LuST 3 (2013) - Johannes Gutenberg-Universität Mainz
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L UST 3_<strong>2013</strong> Schwerpunkt<br />
16_17<br />
Plagiate<br />
und Co.<br />
Die Tagung<br />
W<br />
ie steht es um die Integrität in der deutschen Hochschul-<br />
und Forschungslandschaft? Ist Fehlverhalten<br />
ein weit verbreitetes Problem, oder handelt es sich<br />
um eine Randerscheinung? Diese Fragestellung stand im Mittelpunkt<br />
der 2. <strong>Mainz</strong>er Tagung zur Akademischen Integrität an der JGU<br />
„Zwerge mit den Schultern von Riesen – Akademisches Fehlverhalten<br />
als Teil des Wissenschaftssystems?“<br />
Sebastian Sattler gab in seinem Eröffnungsvortrag „Warum betrügen<br />
Studierende im Studium, und was können wir dagegen tun?“<br />
gleich eine klare Antwort. Der Leiter der vom Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung geförderten FAIRUSE-Studie hatte<br />
Zahlen mitgebracht, die an Aussagekraft wenig zu wünschen übrig<br />
lassen.<br />
6.000 Studierende gaben in der FAIRUSE-Online-Befragung Auskunft:<br />
18 Prozent von ihnen plagiieren innerhalb von sechs Monaten<br />
mindestens ein Mal. Das Abschreiben in Klausuren ist noch<br />
verbreiteter: 37 Prozent bekennen sich dazu. Ein Unrechtsbewusstsein<br />
in Sachen Plagiat und Co. entwickelt gerade mal die Hälfte<br />
der Studierenden. 15 Prozent der Befragten finden überhaupt nichts<br />
Verwerfliches am Abkupfern.<br />
„Plagiate sind nichts Neues“, konstatiert Sattler. Ptolemäus, Darwin,<br />
Einstein – sie alle mussten sich mit Plagiatsvorwürfen herumschlagen.<br />
Auch sind Plagiate offensichtlich keine Randerscheinung.<br />
„Warum sollten wir uns jetzt aber an den Hochschulen mit ihnen<br />
beschäftigen?“ Weil das Abkupfern, das Mogeln, der unredliche<br />
Umgang mit geistigem Eigentum schadet<br />
– und zwar auf vielen Ebenen, da ist sich<br />
Sattler sicher. „Studierende versäumen<br />
es, Kompetenzen zu erwerben.“ Wer kopiere<br />
und plagiiere, lerne nichts. „<strong>Universität</strong><br />
und Lehrende geraten in Misskredit.<br />
Die Gesellschaft leidet: Ein Arzt etwa,<br />
der nichts gelernt hat, kann nicht gut<br />
behandeln. Und die Wissenschaft selbst<br />
leidet an einem Mangel an Erkenntnissen.“<br />
Fehlende moralische Sensibilität, Prüfungsangst<br />
und Unfähigkeit sind drei<br />
wichtige Ursachen für akademisches<br />
Fehlverhalten. Sattler schließt daraus:<br />
„Wir müssen die Fähigkeiten zu wissenschaftlichem<br />
Arbeiten aktiv verbessern.“<br />
Denn Plagiatoren klagten oft über immer<br />
dieselben Defizite: Sie könnten fremde<br />
Gedanken kaum in eigene Worte fassen,<br />
die Analyse von Texten falle ihnen<br />
schwer, die wissenschaftliche Sprache<br />
liege ihnen nicht.<br />
Darüber hinaus müsse ein Ehrenkodex<br />
her, der klar definiere, was erlaubt<br />
und was verboten sei. „Man könnte in<br />
feierlichen Zeremonien auf diesen Kodex schwören.“ Das sei zum<br />
Beispiel in Nordamerika durchaus üblich.<br />
In jedem Fall müsse vermittelt werden, welche Folgen akademisches<br />
Fehlverhalten nach sich ziehe. Ein Sanktionskatalog sollte da Klarheit<br />
schaffen.<br />
Zwei Tage lang diskutierten Lehrende, Forschende<br />
und Studierende in der Alten Mensa der JGU<br />
über akademisches Fehlverhalten. Sattler hatte das<br />
Thema umrissen, doch es gab noch viel zu klären.<br />
So war das Internet ein großes Thema: Es begünstigt<br />
einerseits den Diebstahl fremden geistigen<br />
Eigentums, erleichtert aber durch seine allgemeine<br />
Zugänglichkeit auch die Entdeckung von Plagiaten.<br />
In Workshops ging es um die Prävention akademischen<br />
Fehlverhaltens, um Detektionssoftware<br />
und Strategien des Lernens.<br />
Es wurde klar, dass Fragen zur akademischen Integrität<br />
weiter gestellt werden müssen. Das Thema ist<br />
virulent, und auf den <strong>Mainz</strong>er Tagungen zur akademischen<br />
Integrität können Fachleute Antworten<br />
geben. Doch auch solche Tagungen sind nur ein<br />
Strang aus einem ganzen Bündel von Maßnahmen,<br />
mit denen die JGU und ihr noch junges Projekt<br />
„Akademische Integrität“ gegen Plagiat und Co.<br />
vorgeht.<br />
Wir müssen die Fähigkeiten<br />
zu wisenschaftlichem Arbeiten<br />
aktiv verbessern.<br />
Sebastian Sattler<br />
Z U R P E R S O N<br />
Sebastian Sattler studierte<br />
Soziologie und die Nebenfächer<br />
Politikwissenschaft<br />
und Journalistik an der<br />
<strong>Universität</strong> Leipzig. Seine<br />
Magisterarbeit beschäftigt<br />
sich mit dem Thema<br />
„Plagiate in Hausarbeiten.<br />
Erklärungsmodelle mit<br />
Hilfe der Theorie rationalen<br />
Handelns“. Von<br />
2009 bis 2012 leitete er<br />
das Forschungsprojekt<br />
FAIRUSE an der Bielefelder<br />
Fakultät für Soziologie.