Klausuraufgaben
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Klausur zur Wahlpflichtvorlesung<br />
Physikalische Chemie<br />
Schwingungsspektroskopie und zwischenmolekulare Dynamik<br />
21. 07. 2006<br />
Anästhesie<br />
Sie müssen sich einem chirurgischen Eingriff unterziehen und stehen vor der Wahl, welches Inhalationsanästhetikum<br />
bei Ihnen eingesetzt werden soll. Es beunruhigt Sie ein wenig, dass die genauen Mechanismen der Anästhesie<br />
bis heute nicht verstanden sind und dass es recht verschiedenartige Gase und Dämpfe gibt, die dafür eingesetzt<br />
werden. Aber Sie haben schon davon gehört, dass die Wirkung von Inhalationsanästhetika irgend etwas mit zwischenmolekularen<br />
Wechselwirkungen zu tun hat (vermutlich wird die Fluidität der Nervenzellmembranen durch<br />
die Anästhetika beeinflusst) und hierauf sind Sie durch die Wahlpflichtvorlesung gut vorbereitet. Da eine solche<br />
Entscheidung reiflich überlegt werden sollte, empfehlen wir Ihnen, sich zunächst alle Informationen gründlich<br />
durchzulesen. Bevor Sie das Bewusstsein verlieren, sollten Sie bedenken, dass für die volle Klausurleistung nicht<br />
alle Aufgaben gelöst werden müssen.<br />
Xenon<br />
Da wäre zum einen die Möglichkeit, das Edelgas Xenon (mit 0.1 ppm in der Atmosphäre vorkommend) einzusetzen.<br />
Es hat den Vorteil, dass es durch den fehlenden Metabolismus sehr nebenwirkungsarm ist, aber es ist<br />
auch nicht ganz billig, sodass man derzeit an Recycling-Möglichkeiten arbeitet.<br />
1. Bindungsabstand des Dimers und Polarisierbarkeit (10P)<br />
Xenon-Dimere lassen sich näherungsweise mit einem Lennard-Jones-Potential beschreiben, wobei ɛ/k = 280 K<br />
und σ = 4.3 Å angenommen wird. Berechnen Sie den Gleichgewichtsabstand der beiden Xenonatome (Minimum<br />
der Potentialkurve) und das Polariserbarkeitsvolumen von Xe unter der Annahme, dass beim Gleichgewichtsabstand<br />
ausschließlich Dipol-Dispersionswechselwirkungen vorliegen und das Ionisierungspotential von Xe 12.1 eV<br />
beträgt. Vergleichen Sie den erhaltenen Wert mit dem experimentellen Wert von ca. 30 a 3 0 und geben Sie mindestens<br />
eine mögliche Erklärung für die Abweichung an.<br />
2. Komplex mit Wasser (6P)<br />
Welche Geometrie vermuten Sie für den Komplex von Xe mit einem Wassermolekül? Zu welcher Punktgruppe<br />
gehört diese Geometrie? Wieviele und welche Schwingungen entstehen bei der Komplexbildung neu? Was ist<br />
Ihrer Ansicht nach die dominante langreichweitige Wechselwirkung in diesem Komplex?<br />
Lachgas<br />
Ein Klassiker ist die Anästhesie mit Lachgas (N 2 O), das leider nach CO 2 und CH 4 derzeit den größten Beitrag<br />
zum Treibhauseffekt auf der Erde leistet.<br />
3. Symmetrie (6P)<br />
Konstruieren Sie jeweils aus möglichst wenigen linearen und unverzerrten NNO-Molekülen Aggregate der Punktgruppen<br />
C 2v , C 2h , C 2 und C 3h . Geben Sie jeweils mit Begründung an, ob die Struktur ein permanentes Dipolmoment<br />
hat und ob sie chiral ist.
4. Normalschwingungen (12P)<br />
Betrachten Sie Ihre C 2h -Struktur des Dimers nun etwas genauer. Berechnen Sie die Charaktere der 18-dimensionalen<br />
reduziblen Darstellung der kartesischen Auslenkungskoordinaten bezüglich der Symmetrieoperationen und reduzieren<br />
Sie diese aus. Welche Normalschwingungssymmetrien ergeben sich wie oft nach Abzug der Translationsund<br />
Rotationsfreiheitsgrade? Skizzieren Sie eine mögliche Form der A u -Normalschwingungen und geben Sie mit<br />
Begründung an, ob Sie diese im Raman-, im IR-, oder in beiden Spektren erwarten.<br />
5. Kopplung (16P)<br />
Nehmen Sie vereinfachend an, dass Stickstoff- und Sauerstoffatome beide die Masse 15u haben. Nehmen Sie<br />
ferner an, dass die harmonischen Potentialkurven der lokalen N-O und N-N-Streckschwingung nicht miteinander<br />
gekoppelt sind und dieselbe Kraftkonstante von 1500 N/m aufweisen. Bei welcher Wellenzahl sind dann die beiden<br />
Strecknormalschwingungen zu finden? Skizzieren Sie ein Experiment, um die höherfrequente Streckschwingung<br />
nachzweisen. Welchen Detektor, welches Fenstermaterial, welche Lichtquelle setzen Sie ein? Die Knickschwingung<br />
liegt bei 600 cm −1 . Erwarten Sie eine Fermiresonanz? Skizzieren Sie einen Lachgaslaser. Welche der Schwingungen<br />
trägt am stärksten zum Treibhauseffekt bei?<br />
6. Dipol-Dipol-Wechselwirkung (5P)<br />
Berechnen Sie für die von Ihnen angenommene C 2h -Struktur die Dipol-Dipol-Wechselwirkung zweier NNO-<br />
Moleküle in cm −1 . Nehmen Sie dabei an, dass das Dipolmoment von NNO am mittleren Stickstoff zentriert ist<br />
und 0.16 D beträgt. Die mittleren Stickstoffatome haben einen Abstand von 6 Å. Skizzieren Sie die relevanten<br />
geometrischen Parameter.<br />
Chloroform<br />
Eher aus Kriminalgeschichten bekannt ist Chloroform CHCl 3<br />
tatsächlich.<br />
als Anästhetikum. Es funktioniert aber auch<br />
7. Symmetrie (5P)<br />
Welche Punktgruppe und welche Symmetrieoperationen hat Chloroform? Welche irreduziblen Darstellungen gibt<br />
es? Welche dieser Darstellungen ist zweidimensional?<br />
8. Matrixdarstellung (6P)<br />
Untersuchen Sie, ob die Matrizen<br />
(<br />
1 0<br />
E =<br />
0 1<br />
) (<br />
0 1<br />
, C 3 =<br />
−1 −1<br />
)<br />
(<br />
1 0<br />
und σ =<br />
−1 −1<br />
)<br />
eine geeignete zweidimensionale Darstellung für Chloroform aufspannen, indem Sie die Matrizen für die fehlenden<br />
Symmetrieoperationen erzeugen.<br />
Halothan<br />
Auf Grund des angenehmen Geruchs in der Kinderanästhesie besonders beliebt war früher Halothan CF 3 CHClBr,<br />
ein substituiertes Ethan. Neben seiner Klimarelevanz (Treibhauseffekt) trägt es auch zum Abbau der Ozonschicht<br />
bei.<br />
9. Torsionswinkel (6P)<br />
Welche Symmetrie hat Halothan in Abhängigkeit vom Torsionswinkel? Ist es mit seinem Spiegelbild identisch?<br />
Skizzieren Sie einen möglichen Verlauf der potentiellen Energie in Abhängigkeit vom Torsionswinkel und tragen<br />
Sie qualitativ die Grundzustandswellenfunktion als Funktion des Torsionswinkels ein.
10. IR-Spektrum (6P)<br />
Skizzieren Sie qualitativ das IR-Spektrum der Streckschwingungen von Halothan und begründen Sie die Wahl<br />
der relativen Frequenzen und Intensitäten.<br />
Sevofluran<br />
Sehr beliebt ist derzeit der Einsatz von Sevofluran in der Anästhesie. Sevofluran ist ein fluorierter Äther der<br />
Konstitutionsformel CH 2 F-O-CH(CF 3 ) 2 .<br />
11. Symmetrie (4P)<br />
Welche Symmetrieelemente sind bei Sevofluran grundsätzlich vorstellbar? Tatsächlich tritt es bevorzugt in einer<br />
Konformation auf, die keine Symmetrieelemente hat. Benennen Sie die entsprechende Punktgruppe und schreiben<br />
Sie die vollständige Charaktertafel für diese Punktgruppe mit den Transformationseigenschaften für axiale und<br />
polare Vektoren auf.<br />
12. Normalschwingungen (10P)<br />
Wie viele Normalschwingungen hat Sevofluran? Wie viele davon erwarten Sie mit dominantem C-H Streckschwingungscharakter,<br />
wie viele mit dominantem C-F Streckschwingungscharakter? Bei welchen dieser Schwingungen<br />
erwarten Sie ein größeres Übergangsdipolmoment? Die C-F Streckschwingungen liegen im Wellenlängenbereich<br />
von 9 µm. Äußern Sie sich zum Treibhauseffekt, den das Molekül in diesem Spektralbereich bewirken kann.<br />
Beschreiben Sie einen Laserübergang, mit dem man einige dieser C-F-Schwingungen anregen kann. Im Körper<br />
wird Sevofluran unter anderem zu Hexafluorisopropanol metabolisiert. Wo erwarten Sie einen charakteristischen<br />
IR-Spektralunterschied dieses Metaboliten im Vergleich zum Sevofluran selbst?<br />
13. Zwischenmolekulare Wechselwirkungen (4P)<br />
Sevofluran siedet unter Normalbedingungen bei 59 ◦ C. Schätzen Sie über die Trouton’sche Regel ab, wie stark<br />
zwei als kugelförmig angenommene Sevofluranmoleküle miteinander wechselwirken. Geben Sie diese Wechselwirkungsenergie<br />
ɛ in kJ/mol, in cm −1 und in K an. Wie groß ist die geschätzte Wechselwirkungsenergie eines<br />
Sevofluranmoleküls mit einem Xe-Atom, für das ɛ/k = 280 K gilt?<br />
Sevofluranzersetzung<br />
Ein potentiell gefährlicher Aspekt bei Sevofluran ist die Tendenz, in alkalischer Umgebung HF abzuspalten und<br />
ein Alken zu bilden. Betrachten wir im Folgenden der Einfachheit halber dieses abgespaltene HF in der Gasphase,<br />
wenngleich es in alkalischer Umgebung kaum gasförmig auftreten wird.<br />
14. Harmonischer Oszillator (10P)<br />
In grober Näherung kann man 1 H 19 F als harmonischen Oszillator mit einer harmonischen Schwingungswellenzahl<br />
von 4139 cm −1 und einer linearen Dipolfunktion mit µ(r e )= µ(91.8 pm) = 1.81 D betrachten. Berechnen Sie die<br />
harmonische Kraftkonstante k in N/m sowie die Wellenzahl in cm −1 und die Intensität in km/mol des ersten<br />
Obertons.<br />
15. Rotator (8P)<br />
Berechnen Sie die Gleichgewichtsrotationskonstante ˜B e von 1 H 19 F und die Rotationskonstanten in den ersten 3<br />
Schwingungsquantenzuständen in der harmonischen Näherung. Was erwarten Sie im Experiment?<br />
16. Morse-Oszillator (10P)<br />
In etwas besserer Näherung kann man die Bindung im Fluorwasserstoff als Morseoszillator betrachten. Berechnen<br />
Sie seine elektronische Dissoziationsenergie und die Anharmonizitätskonstante ω e x e (beide in cm −1 ), wenn der<br />
Morseparameter a den Wert 2.20 Å −1 hat und die harmonische Wellenzahl aus Aufgabe 14 übernommen werden<br />
kann. Rechnen Sie aus, welcher Obertonübergang erstmals im UV-Bereich liegt.
17. Es wird ernst (6P)<br />
Nach reiflicher Überlegung entscheiden Sie sich für Sevofluran. Während Sie das angenehm riechende Gas einatmen,<br />
beginnen Sie, von der Exkursion ins phæno in Wolfsburg zu träumen. Pendel, Schwingungen, Chladnische<br />
Muster, allerlei Spiegel und Strahlteiler schwirren Ihnen im Kopf herum. Beschreiben Sie sorgfältig zwei Versuche<br />
mit Bezug zur Thematik Schwingungen und Optik, die Sie dort kennengelernt haben und erläutern Sie deren<br />
Bezug zur Vorlesung.<br />
Abgabe<br />
Sie können jetzt wieder aufwachen. Notieren Sie auf jedem Lösungsblatt Ihren Namen und geben Sie die gebündelten<br />
Blätter zusammen mit diesen Aufgabenblättern ab.<br />
Nützliche Konstanten<br />
1 u = 1.660539 · 10 −27 kg<br />
c = 299792458 m s −1<br />
h = 6.626069 · 10 −34 J s<br />
e = 1.6021765 · 10 −19 C<br />
m e = 9.109383 · 10 −31 kg<br />
ε 0 = 8.8541878 · 10 −12 C V −1 m −1<br />
1 D = 3.33564 · 10 −30 C m