Zehenfehlbildung - Engelhardt Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie
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PDF 02194<br />
<strong>Engelhardt</strong> (Hrsg.)<br />
<strong>Lexikon</strong> Orthopädie <strong>und</strong> <strong>Unfallchirurgie</strong><br />
<strong>Zehenfehlbildung</strong><br />
Synonyme<br />
Polydaktylie; Oligodaktylie; Klinodaktylie; Hallux varus congenitus; Riesenwuchs; Syndaktylie<br />
Englischer Begriff<br />
Polydactylism; Oligodactyly; Clinodactyly; Congenital hallux varus; Gigantism; Syndactyly<br />
Definition<br />
Angeborene Missbildungen der Zehenstrahlen.<br />
Pathogenese<br />
Handelt es sich um eine isolierte Zehenmissbildung, ist die Ätiologie retrospektiv meist nicht feststellbar.<br />
Häufiger kommen die Fehlbildungen an den Zehen jedoch zusammen mit komplexen Missbildungssyndromen<br />
der unteren Extremitäten vor.<br />
Symptome<br />
Bei der überzähligen Anlage von Zehenstrahlen (Polydaktylie) ist in Abhängigkeit von den betroffenen<br />
Strukturen der Fuß verbreitert. Im Lauf des Wachstums kann sich dieser Bef<strong>und</strong> verstärken, so dass es beim<br />
Befall zentraler Zehenstrahlen zur Achsenabweichung <strong>und</strong> räumlichen Bedrängung angrenzender Zehenstrahlen<br />
kommen kann. Zusätzlich kann es durch den verbreiterten Vorfuß zu Problemen im Konfektionsschuhwerk<br />
kommen.<br />
Ein fehlender Zehenstrahl (Oligodaktylie) führt zu einer Verschmälerung des Vorfußes, wohingegen ein<br />
hypoplastischer Zehenstrahl durch seine Unterentwicklung auffällt.<br />
Achsenfehlstellungen der Kleinzehen distal des Kleinzehengr<strong>und</strong>gelenks sind oftmals durch eine trapezförmige<br />
Fehlanlage der Mittelphalanx bedingt (Klinodaktylie). Sie führen oft zu einer Sub- oder Superduktionsstellung<br />
<strong>und</strong> beeinträchtigen daher auch benachbarte Zehen. Der Riesenwuchs einer Zehe betrifft alle Gewebe <strong>und</strong> kann<br />
zu einer erheblichen Überlänge <strong>und</strong> einer räumlichen Abdrängung der benachbarten Zehenstrahlen führen.<br />
Kutane Verschmelzungen einzelner (Syndaktylie) oder aller Zehen, wie z. B. beim Apert-Syndrom, können die<br />
gesamte Zehenlänge oder auch nur den zentralen Teil der Kommissur betreffen. Der Hallux varus congenitus<br />
ist durch die nach medial gerichtete Achsenabweichung des ersten Strahls auffällig. Meist sind der Mittelfuß<br />
bzw. die mediale Fußwurzel mitbetroffen, so dass es sich um ein komplexes Missbildungssyndrom handelt.<br />
Diagnostik<br />
Die Ausbildung zusätzlicher Zehenanlagen (Polydaktylie) kann ausschließlich die distale Phalanx oder auch die<br />
übrigen Phalangen <strong>und</strong> den Mittelfußknochen betreffen. Fehlende oder unterentwickelte Zehenstrahlen<br />
(Oligodaktylie) betreffen meist die Randstrahlen. Röntgenologisch lässt sich das Ausmaß der Fehlanlage<br />
klassifizieren, wobei Synostosen oder Formstörungen der Mittelfußknochen häufig sind. Distale<br />
Achsenfehlstellungen der Kleinzehen sind meist kontrakt <strong>und</strong> lassen sich röntgenologisch auf eine Formstörung<br />
der Mittelphalanx zurückführen (Klinodaktylie). Die von einem Riesenwuchs betroffene Zehe weist klinisch einen<br />
eindeutigen Bef<strong>und</strong> auf. Röntgenologisch lässt sich die skelettale Vergrößerung quantifizieren. Syndaktylien<br />
führen zu einem klinisch eindeutigen Bef<strong>und</strong>, wobei komplexe Missbildungssyndrome (z. B. Apert-Syndrom)<br />
ausgeschlossen werden müssen. Der Hallux varus congenitus muss röntgenologisch abgeklärt werden, um das<br />
Ausmaß der Mitbeteiligung des Mittelfußknochens bzw. der medialen Fußwurzel beurteilen zu können.<br />
Therapie<br />
Überzählige Zehenstrahlen werden meist operativ durch Abtragung behandelt. Fehlende oder hypoplastische<br />
Zehenstrahlen, Achsenabweichungen der Kleinzehen (Klinodaktylie) oder der Riesenwuchs eines Zehenstrahls<br />
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sind nur behandlungsbedürfig, wenn sie ein Fehlwachstum der benachbarten Zehen oder des restlichen Fußes<br />
induzieren oder das Gehen trotz einer Schuhversorgung sehr erschwert ist. Die Trennung isolierter kutaner<br />
Syndaktylien wird meist von den Eltern unter kosmetischen Gesichtspunkten gefordert. Gr<strong>und</strong>sätzlich sollte die<br />
Indikation aber im Kindesalter streng gestellt werden, solange keine funktionelle Beeinträchtigung resultiert.<br />
Die erforderlichen Hauttransplantate führen im weiteren Wachstum oft zur Ausbildung hypertropher Narben <strong>und</strong><br />
erfordern weitere operative Korrekturen. Beim Hallux varus congenitus sind in aller Regel nur operative<br />
Maßnahmen, deren Ausdehnung sich an der Deformität orientiert, erfolgversprechend.<br />
Akuttherapie<br />
Je nach Ausbildung der Fehlanlage können frühzeitig redressierende Verbände oder Schienen angelegt werden,<br />
die im Sinn einer Wuchslenkung wirken sollen.<br />
Konservative/symptomatische Therapie<br />
Ab dem Beginn des Laufalters müssen bei Ausbildung überzähliger Zehenstrahlen (Polydaktylie) oft angepasste<br />
orthopädische Schuhe angefertigt werden, die dem betreffenden Fuß ausreichend Platz bieten. Handelt es sich<br />
um eine Oligodaktylie mit hypoplastischen oder fehlenden Zehenstrahlen, wird für das Kind ein entsprechend<br />
angepasstes Schuhwerk hergestellt, das den Fuß ausreichend bettet.<br />
Operative Therapie<br />
Bei Polydaktylien wird die operative Therapie, d. h. die komplette Entfernung des überzähligen Zehenstrahls,<br />
meist wegen Problemen mit dem Konfektionsschuhwerk durchgeführt. Günstigster Zeitpunkt dafür ist das<br />
Vorschulalter. Klinodaktylien, die zu einer Bedrängung benachbarter Zehen führen, können durch<br />
Korrekturosteotomien begradigt werden. Oft sind Korrekturarthrodesen des Mittel- oder Endgelenks nicht zu<br />
umgehen. Operative Eingriffe zur Reduktion eines von Riesenwuchs betroffenen Zehenstrahls führen oft zu<br />
einem funktionell <strong>und</strong> kosmetisch unbefriedigenden Ergebnis, so dass die Amputation erforderlich wird. Die<br />
Trennung kutaner Syndaktylien erfordert neben einer exakten Planung der Hautinzision die Transplantation von<br />
Hautarealen, die bei Kindern meist aus der Leistenregion entnommen werden können. Die operative Therapie<br />
des Hallux varus congenitus orientiert sich an der individuellen Fehlstellung des ersten Strahls <strong>und</strong> reicht von<br />
Weichteilmaßnahmen (Entspannung der medialen Weichteile <strong>und</strong> Arthrolyse) bis zu komplexen<br />
Korrekturosteotomien <strong>und</strong> Sehnentranspositionen.<br />
Dauertherapie<br />
Die Versorgung mit Einlagen, Schuhzurichtungen oder orthopädischem Schuhwerk kann in Abhängigkeit von der<br />
Schwere der Fehlbildung lebenslang erforderlich sein.<br />
Bewertung<br />
Fehlanlagen der Zehenstrahlen sind prinzipiell nur behandlungsbedürftig, wenn sie zu funktionellen<br />
Einschränkungen führen oder ein Fehlwachstum benachbarter Zehenstrahlen induzieren. Auf operative Eingriffe<br />
aus kosmetischer Indikation sollte vor allem bei Kindern verzichtet werden, um Rezidiveingriffen durch die<br />
Ausbildung hypertropher Narben vorzubeugen.<br />
Nachsorge<br />
Alle Zehenfehlanlagen, die eine Mitbeteiligung knöcherner Elemente aufweisen, sollten zumindest bis zum<br />
Abschluss des Wachstums kurzfristig kontrolliert werden, um die Entwicklung des Fußes hinsichtlich der<br />
erforderlichen Therapiemaßnahmen beurteilen zu können.<br />
Autor<br />
Renée Fuhrmann<br />
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