer)<br />

Forschung, angew<strong>and</strong>ter oder theorieorientierter<br />

interdisziplinärer Forschung (Integration mehrerer Disziplinen,<br />

vgl. Thompson Klein, 1990) sowie transdisziplinärer<br />

Forschung und Arbeit. In einer transdisziplinären Studie<br />

wird «beyond science» gedacht und gegangen. Es<br />

werden Wissen, Werte und Interessen von Akteuren des<br />

Falls in die wissenschaftliche Arbeit einbezogen (vgl. zu<br />

unterschiedlichen Definitionen auch Br<strong>and</strong>, 2000).<br />

Kasten 2.2.1: disziplinär – interdisziplinär – transdisziplinär.<br />

Abb. 2.2: Ein auslösendes Element zur Findung der Transdisziplinarität.<br />

<strong>Die</strong> Veranstaltung im Restaurant «Bären» in<br />

Ins, <strong>Fallstudie</strong> 1994 «Grosses Moos»: Es stellte sich plötzlich<br />

ein Werkstattcharakter ein und es bildeten sich verschiedenste<br />

Diskussionsgruppen.<br />

<strong>Die</strong> Gründer des Studiengangs Umweltnaturwissenschaften<br />

an der <strong>ETH</strong> Zürich waren sich Mitte der achtziger Jahre<br />

zumindest der Notwendigkeit einer umfassenden, die Einzelwissenschaften<br />

übergreifenden Interdisziplinarität bewusst<br />

(Gigon, 1997; Müller-Herold & Neuenschw<strong>and</strong>er,<br />

1992). Seit Einrichtung des Studiengangs im Jahre 1987<br />

wurde die sogenannte Grosse <strong>Fallstudie</strong> des Studiengangs<br />

Umweltnaturwissenschaften als ein Kernstück der umweltwissenschaftlichen<br />

Ausbildung begriffen. Dabei st<strong>and</strong>en<br />

zweifelsfrei die Aspekte der Multi- bzw. Interdisziplinarität<br />

und der Ganzheitlichkeit im Vordergrund. UmweltwissenschafterInnen<br />

sollten in der Lage sein, ökologische Probleme<br />

wie eine Flussrenaturierung oder den ökologischen<br />

L<strong>and</strong>bau aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und<br />

dabei eine ganzheitliche Bearbeitung des Problems anzustreben.<br />

Eine Erweiterung erfuhr der Gedanke der umweltwissenschaftlichen<br />

<strong>Fallstudie</strong> in den Jahren 1993 und 1994. Unter<br />

Verantwortung der neu eingeführten Professur <strong>UNS</strong><br />

(deutsch Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften,<br />

engl. Chair of Environmental <strong>Science</strong>s: <strong>Natural</strong> <strong>and</strong> <strong>Social</strong><br />

<strong>Science</strong> Interface), wurde einer Realisation einer umfassenden<br />

– Sozial- und Geisteswissenschaften beinhaltenden –<br />

Interdisziplinarität grösste Bedeutung beigemessen. Des<br />

Weiteren wurde der Anspruch formuliert, dass eine angew<strong>and</strong>te<br />

Studie, an der rund 100 Studierende in Zusammenarbeit<br />

mit 20 bis 30 Lehrenden teilnehmen und die das<br />

Pensum eines halben akademischen Semesters umfasst, für<br />

den Fall auch einen Nutzen erbringen sollte. Es sei angemerkt,<br />

dass dieser Aspekt auch heute immer noch Gegenst<strong>and</strong><br />

der Diskussion ist, sowohl unter Studierenden als auch<br />

unter Lehrenden.<br />

Am Departement wurden in den Jahren 1991-1993 bereits<br />

verschiedene interdisziplinäre <strong>Fallstudie</strong>n durchgeführt.<br />

Eine Wendung von der interdisziplinären zur transdisziplinären<br />

<strong>Fallstudie</strong> ergab sich für die Beteiligten eher unerwartet.<br />

Als Geburtsdatum dieser neuen Richtung möchten wir<br />

den 23. Juni 1994 nennen, Geburtsort war das Restaurant<br />

«Bären» in Ins, einer kleinen Gemeinde im schweizerischen<br />

Seel<strong>and</strong>, rund 20 km westlich von Bern. Eingeladen wurde<br />

die dortige Bevölkerung zu einer Informationsveranstaltung<br />

im Rahmen der <strong>Fallstudie</strong> Perspektive Grosses Moos, Wege<br />

246 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Transdisziplinaritäts-Laboratorium <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

zu einer nachhaltigen L<strong>and</strong>wirtschaft. Zu diesem Zeitpunkt<br />

hatten sich 86 Studierende und 25 Lehrende bereits mehrere<br />

Wochen damit beschäftigt, wie Orientierungen und Wege zu<br />

einer nachhaltigen Gemüseproduktion zu finden seien. In<br />

den vielen Gesprächen und Interviews mit der Bevölkerung<br />

wurde den Teilnehmenden immer wieder Skepsis gegenüber<br />

einem studentischen Projekt der <strong>ETH</strong> entgegen gebracht. In<br />

Nachfragen wurde dieser Argwohn mit schlechten Erfahrungen<br />

begründet. Ursache der Bedenken waren dabei nicht<br />

die Interdisziplinarität und die Ziele der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>,<br />

für die Region einen Nutzen zu erzielen. <strong>Die</strong> Skepsis<br />

begründete sich vielmehr in den negativen Erfahrungen,<br />

welche die Region in der Vergangenheit mit wissenschaftlichen<br />

Studien verschiedener Hochschulen gemacht hatte.<br />

Zusammengefasst wurde vermittelt, dass diese Studien sich<br />

meistens mit Einzelaspekten (dem «Steckenpferd» der Forschenden)<br />

beschäftigen würde, die Betroffenen aus der Region<br />

zwar Daten abliefern, dann aber abschliessend von der<br />

Studie keinen oder höchst zweifelhaften Nutzen hätten. Um<br />

diesem negativen Bild entgegenzuwirken, wurde von Seiten<br />

der <strong>Fallstudie</strong> in das Restaurant «Bären» eingeladen.<br />

<strong>Die</strong> Veranstaltung nahm für uns einen ungewohnten Verlauf.<br />

Zum einen rechneten wir nur mit einer sehr kleinen<br />

Anzahl von Interessierten aus der Region. Geplant wurden<br />

individuelle Tischgespräche, die mit einigen improvisierten<br />

Postern umrahmt werden sollten. Auch bei der Mehrzahl der<br />

Studierenden war eine deutliche Zurückhaltung sichtbar.<br />

Doch wir trafen auf eine unerwartet grosse, jedoch umso<br />

erwartungsvoller wartende Anzahl von Einwohnerinnen<br />

und Einwohnern. In einer kurzen Ansprache wurde dargelegt,<br />

dass man nicht gekommen sei, um fertige Ergebnisse<br />

zu organisieren, sondern um zu lernen und am Beispiel des<br />

Falls Grosses Moos, Schwierigkeiten und Möglichkeiten<br />

ökologischen H<strong>and</strong>elns im ländlichen Raum zu erkunden.<br />

Es stellte sich plötzlich ein Werkstattcharakter ein: Lehrende,<br />

Studierende und Beteiligte aus der Region versuchten,<br />

sich in intensivem Gespräch über Zielsetzungen, Sinnhaftigkeit,<br />

Wirkungen, Risiken, Grenzen und Möglichkeiten<br />

einer <strong>Fallstudie</strong> Grosses Moos zu verständigen. Atmosphäre<br />

und Gespräche waren gezeichnet von der Suche nach Neuem<br />

und es bildeten sich Diskussionsgruppen, denen die Zeit<br />

bis zur Polizeistunde nicht ausreichte und die folglich ihren<br />

Austausch nach Mitternacht auf der Strasse fortsetzten.<br />

2.3 Prinzipien des Wissenschaft-Praxis-<br />

Dialogs<br />

Der Einbezug von Praktikern in die Arbeit ist ein wichtiger<br />

Wesenszug des Transdisziplinaritäts-Laboratoriums (TDL)<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>. <strong>Die</strong> Art und Weise dieses Einbezugs<br />

hat sich in den letzten Jahren langsam entwickelt. Folgende<br />

Aspekte sind kennzeichnend:<br />

<strong>Die</strong> Wissenschaft vom Kopf auf die Füsse stellen:<br />

Zentrales Prinzip der Arbeit im TDL der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

ist, dass ein umfassendes Verständnis des Falls und<br />

seiner Problemlagen die dominierende Rolle spielt. Wir<br />

«Was zwischenmenschlich stattfindet – Kennerlernen,<br />

die Lernbereitschaft, Vertrauen schaffen – ist am wichtigsten.»<br />

(Frau Weber, Bäuerin).<br />

«Ich hätte Gemeinderatsitzung gehabt heute Abend,<br />

aber das hier war mir wichtiger. Es war sehr interessant,<br />

ich hatte gute Diskussionen.» (Herr Niklaus-Sieber, L<strong>and</strong>wirt).<br />

«Der Zugang zu den Leuten ist gelungen, denn Zielsetzungen<br />

sind nicht als Forderungen formuliert worden.<br />

Offensichtlich nehmt Ihr die Fragen der Leute ernst.»<br />

(Herr Leiser, kantonales Naturschutz-Inspektorat).<br />

«Im Dialog kann die <strong>Fallstudie</strong> eine gute Richtung nehmen.<br />

Wir wollen kein Schulterklopfen, wir wollen uns<br />

verst<strong>and</strong>en vorkommen, dann hören wir auch besser zu.»<br />

(Herr Tobler, Pfarrer).<br />

«Ich kam mit der Erwartung: <strong>Die</strong> wissen doch alles<br />

besser, wirklich verst<strong>and</strong>en haben sie aber nichts. Aber es<br />

ist sehr positiv, was ich alles erlebt habe, Ihr werdet<br />

Vorschläge bringen, die uns nicht in den Sinn gekommen<br />

wären und umgekehrt. Der Kontakt ist das wichtigste.»<br />

(Herr Kissling, L<strong>and</strong>wirt).<br />

Kasten 2.2.2: Stimmen aus der Veranstaltung im Restaurant<br />

«Bären», Ins (Salatblatt 7/94, S. 1-2). 2<br />

sprechen auch von einem Primat des Falles. Ein Fall wird<br />

zwar aus einer bestimmten theoretischen Perspektive und<br />

Fragestellung angegangen und es ist wichtig, dass diese<br />

Fragestellung beibehalten wird. Wesentlich ist jedoch, dass<br />

der Fall in seiner ganzen Komplexität und Vielfältigkeit<br />

erhalten bleibt und verst<strong>and</strong>en wird.<br />

Fallagenten als Systemexperten<br />

<strong>Die</strong> Fallakteure werden im TDL einer <strong>Fallstudie</strong> nicht als<br />

Betroffene, Problemeigner (problem owners) oder Versuchspersonen<br />

begriffen. Sie sind vielmehr «Systemexperten<br />

einer <strong>and</strong>eren Art». Während die Studierenden und<br />

Dozierenden als Experten für die Zeichenebene, d.h. für<br />

Formeln, Begriffe, Computermodelle etc. angesehen werden,<br />

sind Fallakteure als Fallexperten in dem Sinne zu<br />

betrachten, dass sie den Fall in seiner Gegenständlichkeit am<br />

besten verstehen. Sie werden somit als qualitativ <strong>and</strong>ers<br />

geartete, jedoch im Grundsatz gleichberechtigte Experten<br />

angesehen.<br />

Qualitätskontrolle und Projektcontrolling in<br />

Zusammenarbeit mit dem Fall:<br />

Fallakteure, Studierende und Dozierende kooperieren nicht<br />

nur in der Phase der Problemdefinition, sondern arbeiten<br />

zusammen auch in der Erarbeitung von Orientierungen.<br />

<strong>Die</strong>s geschieht nicht, wie in traditionellen Forschungspro-<br />

2 <strong>Fallstudie</strong>nzeitung der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> ‘94 (nicht mehr erhältlich).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 247


Transdisziplinaritäts-Laboratorium <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

jekten, durch die Übergabe von Daten, Interviews oder<br />

gelegentlichen Gesprächen. In einem TDL besitzt jede Forschungs-<br />

oder Synthesegruppe eine Begleitgruppe aus Fallakteuren<br />

und die Qualitätskontrolle der Studie und ihrer<br />

Produkte wird in systematischer Weise auch durch Fallakteure<br />

gesichert (vgl. Kap. <strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el).<br />

Experiential Case Encounter<br />

Forscher und Wissenschafter sind es normalerweise gewohnt,<br />

in der Beobachterrolle zu verbleiben. <strong>Fallstudie</strong>n<br />

erfordern <strong>and</strong>erseits einen umfassendes Verständnis des<br />

Falls. Um den beteiligten Lernenden und Lehrenden einen<br />

geeigneten Einblick zu gewähren, ist ein erfahrungsbasiertes<br />

Lernen zu organisieren. <strong>Die</strong>ses Lernen bezeichnen wir<br />

als Experiental Case Encounter (Erfahrungstage, Seitenwechsel).<br />

Trennung von Kompetenzbereichen der Fallagenten<br />

und der akademischen <strong>Fallstudie</strong>nmitglieder<br />

<strong>Die</strong> Studierenden und die Dozierenden betrachten es nicht<br />

als Aufgabe, in direkter Weise in konkrete Entscheidungsprozesse<br />

einzugreifen oder an diesen Prozessen zu partizipieren,<br />

wie dies in der Regel in der Aktionsforschung der<br />

Fall ist. Ziel ist es vielmehr, anh<strong>and</strong> eines Falles in einen<br />

gemeinsamen Lernprozess zu treten, um für wichtige theoretische<br />

Fragen oder Konzepte wie «nachhaltige Entwicklung»<br />

oder «ökoeffizientes H<strong>and</strong>eln» theoretische Einsichten<br />

zu erlangen. Für diese Art der <strong>Fallstudie</strong> wird auch der<br />

Begriff Ground-Breaking Case Study (Ronstadt, 1993) verwendet.<br />

Trägerschaft und Identifikation mit der <strong>Fallstudie</strong><br />

Studierende und Fallakteure sollen im Verlauf der <strong>Fallstudie</strong><br />

eine Identifikation mit der <strong>Fallstudie</strong> entwickeln. In der<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> wurde dazu der Begriff der Trägerschaft<br />

entwickelt.<br />

Methodengestützte Wissensorganisation<br />

Schon in der ersten <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> im Jahre 1994<br />

wurde die besondere Wichtigkeit von Wissensintegration<br />

hervorgehoben (Scholz et al., 1995, S. 7). Eine wichtige<br />

Erkenntnis war, dass eine solche Wissensintegration nicht<br />

im «Selbstlauf» realisiert wird, sondern es dazu besonderer<br />

Methoden bedarf (s. a. Kap. Entwicklung der <strong>Fallstudie</strong>nmethoden).<br />

Von diesem neuartigen Dialog profitieren beide Seiten<br />

gleichermassen: die Hochschule verlässt ihren «Elfenbeinturm»<br />

und tritt in direkten Kontakt mit ausseruniversitären<br />

Realitäten. Der Fall erhält einen Spiegel vorgehalten, eine<br />

unbeeinflusste Sicht von aussen. <strong>Die</strong> <strong>Fallstudie</strong> kommt von<br />

aussen, ist neutral und hat deshalb ein Moderations-, bzw.<br />

Mediationspotenzial. Sie bindet Leute ein, bringt Leute<br />

zusammen und wirkt im Fall harmonisierend.<br />

3 Praxis des TDL<br />

Wie wir gesehen haben, ist das transdisziplinäre Vorgehen<br />

zentral für die <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>. Entscheidend ist dabei<br />

die gemeinsame Problemdefinition und -bearbeitung zusammen<br />

mit den Fallakteuren, es wird ein «mutual learning»<br />

angestrebt. Damit werden die Prozesse, die zu gemeinsamen<br />

Produkten führen, zentral (vgl. Kap. <strong>Fallstudie</strong>ndidaktik).<br />

<strong>Die</strong>se Anforderungen unterscheiden sich von klassischen<br />

Projektaufgaben in (inter-) disziplinären Forschungsprojekten:<br />

die auftretenden Probleme sind akzentuierter, erfordern<br />

neue Formen der Zusammenarbeit, und die Kommunikation<br />

beansprucht viel Zeit und hat grosse Bedeutung (Aenis &<br />

Nagel, 2000; Br<strong>and</strong>, 2000; Weiss, 2000).<br />

Das Projekt <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> ist mit den verschiedensten<br />

Schnittstellen konfrontiert, die zum ersten erkannt<br />

und dann auch gezielt verfeinert werden müssen. <strong>Die</strong> Beteiligten<br />

stehen zwischen verschiedenen Kulturen von unterschiedlichen<br />

Wissenschaften und der Praxis und müssen<br />

diese Grenzen überwinden (Gieryn, 1983; Thompson Klein,<br />

1996). <strong>Die</strong>se Art der Kompetenz braucht praktische, langjährige<br />

Erfahrung, Permanenz, fortlaufende Optimierungen<br />

und kann nicht nur theoretisch erarbeitet werden. In der<br />

<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> findet sich diese Kernkompetenz einerseits<br />

im <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>nbüro und in einem festen Pool von<br />

langjährigen Tutorierenden. Als wissenschaftliches Bezugssystem<br />

für die involvierten Forscherinnen und Forscher<br />

bleibt für längere Zeit noch die klassisch disziplinäre Forschung,<br />

man wird an deren Qualitätskriterien gemessen.<br />

Erst langsam entstehen spezifische Evaluationsinstrumente<br />

für inter- und transdisziplinäre Forschung, die den Spezifitäten<br />

dieser Art Forschung Rechnung tragen (Defila & Di<br />

Giulio, 1999; Shaapen & Wamelink, 1999).<br />

3.1 Schnittstellen: «boundary objects»<br />

als Vermittlungsinstanz<br />

In der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> bestehen unterschiedliche<br />

Schnittstellen, die alle beachtet und verwaltet werden müssen.<br />

Für gewisse Schnittstellen wurden in den letzten Jahren<br />

Institutionen geschaffen, die diese optimieren sollen.<br />

Schnittstelle zwischen <strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>nbüro und Fall<br />

<strong>Die</strong> Person des Pivots bildet eine zentrale Schnittstelle zwischen<br />

Hochschule und Praxis. Der Pivot ist ein ständiger<br />

Ansprechpartner im Fall, der sowohl in organisatorischen<br />

als auch in fachlichen Belangen die richtigen Informationen<br />

und Kontakte vermitteln kann. Idealerweise wird er unterstützt<br />

durch eine fallinterne Arbeitsgruppe, um eine fallinterne<br />

Koordination der Arbeiten und Zuständigkeiten zu<br />

erreichen und zentrale Entscheidungen vorzubereiten und<br />

mit zu tragen. Unterstützt wird diese Funktion durch den<br />

Beirat.<br />

248 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Transdisziplinaritäts-Laboratorium <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

Schnittstelle zwischen <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> und<br />

Hochschule<br />

Zentrales Element bilden die wissenschaftlichen Paten bzw.<br />

Träger, die sich jeweils einer Synthesegruppe annehmen,<br />

dieser Rückmeldung zu schriftlichen Papieren geben und<br />

den Zugang zur aktuellen wissenschaftlichen Diskussion<br />

ermöglichen. Auch diese Funktion wird unterstützt durch<br />

den Beirat.<br />

Schnittstelle zwischen Synthesegruppen und Fall<br />

Der direkte Kontakt zwischen den einzelnen Synthesegruppen<br />

und dem Fall wird in Begleitgruppen hergestellt, die<br />

Arbeiten der Studierenden kritisch begleiten. Wiederum<br />

kommt dem Beirat eine wichtige Rolle zu.<br />

Schnittstellen der Synthesegruppen unterein<strong>and</strong>er<br />

Während des Semesters finden wöchentliche Organisationssitzungen<br />

(vgl. Kap. <strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el) statt, an<br />

denen organisatorische Informationen ausgetauscht und geplante<br />

Arbeiten koordiniert werden.<br />

Schnittstelle zwischen den Tutorierenden der<br />

verschiedenen Synthesegruppen<br />

Neben den internen Sitzungen der jeweiligen Tutorierendenteams<br />

werden zwei Abende, ein Tag vor Beginn des<br />

Semesters und regelmässige Sitzungen während des Semesters<br />

organisiert. An diesen Terminen werden Prinzipien und<br />

Funktionsweise der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> vermittelt, und es<br />

erfolgt eine Koordination und Absprache über die Grenzen<br />

der Synthesegruppen hinweg. Alle Tutorierenden erhalten<br />

weiter eine Grundausbildung in <strong>Fallstudie</strong>nmethoden. <strong>Die</strong>se<br />

Ausbildung vermittelt auch eine Art eigene Sprache zum<br />

inhaltlichen Projektmanagement und zur Wissensintegration.<br />

Wichtig für ein gemeinsames Verständnis der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong> sind sogenannte «boundary objects» 3 (vgl. Star &<br />

Griesemer, 1989): man muss sich auf gemeinsame Begrifflichkeiten<br />

einigen, wobei aber die Begriffe durchaus vage<br />

bleiben können und anpassungsfähig sein müssen. So wurde<br />

z.B. in der <strong>Fallstudie</strong> Grosses Moos der Begriff «Agrarkonsens»<br />

als «Übersetzungshilfe für verschiedene Wissensbereiche»<br />

gebraucht (Mieg, Scholz & Stünzi, 1996, S. 12).<br />

Auch der Begriff «Fall» dient hier als Beispiel: wir bezeichnen<br />

damit einerseits das Untersuchungsgebiet <strong>and</strong>ererseits<br />

auch die darin wohnenden bzw. arbeitenden Personen. Im<br />

Gegensatz zu einer wissenschaftlichen Systemanalyse wird<br />

man die Grenzen nicht einheitlich ziehen. Es müssen und<br />

können je nach Fragestellung unterschiedliche Grenzen gewählt<br />

werden, so lange gewährleistet ist, dass Bezüge zwischen<br />

den verschiedenen Gruppen hergestellt werden können.<br />

Hilfreich für ein gemeinsames Fallverständnis sind<br />

insbesondere Visualisierungen, wie L<strong>and</strong>karten, Luftbildaufnahmen<br />

und <strong>and</strong>ere Fotografien, aber auch Fallbegegnungen.<br />

Innerhalb des Semesters wird dies angestrebt durch<br />

den sogenannten «Falltag» in der ersten Semesterwoche, an<br />

dem Studierende und Tutorierende gemeinsam den Fall<br />

«erfahren», und die Erfahrungstage, an dem alle Studierenden<br />

einen Seitenwechsel vornehmen und den Fall «mit allen<br />

Sinnen erleben» sollen (vgl. Kap. <strong>Fallstudie</strong> im W<strong>and</strong>el).<br />

3.2 Kommunikation: eine Reihe von<br />

Zwischenprodukten als Hilfsmittel<br />

<strong>Die</strong> Wissensdiffusion zwischen Praxis und Wissenschaft<br />

stellt eine zentrale Anforderung an die Arbeiten der <strong>ETH</strong>-<br />

<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> dar. Unterschiedlichste Instrumente – z.B.<br />

Informationsveranstaltungen, Medienmitteilungen, <strong>Fallstudie</strong>nzeitung,<br />

«Stammtische» – wurden <strong>and</strong>ernorts diskutiert<br />

(vgl. Mieg & Scholz, 1999, S. 199). Durch Kommunikation<br />

sollen Kooperationsstrukturen geschaffen werden, die auch<br />

über die eigentliche Projektarbeit hinaus bestehen bleiben<br />

(Mieg & Scholz, 2001). Hier soll ein Ausschnitt von Möglichkeiten<br />

zur Stärkung der Kommunikation vertieft werden:<br />

die Rolle diverser schriftlicher Zwischenprodukte und<br />

der dazu führenden Prozesse. In einem Grossprojekt wie der<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> kommt diesen schriftlichen Produkten<br />

eine grosse Bedeutung zu. Sie unterstützen eine gezielte<br />

Kommunikation, klären wesentliche Dinge und bewirken<br />

einen offenen, für alle überschaubaren Arbeitsprozess. Für<br />

die <strong>Fallstudie</strong> 2001 ist geplant, den ganzen Prozess und<br />

Ablauf auf dem Internet zu dokumentieren, so dass der<br />

Zugriff auf aktuelle Dokumente, laufende Arbeiten und<br />

Prozesse für alle Beteiligten zeitgleich und von überall<br />

möglich wird.<br />

Projektskizze<br />

Bei den ersten Sitzungen mit den Fallakteuren muss die<br />

<strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> erklärt werden. Auf der <strong>and</strong>eren Seite<br />

muss sich die Hochschule mit dem Fall ausein<strong>and</strong>ersetzen,<br />

ein erstes tieferes Verständnis der Problemlagen erarbeiten.<br />

Auf Grundlage der Diskussionen mit verschiedenen Fallvertretern<br />

wird vom <strong>Fallstudie</strong>nbüro eine Projektskizze erstellt.<br />

Es erfolgt eine erste gegenseitige Annäherung, ein erster<br />

gemeinsamer Lernprozess von Wissenschaft und Praxis<br />

setzt ein.<br />

3 «Das spezielle an den Grenzsteinen, wie auch an den damit bezeichneten boundaries, ist dabei zweierlei: Erstens, dass sie Territorien vonein<strong>and</strong>er trennen<br />

und sie gleichzeitig mitein<strong>and</strong>er verbinden, da sie ja immer zu beiden zugleich gehören. Und zweitens, dass sie als negotiable entities verst<strong>and</strong>en werden,<br />

dass sie also nicht starr und unveränderlich sind, sondern als Objekte von Aush<strong>and</strong>lungsprozessen dienen können.» (Pohl, 2000, S. 6, Hervorhebungen im<br />

Original).<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 249


Transdisziplinaritäts-Laboratorium <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

Abb. 3.1: Akteurgruppen in<br />

der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>:<br />

Beirat als zentrale Schnittstelle<br />

zwischen den verschiedenen<br />

involvierten Akteuren.<br />

interessierte Studierende beteiligt. <strong>Die</strong> Grobkonzepte werden<br />

in einer ersten Beiratssitzung vorgestellt und diskutiert.<br />

Definitive Konzepte Synthesegruppen<br />

<strong>Die</strong> überarbeiteten Grobkonzepte bilden die Grundlage der<br />

eigentlichen <strong>Fallstudie</strong>narbeiten, wobei von den Studierenden<br />

in den ersten vier Wochen des Semesters eine definitive<br />

Fassung erstellt wird. <strong>Die</strong>ses sogenannte Synthesekonzept<br />

wird vom verantwortlichen Hochschullehrer, dem <strong>Fallstudie</strong>nbüro<br />

und Fallvertretern begutachtet.<br />

Abb. 3.2.1: Das <strong>Fallstudie</strong>nbüro in Weisweil. Es bestehen<br />

verschiedene Möglichkeiten, die Kommunikation zwischen<br />

Fall und Praxis zu institutionalisieren. Eine ist die Präsenz<br />

vor Ort (Mieg & Scholz, 1999). In den <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong>n<br />

1997 und 1998 war das <strong>Fallstudie</strong>nbüro in einem ehemaligen<br />

Rathaus untergebracht, einem Zentrum örtlicher Kommunikation,<br />

wo sich auch verschiedenste Vereine treffen<br />

(Photo: S<strong>and</strong>ro Bösch).<br />

Grobkonzept Gesamtfallstudie und Synthesegruppen<br />

Im Grobkonzept wird festgelegt und beschrieben, welche<br />

Hauptfragestellungen bearbeitet werden und in welchen<br />

Synthesegruppen gearbeitet werden soll. Spätestens zu diesem<br />

Zeitpunkt werden Studierende aktiv in die Arbeiten<br />

einbezogen. Auf Ebene Synthesegruppen werden die Fragestellungen<br />

der einzelnen Synthesegruppen konkretisiert sowie<br />

Datenlage und Datenbedarf abgeklärt. An den Vorbereitungssitzungen<br />

sind das jeweilige Tutorierendenteam und<br />

Teilprojektberichte<br />

An einem Postermarkt in der zehnten Semesterwoche präsentiert<br />

sich jedes Teilprojekt mit einem Poster. Als Grundlage<br />

für den Postermarkt dient ein kurzes Teilprojektpapier.<br />

<strong>Die</strong> Unterlagen werden an den Beirat verschickt, damit<br />

dieser an seiner zweiten Sitzung die Arbeiten diskutieren<br />

kann.<br />

Entwurf Syntheseberichte<br />

Zum Abschluss der Arbeiten während des Semesters wird<br />

von allen Synthesegruppen ein Synthesepapier erstellt. <strong>Die</strong>se<br />

Unterlagen dienen als Grundlage für die dritte Beiratssitzung<br />

in der ersten Woche nach dem Semesterende. <strong>Die</strong><br />

Sitzung soll die Arbeiten und Resultate bewerten und die<br />

folgenden Arbeiten für den B<strong>and</strong> ausrichten.<br />

250 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Transdisziplinaritäts-Laboratorium <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

Abb. 3.3: Mehrstufiges Reviewverfahren bei der Erstellung<br />

des <strong>Fallstudie</strong>nb<strong>and</strong>es, das die Qualität der Endprodukte<br />

garantieren soll.<br />

Abb. 3.2.2: <strong>Die</strong> unterschiedlichen Zwischenberichte im Ablauf<br />

der <strong>Fallstudie</strong> unterstützen die Kommunikation zwischen<br />

Wissenschaft und Praxis. <strong>Die</strong> Vorbereitungsarbeiten<br />

beginnen in der Regel zwei Jahre vor dem eigentlichen<br />

Beginn des <strong>Fallstudie</strong>nsemesters.<br />

3.3 Qualitätskontrolle: verschiedene<br />

sich gegenseitig ergänzende<br />

Elemente<br />

In der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> wird Qualitätskontrolle nicht als<br />

einmalige Aktivität zum Abschluss der Arbeiten verst<strong>and</strong>en,<br />

sondern als fortlaufender Prozess. Alle oben angesprochenen<br />

Institutionen und Werkzeuge haben dabei grosse<br />

Bedeutung:<br />

– der Pivot und die fallinterne Arbeitsgruppe, sowie die<br />

Begleitgruppen garantieren, dass die bearbeiteten Fragestellungen<br />

für den Fall relevant sind,<br />

– der Beirat begutachtet Konzeptpapiere und steuert die<br />

Ausrichtung der Arbeiten,<br />

– die wissenschaftlichen Träger und Paten geben Rückmeldungen<br />

und ermöglichen somit die Anbindung an aktuelle<br />

wissenschaftliche Diskussionen,<br />

– die Tutorierenden erarbeiten die Grobkonzepte ihrer<br />

Synthesegruppen, sorgen für bestmögliche Umsetzung<br />

der Vorarbeiten und sichern die fachliche und methodische<br />

Qualität der Arbeiten,<br />

– das <strong>Fallstudie</strong>nbüro und der verantwortliche Hochschullehrer<br />

prüfen fortlaufend den Fortschritt und die inhaltliche<br />

Qualität der Arbeiten.<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 251


Transdisziplinaritäts-Laboratorium <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

Wichtig für die Qualität der Arbeiten ist ein gemeinsames<br />

Verständnis der <strong>Fallstudie</strong>: alle Beteiligten müssen sich<br />

verantwortlich fühlen für den Prozess und die erarbeiteten<br />

Produkte. Lehrende werden zu Trägern der <strong>Fallstudie</strong>. Hier<br />

kommt dem <strong>Fallstudie</strong>nbüro und dem verantwortlichen<br />

Hochschullehrer eine zentrale Aufgabe zu: sie müssen fortlaufend<br />

vermitteln und erklären, was die <strong>Fallstudie</strong> will,<br />

kann bzw. eben nicht kann. Realistische Erwartungen sind<br />

die Kernvoraussetzung guter Qualität.<br />

Erhöhte Aufmerksamkeit erfordert die Erstellung des<br />

<strong>Fallstudie</strong>nb<strong>and</strong>es. Hierzu wurde ein mehrstufiges Reviewverfahren<br />

eingerichtet, das grösstmögliche Qualität der erzeugten<br />

Produkte garantieren soll (vgl. Abb. 3.3). <strong>Die</strong> Synthesegruppen<br />

erstellen zuerst intern einen ersten Entwurf,<br />

der von den Tutorierenden sorgfältig geprüft wird. Aufgrund<br />

einer ersten Rückmeldung vom Hauptherausgeber<br />

und dem Redakteur (fachlich qualifizierte und erfahrene<br />

Person, die während der Nachbearbeitung zusätzlich angestellt<br />

wird) werden die Berichte überarbeitet. Falls die dann<br />

vorliegende Fassung den Ansprüchen genügt, wird sie in ein<br />

externes Review geschickt (Fachleute aus Wissenschaft und<br />

Praxis). Danach erfolgen die notwendigen Überarbeitungen<br />

bis hin zur druckfertigen Aufbereitung von Text, Grafiken<br />

und Layout. <strong>Die</strong> Endkontrolle obliegt der Herausgeberschaft<br />

und der Redaktion.<br />

4 Folgerungen:<br />

Institutionalisierung<br />

transdisziplinärer Schnittstellen<br />

Es bedarf geeigneter institutioneller Einrichtungen, in denen<br />

der Wissenschaft-Praxis-Dialog zur Erarbeitung neuen Wissens,<br />

neuer Methoden, alternativer Problemlösestrategien<br />

usw. entwickelt wird. Wir sind überzeugt, dass eine Paradigmenerweiterung<br />

in der Wissenschaft auch mittelfristig die<br />

einzige Möglichkeit ist, um sozial robuste Lösungen für<br />

reale, komplexe Probleme zu erarbeiten (Gibbons & Nowotny,<br />

2001). Der Umweltbereich ist ein prototypisches Feld,<br />

wo die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis notwendig<br />

ist (Kleiber, 2001). Für die Wissenschaft stellt sich<br />

dabei die Herausforderung, neue Formen der internen<br />

Arbeitsteilung, wie auch der Kommunikation mit externen<br />

Stellen zu finden. <strong>Die</strong> <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> stellt hierbei<br />

eine Werkstatt dar, wie sie von Scholz & Marks (2001, S.<br />

252, vgl. Abb. 4) vorgeschlagen wurde. WissenschafterInnen,<br />

Studierende und Fallakteure kooperieren über einen<br />

bestimmten Zeitraum, um nach Abschluss der <strong>Fallstudie</strong><br />

wieder in ihre «Heimat zurückzukehren».<br />

<strong>Die</strong> Erfahrungen von nunmehr acht Jahren <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong><br />

<strong>Fallstudie</strong>n zeigen, dass Fall und Hochschule von solchen<br />

Laboratorien profitieren können. Für die Wissenschaft bedeutet<br />

dies, dass sie ein neues Verhältnis zur Praxis und ein<br />

neues Selbstverständnis entwickelt. Bezogen auf den Fall ist<br />

sie nicht der «Nabel der Weisheit». <strong>Die</strong>s erfordert Kooperation<br />

und Kommunikation jenseits der «sender-receiver-metaphor»<br />

und des Wissenschaftsmarketings. <strong>Die</strong> bis anhin<br />

erzielten Erfahrungen der <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> zeigen, dass<br />

Transdisziplinarität möglich ist, wenn Schnittstellen, Kommunikation,<br />

Rollen und Partnerschaften geeignet definiert<br />

Abb. 4: <strong>Die</strong> Idee zur Institutionalisierung von Transdisziplinaritäts-Laboratorien<br />

wurde auf der internationalen Konferenz<br />

zu «Transdisciplinarity: Joint Problem Solving Among<br />

<strong>Science</strong>, Technology <strong>and</strong> Society» diskutiert (Häberli,<br />

Scholz, Bill & Welti, 2000; Scholz, Häberli, Bill & Welti,<br />

2000; Thompson Klein et al., 2001): Wissenschafter und<br />

Praktikerinnen kooperieren temporär in Problemdefinition<br />

bzw. Problemlösung und kehren nach gemeinsamer Projektzeit<br />

mit neuem Wissen und neuen Orientierungen in ihre<br />

eigenen Arbeitsbereiche zurück.<br />

252 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Transdisziplinaritäts-Laboratorium <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong><br />

und nach Möglichkeit institutionalisiert werden. <strong>Die</strong>s verlangt<br />

einen hohen Aufw<strong>and</strong> in der Prozesssteuerung, der<br />

aber nicht davon abhalten darf, wissenschaftliche Arbeit und<br />

Ergebnisse von hoher Qualität zu liefern.<br />

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254 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Abkürzungsverzeichnis<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

AG Aktiengesellschaft<br />

Bahn 2000 Modernisierungsprojekt von Rollmaterial<br />

und Infrastruktur bei der SBB<br />

BfS Bundesamt für Statistik<br />

BUC BahnUmwelt-Center<br />

BUWAL Bundesamt für Umwelt, Wald und L<strong>and</strong>schaft<br />

DALY Disability Adjusted Life Years<br />

DB Deutsche Bahn AG<br />

EI 99 Eco-Indicator 99<br />

<strong>ETH</strong> Eidgenössische Technische Hochschule<br />

(Zürich)<br />

EU Europäische Union<br />

EWLV Einzelwagenladungsverkehr<br />

FE Funktionelle Einheit<br />

FG Ferngüterzug<br />

FinöV Bundesbeschluss über Bau und Finanzierung<br />

der Infrastrukturvorhaben des öffentlichen<br />

Verkehrs<br />

FS <strong>Fallstudie</strong><br />

FSK <strong>Fallstudie</strong>nkommission<br />

GB Geschäftsbereich<br />

GBRT Gesamtbruttotonnen<br />

GTN Gütertransportnutzen<br />

HVS Hauptverkehrsstrassen / Autostrassen<br />

KV kombinierter Verkehr<br />

LCA Life Cycle Asessment<br />

LG L<strong>and</strong>is & Gyr<br />

LITRA Informationsdienst für öffentlichen Verkehr<br />

LKW Lastwagen<br />

LSV Lärmschutzverordnung<br />

LSVA Leistungsabhängige Schwerverkehrs-Abgabe<br />

LUK Lärmübersichtskataster<br />

LWL Lieferwagen<br />

MGB Migros-Genossenschafts-Bund<br />

MICMAC: Matrice d’Impacts Croisés – Multiplication<br />

Appliqueé à un Classement<br />

NEAT Neue Eisenbahn-Alpen-Transversale<br />

NFP 41 Nationales Forschungsprogramm «Verkehr<br />

und Umwelt. Wechselwirkungen Schweiz-<br />

Europa»<br />

NG Nahgüterzug<br />

NMHC nicht-methanogene Kohlenwasserstoffe<br />

ÖBB Österreichische Bundesbahnen<br />

ÖE Ökoeffizienz<br />

ÖV öffentlicher Verkehr<br />

PDF Potentially Disapeared Fraction<br />

pkm Personenkilometer<br />

PW Personenwagen<br />

RL Rollende L<strong>and</strong>strasse<br />

RZ Regionalzug<br />

SBB Schweizerische Bundesbahnen<br />

SBB AG Schweizerische Bundesbahnen AG<br />

SD System Dynamics<br />

SGZZ St. Galler Zentrum für Zukunftsforschung<br />

SNCF Société National de Chemin de Fer<br />

SZ Schnellzug<br />

TDL Transdisziplinaritäts-Laboratorium<br />

TK Transportkette<br />

tkm Tonnenkilometer<br />

TQ Transportqualität<br />

UBP Umweltbelastungspunkte<br />

UCPTE-Mix Europäischer Strommix<br />

UIC Union Internationale des Chemins de fer,<br />

Internationaler Eisenbahnerverb<strong>and</strong><br />

UKV Unbegleiteter Kombiverkehr<br />

<strong>UNS</strong> Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften<br />

UVEK Eidgenössisches Departement für Umwelt,<br />

Verkehr, Energie und Kommunikation<br />

WBCSD World Business Council for Sustainable<br />

Development<br />

WLV Wagenladungsverkehr<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 255


Index<br />

Index<br />

A<br />

Akteure 42<br />

- Öffentliche H<strong>and</strong> 146, 151<br />

- SBB Cargo 145, 151<br />

- Strassen-Transportunternehmer<br />

146, 151<br />

- Verlader 146, 151<br />

Akteursnetz 144<br />

Akteurspositionen 147<br />

Aktivität<br />

- von Einflussfaktoren 159<br />

Alpeninitiative 63<br />

Arbeitsgruppe<br />

- Szenarien 31<br />

Arbeitsproduktivität 92<br />

Auslastung 30<br />

- Schiene 193<br />

- Strasse 193<br />

Aussenminister 220<br />

B<br />

backward-planning 224<br />

Bahn<br />

- Produktivität 68<br />

- Umweltverträglichkeit 68<br />

Bahnfrustration 66<br />

Bahnmalus 30<br />

Bahnreform 51ff, 63, 157<br />

BahnUmwelt-Center 34, 57<br />

Berichtverantwortliche 221<br />

Binnenkombi-System 63<br />

Böschung 116, 132<br />

Böschungspflege<br />

- alternative 42, 133<br />

boundary objects 248<br />

Brunswiksches Linsenmodell 236<br />

C<br />

Cargosprinter 108<br />

Cham Paper Group 100, 198<br />

Citylogistik 63, 67<br />

Coaching 221<br />

D<br />

DALY 188<br />

DIANE 63<br />

Didaktik 217<br />

- Weiterentwicklung 226<br />

Dokumentaristen 220<br />

Dosis-Wirkungs-Beziehungen 186,<br />

192<br />

Durchlässigkeitsmodell 122<br />

E<br />

Eco-Indicator 99 95, 184<br />

ECOINVENT 94<br />

Einflussfaktoren 158f<br />

Einflussmatrix 159<br />

Eisenbahnverb<strong>and</strong><br />

- internationaler 28<br />

Energie 2000 63<br />

Erfahrungstag 213, 240<br />

Experimental Case Encounter 248<br />

Expositionsanalyse 185, 192<br />

externe Kosten 61<br />

F<br />

Fahrzeugkilometer 193<br />

Fahrzeugpark 143<br />

Faktor 4 35, 68, 177<br />

<strong>Fallstudie</strong><br />

- als Lehrveranstaltung 219<br />

- Anwendungsziel 231<br />

- Forschungsziel 231<br />

- Grundsätze 245<br />

- Identifikation mit 248<br />

- Kommunikation 210, 249<br />

- Kompetenzbereiche 248<br />

- Lernziel 231<br />

- Methoden 229<br />

- Planung 210<br />

- Produkte 212<br />

- Projektcontrolling 247<br />

- Prozesse als Produkte 212<br />

- Qualitätskontrolle 247, 251<br />

- Trägerschaft 248<br />

- Zeitplan 212<br />

- Zielfindung 212<br />

- Zukunft 215<br />

<strong>Fallstudie</strong>nb<strong>and</strong><br />

- Reviewverfahren, mehrstufiges<br />

251<br />

<strong>Fallstudie</strong>nbeirat 39<br />

<strong>Fallstudie</strong>nbüro<br />

- Aufgaben 208<br />

<strong>Fallstudie</strong>nforschung 235<br />

<strong>Fallstudie</strong>nkommission 209<br />

Feedback 225f<br />

Ferngüterzug 190<br />

FINÖV 63<br />

free access 52<br />

funktionelle Einheit 96f<br />

Furmia 107<br />

G<br />

Gesamtfallstudie<br />

- Grobkonzept 250<br />

Gesamtsynthese 210<br />

Gesamtverkehrskonzeption 61<br />

GIS 122<br />

Graschlad 126<br />

Grossraum 116, 122, 130<br />

Gruppenprozesse 219<br />

- Grundlagen, sozialpsychologische<br />

222<br />

- Phasen 223<br />

- Steuerung 222, 224ff<br />

Güter<br />

- bahnaffine 28<br />

Güterforum 43, 148<br />

Gütertransport<br />

- Anteil 28<br />

Gütertransportnutzen (GNT) 93, 96ff<br />

Güterverkehr 28<br />

- kombinierter (KV) 63<br />

Güterverkehrs-Forum 70<br />

Güterverkehrszentren 67<br />

H<br />

H<strong>and</strong>lungsoptionen 151<br />

I<br />

ill-defined problems 231<br />

Integration<br />

- von Disziplinen 233<br />

- von Interessen 234<br />

- von Systemen 234<br />

- von Wissen 234<br />

Integriertes Risikomanagement 239<br />

Intermodalität 67<br />

Internationaler Eisenbahnverb<strong>and</strong><br />

(UIC) 176<br />

Internet 215<br />

K<br />

Kanton Zug<br />

- Attraktivität 77<br />

- Bevölkerung 77<br />

- Eisenbahn 82<br />

- Verkehr 85<br />

Kapitalproduktivität 92<br />

Kleinraum 116, 119, 130<br />

Kommunikationsmittel 210<br />

Kommunikationsstörungen 184, 186<br />

Konsistenzanalyse 159ff<br />

Korridore für Wildtiere 123<br />

K.O.-Wert 104<br />

256 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Index<br />

L<br />

L<strong>and</strong>is & Gyr 80<br />

L<strong>and</strong>schaftsästhetik 41<br />

L<strong>and</strong>schaftsbewertung 127<br />

L<strong>and</strong>strasse<br />

- rollende 64<br />

L<strong>and</strong>verkehrsabkommen 67<br />

Lärm 44, 183<br />

- Ausbreitungsmodell 184, 189<br />

- beeinträchtigte Personen 186<br />

- betroffene Personen 186, 200<br />

- Kosten 183<br />

- Modellanpassung 196<br />

- Modellvergleich 194<br />

- Übertragbarkeit der Resultate<br />

200<br />

Lärmbilanz 200<br />

Lärmimmissionen 189<br />

Lärmpegel<br />

- Zunahme, ∆Leq 185, 187, 189<br />

Lärmschaden 188, 193<br />

Lehre-Forschungs-Anwendungs-<br />

Paradigma 234<br />

Lehrveranstaltung<br />

- problemorientierte 205<br />

Lernen<br />

- selbstverantwortliches 220<br />

Life Cycle Assessment (LCA) 94,<br />

231<br />

Logistik<br />

- Bedürfnisse 139<br />

- Konzepte 65<br />

- Verantwortliche 220<br />

LSVA 63, 143<br />

M<br />

Migros 101, 198<br />

Mobiler-LKW 107<br />

Moderation 225<br />

Modularisierung 210<br />

Monetarisierungs-Ansatz 37<br />

Multiattributive Nutzentheorie 239<br />

mutual learning 31, 207<br />

N<br />

Nachtfahrverbot 66<br />

Nahgüterzug 190<br />

Naturraum 41, 115<br />

NEAT 63<br />

Nestlé 79<br />

Networking 31<br />

Netzzugang<br />

- freier 52<br />

NFP 41 28, 35, 61, 63<br />

O<br />

Ökobilanz 94, 240<br />

Ökobilanzierung 40, 183<br />

Ökobonus 28<br />

Ökoeffizienz 40, 92<br />

open access 33, 52<br />

Organisation<br />

- disziplinorientierte 205<br />

- systemorientierte 205<br />

Organisationsformen 210<br />

Orientierungen für zukünftiges H<strong>and</strong>eln<br />

206<br />

P<br />

Papierfabrik Cham 79<br />

Passivität<br />

- von Einflussfaktoren 159<br />

Pegasus 63<br />

Pegelkorrektur 189f<br />

Potenzialanalyse<br />

- bioökologische 240<br />

Professur für Umweltnatur- und<br />

Umweltsozialwissenschaften<br />

(<strong>UNS</strong>) 205<br />

Projektablauf 223<br />

Projektorganisation 208<br />

Projektplanung 224<br />

Projektunterricht 219<br />

psychosoziale Ebene 223<br />

R<br />

Raumnutzungsverh<strong>and</strong>lungen 240<br />

Refugialraum 119<br />

Region Zugersee 33, 37<br />

Risch 126<br />

Rothirsch 122<br />

S<br />

SBB<br />

- Emissionskataster 189<br />

- Kategorisierung des Streckennetzes<br />

190<br />

- Umweltmanagement 53<br />

- Umweltschutz 53<br />

- Umweltstrategien 53<br />

Schadenabschätzung 187, 192<br />

Schadenkategorien 95<br />

Schienenlärm 183, 189<br />

- betroffene Personen 192<br />

Schlafstörungen 184, 186<br />

Schutzgüter 95<br />

Shuttle-Züge 146<br />

Stadtbahn<br />

- Zuger 86<br />

Stoffflussanalyse 231, 239<br />

Störwirkungskurve 186<br />

Strassenlärm 183<br />

Strassentypen 185<br />

Strommix 37, 141<br />

Swissmetro 64<br />

Synthese 210, 232<br />

Synthesegruppe<br />

- Akteure 31<br />

- Naturraum 31<br />

- Ökoeffizienz 31, 40<br />

Synthese-Moderation 240<br />

Synthesephase I 210ff<br />

Synthesephase II 211f<br />

System Dynamics 231, 239<br />

Systemexperten 247<br />

System-Graph 160<br />

System-Grid 159<br />

Szenarien 157<br />

Szenarien 43<br />

Szenario<br />

- Erfolg dank Ökologie 167<br />

- Gewinnmaximierung 165, 168<br />

- Misere 168<br />

- Trend 164, 166<br />

Szenarioanalyse<br />

- formative 43, 158, 232, 238<br />

Szenario-Technik 157<br />

T<br />

Teamteaching 221<br />

Teilprojekte 211f<br />

Tonnenkilometer 193<br />

Transdisziplinarität 246<br />

Transdisziplinaritäts-Laboratorium<br />

243<br />

Transport<br />

- Eigenschaften 66<br />

- Entscheide 66<br />

Transportkette 140<br />

- Lärmbilanzen 197, 200<br />

Transportqualitäten 97<br />

Tutoren 221<br />

- Didaktiktutorierende 221<br />

- Experten in <strong>Fallstudie</strong>nmethoden<br />

222<br />

- Fachtutorierende 222<br />

- Systemtutorierende 222<br />

U<br />

UBP-Methode 141<br />

UIC Railplan 176<br />

Umsteigeelastizitäten 28<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 257


Index<br />

Umweltbelastungspunkte-Methode<br />

141<br />

Umweltnetzwerk 34, 57<br />

Umweltvorteil der Bahn 53<br />

<strong>UNS</strong> 31<br />

<strong>UNS</strong> <strong>Fallstudie</strong> 27, 31<br />

V<br />

Vegetationsaufnahme 119<br />

Verkehrstelematik 64<br />

Verkehrsverlagerung 27<br />

Verlader 140<br />

Verzinkerei Zug 81<br />

Visualisierung 225<br />

Vorsprung<br />

- ökologischer 30<br />

V-Zug 99, 197<br />

W<br />

Waldr<strong>and</strong> 119<br />

Waldr<strong>and</strong>bewertung 120<br />

Wirtschaftsst<strong>and</strong>ort Zug 76<br />

Wissenschaft-Praxis-Dialog 247, 252<br />

Wissensintegration 232, 234<br />

- methodengestützte 248<br />

Wochenverantwortliche 220<br />

Wohnungsbelegung 192<br />

Z<br />

Zugsbildung<br />

- intelligente 68<br />

Zugstypen 189f<br />

Zukunftsgüterbahn 35, 37<br />

Zukunftswerkstätten 240<br />

Zwei-Phasen-Schwungrad-Modell<br />

225<br />

258 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000


Studierende<br />

<strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000 259


Tutor/innen<br />

260 <strong>UNS</strong>-<strong>Fallstudie</strong> 2000

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