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N R . 1 • 2014 PROFILE<br />

12<br />

UNFALLFORSCHUNG AN DER <strong>LMU</strong><br />

VERKEHRSTOD VERHINDERN<br />

Die Unfallforscher um Dr. Wolfram Hell vom Institut für Rechtsmedizin<br />

<strong>der</strong> <strong>LMU</strong> und Professor Hans Bäumler von <strong>der</strong> Hochschule<br />

München versuchen mit ihrer Arbeit, tödliche Crashs zu<br />

verhin<strong>der</strong>n. Dafür analysieren sie bereits geschehene Verkehrsunfälle.<br />

Die Ergebnisse dienen unter an<strong>der</strong>em zur Optimierung<br />

von Sicherheitssystemen. Allerdings rennen sie damit nicht immer<br />

offene Türen ein.<br />

Unbekümmert fährt <strong>der</strong> Lkw-Fahrer seinen Kipplaster auf die Vorfahrtsstraße<br />

und bleibt Sekunden später mit dem 16 Tonnen schweren<br />

Gefährt stehen – mit Blick in die Richtung, aus <strong>der</strong> er eben gekommen<br />

ist: Denn <strong>der</strong> Lastwagen hat sich durch die Aufprallwucht<br />

des mit Tempo 70 ankommenden Kleinwagens um 180 Grad gedreht.<br />

Dessen Insassen: eine Mutter und ein älteres Kind auf Fahrer- und<br />

Beifahrersitz, ein 24 Monate altes Kleinkind im Kin<strong>der</strong>sitz auf <strong>der</strong><br />

Rückbank. Die gute Nachricht: Alle drei haben überlebt – trotz extremer<br />

Deformation des Fahrzeugs erlitten die Insassen in <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en<br />

Fahrgastzelle sogar „nur“ mittlere bis leichte Verletzungen. Die<br />

schlechte Nachricht: Das Kleinkind ist querschnittsgelähmt, obwohl<br />

<strong>der</strong> Fond des Autos kaum Beschädigungen aufweist. „Das Problem<br />

war <strong>der</strong> achtzehn Jahre alte Kin<strong>der</strong>sitz mit viel zu lockeren Gurten“,<br />

sagt <strong>der</strong> Mediziner und Unfallforscher Dr. Wolfram Hell, <strong>der</strong> unter<br />

an<strong>der</strong>em die Stiftung Warentest im Bereich Kin<strong>der</strong>sicherheit unterstützt:<br />

Der kleine Junge sei schlicht und ergreifend nicht ausreichend<br />

gesichert gewesen.<br />

Professionell schlicht und wenig ergreifend schil<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong><br />

Medizinisch Biomechanischen Unfallanalyse (MBU) am Institut für<br />

Rechtsmedizin <strong>der</strong> <strong>LMU</strong> dieses als eines von vielen Beispielen, mit<br />

denen er täglich zu tun hat – mit einem Unterschied: In <strong>der</strong> Regel<br />

haben die Beteiligten <strong>der</strong> Unfälle, die er und sein Team untersuchen,<br />

nicht überlebt.<br />

UNFALLANALYSE INTERDISZIPLINÄR<br />

Im Unfallforschungs- o<strong>der</strong> kurz „Ufo-Labor“ im zweiten Stock <strong>der</strong><br />

Rechtsmedizin in <strong>der</strong> Nußbaumstraße arbeiten die Doktoranden<br />

und Diplomanden von Professor Hans Bäumler aus dem Bereich<br />

Fahrzeugtechnik von <strong>der</strong> Hochschule München, <strong>der</strong> zusammen mit<br />

Wolfram Hell die medizinisch-biomechanischen Analysen durchführt.<br />

Das heißt, die Forscher fokussieren sich gleichsam interdiszip-<br />

linär auf alle Kausalitäten, die zu einem Crash geführt haben, indem<br />

sie Unfallkraftwagen auf Beschädigungen, technische Mängel und<br />

gleichzeitig auch die tödlich Verunglückten mittels Obduktion, sofern<br />

diese angeordnet wird, auf Grad und Art <strong>der</strong> Verletzung sowie<br />

den Zustand des Fahrers beim Unfall hin untersuchen.<br />

Dabei widmen sich die Teammitglie<strong>der</strong> ganz unterschiedlichen Projekten:<br />

Doktorand Klaus Bauer etwa simuliert Fahrradunfälle und<br />

Diplomand Florian Plöchinger beschäftigt sich mit Abbiegeunfällen.<br />

Die Daten von tödlichen Verkehrsunfällen und <strong>der</strong>en Opfern – von<br />

ihnen landen jährlich rund 150 auf den Obduktionstischen im Untergeschoss<br />

des Gebäudes – führt Doktorand Michael Rasch in <strong>der</strong><br />

sogenannten Sicherheits-Unfall-Datenbank, kurz SUD, zusammen:<br />

„Wir haben einige Jahrgänge mittlerweile lückenlos erfasst“, erklärt<br />

er. Ob Unfallhergang, Wetterbedingungen, technischer Zustand des<br />

Pkw, Zustand des Fahrers sowie die Verletzungen, die zum Tode<br />

führten – alle relevanten Daten werden in <strong>der</strong> SUD präzise abgebildet.<br />

Da ist die bei Tempo 200 gebrochene Karbon-Keramik-Bremsscheibe<br />

des teuren Sportschlittens genauso dokumentiert wie <strong>der</strong><br />

Herzinfarkt eines Unfallfahrers, die verstopfte Bremsleitung ebenso<br />

wie <strong>der</strong> Blutalkoholgehalt eines Rasers und die weit überhöhte Geschwindigkeit<br />

seines schleu<strong>der</strong>nden Wagens, den eine Hauswand<br />

schließlich stoppte.<br />

„Wenn wir technische Mängel bei bestimmten Fahrzeugtypen als<br />

unfallkausal erkannt haben“, erläutert Wolfram Hell, „dann geben<br />

wir das an die Überwachungsvereine weiter. Denn dass etwa eine<br />

Bremsleitung nach und nach verstopfen kann, weil bei <strong>der</strong> Herstellung<br />

billigste Materialien verbaut wurden, ist bei <strong>der</strong> regelmäßigen<br />

Hauptuntersuchung nicht unbedingt festzustellen.“ Die Münchener<br />

Unfallforscher haben deswegen auch die Firma Fahrzeugsystemdaten<br />

Technik G<strong>mb</strong>H (FSD) in Dresden als Partner. Zu ihr gehören<br />

alle technischen Überwachungsvereine Deutschlands. Die Vorgaben<br />

<strong>der</strong> FSD müssen bei Kfz-Untersuchungen berücksichtigt werden.<br />

WICHTIGE ARGUMENTATIONSGRUNDLAGE<br />

Die meisten Unfälle werden aber nicht durch die Technik verursacht.<br />

In 70 bis 80 Prozent ist <strong>der</strong> Mensch selbst schuld: Alkohol und zu<br />

hohe Geschwindigkeiten sind die häufigsten Ursachen für tödliche<br />

Unfälle. Aber auch Crashs aus medizinischen Gründen steigen.

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