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Der Grüne Hof in Ulm - Universität Tübingen

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<strong>Der</strong> Grüne <strong>Hof</strong> <strong>in</strong> <strong>Ulm</strong> – Untersuchungen zur Stadtgenese und –entwicklung<br />

Dissertation, angenommen von der Fakultät für Kulturwissenschaften der Eberhard-Karls-<br />

Universität Tüb<strong>in</strong>gen<br />

Zusammenfassung:<br />

Die Arbeit wertet <strong>in</strong>sgesamt vier Grabungen im Bereich des Grünen <strong>Hof</strong>s <strong>in</strong> <strong>Ulm</strong> aus, die zwischen<br />

1970 und 2001 dort stattfanden. <strong>Der</strong> <strong>in</strong> der südöstlichen Ecke der sogenannten staufischen Stadt<br />

bef<strong>in</strong>dliche Grüne <strong>Hof</strong> nimmt e<strong>in</strong>e Schlüsselstellung für verschiedene stadthistorische Fragestellungen<br />

e<strong>in</strong>, so dass die Arbeit e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag zur <strong>Ulm</strong>er Stadtgeschichte darstellt.<br />

Die Arbeit besteht aus zwei Bänden: E<strong>in</strong>em Textband mit Textabbildungen und e<strong>in</strong>em Band mit<br />

den Anhängen <strong>in</strong> Form von Abbildungs- und Literaturverzeichnissen (S. 234 – 246) sowie dem<br />

Katalog der Befunde und Funde (S. 247 - 456) und den Tafeln. <strong>Der</strong> erste Band enthält drei<br />

Hauptkapitel, von denen das erste den e<strong>in</strong>leitenden Teil darstellt (S. 1 - 13), <strong>in</strong> dem<br />

geologische/topographische Voraussetzungen geschildert, die ausgewerteten Grabungen kurz<br />

charakterisiert werden sowie die Fragestellungen entwickelt werden.<br />

E<strong>in</strong> forschungsgeschichtlicher Rückblick auf die Stadtarchäologie zeigt das Umfeld, <strong>in</strong> dem die<br />

Ausgrabungen zu bewerten s<strong>in</strong>d.<br />

Das nun folgende Kapitel (S. 14 - 123) enthält die Auswertung der Befunde und Funde. Dabei<br />

werden die Befunde nach stratigraphischen Pr<strong>in</strong>zipien <strong>in</strong> relativchronologische Phasen e<strong>in</strong>geteilt,<br />

wobei für jede Phase zusammenfassend charakterisierende Strukturen herausgestellt und so historisch<br />

relevante E<strong>in</strong>heiten gefunden werden. Die Fundanalyse beschränkt sich auf die <strong>in</strong> relevanten Befunden<br />

enthaltene Geschirrkeramik und bestätigt die bislang für <strong>Ulm</strong> aufgestellte Klassifikation. Über die<br />

Fundauswertung erfolgt schließlich die absolutchronologische E<strong>in</strong>ordnung der Phasen.<br />

Das dritte Hauptkapitel (S. 124 – 233) stellt den <strong>in</strong>terpretatorischen Teil der Arbeit dar, der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Darstellung der Stadtgenese und –entwicklung <strong>in</strong> <strong>Ulm</strong> mündet. Nach e<strong>in</strong>er Bewertung der Ergebnisse<br />

der schriftlichen Quellen zur Stadtgeschichte sowie der archäologischen Erkenntnisse aus wichtigen<br />

Grabungen im Stadtgebiet erfolgt nach e<strong>in</strong>er Klärung der historischen und archäologischen<br />

Begrifflichkeiten zu städtischer und ländlicher Siedlung e<strong>in</strong>e Interpretation der im vorhergehenden<br />

Kapitel festgestellten Strukturen. Auf dieser Basis werden die Grabungsergebnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

übergeordneten historischen Zusammenhang e<strong>in</strong>gegliedert und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Synthese aller bekannten<br />

Erkenntnisse zu e<strong>in</strong>er geschichtlichen Aussage gebracht. Abschließend erfolgt e<strong>in</strong>e Betrachtung<br />

e<strong>in</strong>zelner vergleichbarer Beispielstädte, um die erlangten Ergebnisse zur Stadtgeschichte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

überregionalen Rahmen zu stellen.<br />

Trotz e<strong>in</strong>er stadtarchäologischen Tätigkeit, die mehr als 40 Jahre umfasst und <strong>Ulm</strong> somit zu e<strong>in</strong>er<br />

der am <strong>in</strong>tensivsten erforschten Städte macht, bleiben viele Fragen zur Genese und Entwicklung der<br />

Stadt bislang offen. Auch wenn <strong>in</strong> der neueren Literatur der Konsens herrscht, der frühmittelalterliche<br />

Kern der Stadt liege auf dem We<strong>in</strong>hof und nicht, wie zunächst vielfach angenommen ebenso auf dem<br />

Grünen <strong>Hof</strong>, nimmt dieser aufgrund se<strong>in</strong>er Lage <strong>in</strong> der südöstlichen Ecke der sogenannten staufischen<br />

Stadt e<strong>in</strong>e wichtige Position zur Entschlüsselung historischer Entwicklungsprozesse e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>st e<strong>in</strong><br />

wichtiges Stadtquartier, ist der Grüne <strong>Hof</strong> heute stark durch moderne Bebauung überformt, so dass<br />

se<strong>in</strong>e hervorgehobene Stellung im Mittelalter nur noch rudimentär erkennbar wird.


Aufgrund des natürlichen Geländeabfalls nach Süden zur Donau h<strong>in</strong>, der erst im Laufe des<br />

Mittelalters allmählich ausgeglichen wurde, s<strong>in</strong>d die älteren Siedlungsphasen nur noch im Süden<br />

erhalten. Älteste Siedlungsspuren - nur durch wenige Befunde repräsentiert - enthalten ke<strong>in</strong><br />

datierendes Fundmaterial, so dass die zeitliche Stellung offen bleiben muss. Die ältesten Funde<br />

h<strong>in</strong>gegen – auch wenn sie aus jüngeren Zusammenhängen stammen – datieren <strong>in</strong>s Frühmittelalter,<br />

womit e<strong>in</strong> Indikator für e<strong>in</strong>e allerd<strong>in</strong>gs nicht präzis zu lokalisierende Ansiedlung <strong>in</strong> diesem Areal<br />

gegeben ist. Die älteste erfasste chronologisch e<strong>in</strong>zuordnende Siedlung weist die Charakteristika e<strong>in</strong>er<br />

ländlichen Ansiedlung des 11. Jahrhunderts auf. E<strong>in</strong> sich allmählich vollziehender struktureller<br />

Wandel zeigt sich im vermehrten Auftreten von <strong>in</strong> Zusammenhang mit Metallverarbeitung stehenden<br />

Feuergruben, was e<strong>in</strong>e gewerbliche Nutzung bzw. e<strong>in</strong> konkretes (Bau)projekt nahe legt. <strong>Der</strong>en<br />

Aufgabe bezeichnet e<strong>in</strong>en weiteren Wandel mit e<strong>in</strong>er ersten Befestigung und ersten Kellern h<strong>in</strong> zu<br />

städtisch anmutenden Strukturen. Noch im 12. Jahrhundert kann mit e<strong>in</strong>er neu angelegten<br />

Innenbebauung mit Latr<strong>in</strong>en und e<strong>in</strong>er ältere Strukturen schneidenden Befestigung bestehend aus<br />

Torturm und vorgelagertem Graben e<strong>in</strong>e Neuordnung des Geländes erkannt werden, die deutlich den<br />

vollzogenen Schritt zur Stadt h<strong>in</strong> zeigt. Diese Entwicklung setzt sich im folgenden Zeitraum fort, bis<br />

h<strong>in</strong> zu dem Bild des im Spätmittelalter durch Klosterhöfe und gehobene Privatbebauung geprägten<br />

Grünen <strong>Hof</strong>s, der durch die große Stadterweiterung des 14. Jahrhunderts aus se<strong>in</strong>er Randlage mehr <strong>in</strong>s<br />

Zentrum der Stadt rückt.<br />

<strong>Der</strong> Torturm verliert durch die Integration des Grünes <strong>Hof</strong>es <strong>in</strong> die Stadt se<strong>in</strong>e Wehr- und<br />

Torfunktion und wird e<strong>in</strong>er neuen Nutzung zugeführt. Aus ihm wird der sogenannte Diebsturm, aus<br />

dem sich dann allmählich das städtische Gefängnis entwickelt. Dies nicht mehr zum Umfang der<br />

Arbeit gehörende Kapitel des Grünen <strong>Hof</strong>es ist sicher e<strong>in</strong>e eigene Arbeit wert.<br />

Die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Synthese zusammengefassten Ergebnisse bisheriger archäologischer Forschungen im<br />

<strong>Ulm</strong>er Stadtgebiet, neuer Erkenntnisse durch die Auswertung des Grünen <strong>Hof</strong>s sowie der durch die<br />

Schriftquellen gewonnenen geschichtlichen Daten lassen e<strong>in</strong> klareres Bild der <strong>Ulm</strong>er Stadtgenese und<br />

–entwicklung erkennen, als dies bisher möglich war. Um zu e<strong>in</strong>em abschließenden Ergebnis zu<br />

kommen, müssen allerd<strong>in</strong>gs noch die Resultate des derzeit laufenden DFG-Projekts zur Stadtwerdung<br />

<strong>Ulm</strong>s abgewartet werden.<br />

Auch wenn der frühmittelalterliche Kern <strong>Ulm</strong>s durch die Pfalz, die auf dem We<strong>in</strong>hof<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich gemacht werden kann, gebildet wird, konnte gezeigt werden, dass es <strong>in</strong> der Umgebung<br />

noch andere frühmittelalterliche Ansiedlungen gegeben hat, unter anderem auch nahe des Grünen<br />

<strong>Hof</strong>s. Die <strong>in</strong> jüngerer Zeit aufgestellte These, die Pfalz hätte sich nicht auf dem We<strong>in</strong>hofsporn,<br />

sondern im Osten der Stadt, bei der Furt über die Donau, befunden, konnte durch die<br />

Grabungsauswertungen unwahrsche<strong>in</strong>lich gemacht werden, da sich auf dem <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe zu<br />

dieser postulierten Pfalz bef<strong>in</strong>dlichen Grünen <strong>Hof</strong> ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise auf e<strong>in</strong>e solche Lage ergaben.<br />

Beispielhaft konnte am Grünen <strong>Hof</strong> die allmähliche Entwicklung e<strong>in</strong>er eher ländlich geprägten<br />

Siedlung h<strong>in</strong> zur Stadt gezeigt werden, wobei die Siedlung(en) des 11. Jahrhunderts schon e<strong>in</strong>e<br />

erhebliche Größe besessen haben muss, da Spuren von ihr be<strong>in</strong>ahe im gesamten Gebiet der späteren<br />

staufischen Stadt angetroffen wurden. Am Grünen <strong>Hof</strong> wird anhand der unterschiedlichen Strukturen<br />

zunächst die Entfernung zum frühen Stadtzentrum (beim Marktplatz) deutlich, danach folgen erst<br />

langsam ablaufende strukturelle Änderungen und schließlich der wieder deutlich erkennbare Schritt<br />

der E<strong>in</strong>beziehung <strong>in</strong> die Stadt durch die Umgrenzung sowie dem damit e<strong>in</strong>hergehenden Wechsel <strong>in</strong> der<br />

Innenbebauung. Schließlich konnte durch den Vergleich mit anderen Städten im überregionalen<br />

Vergleich herausgestellt werden, dass der Vorgang der Stadtgenese und der weiteren Entwicklung


e<strong>in</strong>erseits zwar von allgeme<strong>in</strong> wirksamen Faktoren wie der Verkehrslage oder herrschaftlichen Sitzen<br />

bestimmt wird, andererseits aber auch sehr spezifische Faktoren e<strong>in</strong>e Rolle spielen können, von denen<br />

jede Stadt ihre <strong>in</strong>dividuellen Züge erhält, so dass e<strong>in</strong>e übergreifend gültige Kategorisierung dieser<br />

Prozesse nur mit E<strong>in</strong>schränkungen möglich ist.

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