11.10.2014 Aufrufe

Dystonie - Engelhardt Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Dystonie - Engelhardt Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

Dystonie - Engelhardt Lexikon Orthopädie und Unfallchirurgie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

drucken PDF<br />

PDF 00566<br />

<strong>Engelhardt</strong> (Hrsg.)<br />

<strong>Lexikon</strong> Orthopädie <strong>und</strong> <strong>Unfallchirurgie</strong><br />

<strong>Dystonie</strong><br />

Englischer Begriff<br />

Dystonia<br />

Definition<br />

Unter <strong>Dystonie</strong> versteht man repetitive, anhaltende, unwillkürliche Bewegungen, die häufig einen drehenden<br />

Charakter haben <strong>und</strong> oft zu abnormalen Haltungen führen.<br />

Vorkommen<br />

Man unterscheidet die <strong>Dystonie</strong>n anhand der Topologie <strong>und</strong> der Ätiologie. Topologisch spricht man von fokalen<br />

<strong>Dystonie</strong>n, wenn sie nur auf eine Körperregion bezogen sind, segmentale <strong>Dystonie</strong>n betreffen<br />

zusammenhängende Körperregionen, z. B. zwei kraniale <strong>und</strong> zervikale Muskelgruppen, bei den generalisierten<br />

<strong>Dystonie</strong>n sind mindestens ein Bein <strong>und</strong> ein weiteres Segment betroffen. Die Hemidystonien sind meist<br />

sek<strong>und</strong>är <strong>und</strong> betreffen Arm <strong>und</strong> Bein. Daneben unterscheidet man noch aufgabenspezifische <strong>Dystonie</strong>n, die<br />

nur bei bestimmten Tätigkeiten auftreten. Nach den ätiologischen Ursachen teilt man die <strong>Dystonie</strong>n in primäre<br />

(primär-sporadische, primär-hereditäre) <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>äre <strong>Dystonie</strong>n ein. Tabelle 1 gibt eine Übersicht.<br />

Tabelle 1.<br />

Primäre <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>äre <strong>Dystonie</strong>n.<br />

Ätiologie Erbgang Symptome<br />

Primärsporadische<br />

Formen<br />

Primärhereditäre<br />

Formen<br />

Sek<strong>und</strong>äre<br />

Formen<br />

idiopathische<br />

Torsionsdystonie<br />

autosomal-dominant<br />

autosomal-rezessiv<br />

<strong>Dystonie</strong>-<br />

Plus<br />

sporadisch<br />

Beginn im Erwachsenen- <strong>und</strong> Kindesalter,<br />

generalisiert, segmental, fokal, Drehung des<br />

Kopfs oder des Rumpfs zu einer Seite<br />

klassische Oppenheim-<strong>Dystonie</strong>, DYT1,<br />

Chromosom 9q34.1<br />

Beginn in Jugend, meist segmental, DYT6,<br />

Chromosom 8p21–p22<br />

Torticollis des Erwachsenenalters, DYT7,<br />

manchmal Chromosom 18p<br />

Non-DYT1, DYT4, Dysphonie, variabel<br />

früh beginnende Form DYT2, segmental,<br />

generalisiert<br />

paroxysmale <strong>Dystonie</strong><br />

myoklonische <strong>Dystonie</strong><br />

file:///D|/RAW_TEST/all_pdf_drafts/to008690.html[12.10.2010 07:02:25]


PDF 00566<br />

<strong>Dystonie</strong> bei Parkinson-Syndrom<br />

hereditär<br />

paroxysmale dystone Choreoathetose,<br />

Präzipitation durch Stress, Alkohol, Müdigkeit,<br />

DYT8, Chromosom 2q33–q25<br />

paroxysmale Athetose mit Ataxie bzw. Attacken<br />

von <strong>Dystonie</strong>, Choreoathetose, Doppelbilder,<br />

Parästhesien, Attacken durch Belastung, Alkohol,<br />

Müdigkeit, DYT9, Chromosom 1p21–p23<br />

paroxysmale kinesiogene Choreoathetose,<br />

<strong>Dystonie</strong>, ausgelöst durch plötzliche Belastung,<br />

DYT10<br />

myoklonische <strong>Dystonie</strong>, alkoholsensitiv<br />

<strong>Dystonie</strong> bei Parkinson-Syndrom, DYT12<br />

Dopa-responsive (Segawa-Syndrom), DYT5a,<br />

Chromosom 14q22.1–q22.2<br />

autosomaldominant<br />

autosomalrezessiv<br />

X-<br />

geb<strong>und</strong>enrezessiv<br />

Dopa-responsive<br />

x-linked <strong>Dystonie</strong> bei Parkinson-Syndrom, DYT3,<br />

Chromosom Xq13.1<br />

sporadisch<br />

Morbus Parkinson<br />

progressive supranukleäre Blickparese<br />

Multisystematrophie<br />

hereditär<br />

Assoziationen mit<br />

metabolischen<br />

Erkrankungen<br />

Lipidosen<br />

sonstige metabolische<br />

Erkrankungen<br />

erworben<br />

Morbus Huntington, Morbus Wilson, Morbus<br />

Hallervorden-Spatz, familiäre<br />

Basalganglienverkalkung, spinozerebelläre<br />

Degeneration<br />

Homozysteinurie, Glutaratazidämie,<br />

Methylmalonatazidämie, Morbus Hartnup,<br />

Tyrosinose<br />

metachromatische Leukodystrophie, GM1-<br />

Gangliosidose, GM2-Gangliosidose,<br />

Hexosaminidase-A- <strong>und</strong> -B-Mangel,<br />

Zeroidlipofuszinose, dystone Lipidose<br />

mitochondriale Enzephalopathien, Lesch-Nyhan-<br />

Syndrom, Triosephosphatase-Isomerase-Mangel,<br />

Vitamin-E-Mangel<br />

perinatale Hirnläsionen <strong>und</strong> Kernikterus,<br />

Infektionen, Toxine, Medikamente,<br />

paraneoplastische Syndrome, fokale ZNS-<br />

file:///D|/RAW_TEST/all_pdf_drafts/to008690.html[12.10.2010 07:02:25]


PDF 00566<br />

Läsionen, Läsionen des peripheren<br />

Nervensystems<br />

Psychogene<br />

Formen<br />

Pseudodystonien<br />

(häufig<br />

Torticollis)<br />

atlantookzipitale Subluxation, Arnold-Chiari-<br />

Syndrom, fokale Anfälle, Trochlearisparese,<br />

vestibulärer Torticollis, Tumoren der hinteren<br />

Schädelgrube, Weichteiltumore, kongenitales<br />

Klippel-Feil-Syndrom, Sandifer-Syndrom,<br />

kongenitale Muskelläsionen, Stiff-man-Syndrom<br />

Bei den <strong>Dystonie</strong>n kommt es zu einem fehlerhaften Zusammenspiel der Muskulatur, welches zu Hypertrophie<br />

einiger Muskeln mit nachfolgenden Schmerzen <strong>und</strong> Fehlhaltung führt.<br />

Die Pathophysiologie ist bislang nicht geklärt, die Störung liegt vermutlich im Basalganglienbereich;<br />

medikamentös induzierte <strong>Dystonie</strong>n bei L-Dopatherapie, Neuroleptika, d. h. Medikamenten, die in den<br />

Dopaminstoffwechsel eingreifen. Symptomatische <strong>Dystonie</strong>n: Läsionen im Putamen <strong>und</strong> Thalamus, DYT5-<br />

Reduktion der Dopaminsynthese. Diskutiert werden auch Umorganisationsprozesse im Kortex. Prävalenz aller<br />

<strong>Dystonie</strong>n kombiniert: 39 / 100.000.<br />

Diagnostik<br />

Elektromyographie: Identifikation der beteiligten Muskeln; Bildgebung: kraniale <strong>und</strong> zervikale<br />

Magnetresonanztomographie; Labor: Kupfer, Coeruloplasmin; Gentests.<br />

Differenzialdiagnose<br />

Generalisierte <strong>Dystonie</strong>n: 3,4 / 100.000; in 60 % der Fälle Krankheitsbeginn vor dem zehnten Lebensjahr, bei<br />

50 % fokal, 90 % der <strong>Dystonie</strong>n des Jugendalters hereditär (Ashkenazi-Juden).<br />

Fokale <strong>Dystonie</strong>n: 29,5 / 100.000; Fluktuationen der Ausprägung häufig.<br />

Spontane orale Dyskinesien: 10 % der über 60-Jährigen.<br />

Genetische Tests.<br />

Therapie<br />

Konservative/symptomatische Therapie<br />

Neben der medikamentösen Therapie Physiotherapie, Ergotherapie, Behandlung sek<strong>und</strong>ärer Beschwerden<br />

vonseiten der Gelenke oder Wirbelsäule durch physikalische Therapieformen <strong>und</strong> Massage.<br />

Medikamentöse Therapie<br />

Generalisierte <strong>Dystonie</strong>: L-Dopa, aber auch antidopaminerge Medikation, stereotaktische Eingriffe.<br />

Paroxysmale kinesiogene Choreoathetosis: Carbamazepin.<br />

Paroxysmale non-kinesiogene <strong>Dystonie</strong>: Acetazolamid.<br />

Spontane orale Dyskinesien: Tetrabenazin.<br />

Fokale <strong>Dystonie</strong>n: Botulinumtoxin A, B (chemische Denervierung der Muskulatur, insbesondere bei fokaler<br />

<strong>Dystonie</strong>), L-Dopa, Baclofen, Trihexyphenidyl, Tetrabenazin, Haloperidol, Clonazepam, , Pimozid.<br />

Operative Therapie<br />

Muskelkorrigierende Operationen, dorsale Rhizotomien; tiefe Hirnstimulation (Globus pallidus internus).<br />

Bewertung<br />

Generalisierte <strong>Dystonie</strong>: je älter die Jugendlichen, desto besser die Prognose.<br />

Fokale <strong>Dystonie</strong>n: im Allgemeinen geringere Progression der Erkrankung.<br />

file:///D|/RAW_TEST/all_pdf_drafts/to008690.html[12.10.2010 07:02:25]


PDF 00566<br />

Botulinumtoxintherapie für fokale <strong>Dystonie</strong>n sehr effektiv.<br />

Tiefe Hirnstimulation bisher vor allem bei generalisierter <strong>Dystonie</strong> erprobt <strong>und</strong> erfolgreich.<br />

Nachsorge<br />

Physiotherapie, Ergotherapie.<br />

Autor<br />

Iris Reuter<br />

file:///D|/RAW_TEST/all_pdf_drafts/to008690.html[12.10.2010 07:02:25]

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!