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N R . 1 • 2014 THEMA 6 WISSENSCHAFT IN FILM UND FERNSEHEN ZWISCHEN FAKTEN UND FIKTION Das Interesse der Zuschauer an wissenschaftlichen Themen in Film und Fernsehen wächst. Langsam reagiert die Branche und engagiert für eine realistische Darstellung immer häufiger Experten als Berater – darunter auch Professoren der LMU. Ein Medizin-Alumnus bietet mit seiner Firma inzwischen sogar professionelle Unterstützung am Set an. Obwohl viele Disziplinen von der zunehmenden medialen Darstellung profitieren, wird häufig dennoch ein falsches Bild des jeweiligen Fachs projiziert – teilweise mit grotesken Folgen. Wissenschaft nimmt in Serien, Film und Fernsehen eine immer größere Rolle ein. Dies konnten Studierende und Mitarbeiter kürzlich sogar direkt vor dem LMU-Hauptgebäude miterleben. Dort drehte die Ratpack Filmproduktion den Kinofilm „Mara und der Feuerbringer“ mit Schauspieler Jan Josef Liefers als fiktivem Mediävistikprofessor Weissinger. „Alle Kostüme, Artefakte, Schmuck und das Setdesign basieren dabei auf wissenschaftlicher Recherche“, betont Ratpack-Sprecher Christian Becker. Nichts im Film, was mit nordisch-germanischer Mythologie zu tun habe, sei ausgedacht. „Ich wollte mich von Anfang an so nah wie möglich am aktuellen Stand der Wissenschaft orientieren“, ergänzt Regisseur und Bernd-das-Brot-Erfinder Tommy Krappweis. Fakten böten den Zuschauern Orientierung und nähmen einen höheren Stellenwert ein als früher. Aus diesem Grund hat sich der Grimme-Preisträger auch bei der Beschreibung der LMU so nah wie möglich an die Realität gehalten. Lediglich für den Lichthof musste wegen der Renovierungsarbeiten der Münchener Justizpalast als Double einspringen. Dafür nimmt im zugrundeliegenden Roman das Bodendenkmal für die Geschwister Scholl eine wichtige Rolle ein: Hauptfigur Mara erlebt in einem Tagtraum schemenhaft das Verteilen der Flugblätter. Krappweis sind solche Momente besonders wichtig, weil die nordisch-germanische Mythologie in den 1930er-Jahren von den Nazis für ihre Zwecke in Beschlag genommen wurde. „Davon wollte ich mich ausdrücklich distanzieren und auch im Film werden wir das natürlich deutlich machen“, erklärt er. HÄUFIGE BERATUNGSRESISTENZ Da gerade bei Filmen mit historischem Kontext besonders akkurat recherchiert werden müsse, holte sich Krappweis den realen Professor Rudolf Simek von der Uni Bonn ins Boot. „Für den ersten Entwurf hat er von mir noch ordentlich Kritik einstecken müssen“, erzählt Simek, der in seinen Büchern auch den Einfluss der germanischen Mythologie auf Romanklassiker untersucht. Doch Krappweis habe sich seine Kritik zu Herzen genommen und seriös mit ihm zusammengearbeitet. „Er hat viel Fantasie, ist aber nicht beratungsresistent“, lacht der Mediävist. Nur wenn er keine wissenschaftlichen Quellen gefunden habe, habe er Krappweis seine künstlerische Freiheit gelassen. Leider liefe das bei Regisseuren von Dokumentarfilmen wie „Terra X“ häufig nicht so glatt, weil die Sendungen publikumswirksam aufbereitet werden müssten. Das aufkeimende Interesse an mythologischen Filmen ist nach Meinung von Simek eine Gegenbewegung zur Tabuisierung nach dem Krieg, als man die Wissenschaft für rechtslastig hielt. Statt sich aber jetzt nur auf real existierende Mythologien zu beziehen, habe zum Beispiel J. R. R. Tolkien für seine Romantrilogie „Der Herr der Ringe“ manches einfach frei erfunden. Dies gelte noch viel mehr für Harry-Potter-Reihe oder die Thor- Comicverfilmungen. „Wenn ich mir den Film anschaue, glaube ich, die Recherche dazu dauerte einen Nachmittag lang“, kritisiert Simek. Im Bereich der Medizin gibt es jetzt allerdings eine Gegenbewegung. Ärzte wollten es nicht länger

7 Dreharbeiten zu Tommy Krappweis‘ „Mara und der Feuerbringer“ an der LMU. hinnehmen, dass ihre Disziplin in Sendungen wie Dr. Stefan Frank auf den Kopf gestellt wird. Daher gründete der ehemalige LMU- Student Dr. Pablo Hagemeyer mit einigen Kollegen The DOX. Die Beratungsagentur durchforstet Drehbücher, hilft bei der Dramaturgie, vermittelt medizinisches Personal und spricht in der Weilheimer Zentrale mit den Autoren. „Die Welt wird immer komplizierter und komplexer“, veranschaulicht der Inhaber. Durch die Informationstechnologie, die gestiegene Rechnerleistung und die große Diversifizierung würden selbst Fachärzte nicht immer über das Neuste vom Neusten Bescheid wissen. Die meisten Fragen der Autoren zielen aber auf die Verhaltensweisen der Ärzte ab: „Wie würde er sich in dieser Situation verhalten?“, „Welche Möglichkeiten hat er?“ oder „Woran denkt er zuerst?“. Damit dies beim Dreh alles korrekt umgesetzt wird, haben die Mitarbeiter mittlerweile ihren eigenen Regiebereich oder spielen gleich selber mit. „Es gibt doch keinen besseren Komparsen als einen echten Arzt“, grinst der Psychotherapeut. ARZTSERIEN WERDEN REALISTISCHER Insgesamt sind die gesendeten Abläufe aus Forschung und Praxis realistischer als noch vor 15 Jahren. „Heute kann sich kein Produzent mehr leisten, Mist zu produzieren“, berichtet Dr. Hagemeyer. Dies liege aber nicht zuletzt an der zunehmenden Beratung von Experten aus Medizin und Naturwissenschaft. So sei „Der Bergdoktor“ im ZDF aus fachlicher Sicht momentan die beste deutsche Arztserie – „vor allem natürlich, weil wir sie zurzeit beraten“, ergänzt der Alumnus augenzwinkernd. Im Übrigen sei auch im Film „Das Schweigen der Lämmer“ sehr stimmig beschrieben, wie Hannibal Lecter seinem Opfer das Gehirn aus dem Schädel löffele. Bei Sendungen wie „Dr. Diary“ oder „Doc meets Dorf“ kann er aber auch über Fehler lachen, weil diese nicht den Anspruch an Realität transportieren wollten. Doch nicht alle können den Unterschied zwischen Wahrheit und Fiktion erkennen: Umfragen zufolge glaubten nach „Jurassic Park“ viele Menschen, dass man aus Moskitoblut Dinosaurier züchten kann. So etwas ficht Dr. Hagemeyer zwar nicht an. Kritisch wird es für ihn aber, wenn sich gravierende Fehlhaltungen auf das Publikum übertragen. „Die meisten Fehler“, betont er ernst, „werden leider immer noch bei der Reanimation gemacht.“ Den Filmboom im medizinischen Bereich erklärt der Arzt mit der neuen Digitalisierungstechnik. Erst dadurch könnten Filme mit den Themenbereichen Träume („Inception“), Genetik („Gattacca“), 52 Te Tellur 127,60 2 8 18 18 6 V 23 Vanadium 50,942 2 8 11 2 oder Psychotherapie („Shutter Island“) endlich authentisch verfilmt werden. Gleiches gelte für Serien wie zum Beispiel „Dexter“, „In Treatment“, „Breaking Bad“, „CSI“, „RIS“ oder „Postmortem“. „Sie alle sprechen in extremer Weise den eigenen Horror oder andere unterdrückte Tabus an“, erklärt Dr. Hagemeyer. Menschen wollten vermittelt bekommen, wie es ist, krank zu sein, zu sterben oder etwas verlieren zu können. Ein weiteres Erfolgsgeheimnis sei die ständige Überhöhung des Menschen in der Arztrolle und das Vergnügen der Zuschauer, diesen durch profan Menschliches aus der Rolle fallen zu sehen. Natürlich sei aber auch die Mutlosigkeit der öffentlichrechtlichen Sender ein Grund für die vielen Arztserien. „Es braucht einfach immer eine gute Weile, bis sich Neues etabliert.“ PRODUZENTEN SIND HÄUFIG NERDS Trotz der Konzentration auf die Medizin wird laut LMU-Theaterwissenschaftlers Lars Krautschick jede Wissenschaft im Fernsehen verkörpert. Als Beispiele nennt er Indiana Jones für die Archäologen, für die Kunstgeschichte die Werke von Dan Brown, für die Physik „The Big Bang Theory“, für die Chemie „Breaking Bad“ und für die Informatik „The IT Crowd“. Außerdem würden viele Horrorund Slasher-Filme – Krautschicks Spezialgebiet – auf den Campus von Universitäten spielen. Den Grund für die breite Streuung hat Krautschick schnell ausgemacht: „Die heutigen Produzenten waren früher alle Nerds, die Science-Fiction mochten“, sagt er. „Die sind jetzt in dem Alter, wo sie Filme herstellen und ihre Lieblingsthemen kombinieren können: Science und Fiction.“ Was Krautschick dabei jedoch stört, ist die Leichtgläubigkeit der Zuschauer. „Das fing in den 1930er-Jahren an“, erklärt er. „Damals dachten die Menschen, im Kino würde das ‚wahre Leben‘ gezeigt – daran hat sich bis heute nicht viel geändert.“ Heute glaubten die Leute durch parapsychologische Filme wie „Paranormal Activity“, sie könnten Geisterjäger werden, durch Krimiserien wie „CSI“, Labortechniker würden Waffen tragen, oder nach „Breaking Bad“, sie könnten die Droge Crystal Meth herstellen – obwohl in der Serie immer ein entscheidender Schritt im Herstellungsverfahren ausgelassen wurde. Außerdem sei zum Beispiel bei „The Big Bang Theory“ das physikalische Gedankenexperiment „Schrödingers Katze“ nicht korrekt dargestellt worden und bei „Das A-Team – Der Film“ die Handlung in Frankfurt am Main angesiedelt, obwohl im Hintergrund der Kölner Dom zu sehen sei. „Darüber hinaus gibt es keine Maschine, die an- N R . 1 • 2014 THEMA 7

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„Mara und <strong>der</strong> Feuerbringer“ an <strong>der</strong> <strong>LMU</strong>.<br />

hinnehmen, dass ihre Disziplin in Sendungen wie Dr. Stefan Frank<br />

auf den Kopf gestellt wird. Daher gründete <strong>der</strong> ehemalige <strong>LMU</strong>-<br />

Student Dr. Pablo Hagemeyer mit einigen Kollegen The DOX. Die<br />

Beratungsagentur durchforstet Drehbücher, hilft bei <strong>der</strong> Dramaturgie,<br />

vermittelt medizinisches Personal und spricht in <strong>der</strong> Weilheimer<br />

Zentrale mit den Autoren. „Die Welt wird immer komplizierter und<br />

komplexer“, veranschaulicht <strong>der</strong> Inhaber. Durch die Informationstechnologie,<br />

die gestiegene Rechnerleistung und die große Diversifizierung<br />

würden selbst Fachärzte nicht immer über das Neuste vom<br />

Neusten Bescheid wissen. Die meisten Fragen <strong>der</strong> Autoren zielen<br />

aber auf die Verhaltensweisen <strong>der</strong> Ärzte ab: „Wie würde er sich in<br />

dieser Situation verhalten?“, „Welche Möglichkeiten hat er?“ o<strong>der</strong><br />

„Woran denkt er zuerst?“. Damit dies beim Dreh alles korrekt umgesetzt<br />

wird, haben die Mitarbeiter mittlerweile ihren eigenen Regiebereich<br />

o<strong>der</strong> spielen gleich selber mit. „Es gibt doch keinen besseren<br />

Komparsen als einen echten Arzt“, grinst <strong>der</strong> Psychotherapeut.<br />

ARZTSERIEN WERDEN REALISTISCHER<br />

Insgesamt sind die gesendeten Abläufe aus Forschung und Praxis<br />

realistischer als noch vor 15 Jahren. „Heute kann sich kein Produzent<br />

mehr leisten, Mist zu produzieren“, berichtet Dr. Hagemeyer.<br />

Dies liege aber nicht zuletzt an <strong>der</strong> zunehmenden Beratung von<br />

Experten aus Medizin und Naturwissenschaft. So sei „Der Bergdoktor“<br />

im ZDF aus fachlicher Sicht momentan die beste deutsche<br />

Arztserie – „vor allem natürlich, weil wir sie zurzeit beraten“, ergänzt<br />

<strong>der</strong> Alumnus augenzwinkernd. Im Übrigen sei auch im Film „Das<br />

Schweigen <strong>der</strong> Lämmer“ sehr stimmig beschrieben, wie Hannibal<br />

Lecter seinem Opfer das Gehirn aus dem Schädel löffele. Bei Sendungen<br />

wie „Dr. Diary“ o<strong>der</strong> „Doc meets Dorf“ kann er aber auch<br />

über Fehler lachen, weil diese nicht den Anspruch an Realität transportieren<br />

wollten. Doch nicht alle können den Unterschied zwischen<br />

Wahrheit und Fiktion erkennen: Umfragen zufolge glaubten nach<br />

„Jurassic Park“ viele Menschen, dass man aus Moskitoblut Dinosaurier<br />

züchten kann. So etwas ficht Dr. Hagemeyer zwar nicht an.<br />

Kritisch wird es für ihn aber, wenn sich gravierende Fehlhaltungen<br />

auf das Publikum übertragen. „Die meisten Fehler“, betont er ernst,<br />

„werden lei<strong>der</strong> immer noch bei <strong>der</strong> Reanimation gemacht.“<br />

Den Fil<strong>mb</strong>oom im medizinischen Bereich erklärt <strong>der</strong> Arzt mit <strong>der</strong><br />

neuen Digitalisierungstechnik. Erst dadurch könnten Filme mit<br />

den Themenbereichen Träume („Inception“), Genetik („Gattacca“),<br />

52<br />

Te<br />

Tellur<br />

127,60<br />

2<br />

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23<br />

Vanadium<br />

50,942<br />

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o<strong>der</strong> Psychotherapie („Shutter Island“) endlich authentisch verfilmt<br />

werden. Gleiches gelte für Serien wie zum Beispiel „Dexter“, „In<br />

Treatment“, „Breaking Bad“, „CSI“, „RIS“ o<strong>der</strong> „Postmortem“. „Sie<br />

alle sprechen in extremer Weise den eigenen Horror o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e unterdrückte<br />

Tabus an“, erklärt Dr. Hagemeyer. Menschen wollten vermittelt<br />

bekommen, wie es ist, krank zu sein, zu sterben o<strong>der</strong> etwas<br />

verlieren zu können. Ein weiteres Erfolgsgeheimnis sei die ständige<br />

Überhöhung des Menschen in <strong>der</strong> Arztrolle und das Vergnügen <strong>der</strong><br />

Zuschauer, diesen durch profan Menschliches aus <strong>der</strong> Rolle fallen<br />

zu sehen. Natürlich sei aber auch die Mutlosigkeit <strong>der</strong> öffentlichrechtlichen<br />

Sen<strong>der</strong> ein Grund für die vielen Arztserien. „Es braucht<br />

einfach immer eine gute Weile, bis sich Neues etabliert.“<br />

PRODUZENTEN SIND HÄUFIG NERDS<br />

Trotz <strong>der</strong> Konzentration auf die Medizin wird laut <strong>LMU</strong>-Theaterwissenschaftlers<br />

Lars Krautschick jede Wissenschaft im Fernsehen<br />

verkörpert. Als Beispiele nennt er Indiana Jones für die Archäologen,<br />

für die Kunstgeschichte die Werke von Dan Brown, für die<br />

Physik „The Big Bang Theory“, für die Chemie „Breaking Bad“ und<br />

für die Informatik „The IT Crowd“. Außerdem würden viele Horrorund<br />

Slasher-Filme – Krautschicks Spezialgebiet – auf den Campus<br />

von Universitäten spielen. Den Grund für die breite Streuung hat<br />

Krautschick schnell ausgemacht: „Die heutigen Produzenten waren<br />

früher alle Nerds, die Science-Fiction mochten“, sagt er. „Die sind<br />

jetzt in dem Alter, wo sie Filme herstellen und ihre Lieblingsthemen<br />

ko<strong>mb</strong>inieren können: Science und Fiction.“<br />

Was Krautschick dabei jedoch stört, ist die Leichtgläubigkeit <strong>der</strong><br />

Zuschauer. „Das fing in den 1930er-Jahren an“, erklärt er. „Damals<br />

dachten die Menschen, im Kino würde das ‚wahre Leben‘ gezeigt –<br />

daran hat sich bis heute nicht viel geän<strong>der</strong>t.“ Heute glaubten die Leute<br />

durch parapsychologische Filme wie „Paranormal Activity“, sie könnten<br />

Geisterjäger werden, durch Krimiserien wie „CSI“, Labortechniker<br />

würden Waffen tragen, o<strong>der</strong> nach „Breaking Bad“, sie könnten<br />

die Droge Crystal Meth herstellen – obwohl in <strong>der</strong> Serie immer ein<br />

entscheiden<strong>der</strong> Schritt im Herstellungsverfahren ausgelassen wurde.<br />

Außerdem sei zum Beispiel bei „The Big Bang Theory“ das physikalische<br />

Gedankenexperiment „Schrödingers Katze“ nicht korrekt<br />

dargestellt worden und bei „Das A-Team – Der Film“ die Handlung in<br />

Frankfurt am Main angesiedelt, obwohl im Hintergrund <strong>der</strong> Kölner<br />

Dom zu sehen sei. „Darüber hinaus gibt es keine Maschine, die an-<br />

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