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Die Ungleichungen von Loewner und Pu

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<strong>Die</strong> <strong>Ungleichungen</strong> <strong>von</strong> <strong>Loewner</strong> <strong>und</strong> <strong>Pu</strong><br />

Simone Maxand (simone.maxand@gmx.de)<br />

10. Mai 2011<br />

In diesem Vortrag werden wir den Begriff der Systole für nicht-einfachzusammenhängende<br />

Mannigfaltigkeiten definieren. Mit den <strong>Ungleichungen</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Loewner</strong> <strong>und</strong> <strong>Pu</strong> wollen wir einen Zusammenhang zwischen Systole<br />

<strong>und</strong> gesamtem Flächeninhalt der Mannigfaltigkeit herstellen. Außerdem<br />

werden wir einen Spezialfall der Hermite-Konstanten betrachten, die wir<br />

für die <strong>Loewner</strong> Ungleichung benötigen.<br />

1 Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Zunächst definieren wir einige gr<strong>und</strong>legende Begriffe, die wahrscheinlich teilweise schon<br />

bekannt sind, aber in jedem Fall in diesem Kapitel benötigt werden. Wir betrachten<br />

im Folgenden Kurven in einem topologischen Raum X:<br />

Definition 1.1. Eine Schleife, oder auch geschlossene Kurve, in X kann auf zwei<br />

äquivalenten Wegen definiert werden, als<br />

1. die stetige Abbildung β : [a, b] → X mit β(a) = β(b);<br />

2. die stetige Abbildung λ : S 1 → X vom Kreis S 1 nach X.<br />

Eine Schleife heißt einfach, wenn sie injektiv ist.<br />

Definition 1.2. Eine Schleife S 1 → X heißt zusammenziehbar, wenn sich die Abbildung<br />

des Kreises zu der stetigen Abbildung der Einheitsscheibe D → X ausweiten<br />

lässt. X heißt einfach zusammenhängend, wenn jede Schleife zusammenziehbar ist.<br />

Definition 1.3. Zwei Schleifen β 0 , β 1 : [0, 1] → X heißen homotop, wenn es eine stetige<br />

Abbildung h : [0, 1] × [0, 1] → X gibt, so dass h(x, 0) = β 0 (x) <strong>und</strong> h(x, 1) = β 1 (x)<br />

für alle x ∈ [0, 1]. Außerdem ist h(0, t) = h(1, t) für alle t ∈ [0, 1]. <strong>Die</strong> Äquivalenzklassen<br />

der homotopen Schleifen nennen wir (freie) Homotopieklassen. <strong>Die</strong> Menge der<br />

Homotopieklassen definiert die F<strong>und</strong>amentalgruppe.<br />

Für den schon in den vorangehenden Vorträgen eingeführten <strong>und</strong> verwendeten Begriff<br />

einer Geodäte erwähnen wir noch einmal folgendes wichtige Ergebnis.<br />

Seminar ”<br />

Systolische Geometrie“, SS 2011, Universität Göttingen<br />

1


2 2 Isoperimetrische Ungleichung<br />

Satz 1.4. Jede (freie) Homotopieklasse enthält eine geschlossene Geodäte, die als<br />

Kurve kürzester Länge gewählt werden kann.<br />

Gr<strong>und</strong>legende neue Definition für diesen Vortrag ist die Defnition einer Systole.<br />

Definition 1.5 (Systole). <strong>Die</strong> Systole ist das Infimum der Längen der nicht zusammenziehbaren<br />

Schleifen β auf einer kompakten, nicht einfach zusammenhängenden<br />

Riemannschen Mannigfaltigkeit (M, G). Wir schreiben:<br />

sysπ 1 (G) := inf length(β).<br />

β<br />

Um einzusehen, dass dieses Infimum für eine kompakte Riemannsche Mannigfaltigkeit<br />

immer angenommen wird, verwenden wir Satz 1.4, der schon in einem der<br />

vorherigen Vorträge behandelt wurde. Das Minimum der Längen über die Schleifen in<br />

der Mannigfaltigkeit wird also <strong>von</strong> einer Geodäte angenommen.<br />

Abbildung 1: Kleinste Schleife auf einem Torus T 2<br />

Wir wollen nun einen Zusammenhang zwischen der Systole sysπ 1 (G) <strong>und</strong> der Fläche<br />

area(Σ, G) herstellen, die bereits definiert wurde als<br />

area(Σ, G) = ∑ ∫ √<br />

det(g ij )du 1 du 2 ,<br />

{U}<br />

U<br />

wobei {U} eine Partition <strong>von</strong> Σ in offene Überdeckungen ist.<br />

2 Isoperimetrische Ungleichung<br />

Als Einstieg <strong>und</strong> Anreiz für die systolischen <strong>Ungleichungen</strong> <strong>von</strong> <strong>Loewner</strong> <strong>und</strong> <strong>Pu</strong> betrachten<br />

wir zunächst die isoperimetrische Ungleichung. <strong>Die</strong>se dient als Lösung einer<br />

praktischen Fragestellung: Ein Bauer hat für die Einzäunung eines Weidegebietes eine<br />

bestimmte Länge an Zaun zur Verfügung. Nun möchte er damit eine größtmögliche


3 <strong>Die</strong> <strong>Ungleichungen</strong> <strong>von</strong> <strong>Loewner</strong> <strong>und</strong> <strong>Pu</strong> 3<br />

Fläche einschließen. <strong>Die</strong> obere Grenze dafür wird durch die isoperimetrische Ungleichung<br />

gegeben.<br />

Betrachten wir also eine einfache geschlossene Kurve in einer Ebene. <strong>Die</strong> Länge der<br />

Kurve bezeichnen wir mit L. Sei A der Flächeninhalt des durch die Kurve eingeschlossenen<br />

Gebietes. Dann erfüllt jede einfache Kurve in der Ebene<br />

( ) 2<br />

A L<br />

π ≤ .<br />

2π<br />

Eine obere Schranke für den Flächeninhalt des <strong>von</strong> der Kurve eingeschlossenen Gebietes<br />

ist also L 2 /4π. Es gilt Gleichheit, wenn die Kurve ein Kreis ist. Für den Beweis<br />

siehe zum Beispiel [Bär01].<br />

3 <strong>Die</strong> <strong>Ungleichungen</strong> <strong>von</strong> <strong>Loewner</strong> <strong>und</strong> <strong>Pu</strong><br />

Um die Ungleichung <strong>von</strong> <strong>Loewner</strong> zu formulieren, greifen wir zunächst die Definition<br />

der Hermite-Konstanten aus dem vorangehenden Kapitel wieder auf. Für b ∈ N ist γ b<br />

definiert durch die Formel<br />

{<br />

√<br />

γb = sup<br />

λ 1 (L)<br />

vol(R b /L) 1/b |L ⊆ (Rb , || ||)<br />

Dafür ist λ k (L, || · ||) := inf{λ ∈ R|∃ lin. unabh. v 1 , . . . , v k mit ||v i || ≤ λ∀i} das sukzessive<br />

k-te Minimum, hier also λ 1 (L) die Länge des kürzesten Vektors. Wir machen<br />

für diese Konstante folgende Feststellung.<br />

Lemma 3.1. Für b = 2 hat die Hermite-Konstante den Wert γ 2 = 2 √<br />

3<br />

≈= 1.1547. Das<br />

zugehörige kritische Gitter ist homothetisch zum Z−Span der dritten Einheitswurzeln<br />

in C.<br />

Homothetie bedeutet dabei Identität bis auf Translationen <strong>und</strong> zentrische Streckungen.<br />

}<br />

.<br />

Beweis. Wir betrachten das Gitter L ⊂ C = R 2 <strong>und</strong> wollen berechnen<br />

λ 1 (L) 2<br />

area(C/L) . (1)<br />

Sei λ 1 (L) = |z| die Länge des kürzesten Vektors z ∈ L \ {0}. Wir ersetzen nun L durch<br />

das Gitter z −1 L. Wir kommen zum gleichen Ergebnis, da sich durch Multiplikation <strong>von</strong><br />

L mit komplexen Zahlen ungleich null der Quotient (1) nicht ändert. Wir setzen L =<br />

z −1 L. Dann ist das kürzeste Element des Gitters +1 ∈ C <strong>und</strong> λ 1 (L) = 1. Wir ergänzen<br />

das kürzeste Element nun zu einer Z−Basis {τ, +1} <strong>von</strong> L, dabei ist |τ| ≥ λ 1 (L) = 1.<br />

Betrachten wir nun den Realteil R(τ) <strong>von</strong> τ. <strong>Die</strong> Basis können wir abändern, indem<br />

wir zu τ einen passenden Wert addieren, so dass − 1 2 ≤ R(τ) ≤ 1 2<br />

. Dann liegt der zweite<br />

Basisvektor τ im Abschluss des Standard F<strong>und</strong>amentalgebiets<br />

D = {z ∈ C| |z| > 1, |R(z)| < 1 , I(z) > 0}<br />

2


4 3 <strong>Die</strong> <strong>Ungleichungen</strong> <strong>von</strong> <strong>Loewner</strong> <strong>und</strong> <strong>Pu</strong><br />

für die Wirkung der Gruppe PSL(2, Z) in der oberen Halbebene <strong>von</strong> C.<br />

Für den Imaginärteil gilt I(τ) ≥ √ 3<br />

2 . Betrachten wir τ = r·eiϕ = r·(cos ϕ+i·sin ϕ),<br />

so stellen wir fest, dass Gleichheit nur möglich ist, wenn τ = e i π 3 oder τ = e i 2π 3 <strong>und</strong><br />

damit R(τ) = + /− 1 2 <strong>und</strong> I(τ) = sin π 3 = sin 2π 3<br />

= √ 3<br />

2<br />

. Weiterhin erhalten wir für<br />

τ = r · e iϕ<br />

sin ϕ = I(τ)<br />

√<br />

3<br />

≥<br />

|τ| 2|τ| .<br />

Schließlich berechnen wir die Fläche des Parallelogramms, dass durch die Basisvektoren<br />

τ <strong>und</strong> +1 aufgespannt wird <strong>und</strong> schreiben<br />

λ 1 (L) 2<br />

area(C/L) = 1<br />

|τ| sin ϕ ≤ 2 √<br />

3<br />

.<br />

Das Maximum wird also angenommen, wenn |τ| = 1 <strong>und</strong> wir erhalten γ 2 = 2 √<br />

3<br />

.<br />

<strong>Die</strong> erste untere Schranke für das Volumen einer Mannigfaltigkeit wurde <strong>von</strong> Charles<br />

<strong>Loewner</strong> 1949 durch die folgende Ungleichung gef<strong>und</strong>en. <strong>Die</strong>se stellt nun auf dem<br />

Torus eine Beziehung zwischen ganzer Fläche <strong>und</strong> Systole her <strong>und</strong> beschränkt die<br />

Fläche so nach unten. <strong>Die</strong>se Beziehung wird durch die Ungleichung <strong>von</strong> <strong>Pu</strong> für den<br />

reellen projektiven Raum formuliert <strong>und</strong> kann dann auf alle asphärischen Flächen<br />

erweitert werden. Für die <strong>Loewner</strong> Ungleichung betrachten wir also nicht wie vorher<br />

in der isoperimetrischen Ungleichung die Länge der beschränkenden Kurve, sondern<br />

die Länge der kürzesten Kurve sysπ 1 (G) <strong>und</strong> als Bereich die gesamte Mannigfaltigkeit.<br />

Satz 3.2 (<strong>Loewner</strong> Ungleichung). Jede Riemannsche Metrik G auf dem Torus T 2<br />

erfüllt die Gleichung<br />

sysπ 1 (G) 2 ≤ γ 2 area(G),<br />

wobei γ 2 = 2 √<br />

3<br />

die Hermite-Konstante wie in 3.1 ist. Gleichheit gilt für eine glatte<br />

Metrik, die homothetisch ist zu dem Quotienten aus C mit dem kritischen Gitter aus<br />

3.1.<br />

<strong>Die</strong>se Ungleichung sowie die Ungleichung <strong>von</strong> <strong>Pu</strong> werden im nächsten Vortrag bewiesen.<br />

Durch P.M. <strong>Pu</strong>, ein Schüler <strong>von</strong> <strong>Loewner</strong>, wurde in den 1950er Jahren eine weitere<br />

Ungleichung bewiesen, die eine Schranke für die Fläche nun nicht nur auf dem Torus<br />

darstellt. Betrachten wir also nicht den Torus T 2 , sondern die reelle projektive Ebene<br />

RP 2 . Dann gilt die Ungleichung <strong>von</strong> <strong>Pu</strong><br />

sysπ 1 (G) 2 ≤ π 2 area(G),<br />

für jede Metrik G auf RP 2 .<br />

Mit der Ungleichung <strong>von</strong> <strong>Pu</strong> können wir so etwas wie eine Umkehrung“ zu der<br />

”<br />

isoperimetrischen Ungleichung ausdrücken. <strong>Die</strong> Ähnlichkeit zu dieser erkennt man in<br />

der Schreibweise<br />

( ) 2 sysπ1 (G)<br />

≤ area(G) .<br />

π<br />


Literatur 5<br />

<strong>Die</strong> Ungleichung kann weiter auf alle asphärische Flächen ausgeweitet werden. Eine<br />

Fläche ist asphärisch, wenn sie nicht die 2-Sphäre ist.<br />

Satz 3.3. Jede asphärische Fläche (Σ, G) erfüllt die Ungleichung <strong>von</strong> <strong>Pu</strong>. Gleichheit<br />

wird angenommen, wenn Σ die reelle projektive Ebene ist <strong>und</strong> die Metrik G konstante<br />

Gausskrümmung hat.<br />

Um die Erweiterung auf asphärische Flächen zu erhalten, verwenden wir Gromovs<br />

Ungleichung. Dafür betrachten wir einen metrischen Ball<br />

B = B p ( 1 2 sysπ 1(G)) ⊂ Σ<br />

mit Radius 1 2 sysπ 1(G), der in jeder aspherischen kompakten Fläche (Σ, G) enthalten<br />

ist. <strong>Die</strong> Ungleichung <strong>von</strong> Gromov besagt nun, dass dieser Ball die Gleichung<br />

sysπ 1 (G) 2 ≤ 4 3 area(B)<br />

erfüllt. Da π 2 > 4 3<br />

<strong>und</strong> area(B) < area(G) erhalten wir also sogar eine stärkere<br />

Abschätzung für die quadrierte Länge der kürzesten Kurve sysπ 1 (G)).<br />

Eine weitere Generalisierung findet sich in Theorem 8.2.3 aus [Kat07].<br />

Literatur<br />

[Bär01] Bär, Christian: Elementare Differentialgeometrie. Berlin, New York : de<br />

Gruyter Lehrbuch, 2001<br />

[Kat07] Katz, Mikhail G.: Mathematical Surveys and Monographs. Bd. 137: Systolic<br />

geometry and topology. Providence, RI : American Mathematical Society,<br />

2007. – xiv+222 S. – ISBN 978–0–8218–4177–8. – With an appendix by Jake<br />

P. Solomon<br />

[Wik]<br />

Wikimedia, http://en.wikipedia.org/

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