54 finanzierung „WIR KOMBINIEREN FINANZIERUNG UND OPERATIVE VERANTWORTUNG“ Für die Abwicklung von Geschäften bietet MAN <strong>Ferrostaal</strong> ihren Kunden eine Reihe von Finanzierungsmöglichkeiten an. Im Gespräch nennt Jens Gesinn, Vorstand Finanzen, Rechnungswesen, Controlling und IT des Unternehmens, Beispiele für die wesentlichen Finanzierungsarten und skizziert deren Grundzüge.
Herr Gesinn, für die Finanzierung einer petrochemischen Anlage in Chile [siehe Artikel S. 50] ist MAN <strong>Ferrostaal</strong> vor kurzem zusammen mit ihren Partnern ausgezeichnet worden. Was war das besondere an dieser Finanzierung und warum wurde sie ausgezeichnet? Die größte Herausforderung bei diesem Projekt war, in eine neu zu bauende Anlage, die von der chilenischen Staatsgesellschaft ENAP [Empresa Nacional del Petroleo] gehalten und betrieben wird, privates Kapital mit einzubinden. Das erforderte ein komplett auf den Kunden und die Situation zugeschnittenes Finanzierungskonzept. Und das hat MAN <strong>Ferrostaal</strong> leisten können. Ja, zusammen mit unseren Partnern haben wir das möglich gemacht. Allerdings hatten wir Vorläufer-Projekte mit demselben Kunden, die ähnlich liefen und die wir von Projekt zu Projekt immer weiter verfeinert und verbessert haben. Wir haben viel Übung darin, unseren Kunden individuelle Finanzierungskonzepte anzubieten. Wie sehen solche Finanzierungskonzepte typischerweise aus? Es gibt nicht das typische Finanzierungskonzept der MAN <strong>Ferrostaal</strong>. Das ist ja gerade die wesentliche Eigenschaft unserer Finanzierungen: Sie sind jeweils auf unsere Kunden und deren spezifischen Bedarf zugeschnitten. Unsere Finanzierungsangebote nehmen je nach Branche, Region und Projekt ganz unterschiedliche Formen an. Allen gemeinsam ist aber, dass sie eine wesentliche Grundlage unserer Geschäfte bilden. Starten Sie dann mit jedem neuen Finanzierungsprojekt bei Null? Nein, natürlich nicht. Es gibt schon Muster. Ganz grob lassen sich drei Arten von Finanzierungen unterscheiden, die unsere Kunden von uns in Anspruch nehmen: Die Projektfinanzierung für große Anlagen, die Exportfinanzierung für Maschinen und die Vorfinanzierung in der Stahllogistik. Die Finanzierung von Produktionsanlagen in unserem Automobilgeschäft wollen wir im Moment mal ausklammern, denn hier investieren wir in unsere eigenen Produktionsmittel. Im Anlagengeschäft dürfte die individuellste Art der Finanzierung liegen. Richtig. Das Anlagengeschäft ist ja sehr komplex. Unser Schwerpunkt liegt auf dem Großanlagenbau und ganz klar in der Projektfinanzierung, wo wir eine ganz wesentliche Rolle spielen können. Als verfahrensunabhängiger Großanlagenbauer und Ingenieurgesellschaft mit dem Focus auf Projektentwicklung haben wir eine gewisse Alleinstellung im Markt. Unsere wichtigste Leistung in diesem Bereich ist, dass wir Projekte entwickeln, wo es noch nichts gibt und hierbei sind gute Finanzierungsmodelle ein <strong>DAS</strong> <strong>ECHO</strong> 1/<strong>2006</strong> 55 wesentlicher Teil. Darin liegt genau unsere Stärke, die für Kunden attraktiv ist: Wir kombinieren Finanzierungskompetenz und operative Verantwortung, und verfügen deshalb über eine gewisse Urteilsfähigkeit bezüglich der Frage, was ein gutes Projekt ist und wie man es am besten zum Laufen bringt.“ Wer sind die Partner, mit denen MAN <strong>Ferrostaal</strong> solche Projekte stemmt? Wir arbeiten seit Jahren sehr gut mit der KfW [Kreditanstalt für Wiederaufbau] und Hermes zusammen. Alle Methanloanlagen auf Trinidad mit einem Gesamtvolumen von 2,5 Milliarden sind beispielsweise mit diesen Partnern gelaufen. Aber auch viele andere Projekte haben wir zusammen mit diesen Partnern auf die Beine gestellt. Der Bau solcher Anlagen ist ohne entsprechende Finanzierung nicht denkbar. Wir arbeiten aber auch mit einer Reihe ausländischer Kreditinstitute und Kreditversicherungen zusammen, je nachdem, was im Einzelfall die günstigste Kombination ist. Dann muss der Track Record entsprechend lang sein. Ja klar. Wir machen das ja seit etwa 25 Jahren. Aber wir gehen flexibel an dieses Thema heran. Finanzierungsmodelle, die gestern und heute funktioniert haben, sind nicht notwendigerweise das Erfolgsrezept für morgen. Hier ist Innovation gefordert, und mit unseren neuen Vorständen Dr. Knothe [Projects and Contracting] und Dr. Lesker [Service und Vertrieb], die beide in der Vergangenheit sehr intensiv in finanzierten Projekten tätig waren, sind wir klar nach vorne gerichtet, um über neue Finanzierungsmodelle nachzudenken. In welchen Bereichen sind neue Finanzierungsmodelle erforderlich? Beispielsweise bei neuen Technologien, sehr stark zum Beispiel bei Biodiesel und erneuerbaren Energien, aber auch bei Kraftwerken sind immer wieder neue Finanzierungsmodelle gefragt. Hier gibt es sehr viele Projekte, aber auch einen hohen Bedarf an Finanzierung. Gerade bei diesen neuen Technologien, die noch nicht am Markt bewährt sind, spielt die Finanzierung eine entscheidende Rolle. Das Risiko, so eine Anlage mit neuer Technologie hinzustellen, erfordert auch neue Marktmechanismen. Das übernimmt nicht mal jemand so mit seinem privaten Kapital. Bei solchen Projekten sucht man Finanzierungsmodelle, um das Risiko der Finanzierung auf mehrere Schultern zu verteilen. Das ist ja das Wesen der Projektfinanzierung, dass man das Risiko auf so viele Schultern verteilt, dass es für jeden akzeptabel ist und jeder Spaß daran hat. Allerdings werden wir bei neuen Technologien nicht alles machen, sondern uns diejenigen Möglichkeiten raussuchen, bei denen wir das Risiko abschätzen können und die sich erkennbar lohnen.