Klausur am 28.2.11
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Kofferklausur zu B.Che.1301 (2h)<br />
Einführung in die Physikalische Chemie<br />
28. 2. 2011<br />
Kernfusion als Energiequelle?<br />
Die Kernfusion stellt einen denkbaren Ansatz zur klimaneutralen Lösung des Energieversorgungsproblems dar.<br />
Ergänzend zur Nutzung der Sonnenenergie (in Form von Solar- und Windkraftanlagen) kann man versuchen,<br />
die solaren Kernfusionsprozesse auf der Erde nachzuahmen. Hierzu sollen ein paar Modellrechnungen angestellt<br />
werden.<br />
1. Der Druck im Sonneninneren (10P)<br />
Im Kern der Sonne herrscht eine Wasserstoffdichte von ca. 150 g/cm 3 und eine Temperatur von etwa 15 Mio.<br />
K. Nehmen Sie fiktiv an, dass es sich um ein ideales Gas aus Wasserstoffatomen handelt und berechnen Sie den<br />
erforderlichen Druck, um diese Dichte zu erreichen. Vergleichen Sie mit dem tatsächlich vorliegenden Druck von<br />
etwa 200 Gbar.<br />
2. Das Sonnenplasma (10P)<br />
Tatsächlich liegen die Wasserstoffatome mehr oder weniger vollständig ionisiert vor, Elektronen bewegen sich<br />
im Feld der Protonen. Man spricht von einem Plasma. In der dünnen Sonnenatmosphäre wird die Leitfähigkeit<br />
auf etwa 0.1 S cm −1 geschätzt. Wie groß wäre der elektrische Widerstand eines zylindrischen Plasmavolumens<br />
in axialer Richtung auf einer Länge von 1 m bei einem Durchmesser von 10 cm ?<br />
3. Die Fusionsenergie (10P+5ZP)<br />
Der wichtigste Fusionsprozess im Sonnenzentrum verschmilzt vier Protonen mit zwei Elektronen zu einem Heliumkern<br />
( 4 He ++ ). Dabei entstehen auch noch zwei praktisch masselose Neutrinos und G<strong>am</strong>mastrahlung. Wenn<br />
man die Neutrinos vernachlässigt und annimmt, dass die ges<strong>am</strong>te G<strong>am</strong>mastrahlung zur Aufheizung der Sonne<br />
zur Verfügung steht, kann man die freiwerdende Energie aus dem Massendefekt bestimmen. Berechnen Sie<br />
diesen Energiebetrag bei der Erzeugung eines He-Kerns in kJ/mol und in MeV.<br />
4. Die Annäherung zweier Protonen (10P)<br />
D<strong>am</strong>it in einem ersten Schritt zwei Protonen miteinander fusionieren können, müssen sie zunächst einmal ihre<br />
Coulombabstoßung überwinden. Berechnen Sie diese Abstoßungsenergie (in kJ/mol), wenn sich zwei Protonen<br />
bis auf ihren Durchmesser von 2.6·10 −15 m annähern.<br />
5. Quantenmechanische Korrektur (10ZP)<br />
Da die Protonen quantenmechanische Objekte sind, müssen sie sich für den ersten Fusionsschritt nur etwa so<br />
weit annähern, dass ihre deBroglie-Wellenlängen überlappen. Berechnen Sie diese deBroglie-Wellenlänge eines<br />
Protons im Sonneninneren, wenn seine mittlere kinetische Energie (pro mol) R T beträgt (warum, werden Sie<br />
im zweiten Semester erfahren, die Temperatur können Sie aus Aufgabe 1 entnehmen). Vergleichen Sie mit dem<br />
unter Aufgabe 4 angegebenen Durchmesser.<br />
1
6. Schnellere Fusionsreaktion (5ZP)<br />
Selbst wenn sich zwei Protonen hinreichend nahe kommen, ist ihre Fusion sehr unwahrscheinlich. Dies hängt<br />
mit der Entstehung des Neutrinos zus<strong>am</strong>men. Daher muss man bei einem irdischen Kernfusionsreaktor einen<br />
anderen Prozess nutzen, bei dem die beiden schweren Wasserstoffisotope zum Einsatz kommen. Dabei reagiert<br />
ein Tritiumkern mit einem Deuteriumkern unter Aussendung eines Neutrons zu 4 He ++ . Berechnen Sie auch hier<br />
aus dem Massendefekt die freiwerdende Energie in MeV.<br />
7. Warum braucht man Lithium? (15P)<br />
Das Tritium erzeugt man durch Neutronenbeschuss von 6 Li, dabei entsteht in einer stark exothermen Reaktion<br />
4 He als Nebenprodukt. Schreiben Sie die entsprechende Kernreaktion auf. 6 Li ist das seltenere der beiden<br />
stabilen Li-Isotope. 7 Li ist für diesen Zweck weniger gut brauchbar da es nur endotherm reagiert, weshalb meist<br />
angereichertes 6 Li eingesetzt wird. Das langlebigste radioaktive Isotop ist 8 Li (formal 7 Li+n), ein Betastrahler<br />
mit einer Halbwertszeit von 0.842 s. Was ist sein direktes Zerfallsprodukt und wie viele Atome sind nach 50 s<br />
noch vorhanden, wenn zu Beginn 1 mmol 8 Li vorlag?<br />
8. Wie bekommt man das Tritium aus dem Lithium heraus? (10P)<br />
Flüssiges Lithium löst Wasserstoff und d<strong>am</strong>it auch Tritium sehr gut. Daher überlegt man sich, eine eutektische<br />
Schmelze aus Blei und Lithium mit der Zus<strong>am</strong>mensetzung Li 17 Pb 83 einzusetzen. In dieser ist Wasserstoff um<br />
viele Größenordnungen weniger löslich. Blei hat einen Schmelzpunkt von 601 K und eine Schmelzwärme von<br />
4.8 kJ/mol. Schätzen Sie daraus den eutektischen Punkt der Legierung ab. Was müssen Sie hierzu annehmen?<br />
9. Auswaschen von Tritium (15P)<br />
In Fusionsreaktoren muss man mit gasförmigem Tritium umgehen, das vorwiegend als DT (Tritiumdeuterid)<br />
vorliegt. Man könnte auf die Idee kommen, dieses Tritium durch Auswaschen mit Wasser zu entfernen. Die<br />
entsprechende Henrykonstante für die Gaslöslichkeit beträgt bei 25 ◦ C 7.2·10 4 bar. Berechnen Sie, um welchen<br />
Faktor das Wasservolumen größer sein müsste als das darüber stehende Luftvolumen, d<strong>am</strong>it in beiden Phasen<br />
gleich viel DT enthalten ist. Hinweis: Vergleichen Sie die Stoffmengen in 1 L Gas und 1 L Wasser bei 1 bar DT.<br />
10. Sublimation von Graphit (10P)<br />
Die Wände eines zukünftigen Fusionsreaktors könnten mit Graphit ausgekleidet werden. Dieser hat seinen<br />
Tripelpunkt bei etwa 4600 K und 110 bar. Schätzen Sie daraus ab, bei welcher Temperatur Graphit unter<br />
Standarddruck sublimiert, wenn die Sublimationsenthalpie 715 kJ/mol beträgt.<br />
11. Spektroskopischer Nachweis (10P)<br />
Die Zus<strong>am</strong>mensetzung der Fusionsmasse lässt sich grundsätzlich spektroskopisch nachweisen. Die Lyman-α-Linie<br />
der Isotope D und T unterscheidet sich geringfügig. Berechnen Sie den Übergang für beide Isotope in Hz, nm<br />
und cm −1 und diskutieren Sie den Isotopeneffekt.<br />
Nützliche Konstanten (u.a. beruhend auf der 2006 CODATA Empfehlung)<br />
c = 299792458 m s −1<br />
h = 6.626069 · 10 −34 J s<br />
N A = 6.022142 · 10 23 mol −1<br />
R = 8.314472 J(Kmol) −1<br />
e = 1.6021765 · 10 −19 C<br />
1 u = 1.6605388 · 10 −27 kg ; m e = 0.0005487990943 u ; m n = 1.00866491597 u<br />
m p = 1.00727646677 u ; m d = 2.013552979 u ; m t = 3.015500479 u ; m α = 4.001506179127 u<br />
als Massen der Kerne (p=Proton, d=Deuteriumkern, t=Tritiumkern, α=Alphateilchen)<br />
R ∞ = 10973731.56853 m −1<br />
ε 0 = 8.8541878 · 10 −12 C V −1 m −1 2