Projektberichte
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<strong>Projektberichte</strong><br />
Abschied von der spanischen Kolonialstadt Panamá la Vieja<br />
Zum Abschluss des Tübinger Forschungsprojekts<br />
in Panamá<br />
Das langjährige Forschungsprojekt<br />
der Abteilung Archäologie des Mittelalters<br />
in der 1519 gegründeten und<br />
1671 zerstörten spanischen Kolonialstadt<br />
Panamá la Vieja, der frühesten<br />
europäischen Stadtgründung am<br />
Pazifik, steht vor dem Ende. Nachdem<br />
auf Anregung des damaligen<br />
Botschafters der Bundesrepublik<br />
Deutschland in Panamá, Georg von<br />
Neubronner eine Kooperation mit<br />
der Stiftung „Patronato Panamá Viejo“<br />
zur Erforschung des Ruinengeländes<br />
der ehemaligen Stadt entstanden<br />
war, wurden dort zwischen 2003<br />
und 2009 insgesamt 6 Grabungskampagnen<br />
durchgeführt, finanziert<br />
von der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />
(DFG), dem Bundesministerium<br />
für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
und einem privaten<br />
Sponsor aus Panamá. Die letzte<br />
Kampagne fand vom 25. Februar bis<br />
03. April 2009 statt; die Aufarbeitung<br />
wird Ende Februar nächsten<br />
Jahres abgeschlossen sein.<br />
Das Grabungsprojekt Projekt<br />
2009<br />
Im Rahmen der im Jahre 2006<br />
durchgeführten, großflächigen Geomagnetischen<br />
Prospektion des Ruinengeländes<br />
durch ein Tübinger<br />
Team war im nördlichen Stadtrandbereich<br />
der auffallend große, langrechteckige<br />
Grundriss eines Gebäudekomplexes<br />
erfasst worden. Im Jahr<br />
2007 wurden dort Sondagen angelegt,<br />
bei denen dessen Bedeutung zur<br />
Frage des transkontinentalen Handels<br />
in der Stadt erkennbar wurde.<br />
Dank einer nochmaligen Förderung<br />
durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />
(DFG) konnte dort im<br />
Frühjahr 2009 eine weitere Grabung<br />
durchgeführt werden. Projektleiterin<br />
war Prof. Barbara Scholkmann, Projektkoordinatorin<br />
und Grabungsleiterin<br />
vor Ort Annette Zeischka-<br />
Kenzler, M.A.<br />
Das Grabungsteam 2009<br />
4
Sieben Studierende gehörten zum<br />
Tübinger Team: Sybil Harding, Michael<br />
Schmid, Julia Häußler, Christoph<br />
Haack, Kirsten Eppler, Dominik<br />
Sieber und Jörg Widmaier. In<br />
bewährt guter Zusammenarbeit mit<br />
dem verantwortlichen Archäologen<br />
vor Ort Juan G. Martín-Rincón und<br />
seiner Mitarbeiterin Yazmín Mojica,<br />
wurden die Grabungsarbeiten wiederum<br />
von panamaischen Mitarbeitern<br />
hervorragend unterstützt. Eine sehr<br />
gute Kooperation bestand, wie ebenfalls<br />
bei den vorangegangenen Kampagnen,<br />
mit Dr. Eduardo Tejeira-<br />
Davis und Dr. Beatriz Rovira, beide<br />
von der Universidad de Panamá. Die<br />
bestmögliche Unterstützung erfuhr<br />
das Team auch erneut durch die Direktorin<br />
der Stiftung „Patronato Panamá<br />
Viejo“, Julieta de Arango.<br />
Die Kampagne war auf drei Forschungsziele<br />
fokussiert. Zum einen<br />
sollten Infrastruktur, Architektur<br />
sowie Logistik des transkontinentalen<br />
Warenhandels an Hand dieses<br />
Gebäudekomplexes untersucht werden.<br />
Zum anderen war die Bebauungsstruktur<br />
des Areals vor 1600<br />
zu klären, was für die Frage der<br />
Entwicklung dieses Stadtrandbezirks<br />
auf Grund fehlender historischer<br />
Quellen, außer den beiden Stadtplänen<br />
von 1586 und 1609, von großer<br />
Bedeutung ist. Schließlich sollte das<br />
stratifizierte Fundmaterial bearbeitet<br />
werden, um durch eine chronologische<br />
und typologische Einordnung<br />
die Zuweisung zu den jeweiligen<br />
Herkunftsregionen zu ermöglichen<br />
und damit mögliche Handelsverbindungen<br />
nach Europa, Asien, Afrika<br />
wie auch innerhalb Amerikas im materiellen<br />
Niederschlag zu belegen.<br />
In dem recht knappen Grabungszeitraum<br />
konnten rund 77qm in neun<br />
Schnitten archäologisch untersucht<br />
werden. Die Anlage der Schnitte erfolgte<br />
aufgrund überirdisch sichtbarer<br />
Bewuchsmerkmale oder zur Klärung<br />
von gezielten Fragestellungen.<br />
Sie verteilten sich auf zwei Parzellen,<br />
denn die Untersuchungsergebnisse<br />
von 2007 hatten erbracht, dass<br />
beide Areale eine Einheit bildeten.<br />
Mauerbefunde traten unmittelbar<br />
nach dem Entfernen der Grasnarbe<br />
zu Tage; einige Schnitte wurden angelegt,<br />
nachdem sich durch die zunehmende<br />
Trockenheit auffallende<br />
Bewuchsmerkmale zeigten. Aus<br />
Gründen des UNESCO-<br />
Weltkulturerbestatus der Ruinenstadt<br />
durften Mauer- und Pflasterbefunde<br />
nicht entfernt werden.<br />
Alle Befunde wurden mit Hilfe einer<br />
Totalstation eingemessen. Insgesamt<br />
konnten so 73 Befunde dokumentiert<br />
werden. Die Funde wurden präklassifiziert<br />
(vorsortiert), gezählt und<br />
datenelektronisch erfasst. Randscherben,<br />
besondere Bemalungen<br />
oder Verzierungen usw. wurden mit<br />
Hilfe der Digitalfotographie dokumentiert,<br />
besonders bedeutende<br />
Funde, wie Amphorenmarken,<br />
Tuchplombe und Münzen wurden<br />
gezeichnet und beschrieben, um in<br />
Deutschland weitere Forschungen<br />
durchführen zu können.<br />
Dank der hervorragenden Mitarbeit<br />
des gesamten Teams konnten alle<br />
Arbeiten termingerecht abgeschlossen<br />
und eine Kopie der Dokumenta-<br />
5
tion dem Patronato Panamá Viejo<br />
übergeben werden.<br />
Zusammenfassung der Ergebnisse<br />
Im Rahmen dieser Kampagne konnten,<br />
basierend auf den Ergebnissen<br />
von 2007, grundlegende Fragen zur<br />
Binnengliederung der Bebauung auf<br />
den beiden Parzellen, zu ihrer Einbindung<br />
in den öffentlichen Raum<br />
und insbesondere zu ihrer Funktion<br />
geklärt werden.<br />
Es handelt sich um einen so genannten<br />
„Fünf-Hof-Komplex“: Auf der<br />
östlichen Parzelle wurde ein repräsentatives,<br />
straßenseitiges Gebäude<br />
in einer ersten Phase als reinen<br />
Holzbau, danach als Steinbau mit<br />
hölzernem Obergeschoss errichtet.<br />
Im Untergeschoss ist in einer ersten<br />
Phase Metall verarbeitendes Handwerk<br />
(Eisen und Buntmetall)<br />
und/oder ein entsprechender Handel<br />
nachgewiesen. Vermutlich nach einem<br />
Brand erfolgte eine Umgestaltung:<br />
Das Untergeschoss wurde in<br />
Steinbauweise errichtet, eine Reihe<br />
von Innenstützen wurde entfernt und<br />
dadurch im Westabschnitt ein größerer<br />
Raum geschaffen.<br />
Ein Zufahrtsweg, dessen Pflasterung<br />
aufwendig mit Rindermetapodien<br />
verziert war, führte von der Hauptstraße<br />
aus in einen von Arkaden umgebenen,<br />
gepflasterten Innenhof mit<br />
großem Brunnen im Westen. Unterhalb<br />
einer jüngeren, sehr ungleichmäßigen<br />
und groben Pflasterung lag<br />
hier ein sauber gesetztes Pflaster mit<br />
aus größeren Steinen gebildeten<br />
Zierlinien. Im Osten konnte über einen<br />
Abwasserkanal das anfallende<br />
Regenwasser zur Straße abgeleitet<br />
werden. Von dem Innenhof führte<br />
ein Tor mit zwei Flügeln in einen<br />
westlich angrenzenden, ummauerten<br />
Gebäudekomplex (Edificio 2).<br />
Brunnen im Innenhof<br />
Nördlich anschließend an den Innenhof<br />
befand sich ein Wirtschaftsgebäude<br />
mit Küchentrakt. Es war<br />
mit einfacheren Pflasterungen versehen,<br />
wies Innenstützen auf und war<br />
in mehrere Räume untergliedert. Eine<br />
Zweistöckigkeit kann nicht belegt,<br />
aber angenommen werden. Der<br />
Befund eines großen, eingegrabenen<br />
Pfostens deutet auf eine auf Lasten<br />
tragende Einrichtung hin. Ein nach<br />
Osten führender, offensichtlich offener<br />
und sehr tiefer Abwassergraben<br />
diente zur Entwässerung. Das geborgene<br />
Fundmaterial des Gebäudes<br />
zeigt einen auffallend hohen Anteil<br />
an Küchen- und Vorratskeramik, wie<br />
einheimische „Criolla-Ware“ oder<br />
Amphorenteile mit Herkunftsmarken.<br />
Am nördlichen Ende des Grundstücks<br />
lag ein Garten, von dessen<br />
originaler Einfassungsmauer noch<br />
ein Teil aufrecht stehend erhalten ist.<br />
Gärten in entsprechender Lage auf<br />
6
den städtischen Parzellen sind Teil<br />
des gebräuchlichen Bebauungsschemas<br />
in der spanischen Kolonialarchitektur.<br />
Der gesamte westlich angrenzende<br />
Grundstücksbereich (Edificio 2)<br />
wird durch eine hohe, massive Einfassungsmauer<br />
zum öffentlichen<br />
Raum hin abgegrenzt, von der große<br />
Teile noch bis zu einer Höhe von<br />
3,20m erhalten sind. Schutzmauern<br />
solchen Ausmaßes sind auch aus anderen<br />
Kolonialstädten bekannt.<br />
Der Innenraum war offenbar in zwei<br />
unterschiedlich genutzte Bereiche<br />
geteilt. Die nördliche Hälfte des<br />
Areals war breiter als die südliche,<br />
mit keinerlei Pflaster versehen und<br />
auffallend fundarm. Dies könnte darauf<br />
hinweisen, dass es zunächst als<br />
Garten und, in einer zweiten Phase,<br />
als Platz zum Einstellen von Zugund<br />
Reittieren genutzt worden ist.<br />
Von einer vollständigen Überdachung<br />
kann hier nicht ausgegangen<br />
werden.<br />
Der südliche Teil war dagegen gepflastert<br />
und dürfte zumindest teilweise<br />
überdacht gewesen sein. Ein<br />
mit Steinen eingefasster, schräg verlaufender<br />
Weg führte vom Durchgang<br />
in den Innenhof mit Brunnen<br />
des östlich anschließenden Gebäudekomplexes<br />
zu einem Eingang von<br />
der Hauptstraße her. Insbesondere<br />
im straßenseitigen Teil dieses Areals<br />
fanden sich ungewöhnlich hohe<br />
Konzentrationen von Luxusgütern:<br />
vollständige Gefäße der vermutlich<br />
aus Mexiko stammenden roten Feintonware,<br />
hochwertiges Porzellan der<br />
Ming-Dynastie, Majolika unterschiedlichster<br />
Provenienz (spanischkolonial,<br />
südspanisch, italienisch),<br />
kostbare Gläser aus Italien, Spanien,<br />
den Niederlanden und möglicherweise<br />
Deutschland sowie Westerwälder<br />
Steinzeug. Sie bezeugen indirekt<br />
weitreichende Handelsverbindungen<br />
zwischen der Stadt und den<br />
jeweiligen Herkunftsregionen.<br />
Von den Zier- und Kleinfunden lassen<br />
sich einige als direkten Indikator<br />
für Handel am Ort ansprechen, nämlich<br />
Messinggewichte und Tuchplomben.<br />
Das bedeutet, dass hier die<br />
in die Stadt gelangten Importgüter an<br />
die Stadtbewohner verkauft oder<br />
auch im Zwischenhandel umgeschlagen<br />
worden sind.<br />
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass<br />
erstmals in der Ruinenstadt ein profan<br />
genutztes Grundstück von sehr<br />
großen Ausmaßen umfassend archäologisch<br />
untersucht und seine funktionale<br />
Differenzierung als Wohnund<br />
Kaufhaus belegt werden konnte.<br />
In Zusammenarbeit mit Prof. Eduardo<br />
Tejeira von der Universidad de<br />
Panamá wird eine nahezu vollständige<br />
Rekonstruktion möglich sein.<br />
Eine Bilanz zum Abschluss<br />
Das Projekt, das nun zu Ende geht,<br />
kann in jeder Hinsicht als sehr erfolgreich<br />
bezeichnet werden. Obwohl<br />
die jährlichen Grabungskampagnen<br />
jeweils nur wenige Wochen<br />
dauerten, ist der wissenschaftliche<br />
Ertrag beträchtlich. Dies gilt nicht<br />
nur für die Forschungen auf der<br />
Großparzelle, die oben beschrieben<br />
wurden, sondern ebenso für die neuen<br />
Erkenntnisse zum Hospital San<br />
7
Juan de Dios, das zuvor den<br />
Schwerpunkt der archäologischen<br />
Arbeit bildete und die Untersuchungen<br />
zu verschieden Objektgruppen<br />
der materiellen Kultur.<br />
Ebenso wichtig waren die topographische<br />
Vermessung und die geophysikalische<br />
Prospektion des ganze<br />
Ruinengeländes sowie die vom Bundesministerium<br />
für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit finanzierte Unterstützung<br />
des Projektpartners vor Ort<br />
mit modernem Grabungsgerät und<br />
technischem Know How.<br />
Für die zahlreichen Studierenden,<br />
die an den verschiedenen Grabungskampagnen<br />
teilnehmen konnten, war<br />
die Möglichkeit, in Panamá tätig zu<br />
sein, nicht nur eine wichtige Erfahrung<br />
auf einem Grabungsplatz im<br />
Ausland, sondern es boten sich auch<br />
Möglichkeiten für Studienabschlussarbeiten.<br />
So sind bereits zwei Magisterarbeiten<br />
mit Themen aus der Grabung<br />
abgeschlossen worden, eine<br />
dritte sowie eine Dissertation sind<br />
noch in Arbeit. Ebenso sind bereits<br />
eine ganze Reihe von Artikeln zu<br />
einzelnen Fragestellungen und<br />
Fundkomplexen, die von verschiedenen<br />
Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen<br />
verfasst wurden erschienen<br />
oder befinden sich im Druck. Eine<br />
Nachwuchswissenschaftlerin konnte<br />
im Rahmen eines eigenen Forschungsprojekts<br />
zur Kolonialarchäologie<br />
6 Monate in Panamá la Vieja<br />
arbeiten.<br />
Zum Abschluss bleibt eine gewisse<br />
Wehmut darüber, dass es nun keine<br />
Reisen nach Panamá und keine Grabungskampagnen<br />
mehr geben wird,<br />
aber Panamá la Vieja wird, so sind<br />
sich die Berichterstatterinnen sicher,<br />
für sie selbst und alle, die an dem<br />
Projekt teilgenommen haben, eine<br />
unvergessliche Erinnerung bleiben.<br />
Barbara Scholkmann<br />
Annette Zeischka-Kenzler<br />
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Plan der Ergebnisse von 2007 und 2009<br />
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