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Klausuraufgaben

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Klausur zur Wahlpflichtvorlesung<br />

Physikalische Chemie<br />

Schwingungsspektroskopie und zwischenmolekulare Dynamik<br />

25. 9. 2012<br />

Süßigkeiten in interstellaren Wolken<br />

Glykolaldehyd (CHO−CH 2 OH), der einfachste aldehydische Zucker, bildet in der Gasphase eine Struktur mit<br />

innerer Wasserstoffbrücke von der OH-Gruppe zur Carbonylgruppe aus. Er ist C s -symmetrisch mit jeweils<br />

einem Methylen-Wasserstoff oberhalb und unterhalb der Molekülebene aufgebaut. Dieses Molekül wurde um<br />

die Jahrtausendwende in einer großen interstellaren Wolke (Sagittarius B2) in der Nähe des Zentrums der<br />

Milchstraße erstmals außerirdisch nachgewiesen. Solche interstellaren Wolken zeichnen sich durch eine um einige<br />

Größenordnungen dichtere Gasstruktur aus als ihre Umgebung. Dennoch finden sich dort nicht viel mehr als<br />

1000 Moleküle pro cm 3 .<br />

1. Interstellare Dichten (20P)<br />

a. Interstellarer Druck (8P)<br />

Machen Sie sich ein Bild von der Gasdichte in einer interstellaren Wolke bei 50K, indem Sie die Konzentrationsangabe<br />

1000 Moleküle pro cm 3 in mbar und in Pa umrechnen und indem Sie den mittleren Abstand zwischen<br />

zwei Molekülen abschätzen.<br />

b. Expansion (6P)<br />

Wollten Sie eine solche Moleküldichte in einer Gasexpansion ausgehend von 1 bar Gasdruck und 300 K durch<br />

eine Lochdüse von 1µm Durchmesser erreichen, so müssten Sie ziemlich weit entfernt von der Düse arbeiten.<br />

Schätzen Sie diesen Abstand grob ab, indem Sie eine sich homogen verdünnende kegelförmige Expansion im<br />

Winkel von ±30 ◦ von der Expansionsrichtung annehmen.<br />

c. Schicksal einer Schwingungsanregung (6P)<br />

Äußern Sie sich begründet dazu, ob ein schwingungsangeregtes Wassermolekül bei solchen interstellaren Dichten<br />

eher mit einem anderen Atom oder Molekül zusammenstoßen oder spontan ein IR-Photon emittieren wird?<br />

2. Dipolmoment (10P)<br />

Das Dipolmoment von Glykolaldehyd beträgt 2.3D. Vergleicht man dies mit den Werten von Acetaldehyd (2.7 D)<br />

und Methanol (1.7D), so lässt sich unter der Annahme, dass keine gegenseitige Beeinflussung stattfindet, der<br />

Winkel zwischen den beiden polaren C=O und O−H Gruppen abschätzen. Tun Sie dies unter der vereinfachenden<br />

Annahme, dass die Dipole jeweils entlang der C=O und O−H Bindung liegen, und skizzieren Sie das Ergebnis.<br />

Nennen Sie drei Gründe, warum Ihr Ergebnis vom tatsächlichen Wert abweichen kann.<br />

3. Konzertierter Wasserstofftransfer (15P)<br />

Betrachten Sie den Prozess, bei dem das wassserstoffbrückengebundene Proton im Glykolaldehyd die Seite wechselt<br />

und mit dem Carbonylsauerstoff eine OH-Gruppe bildet. Damit man in einem zur ursprünglichen Struktur<br />

äquivalenten Minimum landet, muss auch ein Wasserstoffatom an der CH 2 -Gruppe zum anderen Kohlenstoff<br />

wandern.<br />

1


a. Dimension der Potentialenergiehyperfläche (8P)<br />

Wie viele Dimensionen würden Sie für ein Höhenliniendiagramm der Potentialenergiehyperfläche dieses Prozesses<br />

benötigen, wenn Sie alle inneren Freiheitsgrade des Moleküls explizit berücksichtigen wollten? Wie viele Normalschwingungen<br />

des Glykolaldehyds transformieren wie A”?<br />

b. Höhenliniendiagramm (5P)<br />

Zeichnen Sie nun qualitativ ein zweidimensionales Höhenliniendiagramm der Potentialenergiefläche entlang der<br />

beiden Wasserstoffverschiebekoordinaten q CH und q OH , wobei alle anderen Koordinaten sich jeweils optimal an<br />

die Situation des Moleküls anpassen. Nehmen Sie hierzu an, dass der Sprung des OH-Protons alleine (ohne<br />

CH-Sprung) auch in ein Minimum führt, das allerdings energetisch sehr viel höher liegt. Ignorieren Sie der<br />

Einfachheit halber die Auslenkung der Wasserstoffatome aus der Symmetrieebene.<br />

c. Schwingungswellenfunktion (2P)<br />

Zeichnen Sie das Diagramm aus b) noch einmal ab und zeichnen Sie nun wiederum qualitativ die Schwingungsgrundzustandswellenfunktion<br />

ein (z.B. als Punktwolke oder als andersfarbiges Höhenlinienbild).<br />

4. Schwingungsmittelung der Rotationskonstante (5ZP)<br />

Die größte Rotationskonstante des Glykolaldehyds entspricht näherungsweise der Rotation um eine Achse parallel<br />

zur CC-Bindung, weil dort der Abstand der Schweratome von der Achse minimiert ist. Im Schwingungsgrundzustand<br />

beträgt sie 18.44GHz, nach Anregung der Wasserstoffbrücken-Streckschwingung (die einer gleichzeitigen<br />

Vergrößerung/Verkleinerung der beiden OCC-Winkel entspricht) beträgt sie 18.58GHz. Lässt sich die Richtung<br />

dieses Effektes im harmonischen Oszillatorbild einfach erklären? Entspricht der anharmonische Effekt durch die<br />

Streckung der Wasserstoffbrücke derselben Richtung? Begründen Sie ihre Aussagen!<br />

5. Absorptionsquerschnitt (5P)<br />

Wenn man von der Erde aus durch die gesamte interstellare Wolke hindurchschaut, sieht man etwa 2×10 15 Glykolaldehydmoleküle<br />

pro cm 2 . Der Absorptionsquerschnitt am Maximum der OH-Streckschwingungsfundamentale<br />

beträgt (bedingt durch die Wasserstoffbrücke) etwa 60pm 2 . Wie groß wäre die maximale Absorbanz, wie groß<br />

die Transmission für das Maximum dieser Bande?<br />

6. Von süß zu sauer (5P)<br />

In interstellaren Zeitäumen kann viel passieren, vor allem nach Anregung durch hochenergetische Strahlung und<br />

bei temporärer Adsorption an interstellaren Staubkörnern. So ist es denkbar, dass Glykolaldehyd zur Essigsäure<br />

isomerisiert, indem der aldehydische Wasserstoff und die OH-Gruppe die Plätze tauschen. Dies wird sich im<br />

Infrarotspektrum auswirken.<br />

a. Spektralbereiche (3P)<br />

Diskutieren Sie drei mögliche Veränderungen des Schwingungsspektrums!<br />

b. Dimerisierung (2P)<br />

Welches der beiden Moleküle wird eine stärkere zwischenmolekulare Dimerisierungstendenz zeigen? Begründen<br />

Sie kurz.<br />

7. Ein Dimer (15P)<br />

Ein metastabiles Dimer, in dem zwei Glykolaldehyd Moleküle ohne wesentliche Veränderung ihrer Konformation<br />

und Ladungsverteilung ”sandwich”artig übereinander liegen, ist in Abbildung a) gezeigt.<br />

Zu welcher Punktgruppe gehört dieses Dimer? Kann es ein Dipolmoment aufweisen? Schätzen Sie die<br />

elektrostatische Wechselwirkungsenergie der Monomere in cm −1 ab, indem Sie annehmen, dass im Schwerpunkt<br />

2


(a)<br />

jedes Monomers ein Dipolmoment (siehe Aufgabe 2) liegt, das im rechten Winkel zur Verbindungsachse der<br />

beiden molekularen Schwerpunkte orientiert ist, wobei die Schwerpunkte 310pm voneinander entfernt seien.<br />

8. Chemische Dimerbildung (10P)<br />

Glykolaldehyd kann im Festkörper auch chemisch dimeriseren zu 1,4-Dioxan-2,5-diol, einem mit 2 OH-Gruppen<br />

substituierten heterozyklischen Sechsring (−CH(OH)−CH 2 −O−CH(OH)−CH 2 −O−)<br />

a. Dampfdruck (3P)<br />

Wie hilft dies bei der Erklärung des deutlich niedrigeren Dampfdrucks von Glykolaldehyd gegenüber Essigsäure?<br />

b. Nachweis (2P)<br />

Wie können Sie die chemische Dimerisierung im Infrarotspektrum bequem nachweisen?<br />

c. Symmetrieüberlegungen (5P)<br />

Das chemische Dimer hat zwei stabile Stereozentren. Nehmen Sie an, dass beide entgegengesetzte Chiralität<br />

aufweisen und dass der Sechsring in Sesselkonformation vorliegt. Welche Symmetrie kann das Molekül dann im<br />

Idealfall realisieren? Ist es chiral? Hat es ein Dipolmoment? Wie viele OH-Streckschwingungen erwarten Sie im<br />

IR-Spektrum, wie viele im Ramanspektrum?<br />

9. Symmetrische Zerfallsprodukte (10ZP)<br />

Glykolaldehyd kann in die zwei sehr stabilen und symmetrischen Moleküle Methan und Kohlenstoffdioxid zerfallen.<br />

a. Symmetrieüberlegungen (8ZP)<br />

Machen Sie zu beiden Molekülen begründete Angaben zur Punktgruppe, zum Dipolmoment, zum Quadrupolmoment,<br />

zur Zahl der Normalschwingungen und zu deren maximaler Entartung.<br />

b. Komplex (2ZP)<br />

Diskutieren Sie eine mögliche Struktur des zwischenmolekularen Komplexes aus Methan und Kohlenstoffdioxid<br />

und begründen Sie ihren Vorschlag!<br />

10. Anharmonizität (20P + 2ZP)<br />

Glykolaldehyd zeigt eine OH-Streckschwingungsfundamentale bei 3549cm −1 , eine C=O-Streckschwingungsfundamentale<br />

bei etwa 1730cm −1 , eine CC-Streckschwingungsfundamentale bei 859cm −1 sowie eine OH-Torsionsschwingung<br />

bei ca. 300cm −1 .<br />

a. Oberton (5P)<br />

Wo erwarten Sie den OH-Streckschwingungsoberton (Wellenlänge, Wellenzahl), wenn die Anharmonizitätskonstante<br />

ω e x e des Oszillators 90cm −1 beträgt?<br />

3


. Fermi-Resonanz (10P)<br />

Die C=O-Streckschwingungsfundamentale ist durch Fermi-Resonanz mit dem Oberton der CC-Streckschwingung<br />

aufgespalten. Dabei ist die Infrarotintensität der hochfrequenten Komponente bei 1754cm −1 5× so groß wie<br />

die Intensität der niederfrequenten Komponente bei 1706cm −1 . Berechnen Sie unter der Annahme, dass der<br />

Oberton selbst keine Intensität beiträgt, das Kopplungsmatrixelement W und die Aufspaltung der ungestörten<br />

Zustände!<br />

c. Anharmonizität (5P)<br />

Die anharmonische Kopplungskonstante zwischen der OH-Torsionsschwingung und der OH-Streckschwingung<br />

beträgt 27cm −1 . Sagen Sie die Position der heißen Bande vorher, die ausgehend von dem ersten angeregten<br />

Zustand der Torsionsschwingung in den Zustand übergeht, in dem sowohl die Streckschwingung als auch die<br />

Torsionsschwingung mit einem Schwingungsquant angeregt ist. Bestimmen Sie auch die Symmetrierassen der<br />

zwei am Übergang beteiligten Schwingungszustände.<br />

d. Interpretation der Kopplungskonstante (2ZP)<br />

Erklären Sie, warum die anharmonische Kopplungskonstante zwischen der OH-Torsionsschwingung und der OH-<br />

Streckschwingung so groß und positiv ist!<br />

11. Überraschung (3ZP)<br />

An welchen unerwarteten wissenschaftlichen Zusammenhang aus der Vorlesung werden Sie sich voraussichtlich<br />

in 5 Jahren noch besonders gut erinnern? Beschreiben und erklären Sie kurz.<br />

Abgabe<br />

Nach diesen Aufgaben haben Sie eine nicht unerhebliche Menge an Kohlenhydraten in CO 2 verarbeitet. Zügeln<br />

Sie ihren Willen nach Zuckerzufuhr außerhalb des Hörsaals bitte noch eine Weile, denn sobald jemand die Klausur<br />

abgegeben hat, dürfen die anderen keine Pause mehr machen. Nutzen Sie also lieber die verbleibende Zeit, um<br />

sich Ihre Lösungen noch einmal gründlich anzusehen, alle Lösungsblätter mit Ihrem Namen zu beschriften, nach<br />

Aufgabennummer zu ordnen und gegen Ende der drei Stunden zusammen mit diesen Aufgabenblättern<br />

abzugeben.<br />

Nützliche Konstanten (beruhend auf der 2010 CODATA Empfehlung)<br />

1 u = 1.6605389 · 10 −27 kg<br />

c = 299792458 ms −1<br />

h = 6.626070 · 10 −34 J s<br />

k = 1.38065 · 10 −23 JK −1<br />

N A = 6.022141 · 10 23 mol −1<br />

e = 1.6021766 · 10 −19 C<br />

m e = 9.1093823 · 10 −31 kg<br />

ε 0 = 8.8541878 · 10 −12 C V −1 m −1<br />

1 D = 3.33564 · 10 −30 C m<br />

4

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