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Skript Teil 1 - Uni-marburg.de

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<strong>Skript</strong> zur Vorlesung<br />

Leistungspflichten <strong>de</strong>s Unternehmers<br />

<strong>Teil</strong> 1<br />

Die Bauleistung und ihr Preis<br />

Prof. Stefan Leupertz<br />

Schiedsrichter, Schlichter, Adjudikator<br />

Richter am Bun<strong>de</strong>sgerichtshof a.D.


<strong>Teil</strong> 1<br />

Das bauvertragliche<br />

Preis- Leistungsgefüge<br />

1 Der Bauvertrag<br />

1.1 Zustan<strong>de</strong>kommen<br />

Der Bauvertrag kommt – vorbehaltlich <strong>de</strong>r Bauvergabe durch öffentliche<br />

Auftraggeber im Rahmen <strong>de</strong>r speziellen Vergabebestimmungen <strong>de</strong>r VOB/A – nach<br />

Maßgabe <strong>de</strong>r §§ 145ff. BGB durch zwei inhaltlich übereinstimmen<strong>de</strong><br />

rechtsgeschäftliche Willenerklärungen, also durch Angebot und Annahme<br />

zustan<strong>de</strong>. Er unterliegt in <strong>de</strong>r Regel keiner Form und kann von <strong>de</strong>n Parteien in <strong>de</strong>n<br />

durch §§ 134f. BGB gezogenen Grenzen inhaltlich frei gestaltet wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Praxis<br />

wird die Ausübung dieses Gestaltungsrechtes durch eine kaum noch zu<br />

überblicken<strong>de</strong> Vielzahl von Allgemeinen Geschäftsbedingungen dominiert, die<br />

dann allerdings einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach Maßgabe <strong>de</strong>r §§ 307ff.<br />

BGB standhalten müssen. Auch die Bestimmungen <strong>de</strong>r VOB/B sind nach ganz h. M. 1<br />

Allgemeine Geschäftsbedingungen, die einer isolierten Inhaltskontrolle nur dann<br />

nicht unterliegen, wenn die VOB/B als Ganzes, d. h. ohne Än<strong>de</strong>rungen vereinbart ist.<br />

Das ist in <strong>de</strong>r Praxis kaum je <strong>de</strong>r Fall.<br />

Die Initiative für <strong>de</strong>n Abschluss eines Bauvertrages geht regelmäßig vom<br />

Auftraggeber aus, <strong>de</strong>r es naturgemäß in <strong>de</strong>r Hand hat, <strong>de</strong>n gewünschten Bauerfolg<br />

näher fest zu legen. Das wie<strong>de</strong>r rum geschieht zumeist durch die Erstellung eines<br />

Leistungsverzeichnisses, in <strong>de</strong>m die hierfür erfor<strong>de</strong>rlichen Arbeiten nach<br />

Leistungspositionen aufgeschlüsselt erfasst sind. Auf dieser Grundlage gibt <strong>de</strong>r<br />

Auftragnehmer sein Vertragsangebot ab, in<strong>de</strong>m er das Leistungsverzeichnis mit<br />

seinen Angebotspreisen versieht und <strong>de</strong>m Auftraggeber zurückreicht. Der<br />

Auftraggeber entschei<strong>de</strong>t dann darüber, ob er dieses Angebot annimmt, was er <strong>de</strong>m<br />

Auftragnehmer gegenüber zumin<strong>de</strong>st konklu<strong>de</strong>nt – etwa durch die<br />

unmissverständliche Auffor<strong>de</strong>rung, mit <strong>de</strong>n angebotenen Arbeiten zu beginnen –<br />

mitteilen muss (§ 130 Abs.1 BGB). Die Vertragskonstellation ist die gleiche, wenn <strong>de</strong>r<br />

1 a. A: Leupertz, Jahrbuch Baurecht 2004, 43<br />

2


mit Spezialkenntnissen ausgestattet Auftragnehmer das Leistungsverzeichnis zu<br />

Erreichung <strong>de</strong>s vom Auftraggeber nur funktional vorgegebenen Bauerfolges<br />

erstellt. Allerdings trägt er dann abweichend vom Normalfall das Leistungs- und<br />

Preisrisiko für Unzulänglichkeiten <strong>de</strong>r von ihm verfassten Leistungsbeschreibung.<br />

Oft wird <strong>de</strong>r Auftraggeber bei <strong>de</strong>r Erstellung <strong>de</strong>s Leistungsverzeichnisses die Hilfe<br />

eines Architekten in Anspruch nehmen. Daraus folgt nicht, dass <strong>de</strong>r Architekt <strong>de</strong>n<br />

Auftraggeber bei <strong>de</strong>r Vergabe von Bauaufträgen wirksam rechtsgeschäftlich vertreten<br />

kann. Zwar wird er Bauleistungen in aller Regel nicht im eigenen Namen, son<strong>de</strong>rn im<br />

Namen seines Auftraggebers, oft <strong>de</strong>s Bauherrn vergeben; das weiß auch <strong>de</strong>r<br />

Auftragnehmer, wenn er vertragliche Verabredungen mit <strong>de</strong>m Architekten trifft 2 - §<br />

164 Abs. 1 S: 2 BGB. Wirksam verpflichtet wird <strong>de</strong>r Auftraggeber durch solche<br />

Erklärungen seines Architekten in<strong>de</strong>s nur, wenn er ihn <strong>de</strong>mentsprechend<br />

rechtsgeschäftlich bevollmächtigt hat (§ 167 Abs. 1 BGB).<br />

Dafür genügt es nicht, dass <strong>de</strong>r Architekt für <strong>de</strong>n Auftraggeber im Zusammenhang<br />

mit einem konkreten Bauvorhaben tätig wird, und zwar selbst dann nicht, wenn zu<br />

dieser Tätigkeit vereinbarungsgemäß die Einholung und Bewertung von<br />

Unternehmerangeboten gehört. Denn auch dann besteht seine durch Abschluss <strong>de</strong>s<br />

Architektenvertrages begrün<strong>de</strong>te Aufgabe lediglich in <strong>de</strong>r technischen und<br />

planerischen Betreuung <strong>de</strong>s Bauvorhabens, nicht in <strong>de</strong>r Schaffung <strong>de</strong>r hierfür<br />

erfor<strong>de</strong>rlichen vertraglichen Grundlagen 3 . An<strong>de</strong>rs nur, wenn <strong>de</strong>r Architektenvertrag<br />

eine entsprechen<strong>de</strong> Vollmachtklausel enthält o<strong>de</strong>r sich aus <strong>de</strong>n sonstigen<br />

Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalles zweifelsfrei ergibt, dass <strong>de</strong>r Auftraggeber <strong>de</strong>m<br />

Architekten eine umfassen<strong>de</strong> Vertretungsbefugnis eingeräumt hat 4 . Lässt sich eine<br />

solche Bevollmächtigung nicht feststellen, so kann sich eine wirksame Stellvertretung<br />

gleichwohl immer noch nach <strong>de</strong>n allgemein gültigen Grundsätzen von Anscheinsund<br />

Duldungsvollmacht ergeben, für die diejenige Vertragpartei darlegungs- und<br />

beweispflichtig ist, die sich auf die Wirksamkeit <strong>de</strong>s Vertretergeschäftes beruft.<br />

Beispiel: Der Auftraggeber überlässt <strong>de</strong>m Architekten die Vertragsverhandlungen,<br />

2 OLG Bran<strong>de</strong>nburg BauR 2002, 476; OLG Köln NJW-RR 1996, 212<br />

3 OLG Düsseldorf BauR 2000, 891; OLG Saabrücken NJW-RR 1999, 668; OLG Düsseldorf NJW-RR<br />

1996, 1485<br />

4 vgl.: BGH BauR 1978,139<br />

3


obwohl er selbst teilweise an <strong>de</strong>n Vertragsgesprächen teilnimmt. Wenn <strong>de</strong>r<br />

tatsächlich vollmachtlose Architekt dann <strong>de</strong>n Bauvertrag im Namen <strong>de</strong>s<br />

abwesen<strong>de</strong>n Auftraggebers unterzeichnet, muss dieser sich u. U. entgegenhalten<br />

lassen, <strong>de</strong>n Anschein einer wirksamen Bevollmächtigung gesetzt zu haben 5 .<br />

Erst wenn sich auch dazu keine ausreichen<strong>de</strong>n Feststellungen treffen lassen, ist <strong>de</strong>r<br />

vollmachtlos geschlossene Bauvertrag unwirksam und <strong>de</strong>r Architekt haftet ggfls.<br />

gemäß § 179 BGB persönlich 6 . Diese Grundsätze gelten im Wesentlichen auch für<br />

<strong>de</strong>n noch stärker mit <strong>de</strong>r technischen Umsetzung <strong>de</strong>s Bauvorhabens befassten<br />

Bauleiter 7 .<br />

1.2 Unternehmereinsatzformen / Beteiligte<br />

Außer Architekten und Son<strong>de</strong>rfachleuten (Tragwerksplaner, Lüftungs- und<br />

Klimatechniker, Bo<strong>de</strong>ngutachter, Vermessungsingenieure) wer<strong>de</strong>n auf<br />

Auftraggeberseite bei großen Bauvorhaben oft Projektsteuerer bzw.<br />

Projektmanager eingeschaltet, die <strong>de</strong>n Bauherrn von Planungs- und<br />

Koordinierungsaufgaben entlasten sollen 8 . Auf Auftragnehmerseite haben sich<br />

verschie<strong>de</strong>ne Unternehmereinsatzformen herausgebil<strong>de</strong>t. Die wichtigsten sind:<br />

• Der vom Bauherrn mit einem o<strong>de</strong>r mehreren Gewerken beauftragte<br />

Hauptunternehmer überlässt die Ausführung eines <strong>Teil</strong>s <strong>de</strong>r Leistungen kraft<br />

eigenständiger vertraglicher Vereinbarung nachgeordneten<br />

Subunternehmern, die ihrerseits in keiner vertraglichen Beziehung zum<br />

Bauherrn stehen.<br />

• Der Generalunternehmer unterschei<strong>de</strong>t sich vom Hauptunternehmer<br />

dadurch, dass er sämtliche zur Durchführung <strong>de</strong>s Bauvorhabens erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

Bauleistungen übernommen hat, diese selbst aber nur z. T. ausführt und im<br />

Übrigen Subunternehmern überlässt.<br />

5 vgl.: BGH BauR 1983, 165<br />

6 Nach obigen Grundsätzen ist <strong>de</strong>r nicht mit beson<strong>de</strong>rer Vollmacht ausgestattete Architekt<br />

grundsätzlich auch nicht befugt, Zusatz- o<strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rungsaufträge zu erteilen (OLG Düsseldorf<br />

BauR1198). Etwas an<strong>de</strong>res soll nach Auffassung <strong>de</strong>s BGH nur bei im Verhältnis zu Gesamtleistung<br />

geringfügigen Zusatzaufträgen gelten (BGH BauR 1978314, 316; a. A.: OLG Saabrücken NJW-RR<br />

1999, 668)<br />

7 OLG Düsseldorf BauR 2000, 891<br />

8 im Einzelnen zu <strong>de</strong>n Aufgaben <strong>de</strong>s Projektsteuerers: Eschenbruch; Recht <strong>de</strong>r Projektsteuerung, Rn<br />

5ff.<br />

4


• Auch <strong>de</strong>r Generalübernehmer hat sich gegenüber <strong>de</strong>m Bauherrn zur<br />

Herstellung <strong>de</strong>s gesamten Bauwerks verpflichtet, lässt aber sämtliche<br />

Bauleistungen von Subunternehmern ausführen. In <strong>de</strong>r Praxis treten<br />

insbeson<strong>de</strong>re Wohnungsunternehmen und Anlagegesellschaften als<br />

Generalübernehmer auf.<br />

• Von Totalunternehmer und Totalübernehmer spricht man, wenn zu <strong>de</strong>n<br />

Bauleistungen auch noch die für die Realisierung <strong>de</strong>s Bauvorhabens<br />

erfor<strong>de</strong>rlichen Planungsleistungen übernommen wer<strong>de</strong>n.<br />

• Vor allem für große Bauvorhaben mit unterschiedlichen<br />

Spezialisierungsanfor<strong>de</strong>rungen an die ausführen<strong>de</strong>n Unternehmen ist es<br />

üblich, dass sich mehrere Unternehmen zu einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE)<br />

zusammenschließen. Das geschieht meistens in <strong>de</strong>r Rechtsform einer BGB-<br />

Gesellschaft, die nach <strong>de</strong>r neueren Rechtssprechung <strong>de</strong>s BGH teilrechts- und<br />

parteifähig ist 9 . Die ARGE schließt <strong>de</strong>n Bauvertrag mit <strong>de</strong>m Auftraggeber und<br />

regelt im Innenverhältnis die Modalitäten <strong>de</strong>r Auftragsausführung.<br />

• Der Baubetreuer verpflichtet sich, auf <strong>de</strong>m Grundstück <strong>de</strong>s Bauherrn für<br />

<strong>de</strong>ssen Rechnung ein Bauvorhaben auszuführen. Davon zu unterschei<strong>de</strong>n ist<br />

• <strong>de</strong>r Bauträger, <strong>de</strong>r es übernimmt, auf einem eigenen o<strong>de</strong>r von ihm noch zu<br />

erwerben<strong>de</strong>n Grundstück ein Bauwerk für frem<strong>de</strong> Rechnung zu errichten. Der<br />

Bauträger schließt die Bauverträge mit <strong>de</strong>n ausführen<strong>de</strong>n Bauhandwerkern in<br />

<strong>de</strong>r Regel im eigenen Namen und verpflichtet sich, das Eigentum an <strong>de</strong>m fertig<br />

bebauten Grundstück auf <strong>de</strong>n Erwerber zu übertragen. Auf <strong>de</strong>n<br />

Bauträgervertrag fin<strong>de</strong>t nach ganz h. M. Werkvertragsrecht Anwendung 10 .<br />

Darüber hinaus sind die Bestimmungen <strong>de</strong>r Makler- und<br />

Bauträgerverordnung (MaBV) zu beachten.<br />

1.3 Inhalt<br />

9 BGH NJW 2001, 1056; BGH NJW 2002, 1207<br />

10 BGH NJW 1991, 342<br />

5


1.3.1 Allgemeines<br />

Der Bauerfolg hängt ganz entschei<strong>de</strong>nd davon ab, wie sorgfältig und kooperativ die<br />

Beteiligten bei <strong>de</strong>r Erarbeitung und Gestaltung <strong>de</strong>s Bauvertrages zusammenarbeiten.<br />

Das betrifft im Gegensatz zu <strong>de</strong>n meisten an<strong>de</strong>ren Vertragstypen nicht in erster Linie<br />

die rechtliche Ausarbeitung <strong>de</strong>s Vertragsverhältnisses, son<strong>de</strong>rn - viel tiefgreifen<strong>de</strong>r -<br />

schon die Bestimmung <strong>de</strong>r wechselseitigen vertraglichen Leistungspflichten. Denn<br />

es liegt aus <strong>de</strong>n bereits genannten Grün<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>s Bauens, dass in <strong>de</strong>r<br />

Regel schon die Konkretisierung <strong>de</strong>s Bauzieles eine <strong>de</strong>taillierte Planung voraussetzt<br />

und sich zu<strong>de</strong>m bei Vertragsschluss nur schwer festlegen lässt, welche<br />

Bauleistungen im Einzelnen erfor<strong>de</strong>rlich sein wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>n Bauplan umzusetzen.<br />

Die Parteien müssen sich also nicht nur darauf einigen, was nach ihrer Auffassung<br />

ein fairer Preis für die verlangte Ware ist, son<strong>de</strong>rn überhaupt erst <strong>de</strong>finieren und<br />

festlegen, wofür genau <strong>de</strong>r Auftragnehmer die vertragliche Vergütung bekommen<br />

soll. Darin liegt die größte und wichtigste Herausfor<strong>de</strong>rung für die Vertragsparteien,<br />

<strong>de</strong>r sie sich in <strong>de</strong>r Praxis allzu oft nicht gewachsen zeigen.<br />

1.3.2 Das Bausoll<br />

1.3.2.1 Grundlagen<br />

Beim Bauvertrag legen also die Parteien Art und Umfang <strong>de</strong>s herzustellen<strong>de</strong>n<br />

Werkes fest, in<strong>de</strong>m sie individuell bestimmen was und ggfls. wie zu bauen ist, um<br />

<strong>de</strong>n vertraglich geschul<strong>de</strong>ten Werkerfolg zu erreichen. Das Ergebnis dieser<br />

Bemühungen wird gemeinhin als Bausoll 11 bezeichnet. Das Bausoll entspricht also<br />

<strong>de</strong>m verpreisten Leistungsumfang. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die als<br />

Bausoll vertraglich festgelegten Leistungen mangelfrei und entsprechend <strong>de</strong>n Regeln<br />

<strong>de</strong>r Technik zu erbringen; dafür erhält er die vereinbarte, hilfsweise die übliche<br />

Vergütung.<br />

Das Bausoll ist keine statische Größe. Es kann im Verlauf <strong>de</strong>s Baugeschehens<br />

einvernehmlich, unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>r §§ 1 Abs. 3, Abs. 4 VOB/B auch<br />

einseitig durch Anordnungen <strong>de</strong>s Auftraggebers verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Für diese, in <strong>de</strong>r<br />

Praxis häufigen Fälle einer Störung <strong>de</strong>s vertraglichen Äquivalenzverhältnisses<br />

muss die benachteiligte Partei einen angemessenen finanziellen Ausgleich durch<br />

11 zum Begriff im Einzelnen: Kapellmann/Schiffers, Band 1, Rn 4, 100, 700, 720<br />

6


Anpassung <strong>de</strong>s Vertragspreises erhalten. Dem tragen die Bestimmungen in §§ 2<br />

Abs. 5, Abs. 6 und Abs. 7 VOB/B Rechnung.<br />

Hinweis: Vom Bausoll zu unterschei<strong>de</strong>n ist das Erfolgssoll, das die technisch<br />

einwandfreie, <strong>de</strong>n vertraglichen Vorgaben <strong>de</strong>s Auftraggebers entsprechen<strong>de</strong><br />

Herstellung <strong>de</strong>s bestellten Bauerfolges betrifft 12 . Der Bauerfolg kann auch bei<br />

vollständiger Umsetzung <strong>de</strong>s Bausolls verfehlt wer<strong>de</strong>n, beispielsweise dann, wenn<br />

die Parteien die geschul<strong>de</strong>ten Leistungen in Bezug auf das Bauziel falsch o<strong>de</strong>r<br />

unvollkommen geplant und beschrieben haben. Dann ist das Gewerk mangelhaft<br />

und <strong>de</strong>r Auftragnehmer hat hierfür einzustehen, wenn er <strong>de</strong>n Auftraggeber nicht<br />

rechtzeitig auf die erkennbaren Unzulänglichkeiten <strong>de</strong>r Ausschreibung hinweist (vgl.<br />

§ 13 Abs. 3 VOB/B) 13 . Erhält <strong>de</strong>r Auftraggeber einen solchen Hinweis, muss er<br />

eventuell erfor<strong>de</strong>rliche, vom bisherigen Bausoll nicht umfasste Zusatzleistungen<br />

anordnen, die <strong>de</strong>r Auftragnehmer dann unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 2 Abs. 5,<br />

6 VOB/B vergütet erhält.<br />

Für die mitunter schwierige Ermittlung <strong>de</strong>s Bausolls ist auf alle zum<br />

Vertraggegenstand erhobenen Unterlagen abzustellen, die nach <strong>de</strong>m so genannten<br />

Totalitätsprinzip gleichrangig heranzuziehen sind 14 . Erst wenn sich<br />

Abweichungen beispielsweise zwischen textlicher Leistungsbeschreibung und <strong>de</strong>n<br />

Bauplänen ergeben, ist im Rahmen <strong>de</strong>r dann gebotenen Auslegung (§§ 133, 157<br />

BGB) zu ermitteln, welcher Vertragsbestandteil gegenüber <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren vorrangig ist<br />

(dazu unten unter B. III. 2.) 15 .<br />

Kernstück <strong>de</strong>s klassischen Bauvertrages und wichtigster Anknüpfungspunkt für die<br />

Festlegung <strong>de</strong>s Bausolls ist die Leistungsbeschreibung. Regelungen hierzu fin<strong>de</strong>n<br />

sich in § 7VOB/A. Danach ist – entsprechend auch für <strong>de</strong>n privaten Bauvertrag -<br />

zwischen Leistungsbeschreibungen mit Leistungsverzeichnis (§ 7 Abs. 9 - 12 VOB/A)<br />

und solchen mit Leistungsprogramm (§ 7 Abs. 13 - 15 VOB/A) zu unterschei<strong>de</strong>n.<br />

12 hierzu eingehend: Motzke, NZBau 2002, 641ff.<br />

13 BGH NJW 1984, 1676; OLG Düsseldorf BauR 1994, 762<br />

14 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong> B, § 2, Rn 64<br />

15 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong> B, § 2, Rn 65, 66<br />

7


1.3.2.2 Vertragsformen: Einheitspreisvertrag / Pauschalpreisvertrag<br />

Das Leistungsverzeichnis enthält eine Aufglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bauvorhabens nach<br />

<strong>Teil</strong>leistungen, <strong>de</strong>n so genannten Leistungspositionen, <strong>de</strong>nen die für die Ausführung<br />

kalkulierten Mengenansätze (Massen) zugeordnet sind. In <strong>de</strong>r Regel erstellt <strong>de</strong>r<br />

Auftraggeber – entwe<strong>de</strong>r selbst o<strong>de</strong>r durch einen Architekten – das<br />

Leistungsverzeichnis, das <strong>de</strong>r Auftragnehmer dann zur Grundlage seines Angebots<br />

macht, in<strong>de</strong>m er die Preise für die einzelnen Leistungspositionen einsetzt und das so<br />

ausgefüllte Leistungsverzeichnis an <strong>de</strong>n Auftraggeber zurückreicht. Bleibt es bei <strong>de</strong>m<br />

durch Addition <strong>de</strong>r Positionspreise ermittelten Angebotspreis und nimmt <strong>de</strong>r<br />

Auftraggeber das Vertragsangebot an, haben die Parteien einen<br />

Einheitspreisvertrag geschlossen, zu <strong>de</strong>m u. U. allerdings auch noch eine<br />

einleiten<strong>de</strong> Baubeschreibung und ggfls. Zeichnungen gehören (vgl. § 7 Abs. 10 - 12<br />

VOB/A). Zumin<strong>de</strong>st beim Einheitspreisvertrag ist das (ausgefüllte)<br />

Leistungsverzeichnis also eine Art „Preisliste“ 16 . Vereinbaren die Vertragparteien<br />

hingegen auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s durch das Leistungsverzeichnis <strong>de</strong>taillierten<br />

Angebots – meist durch einen prozentualen Abschlag auf <strong>de</strong>n Angebotspreis – einen<br />

Pauschalpreis, dann kommt ein Detail-Pauschalvertrag zustan<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r sich vom<br />

Einheitspreisvertrag in erster Linie dadurch unterschei<strong>de</strong>t, dass sich<br />

Mengenmehrungen und Mengenmin<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>n durch § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 1, 2<br />

VOB/B weit gezogenen Grenzen grundsätzlich nicht auf <strong>de</strong>n insoweit eben<br />

pauschalierten Vertragspreis auswirken.<br />

Hinweis: In zahlreichen Detail-Pauschalverträgen fin<strong>de</strong>n sich so genannte<br />

Komplettheitsklauseln, durch die <strong>de</strong>r Auftragnehmer unabhängig von <strong>de</strong>r<br />

vorgegebenen Leistungsbeschreibung verpflichtet wer<strong>de</strong>n soll, eine voll<br />

funktionsfähige Leistung ohne zusätzliche Vergütung zu erbringen. Damit wird <strong>de</strong>m<br />

Auftragnehmer faktisch das Risiko für Fehler in <strong>de</strong>r vom Auftragnehmer gefertigten<br />

Planung aufgebür<strong>de</strong>t (An<strong>de</strong>rs beim Global-Pauschalvertrag, bei <strong>de</strong>m die<br />

Bauplanung regelmäßig ohnehin zu <strong>de</strong>n vertraglichen Leistungspflichten <strong>de</strong>s<br />

Auftragnehmers gehört. Eine solche Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />

<strong>de</strong>s Auftraggebers ist unwirksam 17 , wenn nicht ausnahmsweise <strong>de</strong>r Auftragnehmer<br />

das Leistungsverzeichnis erstellt hat 18 .<br />

16 so treffend: Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong> B, § 2, Rn 65<br />

17 OLG München BauR 1990, 776; Werner/Pastor, Rn 1196 m.w.N.<br />

18 OLG Düsseldorf BauR 2004, 506<br />

8


Oft verzichtet <strong>de</strong>r Auftraggeber auf eine <strong>de</strong>taillierte Leistungsbeschreibung und die<br />

Erstellung eines Leistungsverzeichnisses. An seine Stelle tritt dann zumeist ein<br />

Leistungsprogramm (vgl. § 7 Abs. 13 - 15 VOB/A) in Form einer funktionalen<br />

Ausschreibung, mit <strong>de</strong>r unter Verzicht auf konkrete Leistungsvorgaben nur <strong>de</strong>r<br />

Bauerfolg und die an ihn gestellten technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen und<br />

funktionsbedingten Anfor<strong>de</strong>rungen vorgegeben wer<strong>de</strong>n 19 . Es ist dann üblicherweise<br />

(nicht zwingend) Aufgabe <strong>de</strong>s Auftragnehmers, auf dieser Grundlage das Objekt zu<br />

planen und zu bauen 20 . Das typische Ergebnis einer solchen Vertragsgestaltung ist<br />

<strong>de</strong>r Global-Pauschalvertrag, bei <strong>de</strong>m die Bauplanung zum Bausoll <strong>de</strong>s<br />

Auftragnehmers gehört. Er trägt <strong>de</strong>shalb grundsätzlich auch das (Preis-) Risiko, dass<br />

<strong>de</strong>r angestrebte Bauerfolg mit seiner Planung nicht erreicht wer<strong>de</strong>n kann und<br />

zusätzliche, nicht kalkulierte Leistungen erfor<strong>de</strong>rlich wer<strong>de</strong>n 21 . Ein Son<strong>de</strong>rfall <strong>de</strong>s<br />

Global-Pauschalvertrages ist <strong>de</strong>r Schlüsselfertigbau, bei <strong>de</strong>m nicht nur <strong>de</strong>r Preis,<br />

son<strong>de</strong>rn auch die geschul<strong>de</strong>ten Bauleistungen pauschaliert sind. Der Auftragnehmer<br />

schul<strong>de</strong>t dann alle Arbeiten, die nach <strong>de</strong>n Regeln <strong>de</strong>r Technik für die Erreichung <strong>de</strong>s<br />

verabre<strong>de</strong>ten Bauerfolges erfor<strong>de</strong>rlich und vorhersehbar sind 22 .<br />

An<strong>de</strong>re Vertragstypen sind <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong>nlohnvertrag und <strong>de</strong>r<br />

Selbstkostenerstattungsvertrag.<br />

2 Der verpreiste Leistungsumfang und <strong>de</strong>r geschul<strong>de</strong>te<br />

Werkerfolg<br />

2.1 Vorab: Die Struktur <strong>de</strong>s Bauvertrages<br />

Welche Leistungen schul<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Unternehmer?<br />

Und welchen Preis muss <strong>de</strong>r Besteller für diese Leistungen bezahlen?<br />

Das sind die zentralen Fragen <strong>de</strong>s Bauvertragsrechts. Ihre Beantwortung geht fehl,<br />

wo sie ausschließlich aus <strong>de</strong>n Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s Bauvertragsrechts abgeleitet o<strong>de</strong>r<br />

19 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong> B, § 2 Rn 65<br />

20 vgl. OLG Düsseldorf BauR 2002, 1103<br />

21 Werner/Pastor, Rn 1189<br />

22 OLG Düsseldorf BauR 1996, 396; für die gleich gelagerte Problematik beim Detail-Pauschalvertrag<br />

mit Komplettheitsklausel: OLG Düsseldorf BauR 2004, 506; eingehend hierzu:<br />

Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong> B, § 2 Rn 250, 263, 267ff.<br />

9


gar mit baubetrieblichen Erwägungen zur Preiskalkulation begrün<strong>de</strong>t wird.<br />

Maßgebend sind vielmehr die vertraglichen Vereinbarungen <strong>de</strong>r Parteien, <strong>de</strong>ren<br />

Ermittlung und Festlegung in erster Linie nach <strong>de</strong>n allgemein gültigen Grundsätzen<br />

<strong>de</strong>r Rechtsgeschäftslehre zu erfolgen hat.<br />

Der typische Bauvertrag ist auf die Herbeiführung eines Werkerfolges gerichtet und<br />

<strong>de</strong>shalb „Werkvertrag“ i. S. d. §§ 631ff.BGB 23 . Die werkvertraglichen Bestimmungen<br />

<strong>de</strong>s BGB wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r durch das Zustan<strong>de</strong>kommen eines Bauvertrages geschaffenen<br />

Interessenlage zwischen <strong>de</strong>n Baubeteiligten allerdings nur in sehr beschränktem<br />

Umfang gerecht. Die Grün<strong>de</strong> hierfür sind vielschichtig, lassen sich im Kern aber<br />

darauf zurückführen, dass es sich bei einem Bauwerk in aller Regel um ein aus<br />

zahlreichen Einzelleistungen bestehen<strong>de</strong>s „<strong>Uni</strong>kat“ han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>ssen Herstellung im<br />

Rahmen eines oft sehr komplexen Baugeschehens in weit höherem Maße eine<br />

Koordination <strong>de</strong>r Vertragsleistungen und die Kooperation <strong>de</strong>r Vertragsparteien<br />

erfor<strong>de</strong>rt, als dies bei an<strong>de</strong>rsartigen Werkverträgen <strong>de</strong>r Fall ist. Deshalb entspringt<br />

auch die mittlerweile gefestigte Kooperationsrechtssprechung <strong>de</strong>s BGH 24 bei näherer<br />

Betrachtung <strong>de</strong>r zutreffen<strong>de</strong>n Erkenntnis, dass die interessengerechte Abwicklung<br />

eines Bauvertrages Verhaltensmaßregeln erfor<strong>de</strong>rt, die über <strong>de</strong>n Regelungsgehalt<br />

<strong>de</strong>r hierfür maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen.<br />

Der Bauerfolg hängt also ganz entschei<strong>de</strong>nd davon ab, wie sorgfältig und kooperativ<br />

die Beteiligten bei <strong>de</strong>r Erarbeitung und Gestaltung <strong>de</strong>s Bauvertrages<br />

zusammenarbeiten. Das betrifft im Gegensatz zu <strong>de</strong>n meisten an<strong>de</strong>ren<br />

Vertragstypen nicht in erster Linie die rechtliche Ausarbeitung <strong>de</strong>s<br />

Vertragsverhältnisses, son<strong>de</strong>rn - viel tiefgreifen<strong>de</strong>r - die Bestimmung <strong>de</strong>r<br />

wechselseitigen vertraglichen Leistungspflichten. Denn es liegt aus <strong>de</strong>n bereits<br />

genannten Grün<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>s Bauens, dass in <strong>de</strong>r Regel schon die<br />

Konkretisierung <strong>de</strong>s Bauzieles eine <strong>de</strong>taillierte Planung voraussetzt und sich zu<strong>de</strong>m<br />

bei Vertragsschluss nur schwer festlegen lässt, welche Bauleistungen im Einzelnen<br />

erfor<strong>de</strong>rlich sein wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>n Bauplan umzusetzen. Die Parteien müssen sich<br />

also nicht nur darauf einigen, was nach ihrer Auffassung ein fairer Preis für die<br />

verlangte Ware ist, son<strong>de</strong>rn überhaupt erst <strong>de</strong>finieren und festschreiben, welche<br />

Leistungen <strong>de</strong>r Auftragnehmer erbringen und wofür genau er die vertragliche<br />

23 BGH NJW 1983, 261<br />

24 grundlegend: BGH BauR 2000, 409; vgl. auch BGH, BauR 02, 409<br />

10


Vergütung bekommen soll. Darin liegt die größte und wichtigste Herausfor<strong>de</strong>rung für<br />

die Vertragsparteien, <strong>de</strong>r sie sich in <strong>de</strong>r Praxis allzu oft nicht gewachsen zeigen 25 .<br />

Die sich hieraus ergeben<strong>de</strong>n Schwierigkeiten und Risiken lassen sich nicht mit<br />

außerhalb <strong>de</strong>r Rechtsgeschäftslehre angesie<strong>de</strong>lten Erwägungen zur Risikoverteilung<br />

beseitigen o<strong>de</strong>r abmil<strong>de</strong>rn.<br />

These<br />

Die Beantwortung <strong>de</strong>r Frage, wer welche Vertragsrisiken zu tragen hat, hängt auch<br />

beim Bauvertrag entschei<strong>de</strong>nd ab vom Inhalt <strong>de</strong>r rechtsgeschäftlichen<br />

Vereinbarungen <strong>de</strong>r Vertragsparteien. Es gibt – je<strong>de</strong>nfalls im Grundsatz - keine<br />

bauvertragsspezifische Risikoverteilung.<br />

These<br />

Bauvertragstypisch im Vertrag verankerte Risikobereiche sind:<br />

die Sachmangelhaftung <strong>de</strong>s Unternehmers;<br />

die Verpflichtung <strong>de</strong>s Bestellers, erfor<strong>de</strong>rliche Mehraufwand bezahlen zu<br />

müssen (Nachtragsproblematik);<br />

bei<strong>de</strong> Risikobereiche sind miteinan<strong>de</strong>r verknüpft durch die<br />

Be<strong>de</strong>nkenhinweispflicht <strong>de</strong>s Unternehmers<br />

2.2 Die Ermittlung <strong>de</strong>s geschul<strong>de</strong>ten und „verpreisten“ Leistungsumfangs<br />

durch Auslegung<br />

2.2.1 Das Rechtsgeschäft „Bauvertrag“ als Bezugspunkt <strong>de</strong>r Auslegung<br />

Der werkvertragliche Erfolg ist bei richtigem Verständnis <strong>de</strong>s § 633 Abs. 2 BGB erst<br />

und nur dann verwirklicht, wenn die Werkleistungen <strong>de</strong>s Unternehmers die<br />

25 Das wie<strong>de</strong>rum hat nach Auffassung <strong>de</strong>s Verfassers entschei<strong>de</strong>nd damit zu tun, dass Bauleistungen<br />

viel zu oft in einem Zeitpunkt ausgeschrieben wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m noch keine <strong>de</strong>taillierten<br />

Ausführungspläne vorliegen. Notwendige Folge dieser weit verbreiteten Praxis sind Bauverträge mit<br />

schlechten bis unbrauchbaren Leistungsbeschreibungen, die <strong>de</strong>n Keim streitiger<br />

Auseina<strong>de</strong>rsetzungen über <strong>de</strong>n verpreisten Leistungsumfang in sich tragen. Das hiergegen oft<br />

vorgebrachte Argument, <strong>de</strong>r Kosten- und Zeitdruck erzwinge eine solche Vorgehensweise, ist ein<br />

gutes Beispiel für die eingangs dargestellte Fehlvorstellung, das Vertragsrecht habe sich nach <strong>de</strong>n<br />

Usancen <strong>de</strong>s Baugeschäfts zu richten.<br />

11


vereinbarten Beschaffenheiten aufweisen und <strong>de</strong>n vertraglich vorausgesetzten, sonst<br />

<strong>de</strong>n üblichen Verwendungszweck funktionsgerecht erfüllen 26 . Das ist das Bauziel,<br />

über das sich die Vertragsparteien nach allgemeinen Grundsätzen <strong>de</strong>r<br />

Rechtsgeschäftslehre (essentialia negotii) einigen müssen.<br />

Worin dieses Bauziel konkret besteht, ergibt sich naturgemäß nicht aus <strong>de</strong>m Gesetz.<br />

Vielmehr bestimmen die Vertragsparteien mit Vertragsschluss, welche Leistungen<br />

<strong>de</strong>r Unternehmer zu welchem Preis erbringen soll. Dafür stehen im Grundsatz zwei<br />

Ausschreibungsmetho<strong>de</strong>n zur Verfügung (die in <strong>de</strong>r Praxis allerdings in einer Vielzahl<br />

von Mischformen auftreten): Der Besteller kann es dabei belassen, <strong>de</strong>n gewünschten<br />

Bauerfolg durch eine funktionale Ausschreibung (mit Leistungsprogramm - § 7<br />

Abs. 13-15 VOB/A) allein über die Beschreibung <strong>de</strong>s Bauziels zu bestimmen. Das<br />

Gegenstück dazu ist die <strong>de</strong>taillierte Ausschreibung (mit Leistungsverzeichnis - § 7<br />

Abs. 9-12 VOB/A), die konkrete Vorgaben <strong>de</strong>s Bestellers für die Ausführung <strong>de</strong>r<br />

Bauleistung enthält. Bei<strong>de</strong> Vertragskonstruktionen bergen Sprengstoff.<br />

2.2.1.1 Funktionale Ausschreibung<br />

Kennzeichnend für die funktionale Ausschreibung ist es, dass es <strong>de</strong>m Unternehmer<br />

überlassen bleibt, wie er <strong>de</strong>n über Funktionalitäts- und Qualitätsanfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s<br />

Bestellers <strong>de</strong>finierten Bauerfolg verwirklicht. Er muss die hierfür erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

Leistungen planen und ausführen und er erhält als Gegenleistung die vertragliche<br />

vereinbarte Pauschalvergütung. Daran än<strong>de</strong>rt sich nichts, wenn sich seine<br />

Vorstellungen bei Vertragsschluss zum voraussichtlichen Leistungsaufwand<br />

nachträglich als unzutreffend erweisen und er zur Verwirklichung <strong>de</strong>s Bauziels<br />

an<strong>de</strong>ren o<strong>de</strong>r höheren Aufwand betreiben muss, als er kalkuliert hat. Es ist sein<br />

wirtschaftliches Risiko, mit welchen Mitteln er seine Leistungsverpflichtung erfüllt,<br />

weil er dieses Risiko rechtsgeschäftlich durch sein im Vertragsschluss manifestiertes<br />

Einverständnis übernommen hat, eine nicht durch konkrete Leistungsvorgaben<br />

spezifizierte Funktionalität als Bauerfolg zu gewährleisten.<br />

Gegen eine solche Risikoübernahme ist rechtlich grundsätzlich selbst dann nichts<br />

einzuwen<strong>de</strong>n, wenn <strong>de</strong>r Unternehmer <strong>de</strong>n erfor<strong>de</strong>rlichen Leistungsaufwand bei<br />

26 Zum Regelungsgehalt <strong>de</strong>s § 633 Abs. 2 BGB im Einzelnen: PWW/Leupertz, BGB, 9. Aufl., § 633,<br />

Rn. 20f.; iE ebenso <strong>de</strong>r BGH, <strong>de</strong>r die Funktionalitätserwartung allerdings <strong>de</strong>n<br />

Beschaffenheitsvereinbarungen zuordnet: BGH BauR 2008, 344, 346f. - Blockheizkraftwerk<br />

12


Vertragsschluss nicht verlässlich absehen und kalkulieren konnte. Denn <strong>de</strong>n<br />

Vertragsparteien steht es nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofs im<br />

Rahmen ihrer privatautonomen Entscheidung über die Vereinbarung wechselseitiger<br />

Vertragspflichten frei, selbst ungewöhnliche, einer belastbaren Kalkulation<br />

entgegenstehen<strong>de</strong> Wagnisse zu übernehmen 27 . Ist das geschehen, steht auch die<br />

Vorschrift <strong>de</strong>s § 7 Abs. 1 VOB/A nicht entgegen, <strong>de</strong>ren Regelungsgehalt allenfalls im<br />

Rahmen <strong>de</strong>r Auslegung für die Ermittlung <strong>de</strong>s rechtsgeschäftlichen Willens <strong>de</strong>r<br />

Vertragsparteien Be<strong>de</strong>utung erlangen kann.<br />

Der Ermittlung <strong>de</strong>s geschul<strong>de</strong>ten Leistungsumfangs durch Auslegung betrifft bei<br />

einem Vertrag mit streng funktionaler Ausschreibung grundsätzlich also (nur) die<br />

Beantwortung <strong>de</strong>r Frage, worin <strong>de</strong>r funktionale Bauerfolg besteht. Sie muss immer<br />

dann gestellt wer<strong>de</strong>n, wenn die Parteien über <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>s Bauziels als<br />

Gegenstand <strong>de</strong>r vertraglichen Leistungsverpflichtung <strong>de</strong>s Unternehmers streiten.<br />

2.2.1.2 Detaillierte Ausschreibung<br />

Bei Abschluss eines Bauvertrages mit <strong>de</strong>taillierter Ausschreibung liegen die Dinge<br />

an<strong>de</strong>rs. Dann greift die Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofs zur<br />

Funktionalitätsverpflichtung <strong>de</strong>s Unternehmers, wonach sein Werk selbst dann die<br />

vereinbarte o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Vertrag vorausgesetzte Funktion erfüllen muss, wenn<br />

diese durch die (fehlerfreie) Abarbeitung <strong>de</strong>r Leistungsvorgaben <strong>de</strong>s Bestellers nicht<br />

zu erreichen ist. 28 Er muss also auch nicht verpreiste Leistungen erbringen, wenn<br />

sie zur Verwirklichung <strong>de</strong>s so verstan<strong>de</strong>nen Bauerfolgs erfor<strong>de</strong>rlich sind. An dieser<br />

Stelle soll auf eine nähere Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit dieser Rechtsprechung und ihren<br />

vielfältigen Folgewirkungen verzichtet wer<strong>de</strong>n. Sie bedarf gleichwohl <strong>de</strong>r Erwähnung,<br />

weil sie die Grundlage für die Erkenntnis ist, dass sich bei (Mehrvergütungs-)<br />

Ansprüchen, die an das Auseinan<strong>de</strong>rfallen von erfor<strong>de</strong>rlichem und verpreistem<br />

Leistungsumfang geknüpft sind, zwei Bezugspunkte für eine Vertragsauslegung<br />

bestehen, die nicht miteinan<strong>de</strong>r vermengt wer<strong>de</strong>n dürfen: Zum einen ist zu ermitteln,<br />

worin <strong>de</strong>r (funktionale) Bauerfolg besteht und welche Leistungen hierfür erfor<strong>de</strong>rlich<br />

sind; zum an<strong>de</strong>ren muss ggf. ebenso durch Auslegung geklärt wer<strong>de</strong>n, welche<br />

Leistungen mit <strong>de</strong>m vereinbarten Vertragspreis abgegolten sind.<br />

27 BGH BauR 1997, 126 - Kammerschleuse<br />

28 Grundlegend zum neuen Schuldrecht: BGH BauR 2008, 344, 346f. - Blockheizkraftwerk<br />

13


2.2.2 Auslegungsmethodik und Allgemeine Auslegungsregeln - Grundsätze<br />

Auslegung ist juristisches Handwerk; anspruchsvoll zwar, aber eben Handwerk.<br />

Dafür gibt es Regeln, die zunächst bei <strong>de</strong>r Methodik <strong>de</strong>r Auslegung ansetzen. Sie<br />

beginnt beim Wortlaut <strong>de</strong>r Erklärung mit <strong>de</strong>r grammatischen und systematischen<br />

Auslegung, die <strong>de</strong>n Wortsinn und <strong>de</strong>n Kontext <strong>de</strong>s einzelnen Wortes im Rahmen <strong>de</strong>r<br />

Erklärung in Blick nimmt. Außerhalb <strong>de</strong>r Erklärung liegen<strong>de</strong> Umstän<strong>de</strong> fließen im<br />

Wege <strong>de</strong>r historischen Auslegung ein. Schließlich fragt die teleologische Auslegung<br />

– grob ausgedrückt – nach <strong>de</strong>m Zweck <strong>de</strong>s Rechtsgeschäfts und gelangt hierüber zu<br />

Rückschlüssen auf <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r zu beurteilen<strong>de</strong>n Willenserklärung.<br />

Das Gesetz nennt in §§ 133, 157 BGB vier Kriterien für die Auslegung von Verträgen:<br />

Maßgebend ist zunächst <strong>de</strong>r Wortlaut, 29 <strong>de</strong>r allerdings hinter <strong>de</strong>m<br />

übereinstimmen<strong>de</strong>n wirklichen Willen <strong>de</strong>r Vertragsparteien zurücktritt, wenn er<br />

diesem nicht entspricht. 30 Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist <strong>de</strong>r<br />

Erklärungsgehalt anhand <strong>de</strong>s objektiven Empfängerhorizonts zu bestimmen, wobei<br />

entschei<strong>de</strong>nd ist, wie <strong>de</strong>r Empfänger die Erklärung nach Treu und Glauben mit<br />

Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen durfte (§ 157 BGB). 31 Damit sind auch die<br />

bei<strong>de</strong>n letzten, für die Auslegung <strong>de</strong>r Vereinbarungen zum geschul<strong>de</strong>ten<br />

Leistungsumfang in einem Bauvertrag beson<strong>de</strong>rs wichtigen Kriterien genannt.<br />

Die Beachtung von Treu und Glauben soll einen gerechten Interessenausgleich<br />

gewährleisten. 32 Maßstab hierfür sind die im Vertrag zum Ausdruck kommen<strong>de</strong>n<br />

Interessen- und Risikobewertungen <strong>de</strong>r Parteien, die umfassend abgewogen wer<strong>de</strong>n<br />

müssen. 33 Führt dieser Prozess zu keinem ein<strong>de</strong>utigen Ergebnis, kommt es auf die<br />

in <strong>de</strong>r gesamten Rechtsordnung verankerten Wertungen an. 34 Die verständige<br />

Anwendung dieser Grundsätze ist keine einfache Aufgabe. Sie erfor<strong>de</strong>rt die<br />

Berücksichtigung und Bewertung aller für die Beurteilung <strong>de</strong>r Interessenlage<br />

maßgeblichen vertraglichen Absprachen und <strong>de</strong>r sie begleiten<strong>de</strong>n feststellbaren<br />

Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Einzelfalles, was <strong>de</strong>n Gerichten zuweilen nicht o<strong>de</strong>r nur<br />

unvollkommen gelingt. Geht allerdings die Interessenabwägung fehl, kommt auch die<br />

29 BGHZ 124, 39, 45; BGH NJW 1998, 2966; NJW-RR 2006, 1139, 1141<br />

30 BGHZ 86, 41, 47; BGH NJW 2002, 1260<br />

31 BGHZ 47, 75, 78; 103, 275, 280; BGH NJW 2006, 3777, 3778<br />

32 BGHZ 115, 1, 5; 152, 153, 156; BGH NJW 2009, 741, 743;<br />

33 NK-BGB/Looschel<strong>de</strong>rs, 2. Aufl. 2012, § 133 Rn. 56<br />

34 MüKoBGB/Busche, 5. Aufl., § 157 Rn. 12<br />

14


Auslegung zumeist zu falschen Ergebnissen. Die Auswirkungen sind enorm, wenn es<br />

in <strong>de</strong>r Sache um die Bestimmung <strong>de</strong>r Leistungsverpflichtung <strong>de</strong>s Unternehmers als<br />

Ausgangspunkt für die Beurteilung von Sachmangel- bzw.<br />

Mehrvergütungsansprüchen geht.<br />

Kein normatives Auslegungskriterium im soeben erörterten Sinne ist hingegen die<br />

Verkehrssitte, mit <strong>de</strong>r eine tatsächliche Übung bezeichnet wird, die in <strong>de</strong>n<br />

einschlägigen Verkehrskreisen anerkannt und über längere Zeit beachtet wor<strong>de</strong>n<br />

ist. 35 Han<strong>de</strong>lsbräuche (§ 346 HGB), die freilich im Baurecht nur eine geringe Rolle<br />

spielen, stellen eine solche Übung dar. 36 Das Bestehen einer Verkehrssitte<br />

beeinflusst die Auslegung, wenn bei<strong>de</strong> Vertragsparteien diesen Verkehrskreisen<br />

angehören, weil in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen ist,<br />

dass <strong>de</strong>r wirkliche bzw. mutmaßliche Wille <strong>de</strong>s Erklären<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n sich nach <strong>de</strong>r<br />

Verkehrssitte ergeben<strong>de</strong>n Usancen entspricht und <strong>de</strong>r Empfänger die Erklärung<br />

<strong>de</strong>shalb in eben diesem Sinne verstehen darf. Gleiches kann gelten, wenn <strong>de</strong>r<br />

Empfänger zwar nicht <strong>de</strong>n einschlägigen Verkehrskreisen angehört, er die dort<br />

gelten<strong>de</strong> Verkehrssitte jedoch kannte o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st kennen musste. 37 Auch dann<br />

darf er <strong>de</strong>r (empfangsbedürftigen) Erklärung grundsätzlich die Be<strong>de</strong>utung beimessen,<br />

die <strong>de</strong>r Verkehrssitte entspricht. 38<br />

2.2.3 Bauvertragsspezifische Auslegungsregeln<br />

Der VII. Zivilsenat <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofs hat auf <strong>de</strong>r Grundlage dieser allgemeinen<br />

Grundsätze <strong>de</strong>r Vertragsauslegung bauvertragsspezifische Auslegungsregeln<br />

entwickelt, die sich, auch wenn ihre Anwendung keinen ganz geradlinigen Verlauf<br />

genommen hat, wie folgt zusammenfassen lassen:<br />

• Die Auslegung setzt beim Wortlaut <strong>de</strong>r vertraglichen Abre<strong>de</strong>n an, zu <strong>de</strong>nen<br />

auch die Beschreibung <strong>de</strong>r Bauleistung im Vertrag gehört. 39 Maßgebend ist<br />

35 BGH NJW 1990, 1723, 1724<br />

36 BGH NJW 1993, 1798<br />

37 NK-BGB/Looschel<strong>de</strong>rs, 2. Aufl. 2012, § 133 Rn. 63 mwN<br />

38 BGH NJW 1966, 502, 503<br />

39 BGH BauR 2004, 1438<br />

15


die objektive Bietersicht, also die Sichtweise und Verständnismöglichkeit <strong>de</strong>s<br />

Unternehmers. 40<br />

• Zur Ermittlung <strong>de</strong>s vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs ist das gesamte<br />

Vertragswerk einschließlich <strong>de</strong>r dort in Bezug genommenen Pläne<br />

heranzuziehen. 41<br />

• Auslegungsrelevant in diesem Sinne sind auch die <strong>de</strong>m Vertrag beigegebenen<br />

Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dazu gehören beim VOB-Bauvertrag<br />

entgegen <strong>de</strong>n Aussagen in einer zumin<strong>de</strong>st missverständlichen Entscheidung<br />

<strong>de</strong>s BGH vom 28. Februar 2002 42 auch die VOB/C und die dort<br />

nie<strong>de</strong>rgelegten Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV). 43<br />

• Der Unternehmer darf grundsätzlich auf die Vollständigkeit und Richtigkeit<br />

<strong>de</strong>r vom Besteller gefertigten und ihm zur Verfügung gestellten Planunterlagen<br />

vertrauen 44 .<br />

• Der Bieter in einem Verfahren über die öffentliche Vergabe einer Bauleistung<br />

darf grundsätzlich eine mit <strong>de</strong>n Ausschreibungsgrundsätzen <strong>de</strong>r öffentlichen<br />

Hand konforme Ausschreibung erwarten. Er darf <strong>de</strong>shalb die<br />

Leistungsbeschreibung in einer öffentlichen Ausschreibung im Zweifel so<br />

verstehen, dass <strong>de</strong>r Auftraggeber <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r VOB/A an die<br />

Ausschreibung entsprechen will. 45 Zu diesen Anfor<strong>de</strong>rungen gehört auch die<br />

Beachtung <strong>de</strong>r „Hinweise für das Aufstellen <strong>de</strong>r Leistungsbeschreibung“ in<br />

Abschnitt 0 <strong>de</strong>r Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für<br />

Bauleistungen, DIN 18299ff. (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 7 VOB/A). 46<br />

40 BGH BauR 1993, 595, 596f.; BauR 1994, 236 - Wasserhaltung II; BauR 2002, 935 -<br />

Konsoltraggerüst<br />

41 BGH BauR 2012, 490 Rn. 14<br />

42 BGH BauR 2002, 935<br />

43 BGHZ 168, 368; BGH BauR 1997, 466 – Bo<strong>de</strong>npositionen<br />

44 St. Rspr.: BGH BauR 1984, 395; zuletzt: BGH BauR 2008, 1134 – Bistro; eingehend:<br />

Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, VOB, 4. Aufl., <strong>Teil</strong> B, § 2 Rn 105ff., mit<br />

zahlreichen weiteren Nachweisen<br />

45 BGHZ 124, 64, 67<br />

46 BGH BauR 2012, 490 Rn. 15<br />

16


• § 7 Abs. 1 VOB/A ist je<strong>de</strong>nfalls für öffentliche Ausschreibungen zu entnehmen,<br />

dass <strong>de</strong>r Auftraggeber <strong>de</strong>m Auftragnehmer im Zweifel kein ungewöhnliches<br />

Wagnis auferlegen will 47 . Dieser Grundsatz lässt sich als Auslegungshilfe<br />

auch auf private Bauverträge anwen<strong>de</strong>n 48 . Daraus folgt in<strong>de</strong>s nicht, dass die<br />

Parteien keinen Vertrag schließen dürfen, <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Unternehmer ein<br />

erhebliches Wagnis darstellt, etwa weil er die versprochenen Leistungen nicht<br />

hat kalkulieren können. 49<br />

• Ergeben sich nach gebotener Auslegung <strong>de</strong>s Vertrage und <strong>de</strong>r dort in Bezug<br />

genommenen Unterlagen Wi<strong>de</strong>rsprüche, gilt beim VOB/B-Vertrag<br />

vorbehaltlich an<strong>de</strong>rweitiger vertraglicher Vereinbarungen die<br />

Prioritätenregelung in § 1 Abs. 2 VOB/B. Ansonsten greift die allgemeine<br />

Regel: „Speziell vor Allgemein“ 50 .<br />

• Erst wenn die Auslegung auch dann noch zu keinem klaren Ergebnis führt,<br />

sind <strong>de</strong>r geschul<strong>de</strong>te und verpreiste Leistungsumfang nach <strong>de</strong>r<br />

Unklarheitenregel zu Lasten <strong>de</strong>rjenigen Vertragspartei zu bestimmen, welche<br />

die Leistungsbeschreibung erstellt hat. 51<br />

2.2.4 Die Funktionalitätsverpflichtung <strong>de</strong>s Unternehmers als Gegenstand <strong>de</strong>r<br />

Vertragsauslegung<br />

Fast alle wichtigen Entscheidungen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofs zur Auslegung von<br />

Bauverträgen beschäftigen sich mit <strong>de</strong>r Frage, welche Leistungen <strong>de</strong>r Unternehmer<br />

nach <strong>de</strong>m Vertrag zu welchem Preis erbringen muss. Dabei ist erst in jüngerer Zeit in<br />

<strong>de</strong>n Blick geraten, dass die Verpflichtung <strong>de</strong>s Unternehmers, ein funktionstaugliches<br />

Werk herzustellen, beschränkt sein kann durch die rechtsgeschäftlichen Abre<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

Vertragspartner. An<strong>de</strong>rs ausgedrückt: Ein undichtes Dach erfüllt zwar nicht die ihm<br />

üblicherweise zugewiesenen Funktionen. Es ist entgegen weit verbreiteter<br />

Auffassung <strong>de</strong>nnoch vertragsgerecht, wenn <strong>de</strong>r Auftraggeber ein undichtes Dach<br />

bestellt hat. Dass ein solcher Vertrag wirksam geschlossen wer<strong>de</strong>n kann, steht nicht<br />

47 BGH BauR 1994, 236 - Wasserhaltung II<br />

48 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, VOB, 4. Aufl., <strong>Teil</strong> B, § 2 Rn. 122 mwN;<br />

49 BGH BauR 1997, 126 - Kammerschleuse<br />

50 Zum Ganzen: Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, VOB, 4. Aufl., <strong>Teil</strong> B, § 2 Rn. 101<br />

51 BGH NZBau 2001, 132; Kapellmann/Voit/Leupertz, Privates Baurecht, 2. Aufl., K Rn. 11;<br />

Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong> B, § 2 Rn 123; Markus Jahrbuch Baurecht 2004, 1, 17f.<br />

17


ernsthaft in Zweifel. Ob er eine solche funktionalitätsbeschränken<strong>de</strong> Abre<strong>de</strong> enthält,<br />

muss ggf. durch Auslegung geklärt wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Bun<strong>de</strong>sgerichtshof hat sich in jüngerer Zeit mehrfach mit <strong>de</strong>rartigen Fällen<br />

befasst.<br />

2.2.4.1 BGH, Urt. v. 13. März 2088 – VII ZR 194/06 52<br />

Der BH schreibt Bauleistungen aus, die unter Punkt „075 Lüftung“ folgen<strong>de</strong><br />

Regelung enthalten: „....Planung, Lieferung und Einbau einer mechanischen<br />

Lüftungsanlage je nach Erfor<strong>de</strong>rnis für Bistro und Bistro-Küche...“. Er<br />

beauftragt <strong>de</strong>n AG, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m AN das Leistungsverzeichnis <strong>de</strong>s BH und die<br />

ebenfalls von diesem erstellten Pläne zuleitet. Auf dieser Grundlage bietet <strong>de</strong>r<br />

AN seine Leistungen zum Pauschalpreis an. Im Vertrag heißt es hierzu:<br />

„Bistro- und Bürobereich komplett, incl. Hygieneausstattung.“ Nachträglich<br />

wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Grundriss sowie die Vorgaben für die Nutzung <strong>de</strong>s Bistros und die<br />

Bistroküche geän<strong>de</strong>rt. Der AG verlangt vom AN <strong>de</strong>n Einbau einer für die<br />

geän<strong>de</strong>rte Planung tauglichen Lüftung. Weil <strong>de</strong>r AN sich weigert, die<br />

erfor<strong>de</strong>rlichen Leistungen ohne Mehrvergütung auszuführen, kündigt <strong>de</strong>r AG<br />

<strong>de</strong>n Vertrag gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B.<br />

Der Bun<strong>de</strong>sgerichtshof gibt <strong>de</strong>m AN Recht, weil er die vom AG verlangte Herstellung<br />

einer für die geän<strong>de</strong>rte Raumnutzung tauglichen Lüftung nicht schul<strong>de</strong>te. Die diese<br />

Sichtweise tragen<strong>de</strong>n Erwägungen verdienen es, wörtlich wie<strong>de</strong>rgegeben zu wer<strong>de</strong>n:<br />

Das Berufungsgericht verkennt dabei die für funktionale Ausschreibungen<br />

gelten<strong>de</strong>n Grundsätze <strong>de</strong>r Vertragsauslegung. Für die Abgrenzung, welche<br />

Arbeiten von <strong>de</strong>r vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind und welche<br />

Leistungen zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r<br />

Leistungsbeschreibung an. Welche Leistungen durch die<br />

Leistungsbeschreibung erfasst sind, ist durch Auslegung <strong>de</strong>r vertraglichen<br />

Vereinbarung <strong>de</strong>r Parteien zu ermitteln, §§ 133, 157 BGB. ........<br />

For<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Auftraggeber ein funktionales Angebot <strong>de</strong>s Auftragnehmers zur<br />

Erstellung einer technischen Anlage für ein Bauwerk unter Vorlage <strong>de</strong>r von<br />

52 BGHZ 176, 23 - Bistro<br />

18


ihm bis zu diesem Zeitpunkt erstellten Bauwerksplanung, so wird diese<br />

grundsätzlich Gegenstand <strong>de</strong>s Angebots <strong>de</strong>s Auftragnehmers. Das be<strong>de</strong>utet,<br />

dass die Bauwerksplanung die für die Technik zu erbringen<strong>de</strong>n Leistungen<br />

bestimmt.<br />

Soweit nach Vertragsschluss vom Auftraggeber angeordnete Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />

Bauwerksplanung Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r technischen Leistungen zur Folge haben,<br />

ist das als Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bauentwurfs anzusehen, § 1 Nr. 3 VOB/B, und kann<br />

zu einem geän<strong>de</strong>rten Vergütungsanspruch <strong>de</strong>s Auftragnehmers führen, § 2<br />

Nr. 5 VOB/B (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 - VII ZR 42/05, BGHZ 173,<br />

314).<br />

......Den Parteien steht allerdings frei, eine an<strong>de</strong>re Regelung zu treffen. Sie<br />

können vereinbaren, dass <strong>de</strong>r Auftragnehmer auch solche Mehrleistungen<br />

ohne Anspruch auf Mehrvergütung zu erbringen hat, die dadurch entstehen,<br />

dass <strong>de</strong>r Auftraggeber nach Vertragsschluss die <strong>de</strong>m Vertrag zugrun<strong>de</strong><br />

liegen<strong>de</strong> Planung än<strong>de</strong>rt.......... Wegen <strong>de</strong>r damit übernommenen Risiken sind,<br />

ähnlich wie an einen Verzicht auf Rechte (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1995 -<br />

VII ZR 118/94, BauR 1995, 701, 702 = ZfBR 1995, 264), strenge<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen an die Annahme einer <strong>de</strong>rartigen Vereinbarung zu stellen. Sie<br />

kann nicht schon <strong>de</strong>shalb bejaht wer<strong>de</strong>n, weil die von <strong>de</strong>m Auftraggeber zur<br />

Verfügung gestellte Leistungsbeschreibung eine Regelung enthält, wonach<br />

<strong>de</strong>r Auftragnehmer Planung, Lieferung und Einbau einer technischen Anlage<br />

"je nach Erfor<strong>de</strong>rnis" vorzunehmen hat. Mit <strong>de</strong>r bei einer Ausschreibung<br />

technischer Leistungen üblichen Formulierung "nach Erfor<strong>de</strong>rnis" wird<br />

regelmäßig zum Ausdruck gebracht, dass es Sache <strong>de</strong>s Auftragnehmers ist,<br />

auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Vertrag zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Planung die für eine<br />

funktionieren<strong>de</strong> und zweckentsprechen<strong>de</strong> Technik notwendigen Einzelheiten<br />

zu ermitteln. Damit, wie auch mit <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Klägerin verwen<strong>de</strong>ten<br />

Formulierung "komplett", wird <strong>de</strong>r funktionale Charakter <strong>de</strong>r<br />

Leistungsbeschreibung zum Ausdruck gebracht.......<br />

Soweit <strong>de</strong>r Auffassung <strong>de</strong>s Berufungsgerichts zu folgen wäre, wonach die<br />

Formulierung unter "075 Lüftung" die Verpflichtung <strong>de</strong>s Auftragnehmers<br />

erfassen sollte, <strong>de</strong>r Lüftung auch eine geän<strong>de</strong>rte Planung zugrun<strong>de</strong> zu legen,<br />

kann sie nicht dahin verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Auftragnehmer dazu ohne<br />

19


einen Anspruch auf Mehrvergütung verpflichtet sei. Nahe läge vielmehr ein<br />

Verständnis, nach <strong>de</strong>m ohne Bezug auf vergütungsrechtliche Folgen lediglich<br />

ver<strong>de</strong>utlicht wür<strong>de</strong>, dass die Lüftungsanlage eine <strong>de</strong>m jeweiligen<br />

Vertragsinhalt, <strong>de</strong>r sich gegebenenfalls durch eine Anordnung nach § 1<br />

Nr. 3 VOB/B geän<strong>de</strong>rt hat, angepasste Funktion erfüllen muss. Denn ein<br />

Auftraggeber kann grundsätzlich nicht erwarten, dass ein Auftragnehmer<br />

bereit ist, einen Vertrag zu schließen, <strong>de</strong>r es <strong>de</strong>m Auftraggeber erlaubt, die<br />

Vertragsgrundlagen beliebig zu än<strong>de</strong>rn, ohne dass damit ein<br />

Preisanpassungsanspruch verbun<strong>de</strong>n wäre. Es verbietet sich nach Treu und<br />

Glauben, aus einer mehr<strong>de</strong>utigen, die technischen Anfor<strong>de</strong>rungen<br />

betreffen<strong>de</strong>n Passage <strong>de</strong>r Leistungsbeschreibung <strong>de</strong>rart weitgehen<strong>de</strong><br />

vergütungsrechtliche Folgen für <strong>de</strong>n Auftragnehmer abzuleiten, § 157 BGB<br />

(vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 - VII ZR 42/05, BGHZ 173, 314).<br />

Aus alle<strong>de</strong>m lassen sich weitere Erkenntnisse und Auslegungsgrundsätze ableiten:<br />

• Der Unternehmer ist nur in <strong>de</strong>n durch die vertraglichen Vereinbarungen mit <strong>de</strong>m<br />

Besteller gezogenen Grenzen verpflichtet, ein funktionstaugliches Werk<br />

herzustellen.<br />

• Die Grenzen <strong>de</strong>r Funktionalitätsverpflichtung <strong>de</strong>s Unternehmers sind im Zweifel<br />

durch Auslegung <strong>de</strong>r vertraglichen Vereinbarungen <strong>de</strong>r Parteien zu ermitteln.<br />

Bezugspunkt für die Auslegung ist nach allgemeinen Grundsätzen das gesamte<br />

Vertragswerk einschließlich <strong>de</strong>r in Bezug genommenen Pläne.<br />

• Gegenstand <strong>de</strong>r Auslegung ist auch die Frage, ob solche Pläne<br />

Vertragsgegenstand sind und ob durch sie auf diese Weise festlegt wird, welche<br />

Funktion die Werkleistungen <strong>de</strong>s Unternehmers erfüllen sollen, insbeson<strong>de</strong>re, für<br />

welchen Zweck sie geeignet sein müssen.<br />

• Es ist nicht ausgeschlossen, dass <strong>de</strong>r Unternehmer auch solche Leistungen zum<br />

vereinbarten Pauschalpreis verspricht, die eine bei Vertragsschluss nicht<br />

vereinbarte Funktionalität gewährleisten. Allerdings sind wegen <strong>de</strong>r für ihn damit<br />

20


verbun<strong>de</strong>nen unkalkulierbaren Risiken hohe Anfor<strong>de</strong>rungen an das<br />

Zustan<strong>de</strong>kommen einer dahingehen<strong>de</strong>n Vereinbarung zu stellen. Ob sie getroffen<br />

wur<strong>de</strong>, ist abermals eine Frage <strong>de</strong>r Vertragsauslegung.<br />

• Die Ausführungen im oben zuletzt zitierten Absatz <strong>de</strong>r Bistro-Entscheidung sind<br />

möglicherweise missverständlich. Soweit ihnen entnommen wer<strong>de</strong>n soll, dass die<br />

Auslegung zu einem Ergebnis führen kann, wonach die infolge <strong>de</strong>r Planän<strong>de</strong>rung<br />

erfor<strong>de</strong>rlichen (Mehr-) Leistungen zwar geschul<strong>de</strong>t, dann aber geson<strong>de</strong>rt zu<br />

vergüten seien, begegnen sie in dieser Allgemeinheit Be<strong>de</strong>nken. Denn es liegt in<br />

<strong>de</strong>r Natur eines Bauvertrages mit funktionaler Ausschreibung, dass <strong>de</strong>r<br />

Unternehmer alle Leistungen zum vereinbarten Preis erbringen muss, die für die<br />

Verwirklichung <strong>de</strong>s funktional beschriebenen Bauziels erfor<strong>de</strong>rlich sind. Die<br />

Erwägung, kein vernünftiger Unternehmer wer<strong>de</strong> unkalkulierbare Mehrleistungen<br />

ohne die Aussicht auf eine entsprechen<strong>de</strong> Mehrvergütung zusagen, betrifft also<br />

die Frage, ob die Parteien eine über die durch die Leistungsvorgaben <strong>de</strong>s<br />

Bestellers <strong>de</strong>finierte Funktionalität hinausgehen<strong>de</strong> Leistungsverpflichtung <strong>de</strong>s<br />

Unternehmers begrün<strong>de</strong>t haben. Das ist auch und gera<strong>de</strong> mit Rücksicht auf <strong>de</strong>n<br />

Umstand, dass <strong>de</strong>r Unternehmer für solche (Mehr-) Leistungen grundsätzlich<br />

keine zusätzliche Vergütung beanspruchen könnte, regelmäßig zu verneinen.<br />

Davon zu unterschei<strong>de</strong>n ist die Frage nach einem Anspruch auf Anpassung <strong>de</strong>r<br />

Vergütung nach <strong>de</strong>n Grundsätzen einer Störung <strong>de</strong>r Geschäftsgrundlage, <strong>de</strong>r<br />

auch bei einer funktionalen Ausschreibung in Betracht kommen kann (dazu<br />

sogleich).<br />

• Der Bistro-Fall hätte nicht an<strong>de</strong>rs entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n dürfen, wenn <strong>de</strong>r Besteller<br />

(AG) die vom Unternehmer (AN) zu erbringen<strong>de</strong>n Leistungen (richtig und<br />

vollständig) <strong>de</strong>tailliert ausgeschrieben hätte. Denn die geschul<strong>de</strong>t Funktionalität<br />

wäre aus <strong>de</strong>n unter II. 2. dargelegten Grün<strong>de</strong>n die selbe gewesen, wie sie <strong>de</strong>m<br />

Vertrag mit funktionaler Ausschreibung zugrun<strong>de</strong> lag.<br />

2.2.4.2 BGH, Urt. v. 30. Juni 2011 – VII ZR 13/10 53<br />

Der Besteller (AG) beauftragt <strong>de</strong>n Unternehmer (AN) mit Abbrucharbeiten. In<br />

einer Zulageposition für „Abbruch, Estrich mit Trittschalldämmung“ war die<br />

53 BGHZ 190, 212 - Estrich<br />

21


Estrichstärke mit 3cm (geschätzt) angegeben. Tatsächlich war <strong>de</strong>r Estrich, wie<br />

<strong>de</strong>r AN während <strong>de</strong>r Ausführung <strong>de</strong>r Arbeiten feststellt, über 4 cm dicker als<br />

angegeben. Er macht eine Mehrvergütung für Mehraufwand geltend, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

AG nicht bezahlen will. Schließlich kündigt <strong>de</strong>r AG <strong>de</strong>n Vertrag, nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r<br />

AN die Arbeiten eingestellt hatte.<br />

Der Fall führt in ähnliche Regionen wie die Bistro-Entscheidung. Der BGH geht von<br />

einer funktional auf <strong>de</strong>n Abbruch <strong>de</strong>r Klinik bezogenen Leistungsverpflichtung <strong>de</strong>s<br />

AN aus und beschäftigt sich sodann mit <strong>de</strong>r Frage, ob sich aus <strong>de</strong>n Angaben zur<br />

Stärke <strong>de</strong>s Estrichs eine Begrenzung <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r funktionalen Ausschreibung<br />

einhergehen<strong>de</strong>n Pauschalierung <strong>de</strong>r Vergütung ergeben kann. Dazu führt er<br />

folgen<strong>de</strong>s aus:<br />

„.......Der Abschluss eines Vertrages über eine komplett funktional<br />

beschriebene Bauleistung zu einem Pauschalpreis schließt es nicht aus, dass<br />

die Parteien zu einzelnen Leistungen beson<strong>de</strong>re Vereinbarungen treffen<br />

(sogenannte Detaillierung). So können sie etwa vereinbaren, dass einzelne<br />

Leistungen überhaupt nicht vom Auftragnehmer erbracht wer<strong>de</strong>n (BGH, Urteil<br />

vom 22. März 1984 - VII ZR 50/82, BGHZ 90, 344, 346), o<strong>de</strong>r sie können eine<br />

Leistungsbeschreibung zum Gegenstand ihrer Vereinbarung machen, aus <strong>de</strong>r<br />

sich ergibt, dass die Pauschalpreisvereinbarung bestimmte, für die<br />

Funktionalität erfor<strong>de</strong>rliche Leistungen nicht o<strong>de</strong>r nicht vollständig erfasst (vgl.<br />

BGH, Urteil vom 13. März 2008 - VII ZR 194/06, BGHZ 176, 23, 29 ff.). Liegen<br />

solche Vereinbarungen vor, so können von <strong>de</strong>r Leistungsbeschreibung<br />

abweichen<strong>de</strong> Leistungen <strong>de</strong>s Auftragnehmers gemäß § 2 Nr. 7 Abs. 1<br />

Satz 4 VOB/B unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 2 Nr. 5 o<strong>de</strong>r Nr. 6 VOB/B<br />

einen Vergütungsanspruch für geän<strong>de</strong>rte o<strong>de</strong>r zusätzliche Leistungen o<strong>de</strong>r<br />

unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 2 Nr. 8 Abs. 2 und 3 VOB/B einen sonstigen<br />

Zahlungsanspruch auslösen (BGH, aaO; Urteil vom 15. Dezember 1994 - VII<br />

ZR 140/93, BauR 1995, 237, 238 = ZfBR 1995, 129). Ein solcher Fall kann<br />

z.B. vorliegen, wenn in einem Vertrag über eine funktional beschriebene<br />

Gründung durch Bezugnahme auf ein Bo<strong>de</strong>ngutachten bestimmte<br />

Bo<strong>de</strong>nverhältnisse zum Leistungsinhalt erhoben wer<strong>de</strong>n und sich herausstellt,<br />

dass die tatsächlichen Bo<strong>de</strong>nverhältnisse abweichen. Ordnet <strong>de</strong>r Auftraggeber<br />

an, dass die Gründung auch in <strong>de</strong>n tatsächlich vorgefun<strong>de</strong>nen<br />

22


Bo<strong>de</strong>nverhältnissen stattfin<strong>de</strong>n soll, liegt darin eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s<br />

Bauentwurfs, die zu einem Anspruch auf eine verän<strong>de</strong>rte Vergütung gemäß<br />

§ 2 Nr. 5 VOB/B führen kann (BGH, Urteil vom 20. August 2009 VII ZR<br />

205/07, BGHZ 182, 158, 182). Gleiches kann gelten, wenn <strong>de</strong>r Vertrag über<br />

Betonsanierungsarbeiten eine vorhan<strong>de</strong>ne Betongüte von B 25 ausweist, die<br />

tatsächliche Betongüte mit B 5 jedoch <strong>de</strong>utlich schlechter ist, so dass ein<br />

Mehrleistungsaufwand entsteht (BGH, Urteil vom 27. Juni 1996 - VII ZR 59/95,<br />

BauR 1997, 126, 128 = ZfBR 1997, 29).<br />

...........<br />

Inwieweit eine <strong>de</strong>taillierte Angabe im Leistungsverzeichnis dazu führt, dass sie<br />

die Pauschalierung <strong>de</strong>r Vergütung begrenzt, ergibt die Auslegung <strong>de</strong>s<br />

Vertrages. Die Erwähnung von <strong>de</strong>taillierten Bauumstän<strong>de</strong>n in einer<br />

Leistungsbeschreibung be<strong>de</strong>utet nicht zwangsläufig, dass die<br />

Vergütungsvereinbarung insoweit tangiert ist. Vielmehr ist es auch möglich,<br />

dass die Erwähnung von <strong>de</strong>taillierten Bauumstän<strong>de</strong>n lediglich zum Ausdruck<br />

bringen soll, wovon <strong>de</strong>r Auftraggeber ausgeht, ohne dass er dies zum<br />

Vertragsinhalt erheben will. Die notwendige Abgrenzung muss <strong>de</strong>r Tatrichter<br />

unter Berücksichtigung <strong>de</strong>s Vertragsinhalts, <strong>de</strong>r sonstigen Umstän<strong>de</strong> und <strong>de</strong>s<br />

mit <strong>de</strong>m Vertrag verfolgten Zwecks treffen. Es geht insoweit im Wesentlichen<br />

nicht um die Begrenzung <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Vertrag geschul<strong>de</strong>ten Leistung,<br />

son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r dafür vereinbarten Vergütung. Die vom Tatrichter vorzunehmen<strong>de</strong><br />

Auslegung muss auch im Blick haben, dass die Erwähnung von<br />

Bauumstän<strong>de</strong>n dazu führen kann, diese als Geschäftsgrundlage <strong>de</strong>s<br />

Vertrages anzusehen, wenn sie nicht Gegenstand <strong>de</strong>r Entgeltvereinbarung<br />

gewor<strong>de</strong>n sind.“<br />

Die Entscheidung, die m. E. zum richtigen Ergebnis kommt und im Übrigen wichtige<br />

Aussagen zur Anwendbarkeit <strong>de</strong>r Regeln über die Störung <strong>de</strong>r Geschäftsgrundlage<br />

in <strong>de</strong>rartigen Fällen enthält, wirft grundsätzliche Fragen zum Bezugspunkt für die<br />

Auslegung auf, die stellen zu sollen mir erst in unzähligen Diskussionen um <strong>de</strong>n<br />

Aussagegehalt <strong>de</strong>r von mir seinerzeit voll mitgetragenen und später öffentlich stets<br />

verteidigten Entscheidung bewusst gewor<strong>de</strong>n ist. Es geht um Folgen<strong>de</strong>s:<br />

23


Der BGH bezieht die Auslegung bei näherer Betrachtung auf eine Begrenzung <strong>de</strong>r<br />

mit <strong>de</strong>r funktionalen Ausschreibung einhergehen<strong>de</strong>n Pauschalierung <strong>de</strong>r Vergütung,<br />

die er allerdings ablehnt. Gegen Letzteres ist nicht einzuwen<strong>de</strong>n. Nur die<br />

Blickrichtung stört. Es ist zwar auch bei einer streng funktionalen Ausschreibung<br />

grundsätzlich <strong>de</strong>nkbar, ergänzen<strong>de</strong>n Angaben <strong>de</strong>s Bestellers zum Leistungsumfang<br />

im Wege <strong>de</strong>r Auslegung eine rechtsgeschäftliche Abre<strong>de</strong> zu entnehmen, wonach <strong>de</strong>r<br />

Unternehmer die volle Funktionalität gewährleisten muss, die notwendig<br />

pauschalierte Vergütung in<strong>de</strong>s nur einen <strong>Teil</strong> <strong>de</strong>r hierfür erfor<strong>de</strong>rlichen Leistungen<br />

ab<strong>de</strong>cken soll. Nahe liegen<strong>de</strong>r ist es m. E. in<strong>de</strong>s, die leistungsbeschränken<strong>de</strong>n<br />

Detailvorgaben (hier zur Estrichstärke) auf <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>r Leistungsverpflichtung zu<br />

beziehen und mit <strong>de</strong>n Mitteln <strong>de</strong>r Auslegung zu klären, ob sich aus solchen<br />

Leistungsvorgaben eine Funktionalitätsbeschränkung ergibt. Dazu ein Fallbeispiel:<br />

Der Rohbauunternehmer (AN) schul<strong>de</strong>t im Rahmen eines BGB-Bauvertrages<br />

die Herstellung eines Gebäu<strong>de</strong>s zum Pauschalpreis mit einer vom Besteller<br />

(AG) funktional ausgeschriebenen Gründung. Der AG hat ein fachgerecht<br />

erstelltes Bo<strong>de</strong>n- und Gründungsgutachten eingeholt, welches zu <strong>de</strong>m<br />

Ergebnis kommt, dass die ermittelten Bo<strong>de</strong>nverhältnisse eine Flachgründung<br />

zulassen, die ausdrücklich empfohlen wird. Das Gutachten ist im Vertrag in<br />

Bezug genommen und die Parteien haben dort vereinbart, dass es<br />

Gegenstand <strong>de</strong>s Vertrages sein soll. Nach Beginn <strong>de</strong>r Arbeiten stellt sich beim<br />

Aushub <strong>de</strong>r Baugrube heraus, dass <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n unvorhergesehen teilweise<br />

nicht die im Gutachten angegebenen Beschaffenheiten besitzt; um die<br />

Standsicherheit <strong>de</strong>s Gebäu<strong>de</strong>s zu gewährleisten, muss eine aufwändige<br />

Pfahlgründung erstellt wer<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>r AG auch verlangt.<br />

Unterstellen wir, <strong>de</strong>r AN will die Pfahlgründung wegen <strong>de</strong>s damit verbun<strong>de</strong>nen<br />

zeitlichen Aufwan<strong>de</strong>s nicht, je<strong>de</strong>nfalls nicht zu <strong>de</strong>n für die Flachgründung<br />

vereinbarten Preisen ausführen, weil er dann einen lukrativen Anschlussauftrag<br />

verlieren wür<strong>de</strong>. Und unterstellen wir mit <strong>de</strong>r h. M. in <strong>de</strong>r Literatur weiter, <strong>de</strong>r<br />

Besteller sei im Rahmen eines BGB-Bauvertrages nicht berechtigt, einseitig eine<br />

Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Erweiterung <strong>de</strong>s vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs<br />

anzuordnen. Dann ist die alles entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, durch Auslegung zu klären<strong>de</strong> Frage:<br />

Schul<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Unternehmer nach <strong>de</strong>m Vertrag die tatsächlich erfor<strong>de</strong>rliche<br />

24


Pfahlgründung? Wird sie verneint, kann <strong>de</strong>r AG die Pfahlgründung nur kraft<br />

rechtsgeschäftlicher Einigung mit <strong>de</strong>m AN verlangen, die auch die Preisvorstellungen<br />

<strong>de</strong>s AN umfasst. Wird sie hingegen bejaht, lautet die rechtsgeschäftliche Abre<strong>de</strong><br />

nach gebotener Auslegung: Herstellung eines Gebäu<strong>de</strong>s mit Pfahlgründung zum<br />

vereinbarten Pauschalpreis. Welche Auslegung die richtige ist, mag im Einzelfall<br />

entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Bun<strong>de</strong>sgerichtshof spricht die soeben diskutierte Fallkonstellation in <strong>de</strong>n oben<br />

wie<strong>de</strong>rgegebenen Passagen <strong>de</strong>r Estrich-Entscheidung ausdrücklich an und stellt<br />

hierzu – allerdings bezogen auf einen VOB/B-Vertrag – fest, dass eine Anordnung<br />

<strong>de</strong>s Bestellers, die nach <strong>de</strong>n tatsächlichen Bo<strong>de</strong>nverhältnissen erfor<strong>de</strong>rliche<br />

Gründung auszuführen, eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bauentwurfs darstelle, die zu einem<br />

Anspruch auf eine verän<strong>de</strong>rte Vergütung führen könne. Das entspricht je<strong>de</strong>nfalls im<br />

Ergebnis <strong>de</strong>r hier vertretenen Sichtweise, weil eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bauentwurfs iSd §<br />

1 Abs. 3 VOB/B sich nur aus einer Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r funktionalen Leistungsvorgaben<br />

ergeben kann. Das wie<strong>de</strong>rum setzt voraus, dass <strong>de</strong>r Unternehmer die aufgrund <strong>de</strong>r<br />

unvorhergesehenen Bo<strong>de</strong>nbeschaffenheiten erfor<strong>de</strong>rliche Gründung nicht von<br />

Anfang an schul<strong>de</strong>te.<br />

Gleichwohl knüpft <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sgerichtshof die Auslegung <strong>de</strong>s Vertrages über die<br />

Estricharbeiten im Folgen<strong>de</strong>n an die Beantwortung <strong>de</strong>r Frage, ob die Pauschalierung<br />

<strong>de</strong>r Vergütung durch die Schätzangaben zur Stärke <strong>de</strong>s Estrichs im Vertrag begrenzt<br />

wor<strong>de</strong>n ist. Dieser Auslegungsansatz erscheint mit Rücksicht auf die vorstehen<strong>de</strong>n<br />

Erwägungen nicht unbe<strong>de</strong>nklich, weil die damit in Betracht genommene Möglichkeit<br />

einer (nur) vergütungsbeschränkend wirken<strong>de</strong>n Abre<strong>de</strong> schwer in Einklang zu<br />

bringen ist mit <strong>de</strong>r Struktur eines Bauvertrages mit funktionaler Ausschreibung, <strong>de</strong>r<br />

gera<strong>de</strong> dadurch gekennzeichnet ist, dass <strong>de</strong>r Unternehmer das volle Planungsrisiko<br />

trägt und <strong>de</strong>shalb ohne Anspruch auf Mehrvergütung alle Leistungen erbringen<br />

muss, die zur Verwirklichung <strong>de</strong>s funktionalen Bauerfolgs erfor<strong>de</strong>rlich sind. Wür<strong>de</strong><br />

man die Auslegung <strong>de</strong>s Vertrages mit <strong>de</strong>m Ziel betreiben, <strong>de</strong>n Abgeltungsbereich <strong>de</strong>r<br />

vertraglichen Vergütung trotz unverän<strong>de</strong>rtem Bauziel zu begrenzen, so wür<strong>de</strong><br />

dadurch die <strong>de</strong>m Bauvertrag mit funktionaler Ausschreibung innewohnen<strong>de</strong><br />

Risikoverteilung aufgelöst. Ein dahingehen<strong>de</strong>r rechtsgeschäftlicher Wille <strong>de</strong>r<br />

Vertragsparteien wird sich m. E. nur in ganz beson<strong>de</strong>rs gelagerten Einzelfällen<br />

25


ergeben. Er wäre – ebenso wie <strong>de</strong>r im Bistro-Urteil behan<strong>de</strong>lte gegenteilige Fall einer<br />

„funktionalitätserweitern<strong>de</strong>n Komplettheitsklausel“ ohne Mehrvergütungsanspruch -<br />

an hohe Anfor<strong>de</strong>rungen zu knüpfen und ließe sich je<strong>de</strong>nfalls nicht allein mit <strong>de</strong>r<br />

Erwägung begrün<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Unternehmer habe nach <strong>de</strong>m Vertrag nicht mit <strong>de</strong>m Risiko<br />

belastet wer<strong>de</strong>n sollen, unvorhergesehenen und <strong>de</strong>shalb nicht in seine Preise<br />

einkalkulierten Mehraufwand ohne Anspruch auf Preisanpassung erbringen zu<br />

müssen. Das Gegenteil ist <strong>de</strong>r Fall. Eine Preiskorrektur kommt mithin nur nach <strong>de</strong>n<br />

Grundsätzen einer Störung <strong>de</strong>r Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 2 BGB in<br />

Betracht, weil <strong>de</strong>m Unternehmer, <strong>de</strong>r seinen Preis für die Estricharbeiten ersichtlich<br />

nach <strong>de</strong>n Schätzangaben <strong>de</strong>s Bestellers zur Estrichdicke kalkuliert hat, ein<br />

Festhalten am Vertragspreis nicht zugemutet wer<strong>de</strong>n kann. Auf weitere<br />

Ausführungen zu <strong>de</strong>n in diesem Punkt wegweisen<strong>de</strong>n Erwägungen <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>sgerichtshofs soll hier verzichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

2.2.4.3 BGH, Urt. v. 22. Dezember 2011 – VII ZR 67/11 54<br />

Der Unternehmer (AN) wird vom öffentlichen Auftraggeber (AG) im Rahmen<br />

einer öffentlichen Ausschreibung unter Einbeziehung <strong>de</strong>r VOB/B damit<br />

beauftragt, die teerhaltige Asphaltschicht einer Ortsdurchfahrt und <strong>de</strong>n<br />

darunter liegen<strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n zum Pauschalpreis zu entfernen. Das vom AG<br />

erstellte Leistungsverzeichnis sieht vor, dass <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n gelöst und von <strong>de</strong>r<br />

Klägerin weiterverwen<strong>de</strong>t wird. Angaben zur Bo<strong>de</strong>nbeschaffenheit fehlen.<br />

Tatsächlich ist <strong>de</strong>r gelöste Bo<strong>de</strong>n geringfügig schadstoffbelastet (LAGA Z 1.1).<br />

Der AN beansprucht eine Mehrvergütung für die Beseitigung <strong>de</strong>s Bo<strong>de</strong>ns.<br />

Kaum eine an<strong>de</strong>re Entscheidung <strong>de</strong>s VII. Zivilsenats ist in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren<br />

insbeson<strong>de</strong>re in Praktikerkreisen auf so massives Unverständnis gestoßen. Es könne<br />

doch nicht sein, dass <strong>de</strong>r Unternehmer nun auch noch für die Folgen einer<br />

unvollständigen Ausschreibung <strong>de</strong>r Bauleistung durch <strong>de</strong>n Besteller einstehen<br />

müsse. Dem liegt ein tiefgehen<strong>de</strong>s Fehlverständnis zugrun<strong>de</strong>. Der<br />

Bun<strong>de</strong>sgerichtshof kommt auf <strong>de</strong>m Wege einer gera<strong>de</strong>zu klassischen Auslegung <strong>de</strong>s<br />

Bauvertrages zu <strong>de</strong>m Ergebnis, dass <strong>de</strong>r Unternehmer <strong>de</strong>n gelösten Bo<strong>de</strong>ns trotz<br />

Schadstoffbelastung zum vereinbarten Pauschalpreis beseitigen muss. Er hebt<br />

ausdrücklich hervor, dass <strong>de</strong>r Unternehmer auf eine VOB/A-konforme Ausschreibung<br />

54 BGHZ 192, 172<br />

26


ohne Überbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses vertrauen durfte.<br />

Darüberhinaus sei <strong>de</strong>r öffentliche Auftraggeber gemäß § 9 Nr. 1 bis 3 VOB/A<br />

verpflichtet, die für die Ausführung <strong>de</strong>r Leistung wesentlichen Verhältnisse <strong>de</strong>r<br />

Baustelle, z. B. die Bo<strong>de</strong>n- und Wasserverhältnisse, so zu beschreiben habe, dass<br />

<strong>de</strong>r Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung<br />

hinreichend beurteilen könne. Dabei seien die „Hinweise für das Aufstellen <strong>de</strong>r<br />

Leistungsbeschreibung“ in Abschnitt 0 <strong>de</strong>r ATV (DIN 18299 ff.) zu beachten. Dort ist<br />

zu lesen, dass Schadstoffbelastungen „nach <strong>de</strong>n Erfor<strong>de</strong>rnissen <strong>de</strong>s Einzelfalles“<br />

angegeben wer<strong>de</strong>n müssen (DIN 18299, Abschnitt 0.1.20 und DIN 18300 Abschnitt<br />

0.2.3). Der Unternehmer verliert nur <strong>de</strong>shalb, weil nach <strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n<br />

Bun<strong>de</strong>sgerichtshof in Ermangelung eines tauglichen Revisionsangriffs bin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Feststellungen <strong>de</strong>s Berufungsgerichts feststand, dass <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n geringfügig<br />

schadstoffbelastet war und ein verständiger und fachkundiger Bieter dies auch<br />

wusste bzw. wissen musste. Dann aber hätten „nach <strong>de</strong>n Erfor<strong>de</strong>rnissen <strong>de</strong>s<br />

Einzelfalles“ keine Schadstoffbelastungen angegeben wer<strong>de</strong>n müssen und es habe<br />

kein Verstoß gegen die Ausschreibungsregeln in DIN 18299, 18300 vorgelegen, <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>m Bieter Anlass für die Annahme hätte bieten können, schadstofffreien Bo<strong>de</strong>n<br />

vorzufin<strong>de</strong>n.<br />

Der Bun<strong>de</strong>sgerichtshof hat am 21. März 2013 einen fast gleich gelagerten Fall mit<br />

entgegengesetztem Ergebnis entschie<strong>de</strong>n. 55 Hintergrund hierfür war bei gleichem<br />

Gang <strong>de</strong>r Auslegung wie in <strong>de</strong>r Entscheidung vom 22. November 2011 allein <strong>de</strong>r<br />

Umstand, dass <strong>de</strong>r Unternehmer an<strong>de</strong>rs als dort bei Vertragsschluss nicht davon<br />

ausgehen musste, die tatsächlich vorhan<strong>de</strong>nen Bo<strong>de</strong>nverunreinigungen vorzufin<strong>de</strong>n.<br />

Die zuletzt genannten Entscheidungen bieten Anlass für einige abschließen<strong>de</strong><br />

Anmerkungen. In bei<strong>de</strong>n Fällen lag <strong>de</strong>m Vertrag eine <strong>de</strong>taillierte Ausschreibung <strong>de</strong>s<br />

Bestellers zugrun<strong>de</strong>. Weil dieser Umstand in<strong>de</strong>s keinen Einfluss darauf hat, dass <strong>de</strong>r<br />

Unternehmer ein funktionstaugliches Werk herstellen muss, kann auch die<br />

Auslegung eines Bauvertrages mit <strong>de</strong>taillierter Ausschreibung <strong>de</strong>s Bestellers zu <strong>de</strong>m<br />

Ergebnis gelangen, dass die Parteien funktionalitätsbeschränken<strong>de</strong> Abre<strong>de</strong>n<br />

getroffen haben. Besteht diese Beschränkung darin, dass <strong>de</strong>r Unternehmer wie im<br />

Fallbespiel, nur eine Gründung für solche Bo<strong>de</strong>nverhältnisse versprochen hat, die<br />

55 BGH BauR 2013, 1126<br />

27


<strong>de</strong>m zum Vertragsinhalt erhobenen Bo<strong>de</strong>ngutachten entnommen wer<strong>de</strong>n konnten,<br />

schul<strong>de</strong>t er nicht die Herstellung einer Pfahlgründung, die er bei Einbeziehung <strong>de</strong>r<br />

VOB/B gemäß §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 5 VOB/B folglich nur kraft Anordnung <strong>de</strong>s<br />

Bestellers gegen Zahlung einer Mehrvergütung erbringen muss. Gelangt die<br />

Auslegung <strong>de</strong>r Regelungen zum Leistungsinhalt hingegen zum gegenteiligen<br />

Ergebnis, schul<strong>de</strong>te <strong>de</strong>r Unternehmer also von Anfang eine Pfahlgründung, ist<br />

wie<strong>de</strong>rum im Wege <strong>de</strong>r Auslegung zu prüfen, ob die hierfür erfor<strong>de</strong>rlichen Leistungen<br />

vom vertraglich vereinbarten Preis umfasst sind. Dazu wird man im Fallbespiel kaum<br />

gelangen können, weil bei<strong>de</strong> Parteien von <strong>de</strong>r Möglichkeit einer Flachgründung<br />

ausgingen und <strong>de</strong>r Besteller je<strong>de</strong>nfalls keinen Anlass für die Annahme haben konnte,<br />

dass <strong>de</strong>r für die Herstellung einer funktionstauglichen Gründung tatsächlich<br />

erfor<strong>de</strong>rliche Mehraufwand vom Vertragspreis umfasst sei. Vielmehr han<strong>de</strong>lt es sich<br />

um eine sich aus <strong>de</strong>r Divergenz zwischen geschul<strong>de</strong>tem und verpreisten Umfang<br />

ergeben<strong>de</strong> Äquivalenzstörung, die beim BGB-Bauvertrag gemäß § 313 Abs. 2 BGB<br />

ausgeglichen wer<strong>de</strong>n kann und im Rahmen eines VOB/B-Vertrages eine<br />

Preisanpassung nach Maßgabe <strong>de</strong>r Vorschriften in §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 5 VOB/B bzw.<br />

1 Abs. 4, 2 Abs. 6 VOB/B rechtfertigt.<br />

3. Vertragliche Leistungsverpflichtung: Risikobereich Sachmangel<br />

3.1 Die Erfüllung <strong>de</strong>r Beschaffenheitsvereinbarungen iSd § 633 Abs. 2 BGB<br />

führt nicht notwendig zur Verwirklichung <strong>de</strong>s funktionalen<br />

Werkerfolges<br />

Ob <strong>de</strong>r Unternehmer mangelfrei, d.h. vertragsgerecht geleistet hat, hängt also in<br />

erster Linie davon ab, welchen Leistungsumfang die Parteien im Bauvertrag<br />

vereinbart haben. Das wie<strong>de</strong>rum ist regelmäßig durch Auslegung nach <strong>de</strong>n obigen<br />

Grundsätzen zu ermitteln.<br />

Die gesetzliche Definition <strong>de</strong>s werkvertraglichen Sachmangels fin<strong>de</strong>t sich in § 633<br />

Abs. 2 BGB. Allerdfings sind die soeben erörterten, an die Funktionalität<br />

anknüpfen<strong>de</strong>n Zusammenhänge im Wortlaut <strong>de</strong>s § 633 Abs. 2 BGB in<br />

reparaturbedürftiger Verkennung <strong>de</strong>r sich hieraus ergeben<strong>de</strong>n Konsequenzen<br />

unterrepräsentiert. Danach wür<strong>de</strong> nämlich gelten: Soweit <strong>de</strong>r Unternehmer die<br />

regelmäßig in <strong>de</strong>n Ausführungsvorgaben <strong>de</strong>s Bestellers enthaltenen<br />

Beschaffenheitsvereinbarungen umsetzt, ist sein Gewerk mangelfrei. Das wäre völlig<br />

28


unzureichend, weil mit <strong>de</strong>m Grundsatz <strong>de</strong>r Erfolgsbezogenheit <strong>de</strong>r<br />

Werkleistungsverpflichtung nicht in Einklang zu bringen. So entspricht es – zu Recht<br />

– <strong>de</strong>r ständigen Rechtsprechung <strong>de</strong>s BGH, dass <strong>de</strong>r Unternehmer auch dann nicht<br />

vertragsgerecht gearbeitet hat, wenn er zwar die Ausführungsvorgaben <strong>de</strong>s<br />

Bestellers (Beschaffenheitsvereinbarungen) beanstandungsfrei umgesetzt,<br />

gleichwohl aber <strong>de</strong>n funktionalen Erfolg seiner Werkleistung verfehlt hat 56 . Dabei<br />

geht <strong>de</strong>r BGH davon aus, dass die Funktionalität regelmäßig zur<br />

Beschaffenheitsvereinbarung gehört 57 . Das führt zu richtigen Ergebnissen, ist aber in<br />

<strong>de</strong>r dogmatischen Herleitung nicht unproblematisch. Denn die<br />

Funktionalitätserwartung reicht iaR nicht weiter, als die rechtsgeschäftlichen<br />

Abre<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nen sie innewohnt. Sie betrifft zunächst also nur die<br />

Beschaffenheitsvereinbarungen selbst, das Gesamtergebnis <strong>de</strong>r Werkleistungen,<br />

<strong>de</strong>ssen Funktionalität <strong>de</strong>r Unternehmer zu gewährleisten hat, hingegen nur dann,<br />

wenn diese durch die Einhaltung <strong>de</strong>r Beschaffenheitsvereinbarungen überhaupt<br />

erreicht wer<strong>de</strong>n kann 58 . Das ist keineswegs selbstverständlich, wie folgen<strong>de</strong>s<br />

Beispiel ver<strong>de</strong>utlichen mag:<br />

Beispiel:<br />

Der Unternehmer soll einen Industrieestrich in einer Werkhalle <strong>de</strong>s Bestellers<br />

verlegen, die – zu seiner Kenntnis - mit schwerem Gerät befahren wird. Im<br />

Leistungsverzeichnis sind Hersteller und Typ <strong>de</strong>s Estrichmaterials sowie <strong>de</strong>ssen<br />

Verarbeitung konkret vorgegeben. Obwohl <strong>de</strong>r Unternehmer sich exakt an diese<br />

Vorgaben hält, zeigen sich im Estrich alsbald Risse, weil dieser <strong>de</strong>n Belastungen<br />

durch die nach <strong>de</strong>m Vertrag vorausgesetzte Benutzung mit schwerem Gerät nicht<br />

standhält.<br />

Dann ist das Gewerk nach obigen Grundsätzen trotz <strong>de</strong>r beanstandungsfreien<br />

Abarbeitung aller Ausführungsvorgaben mangelhaft, weil <strong>de</strong>r Estrich zwar <strong>de</strong>n an ihn<br />

zu stellen<strong>de</strong>n Funktionsanfor<strong>de</strong>rungen genügt, gleichwohl aber <strong>de</strong>r funktionale<br />

Werkerfolg nicht erreicht ist. Der Grund hierfür liegt in<strong>de</strong>s nicht in <strong>de</strong>r fehlerhaften<br />

Umsetzung <strong>de</strong>r Beschaffenheitsvereinbarungen, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r fehlerhaften<br />

56 BGH NJW-RR 02, 1533; BauR 01, 823; NJW 98, 3707f; BauR 84, 510, 512f; BGHZ 90, 344, 346f<br />

57 BGH, BauR 2008, 344<br />

58 iE ebenso: MüKo/Busche § 633 Rn 14<br />

29


Ausschreibung, die einen Estrich vorgegeben hat, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen an <strong>de</strong>n<br />

vertraglich vorausgesetzten Verwendungszweck nicht genügt. Rechtlicher<br />

Anknüpfungspunkt für <strong>de</strong>n Mangelvorwurf ist dann aber nicht die Nichteinhaltung von<br />

Beschaffenheitsvereinbarungen nach § 633 Abs. 2 S. 1 BGB (1. Stufe <strong>de</strong>s<br />

Mangelbegriffs), son<strong>de</strong>rn die Verfehlung <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Vertrage vorausgesetzten<br />

Verwendungseignung nach § 633 Abs. 2 S. 2 BGB (2. Stufe <strong>de</strong>s Mangelbegriffs), wo<br />

sich das Kriterium <strong>de</strong>r Funktionalität wie<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>t. Es ist nicht dafür ersichtlich, dass<br />

<strong>de</strong>r Gesetzgeber diese nach altem Recht weit gehend unumstrittenen Grundsätze mit<br />

<strong>de</strong>r Einführung <strong>de</strong>s neuen § 633 Abs. 2 BGB hat in Frage stellen wollen. Er hat sie<br />

nach <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>r Vorschrift durch die Schaffung einer Alternativität zwischen<br />

<strong>de</strong>n einzelnen Stufen <strong>de</strong>s Mangelbegriffs gleichwohl teilweise außer Kraft gesetzt.<br />

Diese Unzulänglichkeit ist durch eine richtlinienkonforme Auslegung <strong>de</strong>s § 633 Abs. 2<br />

BGB dahin zu korrigieren, dass die dort tatbestandlich genannten Voraussetzungen<br />

kumulativ, also nebeneinan<strong>de</strong>r, erfüllt sein müssen, um die Mangelfreiheit <strong>de</strong>s<br />

Werkes konstatieren zu können 59 . Die Werkleistungen müssen also auch bei<br />

getroffenen Beschaffenheitsvereinbarungen <strong>de</strong>m vertraglich vorausgesetzten, sonst<br />

<strong>de</strong>m gewöhnlichen Verwendungsweck entsprechen, soweit dieser nicht bereits in<br />

<strong>de</strong>n in je<strong>de</strong>m Fall zu berücksichtigen<strong>de</strong>n Beschaffenheitsvereinbarungen<br />

repräsentiert ist. Darüber hinaus kommt es in Ermangelung konkreter<br />

Beschaffenheitsvereinbarungen auch dann auf die übliche Beschaffenheit (3. Stufe -<br />

§ 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB) an, wenn sich aus <strong>de</strong>m von <strong>de</strong>n Parteien<br />

übereinstimmend vorausgesetzte Verwendungszweck (2. Stufe - § 633 Abs. 2 S. 2<br />

Nr. 1 BGB) nicht o<strong>de</strong>r nicht vollständig ergibt, welche Beschaffenheitskriterien das<br />

Werk erfüllen muss. Diese Erwägungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:<br />

Baurechtsspezifischer Mangelbegriff<br />

Das Gewerk muss<br />

1. Alternative<br />

a) die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit haben (Bausoll)<br />

und<br />

b) für die vertraglich vorausgesetzte, sonst für die übliche<br />

59 iE ebenso: Werner/Pastor Rn 1457; Vorwerk BauR 03, 1, 4<br />

30


Verwendung geeignet sein (Erfolgssoll, funktionaler Mangelbegriff);<br />

2. Alternative (Beschaffenheitsvereinbarung fehlt)<br />

a) sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung, sonst für<br />

die übliche Verwendung eignen<br />

und<br />

b) die übliche Beschaffenheit haben.<br />

3.2 Sachmangel - Rechtswirkungen<br />

Aus alle<strong>de</strong>m folgt: Sind vereinbarte Beschaffenheiten nicht eingehalten, ist das<br />

Gewerk auch ohne eine Einschränkung <strong>de</strong>r Gerbrauchs- und Funktionstauglichkeit<br />

mangelhaft; erst recht kommt es nicht auf die Entstehung eines Scha<strong>de</strong>ns an 60 .<br />

An<strong>de</strong>rerseits ist <strong>de</strong>r Unternehmer selbst dann zur Herstellung eines voll<br />

funktionstauglichen Gewerkes verpflichtet, wenn <strong>de</strong>r solcherart geschul<strong>de</strong>te<br />

Werkerfolg durch die vertraglichen Vorgaben zur Ausführung <strong>de</strong>r Werkleistungen<br />

nicht erreicht wer<strong>de</strong>n kann 61 .<br />

These<br />

Der Unternehmer hat – über <strong>de</strong>n Wortlaut <strong>de</strong>s § 633 Abs. 2 BGB hinaus -<br />

mangelhaft gearbeitet, wenn er trotz beanstandungsfreier Umsetzung <strong>de</strong>r<br />

Ausführungsvorgaben <strong>de</strong>s Bestellers <strong>de</strong>n funktional <strong>de</strong>finierten Werkerfolg verfehlt.<br />

Zwischenergebnis Sachmängelhaftung:<br />

Den Unternehmer trifft ein erhebliches Haftungsrisiko bei unzureichen<strong>de</strong>r<br />

Beschreibung <strong>de</strong>r ihm abverlangten Leistungen durch <strong>de</strong>n Besteller.<br />

60 OLG Düsseldorf, NJW-RR 96, 146; OLG Köln NJW-RR 05, 1042 – unzureichen<strong>de</strong><br />

Architektenplanung einer Abdichtung gegen drücken<strong>de</strong>s Wasser<br />

61 BGH BauR 00, 411 - dichtes Dach; NJW-RR 02, 1533; BauR 01, 823; NJW 98, 3707f; BauR 84,<br />

510, 512f; BGHZ 90, 344, 346f; Rostock BauR 05, 441 - dichter Keller<br />

31


3.3 Mitverantwortung und Sowiesokosten<br />

Bei fahrlässigen Verstößen gegen die Prüfungs- und Hinweispflicht trifft <strong>de</strong>n Besteller<br />

mit Rücksicht auf die in seine Verantwortung fallen<strong>de</strong>n Fehler in <strong>de</strong>n<br />

Leistungsvorgaben je nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalles eine Mitverantwortung<br />

für die Entstehung <strong>de</strong>s Mangels, so dass er gemäß § 254 BGB (bei Planungsfehlern<br />

<strong>de</strong>s von ihm beauftragten Architekten über § 278 BGB) die<br />

Mangelbeseitigungskosten mit einem quotal seinem Verursachungsbetrag<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Betrag bezuschussen muss 62 . Gleiches gilt aus <strong>de</strong>m Gesichtspunkt<br />

<strong>de</strong>r Vorteilsausgleichung für eventuelle mangelbeseitigungsbedingte<br />

„Sowiesokosten“ 63 .<br />

4 Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>nkenhinweispflicht<br />

4.1 Grundlagen<br />

Hat <strong>de</strong>r Besteller die Art <strong>de</strong>r Ausführung (fehler- o<strong>de</strong>r lückenhaft) vorgegeben, so<br />

haftet <strong>de</strong>r Unternehmer gleichwohl dann nicht, wenn er die Unzulänglichkeiten <strong>de</strong>r<br />

Leistungsbeschreibung unter Berücksichtigung seiner gewerbebezogenen<br />

Fachkenntnisse nicht erkennen konnte o<strong>de</strong>r wenn er nach gebotener Prüfung bei<br />

Kenntnis <strong>de</strong>n Besteller auf diese Unzulänglichkeiten ausreichend hingewiesen hat.<br />

Eine <strong>de</strong>rartige Prüfungs- und Hinweispflicht folgt für <strong>de</strong>n VOB/B-Vertrag mit <strong>de</strong>n sich<br />

aus § 13 Abs. 3 VOB/B für die Mängelhaftung ergeben<strong>de</strong>n Konsequenzen<br />

unmittelbar aus § 4 Abs. 3 VOB/B. Sie gilt in Ausprägung <strong>de</strong>r Kooperationspflicht<br />

auch für <strong>de</strong>n BGB-Werkvertrag und spielt solcherart für das Baugeschäft wegen <strong>de</strong>r<br />

unter 3 aufgezeigten Zusammenhänge eine zentrale Rolle 64 .<br />

62 BGH NJW 99, 416; s auch Leitzke NZBau 01, 672 – zu Hamm NZBau 01, 502; vorprozessual: nur<br />

Sicherheitsleistung in entsprechen<strong>de</strong>r Höhe – BGH BauR 84, 395; Nürnberg BauR 00, 273; Raiser –<br />

NZBau 01, 598, 599 – und Preussner – BauR 02, 231, 241 – sind <strong>de</strong>r Auffassung, dass sich<br />

ungeachtet <strong>de</strong>r Erkennbarkeit aus <strong>de</strong>r Verweisung auf § 442 I 1 in § 651 S 2 eine Beschränkung <strong>de</strong>r<br />

Haftung für Hinweispflichtverstöße <strong>de</strong>s Unternehmers bei fehlerhaften Stofflieferungen <strong>de</strong>s Bestellers<br />

ergebe; dagegen mit Recht: Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, § 633 Rn 13<br />

63 BGH BauR 02, 86; NJW-RR 00, 465; OLG Karlsruhe NJW-RR 99, 1694<br />

64 Grundsätzlich zur Prüfungs- und Hinweispflicht: BGH, Urteil vom 08.11.2007 - VII ZR 183/05, BauR<br />

2008, 344; ausführlich mit zahlreichen Beispielen: Werner/Pastor, Der Bauprozess, Rn 1519ff, 1533<br />

32


4.2 Fallkonstellationen<br />

4.2.1 Der Be<strong>de</strong>nkenhinweis wird erteilt; <strong>de</strong>r Besteller weist <strong>de</strong>n Unternehmer<br />

an, wie geplant zu bauen.<br />

Soweit <strong>de</strong>r Unternehmer sich an seine Prüfungs- und Hinweispflichten hält und die<br />

gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B gebotene Mitteilung macht, muss <strong>de</strong>r Besteller seinerseits<br />

reagieren und eine Entscheidung treffen. Für <strong>de</strong>n VOB/B-Vertrag gilt: <strong>Teil</strong>t er die<br />

(objektiv berechtigten) Be<strong>de</strong>nken nicht und weist er <strong>de</strong>n Unternehmer <strong>de</strong>shalb an,<br />

nach <strong>de</strong>n bisherigen Ausführungsvorgaben weiter zu bauen, muss <strong>de</strong>r Unternehmer<br />

diese Anweisung grundsätzlich befolgen. Bei Lichte betrachtet dürfte es sich dann<br />

häufig um eine <strong>Teil</strong>kündigung <strong>de</strong>s Vertrages hinsichtlich <strong>de</strong>rjenigen Leistungen<br />

han<strong>de</strong>ln, die zusätzlich für Erreichung <strong>de</strong>s funktionalen Erfolges erbracht wer<strong>de</strong>n<br />

müssten. Für die aus <strong>de</strong>r Abän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs<br />

resultieren<strong>de</strong>n Folgen ist <strong>de</strong>r Besteller verantwortlich (vgl. § 4 Abs. 3 HS 2 VOB/B)<br />

und <strong>de</strong>r Unternehmer wird je<strong>de</strong>nfalls gemäß § 13 Abs. 3 VOB/B von <strong>de</strong>r<br />

Mängelhaftung frei. Er darf die weitere Ausführung <strong>de</strong>r Arbeiten in<strong>de</strong>s verweigern,<br />

wenn an<strong>de</strong>rnfalls gesetzliche o<strong>de</strong>r behördliche Bestimmungen verletzt (vgl. § 4 Abs.<br />

1, Abs. 4 S. 1 aE VOB/B), Gefahren für Leib und Leben geschaffen 65 o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rart<br />

schwerwiegen<strong>de</strong> Mängel <strong>de</strong>s Gesamtbauvorhabens drohen wür<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>m<br />

Unternehmer die Fortsetzung <strong>de</strong>r Arbeiten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht<br />

zugemutet wer<strong>de</strong>n kann 66 . Beharrt <strong>de</strong>r Besteller trotz solcher Be<strong>de</strong>nken auf <strong>de</strong>r<br />

Durchführung <strong>de</strong>s Bauvorhabens nach seinen (fehlerhaften) Vorgaben, muss <strong>de</strong>r<br />

Unternehmer im Einzelfall zu<strong>de</strong>m das Recht haben, <strong>de</strong>n Vertrag aus wichtigem<br />

Grund zu kündigen 67 , weil er sich sonst am En<strong>de</strong> uU <strong>de</strong>n Vorwurf gefallen lassen<br />

müsste, vorsätzlich einen Mangel produziert o<strong>de</strong>r – noch schlimmer – Leib und<br />

Leben Dritter gefähr<strong>de</strong>t zu haben.<br />

Für <strong>de</strong>n BGB-Bauvertrag liegen die Dinge zumin<strong>de</strong>st im Ausgangspunkt an<strong>de</strong>rs, weil<br />

das BGB-Werkvertragsrecht ein einseitiges Anordnungsrecht <strong>de</strong>s Bestellers nicht<br />

kennt. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass <strong>de</strong>r Unternehmer sich<br />

in einem Dilemma befin<strong>de</strong>t, wenn <strong>de</strong>r geschul<strong>de</strong>te Bauerfolg durch die Umsetzung<br />

<strong>de</strong>r konkreten Ausführungsvorgaben <strong>de</strong>s Bestellers nicht verwirklicht wer<strong>de</strong>n kann.<br />

65 OLG Karlsruhe, BauR 2005, 729<br />

66 iE zum Leistungsverweigerungsrecht <strong>de</strong>s Unternehmers in diesen Fällen:<br />

Kapellmann/Messerschmidt/Merkens, VOB-Kom., 2. Aufl., <strong>Teil</strong> B, § 4 Rdn. 108 mwN;<br />

Ingenstau/Korbion/Oppler, VOB-Kom., 16. Aufl., <strong>Teil</strong> B, § 4 Nr. 3 Rdn. 79 mwN<br />

67 Ingenstau/Korbion/Oppler, VOB-Kom., 16. Aufl., <strong>Teil</strong> B, § 4 Nr. 1 Rdn. 98<br />

33


Hält er sich an die (fehlerhafte) Leistungsbeschreibung, produziert er einen Mangel;<br />

wählt er die Sicherstellung <strong>de</strong>s Bauerfolges unter eigenmächtiger Abweichung von<br />

jenen Ausführungsvorgaben, begeht er in aller Regel ebenfalls einen<br />

Vertragsverstoß, weil er vertraglich vereinbarte Beschaffenheiten übergeht. Deshalb<br />

ist es auch für <strong>de</strong>n BGB-Bauvertrag richtig, dass <strong>de</strong>r Unternehmer in dieser Lage<br />

eine rechtsgeschäftliche Erklärung <strong>de</strong>s Bestellers herbeiführen muss, die er durch<br />

<strong>de</strong>n nach obigen Grundsätzen gebotenen Be<strong>de</strong>nkenhinweis veranlasst. Verlangt <strong>de</strong>r<br />

Besteller daraufhin die Umsetzung seiner ursprünglichen Ausführungsvorgaben und<br />

geht <strong>de</strong>r Unternehmer trotz seiner Be<strong>de</strong>nken hierauf ein, so haben sich die<br />

Vertragsparteien nach allgemeinen Grundsätzen <strong>de</strong>r Rechtsgeschäftslehre im<br />

Ergebnis vertraglich darauf geeinigt, dass <strong>de</strong>r geschul<strong>de</strong>te Werkerfolg ungeachtet<br />

etwaiger ursächlich auf die mit Be<strong>de</strong>nken belegten Ausführungsvorgaben<br />

zurückzuführen<strong>de</strong>r Funktionsmängel <strong>de</strong>s Werkergebnisses <strong>de</strong>m entspricht, was<br />

durch die Umsetzung <strong>de</strong>r Ausführungsvorgaben erreicht wer<strong>de</strong>n kann. Auf § 13 Abs.<br />

3 VOB/B kommt es in diesen Fällen <strong>de</strong>shalb nicht an.<br />

Aber wie steht es mit <strong>de</strong>m Verlangen <strong>de</strong>s Bestellers, nach seinen<br />

Ausführungsvorgaben zu bauen, wenn <strong>de</strong>r Unternehmer <strong>de</strong>m wegen seiner<br />

Be<strong>de</strong>nken nicht nachkommen will? Ein gesetzliches Anordnungsrecht <strong>de</strong>s Bestellers<br />

besteht nicht; es lässt sich für <strong>de</strong>n BGB-Werkvertrag allenfalls aus <strong>de</strong>m<br />

Gesichtspunkt <strong>de</strong>r ergänzen<strong>de</strong>n Vertragsauslegung o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Erwägung<br />

rechtfertigen, dass <strong>de</strong>r Unternehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet<br />

ist, <strong>de</strong>n auf die Herstellung einer sach- und zweckgerechten Bauleistung gerichteten<br />

Willen <strong>de</strong>s Bestellers im Rahmen seiner vertraglichen Erfolgsverpflichtung<br />

umzusetzen 68 . Was in diesem Sinne als sach- und zweckentsprechend zu gelten hat,<br />

bestimmt in erster Linie <strong>de</strong>r Besteller, <strong>de</strong>r allerdings abweichend von § 1 Abs. 3<br />

VOB/B nicht befugt ist, <strong>de</strong>n Bauentwurf und damit das vertraglich vereinbarte<br />

Leistungsziel, <strong>de</strong>n geschul<strong>de</strong>ten Erfolg zu än<strong>de</strong>rn. Darüber hinaus ist <strong>de</strong>r<br />

Unternehmer ebenso wie beim VOB/B-Vertrag nicht verpflichtet,<br />

Ausführungsvorgaben <strong>de</strong>s Bestellers zu beachten, <strong>de</strong>ren Umsetzung zu einem<br />

Verstoß gegen gesetzliche o<strong>de</strong>r behördliche Bestimmungen, zu Sicherheitsrisiken<br />

o<strong>de</strong>r zu schwerwiegen<strong>de</strong>n Baumängeln führen wür<strong>de</strong>. In allen an<strong>de</strong>ren Fällen wird<br />

<strong>de</strong>r Unternehmer die Ausführungsvorgaben <strong>de</strong>s Bestellers umsetzen müssen, wenn<br />

dieser es trotz <strong>de</strong>r ihm mitgeteilten Be<strong>de</strong>nken verlangt. Der Unternehmer haftet dann<br />

68 Ingenstau/Korbion/Oppler, VOB-Kom., 16. Aufl., <strong>Teil</strong> B, § 4 Nr. 1 Rdn. 75<br />

34


allerdings in Anwendung <strong>de</strong>s sich aus § 13 Abs. 3 VOB/B ergeben<strong>de</strong>n<br />

Rechtsgedankens nicht für die hierdurch bedingte Verfehlung <strong>de</strong>s (funktionalen)<br />

Erfolges. Im Ergebnis gilt für <strong>de</strong>n BGB-Bauvertrag also nichts an<strong>de</strong>res, als für <strong>de</strong>n<br />

VOB/B-Vertrag.<br />

4.2.2 Der Be<strong>de</strong>nkenhinweis unterbleibt<br />

Setzt <strong>de</strong>r Unternehmer eine fehler- o<strong>de</strong>r lückenhafte Leistungsbeschreibung <strong>de</strong>s<br />

Bestellers mit <strong>de</strong>m Ergebnis um, dass die Funktionalität <strong>de</strong>s Bauergebnisses verfehlt<br />

wird, ist seine Werkleistung mangelhaft - § 633 Abs. 2 BGB. Ob er bei<br />

unterbliebenem Be<strong>de</strong>nkenhinweis haftet, hängt davon ab, ob er die<br />

Unzulänglichkeiten <strong>de</strong>r Ausschreibung hätte erkennen können. Er wird von <strong>de</strong>r<br />

Mangelhaftung frei, wenn er nach gebotener Prüfung keine Be<strong>de</strong>nken gegen die<br />

Ausführungsvorgaben haben musste 69 . Das ergibt sich nicht unmittelbar aus § 13<br />

Abs. 3 VOB/B, ist aber gerechtfertigt, weil die zu Prüfung und Hinweis Anlass<br />

geben<strong>de</strong>n Vorgaben und Vorleistungen aus <strong>de</strong>r Risikosphäre <strong>de</strong>s Bestellers<br />

stammen. Sind sie unvollständig o<strong>de</strong>r fehlerhaft, trägt er <strong>de</strong>shalb im Ergebnis das<br />

Risiko einer durch ihre Umsetzung bedingten Verfehlung <strong>de</strong>s funktionalen<br />

Werkerfolges, wenn <strong>de</strong>r Unternehmer die Unzulänglichkeiten <strong>de</strong>r Leistungsvorgaben<br />

nicht erkennen konnte.<br />

Probleme entstehen im umgekehrten Fall, wenn <strong>de</strong>r Unternehmer ohne einen – dann<br />

gebotenen - Be<strong>de</strong>nkenhinweis die Leistungsvorgaben <strong>de</strong>s Bestellers ignoriert und<br />

die Bauleistung ohne Rücksprache mit <strong>de</strong>m Besteller so ausführt, dass <strong>de</strong>r<br />

funktionale Werkerfolg erreicht wird. Zwar waren die dann regelmäßig zusätzlich o<strong>de</strong>r<br />

in an<strong>de</strong>rer Weise als geplant angefallenen Leistungen objektiv erfor<strong>de</strong>rlich.<br />

Gleichwohl hat <strong>de</strong>r Unternehmer vertragliche Leistungspflichten verletzt. Denn es ist<br />

aus <strong>de</strong>n bereits dargelegten Grün<strong>de</strong>n allein <strong>de</strong>m Besteller vorbehalten, die<br />

rechtsgeschäftliche Entscheidung darüber zu treffen, ob er – ggfls. gegen Zahlung<br />

einer Mehrvergütung – <strong>de</strong>n funktionalen Bauerfolg verwirklicht wissen o<strong>de</strong>r es bei<br />

seinen verbindlichen Leistungsvorgaben belassen und die Leistungsverpflichtung<br />

70<br />

<strong>de</strong>s Unternehmers <strong>de</strong>mentsprechend beschränken will . Das gilt erst recht, wenn<br />

die vom Unternehmer übergangenen Leistungsvorgaben – wie oft -<br />

69 Ebenso: Kniffka/Koeble, Kompendium <strong>de</strong>s Baurechts, 3. Aufl., <strong>Teil</strong> 6, Rdn. 24, 48; aA Fuchs, BauR<br />

2009, 404, 409<br />

70 § 1 Abs. 4 Satz 1 VOB/B sieht ein entsprechen<strong>de</strong>s einseitiges Anordnungsrecht vor. Für <strong>de</strong>n BGB-<br />

Bauvertrag ist das nicht geregelt. Dort kann nach <strong>de</strong>rzeitiger Rechtslage nur eine ergänzen<strong>de</strong><br />

Auslegung <strong>de</strong>s Vertrages helfen.<br />

35


Beschaffenheitsvereinbarungen darstellen, an <strong>de</strong>ren Einhaltung <strong>de</strong>r Unternehmer<br />

gebun<strong>de</strong>n ist (vgl. § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB) und die er nur kraft rechtsgeschäftlicher<br />

Anordnung <strong>de</strong>s Bestellers unbeachtet lassen darf. Je<strong>de</strong>nfalls im letztgenannten Fall<br />

hat <strong>de</strong>r Unternehmer nicht vertragsgerecht gearbeitet, wenn er die<br />

Beschaffenheitsabre<strong>de</strong>n missachtet. Eine ganz an<strong>de</strong>re Frage ist es freilich, ob und<br />

ggfls. welche Ansprüche <strong>de</strong>r Besteller hieraus herleiten kann. Dem soll hier nicht<br />

weiter nachgegangen wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rspruchslosen Abnahme <strong>de</strong>s unter<br />

Abweichung von seinen Vorgaben erstellten Bauwerks dürfte allerdings eine<br />

nachträgliche Billigung jener Abweichung zu sehen sein.<br />

4.2.3 Der Be<strong>de</strong>nkenhinweis wird erteilt; <strong>de</strong>r Besteller reagiert nicht<br />

Es wird vertreten, dass <strong>de</strong>r Unternehmer sich in einem solchen Fall darauf<br />

beschränken darf, die Bauleistung entsprechend <strong>de</strong>n unzureichen<strong>de</strong>n<br />

Leistungsvorgaben ausführen 71 , er also von <strong>de</strong>r Mängelhaftung für die Verfehlung<br />

<strong>de</strong>s funktionalen Erfolges frei wird. Dafür spricht <strong>de</strong>r Wortlaut <strong>de</strong>s § 13 Abs. 3 VOB/B,<br />

<strong>de</strong>r die Enthaftung <strong>de</strong>s Unternehmers allein an die Erteilung <strong>de</strong>s<br />

Be<strong>de</strong>nkenhinweises, nicht hingegen an die Reaktion <strong>de</strong>s Bestellers hierauf knüpft.<br />

Unproblematisch ist das nicht. Der Be<strong>de</strong>nkenhinweis soll <strong>de</strong>n Besteller in die Lage<br />

versetzen, nach obigen Grundsätzen über die Art <strong>de</strong>r Bauausführung zu<br />

entschei<strong>de</strong>n. Insoweit trifft ihn – ähnlich wie bei einer erfor<strong>de</strong>rlichen Bemusterung -<br />

eine Mitwirkungsobliegenheit 72 . Die Sanktion wegen eines Verstoßes gegen diese<br />

Obliegenheit besteht nicht darin, <strong>de</strong>n Unternehmer aus <strong>de</strong>r Sachmängelhaftung zu<br />

entlassen. Vielmehr greift § 642 BGB, wonach <strong>de</strong>r Unternehmer bezogen auf die<br />

Dauer <strong>de</strong>s Annahmeverzuges eine Entschädigung beanspruchen und gemäß §§<br />

643, 645 BGB <strong>de</strong>n Vertrag kündigen und abrechnen kann. Darüber hinaus dürfte er<br />

berechtigt sein, die Arbeiten bis zu einer Entscheidung <strong>de</strong>s Bestellers einzustellen.<br />

Soweit in <strong>de</strong>r unterbliebenen Mitwirkung <strong>de</strong>s Bestellers ausnahmsweise ein Verstoß<br />

gegen eine vertragliche Nebenpflicht gesehen wer<strong>de</strong>n kann 73 , erhält er gemäß §§<br />

280 Abs. 1, 280 Abs. 2, 286 BGB zu<strong>de</strong>m seinen weitergehen<strong>de</strong>n Scha<strong>de</strong>n ersetzt.<br />

Trotz alle<strong>de</strong>m wird man <strong>de</strong>n Wortlaut <strong>de</strong>s § 13 Abs. 3 VOB/B hinnehmen müssen. Ob<br />

es gerechtfertigt ist, die dort nie<strong>de</strong>rgelegten Rechtsgedanken auch in diesem Punkt<br />

71 Fuchs, aaO. 410<br />

72 Kapellmann/Messerschmidt/Merkens, VOB-Kom., 2. Aufl., <strong>Teil</strong> B, § 4 Rdn. 106 - Mitwirkungspflicht<br />

73 Eingehend hierzu: Kniffka, Jahrbuch Baurecht 2001, 1, 6ff.<br />

36


gemäß § 242 BGB auf <strong>de</strong>n BGB-Bauvertrag anzuwen<strong>de</strong>n, erscheint allerdings<br />

fraglich.<br />

Wenn <strong>de</strong>r Unternehmer ohne eine rechtsgeschäftliche Anordnung <strong>de</strong>s Bestellers für<br />

die Verwirklichung <strong>de</strong>r Funktionalität zusätzlich erfor<strong>de</strong>rliche Leistungen ausführt,<br />

erhält er hierfür keine vertragliche Vergütung, weil sie insoweit nicht vereinbart ist.<br />

Auch ein Aufwendungsersatzanspruch aus <strong>de</strong>m Gesichtspunkt <strong>de</strong>r GoA kommt nicht<br />

in Betracht, weil die zusätzlich erfor<strong>de</strong>rlichen Leistungen als zum vertraglichen<br />

Leistungsumfang gehörend geschul<strong>de</strong>t sind und er diese <strong>de</strong>shalb nicht ohne Auftrag<br />

erbracht hat 74 . Allerdings liegt eine Äquivalenzstörung vor 75 , so dass allenfalls eine<br />

Anpassung <strong>de</strong>r Vergütung nach <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>s Wegfalls <strong>de</strong>r<br />

Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 2 BGB ist zu erwägen ist (dazu sogleich).<br />

4.2.4 Der Be<strong>de</strong>nkenhinweis wird erteilt; <strong>de</strong>r Besteller weist <strong>de</strong>n Unternehmer<br />

an, die danach für die Verwirklichung <strong>de</strong>s Bauerfolges erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

Leistungen auszuführen.<br />

Trägt <strong>de</strong>r Besteller <strong>de</strong>m (berechtigten) Be<strong>de</strong>nkenhinweis <strong>de</strong>s Unternehmers<br />

Rechnung, in<strong>de</strong>m er von seinen fehlerhaften Ausführungsvorgaben Abstand nimmt<br />

und die zusätzlich für die Verwirklichung <strong>de</strong>s Bauerfolges erfor<strong>de</strong>rlichen Leistungen<br />

verlangt, so stellt sich die Mangelfrage nicht, wenn <strong>de</strong>r Unternehmer diesem<br />

Verlangen nachkommt. Allerdings muss er erneut prüfen, ob die nunmehr<br />

geän<strong>de</strong>rten Ausführungsvorgaben <strong>de</strong>s Bestellers zu einem funktionstauglichen<br />

Gewerk führen. Hat er Be<strong>de</strong>nken, muss er diese nach obigen Grundsätzen abermals<br />

anmel<strong>de</strong>n 76 . Darüber hinaus ist in diesem Fällen regelmäßig das Äquivalenzgefüge<br />

gestört, weil <strong>de</strong>r Unternehmer zusätzliche Leistungen erbringen muss, die nicht<br />

Gegenstand <strong>de</strong>r vertraglichen Vergütungsvereinbarung mit <strong>de</strong>m Besteller waren.<br />

5 Preisanpassung<br />

5.1 Grundlagen<br />

Es entspricht <strong>de</strong>m Wesen eines vertraglichen Austauschgeschäfts, dass die<br />

rechtsgeschäftlich vereinbarten Leistungen und Gegenleistungen nach <strong>de</strong>r<br />

Vorstellung <strong>de</strong>r Vertragsparteien grundsätzlich gleichwertig sein sollen. Gegenstand<br />

74 Im einzelnen hierzu: Leupertz, BauR 2005, 775, 785ff.<br />

75 Leupertz aaO., 787f.<br />

76 BGH, Urt. v. 29.11.1973 – VII ZR 179/71, BauR 1974, 128<br />

37


<strong>de</strong>s Bauvertrages ist <strong>de</strong>mentsprechend die von ihrem gemeinsamen Geschäftswillen<br />

getragene Abre<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Vertragsparteien, <strong>de</strong>r Besteller möge für <strong>de</strong>n konkret<br />

ausgeschriebenen Leistungsumfang eine entsprechen<strong>de</strong> Gegenleistung in Form <strong>de</strong>r<br />

vertraglich vereinbarten Vergütung erbringen. Darin, nämlich in <strong>de</strong>r durch ihre<br />

rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen manifestierten Äquivalenzerwartung,<br />

besteht die bei<strong>de</strong>rseits gebilligte Geschäftsgrundlage 77 . Sie wird verfehlt, wenn sich<br />

die Leistungsverpflichtung <strong>de</strong>s Unternehmers entgegen <strong>de</strong>n Vorstellungen <strong>de</strong>r<br />

Parteien bei Vertragsschluss nicht im vergütungspflichtigen Leistungsumfang<br />

erschöpft, son<strong>de</strong>rn er zur Erreichung <strong>de</strong>s Bauerfolges darüber hinaus Leistungen<br />

erbringen muss, für die er we<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Vertrage eine Vergütung erhält, noch<br />

sonst einen Ausgleich verlangen kann 78 .<br />

Die <strong>de</strong>r Erfolgshaftung <strong>de</strong>s Unternehmers zugeordneten Leistungsanfor<strong>de</strong>rungen<br />

<strong>de</strong>cken sich also nicht notwendig mit <strong>de</strong>m vergütungspflichtigen Leistungsumfang.<br />

Gleichwohl gehen die Vertragsparteien im Rahmen ihrer zur Geschäftsgrundlage zu<br />

rechnen<strong>de</strong>n Äquivalenzerwartung regelmäßig davon aus, dass bereits die<br />

Erbringung <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r Leistungsbeschreibung vorgesehenen Leistungen zur<br />

Erreichung <strong>de</strong>s Bauerfolges führen wird und dass die hierfür vereinbarte Vergütung<br />

eine adäquate Gegenleistung (nur) für diese Leistungen darstellt 79 . Der solcherart<br />

<strong>de</strong>finierte vergütungspflichtige Leistungsumfang ist in<strong>de</strong>s streng zu trennen von <strong>de</strong>n<br />

für die Erreichung <strong>de</strong>s geschul<strong>de</strong>ten Bauerfolgs erfor<strong>de</strong>rlichen<br />

Leistungsanfor<strong>de</strong>rungen 80 . Zusätzliche, nicht in <strong>de</strong>r Leistungsbeschreibung<br />

enthaltene Leistungen sind vom verpreisten Leistungsumfang nicht umfasst, und<br />

zwar auch dann nicht, wenn sie für die Verwirklichung <strong>de</strong>s Bauerfolgs erbracht<br />

wer<strong>de</strong>n müssen und somit vertraglich geschul<strong>de</strong>t sind. Sie sind <strong>de</strong>mnach geson<strong>de</strong>rt<br />

77 BGH, Urteil vom 2. 11. 1961 - II ZR 126/59, NJW 1962, 250, 251; Urteil vom 14. 10. 1959 - V ZR<br />

9/58, NJW 1959, 2203; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 313, Rdn. 25; Dauner-<br />

Lieb/Hei<strong>de</strong>l/Ring/Krebs, Anwaltkommentar BGB, Schuldrecht <strong>Teil</strong>band 1, § 313, Rdn. 60<br />

78 vgl. zu ähnlichen Fallkonstellationen: BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 324/99, NJW 2001, 1204 –<br />

irrtümlich Berücksichtigung eines an die BRep zu zahlen<strong>de</strong>n Ausgleichsanspruchs für die Bemessung<br />

<strong>de</strong>s Kaufpreises für einen Rückübertragungsanspruch; BGH, Urt. v. 01.02.1990 – VII ZR 176/88,<br />

NJW-RR 1990, 601, 602 – öffentliche För<strong>de</strong>rung eines Bauvorhabens;<br />

79 Vgl.: Leupertz, BauR 2005, 775, 788<br />

80 So zutreffend insbeson<strong>de</strong>re: Motzke, NZBau 2002, 641ff; vgl. hierzu auch: Leupertz, BauR 2005,<br />

775, 785f<br />

38


zu vergüten, was beim BGB-Werkvertrag nach herrschen<strong>de</strong>r Meinung allerdings eine<br />

entsprechen<strong>de</strong> rechtsgeschäftliche Vereinbarung voraussetzt 81 .<br />

Dieses, auf <strong>de</strong>n Grundprinzipien <strong>de</strong>r Rechtsgeschäftslehre beruhen<strong>de</strong> Verständnis<br />

führt zwanglos zu <strong>de</strong>r Erkenntnis, dass hinsichtlich eventueller<br />

Mehrvergütungsansprüche <strong>de</strong>s Bestellers zwischen zusätzlich für die Verwirklichung<br />

<strong>de</strong>s unverän<strong>de</strong>rten Bauerfolgs erfor<strong>de</strong>rlichen Leistungen und solchem Mehraufwand<br />

zu unterschei<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>r außerhalb <strong>de</strong>s vertraglichen Äquivalenzgefüges durch eine<br />

(einseitige) Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bauerfolges, <strong>de</strong>s Bauziels, entsteht. Die VOB/B geht<br />

einen völlig an<strong>de</strong>ren Weg, <strong>de</strong>r im Folgen<strong>de</strong>n nachgezeichnet wer<strong>de</strong>n soll.<br />

5.2 Verträge mit funktionaler Ausschreibung<br />

Bei Bauverträgen mit funktionaler Ausschreibung erhält <strong>de</strong>r Unternehmer die<br />

vertraglich vereinbarte Vergütung für alle Leistungen, die er für die Verwirklichung<br />

<strong>de</strong>s funktional <strong>de</strong>finierten Bauziels (Bauerfolg) erbringen muss. Ein Anspruch auf<br />

Preisanpassung kann sich <strong>de</strong>mnach nur ergeben, wenn das Bauziel verän<strong>de</strong>rt wird.<br />

Dann gelten die Grundsätze, die im Folgen<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Bauvertrag mit <strong>de</strong>taillierter<br />

Ausschreibung erörtert wer<strong>de</strong>n.<br />

5.3 Verträge mit <strong>de</strong>taillierter Ausschreibung<br />

5.3.1 Mehraufwand durch eine Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bauziels (geän<strong>de</strong>rte<br />

Leistungen)<br />

5.3.1.1 BGB-Bauvertrag<br />

Nach h. M. ist <strong>de</strong>r Besteller im Rahmen eines BGB-Bauvertrages nicht berechtigt,<br />

Leistungsän<strong>de</strong>rungen einseitig anzuordnen 82 . Wenn er gleichwohl geän<strong>de</strong>rte<br />

Leistungen verlangt und <strong>de</strong>r Unternehmer diesem Verlangen nachkommt, dürfte die<br />

gebotene Auslegung <strong>de</strong>r Gesamtumstän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Regel ergeben, dass die<br />

Vertragsparteien sich rechtsgeschäftlich über die Erbringung auch dieser Leistungen<br />

geeinigt haben. Dann richtet sich die Vergütung für die geän<strong>de</strong>rten Leistungen<br />

81 Zur Behandlung <strong>de</strong>r Problemfälle, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Unternehmer ohne eine rechtsgeschäftlich wirksame<br />

Abre<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Besteller Mehraufwand betreibt, um <strong>de</strong>n Bauerfolg zu verwirklichen: Leupertz, BauR<br />

2005, 775.<br />

82 aA: MünchKomm-Busche, BGB, 5. Aufl., § 631 Rdn. 123 – Leistungsbestimmungsrecht aus <strong>de</strong>r<br />

Natur <strong>de</strong>s Bauvertrages mit <strong>de</strong>r Vergütungsfolge <strong>de</strong>s § 632 Abs. 2 BGB; Staudinger – Peters/Jacoby,<br />

BGB, Neubearb. 2008, § 633 Rdn. 12 – Verpflichtung <strong>de</strong>s Unternehmers nach Treu und Glauben, auf<br />

zumutbare Än<strong>de</strong>rungswünsche <strong>de</strong>s Bestellers einzugehen; BaRoth-Voit, BGB, 2. Aufl., § 631 Rdn. 37<br />

– Leistungsän<strong>de</strong>rungsrecht <strong>de</strong>s Bestellers mit Verpflichtung zur Fortschreibung <strong>de</strong>r Vertragspreise<br />

39


grundsätzlich nach § 632 Abs. 1, 2 BGB und <strong>de</strong>r Unternehmer erhält hierfür die<br />

übliche Vergütung. Allerdings kann die Auslegung im Einzelfall ergeben, dass <strong>de</strong>r<br />

Unternehmer gleichartige Leistungen nach <strong>de</strong>n hierfür im Vertrag vorgesehenen<br />

Preisen abrechnen muss.<br />

5.3.1.2 VOB/B-Vertrag<br />

Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht <strong>de</strong>s Bestellers ergibt sich für <strong>de</strong>n VOB/B-<br />

Vertrag aus § 1 Abs. 3 VOB/B durch die Gestattung, <strong>de</strong>n Bauentwurf zu än<strong>de</strong>rn. Wie<br />

weit dieses Leistungsbestimmungsrecht reicht, ist umstritten. Darauf soll hier nicht<br />

näher eingegangen wer<strong>de</strong>n.<br />

§ 1 Abs. 4 Satz 1 VOB/B erfasst die Fälle geän<strong>de</strong>rter Leistungen seinem Wortlaut<br />

nach nicht. Denn die infolge einer Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s vertraglichen Leistungsumfangs<br />

anfallen<strong>de</strong>n Leistungen wer<strong>de</strong>n nicht „zur Ausführung <strong>de</strong>r vertraglichen Leistung<br />

erfor<strong>de</strong>rlich“. Die vertragliche Leistung ist <strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Ausgangsvertrag<br />

vorgesehene funktionale Bauerfolg. Gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>r soll verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Erst die<br />

(wirksame) Än<strong>de</strong>rung führt dazu, dass die geän<strong>de</strong>rten Leistungen nunmehr<br />

erfor<strong>de</strong>rlich sind. Je<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>re Verständnis <strong>de</strong>r Regelung wür<strong>de</strong> darauf<br />

hinauslaufen, dass das Anordnungsrecht zugleich Ursache und Folge <strong>de</strong>r<br />

Leistungsän<strong>de</strong>rung wäre. Das kann schlechterdings nicht gemeint sein.<br />

Der Mehrvergütungsanspruch <strong>de</strong>s Unternehmers für infolge einer<br />

Bauentwurfsän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bestellers anfallen<strong>de</strong>n Mehraufwand wird gemeinhin aus<br />

§ 2 Abs. 5 VOB/B hergeleitet. Der Wortlaut <strong>de</strong>r Vorschrift gibt das nicht ohne<br />

weiteres her. Denn die hier in Re<strong>de</strong> stehen<strong>de</strong>n (Mehr-) Leistungen, die erst infolge<br />

einer Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s vertraglich vereinbarten Bauerfolgs erfor<strong>de</strong>rlich wer<strong>de</strong>n, sind<br />

nicht „im Vertrag vorgesehen“. Sie wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m vertraglichen Leistungsumfang<br />

hinzugefügt. Der Anwendungsbereich <strong>de</strong>s § 2 Abs. 5 VOB/B ist <strong>de</strong>shalb nur dann<br />

eröffnet, wenn man <strong>de</strong>n fort verwen<strong>de</strong>ten Begriff <strong>de</strong>r „Leistung“ in <strong>de</strong>m Sinne<br />

versteht, dass damit die in <strong>de</strong>r Detaillausschreibung enthaltenen <strong>Teil</strong>leistungen<br />

gemeint sind. Wie<strong>de</strong>rholen sich diese <strong>Teil</strong>leistungen bei <strong>de</strong>r Erbringung <strong>de</strong>s<br />

än<strong>de</strong>rungsbedingten Mehraufwan<strong>de</strong>s, waren sie nach ihrer Art bereits im Vertrag<br />

vorgesehen. Das wäre die Grundlage für die Vereinbarung eines neuen Preises<br />

unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r Mehr- o<strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rkosten. Ein solches Verständnis<br />

40


erscheint möglich, ist aber schon <strong>de</strong>shalb nicht unproblematisch, weil die VOB/B <strong>de</strong>n<br />

Begriff <strong>de</strong>r „Leistung“ auch als Synonym für <strong>de</strong>n geschul<strong>de</strong>ten Bauerfolg verwen<strong>de</strong>t,<br />

wie sich bspw. aus § 1 Abs. 4 VOB/B ergibt („…<strong>de</strong>r vertraglichen Leistung<br />

erfor<strong>de</strong>rlich wer<strong>de</strong>n,..“). Das ist nicht ohne weiteres mit <strong>de</strong>m jüngst vom BGH in<br />

an<strong>de</strong>rem Zusammenhang bestätigten, allgemeinen Auslegungsgrundsatz in Einklang<br />

zu bringen, dass ein Begriff, <strong>de</strong>r innerhalb eines AGB-Klauselwerks mehrfach<br />

verwen<strong>de</strong>t wird, grundsätzlich für alle Klauseln einheitlich auszulegen ist, weil ein<br />

verständiger und redlicher Vertragspartner in <strong>de</strong>r Regel davon ausgehen wird, dass<br />

einem i<strong>de</strong>ntischen Wortlaut auch eine i<strong>de</strong>ntische Be<strong>de</strong>utung beizumessen ist 83 .<br />

§ 2 Abs. 6 VOB/B betrifft „im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen“ und damit<br />

seinem Wortlaut nach gera<strong>de</strong> diejenigen, um die es hier geht. Gemeint sind freilich<br />

aus <strong>de</strong>n soeben dargelegten Grün<strong>de</strong>n abermals die in <strong>de</strong>r Detaillausschreibung<br />

enthaltenen <strong>Teil</strong>leistungen.<br />

5.3.2 Zusätzlich für die Verwirklichung <strong>de</strong>s unverän<strong>de</strong>rten Bauerfolgs<br />

erfor<strong>de</strong>rliche Leistungen (zusätzlich erfor<strong>de</strong>rliche Leistungen)<br />

5.3.2.1 BGB-Bauvertrag<br />

Der Unternehmer schul<strong>de</strong>t alle Leistungen, die zur Verwirklichung <strong>de</strong>s funktionalen<br />

Bauerfolges erfor<strong>de</strong>rlich sind. Solche Leistungen sind mithin auch dann vertraglich<br />

„vereinbart“, wenn sie nicht von <strong>de</strong>n Leistungsvorgaben <strong>de</strong>s Bestellers umfasst sind.<br />

Sie sind dann allerdings nicht geson<strong>de</strong>rt verpreist. Weil die in diesem Sinne<br />

zusätzlich erfor<strong>de</strong>rlichen Leistungen zum vertraglichen Leistungsumfang gehören,<br />

sind sie je<strong>de</strong>nfalls beim Pauschalvertrag von <strong>de</strong>r vertraglichen Vergütung umfasst.<br />

Deshalb kommt eine zusätzliche Vergütung gemäß § 632 Abs. 1, 2 BGB insoweit<br />

nicht in Betracht. Gleiches gilt für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag 84 .<br />

Gleichwohl geht <strong>de</strong>r Aufwand, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Unternehmer zur Verwirklichung <strong>de</strong>s<br />

Bauerfolgs betreiben muss, über die Leistungen hinaus, für die er die Vergütung<br />

erhält. Das führt zu einer Störung <strong>de</strong>s Äquivalenzgefüges und damit zu einer Störung<br />

<strong>de</strong>r Geschäftsgrundlage, die eine Preisanpassung nach Maßgabe <strong>de</strong>r Vorschriften in<br />

§ 313 Abs. 1, 2 BGB nach sich ziehen kann. Allerdings sind die Anfor<strong>de</strong>rungen an<br />

die Anpassung <strong>de</strong>s Vertrages für die hier interessieren<strong>de</strong>n Fälle angesichts <strong>de</strong>s<br />

Kriteriums <strong>de</strong>r Unzumutbarkeit zu hoch.<br />

83 BGH, Urteil vom 20.8.2009 – VII ZR 212/07, BauR 2009, 1736, 1738 Tz 19<br />

84 Im einzelnen hierzu: Leupertz, BauR 2005, 775, 785ff.<br />

41


5.3.2.2 VOB/B-Vertrag<br />

Für VOB/B-Vertrag ergibt sich ein Mehrvergütungsanspruch <strong>de</strong>s Unternehmers für<br />

notwendige Zusatzleistungen nach allgemeiner Auffassung aus §§ 1 Abs. 4, 2 Abs. 6<br />

VOB/B. Allerdings passt schon § 1 Abs. 4 VOB/B, <strong>de</strong>r das Anordnungsrecht <strong>de</strong>s<br />

Bestellers betrifft, seinem Wortlaut nach nicht auf die Fälle zusätzlich erfor<strong>de</strong>rlicher<br />

Leistungen. Denn nach obigen Grundsätzen kann es keine „nicht vereinbarten“<br />

Leistungen geben, die zur Ausführung <strong>de</strong>r vertraglichen Leistung erfor<strong>de</strong>rlich<br />

„wer<strong>de</strong>n“. Sind sie erfor<strong>de</strong>rlich, sind sie unabhängig von <strong>de</strong>n Leistungsvorgaben <strong>de</strong>s<br />

Bestellers auch geschul<strong>de</strong>t und damit rechtgeschäftlich vereinbart. Sie sind eben nur<br />

nicht verpreist. Im Übrigen ergibt die Regelung nur dann einen Sinn, wenn man <strong>de</strong>n<br />

dort zweimal verwen<strong>de</strong>ten Begriff <strong>de</strong>r „Leistung“ unterschiedlich auslegt. Mit „nicht<br />

vereinbarte Leistungen“ sind offenkundig wie<strong>de</strong>rum die <strong>Teil</strong>leistungen <strong>de</strong>r<br />

Ausschreibung gemeint, wohin gegen Bezugspunkt für „die Ausführung <strong>de</strong>r<br />

vertraglichen Leistung“ nur <strong>de</strong>r funktionale Bauerfolg sein kann.<br />

§ 2 Abs. 6 VOB/B wirft ähnliche Probleme auf, weil keine Leistungen gefor<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n, die im Vertrag nicht vorgesehen sind. Das Gegenteil ist <strong>de</strong>r Fall. Die<br />

zusätzlichen Leistungen sind lediglich nicht verpreist. § 2 Abs. 5 VOB/B ist<br />

offenkundig nicht anwendbar, weil die zusätzlich erfor<strong>de</strong>rlichen Leistungen we<strong>de</strong>r<br />

durch eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bauentwurfs (§ 1 Abs. 3 VOB/B) noch durch „an<strong>de</strong>re<br />

Anordnungen“ <strong>de</strong>s Bestellers veranlasst sind. Sie waren von Anfang an geschul<strong>de</strong>t.<br />

42


<strong>Teil</strong> 2<br />

Grundlagen <strong>de</strong>r Preisanpassung nach<br />

<strong>de</strong>rzeitigem Stand <strong>de</strong>r Rechtsprechung<br />

1 Anspruchsgrundlagen für eine Anpassung <strong>de</strong>r Vertragspreise<br />

Das BGB-Werkvertragsrecht kennt keine Vorschriften, nach <strong>de</strong>nen eine Anpassung<br />

<strong>de</strong>r Vertragspreise an einen verän<strong>de</strong>rten Leistungsumfang zu erfolgen hat. Eine<br />

Preisanpassung fin<strong>de</strong>t dort allenfalls nach <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>r Störung <strong>de</strong>r<br />

Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB statt.<br />

Demgegenüber hält die VOB/B ein <strong>de</strong>tailliertes Regelungssystem für<br />

Preisanpassungen bereit. Folgen<strong>de</strong> Klauseln sind in diesem Zusammenhang<br />

relevant:<br />

• Mengenmehrungen/Mengenmin<strong>de</strong>rungen<br />

Einheitspreisvertrag: § 2 Abs. 3 VOB/B<br />

Pauschalpreisvertrag: § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 2 VOB/B i. V. m. § 242 BGB<br />

• Selbsteintritt <strong>de</strong>s Auftraggebers<br />

Einheitspreisvertrag : § 2 Abs. 4 VOB/B<br />

Pauschalpreisvertrag: §§ 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 4, 2 Abs. 4 VOB/B<br />

• Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Bauentwurfs durch <strong>de</strong>n Auftraggeber<br />

Einheitspreisvertrag: § 2 Abs. 5 VOB/B i. V. m. § 1 Abs. 3 VOB/B<br />

Pauschalpreisvertrag: §§ 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 4, 2 Nr. 5 VOB/B i. V. m. § 1 Abs. 3<br />

VOB/B<br />

• Zusatzleistungen durch einseitige Anordnung <strong>de</strong>s Auftraggebers<br />

Einheitspreisvertrag: § 2 Abs. 6 VOB/B i. V. m. § 1 Abs. 4 VOB/B<br />

Pauschalpreisvertrag: §§ 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 4, 2 Nr. 6 VOB/B i. V. m. § 1 Abs. 4<br />

VOB/B<br />

43


• Erbringung nicht bestellter Leistungen: § 2 Abs. 8 VOB/B<br />

2 Überblick<br />

2.1 Mengenmehrungen / Mengenmin<strong>de</strong>rungen<br />

2.1.1 BGB – Werkvertrag<br />

Beim BGB-Werkvertrag sind die Parteien grundsätzlich an ihre vertraglichen<br />

Vereinbarungen gebun<strong>de</strong>n. Will <strong>de</strong>r Auftragnehmer einen Nachtrag geltend machen,<br />

muss er sich hierüber mit <strong>de</strong>m Auftraggeber einigen und einen neuen Vertrag i. S. d.<br />

§ 631 BGB schließen. Eine einseitig durchsetzbare Preisanpassung wegen<br />

Mengenmehrungen o<strong>de</strong>r Mengenmin<strong>de</strong>rungen kommt sowohl für <strong>de</strong>n<br />

Einheitspreisvertrag als auch für <strong>de</strong>n Pauschalpreisvertrag nur unter <strong>de</strong>n<br />

Voraussetzungen <strong>de</strong>s Wegfalls <strong>de</strong>r Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht.<br />

Weil es sich dabei um einen Anwendungsfall <strong>de</strong>s § 242 BGB han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>r einen<br />

schwerwiegen<strong>de</strong>n Verstoß gegen Treu und Glauben voraussetzt, sind die<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen an eine so begrün<strong>de</strong>te Preisän<strong>de</strong>rung äußerst hoch. Es muss ein<br />

objektiv festzustellen<strong>de</strong>s Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung<br />

bestehen, das sich unter Berücksichtigung aller Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Einzelfalles 85 für die<br />

eine Vertragspartei als unerträglich erweist und von ihr bei Vertragsschluss auch<br />

nicht vorherzusehen war 86 . Eine Kostensteigerung von 20 % auf <strong>de</strong>n Vertragspreis<br />

reicht hierfür u. U. noch nicht aus 87 .<br />

Als Rechtsfolge <strong>de</strong>s Wegfalls <strong>de</strong>r Geschäftsgrundlage ist die vertraglich vereinbarte<br />

Vergütung <strong>de</strong>n verän<strong>de</strong>rten Verhältnissen anzupassen 88 , worauf die benachteiligte<br />

Partei einen Anspruch hat. Wie diese Anpassung vorzunehmen ist, ergibt sich aus §<br />

313 BGB nicht. Sie wird je nach <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalles in <strong>de</strong>r Regel zu<br />

einer Anhebung bzw. Absenkung <strong>de</strong>s Vertragspreise um (einen <strong>Teil</strong>) <strong>de</strong>r<br />

erhöhten/vermin<strong>de</strong>rten Kosten führen 89 und kann in beson<strong>de</strong>rs gelagerten Fällen<br />

auch <strong>de</strong>n Rücktritt vom Vertrage rechtfertigen - § 313 Abs. 3 S. 1 BGB. Weigert sich<br />

die bevorteilte Vertragspartei, <strong>de</strong>r verlangten und gebotenen Anpassung<br />

zuzustimmen, so kann die an<strong>de</strong>re Vertragspartei <strong>de</strong>n Vertrag aus wichtigem Grund<br />

85 BGH BauR 1996, 250<br />

86 Ingestau/Korbion/Keldungs, <strong>Teil</strong> B, § 2 Abs. 7 Rn 24ff.; Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann,<br />

<strong>Teil</strong> B, § 2 Rn 279ff.; Vygen, Bauvertragsrecht, Rn 841<br />

87 BGH Schäfer/Finnern Z 2.311 Bl. 5; vgl. aber auch BGH VersR 1965, 803 für eine überproportionale<br />

Verteuerung einer Einzelposition mit einer Steigerung <strong>de</strong>s Gesamtpreises um nur 10 %.<br />

88 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong> B, § 2 Rn 288<br />

89 kritisch hierzu: Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong> B, § 2 Rn 289<br />

44


kündigen 90 . Darlegungs- und beweispflichtig für die Umstän<strong>de</strong>, aus <strong>de</strong>nen sich <strong>de</strong>r<br />

Wegfall <strong>de</strong>r Geschäftsgrundlage ergibt, ist <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r sich darauf beruft 91 .<br />

2.1.2 VOB-Einheitspreisvertrag - § 2 Abs. 3 VOB/B<br />

Die Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>s Einheitspreisvertrages besteht darin, dass er die durch das<br />

Baugeschehen typischerweise bedingten Leistungsschwankungen bereits strukturell<br />

berücksichtigt, in<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r betragsmäßig nicht festgelegte Preis aus <strong>de</strong>r Summe <strong>de</strong>r<br />

Einzelpositionspreise gebil<strong>de</strong>t wird, die sich wie<strong>de</strong>r rum aus <strong>de</strong>m Produkt <strong>de</strong>r<br />

Vor<strong>de</strong>rsätze mit <strong>de</strong>n vereinbarten Einzelpreisen (EP) ergeben. Än<strong>de</strong>rn sich die<br />

Vor<strong>de</strong>rsätze einzelner Positionen, weil sich während <strong>de</strong>r Bauausführung nicht<br />

einkalkulierte Mengenmehrungen o<strong>de</strong>r Mengenmin<strong>de</strong>rungen ergeben, so wirkt sich<br />

das gleichwohl auf das von <strong>de</strong>n Parteien verabre<strong>de</strong>ten Preisgefüge aus, weil <strong>de</strong>r<br />

Auftragnehmer die für das Bauvorhaben insgesamt anfallen<strong>de</strong>n<br />

Baustelleneinrichtungskosten, Baustellengemeinkosten und sonstigen<br />

Allgemeinkosten, dazu Wagnis und Gewinn, üblicherweise auf die einzelnen<br />

Leistungspositionen verteilt und so in die Einheitspreise einrechnet. Bei verän<strong>de</strong>rten<br />

Mengenansätzen be<strong>de</strong>utet das für <strong>de</strong>n Vertragspreis, dass sich <strong>de</strong>r Aufragnehmer<br />

bei Mehrmengen besser steht, wohingegen er bei kleineren Mengen einen<br />

Preisnachteil hinnehmen muss. Dafür gewährt § 2 Abs. 3 VOB/B einen Ausgleich.<br />

Grundlage für eine Preisän<strong>de</strong>rung bei Mehrmengen ist § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B.<br />

Danach kann die benachteiligte Partei (i.d.R. <strong>de</strong>r Auftraggeber) eine Anpassung <strong>de</strong>r<br />

Einheitspreise verlangen, wenn sich ohne Eingriff <strong>de</strong>s Auftraggebers eine<br />

Mengenmehrung von mehr als 10 % gegenüber <strong>de</strong>n vertraglich angenommenen<br />

Vor<strong>de</strong>rsätzen ergeben hat. Dann ist nur (!) für die über 110 % hinausgehen<strong>de</strong>n<br />

Mengen auf Verlangen einer Partei ein neuer Preis zu vereinbaren. Kommt<br />

hierüber keine Einigung zu Stan<strong>de</strong>, muss <strong>de</strong>r neue Preis gerichtlich festgesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n. Maßgebend sind auch dann die für <strong>de</strong>n bisherigen Einheitspreis<br />

maßgeblichen Preisermittlungsgrundlagen 92 , nur <strong>de</strong>r Umlagemaßstab für die<br />

fixen Baustellenkosten än<strong>de</strong>rt sich.<br />

90 BGH NJW 1969, 233; zu § 2 Nr. 7 VOB/B: OLG Düsseldorf NJW 1995, 3323<br />

91 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong> B, § 2 Rn 290<br />

92 Vygen, Bauvertragsrecht, Rn 767<br />

45


Bei feststellbaren Min<strong>de</strong>rmengen gilt § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B. Übersteigen diese 10<br />

% <strong>de</strong>r vertraglich kalkulierten Mengen, so ist auf Verlangen <strong>de</strong>s Auftragnehmers für<br />

die betroffene Position ein völlig neuer Einheitspreis nach Maßgabe <strong>de</strong>r Regelung<br />

in § 2 Abs. 3 Nr. 3 S. 2 VOB/B zu bil<strong>de</strong>n 93 . Das gilt nicht, wenn er schon durch die<br />

Erhöhung <strong>de</strong>r Mengen bei an<strong>de</strong>ren Positionen einen angemessenen Ausgleich erhält<br />

- § 2 Abs. 3 Nr. 3 S. 1 VOB/B.<br />

Praxishinweis: Wenn sich <strong>de</strong>r Auftragnehmer im Vergütungsprozess auf<br />

Mengenunterschreitung beruft und daraus eine Anspruch auf Anpassung <strong>de</strong>r<br />

Einheitspreise ableitet, muss er nicht nur die Unterschreitung <strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rsatzmenge,<br />

son<strong>de</strong>rn auch die Grundlagen für die Berechnung <strong>de</strong>s neuen Preises darlegen und<br />

ggfls. beweisen 94 . Das führt dazu, dass er seine Ursprungskalkulation offen<br />

legen muss 95 . Die Gerichtspraxis zeigt, dass eine solche Kalkulation im Zeitpunkt<br />

<strong>de</strong>s Abrechnungsstreites oft nicht mehr existiert o<strong>de</strong>r überhaupt nie existiert hat.<br />

Dann darf und muss <strong>de</strong>r Auftragnehmer die Kalkulation nachfertigen und plausibel<br />

machen 96 .<br />

Verlangt hingegen <strong>de</strong>r Auftraggeber wegen einer Mengenmehrung eine Anpassung<br />

<strong>de</strong>s Einheitspreises, muss er die Mengenmehrungen und die<br />

Berechnungsgrundlagen beweisen. Das kann er nur, wenn er die<br />

Ursprungskalkulation <strong>de</strong>s Auftragnehmers kennt. Ist das nicht <strong>de</strong>r Fall, muss <strong>de</strong>r<br />

Auftragnehmer sie im Prozess offen legen 97 .<br />

2.1.3 VOB-Pauschalpreisvertrag - § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 2 i. V. m. § 242 BGB<br />

Für <strong>de</strong>n Pauschalpreisvertrag gilt <strong>de</strong>r Grundsatz <strong>de</strong>s § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 1 VOB/B: Er<br />

bleibt unverän<strong>de</strong>rt. Eine Preisanpassung für Mengenabweichungen fin<strong>de</strong>t nur unter<br />

<strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 2 VOB/B, mithin nur bei einer<br />

schwerwiegen<strong>de</strong>n Störung <strong>de</strong>r Geschäftsgrundlage statt. Insoweit kann im<br />

Wesentlichen auf die obigen Ausführungen zum BGB-Werkvertrag verwiesen<br />

wer<strong>de</strong>n. Allerdings ist in § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 2, 3 VOB/B ausdrücklich bestimmt, dass<br />

93 hierzu im Einzelnen: Kapellmann/Messeschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong> B, § 2 Rn 152f.<br />

94 OLG München BauR 1993, 726<br />

95 OLG Schleswig BauR 1996, 265<br />

96 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong> B, § 2 Rn 168<br />

97 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong> B, § 2 Rn 168<br />

46


für die Bildung <strong>de</strong>s neuen Pauschalpreises unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r Mehr- o<strong>de</strong>r<br />

Min<strong>de</strong>rmengen von <strong>de</strong>n Grundlagen <strong>de</strong>r Preisermittlung auszugehen ist, die sich<br />

üblicherweise aus <strong>de</strong>r Ursprungskalkulation <strong>de</strong>s Auftragnehmers ergeben. Im<br />

Ergebnis entspricht <strong>de</strong>r Preisunterschied also regelmäßig <strong>de</strong>r Differenz zwischen <strong>de</strong>n<br />

ursprünglich veranschlagten (kalkulierten) und <strong>de</strong>n tatsächlich angefallenen Kosten,<br />

die allerdings ebenfalls auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r ursprünglichen Kalkulation zu ermitteln<br />

und nur in <strong>de</strong>m adäquat kausal auf die Äquivalenzstörung zurückzuführen<strong>de</strong>n<br />

Umfang zu korrigieren sind 98 .<br />

2.2 Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bauentwurfs / Zusatzleistungen<br />

2.2.1 BGB-Werkvertrag<br />

Die Vorschriften zum BGB-Vertrag sehen die Möglichkeit einer einseitigen<br />

Leistungsän<strong>de</strong>rung nicht vor. Nach <strong>de</strong>m Ausgangsvertrag nicht geschul<strong>de</strong>te<br />

Leistungen sind also grundsätzlich nur kraft beson<strong>de</strong>rer rechtsgeschäftlicher<br />

Vereinbarung i. S. d. §§ 631f. BGB zu erbringen und zu vergüten. Von <strong>de</strong>n Parteien<br />

einvernehmlich ohne entsprechen<strong>de</strong> Preisabsprachen vorgenommene<br />

Leistungsän<strong>de</strong>rungen können allerdings nach Treu und Glauben zur Anpassung<br />

eines dadurch zum Leistungsumfang in einem groben Missverhältnis stehen<strong>de</strong>n<br />

Pauschalpreises zwingen 99 .<br />

2.2.2 VOB-Vertrag - § 2 Abs. 5, Abs. 6 VOB/B i. V. m. §§ 1 Abs. 3, Abs. 4 VOB/B<br />

§ 1 Abs. 3 VOB/B trägt <strong>de</strong>m durch die Unwägbarkeiten eines oft hochkomplexen<br />

Baugeschehens begrün<strong>de</strong>ten Bedürfnis <strong>de</strong>s Auftraggebers Rechnung, die für <strong>de</strong>n<br />

Bauerfolg maßgeben<strong>de</strong>n Planvorgaben nach Vertragsschluss einseitig än<strong>de</strong>rn zu<br />

dürfen. Noch weiter geht § 1 Abs. 4 VOB/B, wonach <strong>de</strong>r Auftragnehmer auf<br />

Verlangen <strong>de</strong>s Auftraggebers verpflichtet ist, nicht vereinbarte Leistungen, die zur<br />

Ausführung <strong>de</strong>r vertraglichen Leistung erfor<strong>de</strong>rlich wer<strong>de</strong>n, mit auszuführen, wenn<br />

sein Betrieb darauf eingerichtet ist. Notwendiges Korrektiv für diese einseitigen<br />

Abän<strong>de</strong>rungsrechte 100 , die in <strong>de</strong>n gesetzlichen Bestimmungen <strong>de</strong>s allgemeinen<br />

Schuldrechts keine Parallele fin<strong>de</strong>n, ist die Pflicht, die Preisabsprachen mit <strong>de</strong>m<br />

Auftraggeber <strong>de</strong>m verän<strong>de</strong>rten Bausoll anpassen zu müssen. Diese Pflicht ergibt<br />

sich für <strong>de</strong>n Einheitspreisvertrag aus <strong>de</strong>n Bestimmungen in §§ 2 Abs. 5, Abs. 6<br />

98 vgl.: Ingenstau/Korbion/Keldungs, <strong>Teil</strong> B, § 2 Abs. 7 Rn 29<br />

99 BGH BauR 1974, 416, 417<br />

100 zuletzt: BGH IBR 2004, 122, 123, 124<br />

47


VOB/B, die über § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 4 VOB/B auch auf <strong>de</strong>n Pauschalpreisvertrag<br />

Anwendung fin<strong>de</strong>n.<br />

Die für die Berechnung <strong>de</strong>s neuen Preises maßgeblichen Grundsätze lassen sich<br />

wie folgt zusammenfassen 101 :<br />

Wenn die Voraussetzungen <strong>de</strong>s § 2 Nr. 5 VOB/B erfüllt sind, so ist ein neuer Preis für<br />

die verän<strong>de</strong>rt auszuführen<strong>de</strong> Leistung unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r Mehr- o<strong>de</strong>r<br />

Min<strong>de</strong>rkosten zu vereinbaren. Dadurch ist <strong>de</strong>r Bezug zur ursprünglichen<br />

Preiskalkulation (Auftragskalkulation) hergestellt, die für die Preisanpassung<br />

fortgeschrieben wird 102 . Für die Ermittlung <strong>de</strong>s neuen Preises sind nur die Mehr –<br />

o<strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rkosten zu berücksichtigen, die adäquat kausal auf die<br />

Än<strong>de</strong>rungsanordnung zurückzuführen sind. Dabei kommt es nicht auf die<br />

tatsächliche Kostenentwicklung an, son<strong>de</strong>rn es sind die voraussichtlichen Mehro<strong>de</strong>r<br />

Min<strong>de</strong>rkosten in Ansatz zu bringen, wie sie auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r<br />

Auftragkalkulation hätten errechnet wer<strong>de</strong>n müssen 103 . Ob vertraglich vereinbarte<br />

Nachlässe in die Nachtragsfor<strong>de</strong>rung einfließen, ist nach Auffassung <strong>de</strong>s BGH 104<br />

eine Frage <strong>de</strong>s Einzelfalles und im Wege <strong>de</strong>r Auslegung <strong>de</strong>s Ursprungsvertrages zu<br />

ermitteln. Ist im Vertrag ein Nachlass „auf alle EP“ gewährt, so gilt das in<br />

Ermangelung an<strong>de</strong>rweitiger Absprachen auch für <strong>de</strong>n Nachtrag 105 .<br />

Weil eine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Planenturfs nicht selten mit Bauzeitverschiebungen<br />

einhergeht, muss <strong>de</strong>r Auftragnehmer im Nachtragsfall darauf achten, dass er auch<br />

die hierdurch bedingten, zeitabhängigen Mehrkosten in seine Nachtragsfor<strong>de</strong>rung<br />

einrechnet. Auch das darf er allerdings nur in <strong>de</strong>m Umfang, in <strong>de</strong>m er sie in Kenntnis<br />

<strong>de</strong>s verän<strong>de</strong>rten Bauablaufs schon in seine Auftragskalkulation einbezogen hätte 106 .<br />

Aus alle<strong>de</strong>m wird <strong>de</strong>utlich, dass <strong>de</strong>r Auftragnehmer zu schlüssigen Darlegung einer<br />

Nachtragsfor<strong>de</strong>rung im Prozess in aller Regel seine Urkalkulation offen legen muss.<br />

101 ausführlich zu <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>r Preisermittlung: Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong><br />

B, § 2 Rn 219ff.<br />

102 BGH BauR 1999, 897; BGH BauR 1996, 378<br />

103 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong> B, § 2, Rn 213; Vygen, Bauvertragsrecht, Rn 808<br />

104 BGH, IBR 2003, 591<br />

105 BGH IBR 2003, 591; im Ergebnis ebenso: OLG Hamm NJW-RR 1995, 593; OLG Düsseldorf BauR<br />

1993, 479, 480; kritisch unter Hinweis auf die Akquisitionswirkung <strong>de</strong>s Nachlasses:<br />

Ingenstau/Korbion/Keldungs, <strong>Teil</strong> B, § 2 Abs. 6, Rn 23; Kapellmann, NZBau 2000, 57<br />

106 Vygen, Bauvertragsrecht, Rn 804<br />

48


Denn nur daraus ergeben sich die Grundlagen <strong>de</strong>r Preisermittlung 107 . Hatte er bei<br />

Angebotsabgabe keine <strong>de</strong>taillierte Kalkulation erstellt, muss er das jetzt im Prozess<br />

nachholen. Darüber hinaus obliegt es ihm, die Berechnung <strong>de</strong>r neuen Preise<br />

nachvollziehbar aus <strong>de</strong>r Urkalkulation zu entwickeln und <strong>de</strong>ren Richtigkeit im<br />

Bestreitensfall zu beweisen. Die hierfür maßgeblichen Parameter sind <strong>de</strong>r<br />

richterlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO zugänglich 108 .<br />

Die obigen Grundsätze gelten entsprechend für die Berechnung von Nachträgen für<br />

zusätzliche Leistungen im Sinne <strong>de</strong>s § 2 Abs. 6 VOB/B. Die Anknüpfung an die<br />

ursprüngliche Preiskalkulation folgt unmittelbar aus § 2 Abs. 6 Nr. 2 S. 1 VOB/B,<br />

wonach die Berechnung <strong>de</strong>s neuen Preises auf „<strong>de</strong>n Grundlagen <strong>de</strong>r Preisermittlung<br />

für die vertragliche Leistung“ zu erfolgen hat 109 . Das kann im Einzelfall<br />

Schwierigkeiten bereiten, wenn die zusätzlich verlangten Leistungen keine<br />

Entsprechung im vertraglichen Leistungsbild fin<strong>de</strong>n. Dann han<strong>de</strong>lt sich um gleichwohl<br />

mehrvergütungspflichtige „beson<strong>de</strong>re Kosten <strong>de</strong>r gefor<strong>de</strong>rten Leistung“ i. S. d. § 2<br />

Abs. 6 Abs. 2 VOB/B, für <strong>de</strong>ren Ermittlung das ursprüngliche Preisgefüge allerdings<br />

nur eine schwache o<strong>de</strong>r gar keine Stütze bietet.<br />

Der Nachtragsanspruch gemäß § 2 Abs. 6 besteht nur für solche zusätzlichen<br />

Leistungen, die <strong>de</strong>r Auftragnehmer auf einseitiges Verlangen <strong>de</strong>s Auftraggebers<br />

gemäß § 1 Abs. 4 S. 1 VOB/B ausführen muss, weil sie für die Ausführung <strong>de</strong>s<br />

vertraglichen Leistungserfolges erfor<strong>de</strong>rlich sind 110 . An<strong>de</strong>re zusätzliche<br />

Leistungen, die nicht <strong>de</strong>r Verwirklichung <strong>de</strong>s nach <strong>de</strong>m Vertrag vorgesehenen<br />

Bauerfolgs dienen und die <strong>de</strong>m Auftragnehmer gemäß § 1 Abs. 4 S. 2 VOB/B<br />

<strong>de</strong>shalb nur mit seiner Zustimmung übergeben wer<strong>de</strong>n können, wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r<br />

Vergütungspflicht nach § 2 Abs. 6 nicht umfasst. Insoweit han<strong>de</strong>lt es sich um<br />

Anschlussaufträge, für die nach allgemeinen Grundsätzen eine geson<strong>de</strong>rte<br />

Vergütung zu vereinbaren ist.<br />

107 Kapellmann/Messerschmidt/Kapellmann, <strong>Teil</strong> B, § 2, Rn 137<br />

108 BGH BauR 1993, 600; ebenso für die Schätzung <strong>de</strong>r Berechnung <strong>de</strong>r Vergütung nach Kündigung<br />

aus wichtigen Grund: BGH BauR 2003, 880<br />

109 Ingenstau/Korbion/Keldungs, <strong>Teil</strong> B, § 2 Nr. 6 Rn 23, 25<br />

110 Vygen, Bauvertragsrecht, Rn 816<br />

49


3 Die Regelungen <strong>de</strong>r VOB/B im Einzelnen<br />

3.1 Mengenabweichungen gemäß § 2 Nr. 3 VOB/B<br />

3.1.1 Der Einheitspreisvertrag<br />

§ 2 Abs. 3 VOB/B befasst sich mit <strong>de</strong>m vertraglichen Einheitspreis, gilt <strong>de</strong>shalb<br />

auch nur für <strong>de</strong>n Einheitspreisvertrag. 111 Ausgangspunkt für die Bewertung von<br />

Mengenän<strong>de</strong>rungen ist § 2 Abs. 2 VOB/B, <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Einheitspreisvertrag die<br />

Vergütung <strong>de</strong>finiert.<br />

Vor<strong>de</strong>rsatz x Einheitspreis (EP) = Vergütung<br />

Bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit Abrechnungen auf <strong>de</strong>r Grundlage von<br />

Einheitspreisverträgen kann <strong>de</strong>r berechtigte Einheitspreis (EP) in aller Regel durch<br />

<strong>de</strong>n Anwalt/das Gericht ermittelt wer<strong>de</strong>n, da dieser Einheitspreis vereinbart wird. In<br />

<strong>de</strong>r Praxis wer<strong>de</strong>n Leistungsverzeichnisse von <strong>de</strong>m Auftraggeber versandt, in <strong>de</strong>nen<br />

die Auftragnehmer bei Abgabe ihrer Angebote die Einheitspreise (zumeist rechts)<br />

eintragen. Der so genannte Vor<strong>de</strong>rsatz bezeichnet die Menge o<strong>de</strong>r Masse 112 . Vor<br />

Beginn eines Bauvorhabens ist die Menge <strong>de</strong>r auszuführen<strong>de</strong>n Leistung kaum exakt<br />

zu bestimmen, so dass in Ausschreibungen und entsprechen<strong>de</strong>n Angeboten<br />

vorläufige Annahmen enthalten sind.<br />

Diese Annahmen sind für die Berechnung <strong>de</strong>r Vergütung nicht maßgeblich. Der<br />

Auftragnehmer kann also nicht einfach die Mengen seiner Abrechnung zugrun<strong>de</strong><br />

legen, die beim Einheitspreis Gegenstand <strong>de</strong>r Ausschreibung/<strong>de</strong>s Angebotes waren,<br />

weil sich nach § 2 Abs. 2 VOB/B die Vergütung (auch) nach <strong>de</strong>n tatsächlich<br />

ausgeführten Leistungen berechnet. Der Umfang <strong>de</strong>r tatsächlich ausgeführten<br />

Leistung kann in aller Regel von <strong>de</strong>m Anwalt/<strong>de</strong>m Gericht nicht ermittelt wer<strong>de</strong>n. Es<br />

han<strong>de</strong>lt sich dabei um eine Frage, die durch Sachverständigengutachten (§ 402 ff.<br />

ZPO) zu klären ist.<br />

Da sich die Vergütung so berechnet, muss <strong>de</strong>r Auftragnehmer die Kosten, die nicht<br />

geson<strong>de</strong>rt vergütet wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>n Einheitspreis einkalkulieren, seine allgemeinen<br />

Kosten also auf <strong>de</strong>n Einheitspreis umlegen. Diese sind z.B. die Kosten <strong>de</strong>r<br />

Baustelleneinrichtung, <strong>de</strong>r Vorhaltung von Gerät, Kosten <strong>de</strong>r Bevorratung etc. Es<br />

liegt auf <strong>de</strong>r Hand, dass dann, wenn sich die Mengen än<strong>de</strong>rn, dies Auswirkungen auf<br />

die Vergütung haben muss. Muss beispielsweise <strong>de</strong>r Auftragnehmer bei einem<br />

Auftrag 1.000 € allgemeine Kosten einkalkulieren und verteilt er diese Kosten auf<br />

111 Kapellmann/Schiffers, Band I Rn 502; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Abs. 3 Rn 6.<br />

112 Der Begriff "Masse" wird in <strong>de</strong>r Praxis häufig verwandt. In <strong>de</strong>r VOB/B ist von "Menge" die Re<strong>de</strong>.<br />

50


eine Menge von 100 m², entfallen auf je<strong>de</strong>n m² 10 €. Kommen dann nur 50 m² zur<br />

Ausführung, erhält er - anteilig - lediglich 500 € dieser Kosten zurück, so dass sich<br />

die Vergütung entsprechend (<strong>de</strong>utlich) min<strong>de</strong>rt. Den Ausgleich soll § 2 Abs. 3 VOB/B<br />

schaffen.<br />

3.1.1.1 Grundsatz, § 2 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B<br />

Weicht die ausgeführte Menge <strong>de</strong>r unter einem Einheitspreis erfassten Leistung o<strong>de</strong>r<br />

<strong>Teil</strong>leistung um nicht mehr als 10 % von <strong>de</strong>m im Vertrag vorgesehenen Umfang ab,<br />

so "gilt" <strong>de</strong>r vertragliche Einheitspreis. Das be<strong>de</strong>utet, dass <strong>de</strong>r vertragliche<br />

Einheitspreis bei Abweichungen von +/- 10 % (einschließlich!) unverän<strong>de</strong>rt bleibt.<br />

We<strong>de</strong>r Auftraggeber noch Auftragnehmer können eine Preisanpassung verlangen.<br />

Dem liegt <strong>de</strong>r Gedanke zugrun<strong>de</strong>, dass es sich um regelmäßig geringfügige<br />

Schwankungen han<strong>de</strong>lt, die sich gegebenenfalls in an<strong>de</strong>ren Bereichen ausgleichen<br />

und je<strong>de</strong>nfalls bei<strong>de</strong>n Vertragspartnern zuzumuten sind. Darin liegen für<br />

Auftragnehmer und Auftraggeber Chancen und Risiken, so dass es gerechtfertigt ist,<br />

die damit einhergehen<strong>de</strong>n Vor-/Nachteile <strong>de</strong>m einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren zu belassen 113 .<br />

Zu beachten ist, dass diese Abweichungen nur dazu führen, dass <strong>de</strong>r vertragliche<br />

Einheitspreis unverän<strong>de</strong>rt bleibt, sich also nichts daran än<strong>de</strong>rt, dass sich die<br />

Vergütung auch nach <strong>de</strong>n tatsächlich ausgeführten Leistungen berechnet. Wenn also<br />

<strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rsatz überschritten wird, erhält <strong>de</strong>r Auftragnehmer in Höhe <strong>de</strong>r<br />

Überschreitung auch die Vergütung auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s vertraglichen<br />

Einheitspreises.<br />

3.1.1.2 Mengenüberschreitung, § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B<br />

Für die über 10 % hinausgehen<strong>de</strong> Überschreitung <strong>de</strong>s Mengenansatzes ist zu<br />

verlangen, ein neuer Preis unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r Mehr- o<strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rkosten zu<br />

vereinbaren.<br />

Entgegen <strong>de</strong>m Wortlaut gilt § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht für je<strong>de</strong> Überschreitung <strong>de</strong>s<br />

Mengenansatzes von über 10 %. Ungeschriebene Voraussetzung ist, dass die<br />

Überschreitung darauf beruht, dass <strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rsatz falsch war. Ursache dafür können<br />

nur eine falsche Berechnung o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Verhältnisse als angenommen sein. Beruht<br />

die Abweichung auf einer Anordnung <strong>de</strong>s Auftraggebers, liegt ein Fall <strong>de</strong>s § 2 Abs.<br />

3 Nr. 2 VOB/B nicht vor. Dann gilt § 2 Abs. 5 VOB/B 114 .<br />

113 BGH BauR 1987, 217<br />

114 OLG Düsseldorf BauR 1991, 219; Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 144;<br />

Heiermann/Riedl, VOB/B 2 Rn 77.<br />

51


Meistens beruhen Mengenüberschreitungen auf ungenauen Angaben im<br />

Leistungsverzeichnis/Angebot. So wer<strong>de</strong>n beispielsweise Aushubarbeiten in <strong>de</strong>r<br />

Regel mit grob geschätzten Mengen ausgeschrieben und beauftragt. Es stellt sich<br />

bei Ausführung <strong>de</strong>r Arbeiten dann heraus, dass diese Ansätze unzureichend sind.<br />

Dies ist ein typischer Fall <strong>de</strong>r Mengenüberschreitung gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B.<br />

Voraussetzung ist selbstverständlich, dass überhaupt ein Vor<strong>de</strong>rsatz genannt wur<strong>de</strong>,<br />

wobei die in <strong>de</strong>r Praxis häufig anzutreffen<strong>de</strong>n "Ca.-Angaben" ausreichend sind. Ist<br />

eine Menge von Anfang an ersichtlich unbestimmt (<strong>de</strong>r Höhe nach) bezeichnet und<br />

beauftragt, än<strong>de</strong>rt dies nichts daran, dass diese unbestimmte Menge für die<br />

Bewertung nach § 2 Nr. 3 VOB/B zugrun<strong>de</strong> zu legen ist 115 .<br />

Ein neuer Preis ist auf Verlangen zu vereinbaren. Die - missglückte - Formulierung<br />

be<strong>de</strong>utet nicht, dass im Streitfalle dieses Verlangen zunächst (gerichtlich)<br />

durchgesetzt wer<strong>de</strong>n muss, <strong>de</strong>r Empfänger <strong>de</strong>s Verlangens also auf Abgabe einer<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Erklärung in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n muss. Notfalls kann <strong>de</strong>r<br />

neue Preis durch das Gericht gemäß <strong>de</strong>n §§ 315 ff. BGB festgesetzt wer<strong>de</strong>n<br />

Das Verlangen muss allerdings auch gestellt wer<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>rnfalls verbleibt es auch<br />

bei <strong>de</strong>n Mehrmengen bei <strong>de</strong>m vertraglichen Einheitspreis. Das Verlangen kann<br />

sowohl vom Auftraggeber als auch vom Auftragnehmer gestellt wer<strong>de</strong>n, wobei<br />

<strong>de</strong>rjenige das Verlangen stellen wird, <strong>de</strong>r sich von <strong>de</strong>r Überschreitung einen<br />

(Vergütungs-)Vorteil verspricht.<br />

Zu beachten ist, dass das Verlangen eines neuen Preises nur die Mehrmenge<br />

betrifft, in <strong>de</strong>m Fall <strong>de</strong>r Mengenüberschreitung also zwei Einheitspreise für die<br />

Vergütung maßgeblich sind. Für die 100 % ausgeführte Menge verbleibt es bei <strong>de</strong>m<br />

vertraglichen Einheitspreis. Dies gilt auch für die "ersten" 10 % <strong>de</strong>r Mengenmehrung.<br />

Für 110 % Menge gilt also <strong>de</strong>r vertragliche Einheitspreis, für die darüber<br />

hinausgehen<strong>de</strong> Menge <strong>de</strong>r neu zu vereinbaren<strong>de</strong> Preis.<br />

Wenn sich <strong>de</strong>r Auftragnehmer von <strong>de</strong>r Mengenerhöhung eine höhere Vergütung<br />

verspricht, wird es für ihn leicht sein, unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r Mehr- o<strong>de</strong>r<br />

Min<strong>de</strong>rkosten das entsprechen<strong>de</strong> Verlangen beziffert auszubringen. Für <strong>de</strong>n<br />

Auftraggeber gilt dies nur dann, wenn er diese Grundlagen kennt, also die<br />

Urkalkulation <strong>de</strong>r jeweiligen Position. Wenn <strong>de</strong>r Auftragnehmer sich weigert, diese<br />

Grundlagen offen zu legen, ist <strong>de</strong>r Auftraggeber nicht in <strong>de</strong>r Lage, die aus seiner<br />

Sicht bestehen<strong>de</strong> Preisreduzierung schlüssig darzulegen. In diesen Fällen dürfte es<br />

richtig sein, <strong>de</strong>m Auftraggeber hinsichtlich <strong>de</strong>r Vergütung <strong>de</strong>r über 110 % liegen<strong>de</strong>n<br />

116<br />

.<br />

115 BGH BauR 1991, 210; Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 508.<br />

116 OLG München BauR 1993, 726; OLG Celle BauR 1982, 381<br />

52


Menge zumin<strong>de</strong>st ein Zurückbehaltungsrecht zuzugestehen, wobei auch daran<br />

gedacht wer<strong>de</strong>n kann, die Abrechnung insoweit als nicht prüfbar zurückzuweisen,<br />

vgl. § 14 Abs. 1 VOB/B.<br />

Mehr- o<strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rkosten können sein 117 :<br />

- unmittelbare Kosten (Lohnkosten, Material).<br />

- Baustellengemeinkosten (Baukran, Baustellencontainer, Geräte).<br />

- allgemeine Geschäftskosten (AGK); dies sind Kosten, die in <strong>de</strong>r<br />

Regel unmittelbar mit <strong>de</strong>r Baustelle nichts zu tun haben, also Kosten<br />

<strong>de</strong>s "allgemeinen Betriebs" <strong>de</strong>s Auftragnehmers.<br />

- Wagnis und Gewinn; dies ist <strong>de</strong>r kalkulatorisch vorgesehene Ansatz<br />

für <strong>de</strong>n Gewinn auf die jeweilige Position.<br />

3.1.1.3 Unterschreitung <strong>de</strong>r Mengenansätze, § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B<br />

Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 S. 1 VOB/B ist bei einer über 10 % hinausgehen<strong>de</strong>n<br />

Unterschreitung <strong>de</strong>s Mengenansatzes auf Verlangen <strong>de</strong>r Einheitspreis für die<br />

tatsächlich ausgeführte Menge <strong>de</strong>r Leistung o<strong>de</strong>r <strong>Teil</strong>leistung zu erhöhen, soweit <strong>de</strong>r<br />

Auftragnehmer nicht durch Erhöhung <strong>de</strong>r Mengen bei an<strong>de</strong>ren Ordnungszahlen<br />

(Positionen) o<strong>de</strong>r in an<strong>de</strong>rer Weise einen Ausgleich erhält. Für die grundsätzliche<br />

Anwendung gilt das, was für die Mengenüberschreitung gilt. Die Abweichung muss<br />

ausschließlich auf einer Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r vorgefun<strong>de</strong>nen Verhältnisse beruhe. Ordnet<br />

<strong>de</strong>r Auftraggeber eine Mengenmin<strong>de</strong>rung an, die sich auch daraus ergeben kann,<br />

dass er Leistungen selber ausführt (§ 2 Abs. 4 VOB/B) ist § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B<br />

nicht einschlägig 118 .<br />

Berechnungsbasis ist auch hier die vorhan<strong>de</strong>ne Mengenangabe, also eine genaue<br />

Mengenangabe bei <strong>de</strong>m Vor<strong>de</strong>rsatz o<strong>de</strong>r auch geschätzte Angaben ("ca.")<br />

An<strong>de</strong>rs, als bei § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B gilt die Anpassung <strong>de</strong>s Einheitspreises nicht<br />

nur für die über 10 % hinausgehen<strong>de</strong> Unterschreitung, son<strong>de</strong>rn für die tatsächlich<br />

ausgeführte Menge <strong>de</strong>r Leistung. Ist die 10 %-Grenze also überschritten, wird ein<br />

neuer Einheitspreis für die gesamte Leistung auf Verlangen neu bestimmt 120 .<br />

119 .<br />

117 vgl. Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 146 ff.<br />

118 Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 514<br />

119 Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 151.<br />

120 BGH BauR 1987, 217; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 89.<br />

53


Die Preisanpassung ist auch hier "auf Verlangen" vorzunehmen. Allerdings lässt § 2,<br />

Abs. 3 Nr. 3 S. 1 VOB/B ausschließlich eine Erhöhung <strong>de</strong>s Einheitspreises zu. Eine<br />

Reduzierung kommt also in keinem Fall in Betracht 121 , so dass die Frage, ob auch<br />

<strong>de</strong>r Auftraggeber das "Verlangen" ausbringen kann, eher theoretischer Natur ist.<br />

Zweck <strong>de</strong>r Regelung ist, dass grundsätzlich bei einer gravieren<strong>de</strong>n<br />

Mengenmin<strong>de</strong>rung die Grundlagen <strong>de</strong>r Kalkulation eine auskömmliche Vergütung<br />

nicht mehr sicherstellen, es <strong>de</strong>m Auftragnehmer <strong>de</strong>shalb nicht zuzumuten ist, an <strong>de</strong>m<br />

ursprünglich vereinbarten Einheitspreis festgehalten zu wer<strong>de</strong>n. Die Erhöhung <strong>de</strong>s<br />

Einheitspreises erfolgt - kurz gesagt - dadurch, dass die tatsächlichen Kosten<br />

festgestellt und <strong>de</strong>n kalkulierten Kosten gegenüber gestellt wer<strong>de</strong>n<br />

122 . Ziel <strong>de</strong>r<br />

Berechnung ist es, <strong>de</strong>m Auftragnehmer <strong>de</strong>n vorauskalkulierten Gewinnsatz für die<br />

tatsächlich ausgeführten Mengen zu erhalten 123 . Danach müssen die in <strong>de</strong>n<br />

weggefallenen Mengen enthaltenen allgemeinen Kosten (Fixkosten)<br />

herausgerechnet wer<strong>de</strong>n. Diese Menge ist dann voll auf die tatsächlich ausgeführten<br />

Mengen anteilig einzustellen 124 .<br />

Die Erhöhung kann <strong>de</strong>r Auftragnehmer nicht verlangen, soweit er durch die<br />

Erhöhung <strong>de</strong>r Mengen bei an<strong>de</strong>ren Ordnungszahlen (Positionen) o<strong>de</strong>r in an<strong>de</strong>rer<br />

Weise einen Ausgleich erhält. Diese Einschränkung trägt wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>m Grundsatz<br />

Rechnung, dass <strong>de</strong>r Auftragnehmer bei größeren Mengenmin<strong>de</strong>rungen dann nicht<br />

(insoweit) an <strong>de</strong>n vertraglich vereinbarten Einheitspreis festgehalten wer<strong>de</strong>n kann,<br />

wenn dies zu ihm unzumutbaren Nachteilen führt. Wie schon dargelegt, betreffen<br />

diese Nachteile in aller Regel die Fixkosten, die über die Erhöhung <strong>de</strong>s<br />

Einheitspreises wie<strong>de</strong>r ausgeglichen wer<strong>de</strong>n sollen. Wenn aber durch<br />

Mengenerhöhungen bei an<strong>de</strong>ren Positionen mit entsprechend höheren Anteilen auf<br />

Fixkosten <strong>de</strong>r Auftragnehmer Vorteile erhält, sind die Nachteile/Vorteile gegen zu<br />

rechnen, was ergeben kann, dass im Ergebnis bei <strong>de</strong>m Auftragnehmer kein -<br />

nennenswerter - Nachteil verbleibt. Es muss also zunächst ermittelt wer<strong>de</strong>n, welche<br />

Kostennachteile <strong>de</strong>r Auftragnehmer aufgrund <strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rmenge erlei<strong>de</strong>t. Dem ist<br />

gegenüberzustellen, welche zusätzlichen Deckungsbeträge <strong>de</strong>r Auftragnehmer bei<br />

Mehrmengen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Positionen erzielt. Der Saldo ergibt dann, ob noch ein<br />

Ausgleich vorgenommen wer<strong>de</strong>n muss.<br />

Bei dieser Berechnung kommen Mengenmehrungen auch erst dann in Betracht,<br />

wenn diese über 10 % liegen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B). Dies leuchtet nicht ganz ein,<br />

121 Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 525 mit <strong>de</strong>m Nachweis, dass auch bei Mengenmin<strong>de</strong>rung<br />

Ersparnisse <strong>de</strong>s Auftragnehmers <strong>de</strong>nkbar sind; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 90.<br />

122 OLG Schleswig BauR 1996, 265; Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Nr. 3 Rn 20 ff.<br />

123 Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Nr. 3 Rn 18f.<br />

124 Beck´scher VOB/Kommentar/Jagenburg VOB/B § 2 Nr. 3 Rn 49; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn<br />

90.<br />

54


weil auch die ersten 10 % Mengenmehrung einen "Ausgleich" für <strong>de</strong>n Auftragnehmer<br />

darstellen können, entspricht aber <strong>de</strong>r Rechtsprechung <strong>de</strong>s BGH 125 .<br />

Entsprechen<strong>de</strong>s gilt, wenn <strong>de</strong>r Auftragnehmer <strong>de</strong>n Ausgleich in an<strong>de</strong>rer Weise<br />

erhält. Hier kommt es also auf Mengenmehrungen bei an<strong>de</strong>ren Positionen nicht an.<br />

Bei <strong>de</strong>r Frage, ob ein Ausgleich auf "an<strong>de</strong>re Weise" erfolgt, ist immer zu prüfen, ob<br />

aufgrund <strong>de</strong>r "an<strong>de</strong>ren Weise" Umlagenanteile <strong>de</strong>m Auftragnehmer zufließen<br />

(vergleichbar also zu <strong>de</strong>n Vorteilen aufgrund von Mengenmehrungen bei an<strong>de</strong>ren<br />

Positionen). Dies kann bei <strong>de</strong>r Beauftragung zusätzlicher Leistungen <strong>de</strong>r Fall sein<br />

kann sich auch aus Leistungsän<strong>de</strong>rungen (§ 2 Abs. 5 VOB/B) ergeben 127 . Der<br />

Ausgleich in "an<strong>de</strong>rer Weise" bedingt immer, dass <strong>de</strong>r Ausgleich in Zusammenhang<br />

mit ein und <strong>de</strong>mselben Vertragsverhältnis steht. Als Ausgleich können an<strong>de</strong>re<br />

Vertragsverhältnisse also nicht herangezogen wer<strong>de</strong>n 128 .<br />

Streitig ist die Anwendung von § 2 Abs. 3 Nr. 3 S. 1 VOB/B, wenn eine Position<br />

vollständig entfällt, die tatsächlich ausgeführte Menge also "Null" beträgt. Nach<br />

richtiger Auffassung<br />

129 verbleibt es bei <strong>de</strong>r Anwendung von § 2 Abs. 3 Nr. 3 S. 1<br />

VOB/B, <strong>de</strong>r für Unterschreitungen <strong>de</strong>s Mengenansatzes eine spezielle Regelung<br />

darstellt. Nach <strong>de</strong>m Wortlaut kann die "tatsächlich ausgeführte Menge" auch "Null"<br />

sein. In diesen Fällen ist durch Berechnung <strong>de</strong>r Fixkosten die Erhöhung <strong>de</strong>r<br />

Gesamtposition zu berechnen und mit <strong>de</strong>m kalkulierten Gewinnanteil zu<br />

beaufschlagen 130 .<br />

3.1.2 Pauschalvertrag, § 2 Abs. 7 VOB/B<br />

3.1.2.1 Überblick<br />

Wenn als Vergütung <strong>de</strong>r Leistung eine Pauschalsumme vereinbart ist, so bleibt die<br />

Vergütung unverän<strong>de</strong>rt. Dies gilt nicht, wenn die ausgeführte Leistung von <strong>de</strong>r<br />

vertraglich vorgesehenen Leistung so erheblich abweicht, dass ein Festhalten an <strong>de</strong>r<br />

pauschalen Summe nicht zumutbar ist (§ 242 BGB). Dann ist auf Verlangen ein<br />

Ausgleich unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r Mehr- o<strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rkosten zu gewähren, § 2<br />

Abs. 7 Nr. 1 VOB/B. Pauschalvereinbarungen sind be<strong>de</strong>utsam. Auftraggeber sehen<br />

darin <strong>de</strong>n - vermeintlichen - Vorteil einer "Preissicherheit", Auftragnehmer höhere<br />

Chancen für eine höhere Vergütung. Die Erwartungen erfüllen sich selten.<br />

Auftraggeber sehen sich Nachfor<strong>de</strong>rungen ausgesetzt, vertreten bei<br />

125 BGH BauR 1987, 217; Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 546.<br />

126 Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Abs. 3 Rn 37.<br />

127 Dazu eingehend: Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 548.<br />

128 Beck´scher VOB-Kommentar/Jagenburg, VOB/B § 2 Nr. 3 Rn 48; Ingenstau/Korbion/Keldungs,<br />

VOB/B § 2 Abs. 3 Rn 38.<br />

129 Vgl. Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 540.<br />

130 Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 540; a.A. Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 92.<br />

126 ,<br />

55


"Min<strong>de</strong>rleistungen" die Auffassung, die Pauschalsumme sei zu reduzieren.<br />

Auftragnehmer bereuen - aus unterschiedlichen Grün<strong>de</strong>n - die Festlegung auf eine<br />

Pauschale. Dabei ist <strong>de</strong>r Grundsatz klar: "Ist als Vergütung <strong>de</strong>r Leistung einer<br />

Pauschalsumme vereinbart, so bleibt die Vergütung unverän<strong>de</strong>rt."<br />

Die Problematik liegt zum einen darin, dass Unklarheit darüber besteht, was eine<br />

"Pauschalsumme" ist und in welchen Fällen von <strong>de</strong>m Grundsatz <strong>de</strong>r<br />

Unverän<strong>de</strong>rlichkeit <strong>de</strong>r Pauschalsumme abgewichen wer<strong>de</strong>n kann.<br />

3.1.2.2 Grundsatz: Keine Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Vergütung<br />

Die Problematik liegt auf <strong>de</strong>r Hand: Immer dann, wenn die Leistungen nicht<br />

erschöpfend beschrieben sind, wird eine Partei bei Beendigung <strong>de</strong>r Leistung<br />

feststellen, dass sie benachteiligt ist. Entwe<strong>de</strong>r hat <strong>de</strong>r Auftragnehmer festgestellt,<br />

dass er zur Erfüllung <strong>de</strong>s Vertrages mehr leisten musste, als er kalkuliert hatte, o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Auftraggeber meint, dass <strong>de</strong>r Leistungsumfang doch <strong>de</strong>utlich geringer<br />

ausgefallen ist und <strong>de</strong>shalb eine Reduzierung <strong>de</strong>r Pauschale angemessen sei.<br />

Ausgehend von <strong>de</strong>m Grundsatz, dass die Vergütung unverän<strong>de</strong>rt bleibt (§ 2 Abs. 7<br />

Nr. 1 VOB/B) ist immer Zurückhaltung geboten. Nur dann, wenn einer Partei das<br />

Festhalten an <strong>de</strong>r Pauschalsumme nicht zumutbar ist, und zwar in <strong>de</strong>n Grenzen von<br />

Treu und Glauben (§ 242 BGB), kann ein Anspruch auf Ausgleich unter<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>r Mehr- o<strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rkosten bestehen. Ausgangspunkt dieser<br />

Prüfung ist vorrangig, festzustellen, was vertraglich vorgesehene Leistung war. Dies<br />

be<strong>de</strong>utet nicht, dass es z.B. auf die Kalkulationsgrundlagen <strong>de</strong>s Auftragnehmers<br />

ankommt.<br />

Häufig sind die Fälle, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Auftragnehmer nach Beauftragung zu einer<br />

Pauschale feststellt, dass die geschul<strong>de</strong>te Leistung wesentlich umfangreicher ist o<strong>de</strong>r<br />

nur mit Erschwernissen ausgeführt wer<strong>de</strong>n kann. Wenn diese Umstän<strong>de</strong> bei<br />

Auftragserteilung bewusst offen gelassen wur<strong>de</strong>n, gehören die notwendigen<br />

Leistungen zur vertraglich vorgesehenen Leistung 131 . Danach ist die ausgeführte<br />

Leistung zu ermitteln und <strong>de</strong>r vertraglich vorgesehenen Leistung gegenüber zu<br />

stellen. Liegt eine Abweichung vor, ist zu prüfen, ob unter Berücksichtigung <strong>de</strong>ssen<br />

einer Partei das Festhalten an <strong>de</strong>r Pauschalsumme nicht mehr zumutbar ist.<br />

Es wird <strong>de</strong>shalb zumeist um Massenän<strong>de</strong>rungen gehen, weil an<strong>de</strong>re Leistungen bei<br />

fehlen<strong>de</strong>r Beschreibung entwe<strong>de</strong>r schon nicht zu vertraglich geschul<strong>de</strong>ter Leistung<br />

gehören (Detail-Pauschalvertrag) o<strong>de</strong>r aufgrund unvollständiger/lückenhafter<br />

Beschreibung von <strong>de</strong>m Auftragnehmer geschul<strong>de</strong>t sind (wie beim Global-<br />

131 BGH BauR 1997, 126 = NJW 1997, 61; BGH BauR 1981, 388 = ZfBR 1981, 171.<br />

56


Pauschalvertrag). Dabei sind sämtliche Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Einzelfalls zu berücksichtigen.<br />

Vorrangig kommt es darauf an, ob ein Vertragsteil die Ursachen für die falschen<br />

Annahmen gesetzt hat (beispielsweise falsche auftraggeberseitig gestellte Planung;<br />

falsches Leistungsverzeichnis). Starre Grenzen gibt es nicht. Folgen<strong>de</strong> Fallgruppen<br />

sind bislang herausgearbeitet:<br />

Häufig fin<strong>de</strong>t sich ein Ansatz von 20 % Mehrkosten. Diese Grenze gilt aber nur dann,<br />

wenn die 20 % Kostenerhöhung die gesamte Vergütung betreffen, also nicht etwa im<br />

Fall einer einzelnen Position 132 . Ob bei Abweichungen innerhalb einer o<strong>de</strong>r weniger<br />

Positionen bezogen auf die Gesamtabweichung an<strong>de</strong>re Maßstäbe zugrun<strong>de</strong> zu<br />

legen sind, ist umstritten. Nach einer Auffassung soll eine Abweichung bei einer<br />

Einzelposition je<strong>de</strong>nfalls dann zu berücksichtigen sein, wenn sich diese Abweichung<br />

in einer Größenordnung von 10 % auf die Gesamtvergütung auswirkt 133 . Nach <strong>de</strong>r<br />

Rechtsprechung 134 sollen selbst krasse Mengenüberschreitungen be<strong>de</strong>utungslos<br />

sein, und zwar auch dann, wenn diese mehr als das zehnfache ausmachen, so lange<br />

eine Toleranzschwelle von ca. 20 % bezogen auf die Gesamtvergütung nicht<br />

überschritten wird. Diese Unterschie<strong>de</strong> zeigen, dass starre Grenzen nicht gegeben<br />

sind, im Einzelfall alle Umstän<strong>de</strong> abgewogen wer<strong>de</strong>n müssen.<br />

3.1.2.3 Ausgleich (Anpassung <strong>de</strong>r Vergütung)<br />

Der Ausgleich ist auf Verlangen unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r "Mehr- o<strong>de</strong>r<br />

Min<strong>de</strong>rkosten" zu gewähren. Für die Bemessung <strong>de</strong>s Ausgleichs ist von <strong>de</strong>n<br />

Grundlagen <strong>de</strong>r Preisermittlung auszugehen, § 2 Abs. 7 Nr. 1 S. 1, 2 VOB/B. Diese<br />

Einschränkungen sind in § 313 BGB nicht vorgesehen, weshalb die Auffassung<br />

vertreten wird, die engere Fassung in § 2 Abs. 7 Nr. 1 VOB/B verstoße gegen § 307<br />

BGB und sei <strong>de</strong>shalb unwirksam 135 . In Ausnahmefällen kommt dies durchaus in<br />

Betracht, vor allem dann, wenn schon <strong>de</strong>r ursprüngliche Preis für <strong>de</strong>n Auftragnehmer<br />

verlustbringend war und sich dieser Verlust aufgrund <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung vervielfacht.<br />

An<strong>de</strong>rerseits ist immer zu be<strong>de</strong>nken, dass gera<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Vereinbarung einer<br />

Pauschale auch <strong>de</strong>r Auftragnehmer bewusst Risiken eingeht. Deshalb ist es nicht<br />

ohne weiteres für <strong>de</strong>n Auftragnehmer unzumutbar, wenn solche Risiken bei einer<br />

136<br />

Leistungsän<strong>de</strong>rung fortwirken. Dies gilt auch für Fehler seiner Kalkulation . Letztlich<br />

wird die Anpassung immer nur geschätzt wer<strong>de</strong>n können (vgl. § 287 ZPO), wobei<br />

132 OLG Düsseldorf BauR 2001, 801; OLG Stuttgart IBR 2000, 593; OLG München NJW-RR 1987,<br />

598; Werner/Pastor, Rn 1203; nach OLG Schleswig BauR 2000, 1201 soll eine Mengendifferenz von<br />

10 % ausreichend sein.<br />

133 Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 279.<br />

134 OLG Stuttgart IBR 2000, 593.<br />

135 Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 288.<br />

136 Beck´scher VOB-Kommentar/Jagenburg, VOB/B § 2 Rn 77; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 153<br />

a.<br />

57


von <strong>de</strong>n Mehr- o<strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rkosten auszugehen ist und die Grundlagen <strong>de</strong>r<br />

Preisermittlung grundsätzlich von Be<strong>de</strong>utung sind.<br />

An<strong>de</strong>re Abweichungen, so die Selbstübernahme <strong>de</strong>s Auftraggebers (§ 2 Abs. 4<br />

VOB/B) sowie die Leistungsän<strong>de</strong>rungen auf Anordnung <strong>de</strong>s Auftraggebers (§ 2 Abs.<br />

5, 6 VOB/B) bleiben unberührt. Das be<strong>de</strong>utet, dass auch bei Vereinbarung einer<br />

Pauschalsumme in diesen Fällen sich die Ansprüche <strong>de</strong>s Auftragnehmers nach <strong>de</strong>n<br />

§ 2 Abs. 4, 5 und 6 VOB/B richten.<br />

3.2 Eigenvornahme durch <strong>de</strong>n Auftraggeber, § 2 Abs. 4 VOB/B<br />

Wer<strong>de</strong>n im Vertrag ausbedungene Leistungen <strong>de</strong>s Auftragnehmers vom<br />

Auftraggeber selbst übernommen (z.B. Lieferung von Bau, Bauhilfs- und<br />

Betriebsstoffen), so gilt, wenn nicht an<strong>de</strong>res vereinbart wird, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B<br />

entsprechend, § 2 Abs. 4 VOB/B. Daraus ergibt sich zunächst die Befugnis <strong>de</strong>s<br />

Auftraggebers, vereinbarte Leistungen ohne weiteres selbst zu übernehmen 137 . Die<br />

Regelung ist aufgrund <strong>de</strong>s Verweises auf § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B (Kündigung)<br />

überflüssig. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B kann <strong>de</strong>r Auftraggeber bis zur Vollendung<br />

<strong>de</strong>r Leistung <strong>de</strong>n Vertrag je<strong>de</strong>rzeit (insgesamt) kündigen. Dies gilt erst recht für<br />

<strong>Teil</strong>leistungen, wobei sich für bei<strong>de</strong> Kündigungsmöglichkeiten die Ansprüche <strong>de</strong>s<br />

Auftragnehmers aus § 8 VOB/B ergeben 138 . Die Diskussion, ob es sich bei <strong>de</strong>r<br />

Wahrnehmung <strong>de</strong>r Befugnis zur Selbstübernahme um eine Kündigung o<strong>de</strong>r<br />

<strong>Teil</strong>kündigung <strong>de</strong>s Vertrages han<strong>de</strong>lt 139 , ist damit nur theoretisch. Dies gilt auch für<br />

die Frage, ob <strong>de</strong>r Auftraggeber die Leistungen selbst o<strong>de</strong>r durch Dritte erbringen<br />

kann/muss 140 . Ebenso wenig ist im Ergebnis von Be<strong>de</strong>utung, ob es einer vorherigen<br />

ausdrücklichen Ankündigung bedarf 141 . Die Rechtsfolgen sind nach allen Ansichten<br />

gleich: Der Auftragnehmer behält seinen Vergütungsanspruch und muss sich nur die<br />

ersparten Aufwendungen abziehen lassen. Es ist einerlei, ob dieser Anspruch aus §<br />

8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B o<strong>de</strong>r § 326 Abs. 2 BGB resultiert 142 .<br />

3.3 Mehrleistungen / Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bauzieles<br />

3.3.1 Überblick<br />

137 Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 170; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 95.<br />

138 Vgl. Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rd 172 mit <strong>de</strong>m Vorschlag, bei <strong>de</strong>r nächsten<br />

Überarbeitung § 2 Nr. 4 VOB/B ersatzlos zu streichen.<br />

139 Leinemann/Schoofs, VOB/B § 2 Rn 81; Nicklisch/Weick, VOB/B § 2 Rn 54; Heiermann/Riedl,<br />

VOB/B § 2 Rn 95.<br />

140 Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 96 c.<br />

141 Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Rn 7.<br />

142 vgl. Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 96 a.<br />

58


Es liegt auf <strong>de</strong>r Hand, dass <strong>de</strong>r Auftragnehmer „angeordnete“ Leistungsän<strong>de</strong>rungen<br />

nicht ohne Ausgleich hinnehmen muss. Einen allgemeinen Rechtssatz zur Lösung<br />

dieser Frage gibt es nicht. Im Einzelfall ist genau zu prüfen, welcher Tatbestand<br />

tatsächlich eingreift, zumal die Voraussetzungen dafür unterschiedlich sind. Die<br />

folgen<strong>de</strong> Übersicht ver<strong>de</strong>utlicht die wichtigsten "Anordnungen" <strong>de</strong>s Auftraggebers.<br />

Anordnungen <strong>de</strong>s Auftraggebers<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bauentwurfs, "an<strong>de</strong>re" Anordnungen For<strong>de</strong>rung nicht<br />

§§ 1 Nr. 3, 2 Nr. 5 Abs. 1 § 2 Nr. 5 Abs. 2 vorgesehener Leistung<br />

§§ 1 Nr. 4, 2 Nr. 6<br />

Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Preisgrundlage<br />

Ankündung durch AN<br />

Anspruch auf Vereinbarung<br />

Anspruch auf beson<strong>de</strong>re<br />

Vergütung<br />

Daraus ergeben sich Unterschie<strong>de</strong> vor allem auch für die Vorgehensweise <strong>de</strong>s<br />

Auftragnehmers. Der Auftraggeber kann im Rahmen seiner Befugnisse aus <strong>de</strong>n § 1<br />

Abs. 3, Abs. 4 VOB/B in weiten Grenzen Än<strong>de</strong>rungen vornehmen und auch<br />

Erweiterungen ("nicht vereinbarte Leistungen") for<strong>de</strong>rn, soweit <strong>de</strong>r Betrieb <strong>de</strong>s<br />

Auftragnehmers auf die Erbringung auch dieser Leistungen eingerichtet ist. Der<br />

Auftragnehmer muss dann tätig wer<strong>de</strong>n. Han<strong>de</strong>lt es sich um zusätzliche<br />

Leistungen, hat <strong>de</strong>r Auftragnehmer grundsätzlich nur dann einen Anspruch auf<br />

zusätzliche Vergütung, wenn er diesen Anspruch zuvor, also vor <strong>de</strong>r Ausführung<br />

auch ankündigt. Wird <strong>de</strong>mgegenüber nur die Preisgrundlage verän<strong>de</strong>rt, also eine<br />

vertragliche Leistung geän<strong>de</strong>rt, bestehen keine Ankündigungspflichten <strong>de</strong>s<br />

Auftragnehmers, es "soll" dann lediglich eine Vereinbarung vor <strong>de</strong>r Ausführung<br />

getroffen wer<strong>de</strong>n.<br />

3.3.2 Anordnung/For<strong>de</strong>rung durch <strong>de</strong>n Auftraggeber<br />

§ 2 Abs. 5 S. 1 VOB/B setzt eine Bauentwurfsän<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r eine "an<strong>de</strong>re<br />

Anordnung" <strong>de</strong>s Auftraggebers, § 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B eine For<strong>de</strong>rung voraus. In<br />

59


all diesen Fällen ist also eine rechtsgeschäftliche „Weisung“ <strong>de</strong>s Auftraggebers<br />

erfor<strong>de</strong>rlich, die <strong>de</strong>r Auftragnehmer als verpflichten<strong>de</strong> Vertragserklärungen auffassen<br />

muss 143 .<br />

Nicht erfor<strong>de</strong>rlich ist, dass es sich allein um eine einseitige Erklärung <strong>de</strong>s<br />

Auftraggebers han<strong>de</strong>lt. Ausreichend kann auch sein, wenn die Weisung die Folge<br />

gemeinsamer Beratungen ist, sofern sich <strong>de</strong>r Auftraggeber <strong>de</strong>ren Ergebnis für <strong>de</strong>n<br />

Auftragnehmer erkennbar zu Eigen macht<br />

144 . Aus <strong>de</strong>m Gesamtverhalten <strong>de</strong>s<br />

Auftraggebers muss für <strong>de</strong>n Auftragnehmer nur <strong>de</strong>utlich wer<strong>de</strong>n, dass die<br />

vertragliche Leistungspflicht sich verän<strong>de</strong>rn soll 145 . Darauf, ob <strong>de</strong>r Auftraggeber eine<br />

Än<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Zusatzleistung verlangen will, kommt es nicht an. Selbst wenn er bei<br />

<strong>de</strong>r Erklärung gegenteiliges zum Ausdruck bringt, aber <strong>de</strong>utlich wird, dass die<br />

Än<strong>de</strong>rung/Leistung verlangt wird, treten die Rechtsfolgen <strong>de</strong>r §§ 2 Abs. 5, 6 VOB/B<br />

ein 146<br />

.<br />

Liegen diese Voraussetzungen vor, stellt sich aber später heraus, dass durch die<br />

Erklärung <strong>de</strong>s Auftraggebers tatsächlich <strong>de</strong>r Vertragsinhalt nicht berührt wur<strong>de</strong>, die<br />

an<strong>de</strong>re Leistung also schon vom ursprünglichen Vertrag umfasst war, entsteht keine<br />

Vergütungsverpflichtung<br />

147 . Etwas an<strong>de</strong>res gilt, wenn Unklarheit darüber besteht, ob<br />

eine Abweichung vorliegt. Wenn die Parteien sich dann auf eine Vergütung einigen,<br />

besteht die Vergütungsverpflichtung, weil durch diese Einigung die Unstimmigkeiten<br />

einvernehmlich ausgeräumt wer<strong>de</strong>n 148 . Nach einer Auffassung 149 soll dies auch dann<br />

gelten, wenn bei tatsächlicher Beurteilung eine Leistungsän<strong>de</strong>rung nicht vorliegt.<br />

Eine Form für die Erklärung ist nicht vorgeschrieben. Die Än<strong>de</strong>rung/Anordnung kann<br />

ausdrücklich o<strong>de</strong>r konklu<strong>de</strong>nt erfolgen. Son<strong>de</strong>rfall ist die stillschweigen<strong>de</strong><br />

Anordnung. Fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Auftragnehmer beispielsweise vor Ort eine an<strong>de</strong>re Situation<br />

vor, als vertraglich vereinbart und beginnt mit an<strong>de</strong>ren/zusätzlichen Leistungen, ist<br />

eine Anordnung/For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Auftraggebers (nur) dann anzunehmen, wenn auch<br />

<strong>de</strong>r Auftraggeber diese Umstän<strong>de</strong> kennt und nicht eingreift, obwohl er die tatsächlich<br />

geän<strong>de</strong>rte o<strong>de</strong>r Zusatzleistung nicht wünscht<br />

Die Erklärung muss durch <strong>de</strong>n Auftraggeber abgegeben wer<strong>de</strong>n. § 2 Abs. 5 S. 1<br />

VOB/B sieht dies ausdrücklich vor. Entsprechen<strong>de</strong>s gilt für § 2 Abs. 6 Nr. 1<br />

150<br />

.<br />

143 BGH BauR 1992, 759; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 110 b.<br />

144 Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 190.<br />

145 Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 845<br />

146 Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 845.<br />

147 OLG Dres<strong>de</strong>n BauR 1999, 1454.<br />

148 BGH BauR 1995, 237; Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 191.<br />

149 Kapellmann/Schiffers, Band II, Rn 1089 unter Hinweis auf BGH BauR 1994 237, 238.<br />

150 Beck´scher VOB/Kommentar/Jagenburg, VOB/B § 2 Nr. 5 Rn 62; Kapellmann/Schiffers, Band I Rn<br />

872.<br />

60


VOB/B 151 . Der Architekt ist in aller Regel nicht berechtigt, Anordnungen zu treffen,<br />

die für <strong>de</strong>n Auftraggeber Vergütungsfolgen auslösen. Etwas an<strong>de</strong>res gilt für<br />

geringfügige Zusatzarbeiten und Notmaßnahmen, solange vergleichbar geringfügige<br />

Kosten entstehen 152 .<br />

Unrichtig ist die Auffassung, die originäre Vollmacht berechtige <strong>de</strong>n Architekten<br />

bereits uneingeschränkt dazu, Zusatzaufträge in kleinerem Umfang zu erteilen, wobei<br />

die Grenze bei 5 % <strong>de</strong>r Auftragssumme je Auftrag und bei 10 % für alle<br />

Zusatzaufträge liegen soll<br />

153 . Eine rechtsgeschäftliche Vollmacht wird <strong>de</strong>m<br />

Architekten allgemein nicht erteilt. Es kann <strong>de</strong>shalb nur in Ausnahmefällen und bei<br />

geringfügigen Leistungen auf eine Vollmacht <strong>de</strong>s Architekten abgestellt wer<strong>de</strong>n 154 .<br />

3.3.3 Die Ankündigung, § 2 Abs. 6 Nr. 1 S. 2 VOB/B<br />

Bei <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung von nicht im Vertrag vorgesehenen Leistungen muss <strong>de</strong>r<br />

Auftragnehmer <strong>de</strong>n Anspruch <strong>de</strong>m Auftraggeber ankündigen, bevor er mit <strong>de</strong>r<br />

Ausführung <strong>de</strong>r Leistung beginnt, § 2 Abs. 6 Nr. 1 S. 2 VOB/B.<br />

3.3.3.1 Ankündigung als Anspruchsvoraussetzung?<br />

Ob die vorherige Ankündigung Anspruchsvoraussetzung ist, ist trotz <strong>de</strong>s klaren<br />

Wortlauts streitig. Nach einer Auffassung soll es sich nur um eine vertragliche<br />

Nebenpflicht han<strong>de</strong>ln. Zur Begründung wird darauf abgestellt, dass schon § 2 Abs. 6<br />

Nr. 1 VOB/B vorsieht, dass <strong>de</strong>r Auftragnehmer einen Anspruch hat. Wenn er <strong>de</strong>n<br />

Anspruch aber schon hat, kann die Ankündigungspflicht keine Voraussetzung für das<br />

Entstehen <strong>de</strong>s Anspruchs ein. Bei schuldhafter Verletzung <strong>de</strong>r Ankündigungspflicht<br />

bestehe <strong>de</strong>shalb nur ein Scha<strong>de</strong>nsersatzanspruch <strong>de</strong>s Auftraggebers aus § 280<br />

BGB 155<br />

.<br />

Die Rechtsprechung und Gegenauffassung in <strong>de</strong>r Literatur hat schon bei <strong>de</strong>n<br />

Vorfassungen <strong>de</strong>r VOB/B die Auffassung vertreten, dass sich aus <strong>de</strong>m Wortlaut<br />

hinreichend klar die Ankündigung als Anspruchsvoraussetzung ergäbe<br />

Kenntnis <strong>de</strong>s Meinungsstreits <strong>de</strong>r Wortlaut bei <strong>de</strong>r Neufassung <strong>de</strong>r VOB/B nicht<br />

156<br />

. Da in<br />

151 Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Abs. 6 Rn 5.<br />

152 BGH BauR 1978, 314 ("Zusatzarbeiten für 272,12 DM"); OLG Düsseldorf BauR 2000, 891; OLG<br />

Stuttgart BauR 1994, 789.<br />

153 OLG Hamburg IBR 2001, 491 mit Anmerkung von Keldungs.<br />

154 Dazu eingehend: Ingenstau/Korbion/Keldungs, VOB/B § 2 Abs. 6 Rn 6.<br />

155 OLG Celle BauR 1982, 381; Beck´scher VOB/Kommentar/Jagenburg, VOB/B § 2 Nr. 6 Rn 67 f.;<br />

Nicklisch/Weick, VOB/B § 2 Rn 71.<br />

156 BGH BauR 1996, 542; BauR 1991, 210; Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 198;<br />

Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 130.<br />

61


geän<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>, ist zukünftig davon auszugehen, dass <strong>de</strong>r Meinungsstreit sich<br />

erledigt hat. Die vorherige Ankündigung ist also Anspruchsvoraussetzung 157 .<br />

3.3.3.2 Form und Zeitpunkt <strong>de</strong>r Ankündigung<br />

Eine Form ist für die Ankündigung nicht vorgesehen, so dass diese auch mündlich<br />

erfolgen kann. Für <strong>de</strong>n Auftraggeber muss zweifelsfrei erkennbar sein, dass die<br />

Zusatzleistung nicht mit <strong>de</strong>r bisher vereinbarten Vergütung abgegolten ist, wobei es<br />

ausreicht, wenn <strong>de</strong>r Auftragnehmer zum Ausdruck bringt, dass die Leistung nicht im<br />

Angebot/Vertrag enthalten ist 158 .<br />

Die Ankündigung muss vor Beginn <strong>de</strong>r Leistung ausgebracht wer<strong>de</strong>n. Dies be<strong>de</strong>utet<br />

nicht, dass die Ankündigung zwangsläufig erst nach <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r nicht<br />

vorgesehenen Leistung erfolgen kann. Legt <strong>de</strong>r Auftragnehmer beispielsweise über<br />

eine solche Leistung <strong>de</strong>m Auftraggeber ein Angebot vor und for<strong>de</strong>rt dieser danach<br />

die Leistung ab, bedarf es einer weiteren Ankündigung <strong>de</strong>s Vergütungsanspruchs<br />

nicht<br />

159<br />

, wenn nicht ohnehin aufgrund <strong>de</strong>r Abfor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r vorher angebotenen<br />

Leistung bereits eine Vereinbarung zu sehen ist.<br />

3.3.3.3 Ausnahmen von <strong>de</strong>m Ankündigungserfor<strong>de</strong>rnis<br />

Der BGH hat in einer Reihe von Ausnahmefällen die fehlen<strong>de</strong> Ankündigung als im<br />

Ergebnis unschädlich behan<strong>de</strong>lt. Dabei hat er auf die Frage abgestellt, ob und<br />

gegebenenfalls inwieweit <strong>de</strong>r Auftraggeber schutzbedürftig ist. Diese Frage ist dann<br />

zu verneinen, wenn <strong>de</strong>r Auftraggeber von <strong>de</strong>r Entgeltlichkeit <strong>de</strong>r Leistung zumin<strong>de</strong>st<br />

ausgehen musste. Entbehrlich ist die Ankündigung auch dann, wenn <strong>de</strong>m<br />

Auftragnehmer nichts übrig blieb, als die Leistung sofort auszuführen. Wenn <strong>de</strong>r<br />

Auftragnehmer die Ankündigung ohne Verschul<strong>de</strong>n versäumt hat, soll dies <strong>de</strong>m<br />

Anspruch ebenfalls nicht entgegenstehen 160 .<br />

3.3.4 Folgen für die Vergütung<br />

3.3.4.1 Vergütungsvereinbarung<br />

Bei Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s Bauentwurfs o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Anordnungen <strong>de</strong>s Auftraggebers, die<br />

die Grundlagen <strong>de</strong>s Preises für eine vom Vertrag vorgesehene Leistung än<strong>de</strong>rn, ist<br />

ein neuer Preis unter Berücksichtigung <strong>de</strong>r Mehr- o<strong>de</strong>r Min<strong>de</strong>rkosten zu<br />

vereinbaren. Die Vereinbarung soll vor <strong>de</strong>r Ausführung getroffen wer<strong>de</strong>n. Aus<br />

157 Kritisch zu dieser Sanktion: Kapellmann/Messerschmidt, VOB/B § 2 Rn 198 f.<br />

158 OLG Düsseldorf BauR 1991, 797; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 130 a.<br />

159 Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 910.<br />

160 BGH BauR 1996, 542; BauR 1991, 210; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn 131.<br />

62


dieser Formulierung ist klar, dass die Vereinbarung je<strong>de</strong>rzeit, also auch nach<br />

Beendigung <strong>de</strong>r Leistung getroffen wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Bei <strong>de</strong>r For<strong>de</strong>rung von im Vertrag nicht vorgesehenen Leistungen ist die beson<strong>de</strong>re<br />

Vergütung möglichst vor Beginn <strong>de</strong>r Ausführung zu vereinbaren. Auch daraus ergibt<br />

sich die Berechtigung, die Vereinbarung erst später zu treffen.<br />

3.3.4.2 Leistungsverweigerungsrecht <strong>de</strong>s Auftragnehmers bei Weigerung<br />

<strong>de</strong>s Auftraggebers?<br />

Es stellt sich die Frage, ob <strong>de</strong>m Auftragnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht<br />

zusteht, wenn die Vereinbarung nicht vor Beginn <strong>de</strong>r Ausführung zustan<strong>de</strong> kommt,<br />

was gleichermaßen für § 2 Abs. 5 und § 2 Abs. 6 VOB/B gilt. Der Auftraggeber ist<br />

sicher verpflichtet, an <strong>de</strong>m Zustan<strong>de</strong>kommen <strong>de</strong>r Vereinbarung mitzuwirken.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>r Formulierungen "Soll-" bzw. "ist möglichst" vor Beginn <strong>de</strong>r Ausführung<br />

ergibt sich, dass keine Verpflichtung <strong>de</strong>s Auftraggebers bestehet, in je<strong>de</strong>m Falle dazu<br />

beizutragen, dass in diesem Stadium, also vor Beginn <strong>de</strong>r Ausführung die<br />

Vereinbarung auch zustan<strong>de</strong> kommen. Häufig wer<strong>de</strong>n Verlangen nach <strong>de</strong>n § 2 Abs.<br />

5 und 6 VOB/B Anlass für Streitfälle sei.<br />

Hier gilt im Grundsatz, dass Streitfälle <strong>de</strong>n Auftragnehmer nicht berechtigen, die<br />

Arbeiten einzustellen, § 18 Abs. 4 VOB/B. Es ist <strong>de</strong>shalb nicht richtig, anzunehmen,<br />

<strong>de</strong>r Auftragnehmer stehe grundsätzlich ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn<br />

<strong>de</strong>r Auftraggeber sich weigert, vor Beginn <strong>de</strong>r Ausführung <strong>de</strong>r Arbeiten eine<br />

Vereinbarung zu treffen 161 . Etwas an<strong>de</strong>res gilt nur dann, wenn <strong>de</strong>r Auftraggeber das<br />

Vorliegen einer Leistungsän<strong>de</strong>rung überhaupt bestreitet und eine Preisän<strong>de</strong>rung<br />

grundsätzlich ablehnt. Dann ist es <strong>de</strong>m Auftragnehmer nicht zuzumuten (§ 242 BGB)<br />

die Werkleistung in Kenntnis <strong>de</strong>r Tatsache, dass er seinen Vergütungsanspruch nur<br />

mit gerichtlicher Hilfe wird durchsetzen können, als Vorleistung zu erbringen 162 .<br />

161 So aber Kapellmann/Schiffers, Band I, Rn 973 ff.<br />

162 OLG Düsseldorf NZBau 2002, 276, vgl. BGH BauR 2000, 409; Heiermann/Riedl, VOB/B § 2 Rn<br />

139 b; Werner/Pastor, Rn 1151.<br />

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