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2 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
❱<br />
IN DIESER<br />
AUSGABE<br />
22<br />
<strong>Ferrari</strong><br />
ZUM SIEGEN VERDAMMT<br />
eilt der Konkurrenz schon viel zu lange hinterher. Mit einem<br />
radikalen Umbruch soll die Scuderia in den kommenden Jahren wieder<br />
auf die <strong>Erfolg</strong>sspur zurück finden.<br />
FORMEL 1<br />
FERRARI: Zum <strong>Erfolg</strong> <strong>verdammt</strong> 22<br />
HISTORY: Legendäre <strong>Ferrari</strong>-Boliden 30<br />
INTERVIEW: Lewis Hamilton 38<br />
VALTTERI BOTTAS: Cool genug für den Titel 44<br />
TOP-5: Finnische Momente 48<br />
SEBASTIAN VETTEL: Qualen eines Champions 52<br />
INTERVIEW: Adrian Sutil 58<br />
MOTORRAD<br />
VERGLEICH: Rossi vs. Marquez 64<br />
MOTO3: Rossis Kindergarten 70<br />
INTERVIEW: Colin Edwards 72<br />
DANI PEDROSA: Seine vielen Gesichter 80<br />
TOP-5: Treue Seelen der MotoGP 86<br />
INTERVIEW: Carmelo Ezpeleta 90<br />
ANDREA IANNONE: Crazy Joe 94<br />
HISTORY: Freddie Spencer im Interview 98<br />
MOTORSPORT<br />
DTM: Paul di Resta im Interview 106<br />
LEGENDÄRE BOLIDEN: Mercedes C-Klasse 110<br />
ADAC MOTORSPORT: Splitter 112<br />
SERVICE<br />
GAMES 06<br />
INSIDE 08<br />
KOLUMNEN 14<br />
IMPRESSUM 114<br />
DUELL DER GIGANTEN<br />
Marc Marquez gegen Valentino Rossi: Was haben die beiden größten<br />
Stars der MotoGP gemeinsam? Was unterscheidet sie? <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>.com macht den ultimativen Vergleich.<br />
64<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, MILAGRO<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 3
EDITORIAL<br />
Stephan: »Kamui<br />
Kobayashis Kampf-Elch<br />
- richtig blutrünstig.«<br />
»ICH WILL<br />
RENN-KÜHE!«<br />
VORSICHT, DRUCKFRISCH!<br />
MOTORSPORT-MAGAZIN.COM<br />
AUSGABE 39 IST STARTKLAR. DER<br />
WEG ZUM FERTIGEN COVER<br />
WAR GAR NICHT SO EINFACH...<br />
Kerstin: »Österreichische<br />
Kühe - einfach fesch«<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, SAUBER<br />
Stephan: Es ist wieder Cover-Time!<br />
Kerstin: Oh je. Das sieht ja schlimm aus...<br />
Klaus [Art Director, empört]: Hey! Passt bloß auf.<br />
Stephan: Fernando hat eben wenig Grund zur Freude.<br />
Kerstin: Vielleicht sollten wir lieber Kamuis Kampf-<br />
Elch aus der Versenkung hervorholen?<br />
Stephan: Absoluter Kult! Aber mir fehlen irgendwie die<br />
Kühe auf dem Titel...<br />
Kerstin: Du und deine Kühe.<br />
Stephan: Spielberg, Magny Cours - zu einer gescheiten<br />
Rennstrecke gehören nun mal zuschauende Kühe!<br />
Kerstin: Nix da. Wie wäre es mit Lewis? Der hat<br />
(meines Wissens) zwar keine Kühe, aber zwei<br />
Hunde.<br />
Stephan: Und die sehen so ähnlich aus wie Kühe!<br />
Kerstin: Da kann selbst ich als Tierliebhaberin nicht<br />
überzeugend widersprechen...<br />
Lewis tweetet [mal wieder]: #bestbuddies #bestdogs<br />
#godisthegreatest<br />
Kerstin: Na gut, Lewis oben groß und zur vollen roten<br />
Dröhnung fährt Kimi in den Vordergrund.<br />
Stephan: Also genau das gleiche wie vor zwei<br />
Ausgaben...<br />
Kerstin: Oh, na das nenne ich effizient. Nehmt das ihr<br />
Power Units!<br />
Stephan: Um beim <strong>Ferrari</strong>-Thema zu bleiben: wie wäre<br />
es mit einem springenden Pferd - mit Kuhkopf!<br />
Kerstin: Klaus montiert ja gerne Köpfe auf andere<br />
Körper...<br />
Klaus: Hört mir bloß auf. Nicht schon wieder!<br />
Kerstin: Unsere Leser werden sich jetzt bestimmt<br />
fragen, auf welchen Titelseiten wir schon montierte<br />
Köpfe hatten. Tipps nehmen wir unter leserbriefe@<br />
motorsport-magazin.com entgegen!<br />
Stephan: Zu gewinnen gibt es: ein digitales Foto einer<br />
Kuh, wahlweise aus Magny Cours oder Spielberg.<br />
Kerstin [schüttelt resignierend mit dem Kopf]: Wenn<br />
das Heft endlich im Druck ist, fahr ich mit dir ein paar<br />
Kühe suchen.<br />
Stephan: Vielleicht finden wir irgendwo auf dem Weg<br />
auch ein paar ausgewanderte kanadische Murmeltiere.<br />
Das wär‘ cool.<br />
[Anm. des zurechnungsfähigen Teils der Redaktion:<br />
unser weiser, ehemaliger Kollege Falko pflegt stets zu<br />
sagen: »Elche, Kühe, Murmeltiere, es sollten sowieso<br />
mehr Tiere aufs Cover, schließlich geht <strong>Motorsport</strong> nicht<br />
ohne...«]<br />
Kerstin: Irgendwie war es bei unserer letzten Ausgabe<br />
mit dem schelmisch grinsenden Doktor einfacher. Die<br />
Motorräder haben es einfach immer besser.<br />
Stephan: Aber Vorsicht: auf unserem Cover lastet ein<br />
übler Fluch!<br />
Kerstin: So schaut Alonso da auch aus...<br />
Stephan: Nein! Oder vielleicht schon. Egal. Wir hatten<br />
dieses Jahr schon Lewis und Nico drauf. Danach hat<br />
der jeweilige Fahrer die WM-Führung verloren.<br />
Kerstin: Also, was bieten sie uns wohl dafür, wenn wir<br />
jetzt den jeweils anderen abbilden?<br />
Stephan: Nico habe ich schon im Sommer von unserem<br />
Fluch erzählt. Er ist nicht drauf eingestiegen...<br />
Kerstin: Tja, selbst schuld. Was meint der wohl, was<br />
mit seinem Lenkrad in Singapur wirklich los war?<br />
4 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
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In DRIVECLUB wird<br />
gemeinsam um die<br />
Wette gefahren<br />
FOTOS: PLAYSTATION<br />
Los geht‘s: DRIVECLUB<br />
lädt zu spannenden<br />
Rennen ein<br />
6 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Design Director Simon Barlow<br />
THE<br />
TEXT: CHRISTIAN BENZ<br />
WORLD’S<br />
COOLEST<br />
CARS<br />
BEIM NEUEN RENNSPIEL ‚DRIVECLUB‘ GEHT ES UM DEN SPIELER UND<br />
SEINE FREUNDE. ES GEHT UM TEAMWORK. ES GEHT DARUM, DASS<br />
ALLE GEMEINSAM BELOHNUNGEN VERDIENEN UND DEN NERVENKITZEL<br />
DER RENNEN ZUSAMMEN ERLEBEN.<br />
S<br />
tart frei DRIVECLUB: den ersten Racer für PlayStation4. Am 8. Oktober<br />
endete für alle Gamer die Wartezeit auf den heiß ersehnten Exklusivtitel<br />
für Sonys PlayStation 4. Das Entwicklerstudio Evolution Studios, das<br />
schon für den Bestseller MotorStorm verantwortlich zeichnete, nahm sich die nötige<br />
Zeit, um das Spiel so detailreich und realistisch wie möglich zu gestalten.<br />
Das ist Design Director Simon Barlow und seinen Kollegen gelungen. Das Spiel<br />
ist mit derart vielen Details gespickt, dass man fast meinen könnte, es handle<br />
sich um eine reale Welt. »Wenn du mit deinem Luxuswagen den Berg hinaufjagst,<br />
kannst du sogar die Bewegung vom Gras neben der Strecke erkennen«, erzählt<br />
Barlow im Gespräch mit <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com.<br />
Das ist aber noch nicht alles. Ein fließender Sonnenuntergang überzeugt realistisch.<br />
»Du fährst durch Kanada und plötzlich fährst du an einer sehr realistischen<br />
Teeplantage vorbei«, erzählt Barlow weiter. Außerdem verändern sich die Lichtverhältnisse<br />
auf verschiedenen Teilstücken der Strecke.<br />
Die Entwickler betonen, dass es sich bei DRIVECLUB nicht um einen Simulator<br />
wie beispielsweise Gran Turismo handelt. Der Spaß beim Fahren soll oberste<br />
Priorität haben. Natürlich gepaart mit den Bemühungen, das Spiel so realistisch<br />
wie möglich zu gestalten - diese oberste Maxime betonen die Entwickler immer<br />
und immer wieder.<br />
Wie in jedem Rennspiel sind die Hauptdarsteller natürlich die detailreich nachgebildeten<br />
Boliden in der Garage des Spielers. Jedes einzelne Auto in DRIVECLUB<br />
wurde für seine Leistung und Schönheit ausgewählt. Der Spieler kann seine<br />
Fahrzeuge im Look personalisieren oder an die Farben seines Clubs anpassen.<br />
Die zur Auswahl stehenden Rennstrecken wurden von real existierenden Straßen<br />
in aller Welt inspiriert und bieten somit eine Vielzahl an Herausforderungen für<br />
den Spieler. Die Palette reicht von schnellen kanadischen Autobahnen über die<br />
unvorhersehbaren Straßen des britischen Königreichs bis hin zu den verstaubten<br />
Bergstraßen Indiens.<br />
Ganz wichtig ist im Spiel das ‚Social-Feature‘, auf das Barlow und seine Kollegen<br />
bei der Entwicklung sehr viel Wert gelegt haben. Im Spiel selbst bildet dieser den<br />
Hauptpart. Der Spieler kann online gemeinsam mit seinen Freunden um die<br />
Strecke jagen, er kann aber auch alleine fahren, eine Zeit setzen und diese in<br />
seiner Community posten. Diese Zeit kann dann von seinen Freunden geschlagen<br />
werden. »Wann immer du willst, du kannst es sofort machen, aber auch einen<br />
oder mehrere Tage später, ganz egal«, erklärt Barlow. »Du bist absolut frei, je<br />
nachdem wann du Lust hast.«<br />
Das Spiel bildet somit das Grundgerüst für die Weiterentwicklung durch die<br />
Community. Mit deren Feedback soll das Game stetig verbessert und vorangetrieben<br />
werden. Ziel des Spiels ist, nicht einfach nur ein Rennen nach dem anderen<br />
zu gewinnen, so Barlow, sondern innerhalb seiner Community »Fame« zu erlangen.<br />
Das mache das Spiel aus. »Das soll dir den Kick geben«, betont er. Das Ziel lautet:<br />
der beste Racer unter deinen Freunden zu sein. Mit der iOS und Android App sind<br />
DRIVECLUB-Spieler rund um die Uhr über die Ergebnisse ihrer Teamkollegen<br />
informiert. Barlow verspricht: »Wenn du ein <strong>Motorsport</strong>-Enthusiast bist, dann ist<br />
das das optimale Spiel für dich, echtes Racing für <strong>Motorsport</strong>-Verrückte.«
FORMEL 1<br />
INSIDE<br />
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER & MANUEL SPERL<br />
STRECKEN AUS ALLER WELT<br />
DER KALENDER FÜR DIE FORMEL-1-SAISON 2015<br />
DIE GEFÄHRLICHSTE: Das alte<br />
Streckenlayout des Nürburgrings, inklusive<br />
der Nordschleife, galt lange Zeit als<br />
Synonym für Gefahr. »Beim Nürburgring<br />
kann man sich nie sicher sein, dass man<br />
wieder heil in sein Hotel zurückkommt«,<br />
sagte Jackie Stewart einst. Im Verlauf<br />
der Jahre mussten einige Piloten ihren<br />
Wagemut mit dem Leben bezahlen. Der<br />
Kurs wurde 1972 eingeweiht und war in<br />
seiner ursprünglichen Form bis 1982 im<br />
Kalender zu finden.<br />
DIE VERRÜCKTESTE: Das Parkplatzgelände<br />
des damals bekanntesten<br />
und größten Hotels von Las Vegas,<br />
Caesars Palace, ist bis heute der<br />
skurrilste Ort für einen Formel-1-Grand<br />
Prix. Nachdem sich das Zuschauerinteresse<br />
in Grenzen hielt und die<br />
Fahrer wegen der buckeligen Piste,<br />
dem Wüstensand und der brütenden<br />
Hitze auf die Barrikaden gingen, wurde<br />
das Rennen 1983 aus dem Kalender<br />
gestrichen.<br />
DIE LEGENDÄRSTE: Der Circuit de<br />
Charade in der Nähe von Clermont-<br />
Ferrand war ein Kurs auf den Hängen<br />
eines erloschenen Vulkans. Jochen Rindt<br />
zog es 1969 vor, das Rennen mit offenem<br />
Helm zu fahren, falls ihm auf der acht<br />
Kilometer langen Achterbahn schlecht<br />
wurde. Das Layout umfasste eine linksrechts-links-rechts<br />
Kombination, die von<br />
einem Highspeed-Geschlängel abgelöst<br />
wurde. Dazwischen folgten Geraden über<br />
Bergkuppen<br />
DIE EINSAMSTE: »Hier gibt‘s ja<br />
nichts«, stellte Sebastian Vettel fest.<br />
»Die Strecke gefällt mir durchaus, doch<br />
die Gegend ist leider ein bisschen<br />
langweilig.« Rund um den Kurs in Korea<br />
bot sich den Piloten ein trostloses Bild<br />
aus grauen Werften, Industriebarracken<br />
und Kiesgruben. Dabei sollte es doch<br />
ein Stadtrennen werden. Nur wo war<br />
die Stadt? Auf menschliche Zivilisation<br />
trafen die Fahrer erst in der 400 km<br />
entfernten Hauptstadt Seoul.<br />
Datum Grand Prix Ort<br />
15. März Australien GP Melbourne<br />
29. März Malaysia GP Sepang<br />
05. April Bahrain GP Sakhir<br />
19. April China GP Shanghai<br />
10. Mai Spanien GP Barcelona<br />
24. Mai Monaco GP Monte Carlo<br />
07. Juni Kanada GP Montreal<br />
21. Juni Österreich GP Spielberg<br />
05. Juli Großbritannien GP Silverstone<br />
19. Juli Deutschland GP Nürburgring<br />
26. Juli Ungarn GP Budapest<br />
23. August Belgien GP Spa-Francorchamps<br />
06. September Italien GP Monza<br />
20. September Singapur GP Marina Bay<br />
27. September Japan GP Suzuka<br />
11. Oktober Russland GP Sotschi<br />
25. Oktober USA GP Austin<br />
01. November Mexiko GP Mexico City<br />
15. November Brasilien GP Sao Paulo<br />
29. November Abu Dhabi GP Yas Marina<br />
8 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
MSM WELTTOURNEE<br />
VON MELBOURNE BIS ABU DHABI: MOTORSPORT-MAGAZIN.COM IST STETS<br />
AUF ACHSE. UNSERE REISE-HIGHLIGHTS 2014:<br />
Hilfe in Melbourne: Wildfremde greifen<br />
allerorts unerwartet nach deinem Gepäck<br />
- und wollen es für dich tragen!<br />
Kerstins Bewertung: <br />
Atemlos durch die Nacht:<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
erkundet Singapur<br />
Duschen in Malaysia: Binnen Sekunden<br />
patschnass bis auf die Haut. Mit<br />
dem Monsun ist nicht zu Spaßen. Besonders<br />
prickelnd: Wenn der Koffer verloren<br />
gegangen ist.<br />
Kerstins Bewertung: <br />
Tanken in Bahrain: 50 Euro-Schein<br />
hingeben, umgerechnet 70 Euro<br />
rausbekommen. So machen wir gerne<br />
Geschäfte!<br />
Christians Bewertung: <br />
Promis in Monaco: Eng und überfüllt,<br />
mehr Gedränge gibt es nirgendwo.<br />
Pseudosternchen? Fehlanzeige! Hier gibt<br />
es noch echte Stars! Und einen Blick auf<br />
Justin Biebers Unterhose...<br />
Kerstins Bewertung: <br />
Schwitzen in Singapur: Nachtrennen.<br />
Keine Sonne, keine Hitze. Von wegen! Ein<br />
paar Minuten in der schwülen Luftfeuchtigkeit<br />
von Singapur sind selbst nachts<br />
schlimmer als eine Runde joggen in Spa.<br />
Christians Bewertung: <br />
UMFRAGE<br />
WELCHE<br />
TRADITIONSSTRECKE<br />
WÜNSCHT IHR EUCH ZURÜCK?<br />
IMOLA 53%<br />
MAGNY COURS 18%<br />
WATKINS GLEN 9%<br />
ADELAIDE 8%<br />
FUJI 6%<br />
DONINGTON 6%<br />
Leser-Umfrage auf<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
STRECKENSTATISTIK<br />
Verschiedene Strecken: 68<br />
Anzahl der Länder: 31<br />
Längste Strecke: Circuit di Pescara<br />
(25,838 km)<br />
Kürzeste Strecke: Monaco (3,145 km)<br />
Meiste Grand Prix: Monza (64)<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 9<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, MOTORSPORT-MAGAZIN.COM
MOTORRAD<br />
INSIDE TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
Stefan Bradl stellte<br />
sich unseren acht<br />
Kult-Fragen<br />
8<br />
FRAGEN AN<br />
STEFAN BRADL<br />
Pizza oder Weißwurst?<br />
Pizza.<br />
Zweitakter oder Viertakter?<br />
Natürlich waren die Zweitaktzeiten sehr schön,<br />
aber die Zukunft gehört in jedem Bereich den<br />
Viertaktern.<br />
Sachsenring oder Nürburgring?<br />
(überlegt lange) Nürburgring.<br />
Feiern in der Disco oder Relaxen auf<br />
der Couch?<br />
Relaxen auf der Couch.<br />
Nachtrennen oder Tagrennen?<br />
Wir haben ja nur eines. Das hat seinen Reiz, aber<br />
jedes Wochenende ein Nachtrennen wäre ja ein<br />
Schmarrn.<br />
Agostini oder Rossi?<br />
Ich habe Agostini nie Fahren sehen, daher Rossi.<br />
FC Bayern oder Borussia Dortmund?<br />
Das beantworte ich nicht. (Bayern-Fan Bradl<br />
grinst)<br />
MotoGP oder Isle of Man TT?<br />
Ganz klar MotoGP.<br />
WILLKOMMEN<br />
ZURÜCK, APRILIA!<br />
In Misano wurde es offiziell: Aprilia wagt 2015 den Schritt zurück in die<br />
Motorrad-WM. Allerdings wird der italienische Hersteller nicht mit einem<br />
eigenen Werksteam antreten, sondern übergibt den Renneinsatz der<br />
Motorräder in die erfahrenen Hände von Fausto Gresini und seinem Team. Der<br />
Italiener ist mit seinem Rennstall seit 1997 in der WM vertreten und tritt seit<br />
2002 ununterbrochen in der MotoGP an. Aprilia unterhielt zwischen 2002 und<br />
2004 bereits ein eigenes Werksteam in der Königsklasse, schaffte es in dieser<br />
Zeit aber nie auf das Podium. Der erste Werksfahrer ist mit Alvaro Bautista<br />
bereits gefunden, Testpilot wird kein Geringerer als Max Biaggi.<br />
10 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
MOTGP<br />
NACHSCHUB<br />
FOTOS: MILAGRO, SUZUKI<br />
Die Frischzellenkur in der MotoGP geht auch in der kommenden<br />
Saison weiter. Während sich der 40-jährige Colin Edwards im<br />
Sommer in den Ruhestand verabschiedete, haben bereits drei<br />
Neulinge ihre Verträge für den Einstieg in die Königsklasse<br />
unterschrieben. Der Nordire Eugene Laverty (28) kehrt der<br />
Superbike-WM nach 13 Siegen in vier Jahren den Rücken und<br />
heuert beim Aspar-Team an. Maverick Vinales (19) verlässt die<br />
Moto2 nach nur einem Jahr und darf sich künftig Suzuki-Werksfahrer<br />
nennen. Besondere Aufmerksamkeit wurde aber dem<br />
Aufstieg von Jack Miller (19) zuteil. Der Australier wechselt<br />
direkt aus der Moto3 in die MotoGP und übernimmt bei LCR<br />
Honda einen Production Racer von Honda. Miller ist damit der<br />
erste Pilot, der direkt von der kleinsten in die größte Klasse der<br />
Weltmeisterschaft aufsteigt.<br />
Der Doktor hat über<br />
5.000 Punkte mit<br />
seinen Operationen<br />
verdient<br />
DER ERSTE 5.000er<br />
SCHWEIZER<br />
DREAMTEAM<br />
Der vielleicht begnadetste Motorradfahrer der Geschichte bricht auch in seiner<br />
19. Saison in der Weltmeisterschaft und im Alter von 35 Jahren noch immer<br />
Rekorde. Der Grand Prix von Großbritannien in Silverstone markierte Rossis<br />
246. Start in der Königsklasse. Damit setzte er sich alleinig an die Spitze der<br />
Rekordlisten und ließ den Brasilianer Alex Barros (245 Starts) hinter sich.<br />
Zwei Wochen später durchbrach Rossi mit seinem Sieg in Misano als erster<br />
Pilot in der Geschichte der Motorrad-WM die Schallmauer von 5.000 WM-<br />
Punkten. Im nächsten Jahr wird Rossi auch den klassenübergreifenden Startrekord<br />
von Loris Capirossi (aktuell bei 328 WM-Rennen) brechen.<br />
Die beiden Schweizer Aushängeschilder Tom Lüthi und Dominique<br />
Aegerter werden 2015 gemeinsam in einem Team in der Moto2<br />
unterwegs sein. Das Interwetten Team von Daniel M. Epp und der<br />
Technomag carXpert Rennstall von Fred Corminboeuf bündeln ihre<br />
Kräfte und werden gemeinsam unter dem Namen Team Derendinger-<br />
Interwetten antreten. Ergänzt wird die Schweizer Nationalmannschaft<br />
von Robin Mulhauser, der das Fahrer-Trio komplettiert. Überhaupt<br />
befindet sich die Schweiz in der Moto2 im Aufwind: Jesko Raffin, der<br />
Führende der spanischen Meisterschaft, konnte sich für 2015 einen<br />
Platz in der zweithöchsten Klasse der WM sichern. Hopp Schwiiz!<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 11
Großer Wunsch:<br />
Nabil Jeffri träumt<br />
von der Formel 1<br />
FOTOS: ATS FORMEL 3 CUP/ALEXANDER TRIENITZ, ADRIVO/SUTTON<br />
FRAGEN AN<br />
TEXT: ROBERT SEIWERT<br />
NABIL JEFFRI<br />
DER ATS FORMEL 3 CUP GILT ALS DAS ABITUR DES MOTORSPORTS. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM<br />
WIRFT EINEN GENAUEN BLICK INS FAHRERLAGER UND PRÄSENTIERT HOFFNUNGSVOLLE TALENTE UND<br />
SPANNENDE GESCHICHTEN. DIESMAL: NABIL JEFFRI, BOTSCHAFTER MALAYSIAS UND PETRONAS-JUNIOR.<br />
Nabil, du bist seit vergangenem Jahr offizieller<br />
Botschafter für deine Heimat Malaysia. Was<br />
bedeutet das für dich?<br />
Das ist etwas ganz Besonderes und macht mich<br />
sehr stolz. Nicht viele Menschen werden für solch<br />
eine Aufgabe auserwählt. Mein Ziel ist, den Leuten<br />
meine Heimat Malaysia näher zu bringen. Ich treffe<br />
das Jahr über viele Menschen und erzähle ihnen<br />
unsere Geschichte - ein großes Privileg für mich.<br />
Zu dieser Aufgabe kam ich dank meiner <strong>Erfolg</strong>e<br />
im <strong>Motorsport</strong>. Der Sportminister Malaysias kam<br />
im vergangenen Jahr auf mich zu und fragte, ob<br />
ich die Rolle des Botschafters übernehmen wolle.<br />
Ich habe sogar schon unseren Premierminister<br />
getroffen. Er interessiert sich für meine Karriere<br />
und unterstützt mich sehr.<br />
Mit Petronas hast du einen weiteren starken<br />
Partner an deiner Seite. Wie wichtig ist das für<br />
deinen Werdegang?<br />
Ohne Petronas wäre ich gar nicht hier. Ich habe<br />
großes Glück, dass sie mich unterstützen und bei<br />
meinem Weg nach oben begleiten. Das Besondere<br />
daran ist ihre enge Verbindung <strong>zum</strong> Formel-<br />
1-Team von Mercedes. Einen besseren Partner<br />
kann ich mir also gar nicht vorstellen. Wenn ich<br />
weiter gute Leistungen erziele, habe ich eine<br />
Chance, einmal ins Formel-1-Team aufzusteigen.<br />
Petronas ist dabei ein ganz wichtiger Teil, für den<br />
sportlichen <strong>Erfolg</strong> bin ich aber selbst<br />
verantwortlich.<br />
Du bist noch immer der jüngste Pilot, der<br />
jemals ein Formel-1-Auto getestet hat. Wie kam<br />
es im Jahr 2010 dazu?<br />
Stimmt, da war ich gerade einmal 16 Jahre alt.<br />
Caterham-Besitzer Tony Fernandes wurde nach<br />
meinen sportlichen <strong>Erfolg</strong>en in Malaysia auf mich<br />
aufmerksam. Ich stand gerade unter der Dusche,<br />
als er mich anrief und fragte, ob ich eines ihrer<br />
Formel-1-Autos testen wolle. Zuerst dachte ich,<br />
das sei ein Scherz! Natürlich sagte ich zu. Nur eine<br />
Woche später flog ich nach England und absolvierte<br />
auf dem Flughafen von Duxford einen Aero-<br />
Test. Es war verrückt, wie viele Ingenieure sich<br />
dort um mich kümmerten. So etwas hatte ich noch<br />
nie zuvor erlebt. Der Test war einzigartig, das Auto<br />
fühlte sich so unheimlich schnell an. Ich bin Tony<br />
sehr dankbar für das Vertrauen - wer würde einem<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com ist offizieller Medien-Partner des ATS Formel Cup.<br />
12 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Jeffri durfte mit 16<br />
Jahren einen<br />
Lotus testen<br />
NABILS GROSSER TAG<br />
16-Jährigen schon die Chance geben, ein F1-Auto<br />
zu fahren?<br />
Du bestreitest dieses Jahr deine zweite Saison<br />
im ATS Formel 3 Cup. Inwiefern hast du dich<br />
verbessert?<br />
Ich habe auf jeden Fall einen großen Sprung nach<br />
vorne gemacht. Inzwischen kenne ich vor allem die<br />
Strecken viel besser als in meinem Rookie-Jahr. Mit<br />
meinem Team Motopark hatte ich eine tolle Vorbereitung<br />
auf die Saison, das kam mir sehr zugute. Ich<br />
reise vor den Rennen <strong>zum</strong> Team nach Oschersleben,<br />
um mich im Simulator vorzubereiten.<br />
Weißt du schon, wie es mit deiner Karriere<br />
weitergeht?<br />
Der Plan ist, nächstes Jahr in die Formel 3 Europameisterschaft<br />
aufzusteigen und dort an meine<br />
Leistungen anzuknüpfen. Ich möchte die Karriereleiter<br />
Schritt für Schritt hinaufklettern. Nachwuchsserien<br />
wie die GP3 und GP2 sind weitere<br />
Etappenziele hin zu meinem großen Traum: für<br />
Mercedes AMG in der Formel 1 zu fahren. Ich weiß,<br />
dass es bin dahin noch ein langer Weg ist und man<br />
viel Erfahrung braucht, um in der Formel 1 zu starten.<br />
Ich muss einfach schauen, dass meine Ergebnisse<br />
stimmen.<br />
Der 1. September des Jahres 2010 wird<br />
Nabil Jeffri wohl für immer im Gedächtnis<br />
bleiben. An jenem Tag durfte der damals<br />
16-Jährige auf dem Duxford Flugplatz in<br />
England <strong>zum</strong> ersten Mal ein Formel-<br />
1-Auto fahren. Der Malaysier saß bei<br />
einem Straight-Line-Aerodynamiktest am<br />
Steuer eines Lotus-Boliden des heutigen<br />
Caterham Teams. Mit Rat und Tat standen<br />
Jeffri Stammpilot Heikki Kovalainen und<br />
Testfahrer Fairuz Fauzy zur Seite. »Er hat<br />
das Vertrauen zurückbezahlt, das ich in<br />
ihn gesteckt habe«, sagte Teamchef Tony<br />
Fernandes. »Seine Leistung war unglaublich<br />
gut und das macht mich sehr stolz.<br />
Ich gehe davon aus, dass sich Nabils Kopf<br />
auf der Heimreise drehen wird, aber er<br />
kann jetzt sagen, dass er ein F1-Auto<br />
gefahren ist.«
Alex Criville holte<br />
sich in Assen<br />
den ersten Sieg<br />
TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
SPANIENS ERSTER SIEG<br />
IN DER KÖNIGSKLASSE<br />
Mick Doohan hatte das Jahr 1992 dominiert, als die Motorrad-WM Ende Juni<br />
in Assen gastierte. Der amtierende Weltmeister Wayne Rainey hatte sich als<br />
einziger Rivale um den Titel erwiesen. In Assen war das Rennen für Rainey<br />
wegen einer Handgelenksverletzung aber schon nach dem Training vorbei.<br />
Im Qualifying erwischte es Doohan schlimm, als sich dieser bei einem Sturz<br />
einen doppelten Bruch des rechten Unterschenkels zuzog. In Abwesenheit<br />
der Titelrivalen konnte sich Altmeister Eddie Lawson die Pole Position<br />
schnappen. Im Rennen sollte aber ein anderer Fahrer die Oberhand behalten:<br />
Rookie Alex Criville. Der Spanier fiel zunächst nicht auf, an der Spitze duellierten<br />
sich Lawson und Kevin Schwantz. Doch in der siebten Runde krachte<br />
das Führungsduo zusammen, als Lawsons Cagiva den Hinterreifen von<br />
Schwantz‘ Suzuki berührte und beide Motorräder abflogen. Damit erbte Alex<br />
DENK-<br />
WÜRDIGE<br />
RENNEN<br />
Barros die Führung, doch John Kocinski, Juan Garriga und Criville rasten<br />
von hinten heran. Mehrfach wechselte die Führung innerhalb dieser Vierergruppe,<br />
aber auf der Ziellinie hatte Criville 0.762 Sekunden die Nase vor<br />
Kocinski und Barros. Das Besondere an diesem <strong>Erfolg</strong>? Spanien hatte zu<br />
diesem Zeitpunkt zwar schon 23 Weltmeister-Titel, aber Crivilles Triumph<br />
in Assen bedeutete den ersten Rennsieg der stolzen Motorradnation in der<br />
Königsklasse. Sieben Jahre später sollte sich Criville <strong>zum</strong> ersten spanischen<br />
500cc-Weltmeister krönen und damit den Grundstein zur aktuellen Dominanz<br />
spanischer Piloten legen.<br />
DATUM: 27. Juni 1992<br />
STRECKE:<br />
Assen<br />
DISTANZ:<br />
20 Runden = 120,98 km<br />
WETTER:<br />
Sonnig<br />
POLE POSITION:<br />
Eddie Lawson (2:03.675 Minuten)<br />
SCHNELLSTE RENNRUNDE: Juan Garriga (2:04.625)<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
Alex Criville sicherte<br />
Spanien den ersten Sieg<br />
in der Königsklasse<br />
14 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Weniger glücklich<br />
über die Niederlage:<br />
Wayne Rainey
KOLUMNE | MOTORRAD<br />
JUGENDWAHN<br />
IN DER MOTOGP<br />
SIND TEENAGER REIF GENUG FÜR DIE KÖNIGSKLASSE?<br />
TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
J<br />
ack Miller und Maverick Vinales sind 19<br />
Jahre alt. Die beiden talentierten Teenager<br />
werden sich 2015 mit Marc Marquez<br />
und Valentino Rossi in der MotoGP messen.<br />
Während der Aufstieg für den (noch) amtierenden<br />
Moto3-Champion Vinales nach nur einem Jahr in<br />
der Moto2 erfolgt, überspringt Miller diese Klasse<br />
gleich ganz und steigt direkt von der untersten in<br />
die oberste Kategorie auf. Ein Novum in der bislang<br />
hierarchischen Welt der Motorrad-WM. Haben die<br />
beiden Fahrer das nötige Talent oder sind sie nur<br />
Produkte eines Jugendwahns, der durch den Hype<br />
rund um Marc Marquez ausgelöst wurde?<br />
Seit sich Marquez im Vorjahr mit nur 20 Jahren<br />
<strong>zum</strong> Champion krönte, wirkt es so, als würde plötzlich<br />
jeder Teamchef nach dem nächsten jüngsten<br />
Weltmeister der Geschichte suchen. Bislang war<br />
es eine Art ungeschriebenes Gesetz, mindestens<br />
zwei Jahre in jeder Klasse zu absolvieren. Diese<br />
Lehrjahre absolvierten einst auch Rossi, später<br />
Lorenzo und Pedrosa und zuletzt Marquez. Nach<br />
und nach scheint die Elektronik-Ära des Motorradsports<br />
aber diese Regeln auszuhebeln und außer<br />
Kraft zu setzen. »Ein MotoGP-Bike ist mittlerweile<br />
einfacher zu handhaben als so eine Moto2-<br />
Maschine«, verriet mir unlängst ein Teamchef,<br />
dessen Rennstall in beiden Serien unterwegs ist.<br />
Der Lerneffekt, den ein behutsamer Aufstieg von<br />
Klasse zu Klasse mit sich bringt, ist also nicht mehr<br />
so groß wie einst.<br />
Dabei hatten Vermarkter Dorna, Weltverband FIM<br />
und Team-Vereinigung IRTA vor Jahren ein Maßnahmenpaket<br />
beschlossen, um einem derartigen<br />
Jugendwahn entgegen zu wirken. Genau diese<br />
Regelungen werden aber immer weiter aufgeweicht.<br />
Der Rookie-Paragraph, der MotoGP-<br />
Neulingen verbot, in ihrer Debütsaison in einem<br />
Werksteam zu fahren, wurde für Marquez vor<br />
zwei Jahren gekippt. Vor kurzem untergruben<br />
die Verantwortlichen auch das Alterslimit für den<br />
WM-Einstieg, das einst auf 16 Jahre festgesetzt<br />
wurde. Weil Honda Druck machte, dürfen Fahrer<br />
künftig auch vor dem 16. Geburtstag ein Moto3-<br />
Rennen fahren - insofern sie im Jahr davor die<br />
spanische Moto3-Meisterschaft gewonnen<br />
haben. Damit darf Hondas französisches Supertalent<br />
Fabio Quartararo, der erst im nächsten<br />
April 16 Jahre alt wird, schon beim Saisonstart<br />
im März dabei sein. Anlassgesetzgebung allererster<br />
Güte.<br />
An der Qualität der Fahrer ändert dieses Verhalten<br />
der Verantwortlichen allerdings nichts.<br />
Sowohl Miller, als auch Vinales werden die<br />
Klasse haben, in der MotoGP zu bestehen. Und<br />
auch der talentierte Quartararo wird sich mit der<br />
erfahreneren Moto3-Konkurrenz messen können.<br />
Allen Kritikern der Jugendbewegung in der<br />
MotoGP sei gesagt: Jorge Lorenzo und Dani<br />
Pedrosa waren bei ihrem MotoGP-Debüt auch<br />
erst 20 Jahre alt, Valentino Rossi nur ein Jahr<br />
älter. Es hat also Tradition, begnadete Fahrer<br />
schon in Teenagerjahren für die Königsklasse<br />
unterschreiben zu lassen. Es mit dem Jugendwahn<br />
übertreiben, sollte man allerdings nicht -<br />
und hier sind auch wir Medien gefordert. Denn<br />
auch wir sind mit Argusaugen darauf bedacht,<br />
das nächste Supertalent ausfindig zu machen<br />
und großartige Karrieren vorherzusagen. So<br />
freuen sich Italiener über »ihren« starken Rookie<br />
Enea Bastianini oder Franzosen auf den WM-<br />
Einstieg von Quartararo. Übertrieben sind allerdings<br />
Fragen wie jene (gestellt nach dem Test<br />
in Brünn) an Marquez, ob er in Quartararo seinen<br />
großen Gegenspieler des nächsten Jahrzehnts<br />
sieht. Da müssen manche meiner Kollegen die<br />
Kirche dann doch bitte im Dorf lassen.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 15
PRO & CONTRA<br />
HAT RENAULT RED BULL DIE TITELVERTEIDIGUNG VERSAUT?<br />
Was kostete Red Bull<br />
den WM-Titel 2014?<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
Die Rache des V8?<br />
Zum Finale 2013 ließ<br />
Red Bull Motoren hochgehen<br />
+++ PRO +++<br />
+++ CONTRA +++<br />
Spielberg 2014. Der RB10 von Sebastian Vettel dümpelt in der ersten Runde<br />
des Österreich GP so dahin, um kurz darauf - weit abgeschlagen vom Feld<br />
- endgültig seinen Geist aufzugeben.<br />
Dieses Szenario ist Sinnbild der diesjährigen Saison und der beste Beweis<br />
dafür, dass das Renault-Aggregat den Serienweltmeister in diesem Jahr um<br />
Siege, Podestplätze und in Folge dessen auch um den fünften WM-Titel in<br />
Serie gebracht hat.<br />
Dass Daniel Ricciardo in der ersten Saisonhälfte drei Siege einfuhr und damit<br />
als einziger die Mercedes-Dominanz brechen konnte, ist nicht der Beweis<br />
dafür, dass die Kritik an Renault überzogen ist, sondern zeigt nur, dass Adrian<br />
Newey wieder einmal ein sehr gutes Auto hingestellt hat.<br />
»Schaut man auf das Chassis, sind wir absolut an der Spitze. Der ‚kranke‘<br />
Teil ist der Motor. Es liegt an Renault«, kommt die Kritik von Dr. Helmut Marko<br />
nicht von ungefähr. Denn selbst das aerodynamisch am meisten ausgeklügelte<br />
Auto kann ein Leistungsdefizit von 80 PS gegenüber der silbernen<br />
Konkurrenz nicht kompensieren.<br />
Natürlich hat sich auch Red Bull Fehler geleistet, aber diese sind bei Weitem<br />
nicht mit dem zu vergleichen, den sich Renault mit dem V6-Turboaggregat<br />
in punkto Speed und Zuverlässigkeit zuschulden hat kommen lassen.<br />
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Bei den Testfahrten brachte es Vettel<br />
gerade einmal auf 865 km. Von Melbourne bis Singapur spulte er nur 8.873 km<br />
ab und <strong>zum</strong>eist hatte Renaults gebrechliche Power Unit damit zu tun.<br />
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER<br />
Zu wenig PS? Oh ja! Unzuverlässig? Und wie! Dann steht‘s ja fest: Renault<br />
hat Red Bull die vierte Titelverteidigung in Folge versaut. Oder etwa nicht?<br />
Nicht so schnell mit den jungen (aber leistungsschwachen) Pferden. Zum<br />
Verlieren gehören immer zwei. Klar, die französische Power Unit kam viel zu<br />
spät in Schwung. Der Testrückstand war immens.<br />
Dennoch fuhr Daniel Ricciardo beim Saisonauftakt in Melbourne aufs Podium<br />
- bis er disqualifiziert wurde. Der Speed war aber da. So gesehen haben das<br />
Fuel-Flow-Meter und die Red-Bull-Ignoranz der FIA-Anweisungen Renault<br />
einen zweiten Platz versaut.<br />
Ja, der Leistungsunterschied zu Platzhirsch Mercedes ist enorm. Allerdings<br />
war auch der Renault-V8 alles andere als der stärkste Antrieb. Schon in den<br />
vergangenen Jahren lobte Red Bull sich gerne selbst dafür, dass das geniale<br />
Newey-Chassis ja trotz dieser PS-Schwäche reihenweise siegte.<br />
Sobald jedoch die ersten Probleme auftraten, schlugen die Verantwortlichen<br />
urplötzlich auf jenen Partner ein, mit dem sie gerade vier WM-Titel in Serie<br />
abgeräumt hatten. Von gemeinsam an einem Strang ziehen war in den ersten<br />
Wochen nichts zu sehen. Vielmehr wurde mit einem eigenen Motor gedroht.<br />
Dabei zeigt ein Blick in die eigene Box, dass der RB10 bei Weitem nicht so<br />
eine Rakete ist wie seine Vorgänger. Er ist ein gutes F1-Auto, das als einziges<br />
die Silberpfeil-Dominanz durchbrechen konnte. Aber alle Schuld lässt sich<br />
nicht abschieben. Auch Verlieren will gelernt sein.<br />
TEXT: STEPHAN HEUBLEIN<br />
16 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
KOLUMNE | FORMEL 1<br />
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER<br />
REMEMBER:<br />
THINK FIRST THEN ACT<br />
DIE FIA HAT SICH UND DEM SPORT MIT DEM REVIDIERTEN FUNKVERBOT KEINEN GEFALLEN GETAN.<br />
Nico Rosberg:<br />
Hoffentlich funktionieren<br />
diesmal alle Knöpfe<br />
FOTOS: MERCEDES-BENZ<br />
B<br />
ernie Ecclestone ist bekannt dafür, Ideen in die Welt hinauszuwerfen,<br />
die viel mehr in die Welt der Träumerei verbannt gehören. Doch<br />
dieses Mal hat er mit seiner Idee, den Funk zwischen Fahrern und<br />
Box zu reduzieren, absolut ins Schwarze getroffen. »Die Piloten sollten wissen,<br />
was richtig und was falsch ist«, begründete der F1-Zampano - und dieses eine<br />
Mal gebe ich ihm Recht. Auch wenn die heutigen Formel-1-Piloten definitiv<br />
keine Marionetten sind, die von außen gesteuert werden, so lässt sich nicht<br />
abstreiten, dass es nach außen hin durchaus diesen Eindruck macht. Das<br />
schadet dem Image der Formel 1. Noch mehr als der Eindruck vom ferngesteuerten<br />
Piloten schadet der Formel 1 aktuell aber die FIA. Das ist eine gewagte<br />
Behauptung, schon klar. Doch was sich der internationale Automobil-Dachverband<br />
abseits des Singapur GP geleistet hat, kann nur als lächerlich bezeichnet<br />
werden. Kaum hatte die FIA das Funkverbot erlassen, knickte man auch schon<br />
wieder ein und ruderte mit seinen Verboten zurück. Wie gesagt, die Beschneidung<br />
des Funkverkehrs an sich ist eine längst überfällige Sache, doch die<br />
Umsetzung war eine Katastrophe. Hätte die FIA das Funkverbot bis <strong>zum</strong> Ende<br />
durchdacht, dann hätte man den Aufruhr im Paddock kommen sehen. Es war<br />
klar, dass die Teams auf eine einschneidende Regeländerung, die zwischen<br />
zwei Rennen eingeführt wird, nicht begeistert reagieren würden. Immerhin<br />
warf das Verbot dutzende Fragen auf. Beispielsweise wie die Fahrer sämtliche<br />
- auch sicherheitsrelevanten - Informationen zu Spritverbrauch, Batterieaufladung,<br />
Schalterpositionen für Motor und Getriebe usw. im Blick behalten sollten?<br />
Oder was ist, wenn ein Fahrer einen Crash baut, weil ihn sein Renningenieur<br />
nicht darüber informiert, dass seine Reifen oder Bremsen nicht mehr richtig<br />
funktionieren? Oder wenn urplötzlich ein Lenkrad nicht mehr funktioniert? Auf<br />
all diese Fragen hätte die FIA eine Antwort haben müssen, genauso wie auf<br />
die Kritik, dass all jene Teams, die über kein großes Display auf dem Lenkrad<br />
verfügen, einen Nachteil haben. Doch die FIA hatte keine Antworten. Als Konsequenz<br />
musste das Funkverbot revidiert werden, doch eigentlich hätte man<br />
erwarten können, dass die FIA vorher überlegt und dann erst handelt. Damit<br />
hätte die FIA sich und dem Sport einen Gefallen getan. Es hätte auf jeden Fall<br />
verhindert, dass jetzt ein halbherziges Funkverbot gilt, das keinem Fahrer die<br />
Schweißperlen auf die Stirn zaubern wird. Denn zu einfach lassen sich erlaubte<br />
Nachrichten wie ‚oil transfer‘ codieren. So könnte die Nachricht zwei verschiedene<br />
Bedeutungen für den Fahrer haben, je nachdem ob er den Funkspruch<br />
in Kurve 1 oder in Kurve 10 erhält. Endgültige Sicherheit? Fehlanzeige! Und als<br />
hätte sich die FIA mit dem Funkverbot nicht schon genug geschadet, sind die<br />
Verantwortlichen gerade dabei, sich erneut ins eigene Knie zu schießen. So<br />
sollen die doppelten Punkte beim Saisonfinale 2015 wieder abgeschafft werden<br />
- weniger als zwölf Monate, nachdem sie eingeführt wurden und zahlreiche<br />
Formel-1-Fans vergrämten. Dabei hatte Nico Rosberg bereits in Singapur den<br />
Nagel auf den Kopf getroffen. »Im Grunde geht es in der Formel 1 um Unterhaltung.<br />
Es geht darum, die Fans zu unterhalten, deshalb müssen wir darauf<br />
hören, was die Fans wollen.«<br />
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MARK SUTTON<br />
LIFE THROUGH A LENS<br />
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Sir Frank is watching you:<br />
Boxenstopp-Überungen<br />
01<br />
EIN WACHSAMES AUGE<br />
Dies Bild ist deshalb so interessant, weil ich niemals zuvor Sir Frank Williams so in<br />
der Boxengasse gesehen habe. Natürlich fährt das Auto nicht los, denn das ist ein<br />
Trainingsboxenstopp - aber es ist irreführend! Ich glaube, es war Donnerstagabend.<br />
Die Leute neigen dazu, wirklich lange zu arbeiten, denn es ist eine gute Zeit, um im<br />
Dunkeln Boxenstopps zu üben. Natürlich sind Lichter an, aber es ist eine Chance, die<br />
Stopps zu üben, wenn Schatten da sind. Ich denke, Frank war interessiert, er wollte<br />
nicht in der Garage bleiben und ich mache ihm da keine Vorwürfe. Irgendwann machte<br />
Valtteri Bottas ein paar Filmaufnahmen für das Fernsehen, aber ich habe ihn verpasst.<br />
Ich war der einzige Fotograf vor Ort. Ich sah, dass sich bei Williams etwas anbahnt,<br />
dann sah ich Sir Frank und realisierte, dass sich eine tolle Aufnahme aus einem<br />
niedrigen Winkel ergeben würde. Trotzdem will ich betonen, dass es sich nicht um<br />
einen richtigen Boxenstopp gehandelt hat!<br />
SUPER MARIO<br />
Diese Fotos entstanden während Promotion-Aufnahmen für den USA GP auf dem<br />
Circuit of the Americas. Mario Andretti ist eine Legende, sodass jeder Fahrer sofort<br />
mitmacht, wenn Andretti involviert ist. Wenn man die Fahrer dazu bringen will, einen<br />
witzigen Hut zu tragen, ohne dafür einen guten Grund zu haben, dann ist das <strong>verdammt</strong><br />
schwierig. Aber mit Mario hat man ein leichtes Spiel. Die Fahrer wollen mit ihm reden,<br />
mit ihm in Kontakt treten. Mario ist ein unglaublicher Gentleman, offen für alles und<br />
ein toller Gesprächspartner. Es sollte mit den Bildern eine Geschichte erzählt werden<br />
- Mario war der Sheriff, der einige Stellvertreter für den Grand Prix suchte. In jedem<br />
Team hatte er zwei Stellvertreter, die diese Cowboy Hüte trugen. Das einzige Team,<br />
das nicht mitspielte, war Mercedes. Aber nach dem Vorfall in Spa-Francorchamps<br />
kann man sich vorstellen, warum!<br />
WHOA ROUGE<br />
Ich war seit Jahren nicht mehr in Eau Rouge und es war toll, wieder dort zu sein.<br />
Dieses Mal war eines der Haupttore verschlossen, durch das man an die Außenseite<br />
der Strecke kommt. Ich war aber früh genug vor Sessionbeginn dort, um die Strecke<br />
ohne Probleme überqueren zu können. Es war nicht so schwierig und ich habe nicht<br />
davor zurückgeschreckt, über Mauern und Zäune zu klettern. Sobald ich in Position<br />
war, war es eine unglaubliche Erfahrung. Dieses Foto wurde durch die Leitplanke mit<br />
einem Fischaugenobjektiv und kurzer Verschlusszeit aufgenommen. Die Autos waren<br />
nicht so laut wie gewöhnlich, sodass man einfach nur die verdrängte Luft im Gesicht<br />
spürte. Die Autos waren <strong>verdammt</strong> nah an einem dran, was mir noch immer den Atem<br />
raubt. Es gibt nicht viele Kurven, die mit 320 km/h durchfahren werden und an denen<br />
man nur durch zwei Leitplanken von den Boliden getrennt wird. Das ist einfach eine<br />
Pflichterfahrung in der Formel 1!<br />
Eau Rouge durch<br />
die Leitplanke<br />
03<br />
18 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
02<br />
Gestatten: Die<br />
Hilfs-Sheriffs Sutil<br />
und Gutierrez
KOLUMNE | FORMEL 1<br />
TEXT: STEPHAN HEUBLEIN<br />
VON BRÜCHEN & KÜSSEN<br />
DIE FORMEL 1 IST EIN HARTES GESCHÄFT. STIMMT! ABER SIE HAT AUCH IHRE LUSTIGEN SEITEN...<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
Vorsicht,<br />
Maldo voraus!<br />
LEHRE NUMMER 1: KEINE CRASHGEFAHR!<br />
»Ooops he did it again.« Britney (nein, die andere, nicht die von<br />
Mercedes) würde ganz schön ins Schwitzen kommen, wenn sie<br />
ihren Hit bei jedem Unfall von Pastor Maldonado <strong>zum</strong> Besten geben<br />
müsste. Der Venezolaner bescherte seinen Mechaniker schon einiges<br />
an Arbeit - <strong>zum</strong> Glück hat er im Voraus bezahlt. Pastor selbst glaubt<br />
hingegen nicht, dass er besonders viele Ausrutscher hatte. »Ehrlich<br />
gesagt hatte ich nicht viele Zwischenfälle.« [Pause <strong>zum</strong> Staunen,<br />
Tränen aus den Augen wischen, je nachdem] »Es liegt nicht an mir<br />
oder dem Auto. Es ist einfach Pech.« Na dann. Unser Fehler. Liegt<br />
sicher an diesem bösen Internet. Das ist wirklich eine Pest. Auf<br />
Facebook und Twitter ist Maldonado dank seiner Nichtunfälle mittlerweile<br />
eine Art moderner Volksheld. Es gibt sogar »Crashtor«<br />
T-Shirts und Tassen. Selbst wir haben uns angesteckt. Auf dem Weg<br />
nach Monza sahen wir typisch italienische Leitplanken (also in<br />
Schlangenlinien verlaufend). Unsere Schlussfolgerung: »Hier scheint<br />
Maldo gestern zur Strecke gefahren zu sein!«<br />
Harte Arbeit, aber es<br />
lohnt sich doch, Toto!<br />
Danny, Danny,<br />
pausenlos am<br />
Grinsen der Kerl<br />
Yes, Fernando ist<br />
der Friedensstifter<br />
LEHRE NUMMER 2: ASTURISCHER SCHLICHTER<br />
Wow, die Frage hat gesessen. Vor wenigen Jahren hätten sich Lewis<br />
und Fernando das sicher nie im Leben erträumt. In aller Öffentlichkeit<br />
legt der Spanier seinen Arm tröstend, nahezu beschützend um den<br />
Briten und grinst in die Menge. Es ist Rennen 1 nach dem Silberpfeil-<br />
Knall von Spa. Lewis und Nico treffen in Monza <strong>zum</strong> ersten Mal seit<br />
dem Crash vor den Kameras der Medien aufeinander. Zwischen ihnen<br />
sitzt der Spanier, quasi als roter Puffer im silbernen Sandwich.<br />
»Fernando, bist du jetzt der Friedensbotschafter?« Gelächter im Publikum<br />
und unter den Fahrern. Fernando reißt beide Arme in Siegerpose<br />
nach oben: »Yes!« Wenn das Ron Dennis hört...<br />
LEHRE NUMMER 3: GRAUE HAARE UND EIN ARMBRUCH<br />
Das Vollgasleben eines F1-Teamchefs ist hart. »Der Rhythmus ist<br />
verrückt. Ich kann mir vorstellen, dass ich eines Tages aufwache<br />
und mir denke: genug!«, sagte Toto Wolff zu Saisonbeginn bei einem<br />
kurzen Abstecher in die Heimatstadt von <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
nach Graz. Mehr als einmal betonte Toto seitdem, dass ihm der<br />
Titelkampf zwischen seinen beiden Piloten ein paar graue Haare<br />
mehr eingebracht habe - Spa sei Dank. Die leidigen Zuverlässigkeitsprobleme<br />
taten ihr Übriges. Wenn es nur eine Wunderlösung<br />
gäbe, um diese ein für alle Mal aus<strong>zum</strong>erzen. »Ich würde mir dafür<br />
meinen Arm noch einmal brechen!« Kein Wunder, dass Toto den Job<br />
nicht ewig machen möchte...<br />
LEHRE NUMMER 4: GUTENACHTKÜSSCHEN<br />
Dieser Ricciardo! Sauschnell. Super freundlich. Stets einen flotten<br />
Spruch auf den Lippen. Und dann auch noch dieses Dauergrinsen!<br />
Unfassbar. So schwer es uns auch fällt, aber wir müssen zugeben:<br />
dagegen kommt kein noch so langer Zeigefinger an. Aber jetzt mal Hand<br />
aufs Herz: was macht den Kerl so <strong>verdammt</strong> gut? Ein Grinsen vom<br />
linken bis <strong>zum</strong> rechten Außenspiegel kann ja aerodynamisch nie und<br />
nimmer von Vorteil sein! »Das Geheimnis?«, fragt Daniel mit diesem<br />
typischen, schelmischen Gesichtsausdruck, der nichts Ernstes verheißen<br />
lässt. »Ich gebe meinem [Auto] jede Nacht einen Kuss - mit Zunge...<br />
aber verratet es Seb nicht!«<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 19
SLIDESHOW | FORMEL 1 | #39 | 2014<br />
❱ ABSPRUNG<br />
DIE BESTE<br />
ALTERNATIVE<br />
TEXT: CHRISTIAN MENATH<br />
FOTO: CATERHAM<br />
Kann man mit einem Formel-1-Fahrer Mitleid haben? Sie wohnen<br />
in Weltmetropolen in den besten Hotels, kriegen die schönsten<br />
Frauen und dürfen nebenbei die schnellsten Autos fahren. Trotzdem<br />
kann einem Kamui Kobayashi leidtun. Nach einem Jahr Pause hat<br />
er wieder ein Cockpit erbettelt. Kommt jemand, der Geld zahlt und<br />
eine Superlizenz mitbringt, ist er sein Cockpit aber wieder los. Ein<br />
Cockpit, um das man ihn ohnehin nicht beneiden muss. Und obwohl<br />
er Teamkollege Marcus Ericsson deutlich im Griff hat, winkt keine<br />
Alternative für die Zukunft. Vielleicht wäre das fluchtartige Verlassen<br />
von Caterham die schmerzfreiste Alternative - lieber ein Ende mit<br />
Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.<br />
20 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 21
MYTHOS<br />
SCUDERIA<br />
FERRARI<br />
TEXT: STEPHAN HEUBLEIN & CHRISTIAN MENATH<br />
LEGENDE, MYTHOS, RELIGION. FERRARI IST MEHR ALS EIN FORMEL-1-TEAM. DAS SPRINGENDE PFERD AUF GELBEM<br />
GRUND BEGEISTERT MILLIONEN VON MENSCHEN IN ALLER WELT. SEIT JAHREN HEISST ES BEI ERFOLGEN JEDOCH:<br />
FEHLANZEIGE. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM BELEUCHTET DEN ROTEN UMBRUCH.<br />
22 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 23<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON
MYTHOS<br />
SCUDERIA<br />
FERRARI<br />
rme, überall ausgestreckte<br />
A<br />
Arme. Mikrofone, Fotoapparate,<br />
TV-Kameras. Für solche<br />
Momente wurde der Begriff<br />
Wuselfaktor erschaffen. Von<br />
erhöhter Position gleicht das<br />
Fahrerlager von Monza einem Ameisenhaufen.<br />
Nur dass die Königin in diesem Fall ein König ist.<br />
Vielleicht sogar ein Kaiser. So oder so steht er kurz<br />
vor dem Sturz. Nur preisgeben möchte er es zu<br />
diesem Zeitpunkt noch nicht. Presserunden mit<br />
Luca di Montezemolo hatten stets etwas von einer<br />
Audienz. Es gab keine Fragen. Der <strong>Ferrari</strong>-Häuptling<br />
hielt eher eine Ansprache, und zwar wann<br />
immer er wollte. Wer lauschen wollte, musste warten.<br />
Manchmal sehr lange.<br />
Es sollte der letzte offizielle Auftritt des Patriarchen<br />
an einer Rennstrecke sein. Ausgerechnet in Monza.<br />
Dem High-Speed-Mekka der Tifosi. »Nichts hält<br />
für die Ewigkeit«, sagt Ex-GP-Pilot David<br />
Coulthard. <strong>Ferrari</strong> muss sich verändern. Da war<br />
selbst der Alleinherrscher von Maranello nicht<br />
mehr sicher. »<strong>Ferrari</strong> möchte immer gewinnen.<br />
Für sie zählen nur WM-Titel«, weiß Mika Salo aus<br />
eigener Erfahrung. »Sie sind nicht zufrieden, bis<br />
sie das erreicht haben.« Die Scuderia lebt für den<br />
<strong>Erfolg</strong>. Für den di Montezemolo in den vergangenen<br />
23 Jahren sportlich wie wirtschaftlich mitverantwortlich<br />
zeichnete. »Er hat das grundsätzliche<br />
Schicksal von <strong>Ferrari</strong> in die Hand genommen,<br />
geprägt und <strong>Ferrari</strong> seinen Stellenwert gegeben«,<br />
sagt Christian Danner. »Das ist sein<br />
Lebenswerk.«<br />
Die Zeit eines der drei M‘s ist damit abgelaufen.<br />
An der Stelle von di Montezemolo müssen nun<br />
Präsident Sergio Marchionne und Teamchef<br />
Marco Mattiacci beweisen, dass sie das lahmende<br />
Pferdchen wieder <strong>zum</strong> Springen bringen können.<br />
»Ich kenne Marchionne nicht persönlich. Aber er<br />
ist eindeutig ein großer Geschäftsmann«, verrät<br />
Coulthard gegenüber <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com.<br />
Die Aufgabe des neuen Big-Bosses ist für den<br />
Schotten klar umrissen: »Es geht darum, die besten<br />
Designer zu finden oder eine Generation neuer,<br />
junger Designer heranzuziehen. Es geht nicht ums<br />
Geld, es geht um die Menschen. Sie müssen das<br />
Geld für die richtigen Leute ausgeben, wenn sie<br />
große <strong>Erfolg</strong>e feiern wollen.« Hier kommt Fiat-<br />
Boss Marchionne ins Spiel. »Wenn man seine<br />
Arbeit ansieht, ist er sehr gut im Umgang mit<br />
Menschen«, sagt Johnny Herbert. »Hoffentlich<br />
kann er eine positive Struktur erschaffen, um wieder<br />
in die Situation zu gelangen, die Weltmeisterschaft<br />
zu gewinnen.«<br />
Marchionnes Fähigkeiten als Personal-Manager<br />
werden in Maranello definitiv gefragt sein. Schon<br />
in der Vergangenheit hieß es immer wieder, dass<br />
<strong>Ferrari</strong> »typisch italienisch« im Chaos versinke.<br />
Die großen <strong>Erfolg</strong>e zu Beginn dieses Jahrtausends<br />
verdankte die Scuderia dem Quartett Jean Todt,<br />
Ross Brawn, Rory Byrne und Michael Schumacher.<br />
Sie brachten das Team auf Vordermann, bildeten<br />
eine verschworene Gemeinschaft und etablierten<br />
eine professionelle Struktur. »Sie haben <strong>Ferrari</strong> für<br />
di Montezemolo <strong>zum</strong> <strong>Erfolg</strong> geführt«, bestätigt<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com-Experte Christian Danner.<br />
»Alles, was danach kam, war klassisches<br />
<strong>Ferrari</strong>-Management, wie wir es in der Ära vor<br />
Todt, Brawn und Schumacher gesehen haben.«<br />
Herbert verurteilt die italienische Mentalität dabei<br />
nicht per se <strong>zum</strong> Scheitern. »Ich sage nicht, dass<br />
die italienische Art nicht funktioniert«, betont der<br />
Brite. Aber es dauere eben lange, ein Topteam<br />
umzubauen. Selbst das Mercedes-Werksteam, das<br />
derzeit die Königsklasse scheinbar nach Belieben<br />
dominiert, benötigte vier Jahre Anlaufzeit. »Als<br />
BAR war das Team wirklich schlecht«, erinnert<br />
sich Herbert. »Es hat lange gedauert, bis alles<br />
zusammenkam. Jetzt sind sie auf dem Weg, die<br />
WM zu gewinnen. Sie haben die richtigen Zutaten,<br />
die richtigen Leute und den <strong>Erfolg</strong> auf der Strecke.«<br />
Mercedes ist im britischen Brackley beheimatet<br />
und erhält Unterstützung aus der Motorenschmiede<br />
in Brixworth und vom Mutterkonzern<br />
in Deutschland. »Ich sage nicht, dass man unbedingt<br />
eine britische Mentalität benötigt«, schwächt<br />
Herbert ab. Schließlich funktioniert diese auch<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, FERRARI<br />
24 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
nicht immer. Williams ist gerade erst aus einer<br />
jahrelangen Flaute erwacht, McLaren steckt hingegen<br />
noch immer in einer Krise. Britischer als<br />
diese beiden Teams kann ein Formel-1-Rennstall<br />
nicht geführt werden. »Man muss die richtigen<br />
Leute haben, die zusammenarbeiten. Das braucht<br />
leider Zeit«, ermahnt Herbert Medien wie Tifosi<br />
zur Geduld.<br />
Mit der Geduld haperte es bei <strong>Ferrari</strong> in der Vergangenheit<br />
jedoch recht häufig. Läuft es nicht, wird<br />
schnell ein Sündenbock gesucht. Dieser wird dann<br />
rasch der italienischen Presse <strong>zum</strong> Fraß vorgeworfen.<br />
In den vergangenen, sieglosen Jahren waren<br />
dies Streckeningenieur Chris Dyer, Teamchef Stefano<br />
Domenicali, Motorenchef Luca Marmorini<br />
und der Technische Direktor Aldo Costa. Letzterer<br />
ist übrigens aktuell mit Mercedes auf dem Weg,<br />
beide WM-Titel abzuräumen. »Di Montezemolo<br />
ist hingegen ein ganz anderes Kaliber«, betont<br />
Danner. Der Ex-Präsident ist in seinen Augen kein<br />
weiterer Sündenbock, der der <strong>Erfolg</strong>losigkeit <strong>zum</strong><br />
Opfer gefallen ist. Vielmehr sieht Danner in ihm<br />
ein Überbleibsel der alten italienischen Herrschaft<br />
bei <strong>Ferrari</strong>. »Di Montezemolo hat Domenicali<br />
durch tägliche Anrufe und das Stiften von permanentem<br />
Chaos in den Wahnsinn getrieben«, verrät<br />
Danner. Di Montezemolo sei so über seine eigene<br />
Arbeitsweise gestolpert. Domenicali gab nach dem<br />
Bahrain GP freiwillig seinen Posten auf, um sich<br />
vor seine Mannschaft zu stellen und die Entlassung<br />
weiterer Sündenböcke zu verhindern. Für die neue<br />
Führung gilt es nun, sofort die Politik der Schuldzuweisungen<br />
aus dem Denken des Teams zu beseitigen.<br />
»Es gab viele Anschuldigungen, wessen<br />
Schuld es war«, bestätigt Herbert gegenüber<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com. »Schuldzuweisungen<br />
hier, Schuldzuweisungen dort. Das ist ein Problem<br />
von <strong>Ferrari</strong>. Wenn man sich gegenseitig beschuldigt,<br />
ist das immer sehr destruktiv.« Das Team<br />
muss eine Einheit bilden, sich gegenseitig verstehen<br />
und unterstützen, wie in den besten Zeiten<br />
der Ära Todt. Nur dann kann <strong>Ferrari</strong> wieder zu<br />
Höchstleistungen auflaufen. »Jean Todt war ein<br />
sehr guter Chef«, erinnert sich Ex-<strong>Ferrari</strong>-Pilot<br />
Salo im Gespräch mit <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com.<br />
Noch heute sind einige Leute bei <strong>Ferrari</strong> tätig, die<br />
Salo aus seiner Zeit kennt. »Todt hat sehr gute<br />
Arbeit geleistet und alles unter Kontrolle gehabt.«<br />
Mattiacci muss nun eine ähnliche Rolle wie früher<br />
Todt einnehmen. Der Italiener hat keine Wurzeln<br />
in der Formel 1. Dadurch aber auch keine Feinde<br />
oder Altlasten. Er ist ein Manager vom Schlage des<br />
neuen Präsidenten Marchionne. Mit seinem ersten<br />
Auftritt in China rief Mattiacci viele Skeptiker<br />
hervor. Der neue <strong>Ferrari</strong>-Rennleiter setzte seine<br />
Sonnenbrille das gesamte Wochenende über nie<br />
ab. Selbst der schlimme Smog verleitete ihn nicht<br />
dazu, seine Augen dem spärlichen Sonnenlicht<br />
auszusetzen. In Medienrunden gibt sich der Neue<br />
aggressiv, streitet schon mal mit Journalisten, die<br />
ihm offensive Fragen stellen. Genau das könnte<br />
<strong>Ferrari</strong> auch intern gebrauchen. Jemanden, der<br />
seine Vorstellungen einer neuen Struktur →<br />
»MONTEZEMOLO HAT STEFANO<br />
DOMENICALI DURCH TÄGLICHE<br />
ANRUFE UND STIFTEN VON PERMA-<br />
NENTEM CHAOS IN DEN WAHNSINN<br />
GETRIEBEN. EINE UNGLAUBLICH<br />
CHARISMATISCHE GRAND-SEIG-<br />
NEUR-PERSÖNLICHKEIT IST<br />
LETZTENDLICH ÜBER IHRE EIGENE<br />
ARBEITSWEISE GESTOLPERT.«<br />
CHRISTIAN DANNER<br />
Die Fahrer<br />
Räikkönen &<br />
Alonso sind<br />
<strong>Ferrari</strong>s geringstes<br />
Problem<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 25
MYTHOS<br />
SCUDERIA<br />
FERRARI<br />
durchsetzt, koste es was es wolle. Die fehlende<br />
Formel-1-Vergangenheit stört Coulthard dabei<br />
wenig. »Man muss den <strong>Motorsport</strong> verstehen,<br />
keine Frage«, verrät er <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com.<br />
»Aber viel wichtiger ist es, die <strong>Motorsport</strong>-Leute<br />
zu verstehen. Die größte Aufgabe des Teamchefs<br />
ist es, die Egos aller Beteiligten im Griff zu haben.<br />
Sie werden alle gut bezahlt. Man muss das Beste<br />
aus diesen Leuten herausholen. Ihre Erwartungen<br />
und ihr Ego managen.«<br />
it Pat Fry und James Allison<br />
M<br />
hat Mattiacci zwei erfahrene<br />
Ingenieure an der Spitze der<br />
Pyramide stehen. Während<br />
Allison seit seinem Wechsel<br />
von Lotus noch nicht allzu<br />
viel Einfluss auf die Arbeitsweise hatte, steht Fry<br />
mittlerweile schon wieder in der Kritik. Jetzt<br />
kommt es darauf an, weitere Spitzenkräfte zu<br />
verpflichten. Mattiacci umreißt die Stärken der<br />
Scuderia so: »Die Fahrer, die Marke, die Kultur,<br />
die Tradition, die Leute, die von früh bis nachts<br />
arbeiten. Wir wissen, wie man gewinnt. Das<br />
gehört zu unserer DNS. Wir wollen unbedingt<br />
an die Spitze zurück, denn wir denken, dass wir<br />
dorthin gehören. Das treibt uns an. Das ist mein<br />
Audienz beim Big<br />
Boss: Irgendwo im<br />
Gewühl steckt<br />
unser armer<br />
MSM-Reporter<br />
Ziel! Ich möchte ein sehr starkes Team aufstellen.«<br />
Dafür muss Mattiacci die richtigen Ingenieure,<br />
Aerodynamiker, Elektroniker und viele<br />
andere von ihren aktuellen Teams loseisen und<br />
nach Maranello locken. Keine einfache Aufgabe<br />
im hart umkämpften Haifischbecken der Formel<br />
1. Herbert sieht dabei ein großes Problem auf<br />
die sich im Umbruch befindliche Scuderia<br />
zukommen: »Viele der anderen Teams wie<br />
Mercedes, Red Bull und McLaren suchen ebenfalls<br />
neue Leute. Du kämpfst gegen die anderen<br />
Teams. Wer zuerst die richtigen Leute bekommt,<br />
hat einen Vorteil.« Solche Prozesse sind nicht in<br />
ein oder zwei Jahren zu bewerkstelligen. Es dauert<br />
vielleicht drei oder vier Jahre, bis alle Neuzugänge<br />
tatsächlich eingetroffen sind und sich<br />
eingelebt haben. Auch mit Todt und Brawn<br />
benötigte <strong>Ferrari</strong> vier Jahre Anlaufzeit, bis Schumacher<br />
2000 den ersten Titel in Rot gewann. »Es<br />
gibt keine sofortige Lösung«, betont Herbert.<br />
Solche Veränderungen benötigen Zeit, um zu<br />
wachsen. Die große Frage lautet jedoch: »Hat<br />
man in der Formel 1 Zeit? Und: Hat <strong>Ferrari</strong> Zeit?<br />
Normalerweise würde ich sagen: Nein! Aber<br />
leider funktioniert es nur so. Mercedes ist nicht<br />
in die Formel 1 eingestiegen und hat zack alle<br />
geschlagen. Es hat auch vier Jahre gedauert.«<br />
Die Lösung für all die Probleme der Roten klingt<br />
recht einfach: »Sie brauchen ein besseres Auto«,<br />
sagt Salo. »Sie haben die besten Fahrer, aber das<br />
Auto ist seit einigen Jahren ihr Problem.« Eine der<br />
entscheidenden Baustellen ist im wahrsten Sinne<br />
des Wortes der Windkanal. Jahrelang haperte es<br />
bei der Umsetzung der Aerodynamik-Testergebnisse<br />
aus dem Windkanal auf die Rennstrecke.<br />
Felipe Massa schoss zuletzt sogar in Richtung seines<br />
Ex-Teams: »Bei Williams bauen wir neue Teile<br />
ans Auto und sie funktionieren auf Anhieb. Das<br />
war früher bei <strong>Ferrari</strong> nie der Fall.« Damit der in<br />
die Jahre gekommene Windkanal neu kalibriert<br />
werden konnte, mietete sich <strong>Ferrari</strong> lange im<br />
Toyota-Windkanal in Köln ein. »Es hat sehr lange<br />
gedauert, um den Windkanal in Schuss zu bringen«,<br />
sagt Herbert. Seit Oktober letzten Jahres ist<br />
der generalüberholte eigene Windkanal wieder in<br />
Betrieb. Der 2015er Bolide wird der erste <strong>Ferrari</strong><br />
sein, der komplett im erneuerten Windtunnel entwickelt<br />
wurde. Die beiden Zwillings-Windkanäle<br />
von Toyota in Köln-Marsdorf sind State-of-the-<br />
Art. Dennoch ist es für ein F1-Team natürlich von<br />
Vorteil, alles unter einem Dach zu haben. Gerade<br />
<strong>Ferrari</strong> ist mit dem gescheiterten Experiment einer<br />
Designabteilung unter John Barnard in England<br />
ein gebranntes Kind. »Die Infrastruktur ist nicht<br />
da«, kritisiert Danner. <strong>Ferrari</strong> setzt dem ein komplett<br />
neues, dreistöckiges Fabrikgebäude entgegen,<br />
das Ende dieses Jahres bezugsfertig ist. Darin sind<br />
auf 25.000 Quadratmetern unter anderem Büros<br />
für 700 Mitarbeiter untergebracht. Die Motoren-<br />
FAKTEN: DIE ÄRA DI MONTEZEMOLO<br />
Jahre lang stand Luca di Montezemolo<br />
23<br />
an der Spitze von <strong>Ferrari</strong><br />
118<br />
97<br />
8<br />
6<br />
5<br />
Siege feierte <strong>Ferrari</strong> mit<br />
di Montezemolo<br />
Mal startete ein <strong>Ferrari</strong> unter seiner<br />
Führung von der Pole<br />
Mal gewann er die Konstrukteurs-WM<br />
Mal holte er den Fahrer-Titel<br />
Mal gewann er mit<br />
Michael Schumacher die WM<br />
26 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
»ES GIBT KEINE SOFORTIGE<br />
LÖSUNG. HAT MAN IN DER F1 ZEIT?<br />
UND: HAT FERRARI ZEIT? NOR-<br />
MALERWEISE WÜRDE ICH SAGEN:<br />
NEIN! ABER LEIDER FUNKTIONIERT<br />
ES NUR SO. MERCEDES IST NICHT<br />
IN DIE FORMEL 1 EINGESTIEGEN<br />
UND HAT ZACK ALLE GESCHLAGEN.<br />
ES HAT AUCH VIER JAHRE GEDAU-<br />
ERT.« JOHNNY HERBERT<br />
Sinnbild für die<br />
Lage bei <strong>Ferrari</strong>:<br />
Alonso rollt beim<br />
Heimrennen in<br />
Monza aus<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, FERRARI<br />
abteilung erhält neue Prüfstände und die Fahrer<br />
einen neuen Simulator. »James Allison hat einen<br />
super Lotus konstruiert. Warum soll er nicht auch<br />
einen super <strong>Ferrari</strong> konstruieren?«, fragt Danner.<br />
»Die Teile, die in Maranello entworfen und an das<br />
Auto gebaut werden, funktionieren auch, das<br />
Chassis ist ja nicht hoffnungslos. Aber die Power<br />
Unit ist eine Baustelle, die man nicht von heute<br />
auf morgen beheben kann.«<br />
ie beim großen Gesamtpuzzle<br />
W<br />
benötigt das Team auch für<br />
den Antriebsstrang die richtigen<br />
Zutaten. Für Danner ist<br />
das Hauptproblem deshalb<br />
ganz offensichtlich: »Sie sind<br />
nicht in der Lage, einen Hi-Tech-Hybrid-Motor<br />
zu bauen.« Dafür fehle es bei <strong>Ferrari</strong> und im Fiat-<br />
Chrysler-Konzern am nötigen technischen Knowhow<br />
im Hybrid-, Elektromotoren- und Software-<br />
Bereich. Dieses Wissen muss <strong>Ferrari</strong> erst selbst<br />
langwierig aufbauen. An dieser Stelle würde es<br />
helfen, wenn sie auf Erfahrungen aus dem Konzern<br />
aufbauen könnten. »Aber woher sollen die kommen?«,<br />
stellt Danner die entscheidende Frage.<br />
»Von Chrysler? Eher nicht. Von Fiat? Eher nicht.<br />
Von Maserati? Nein. Fiat Traktoren, Fiat Vans, Fiat<br />
Transporter? Schwierig.« Der einzige Technologieträger<br />
ist das Rennteam selbst. Sie sind auf sich<br />
allein gestellt. »Wenn man Maranello mit Brixworth<br />
vergleicht, ist es wie ein Vergleich zwischen<br />
einem Propellerflugzeug und einem Spaceshuttle«,<br />
sagt Danner wenig schmeichelhaft für den Stolz<br />
der Tifosi. »<strong>Ferrari</strong> ist meilenweit davon entfernt,<br />
ein vernetztes Technologiezentrum für die Power<br />
Units hinzubekommen. Mercedes ist in diesem<br />
Bereich Zweidreiviertel-Lichtjahre voraus.« Neben<br />
der hochmodernen Motorenfabrik in Brixworth<br />
kann Mercedes konzernintern auf Entwick- →<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 27
MYTHOS<br />
SCUDERIA<br />
FERRARI<br />
Keine kurzfristige<br />
Lösung: <strong>Ferrari</strong><br />
muss den<br />
Team-Umbau<br />
langfristig anlegen<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, FERRARI<br />
28 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
TEST-PREDIGTEN<br />
Testfahrten! Fiorano. Mugello. Das waren Luca di Montezemolos große Lieben als <strong>Ferrari</strong>-Boss. Das<br />
Testverbot? Pfui Teufel...<br />
»Die Formel 1 ist der einzige Sport, wo es keine Chance <strong>zum</strong> Trainieren gibt. Es ist so, als ob man<br />
Real Madrid oder Milan oder Inter darum bittet, mit Schuhen im Regen zu spielen, die eine glatte<br />
Sohle haben - oder dass sie sich vor einem Champions League Spiel nicht aufwärmen sollen.«<br />
(Weihnachten 2010)<br />
»Es ist seltsam, dass eine der professionellsten Sportarten der Welt ihren Sportlern nicht erlaubt, zu<br />
trainieren. Das ist so, als ob man Real Madrid und Barcelona verbietet, jeden Tag zu trainieren. Warum<br />
also sollte <strong>Ferrari</strong> Fiorano und Mugello aufgeben?« (Weihnachten 2011)<br />
Luca di<br />
Montezemolo war<br />
ein großer<br />
Verfechter von<br />
mehr Testfahrten<br />
»Wir müssten zu einer weniger hochentwickelten Formel 1 wie in den 90er-Jahren zurückkehren<br />
und den jungen Piloten wieder das Testen erlauben, denn die GP2 ist eine Lachnummer ohne Wert.<br />
Bei den wenigen verbliebenen Testfahrten müssen jetzt natürlich die Rennfahrer <strong>zum</strong> Einsatz kommen.«<br />
(September 2013)<br />
»Wir müssen Tests wieder einführen, weil sie für junge Fahrer, für junge Ingenieure und für das Marketing<br />
wichtig sind. Ich habe noch nie eine Sportart gesehen, bei dem zwischen den Events nichts ist. Ruhe.<br />
Schwarz. Vom einen Rennwochenende bis <strong>zum</strong> nächsten.« (September 2014)<br />
lungen für zukünftige Hybrid-Fahrzeuge zurückgreifen<br />
und Ressourcen zur Problemlösung anzapfen,<br />
von denen die Italiener wahrscheinlich noch<br />
nicht einmal zu träumen wagen.<br />
en enormen Entwicklungsrückstand<br />
hält Danner in<br />
D<br />
absehbarer Zeit nicht für aufholbar.<br />
»Du musst ja erst einmal<br />
Leute bekommen, die<br />
wissen, wie man mit diesem<br />
Thema umgeht«, sagt er. »Diese Power Units sind<br />
eine Technologie, die man nicht aus dem Stand<br />
entwickeln kann. Man muss Forschung betreiben.«<br />
Dieses Know-how fehlt einem reinen Rennteam<br />
wie <strong>Ferrari</strong>. Sie sind es gewohnt, die Aerodynamik<br />
und die Mechanik ihrer Autos zu verfeinern und<br />
reine Motoren zu bauen. Die vielen Zusatzsysteme<br />
für die Hybrid-Power spielen jedoch in einer ganz<br />
anderen Liga. »<strong>Ferrari</strong> hat eine gute Motorenabteilung,<br />
aber das heißt noch lange nicht, dass die<br />
Komplexität der neuen Power Units sie nicht aus<br />
allen Angeln hebt«, meint Danner. Mit Blick auf<br />
die problematische Power Unit befindet sich <strong>Ferrari</strong><br />
im gleichen Boot wie Renault. Allerdings mit<br />
dem entscheidenden Unterschied, dass die Scuderia<br />
finanziell aus den Vollen schöpfen kann.<br />
»Aber auch wenn du ein großes Budget hast,<br />
kannst du die ganzen Entwicklungsbereiche nicht<br />
hintereinander abarbeiten«, betont Danner. So<br />
dürfen die Motorenhersteller zwar gemäß eines<br />
ausgeklügelten Plans verschiedene Bereiche ihrer<br />
Power Units für jede Saison überarbeiten, aber um<br />
alles zu verbessern, reicht die Zeit über den Winter<br />
Wann gehen für<br />
<strong>Ferrari</strong> wieder die<br />
Lichter an?<br />
»SCHWIERIG IST ES, DASS SIE<br />
KEINE CHANCE HABEN, DARAUF ZU<br />
REAGIEREN. ICH DENKE, IM ERSTEN<br />
JAHR HÄTTE ES IHNEN ERLAUBT<br />
SEIN SOLLEN, IHRE PRODUKTE<br />
WEITERZUENTWICKELN.«<br />
DAVID COULTHARD<br />
nicht aus. »Selbst wenn du alle Bereiche parallel<br />
fährst, ist das zu viel, zu schwierig«, sagt Danner.<br />
David Coulthard hätte den Herstellern deshalb<br />
<strong>zum</strong>indest im ersten Jahr der neuen Hybrid-Ära<br />
das Nachbessern erlaubt. »All diese Unternehmen<br />
wie <strong>Ferrari</strong> oder Renault können Weltklasseprodukte<br />
erschaffen«, sagt der Schotte. »Schwierig ist<br />
es, dass sie in dieser Saison keine Chance haben,<br />
darauf zu reagieren. Ich denke, im ersten Jahr hätte<br />
es ihnen erlaubt sein sollen, ihre Produkte weiterzuentwickeln.<br />
Nur so können jene, die weiter hinten<br />
im Feld liegen, aufholen. Ansonsten wird es<br />
sehr schwierig.«<br />
Ein Blick auf die To-Do-Liste der neuen Chefs in<br />
Maranello zeigt: böse formuliert braucht <strong>Ferrari</strong><br />
so gut wie alles, außer anderen Fahrern. »Es war<br />
eine schwierige Saison für sie«, fasst Mika Salo<br />
zusammen. »Aber Fernando Alonso leistet auch<br />
in diesem Jahr wieder fantastische Arbeit. Er holt<br />
einfach alles aus dem Auto heraus.« Sein Teamkollege<br />
Kimi Räikkönen hatte hingegen Schwierigkeiten,<br />
sich mit der störrischen roten Diva<br />
anzufreunden. Dennoch muss die Scuderia ihren<br />
Blick in die Zukunft richten. »Die Veränderungen<br />
wirken sich ja nicht sofort aus«, erinnert Herbert.<br />
<strong>Ferrari</strong> muss auch mit einem Auge in die Zukunft<br />
schielen und die nächste Fahrergeneration heranzüchten.<br />
Heutzutage setzen die Teams vermehrt<br />
auf Fahrer im Teenager-Alter. Ein Team darf sich<br />
nie zurücklehnen und sagen: »Wir haben das, wir<br />
haben das, jetzt sind wir perfekt. So funktioniert<br />
es nicht«, betont Herbert. <strong>Ferrari</strong> ist an allen<br />
Fronten gefordert. Zum <strong>Erfolg</strong> <strong>verdammt</strong>.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 29
MYTHOS<br />
SCUDERIA<br />
FERRARI<br />
TEXT: CHRISTIAN MENATH<br />
ROTE<br />
FERRARI IST WIE EINE RELIGION. DIE BOLIDEN AUS MARANELLO WERDEN VEREHRT - WENN SIE<br />
MIT DEM SPRINGENDEN PFERD AUF DER MOTORHAUBE ZU RUHM UND EHRE FAHREN.<br />
MOTORSPORT-MAGAZIN.COM STELLT VIER BESONDERE AUTOS IM ZEICHEN DER SCUDERIA VOR.<br />
30 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
GÖTTINNEN<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 31
F1-2000<br />
D<br />
er F399 sicherte <strong>Ferrari</strong> in der Saison 1999 die Konstrukteurs-WM. Den Fahrertitel<br />
verpasste Eddie Irvine in Abwesenheit des verletzten Michael Schumacher<br />
jedoch knapp. Im Jahr 2000 startete die Scuderia deshalb abermals einen<br />
neuen Versuch, den ersten Fahrertitel seit Jody Scheckter 1979 nach Maranello zu<br />
holen. Dafür steckte das Team trotz relativ stabilen Reglements viel Aufwand in die<br />
Weiterentwicklung des Autos. Von außen waren die meisten Änderungen nicht zu<br />
erkennen, doch unter dem Karbonkleid änderten die Ingenieure einiges.<br />
Die größte Neuerung war das V10-Aggregat. Während die Konkurrenten von<br />
Mercedes und BMW auf einen Zylinderwinkel von 72 Grad setzten, schlug die<br />
Scuderia den gegenteiligen Weg ein: der Winkel zwischen den 10 Zylindern betrug<br />
90 Grad. Dadurch konnte der Schwerpunkt weiter herabgesetzt werden. BMW zog<br />
zwei Jahre später ebenfalls mit einem 90-Grad-Motor nach. Auch am Fahrwerk<br />
wurde Hand angelegt: Die Bremssättel wanderten am Radträger nach unten. Eine<br />
weitere Maßnahme, um den Schwerpunkt abzusenken.<br />
MYTHOS<br />
SCUDERIA<br />
FERRARI<br />
Chefdesiger Rory Byrne setzte - im Gegensatz zu Adrian Newey bei McLaren - wieder<br />
auf eine hohe Fahrzeugfront. Die Funktionsweise des Frontflügels sollte damit besser<br />
sein. Wegen des breiteren Motors mussten die Seitenkästen kompakter gestaltet<br />
werden. Dazu wurden die Kühler auf beiden Seiten zweigeteilt. Ein Kühler befand<br />
sich direkt am Ende des Kanals, der zweite, etwas kleinere Kühler, war im 45-Grad-<br />
Winkel dazu angebracht.<br />
Der F1-2000 war dem McLaren MP4/15 zu Saisonbeginn performancetechnisch unterlegen,<br />
erwies sich aber von Anfang an als zuverlässig. So holte Mika Häkkinen die ersten<br />
drei Pole Positions des Jahres, schied aber bei den ersten beiden Rennen mit technischen<br />
Defekten aus. Schumacher hatte hingegen im Qualifying keine Chance, gewann aber<br />
die ersten drei Rennen. Gegen Ende des Jahres holte <strong>Ferrari</strong> auf: Schumacher stand<br />
bei den letzten vier Grands Prix auf Startplatz eins und gewann alle Rennen. Schon<br />
beim vorletzten Rennen des Jahres sicherte er sich den WM-Titel. Beim Finale in Japan<br />
gewann <strong>Ferrari</strong> auch noch den zweiten Konstrukteurstitel in Folge.<br />
→<br />
32 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
TECHNIK<br />
Motor: <strong>Ferrari</strong> 3,0-Liter V10 mit 805 PS bei 17.300 U/min<br />
Gewicht: Mindestgewicht 600 Kilogramm (mit Fahrer)<br />
Chassis: Karbon-Monocoque mit Aluminium Honigwabenstruktur<br />
Getriebe: Eigenes sequentielles 7-Gang-Getriebe<br />
Reifen: Bridgestone<br />
Benzin: Shell<br />
ERFOLGE<br />
10 Siege<br />
10 Pole Position<br />
5 Schnellste Runden<br />
21 Podiumsplatzierungen<br />
Fahrerweltmeister 2000<br />
Konstrukteursweltmeister 2000<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 33
F1/87/88C<br />
MYTHOS<br />
SCUDERIA<br />
FERRARI<br />
D<br />
ie Erwartungen, mit denen <strong>Ferrari</strong> in die Saison 1988 gegangen war, waren<br />
groß. In der Vorsaison waren die Ingenieure damit beschäftigt, ein schnelles<br />
Auto auch zuverlässig zu machen. Das war am Ende auch gelungen, Gerhard Berger<br />
gewann die letzten beiden Saisonrennen. 1988 stand dann eine Übergangssaison<br />
an: das letzte Jahr mit Turbomotoren. Der Ladedruck wurde noch einmal nach unten<br />
korrigiert, die maximale Benzinmenge auf 150 Liter herabgesetzt. <strong>Ferrari</strong> baute kein<br />
neues Auto, sondern entwickelte die gute Basis des Vorjahresboliden weiter. Chefdesigner<br />
Gustav Brunner nahm unter Mithilfe von Design-Legende John Barnard<br />
nur kleinere Veränderungen an der Aerodynamik vor.<br />
Der F1/87/88C war kein schlechtes Auto, doch <strong>Ferrari</strong> hatte die Rechnung ohne<br />
McLaren gemacht. Im Gegensatz zu <strong>Ferrari</strong> hatte deren Motorenpartner Honda für<br />
das neue Reglement einen komplett neuen Motor entwickelt. Der <strong>Ferrari</strong>-Turbo<br />
war zwar leistungsstärker, bei der Fahrbarkeit und vor allem beim Benzinverbrauch<br />
war er dem japanischen Konkurrenzprodukt jedoch unterlegen. <strong>Ferrari</strong> hatte versäumt,<br />
den Turbomotor auf die neuen Begebenheiten anzupassen. Barnard wollte,<br />
um das Leistungsdefizit durch 45 Liter weniger Benzin zu kompensieren, niedrigere<br />
Drehzahlen. Mit neuer Applikation hätte der Leistungsverlust aufgefangen werden<br />
können, doch die italienischen Ingenieure sollen Bernards Anweisung nicht befolgt<br />
haben - der Brite fiel bei den <strong>Ferrari</strong>-Leuten wegen seiner Abneigung gegenüber<br />
Italien in Ungnade.<br />
TECHNIK<br />
Motor: <strong>Ferrari</strong> 1,5-Liter V6-Turbomotor mit 620 PS bei 12.000 U/min<br />
Gewicht: Mindestgewicht 542 Kilogramm (ohne Fahrer)<br />
Chassis: Monocoque aus Kevlar- und Karbonfaser<br />
Getriebe: Eigenes manuelles 6-Gang-Getriebe<br />
Reifen: Goodyear<br />
Benzin: Agip<br />
ERFOLGE<br />
1 Sieg<br />
1 Pole Position<br />
4 Schnellste Runden<br />
8 Podiumsplatzierungen<br />
In der von McLaren dominierten Saison ging nur eine Pole auf das <strong>Ferrari</strong>-Konto.<br />
Im Rennen war unter normalen Umständen nicht daran zu denken, Alain Prost<br />
oder Ayrton Senna unter Druck zu setzen. Zu groß war der Verbrauchsnachteil<br />
gegenüber dem überlegenen McLaren MP4/4. Beim einzigen Rennen der Saison,<br />
das McLaren wegen eines Doppelausfalls nicht gewann, holte ausgerechnet <strong>Ferrari</strong><br />
einen Doppelsieg im königlichen Park von Monza - einen Monat nach dem Tod<br />
von Firmengründer Enzo <strong>Ferrari</strong>.<br />
34 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FERRARI F312T<br />
MYTHOS<br />
SCUDERIA<br />
FERRARI<br />
O<br />
bwohl der erste F312T bereits im Herbst 1974 fertiggestellt und am Saisonende<br />
der Presse vorgestellt wurde, verspätete sich das Renndebüt des<br />
Boliden. Bei den ersten beiden Rennen der Saison 1975 setzte <strong>Ferrari</strong> noch auf das<br />
Vorgängermodell, den 312B3. Wie sich beim ersten Einsatz in Kyalami zeigte, war<br />
die Entscheidung, das neue Modell nicht von Beginn an zu bringen, richtig. Denn<br />
der F312T hatte noch mit Kinderkrankheiten zu kämpfen: Clay Regazzonis Auto<br />
wurde komplett falsch eingestellt, Niki Lauda fehlte Motorleistung. Doch schnell<br />
zeigte sich das wahre Potential des neuen Fahrzeugs. Beim nächsten GP-Einsatz in<br />
Spanien stellte Lauda den <strong>Ferrari</strong> auf die Pole Position, von den nachfolgenden fünf<br />
Rennen konnte der Österreicher vier gewinnen und setzte somit den Grundstein für<br />
seine erste Weltmeisterschaft.<br />
Der besondere Clou des F312T befand sich im Heck. <strong>Ferrari</strong> Design-Legende Mauro<br />
Forghieri flanschte das Getriebe im Winkel von 90 Grad an den Motor an, weshalb<br />
sich auch das ‚T‘ für ‚transversale‘ im Namen wiederfindet. Das machte das gesamte<br />
Heck des Fahrzeugs kompakter und verringerte die Massenträgheit um die Hinterachse<br />
- fast das gesamte Gewicht des Getriebes befand sich vor der Hinterachse.<br />
Um dem Fahrer dennoch ein stabiles Heck zu geben, vergrößerte Forghieri den<br />
Heckflügel und balancierte das Auto somit aerodynamisch aus.<br />
Im Gegensatz zur Konkurrenz, die fast geschlossen mit Ford Cosworth Motoren an<br />
den Start ging, baute <strong>Ferrari</strong> natürlich seinen eigenen Motor. Während die britische<br />
Motorenschmiede auf das bewährte V8-Konzept setzte, wurde in Maranello weiterhin<br />
am F12-Motor, also einem V12-Motor mit 180 Grad Zylinderwinkel, festgehalten.<br />
Nach anfänglichen Schwierigkeiten holte Niki Lauda den WM-Titel letztendlich deutlich.<br />
Bei den Konstrukteuren setzte sich <strong>Ferrari</strong> ebenfalls durch. Für die Mythosmarke<br />
endete eine elfjährige Durststrecke ohne Titel. Der F312T gilt als Forghieris Meisterwerk<br />
und wurde in weiterentwickelten Varianten noch bis 1980 eingesetzt. →<br />
TECHNIK<br />
Motor: <strong>Ferrari</strong> 3,0-Liter F12 mit 495 PS bei 12.200 U/min<br />
Gewicht: Mindestgewicht 575 Kilogramm (ohne Fahrer)<br />
Chassis: Aluminium Monocoque<br />
Getriebe: Eigenes manuelles 5-Gang-Getriebe<br />
Reifen: Goodyear<br />
Benzin: Agip<br />
ERFOLGE<br />
6 Siege<br />
9 Pole Position<br />
6 Schnellste Runden<br />
Fahrerweltmeisterschaft 1975<br />
Konstrukteursweltmeisterschaft 1975<br />
27 Siege mit allen Entwicklungsstufen bis 1980 (312 T5)<br />
3 Fahrertitel mit allen Entwicklungsstufen (1975, 1977, 1979)<br />
4 Konstrukteurstitel mit allen Entwicklungsstufen (1975, 1976, 1977, 1979)<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 35<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON
F156 F1<br />
19<br />
61 fand in der Formel 1 wieder einmal ein technischer Umbruch statt: Die<br />
Konstrukteure mussten sich mit Formel-2-Boliden mit kleinvolumigen<br />
Motoren begnügen. Während 1960 noch mit 2,5-Liter-Saugmotoren gefahren wurde,<br />
holten die Aggregate in dieser Saison ihre Leistung aus lediglich 1,3 bis 1,5 Liter<br />
Hubraum - ohne Aufladung. <strong>Ferrari</strong> setzte zunächst auf das bereits erprobte 1,5-Liter<br />
V6 Dino-Aggregat. Mit diesem Motor wurde allerdings nur der erste Grand Prix in<br />
Monaco bestritten, schon beim zweiten WM-Lauf waren neue Motoren im Heck.<br />
Chefkonstrukteur Carlo Chiti hatte den Zylinderwinkel von 65 auf 120 Grad vergrößert.<br />
Dadurch konnte nicht nur die Leistung auf rund 190 PS bei 9500 Umdrehungen<br />
erhöht, sondern auch der Schwerpunkt abgesenkt werden. Die Motordaten waren<br />
zugleich Namensgeber: 1,5 Liter Hubraum, 6 Zylinder - <strong>Ferrari</strong> F156.<br />
MYTHOS<br />
SCUDERIA<br />
FERRARI<br />
tödlich und riss 15 Zuschauer mit in den Tod. Sein Teamkollege Phil Hill gewann das<br />
Rennen und zugleich auch die Weltmeisterschaft.<br />
Bis 1964 wurde der F156 immer wieder sporadisch eingesetzt, konnte aber später<br />
nicht mehr an die <strong>Erfolg</strong>e seiner Debütsaison anknüpfen. Heute existiert kein einziges<br />
Originalexemplar der Hai-Nase mehr, weil Enzo <strong>Ferrari</strong> persönlich alle Fahrzeuge<br />
zerstören ließ. Über die Gründe wird noch heute spekuliert: angeblich sei Enzo sauer<br />
gewesen, weil die Väter des Fahrzeugs <strong>Ferrari</strong> verlassen hatten. Einer Legende<br />
zufolge sollen sich verschrottete F156 im Fundament des <strong>Ferrari</strong>-Werks in Maranello<br />
befinden.<br />
Der F156 war <strong>Ferrari</strong>s erstes Auto überhaupt, das von Anfang an als Mittelmotorsportwagen<br />
ausgelegt war, weshalb er eine besondere Stellung in der Fahrzeughistorie<br />
der Italiener einnimmt. Das Auto, das von Legenden wie Phil Hill, Wolfgang<br />
Graf Berghe von Trips und Lorenzo Bandini pilotiert wurde, wird nicht selten als das<br />
schönste Formel-1-Auto der Geschichte bezeichnet. Charakteristisch für die Form<br />
sind zwei schräge Lufteinlässe an der Front, die ihm den Spitznamen Hai-Nase<br />
einbrachten. <strong>Ferrari</strong> orientierte sich 2004 beim Design des Straßensportlers F430<br />
an den Kühleinlässen.<br />
In seiner Premierensaison 1961 war der F156 das überlegene Auto. Beim vorletzten<br />
Grand Prix in Monza verunglückte der WM-Führende Wolfgang Graf Berghe von Trips<br />
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TECHNIK<br />
Motor: <strong>Ferrari</strong> 1,5-Liter V6 mit 190 PS bei 9500 U/min<br />
Gewicht: Mindestgewicht 450 Kilogramm (ohne Fahrer)<br />
Chassis: Stahl Gitterrohrrahmen<br />
Getriebe: Eigenes manuelles 5-Gang-Getriebe<br />
Reifen: Dunlop<br />
Benzin: Shell<br />
ERFOLGE<br />
7 Siege<br />
7 Pole Position<br />
6 Schnellste Runden<br />
1 Fahrerweltmeister 1961<br />
1 Konstrukteursweltmeister 1961<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
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LEWIS HAMILTON<br />
SO<br />
TICKE<br />
ICH<br />
TEXT: CHRISTIAN MENATH<br />
GENIALES VOLLGASTIER ODER MISSVERSTANDENES GENIE? LEWIS HAMILTON<br />
SPALTET DIE FORMEL-1-GEMEINDE. FÜR DIE EINEN IST ER EINFACH NUR SAUSCHNELL,<br />
FÜR DIE ANDEREN IN JEDER HINSICHT UNBERECHENBAR. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM<br />
VERRÄT DER MERCEDES-FAHRER, WIE ER WIRKLICH TICKT.
FOTOS: MERCEDES AMG<br />
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Meinungen anderer? Lewis Hamilton<br />
lässt lieber Taten für sich sprechen<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, MERCEDES AMG<br />
MSM: Lewis, sportlich stimmen Fans, Experten<br />
und Gegner in ihrer Meinung alle überein, dass<br />
Du ein großartiger Rennfahrer bist. Als Person<br />
polarisierst du hingegen die Massen. Einige mögen<br />
dich, andere nicht. Was glaubst du, ist der Grund<br />
dafür?<br />
LEWIS HAMILTON: Ich kann natürlich nicht<br />
sagen, warum manche Menschen jemanden<br />
mögen und andere nicht. Oft rührt es wahrscheinlich<br />
von Dingen her, die man gesagt hat. Vielleicht<br />
auch Aussagen, die aus dem Zusammenhang gerissen<br />
wurden. Ich bin sicher, dass viele Dinge aus<br />
manchen Interviews falsch interpretiert oder missverstanden<br />
wurden. Möglicherweise hat es den<br />
Leuten nicht gefallen, wie es sich anhörte. Aber<br />
ich bin ziemlich sicher, dass ein Großteil der Menschen,<br />
die ich in meinem Leben getroffen habe<br />
und die mit mir mehr als 20 Sekunden verbracht<br />
haben, erkennen, dass ich ein ganz normaler Kerl<br />
bin. Ich denke, die Wahrnehmung verändert sich<br />
mit der Zeit.<br />
Steht es der Öffentlichkeit überhaupt zu, dich zu<br />
beurteilen? Schließlich kennen sie dich ja nicht<br />
wirklich...<br />
Ich glaube nicht, dass überhaupt irgendjemand<br />
einen anderen beurteilen sollte. Ich beurteile keine<br />
anderen Menschen. Ich sehe mir nichts im Fernsehen<br />
an und sage dann: Hey, der hat das gemacht!<br />
Es liegt an jedem selbst, was er tut. Das betrifft<br />
mich nicht. Ich kümmere mich um meine Familie<br />
und mich. Es stört mich nicht, wenn mich jemand<br />
nicht mag. Das ist seine Meinung. Es gibt immer<br />
Dinge, die man im Nachhinein gerne auf eine<br />
andere Weise gesagt hätte. Manchmal wünscht<br />
man sich, dass man in einer gewissen Situation<br />
anders reagiert hätte. Ich glaube, manche Leute<br />
vergessen leicht, dass wir permanent vor den<br />
Kameras stehen. Ich habe ständig eine Kamera<br />
direkt in meinem Gesicht. Dann wird über jedes<br />
Stirnrunzeln und jeden Satz, den ich sage, eine<br />
Geschichte geschrieben. Ich muss also immer konzentriert<br />
und ernst bleiben. Das ist nicht einfach.<br />
Damit bin ich nicht immer richtig umgegangen.<br />
Aber eins ist sicher: man muss versuchen, die<br />
Dinge im Leben richtig zu machen, nach vorne zu<br />
blicken und sich als Person zu verbessern. Man<br />
muss das Leben genießen.<br />
Wie beschreibst du deine persönliche Wandlung<br />
von dem Jungen, der zu Ron Dennis hin ging, über<br />
den F1-Weltmeister bei McLaren bis <strong>zum</strong><br />
Mercedes-Titelkandidaten?<br />
Puh, das ist eine lange Geschichte. Ich bin in jedem<br />
Jahr in mich gegangen, habe sehr viel über mich<br />
nachgedacht. Ich musste aus meinen Fehlern lernen.<br />
Gerade jenen, die ich einige Male wiederholt<br />
habe. Ich habe versucht, eine gute Balance in<br />
meinem Leben zu finden. Damit ich mit einer<br />
positiven Stimmung und Einstellung zu den Rennwochenenden<br />
reisen kann. Das ist mein Ziel. Aber<br />
es lässt sich nicht erzwingen. Wenn man noch<br />
etwas Grün hinter den Ohren ist, ist das eben so.<br />
Mit der Zeit wächst man da heraus. Ich bin jetzt<br />
fast 30, aber es gibt für mich noch viel zu lernen.<br />
Dennoch bin ich heute hoffentlich viel klüger,<br />
treffe bessere Entscheidungen, reagiere anders und<br />
gebe bessere Antworten. Ich stelle das mittlerweile<br />
oft fest. Zum Beispiel wurde ich viel über Max<br />
Verstappen befragt, der nächstes Jahr für Toro<br />
Rosso startet. Ich erinnere mich noch daran, wie<br />
es war, als ich jünger war. Damals wollte ich der<br />
jüngste Fahrer sein. Habe permanent gepusht.<br />
Wenn ich nun zurückblicke, bin ich sehr dankbar<br />
dafür, dass ich zurückgehalten wurde und noch<br />
gewartet habe. Als ich in die Formel 1 eingestiegen<br />
bin, war ich bereit dafür. Wenn ich früher debütiert<br />
hätte, würden wir heute wahrscheinlich nicht<br />
zusammen hier sitzen. Diese Wahrnehmung habe<br />
ich erst im Laufe der Zeit erlernt. Vor einigen Jahren<br />
hätte ich wahrscheinlich noch geantwortet: Ich<br />
40 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
hätte schon viel früher einsteigen können! [lacht]<br />
Das bedeutet, du bist sehr gereift, aber in deinem<br />
Innersten bist du immer noch der gleiche?<br />
Absolut. Ich habe ein großes Herz. Das bringt mich<br />
ja auch immer mal in Schwierigkeiten...<br />
Du hast 2008 den WM-Titel gewonnen. Seitdem<br />
ist Sebastian Vettel vier Mal Weltmeister geworden.<br />
Ist es nicht frustrierend, zu wissen, dass du<br />
vom Talent her ebenfalls mehr Titel verdient<br />
gehabt hättest?<br />
Die Formel 1 ist ein interessanter Sport. Sie macht<br />
sehr viel Spaß und ist einfach großartig. Aber<br />
anders als im Golf oder Tennis, bist du hier nicht<br />
allein mit dir und deinem Schläger. Du kannst<br />
physisch und psychisch besser vorbereitet sein als<br />
jemals zuvor in deiner Karriere - und dann hast<br />
du ein schlechtes Auto. Ich bin überzeugt, dass es<br />
auch in dieser Saison viele Fahrer gibt, die so fit<br />
wie noch nie sind. Aber ihre Autos sind ein oder<br />
zwei Sekunden zu langsam. Dagegen kannst du<br />
als Rennfahrer nichts machen. Du kannst nur dein<br />
Bestes geben und versuchen, alles aus dem<br />
Moment herauszuholen. Umso schöner ist das<br />
Gefühl, dass wir in diesem Jahr ein Auto haben,<br />
mit dem wir um den Sieg kämpfen können. Davon<br />
habe ich seit meinem Titelgewinn geträumt. 2009<br />
hatte ich dann ein schreckliches Auto. Wenn ich<br />
damals so gut gewesen wäre wie heute, hätte ich<br />
2011 vielleicht nah an Sebastian dran sein können.<br />
2012 war ein sehr gutes Jahr und ehrlich gesagt<br />
hätten wir damals den Titel gewinnen müssen.<br />
Aus diesem Grund möchte ich sicherstellen, dass<br />
ich in diesem Jahr jedes kleine Bisschen richtig<br />
mache. Am Ende der Saison möchte ich sagen<br />
können, dass ich alles in meiner Macht Stehende<br />
getan habe, dass ich bei jedem Rennen alles aus<br />
mir herausgeholt habe.<br />
Setzt dich diese Einstellung nicht zusätzlich unter<br />
Druck?<br />
Vielleicht, aber so bin ich eben. Ich war schon<br />
immer sehr hart zu mir selbst. Ich brauche niemanden,<br />
der mir sagt, dass ich etwas vermasselt<br />
habe. Für andere mag es einfacher sein, wenn sie<br />
nicht so hart mit sich ins Gericht gehen. Aber so<br />
ticke ich nun mal nicht. Das kann niemand<br />
ändern. Ich bin wie ich bin, und zwar sehr selbstkritisch.<br />
Ich komme jetzt jedoch viel schneller über<br />
Dinge hinweg. Nach dem Qualifying in Silverstone<br />
war ich wirklich niedergeschlagen. Aber schon am<br />
nächsten Tag habe ich mich zurückgemeldet. Es<br />
hat lange gedauert, um das zu erlernen.<br />
Du hast einmal gesagt, dass der Titelkampf die<br />
Beziehung zwischen zwei Teamkollegen richtig<br />
auf die Probe stellen kann. Aber so lange der<br />
gegenseitige Respekt vorhanden sei, gebe es keine<br />
Probleme. Hat sich daran etwas verändert?<br />
Vertrauen und Respekt kann man sehr schnell<br />
verlieren. Aber es ist wie in jeder Beziehung: wenn<br />
man eine solide Basis geschaffen hat, kann man<br />
immer wieder darauf aufbauen. Nico und ich →<br />
»AUS DIESEM GRUND MÖCHTE<br />
ICH SICHERSTELLEN, DASS ICH<br />
IN DIESEM JAHR JEDES KLEINE<br />
BISSCHEN RICHTIG MACHE. AM<br />
ENDE DER SAISON MÖCHTE ICH<br />
SAGEN KÖNNEN, DASS ICH ALLES IN<br />
MEINER MACHT STEHENDE GETAN<br />
HABE, DASS ICH BEI JEDEM RENNEN<br />
ALLES AUS MIR HERAUSGEHOLT<br />
HABE.« LEWIS HAMILTON<br />
Auf der Jagd nach Pokalen: Lewis Hamilton ist selbst sein stärkster Kritiker
fahren gegeneinander Rennen seit wir 13 Jahre alt<br />
waren. Damals haben wir dieses Grundgerüst<br />
gelegt und es würde viel benötigen, um es zu<br />
beschädigen. Im vergangenen Jahr wurde das<br />
Thema Freundschaft zwischen Nico und mir sehr<br />
hochgespielt. Als Kinder waren wir sehr gute<br />
Freunde. Danach lebte er sein Leben und ich<br />
meines. Es ist wie wenn man auf die Uni geht. Man<br />
wohnt in einer anderen Stadt und lässt seine<br />
Freunde zu Hause zurück. Man erinnert sich aber<br />
immer an die Freundschaft und die Vergangenheit.<br />
Übertragen auf uns bedeutet das: auch nach Saisonende<br />
sind wir noch Teamkollegen und müssen<br />
auch im kommenden Jahr miteinander arbeiten.<br />
Dank all dieser Erfahrungen werden wir uns dann<br />
hoffentlich noch besser schlagen.<br />
Im Verlauf der Saison hieß es immer wieder, wie<br />
wichtig es sei, den Schwung mitzunehmen oder<br />
den Lauf des anderen zu brechen. Wie wichtig ist<br />
das wirklich im Titelkampf?<br />
Ich werde oft nach meinem Lauf gefragt. Ein Rennen<br />
allein macht noch keinen Lauf aus. Klar, es ist<br />
ein positiver, erster Schritt. Man kann es vielleicht<br />
mit Boxern vergleichen. Wenn ein Boxer sich rückwärts<br />
bewegt, ist er offener für einen Treffer oder<br />
macht vielleicht einen Fehler. In der Vorwärtsbewegung<br />
fühlt man sich gleich viel besser. Genauso<br />
DAVID COULTHARD: WIE YING & YANG<br />
»Es war bislang eine unglaubliche Saison. Nico<br />
ist außergewöhnlich gut gefahren. Er ist ein echter<br />
Profi. Lewis ist möglicherweise schneller. Er ist<br />
hungrig und in gewisser Weise spektakulärer. Nico<br />
ist hingegen disziplinierter, kontrolliert seine Emotionen<br />
besser. Sie sind wie Ying und Yang. Es ist<br />
eine faszinierende Saison. Die Schwäche von<br />
Lewis ist, dass er in diesem Jahr im Qualifying<br />
einige Fehler in Schlüsselmomenten gemacht hat,<br />
etwa in Singapur. Er hat sich in der ersten Kurve<br />
verbremst, später aber die Zeit wieder hereingeholt.<br />
So etwas ist ihm in diesem Jahr einige Male<br />
passiert. Was mich überrascht, ist, dass die Fans<br />
nicht so sehr hinter Nico stehen wie hinter Lewis.<br />
Lewis ist schon länger dabei und hat schon eine<br />
WM gewonnen, aber ich hätte gedacht, dass Nico<br />
nach seiner Zeit an der Seite von Michael Schumacher<br />
die Fans in Deutschland mehr hinter sich<br />
gebracht hätte. Ich hätte mehr Unterstützung für<br />
ihn erwartet, er führte die WM ja schon an. Aber<br />
das verrät uns etwas über die Öffentlichkeit. Nehmen<br />
wir <strong>zum</strong> Beispiel Kimi: Er sagt nichts, aber<br />
die Fans lieben ihn. Wenn du Kimi kritisierst, fallen<br />
sie über dich her! [macht Würgegeräusche] Er ist<br />
für sie unantastbar. Dabei ist er niemand, der viel<br />
mit anderen kommuniziert. Man kann Popularität<br />
auch künstlich schaffen. Einige Leute sind beliebt,<br />
andere sind für die Öffentlichkeit nicht so stimulierend.<br />
Lewis ist viel emotionaler als Nico. Aber<br />
vielleicht machen ihn diese Emotionen so gut.«<br />
Immer mit 100 Prozent dabei: Lewis Hamilton lebt von seinen Emotionen<br />
42 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Hamilton polarisiert die Massen: die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn<br />
ist es im Rennsport. Wenn man ein gutes Rennen<br />
hatte, fühlt man sich bereit für das nächste.<br />
Lewis Hamilton erlebt die härteste Saison seiner Karriere<br />
ICH HOFFE, DASS SICH 20 JAHRE<br />
NACH DEM ENDE MEINER AKTIVEN<br />
KARRIERE FANS AN MICH ERINNERN<br />
WERDEN UND SAGEN: VOR VIELEN<br />
JAHREN GAB ES DIESEN SILBER-<br />
PFEIL-FAHRER, DER WAR KLASSE.<br />
EIN SIEG IST FANTASTISCH, ABER AM<br />
ENDE ZÄHLT FÜR MICH DER GEWINN<br />
DER WELTMEISTERSCHAFT.<br />
LEWIS HAMILTON<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, MERCEDES AMG<br />
Du hast in deiner Karriere schon einige WM-<br />
Kämpfe erlebt. Ist diese Saison auf und abseits der<br />
Strecke deine härteste?<br />
Soweit ich mich erinnern kann, ist es wahrscheinlich<br />
die härteste Saison. In der Saison 2012 hatte<br />
ich ein Auto mit dem ich die WM hätte gewinnen<br />
können. Aber wir hatten etliche Probleme und<br />
verloren dadurch viele Punkte. Das war hart. In<br />
diesem Jahr ist es anders. Wir kämpfen noch<br />
immer um die Weltmeisterschaft. Im Verlauf des<br />
Jahres gab es einige Schwierigkeiten, vor allem auf<br />
meiner Seite. Aber ich habe alles abgewehrt, was<br />
auf mich eingestürzt ist. Ich habe mich stets davon<br />
erholt. Selbst wenn ich als Letzter gestartet bin,<br />
kam ich noch als Dritter ins Ziel. Es ist super, ein<br />
Rennen von der Pole Position zu gewinnen. Aber<br />
von der Pole zu starten, zwischenzeitlich auf Platz<br />
vier zurückzufallen und dann zurückzuschlagen,<br />
um doch noch zu siegen - das gibt dir ein so viel<br />
schöneres Gefühl.<br />
Dein ehemaliger Teamkollege Fernando Alonso<br />
war in den vergangenen Jahren in der gleichen<br />
Situation wie du. Vor kurzem hat Fernando<br />
gesagt, dass ihm sein guter Ruf schon gefällt, er<br />
aber lieber die Pokale hätte. Woran sollen sich die<br />
Fans bei dir eines Tages erinnern - an die Pokale<br />
oder den Sportler?<br />
Schlussendlich möchte wohl jeder gerne so sein<br />
wie Ayrton Senna. Er lebte in einer für ihn perfekten<br />
Ära, einer perfekten Zeit. So kamen seine<br />
Leidenschaft und sein Charisma voll zur Geltung.<br />
Jeder Rennfahrer, der dir sagt, dass er nicht so in<br />
Erinnerung bleiben möchte, würde dich anlügen.<br />
Ayrton war schon immer mein Lieblingsfahrer.<br />
Ich hoffe, dass sich 20 Jahre nach dem Ende meiner<br />
aktiven Karriere Fans an mich erinnern werden<br />
und sagen: vor vielen Jahren gab es diesen Silberpfeil-Fahrer,<br />
der war klasse. Pokale sind wundervoll.<br />
Aber mir geht es eher um die langfristige<br />
Sicht. Es ist wie auf der Rennstrecke: ein Sieg ist<br />
fantastisch, aber am Ende zählt für mich der<br />
Gewinn der Weltmeisterschaft.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 43
FOTOS: WILLIAMS<br />
COOL GENUG<br />
FÜR DEN<br />
TITEL<br />
BESSER ALS KIMI RÄIKKÖNEN. ERFOLGREICHER ALS FERNANDO ALONSO. DIE LOBESHYMNEN<br />
AUF VALTTERI BOTTAS NEHMEN KEIN ENDE. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM DECKT AUF, WAS<br />
DEN MANN AUS NASTOLA SO STARK MACHT UND WARUM ER 2016 ZUM HAUPTDARSTELLER<br />
AUF DEM FORMEL-1-TRANSFERMARKT WERDEN KÖNNTE.<br />
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 45<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, WILLIAMS
Du bist schneller als<br />
Massa, überhol ihn!<br />
Du bist schneller als<br />
Massa! Verstanden?«<br />
In Malaysia hatten<br />
noch nicht alle verstanden,<br />
heute schon.<br />
Mit Valtteri Bottas schickt<br />
sich ein neuer Superstar aus<br />
dem hohen Norden an, die Formel<br />
1 zu erobern. In seiner Heimat,<br />
Finnland, beginnt er bereits am Heiligenschein<br />
von Kimi Räikkkönen zu kratzen.<br />
Auch wenn Bottas‘ Vita weder einen WM-<br />
Titel, noch 20 GP-Siege aufweist, so zweifelt kaum<br />
einer daran, dass er an die <strong>Erfolg</strong>e seines Landsmannes<br />
oder an jene von Mika Häkkinen oder Keke<br />
Rosberg herankommen kann. »Ich bin absolut<br />
davon überzeugt, dass Valtteri ein zukünftiger Weltmeister<br />
ist«, sagt Pat Symonds, der in seiner 30-jährigen<br />
F1-Karriere mit Fahrergrößen wie Ayrton<br />
Senna, Michael Schumacher und Fernando Alonso<br />
gearbeitet hat. Letzteren könne Bottas karrieretechnisch<br />
sogar übertreffen, glaubt Symonds. »Ich sehe<br />
viele Gemeinsamkeiten zwischen Fernando und<br />
Valtteri. Meiner Meinung nach hat Valtteri das<br />
Potenzial, noch erfolgreicher zu werden als<br />
Fernando.« Eine Vorhersage, die <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com-Experte<br />
Christian Danner nicht völlig ad<br />
absurdum führen will. »Cool genug ist Valtteri«,<br />
meint Danner. Als Finne besitzt Bottas nicht nur<br />
deren fast schon legendäre Coolness, sondern auch<br />
SISU. Dabei handelt es sich um die Charakterstärke<br />
der Finnen, um die mentale Stärke, den absoluten<br />
Willen sein Bestes zu geben und niemals aufzugeben,<br />
wenn man sich für etwas entschieden hat. Und<br />
Bottas hat sich entschieden, der beste Fahrer der<br />
Welt zu werden. Diesen Traum träumt er seit seinem<br />
vierten Lebensjahr, als er mit seinem Vater an einer<br />
Reklametafel für ein Kartrennen in Lahti vorbeifuhr.<br />
Klein-Valtteri überredete seinen Vater, der keinerlei<br />
<strong>Motorsport</strong>hintergrund besaß, das Rennen anzusehen.<br />
»Mein Vater hat mir später erzählt, dass ich<br />
noch nie so ruhig gesessen habe wie an diesem Tag«,<br />
erinnert sich Bottas. 20 Jahre später saß er in einem<br />
F1-Cockpit. Die Saison 2013 war für den Finnen<br />
prägend. Williams ging durch ein Tief und war nicht<br />
gerade der ideale Ort, um eine viel beachtete Premierensaison<br />
hinzulegen. Mit unterlegenem Material<br />
konnte Bottas nur ab und an sein Talent aufblitzen<br />
lassen wie mit Startplatz drei in Kanada oder<br />
mit Platz acht beim Großen Preis der USA. »Es war<br />
definitiv ein tolles Gefühl, dass ich endlich meine<br />
Pace zeigen konnte. Ich konnte endlich ein wenig<br />
davon zeigen, zu was ich in einem Formel-1-Auto<br />
fähig bin«, erinnert sich Bottas. Diesem kurzen Aufblitzen<br />
folgte 2014 ein regelrechtes Feuerwerk. Angefangen<br />
mit Platz fünf beim Saisonauftakt in Melbourne<br />
folgten in Österreich, Großbritannien und<br />
Deutschland drei Podestplätze in Serie. In Spa-<br />
Francorchamps überholte Bottas vier Runden vor<br />
Rennende Kimi Räikkönen und stieß den <strong>Ferrari</strong>-<br />
Piloten damit vom Podest. Während Bottas 2013<br />
nach 13 Rennen noch ohne WM-Punkt da stand,<br />
hatte er in diesem Jahr nach 13 Grands Prix bereits<br />
122 Zähler eingefahren - 16 mehr als der vierfache<br />
Weltmeister Sebastian Vettel und 81 mehr als Landsmann<br />
und Weltmeister Kimi Räikkönen.<br />
Auf seinem Weg in die Königsklasse des <strong>Motorsport</strong>s<br />
absolvierte Bottas nicht nur sämtliche Rennklassen,<br />
sondern auch eine Ausbildung als KFZ-Mechaniker.<br />
»Das war nie die Karriere, die ich für mich geplant<br />
hatte«, stellt Bottas die Sachlage im Gespräch mit<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com klar. »Ich fahre seit ich<br />
sechs Jahre alt bin Rennen. Ich wollte stets Rennfahrer<br />
werden, nie Mechaniker - aber die Ausbildung<br />
hat definitiv nicht geschadet [lacht]. Die Technik<br />
eines F1-Autos ist sehr speziell und detailliert. Je<br />
mehr man davon versteht, desto besser ist es.« Neben<br />
seinem technischen Verständnis punktet der 25-Jährige<br />
mit Talent, Schnelligkeit und Fleiß. »Meine<br />
Meinung über Valtteri hat sich seit dem ersten Test<br />
nicht geändert. Er ist ein großartiger Fahrer. Er ist<br />
extrem schnell und gibt uns ein kompetentes Feedback,<br />
auch während des Rennens«, schwärmt Rob<br />
Smedley. Während manch andere Rennfahrer nach<br />
den ersten <strong>Erfolg</strong>en zur Primadonna mutieren,<br />
bleibt Bottas mit den Füßen auf dem Boden. »Er ist<br />
im Vergleich zu anderen in keiner Art und Weise<br />
verwöhnt. Es ist sehr leicht, mit ihm zu arbeiten. Er<br />
akzeptiert Vorschläge, nicht nur was seinen Fahrstil<br />
angeht, sondern auch in punkto Kommunikation«,<br />
verrät Smedley. »Meine Anerkennung für Valtteri<br />
nimmt wöchentlich zu. Er ist ein sehr guter Rennfahrer,<br />
aber er kann noch ein außergewöhnlicher<br />
Fahrer werden.« Wie ihm der Sprung vom guten<br />
<strong>zum</strong> außergewöhnlichen Fahrer, den nur wenige<br />
schaffen, gelingen soll, verrät Bottas selbst gegenüber<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com: »Der Beste in der Formel<br />
1 zu sein, ist nicht leicht, aber es muss das Ziel eines<br />
Rennfahrers sein. Dafür muss man gewillt sein, zu<br />
lernen und sich weiterzuentwickeln. Ich hoffe, dass<br />
ich noch eine lange Karriere vor mir habe und somit<br />
viel Zeit, um mich zu verbessern, um mich Rennen<br />
für Rennen in allen Bereichen zu steigern.« Während<br />
andere Piloten von ihren Team-Untergebenen<br />
erwarten, dass sie ihnen ein schnelles Auto einfach<br />
so hinstellen, nimmt Bottas das selbst in die Hand.<br />
Noch vor seiner ersten Saison mit Williams kaufte<br />
er sich in der Nähe von Grove eine Wohnung, um<br />
regelmäßig in der Fabrik vorbeizuschauen und in<br />
einigen Abteilungen auszuhelfen. Damit hat sich der<br />
Finne nicht nur bei der Entwicklung des Boliden<br />
einbringen können, sondern auch seinen Stand im<br />
Team gefestigt. »Bottas wurde bei Williams von<br />
Anfang an für voll genommen. Williams wusste<br />
genau, was er kann, auch wenn es einmal nicht so<br />
gut lief. Er hat sich im Team etabliert«, weiß Danner.<br />
»Valtteri ist einfach ein supercooler Typ. Er weiß,<br />
was er macht und was ich an ihm so großartig finde,<br />
ist, dass er nicht wegen des Geldes in der Formel 1<br />
fährt. Ihm geht es einzig und allein ums<br />
Rennfahren.«<br />
Kein Wunder, dass sich der britische Traditionsrennstall<br />
die Dienste des Finnen für ein weiteres Jahr<br />
gesichert hat. »Wenn man ein Talent wie Valtteri hat,<br />
dann gibt es viele Teams, die die Fühler nach ihm<br />
ausstrecken«, erklärte Teamchefin Claire Williams.<br />
»Valtteri ist sehr loyal und ich wusste, dass er mit<br />
uns weitermachen will.« Bottas selbst genießt die<br />
gesteigerte Aufmerksamkeit, noch mehr genießt er<br />
aber die Ergebnisse, die er dieses Jahr einfährt. »Ich<br />
will immer mehr und mich weiter verbessern. Mein<br />
Ziel ist es immer gewesen, Weltmeister zu werden.<br />
Jetzt will ich es noch mehr«, betonte der Finne. Die<br />
46 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Frage ist, kann Bottas mit Williams Weltmeister<br />
werden? Technikdirektor Pat<br />
Symonds will seinen Rohdiamanten<br />
aus Nastola auf keinen Fall verlieren.<br />
»Ich setze alles daran,<br />
dass Valtteri mit Williams<br />
Weltmeister wird«,<br />
betonte der 61-Jährige.<br />
Sein neuer Vertrag läuft<br />
offiziell ein Jahr, womit<br />
Bottas 2016 <strong>zum</strong><br />
Hauptdarsteller auf<br />
dem Formel-1-Transfermarkt<br />
werden könnte.<br />
Auf der britischen Insel<br />
heißt es, dass McLaren seine<br />
Fühler bereits in finnische Gefilde<br />
ausgestreckt hatte, doch einen Korb<br />
bekam. Sollte sich allerdings McLaren Honda nächstes<br />
Jahr als <strong>Erfolg</strong> entpuppen, könnte sich das Nein<br />
schnell in ein Ja verwandeln. Fakt ist, dass alle finnischen<br />
GP-Sieger früher oder später bei McLaren<br />
gelandet<br />
sind -<br />
Keke Rosberg<br />
(1986), Mika<br />
Häkkinen (1993-<br />
2001), Kimi Räikkönen<br />
»VALTTERI IST EINFACH EIN SUPERCOOLER<br />
TYP. ER WEISS, WAS ER MACHT UND WAS<br />
ICH AN IHM SO GROSSARTIG FINDE, IST,<br />
DASS ER NICHT WEGEN DES GELDES IN<br />
DER FORMEL 1 FÄHRT. IHM GEHT ES EINZIG<br />
UND ALLEIN UMS RENNFAHREN.«<br />
(2002-2006) und Heikki<br />
Kovalainen (2008-2009). Wahrscheinlicher<br />
ist allerdings, dass sich<br />
- sollte der Stern von Williams erneut<br />
sinken - ein anderes Team mit Stern die<br />
Dienste des Finnen sichert. Immerhin gilt Bottas<br />
als Zögling von Mercedes-<strong>Motorsport</strong>chef Toto<br />
Wolff und wird von einer Agentur gemanagt, die<br />
dem Österreicher gehört. Wolff hätte mit dem<br />
Finnen ein Ass im Ärmel, sollte sein Fahrerduo das<br />
Kriegsbeil wieder ausgraben. Nicht auszuschließen<br />
ist auch ein Wechsel zu <strong>Ferrari</strong>, wo Bottas seinen<br />
Landsmann Kimi Räikkönen beerben könnte. Räikkönen<br />
hat bereits angedeutet, sich nach seinem<br />
Vertragsende 2015 in seine zweite Formel-1-Pension<br />
verabschieden zu wollen. McLaren, Mercedes, <strong>Ferrari</strong><br />
oder Williams - es gibt wahrlich schlechtere<br />
Aussichten. Am Ende wird jenes Team das Rennen<br />
machen, das Bottas seinen Traum vom Weltmeistertitel<br />
erfüllen kann.<br />
Überraschungsmann:<br />
Bottas zählt<br />
neben Ricciardo<br />
zu den Entdeckungen<br />
2014<br />
Rückkehr an die<br />
Spitze der Formel<br />
1? Williams ist auf<br />
dem Weg zu alter<br />
Stärke<br />
Bottas könnte in<br />
Zukunft ein heißes<br />
Eisen auf dem<br />
Fahrermarkt<br />
werden<br />
FOTOS: WILLIAMS, ADRIVO/SUTTON<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 47
Mika Salo musste seinen<br />
Sieg herschenken<br />
TOP<br />
FINNISCHE MOMENTE<br />
TEXT: KERSTIN HASENBICHLER<br />
MOMENTS IN TIME<br />
»WENN DU WILLST GEWINNEN, DANN HOL DIR EINEN FINNEN.« GESAGT, GETAN.<br />
MOTORSPORT-MAGAZIN.COM BLICKT AUF DIE FINNISCHEN MOMENTE DER FORMEL 1<br />
ZURÜCK: EIN VERSCHENKTER SIEG, EIN AUSSERGEWÖHNLICHES ÜBERHOLMANÖVER<br />
UND EIN PAAR VERSTECKTE TRÄNEN.<br />
DEUTSCHLAND GP 1999 - ZUM HELFEN VERDAMMT<br />
»Diese Trophäe kriegt Mika. Er ist ein unglaubliches<br />
Rennen gefahren.« Eddie Irvine wusste genau, wem<br />
er seine WM-Führung zu verdanken hatte. Als<br />
Ersatzmann für den verletzten Michael Schumacher<br />
zeigte Mika Salo auf dem Hockenheimring eine<br />
sensationelle Performance, bis er von <strong>Ferrari</strong><br />
zurückgepfiffen wurde. »Ich sah, dass Eddie an<br />
Frentzen vorbei ging. Kurz darauf erhielt ich von<br />
Ross Brawn am Funk die Order, dass ich ihn vorbeilassen<br />
soll«, erinnert sich der Finne. »Da es meine<br />
Aufgabe gewesen ist, Eddie zu helfen, habe ich es<br />
auch getan.« Salo gab den Weg frei und Irvine siegte.<br />
Nach 110 Grands Prix beendete Mika Juhani Salo<br />
seine Formel-1-Karriere ohne je erfahren zu haben,<br />
wie es sich anfühlt, ganz oben auf dem F1-Siegertreppchen<br />
zu stehen. Dass er seinen großen Moment<br />
verschenkte, bereut der Finne bis heute. »Ich hätte<br />
das Rennen gewinnen können, gar keine Frage. Ich<br />
bereue, dass ich Eddie vorbeigelassen habe, denn<br />
am Ende machte es für die Weltmeisterschaft keinen<br />
Unterschied«, erklärte Salo.<br />
48 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
UNGARN GP 2008 - KÜNSTLERISCHE NOTE EGAL<br />
Heikki Kovalainen<br />
gelang sein<br />
einziger GP-Sieg<br />
in Ungarn<br />
Laute Musik, der Champagner fließt und überall, wo man<br />
hinsieht, leuchtet es orange. Szenen, die 2008 bei<br />
McLaren regelmäßig auf der Tagesordnung standen. Doch<br />
dieses Mal war etwas anders. Anstatt sich von seiner<br />
Boxencrew feiern zu lassen, saß Lewis Hamilton in seinem<br />
Kämmerchen und musste zuhören, wie Teamkollege<br />
Heikki Kovalainen von Teamchef Ron Dennis »in der Welt<br />
des Gewinnens willkommen« geheißen wurde. Der Premierensieg<br />
des Finnen war keiner herausragenden Fahrt,<br />
einer ungewöhnlichen Leistung oder einem Speed, den<br />
kein Gegner mitgehen konnte, geschuldet. Vielmehr<br />
waren ein Motorschaden am <strong>Ferrari</strong> von Felipe Massa<br />
und der Reifenschaden seines Teamkollegen dafür verantwortlich.<br />
Dennoch war der Triumph verdient. Kovalainen<br />
zeigte über 70 Runden lang ein fehlerfreies Rennen.<br />
Somit durfte er zu Recht schnippisch auf die Schlagzeilen<br />
über seinen »geerbten Sieg« reagieren: »In der Formel 1<br />
gibt es keine künstlerische Note. Es sind trotzdem zehn<br />
Punkte«, stellte der Finne klar. Neben der vollen Punktezahl<br />
folgte als Sahnehäubchen noch ein Eintrag in die<br />
Formel-1-Geschichtsbücher - als 100. GP-Sieger.<br />
Sieger mit Schnauzer:<br />
Keke Rosberg<br />
SCHWEIZ GP, 1982 - FROM ZERO TO HERO<br />
»Um es in die Formel 1 zu schaffen, braucht es entweder sehr viel Talent oder<br />
sehr viel harte Arbeit. Mein Talent war nicht überragend, aber ich habe unglaublich<br />
hart gearbeitet.« Der Lohn für all die harte Arbeit folgte in Dijon, als Keke Rosberg<br />
an Alain Prost vorbeiging und im Alter von 33 Jahren, 8 Monaten und 23 Tagen<br />
seinen ersten GP-Sieg einfuhr. Ein Sieg, der ihn am Ende einer turbulenten Saison<br />
mit elf verschiedenen Siegern in 16 Rennen <strong>zum</strong> Weltmeister krönte. »Ich war<br />
ein Niemand und plötzlich war ich der Held. Es passierte alles so schnell, dass<br />
mein Ruhm und meine neuen Verdienstmöglichkeiten kaum hinterherkamen«,<br />
erinnerte sich Rosberg, der eigentlich als Notnagel zu Williams geholt wurde,<br />
um das Cockpit des zurückgetretenen Alan Jones zu besetzen. Im Rampenlicht<br />
blühte der Finne mit dem markanten Schnauzbart auf, fuhr elfmal in die Punkte<br />
und stand sechs Mal auf dem Podium. Mit seinem Sieg in der Schweiz und dem<br />
Titelgewinn egalisierte Rosberg den Rekord von Mike Hawthorn aus dem Jahr<br />
1958, der bis heute steht.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 49
Frühes Rennende für Mika Häkkinen<br />
Tränen nach<br />
dem Ausfall<br />
in Monza<br />
ITALIEN GP 1999 - ECHTE MÄNNER WEINEN (NICHT)<br />
Vor wenigen Minuten hatte er wie der sichere Sieger ausgesehen, nun hockt er<br />
wie ein Häufchen Elend hinter einer Hecke und weint. Bis zur 30. Runde lief für<br />
Mika Häkkinen alles perfekt. Runde für Runde baute er seinen Vorsprung im Königlichen<br />
Park von Monza aus, bis er aus unerklärlichen Gründen in der Schikane vor<br />
der Curva Grande in den ersten statt den zweiten Gang schaltete. Es folgten ein<br />
Dreher, ein abgestorbener Motor und ein weinender Finne, der für die Medien ein<br />
gefundenes Fressen darstellte. Nicht nur der englische Mirror verspottete den<br />
Finnen als »Heulsuse«. Doch Häkkinen reagierte auf die Häme weltmeisterlich, in<br />
dem er nach dem Rennen mit einem Schmunzeln erklärte: »Echte Männer weinen<br />
nicht, schon klar.« Nichtsdestotrotz gilt Häkkinen bis heute als einer der schnellsten<br />
Formel-1-Piloten. »Auch, wenn man niemals Daten oder Fahrstile zwischen verschiedenen<br />
Generationen empirisch vergleichen kann, gibt es bei McLaren etliche<br />
Leute, die überzeugt davon sind, dass Mika der schnellste Fahrer war, den wir<br />
jemals hatten. Und das sagt alles«, verriet Ron Dennis.<br />
50 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
Der Iceman<br />
siegte mit einem<br />
spektakulären<br />
Manöver<br />
JAPAN GP 2005 - EISKALTE STERNSTUNDE<br />
»Wie viele Runden noch?« - »Eine Runde - das ist deine<br />
letzte Chance!« Nach diesem knappen Funkspruch zwischen<br />
Kimi Räikkönen und McLaren-Teamchef Ron<br />
Dennis erlebte die Formel-1-Welt eine der größten<br />
Sternstunden der <strong>Motorsport</strong>-Geschichte. Eingangs der<br />
ersten Kurve ging der Iceman in Suzuka außen an Giancarlo<br />
Fisichella vorbei und wurde damit seinem Spitznamen<br />
einmal mehr gerecht. »Das war absolut phänomenal«,<br />
lobte Dennis das eiskalte Überholmanöver, mit<br />
dem sich Räikkönen von Platz 17 kommend den Sieg<br />
auf dem Suzuka International Racing Course sicherte.<br />
Der Führungswechsel fünf Kilometer vor dem Fallen der<br />
Zielflagge brachte auch die Konkurrenz ins Schwärmen.<br />
»Das war einfach unglaublich. Es war eines der großartigsten<br />
Manöver dieser Saison, wenn nicht sogar im<br />
gesamten <strong>Motorsport</strong>«, erklärte BAR-Boss Nick Fry<br />
beeindruckt. »Jemanden außen zu überholen, zeigt den<br />
riesigen Mut des Fahrers und die Stärke des Autos.«<br />
Räikkönen selbst beschrieb seine Siegesfahrt vor<br />
156.000 begeisterten Zuschauern als einen »der köstlichsten<br />
Siege« seiner Formel-1-Karriere.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 51
FOTOS: RED BULL<br />
52 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
QUALEN<br />
EINES<br />
CHAMPIONS<br />
EBEN NOCH GEFEIERTER SERIENSIEGER, PLÖTZLICH<br />
ABGESTEMPELTER VERSAGER. SEBASTIAN VETTEL<br />
RAUSCHTE VOM F1-THRON IN DIE HYBRID-HÖLLE.<br />
GEPIESACKT VON UNZÄHLIGEN KLEINEN TEUFELN.<br />
MOTORSPORT-MAGAZIN.COM ENTHÜLLT DIE ZEHN<br />
SCHLIMMSTEN QUÄLGEISTER DES CHAMPIONS.<br />
TEXT: STEPHAN HEUBLEIN & KERSTIN HASENBICHLER<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 53
AUS RACHE LIESS SEBASTIAN<br />
VETTEL SEINE WUT AM<br />
NEUEN REGLEMENT AUS.<br />
»DER SOUND IST SCHEISSE.«<br />
SO LAUTETE SEINE AM MEI-<br />
STEN BEACHTETE KRITIK AN<br />
DER NEUEN FORMEL 1.<br />
1. Renault<br />
2014 ist das Jahr der Power Unit. Alle Augen<br />
sind auf die Hybrid-Turbos gerichtet. Blöd<br />
nur, wenn dein Motorenpartner seine Hausaufgaben<br />
nicht richtig gemacht hat. Dann<br />
liegen auch beim Weltmeisterteam der vergangenen<br />
vier Jahre die Nerven blank. Renault<br />
hat versagt. Das fatale Zeugnis nach dem<br />
ersten Test: mangelnde Leistung und desaströse<br />
Zuverlässigkeit. Ein katastrophaler Fehlstart.<br />
Der Hersteller räumte selbst ein, bei der<br />
Entwicklung einige Wochen, wenn nicht sogar<br />
Monate im Rückstand zu sein. Game Over.<br />
2. Defektteufel<br />
Die Red-Bull-Oberen von Christian Horner<br />
über Helmut Marko bis hin zu Dietrich Mateschitz<br />
reagierten fuchsteufelswild auf die Versäumnisse<br />
von Renault. Trotzdem: Obwohl<br />
die Bosse gerne diesen Eindruck erwecken,<br />
sind die Franzosen nicht an allem Übel schuld.<br />
Die Liste der technischen Gebrechen an Vettels<br />
Boliden ist lang, sehr lang sogar: Softwareprobleme<br />
in Melbourne, Elektronikschwierigkeiten<br />
in Melbourne, Barcelona und Spielberg,<br />
Getriebedefekt in Barcelona, Turbo-Schaden<br />
in Monaco. Nicht wenige im Fahrerlager<br />
scherzten deshalb: »Vettel scheint den Webber-Fluch<br />
geerbt zu haben.« Wenn in den<br />
vergangenen vier Jahren ein Red Bull einen<br />
Defekt erlitt, schien es stets der des Australiers<br />
zu sein...<br />
3. Lernrückstand<br />
Eine gebrechliche Power Unit und ein verfluchtes<br />
Auto: kein Wunder, dass Vettel in<br />
jeglicher Kilometertabelle ein weit abgeschlagenes<br />
Dasein fristet. Bei den drei Testfahrten<br />
im Winter brachte er es auf gerade einmal 865<br />
km. Damit legte Vettel sogar knapp mehr Kilometer<br />
zurück als sein Teamkollege Daniel<br />
Ricciardo (844 km). Zum Vergleich: Testweltmeister<br />
Nico Rosberg schaffte mehr als drei<br />
Mal so viel (2.812 km). Im Verlauf der Saison<br />
wurde es für Vettel nicht besser. Von Melbourne<br />
bis Singapur spulte er 1.763 Runden<br />
respektive 8.873 km ab. Damit belegte er Rang<br />
13 dieser Wertung. Ricciardo legte hingegen<br />
10.038 km zurück - damit lag er in den Top-5.<br />
Spitzenreiter Kevin Magnussen brachte es auf<br />
stolze 10.653 km. Oft betonte Vettel, dass er<br />
das Fahren nicht verlernt habe. Die Statistik<br />
beweist, dass er aber auch nicht viel Zeit hatte,<br />
um das Fahren mit den neuen Autos richtig<br />
zu erlernen.<br />
4. Reglement<br />
Stichwort: »Neue Autos«. Vettel brauchte<br />
etwas Anlauf, um in der neuen Formel-1-Hybrid-Ära<br />
Fuß zu fassen. Im Vergleich zu<br />
seinen weltmeisterlichen Vorgängern<br />
war der RB10 nicht mit Vettels<br />
Fahrstil kompatibel. Vettel<br />
zeichnete sich in den vergangenen<br />
Jahren als<br />
Meister des angeblasenen<br />
Diffusors<br />
aus -<br />
damit trieb<br />
er Webb<br />
e r<br />
54 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: RED BULL<br />
geradezu in den Wahnsinn. »Seb hat seinen<br />
Fahrstil dafür perfektioniert«, erklärt Christian<br />
Danner. »Das kann er jetzt aber nicht<br />
mehr nutzen, speziell beim Bremsen.« Gleichzeitig<br />
kam Vettel mit den neuen Systemen<br />
nicht wie gewünscht klar. Das Auto machte<br />
einfach nicht, was er wollte. Aus Rache ließ<br />
Vettel seine Wut am neuen Reglement aus.<br />
»Der Sound ist scheiße.« So lautete seine am<br />
meisten beachtete Kritik an der neuen F1.<br />
Danner hatte dafür wenig Verständnis. »Ich<br />
halte es für unklug und nicht konstruktiv,<br />
wenn ich als viermaliger Weltmeister permanent<br />
auf meinen Sport einschlage.«<br />
5. Reifenverschleiß<br />
Als ob all das nicht schon genug wäre, schien<br />
Vettel zu allem Überfluss die neuen Pirelli-<br />
Reifen ab Saisonbeginn stärker zu verschleißen<br />
als Ricciardo. Das bedeutete eine weitere<br />
Baustelle für das Team, das einen Weg finden<br />
musste, um Vettel wieder zu einem Reifenflüsterer<br />
zu machen. Aber selbst nach der Sommerpause<br />
gab es in Monza noch ungelöste<br />
Rätsel. Mit der weichen Reifenmischung war<br />
alles im Lot. Aber mit der härteren hatte er<br />
abermals für das Team unerklärbare<br />
Probleme.<br />
Schwierige Saison für den erfolgsverwöhnten<br />
Serienweltmeister<br />
6. Chassis<br />
Suzie. So hieß Vettels neue Liebe. Doch so<br />
richtig wollte es zwischen den Beiden nicht<br />
funken. Schon in China erhielt Vettel ein<br />
neues Chassis. Hinterher stellte sich heraus:<br />
Suzie war in Ordnung, die Messwerkzeuge<br />
stimmten nicht. »Manchmal macht man das<br />
als Fahrer aus Verzweiflung«, unkte Johnny<br />
Herbert. Dabei sollte es aber nicht bleiben. In<br />
Italien fuhr Vettel erneut ein anderes Chassis,<br />
das zuvor schon bei den Silverstone-Tests eingesetzt<br />
worden war. Mit dem neuerlichen<br />
Wechsel sollte seine Psyche beruhigt werden.<br />
Für Singapur erhielt er dann sein viertes Chassis<br />
in dieser Saison. »Das ist Chassis Nr. 5«,<br />
sagt er. »Ich mag die Fünf. Hoffentlich passt<br />
es jetzt.«<br />
→<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 55
7. Teamkollege<br />
Sonnyboy, Überraschungssieger, zukünftiger<br />
Weltmeister - Tribute, die in der Vergangenheit,<br />
in Verbindung mit dem Namen<br />
Sebastian Vettel standen. Heute werden sie<br />
meist in einem Atemzug mit Daniel Ricciardo<br />
genannt. Dass sein neuer Teamkollege<br />
in fast jedem Rennen besser abschneidet<br />
als er, schmeckt Vettel ganz und gar<br />
nicht. Allein in der ersten Saisonhälfte fuhr<br />
der Australier im unterlegenen Red Bull drei<br />
Siege ein, während Vettel sieglos blieb. Ein<br />
Faktum, das an Vettels Nr.-1-Status kratzte.<br />
»Sebastian bekam vom Team oder besser<br />
gesagt von Dr. Helmut Marko ständig<br />
gesagt, dass er endlich aufwachen muss. Er<br />
bekam keine positive Energie vom Team.<br />
All das zusammen macht es für einen Fahrer<br />
<strong>verdammt</strong> schwierig, aus dieser negativen<br />
Spirale herauszufinden«, sagte Ex-Champion<br />
Jacques Villeneuve gegenüber <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com.<br />
8. Strategie<br />
Apropos sieglos. Dass in Kanada Daniel<br />
Ricciardo auf dem Siegerpodest stand und<br />
nicht Vettel, ging nicht auf das Konto des<br />
Deutschen. Das Team holte Vettel zu früh<br />
an die Box, wodurch er auf seiner Inlap<br />
wertvolle Zeit hinter Nico Hülkenberg ver-<br />
lor. »Das war definitiv kein Vettel-Fehler,<br />
sondern der Kommandostand hat sich verschätzt«,<br />
räumte Marko ein. In Ungarn versäumte<br />
das Team, Vettel anzuweisen in eine<br />
andere Motoreinstellung zu wechseln. Die<br />
Folge: Vettel drehte sich und beendete das<br />
Rennen auf P7, Ricciardo gewann. »Unser<br />
Fehler. So etwas darf eigentlich nicht passieren«,<br />
erklärte Teammanager Jonathan<br />
Wheatley. Zum Glück für Red Bull ist Vettel<br />
wie er selbst sagt »nicht nachtragend«. Es<br />
darf bezweifelt werden, dass das auch für<br />
die Teamorder in China und Bahrain gilt,<br />
als Vettel unfreiwillig seinem Teamkollegen<br />
Platz machen musste.<br />
9. Personal<br />
Als hätte Vettel mit der Saison 2014 nicht<br />
schon genug am Hut, ziehen bereits die<br />
nächsten dunklen Wolken herauf. In der<br />
Zukunft muss er auf zwei entscheidende<br />
Wegbegleiter verzichten. Adrian Newey,<br />
das treibende Genie hinter seinen vier<br />
Weltmeistertiteln, wird sich ab 2015 anderen<br />
Projekten widmen und nur noch in<br />
beratender Funktion zur Verfügung stehen.<br />
»Es ist nur natürlich, dass sich Leute, die<br />
viele Meisterschaften und Titel gewonnen<br />
haben, eine neue Herausforderung suchen.<br />
Adrian war in der Vergangenheit sehr<br />
»SEBASTIAN BEKAM VOM<br />
TEAM ODER BESSER VON<br />
HELMUT MARKO STÄNDIG GE-<br />
SAGT, DASS ER ENDLICH AUF-<br />
WACHEN MUSS. ER BEKAM<br />
KEINE POSITIVE ENERGIE VOM<br />
TEAM.« JACQUES VILLENEUVE<br />
56 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
TEXT: CHRISTIAN MENATH<br />
Christian Danner spricht Klartext<br />
Gehört Vettel zu den großen Pechvögeln der neuen F1-Ära?<br />
Wenn man seine technischen Defekte alle ansieht, würde ich sagen, dass er fast auf Webber-<br />
Niveau liegt. [lacht]<br />
Ist die harte Kritik an ihm gerechtfertigt?<br />
Das eine hat für mich nichts mit dem anderen zu tun. Wenn jemand technische Probleme<br />
hat, ist das blöd. Er hat diese ja nicht höchstpersönlich verursacht. Wenn man wie Pastor<br />
Maldonado an jedem Wochenende zwei Mal in die Wand fahren würde, ist das selbst verursacht.<br />
Wenn er ständig einen falschen Knopf drücken würde, wäre das ebenfalls selbst<br />
verschuldet. Das ist bei Vettel aber nicht der Fall. Ist Kritik an ihm aber dennoch berechtigt?<br />
Ja klar, denn er ist meist deutlich von Daniel Ricciardo geschlagen worden. Man muss einen<br />
vierfachen Weltmeister dafür kritisieren dürfen, wenn er sich von seinem Teamkollegen<br />
glasklar abbraten lässt.<br />
Muss er um seinen Nummer-1-Status im Team bangen?<br />
Der Nummer-1-Status ist in dieser Saison ohnehin durch. Ricciardo hat drei Grands Prix<br />
gewonnen. Grundsätzlich ist es aber natürlich schon so, dass Red Bull nicht vergessen hat,<br />
was Vettel in den vergangenen Jahren am Stück geleistet hat. Er ist ja nicht umsonst so oft<br />
Weltmeister geworden. Er ist brillant gefahren und hat eine noch nie dagewesene Perfektion<br />
an den Tag gelegt. Das Team weiß genau, was für ein Juwel er ist.<br />
Wie stark setzen ihm die vielen Rückschläge zu?<br />
Das muss man zweiteilen: Wie sehr stinkt ihm das? Unfassbar stark. Er ist ein sehr ehrgeiziger,<br />
erfolgshungriger Bursche. Deswegen stinkt ihm das unglaublich. Aber es setzt ihm<br />
nicht zu. Er ist ein intelligenter, junger Mann, der durchaus mit solchen Niederlagen klar<br />
kommen kann. Es gefällt ihm nicht, aber das ist in Ordnung. Das Team weiß inzwischen<br />
ganz genau, warum Ricciardo schneller ist als Vettel. Ich würde sagen, er ist so gut wie dran.<br />
wichtig für das Team und das wird er auch<br />
bleiben«, versuchte Vettel die Personalveränderung<br />
herunterzuspielen. Genau wie<br />
im Fall von Guillaume Rocquelin. Seit 2009<br />
war Rocky als Renningenieur an Vettels<br />
Seite, ab 2015 wird sich das ändern, denn<br />
Rocquelin steigt <strong>zum</strong> Head of Race Engineering<br />
auf.<br />
10. Gerüchte<br />
»Ich habe in Spa gehört, dass ich für 150<br />
Millionen Dollar einen Dreijahresvertrag<br />
unterschrieben habe. Ich fragte, wo der Stift<br />
ist, aber niemand brachte mir einen«,<br />
scherzte Vettel über die anhaltenden Wechselgerüchte.<br />
In der Vergangenheit war er<br />
immer wieder mit einem Wechsel zu <strong>Ferrari</strong><br />
in Verbindung gebracht worden, doch 2014<br />
sahen ihn die Gerüchteköche nahezu in fast<br />
jedem Cockpit. <strong>Ferrari</strong>, McLaren, Mercedes<br />
- es gab kein Top-Team, in das Vettel nicht<br />
hineingeschrieben wurde, obwohl er selbst<br />
stets dementierte. Mit Verlauf der Saison<br />
nervten ihn die ständig gleichen Fragen<br />
immer mehr. »Ist mein Englisch nicht gut<br />
genug? Ich habe doch gesagt, dass ich auch<br />
in Zukunft für Red Bull fahren werde«, reagierte<br />
Vettel in Singapur genervt. Die<br />
Gerüchte wollten trotzdem nicht<br />
verstummen.<br />
Auch Niederlagen<br />
gehören <strong>zum</strong> Sport<br />
dazu. Sebastian<br />
Vettel muss 2014<br />
erstmals in seiner<br />
Formel-1-Karriere<br />
richtig leiden<br />
FOTOS: RED BULL<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 57
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, SAUBER<br />
58 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
REDEN<br />
AM<br />
TEXT:<br />
LIMIT<br />
STEPHAN HEUBLEIN<br />
EINSTEIGEN. GAS GEBEN. SIEGEN. DIE FORMEL 1 KÖNNTE SO EINFACH SEIN. MOTORSPORT-<br />
MAGAZIN.COM QUETSCHTE SAUBER-PILOT ADRIAN SUTIL AUS: WAS MUSS EIN MODERNER<br />
FORMEL-1-PILOT WIRKLICH ALLES IM COCKPIT TUN?<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 59
Sauber jagt in<br />
dieser Saison den<br />
guten Ergebnissen<br />
der Vergangenheit<br />
hinterher<br />
Adrian Sutil<br />
kommt die<br />
Einschränkung<br />
des Funkverkehrs<br />
entgegen<br />
MSM: Adrian, wie viel Ingenieur steckt heutzutage<br />
in einem modernen Formel-1-Rennfahrer?<br />
ADRIAN SUTIL: Die Formel 1 ist schon recht<br />
technisch geworden. Auch sehr kompliziert. Man<br />
lernt immer mehr dazu und muss immer mehr<br />
technisches Verständnis mitbringen, um alles auf<br />
Befehl abrufen zu können. Okay, eigentlich muss<br />
man nur zuhören und funktionieren. Aber gewisse<br />
Dinge sind beim Verständnis wichtig, um alles<br />
richtig einschätzen zu können.<br />
Wie viel Spaß macht dir dieser Teil deiner Arbeit?<br />
Das gehört zur modernen Formel 1 dazu. Veränderungen<br />
sind gut. Jetzt haben wir eine Formel 1<br />
in der sehr viel Wert auf das Benzinsparen gelegt<br />
wird. Als Rennfahrer möchte man immer Vollgas<br />
fahren, immer schnell sein, nicht auf den Benzinverbrauch<br />
achten. Das könnte schon ein bisschen<br />
besser sein.<br />
Gibt es spezielle Kenntnisse, die du dafür<br />
benötigst?<br />
Das meiste habe ich in meiner Formel-1-Karriere<br />
gelernt. Davor fährt man mit Autos, die technisch<br />
nicht ganz so kompliziert sind. Diese Fahrzeuge<br />
versteht man recht schnell. Sie sind die Basis. Bei<br />
mir waren das die Formel BMW und die Formel<br />
3. Mein Aufstieg ging ohnehin ein bisschen schneller<br />
vonstatten. Ich bin vor der Formel 1 fast nur<br />
zwei Autos richtig gefahren.<br />
Du hast bereits das Benzinsparen angesprochen.<br />
Das ist ein großes Thema in diesem Jahr. Dies<br />
führte bis Singapur zu einem Anstieg der Funksprüche<br />
von der Box an die Fahrer. Bist du jemand,<br />
der im Funk gerne wie ein Wasserfall quasselt oder<br />
hast du lieber deine Ruhe?<br />
Ich höre dem Team zu, aber ich rede nicht viel. Das<br />
bringt ja nichts. Zuhören, machen und dann läuft<br />
es. Man muss seinem Team vertrauen. In einem<br />
neuen Team harmoniert das am Anfang vielleicht<br />
nicht ganz perfekt. Aber das spielt sich schnell ein.<br />
Es ist wichtig, dass man seinem Ingenieur vertraut.<br />
Wenn er etwas sagt, bedeutet das für mich als Fahrer:<br />
Okay, machen, fertig.<br />
Beim Benzinverbrauch kann der Fahrer nur<br />
schwer mitreden. Aber oft gibt es auch Funksprüche<br />
über die Abstände <strong>zum</strong> Vorder- oder Hintermann.<br />
Oder Infos in welcher Kurve ein Fahrer Zeit<br />
verliert, wo er später bremsen soll. Willst du solche<br />
Informationen haben?<br />
Es ist immer gut, wenn man ab und zu solche Informationen<br />
erhält. Aber wenn man im Rennen voll<br />
am Limit fährt, kann man nicht großartig in einer<br />
Kurve etwas anderes probieren. Das endet meistens<br />
in einem Fehler. Diese Infos sind besser im Training<br />
aufgehoben. Wenn man klar sieht, dass man an<br />
einer Stelle Zeit verliert, kann man ein bisschen<br />
etwas ausprobieren. Aber im Rennen muss es sitzen.<br />
Da gibt es keine Zeit, um zu üben.<br />
Die Fahranweisungen im Funk haben bei vielen<br />
Fans zu dem Eindruck geführt, dass der Fahrer<br />
ferngesteuert ist und gar nichts mehr selbst machen<br />
muss. Jetzt hast du die Chance, dem zu widersprechen<br />
und zu zeigen, dass du durchaus im Cockpit<br />
einiges zu tun hast...<br />
In der Onboard-Kamera sieht es immer recht einfach<br />
aus, wie wir auf der Strecke herumfahren. Es<br />
sieht ganz leicht aus. Wir machen nur ganz geringe<br />
Lenkbewegungen. Aber wenn man am Limit fährt,<br />
ist es absolute Schwerstarbeit. Das Auto bewegt<br />
sich wie auf der Rasierklinge. Dabei müssen wir<br />
gefühlt hundert Knöpfe drücken. Auf jeder Runde<br />
müssen wir drei Knöpfe betätigen. Das summiert<br />
sich. Hochschalten, runterschalten. Konzentrieren.<br />
Das Rennen fahren. Vor und hinter dir sind Autos.<br />
Wir haben wirklich viel zu tun und das alles bei<br />
Geschwindigkeiten über 300 km/h.<br />
So gesehen machen die Funkanweisungen deine<br />
Arbeit ja sogar noch anspruchsvoller...<br />
Genau, man hat einfach noch mehr zu tun als<br />
letztes Jahr schon. Umso wichtiger ist es, die Konzentration<br />
über das Rennen hinweg zu halten. Das<br />
ist das Schwierige daran.<br />
Siehst du dir hinterher die Rennen als Aufzeichnung<br />
an?<br />
Ja, eigentlich schon. Die meisten Rennen sehe ich<br />
mir hinterher noch einmal an. Das ist in meinen<br />
Augen wichtig, denn man kann auch dabei noch<br />
etwas lernen, <strong>zum</strong> Beispiel wie die anderen Fahrer<br />
gefahren sind.<br />
Paul Hembery hat mir gesagt, dass die Fahrer für<br />
seinen Geschmack in diesem Jahr im Funk etwas zu<br />
viel jammern. Der eine beschwert sich, dass er abgedrängt<br />
werde, der andere beklagt, dass ein Gegner<br />
die Strecke verlassen habe. Teilst du diese Ansicht?<br />
Es gibt nun einmal Regeln. Gäbe es diese nicht,<br />
würde man wahrscheinlich weniger jammern. Aber<br />
es ist wie auf dem Fußballfeld. Wenn ein Spieler<br />
einen anderen streift, fliegt er gleich hin. Im ersten<br />
Moment sieht es ganz schlimm aus, aber dann steht<br />
er wieder auf, als wenn nichts gewesen wäre. Man<br />
probiert, den anderen ein bisschen ins schlechte<br />
Licht zu drücken. Man versucht, überall alles<br />
herauszuholen und die Grenzen auszuloten. Jeder<br />
macht es. Also muss man es selbst auch machen.<br />
Somit gibt es oftmals wegen einer Kleinigkeit<br />
ein Riesentheater und es wird aus einer Fliege<br />
ein Elefant gemacht. So ist der Sport. Es geht<br />
um sehr, sehr viel. Jeder will gewinnen. Da<br />
musst du auch mit allen Tricks spielen, die zur<br />
Verfügung stehen.<br />
60 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Ferngesteuerte<br />
Fahrer? Sutil hat<br />
am Steuer des<br />
widerspenstigen<br />
Autos viel zu tun<br />
Würde es dir als Fahrer gefallen, wenn du ohne<br />
Funk, Telemetrie und all diesen Schnickschnack<br />
fahren könntest?<br />
Ja, ein bisschen Einsparungen auf diesem Gebiet<br />
wären ganz gut. Dagegen hätte ich nichts einzuwenden.<br />
Es ist schon sehr, sehr kompliziert.<br />
Manchmal wäre es schön, mal rauszufahren und<br />
in der Lage zu sein, drei, vier Runden am Stück<br />
die gleiche Rundenzeit zu erzielen, weil die Reifen<br />
halten. Es ist alles sehr limitiert. Wir müssen<br />
den Motor schonen, Benzin sparen, auf die Reifen<br />
achten - und dann ist man plötzlich schon<br />
im Qualifying. Auf einmal muss man die beste<br />
Runde der Welt hinzaubern.<br />
Einige deiner Fahrerkollegen haben zuletzt<br />
gesagt, dass die Formel 1 in diesem Jahr physisch<br />
nicht mehr so anstrengend sei. Stimmst du dem<br />
zu?<br />
Absolut. Im Vergleich zu meinen ersten Formel-<br />
1-Jahren ist es wesentlich einfacher geworden.<br />
Besonders in diesem Jahr ohne den höheren Grip<br />
herrschen geringere Fliehkräfte vor.<br />
Hat sich dadurch dein Trainingsprogramm<br />
verändert?<br />
Man muss die Muskeln verlieren, die man in den<br />
vergangenen Jahren aufgebaut hat. Je leichter,<br />
desto besser. Dadurch ist das Training schwieriger<br />
geworden. Man trainiert nur noch Ausdauer.<br />
Für große Fahrer ist es umso schwieriger<br />
geworden. Ich bin nur noch ganz selten beim<br />
Krafttraining. Stattdessen mache ich eigentlich<br />
nur noch Kardio-Training. Hauptsächlich laufen.<br />
Selbst Radfahren muss man sich zweimal überlegen,<br />
weil die Oberschenkel sehr schwer sind.<br />
Trotzdem haben viele Fahrer gesagt, dass <strong>zum</strong><br />
Beispiel Eau Rouge nun wieder eher eine Mutkurve<br />
gewesen ist. Also haben die neuen Autos<br />
auch ihre Vorzüge...<br />
Oh ja, die Eau Rouge war spannend. Man konnte<br />
nicht einfach voll durch fahren. Für uns ging sie<br />
im Qualifying geradeso mit Vollgas. Im Rennen<br />
mussten wir immer mal lupfen, andere sind voll<br />
durchgefahren - das war schon eine Mutkurve<br />
und hat definitiv wieder mehr Spaß gemacht.<br />
Macht es allgemein noch so viel Spaß, mit den<br />
modernen Autos zu fahren?<br />
In Spa hat es auf jeden Fall viel Spaß gemacht.<br />
Unser Auto lag sehr gut. Die Grip-Verhältnisse<br />
waren auch okay. Natürlich könnte man mehr<br />
haben. Jeder Fahrer wünscht sich mehr Grip.<br />
Aber es war ein schönes Rennen.<br />
Kommen wir zurück zu den Ingenieurskünsten,<br />
die ein Fahrer heutzutage besitzen muss. Dabei<br />
gehört es auch zu deinen Aufgaben, dem Team<br />
bei der Weiterentwicklung des Autos zu helfen.<br />
Welchen Einfluss hast du auf diesem Gebiet als<br />
Fahrer?<br />
Du bist der erste, der dazu befragt wird. Du musst<br />
deine Einschätzung abgeben und dem Team ständig<br />
Feedback geben. Jedes Training, jedes Qualifying<br />
wird analysiert. Die Tendenzen sind recht<br />
einfach herauszuhören. Wichtig ist, dass das Team<br />
in der Fabrik den richtigen Weg einschlägt. Ich<br />
bin der Mann, der einen Weg befürwortet oder<br />
eben nicht. Ich muss sagen, wo das Auto noch<br />
Schwierigkeiten bereitet. Wenn wir uns dort verbessern,<br />
werden auch die Rundenzeiten besser.<br />
Danach muss ich es wieder aus meiner Hand<br />
geben. Ich bin eben kein Aerodynamiker. Dann<br />
kommt es auf die Spezialisten an. Sie müssen<br />
umsetzen, was ich benötige, um schneller zu<br />
fahren. Die Schwierigkeit ist, da genau den richtigen<br />
Fühler zu haben, um den besten Weg einzuschlagen.<br />
Über die Zeit bastelt man sich das<br />
Auto natürlich nach seinen Bedürfnissen zurecht.<br />
Jeder Fahrer braucht etwas anderes. Wenn ein<br />
Fahrer lange bei einem Team fährt, kann es durchaus<br />
auch sein, dass ein Auto sehr auf ihn zugeschnitten<br />
ist. Wenn dann ein neuer Fahrer hinzustößt,<br />
kommt er damit vielleicht nicht so gut<br />
zurecht. Dann muss das Auto wieder etwas spezifischer<br />
geändert werden.<br />
»MAN PROBIERT, DEN ANDEREN<br />
EIN BISSCHEN INS SCHLECH-<br />
TE LICHT ZU DRÜCKEN. MAN<br />
VERSUCHT, ÜBERALL ALLES<br />
HERAUSZUHOLEN UND DIE<br />
GRENZEN AUSZULOTEN. SO IST<br />
DER SPORT. ES GEHT UM SEHR,<br />
SEHR VIEL. JEDER WILL<br />
GEWINNEN. DA MUSS MAN MIT<br />
ALLEN TRICKS SPIELEN.«<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 61<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON, SAUBER
SLIDESHOW | MOTORRAD | #39 | 2014<br />
❱ VERLIERER IM<br />
VERTRAGSPOKER<br />
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
Nachdem Stefan Bradl HRC nicht mehr die gewünschten Ergebnisse<br />
lieferte, wollte Shuhei Nakamoto ihn loswerden. Aber Lucio Cecchinello<br />
nicht. Der LCR-Chef versuchte auch ohne die Hilfe von HRC, ein Paket<br />
für die kommende Saison zu schnüren und bat den 24-Jährigen um<br />
Geduld. Doch genau die hatte Bradl nicht. Als Cecchinello schließlich<br />
das Geld beisammen hatte, stand Bradls Signum bereits unter einem<br />
brandneuen Vertrag bei Forward Racing. Während der Zahlinger bei<br />
LCR Werksmaterial bekam, fährt er von nun an in der Open-Klasse.<br />
Sollten ihm auf der Forward-Yamaha keine ähnlich guten Ergebnisse<br />
gelingen wie Aleix Espargaro, dann könnte Bradls MotoGP-Geschichte<br />
schnell zu Ende sein. Vielleicht ist dieser Wechsel aber auch genau das,<br />
was er braucht, um wieder durchzustarten.<br />
FOTO: MILAGRO<br />
62 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 63
FOTOS: MILAGRO<br />
ZWEI WELTMEISTER<br />
64 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
VALENTINO ROSSI UND MARC MARQUEZ: WAS EINT SIE? WAS TRENNT SIE?<br />
BEIDE SIND CHAMPIONS, DIE IHRESGLEICHEN SUCHEN UND DENNOCH GIBT<br />
ES UNTERSCHIEDE. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM MACHT DEN GROSSEN CHECK.<br />
EINE GESCHICHTE<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 65
Kaum ein Fahrer<br />
ist so fokussiert<br />
wie Marc Marquez<br />
E<br />
in leichter Wind weht durch<br />
die Boxengasse in Brünn. Die<br />
spanische Nationalhymne erklingt<br />
und lässt Dani Pedrosa<br />
als Sieger des Tschechien<br />
Grands Prix hochleben. Marc Marquez und<br />
seine Crew bekommen nichts davon mit. Die<br />
großen, festen Tore auf der einen Seite der<br />
Repsol-Honda-Box sind bereits geschlossen.<br />
Vorbeiziehende Menschen vermuten, dass der<br />
Weltmeister mit finsterer Miene im Inneren<br />
sitzt, dass er sich darin über die schlechte Abstimmungsarbeit<br />
seines Teams echauffiert, was<br />
wohl jeder Fahrer nach dem abrupten Abbruch<br />
einer Sieges- und Podest-Serie getan hätte.<br />
Aber nicht Marquez: der junge Spanier sitzt<br />
seinen Teammitgliedern in genau diesem Moment<br />
freudestrahlend, ja nahezu erleichtert,<br />
gegenüber. »Heute war ein schwieriger Tag,<br />
einer dieser Sonntage, an denen du dich nicht<br />
perfekt fühlst«, gab er später gelassen zu Protokoll.<br />
»Es gelang uns am Wochenende nicht, das<br />
perfekte Setup zu finden. Am Rennende war<br />
ich langsamer, denn ich sah, dass es nicht mehr<br />
möglich war, ums Podest zu kämpfen, also<br />
machte ich etwas ruhiger. Die anderen waren<br />
einfach schneller. Ich habe versucht, ihnen zu<br />
folgen, aber es war nicht möglich.«<br />
Der Weltmeister hatte nach zehn Siegen in<br />
Folge nicht erwartet, so weit zurückzuliegen.<br />
Er hatte danach aber nur ein Ziel: »Das musste<br />
ich erst einmal verstehen.« Anstatt den Kopf<br />
in den Sand zu stecken, fühlte sich Marquez<br />
nach dem vierten Platz aber eher erleichtert -<br />
das war dem strahlenden Spanier auch anzusehen:<br />
»Ehrlich gesagt, fühle ich mich jetzt viel<br />
besser als vorher. Vorher hatte ich den Druck,<br />
alle haben nach mir gesehen, über die Siege<br />
gesprochen und darüber, dass ich alle Rennen<br />
gewinnen könnte.«<br />
Sicherlich hätten viele Fahrer in diesem Falle<br />
auf Nummer sicher gesetzt, doch nach einem<br />
derartigen Rennen beruhigt anstatt verärgert<br />
zu sein, gelingt nur wenigen. Einer dieser wenigen<br />
ist Valentino Rossi. Auch er beherrscht<br />
das Spiel und zaubert sich selbst ein Lächeln<br />
auf die Lippen - auch, wenn es einmal nicht so<br />
läuft wie geplant. Was bei Rossi hin und wieder<br />
nur <strong>zum</strong> Wohle der Fan-Sympathien ist,<br />
strahlt Marquez mit einer Ehrlichkeit aus, wie<br />
es sie selten gibt. Zumindest nicht im aktuellen<br />
Fahrerfeld. Doch was verbindet Marquez und<br />
Rossi? Was trennt die beiden Stars?<br />
WAHRE CHAMPIONS<br />
Nach Giacomo Agostini und Angel Nieto wird<br />
Rossi - was die Anzahl seiner Titel angeht - gerne<br />
als der Größte aller Zeiten bezeichnet. An seine<br />
neun Weltmeistertitel kommt schließlich so<br />
schnell keiner ran. Doch viele trauen Marquez<br />
zu, genau das zu erreichen. Noch ist der Spanier<br />
21 Jahre jung, doch schon jetzt hat er drei dieser<br />
begehrten Trophäen auf dem Nachtschränkchen<br />
stehen. Die vierte ist nur eine Frage der Zeit.<br />
Schon jetzt hat Marquez den Italiener in einigen<br />
Rekordfragen geschlagen. Die <strong>Erfolg</strong>e als jüngster<br />
Fahrer in der Geschichte kann Rossi weder<br />
nachweisen noch aufholen.<br />
Rossi blickt auf eine beeindruckende Statistik<br />
voller Titelgewinne, Rennsiege und WM-Punkte<br />
zurück. So ist er bisher der Fahrer, der die meisten<br />
Siege in der Königsklasse feierte, auch für<br />
Yamaha hält er die Triumph-Fahnen hoch.<br />
Gleichzeitig bewies er sein Talent auch auf anderen<br />
Fabrikaten. So holte der Fan-Liebling neben<br />
vier Titeln für Yamaha auch drei für Honda<br />
und zwei für Aprilia. Bis zu seinem Wechsel zu<br />
Ducati gewann er in jeder Saison mindestens ein<br />
Rennen. In 18 WM-Jahren konnte er bis nach<br />
dem San Marino Grand Prix 2014 ganze 5.012<br />
Punkte auf seinem WM-Konto ansammeln. Eine<br />
unglaublich lange GP-Karriere, die ihresgleichen<br />
sucht.<br />
»Marc hat ähnliches Potential«, ist sich Alex<br />
Hofmann sicher. In seinen bisher sieben gefahrenen<br />
Grand-Prix-Jahren hortete Marquez bis<br />
nach dem San Marino GP beachtenswerte 1.665<br />
WM-Zähler. Marquez war der jüngste Pole-Set-<br />
FOTOS: MILAGRO, REPSOL HONDA<br />
66 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
ter in der Königsklasse und gleichzeitig jüngster<br />
Rennsieger in der MotoGP. Dazu wurde er der<br />
jüngste Pilot, der ein, zwei, drei und immer mehr<br />
Rennen in Folge gewinnen konnte. Die 20-Rennen<br />
lange Rekordsiegesserie von Agostini hat der<br />
Youngster bisher noch nicht gebrochen. Aber<br />
wer weiß schon, was Marquez noch alles aus dem<br />
Hut zaubert?<br />
Marquez und<br />
Rossi verstehen<br />
sich blendend<br />
ROSSI BLICKT AUF EINE BEEINDRUCKENDE STATISTIK VOLLER<br />
TITELGEWINNE, RENNSIEGE UND WM-PUNKTE ZURÜCK. SO IST ER<br />
BISHER DER FAHRER, DER DIE MEISTEN SIEGE IN DER KÖNIGS-<br />
KLASSE FEIERTE.<br />
Rossi fand 2014<br />
zurück zu alter<br />
Stärke<br />
Wie Rossi gewann auch Marquez erst den Titel in<br />
der 125ccm-Klasse und stieg danach auf. Nachdem<br />
Rossi den 250er Titel 1999 abräumte, wechselte<br />
er im Folgejahr in die 500er Kategorie. Rossi<br />
fuhr sein erstes Jahr auf Honda. Ähnlich erging<br />
es bisher auch Marquez. Nach dem Titelgewinn<br />
in der Moto2 2012 kletterte auch der Spanier in<br />
die MotoGP hinauf und startete direkt mit Honda<br />
durch. In seinem ersten Jahr in der obersten<br />
Kategorie sicherte sich Marquez allerdings auf<br />
Anhieb den WM-Titel - ein <strong>Erfolg</strong>, der Rossi<br />
verwehrt blieb, da er im ersten 500ccm-Jahr ‚nur‘<br />
Zweiter wurde.<br />
Aber auch als Zweiter hatte Rossi immer eine<br />
Besonderheit: sobald ihn seine Fans auf der<br />
Leinwand oder im Fahrerlager sahen, lächelte er.<br />
Der 35-Jährige beherrscht nicht nur den extrem<br />
freundlichen Umgang mit Medien und Sponsoren,<br />
sondern eben und besonders mit den Fans<br />
- selbst wenn diese in Scharen <strong>zum</strong> neunfachen<br />
Weltmeister pilgern. Rossi nimmt sich Zeit. Noch<br />
etwas mehr Zeit nimmt sich allerdings Marquez.<br />
Immer gut drauf, ständig ein Lächeln auf den<br />
Lippen - das schafft nicht nur Sympathien, sondern<br />
führt den amtierenden Weltmeister auch<br />
auf ein ganz anderes Beliebtheitsniveau.<br />
Zur Fahrerpräsentation in der Karthalle am<br />
Sachsenring sprang Marquez sogar von der Bühne,<br />
nahm das Handy eines jungen Mädchens in<br />
die Hand, das den Spanier die ganze Zeit angehimmelt<br />
hatte, drehte es um und machte gemeinsam<br />
mit ihr einen Selfie. Rossi und Marquez lächeln<br />
also nicht nur selbst, sondern verstehen →<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 67
es durchaus, ihre Fans <strong>zum</strong> Strahlen zu bringen.<br />
Die Bewunderung der Anhänger verdienen sich<br />
beide nicht nur mit reiner Bestleistung auf der<br />
Strecke, spannenden Aufholjagden und Duellen,<br />
sondern besonders im direkten Kontakt.<br />
FOTOS: MILAGRO, REPSOL HONDA<br />
Lachen und Freude sind dabei genau das, was<br />
beide Champions auszeichnet und das können<br />
sie auch auf die Strecke übertragen. Alle Fahrer<br />
setzen ihr Leben in jedem einzelnen Training,<br />
Qualifying und Rennen aufs Spiel. Sie sind im<br />
positiven Sinne verrückt und gehen unerhörte<br />
Risiken ein. »Marquez macht das aber mit einer<br />
solchen Selbstverständlichkeit, die ich so noch<br />
nie gesehen habe. Das Ganze macht er dann<br />
noch so abgeklärt und in einem so jungen Alter,<br />
dass es einem schon schwer fällt, alles in Worte<br />
zu fassen«, ringt Hofmann nach den richtigen<br />
Begriffen.<br />
»Ich glaube, er ist dafür geboren, genau das zu<br />
machen und er lebt für diesen Moment auf dem<br />
Motorrad. Dazu hat er einen extrem wichtigen<br />
Punkt, den auch Rossi immer hatte: <strong>verdammt</strong><br />
viel Spaß dabei. Genau das ist die gefährliche<br />
Kombination: ein gemischter Cocktail, der brodelt<br />
und alle anderen ein bisschen alt aussehen<br />
lässt.« Und das ist der Schlüssel: während sich<br />
die Konkurrenten Gedanken über Wetter, Reifen<br />
und Abstimmung machen, geben Rossi und<br />
Marquez einfach Gas - ohne sich den Kopf großartig<br />
über Folgen, Ausgang oder Gefahren zu<br />
zermartern.<br />
Das beste Beispiel dafür war Marquez‘ spektakulärer<br />
Slide am Test-Montag in Brünn. Jedem<br />
anderen Fahrer wäre die Maschine schon auf der<br />
Strecke liegend in den Kies gerutscht. Marquez<br />
blieb sitzen. »Ich habe schon gemerkt, dass das<br />
nicht gut geht und ich dachte mir immer: ‚Wie<br />
kann ich das nur retten? Wie kann ich damit nur<br />
umgehen?‘ Als ich dann am Boden lag, hatte ich<br />
nur noch einen Gedanken: ‚Vollgas‘. Dann habe<br />
ich Vollgas gegeben und als ich meine Augen<br />
wieder öffnete, saß ich immer noch auf dem<br />
Niemand hat so eine<br />
breite Fan-Basis wie<br />
Valentino Rossi<br />
ER LEBT FÜR DIESEN MOMENT AUF DEM MOTORRAD. DAZU HAT ER<br />
EINEN EXTREM WICHTIGEN PUNKT, DEN AUCH ROSSI IMMER HATTE:<br />
VERDAMMT VIEL SPASS DABEI.<br />
Bike«, lautete seine Erklärung der Situation, die<br />
wohl keine weiteren Ergänzungen erfordert.<br />
Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Rossi und<br />
Marquez ist ihre Teamverbundenheit. Bezeichnet<br />
Marquez sein Team als seine Familie an der<br />
Rennstrecke, so beweist auch Rossi diese Einstellung<br />
und das bei beiden über mehrere Jahre. Der<br />
Spanier setzte sich stark bei Honda dafür ein, seine<br />
Moto2-Crew mitbringen zu dürfen und setzte<br />
dies - wenn auch im zweiten Jahr erst komplett<br />
- durch. Rossi hielt viele Jahre an Jeremy Burgess,<br />
Alex Briggs, Brent Stephens, Matteo Flamigni<br />
und weiteren Kollegen fest. Obwohl er seinen<br />
Crewchief austauschte, gilt das Prinzip auch weiterhin.<br />
Mit Santi Hernandez konnte Marquez im<br />
ersten MotoGP-Jahr <strong>zum</strong>indest seinen Chefmechaniker<br />
mitnehmen, bevor er Honda nach Titel<br />
Nummer eins in seiner Rookie-Saison davon<br />
überzeugte, auch seine weiteren Mitarbeiter in<br />
die Königsklasse zu befördern.<br />
In einer Angelegenheit hat Marquez sogar einen<br />
Vorteil gegenüber Rossi. Während sich Dani<br />
Pedrosa, Jorge Lorenzo oder eben Rossi über<br />
Regen, Gripverhältnisse, Reifen und schlechtes<br />
Material beschweren, verliert der junge Spanier<br />
nie ein Wort der Kritik. Er setzt sich auf seine<br />
Honda, nimmt die Gegebenheiten so wie sie sind<br />
und brennt eine schnellste Runde nach der ande-<br />
68 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
en in den Asphalt. Auch Rossi jammert wenig,<br />
aber Marquez hat wohl noch nie ein schlechtes<br />
Wort über Material, Bedingungen oder Schmerzen<br />
nach einer Verletzung verloren. Er passt sich<br />
einfach an alles an, was ihm durchaus auch einen<br />
psychologischen Vorteil einbringen könnte.<br />
Schon als Michael Schumacher zu Beginn des<br />
Jahrhunderts die Formel 1 dominierte, wurde<br />
ihm nachgesagt, auch er sei seinen Konkurrenten<br />
psychisch überlegen. Durch seine starke<br />
Präsenz und seine Unschlagbarkeit hieß es, der<br />
Deutsche wäre schon vor dem Start um zehn<br />
Meter davongefahren. Rossi glaubt daran jedoch<br />
nicht. »Als ich in der Vergangenheit so viele Rennen<br />
gewann, haben viele auch gesagt, dass ich<br />
eine psychische Dominanz habe und die anderen<br />
damit einschüchtere. Auch als Schumacher<br />
gewann, zählte nur das Tempo auf der Strecke.«<br />
Allerdings gibt auch der Italiener zu: »Wenn du<br />
der Schnellste auf der Strecke bist, wirst du auch<br />
mental stärker.«<br />
Das scheint bei Marquez nur ein kleiner Bonus<br />
zu sein und wie wir und all seine Konkurrenten<br />
nach Brünn und Misano wissen: der Spanier ist<br />
nicht unschlagbar. Was seiner atemberaubenden<br />
Serie von Siegen aber nicht schadet. Auch Rossi<br />
hat sich zu seiner Zeit kaum Sorgen gemacht,<br />
einmal nicht auf der obersten Stufe des Treppchens<br />
zu stehen. »Sie sind momentan die beiden<br />
Top-Fahrer in dieser Welt«, hält Alex de Angels<br />
fest. »Ich denke aber, Marquez hat alles, um zu<br />
versuchen, besser zu sein als Valentino. Damit<br />
meine ich die Rekorde. Er hat es drauf.«<br />
Rossi vs. Marquez<br />
- das ist das Duell<br />
dieser Saison<br />
Rossi stellte<br />
seinen Fahrstil im<br />
Winter radikal um<br />
VALENTINO IST VALENTINO, MARC IST MARC<br />
Gleichzeitig fällt es aber auch schwer, beide zu<br />
vergleichen. Logisch: Aktuell haben Rossi und<br />
Marquez verschiedenes Material. »Auch das Alter<br />
spielt eine Rolle«, bemerkt de Angelis. »Marc<br />
hat ähnliches Potential, ist aber auch ein anderer<br />
Charakter. Rossi ist eben Rossi und ich glaube,<br />
schon wenn er um die Ecke kommt, haben die<br />
meisten beim bloßen Hinsehen bereits ein breites<br />
Lächeln im Gesicht, weil er einfach ein lustiger<br />
Typ ist. Er verstreut Spaß und Freude am Sport,<br />
behandelt die Fans gut und das bekommen sie<br />
natürlich mit. Das ist eine Geschichte, die man<br />
nicht kaufen kann«, meint Hofmann.<br />
Während sich Rossi früher gegen Kenny Roberts<br />
Junior, Max Biaggi, Sete Gibernau, Marco Melandri<br />
und Nicky Hayden im Kampf um seine Titel<br />
auseinandersetzen musste, werden Marquez‘<br />
Gegner als noch stärker eingeschätzt. Lorenzo,<br />
Pedrosa und Rossi selbst gelten neben dem Spanier<br />
als die vier Außerirdischen im aktuellen MotoGP-Feld.<br />
Allen wird erhebliches Talent und ein<br />
unglaubliches Tempo zugerechnet. Auch Rossis<br />
Gegner waren schnell und talentiert, doch spielte<br />
sich der WM-Kampf damals - wie der Italiener<br />
auch selbst zugibt - auf einem anderen Niveau ab.<br />
»Die Rivalen sind unterschiedlich. Ich denke,<br />
momentan ist das Niveau richtig hoch, denn<br />
auch Jorge und Dani sind unglaublich schnell,<br />
aber Marc schafft in diesem Jahr etwas Besonderes.<br />
Er hat bereits so viele Rennen gewonnen<br />
und das bedeutet, dass die Kombination<br />
aus ihm und seinem Bike <strong>zum</strong> besten Ergebnis<br />
führt«, sagt Rossi und erkennt Marquez damit<br />
als einen Fahrer an, den er selbst nicht dauerhaft<br />
schlagen kann.<br />
Was beide trotz Lächeln und ihrer freundlichen<br />
Art voneinander trennt, ist ihr Charakter. »Nein,<br />
ich denke, das sind komplett verschiedene Szenarien.<br />
Valentino ist Valentino und Marc ist Marc.<br />
Viele Leute wollen Fahrer immer vergleichen,<br />
selbst Valentino und Biaggi wollten sie schon<br />
vergleichen, aber das geht nicht. Sie sind verschiedene<br />
Menschen, haben ihre eigene Persönlichkeit<br />
und ihr eigenes Charisma«, ist sich Colin<br />
Edwards sicher.<br />
Marquez‘ Siege<br />
lassen bei Honda<br />
die Kassen klingeln<br />
FAZIT<br />
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Rossi nach wie<br />
vor der Mann mit der gelben 46 ist und noch<br />
einige Jahre Fan-Liebling Nummer eins bleiben<br />
wird. Doch Marquez hat das Zeug dazu, aus<br />
dem ‚Doktor‘ einen ‚Professor‘ zu machen. »Ausgehend<br />
von seinem fahrerischen Talent scheint<br />
das der nächste Schritt zu sein: das neue Modell,<br />
das einfach noch mehr kann als ein normaler<br />
Rennfahrer. Er ist ein Prototyp-Rennfahrer«,<br />
beschreibt Hofmann den jungen Spanier.<br />
Obwohl beide Spitzenfahrer viel gemeinsam<br />
haben, trennen sie Zeit und Persönlichkeit. Eines<br />
steht jedoch fest: In der gesamten Historie der<br />
Weltmeisterschaft gibt es nur wenige Piloten,<br />
die sich im Laufe vieler Jahrzehnte als derartige<br />
Talente entpuppen, alles dominieren und damit<br />
nicht nur unschlagbar, sondern mit zahlreichen<br />
Einträgen in die Geschichtsbücher der Weltmeisterschaft<br />
auch unsterblich sind.
Champagner<br />
Marsch: Valentino<br />
Rossis Talentschmiede<br />
räumte<br />
schon im ersten<br />
Jahr einige<br />
Moto3-Pokale ab<br />
Rossi vertraut<br />
seinen Leuten<br />
von Team Sky<br />
VR46<br />
Romano Fenati<br />
bleibt 2015 an<br />
Bord<br />
Francesco Bagnaia<br />
schaffte es noch<br />
nicht aufs Podium<br />
Bei den Grid Girls<br />
lässt sich Rossis<br />
Team nicht lumpen<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
Rossi lässt sich<br />
keinen Moto3-Start<br />
entgehen<br />
Rossi verneigt sich<br />
nach Siegen seiner<br />
Fahrer ehrfürchtig<br />
70 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
ROSSIS<br />
KINDERGARTEN<br />
VOR RUND EINEM JAHR GRÜNDETE VALENTINO ROSSI SEIN EIGENES MOTO3-<br />
TEAM. SEITHER GAB ES FÜR DEN RENNSTALL SIEGE UND TRIUMPHE, ABER<br />
AUCH TRÄNEN UND EINE TRENNUNG. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM ZIEHT<br />
EINE ERSTE BILANZ<br />
alentino Rossi steht in der<br />
Boxengasse hinter dem<br />
Begrenzungszaun und wartet<br />
gespannt auf den Start der<br />
kleinen Klassen. Ein gewohntes Bild für erfahrene<br />
MotoGP-Beobachter, doch seit dieser Saison<br />
dürfte Zaungast Rossi noch etwas nervöser sein<br />
als in den Jahren zuvor. Sky Racing Team VR46<br />
- unter diesem etwas sperrigen Namen firmiert<br />
seit März Rossis eigener Moto3-Rennstall. Der<br />
neunfache Weltmeister erfüllte sich damit nicht<br />
nur selbst einen Traum, sondern feuerte zudem<br />
die Hoffnungen der italienischen Fans nach einer<br />
besseren Zukunft für die erfolgreichste Motorrad-Nation<br />
der WM-Geschichte an. Diese hatten<br />
in den letzten Jahren nur noch wenig zu feiern.<br />
2013 gab es in allen drei Klassen zusammen nur<br />
einen einzigen italienischen Sieg (Rossi in Assen)<br />
- so wenige wie zuletzt 1964. Italien drohte in der<br />
Schwemme spanischer Talente unterzugehen.<br />
Doch gemeinsam mit dem PayTV-Sender Sky,<br />
der in Italien die MotoGP-Übertragungsrechte<br />
hält, schnürte Rossi im Sommer 2013 ein Hilfspaket.<br />
»Das Projekt hat als Akademie für junge<br />
Fahrer begonnen und jetzt versuchen wir, den<br />
jungen italienischen Piloten auf dem Weg an die<br />
Spitze zu helfen. Zu Beginn hatten wir einige<br />
Bedenken, aber es ist mittlerweile ein hervorragendes<br />
Projekt und die Leute sind mit voller<br />
Begeisterung dabei«, erklärte Rossi.<br />
Die Kalkulation war einfach: Rossi steuerte neben<br />
seinem umfangreichen Know-how auch die<br />
Infrastruktur seiner Moto Ranch in Tavullia bei.<br />
Sky bezahlte mit einem mittleren einstelligen<br />
Millionenbetrag die Rechnungen. Neben den<br />
beiden Einsatzfahrern Romano Fenati (18) und<br />
Francesco Bagnaia (17) erstellte Rossi im Rahmen<br />
seiner VR46 Riders Academy mit Moto2-Pilot<br />
Franco Morbidelli (19), seinem Halbbruder Luca<br />
Marini (17), dem erst 14-jährigen Talent Nicolo<br />
Bulega und Andrea Migno (18) ein komplettes<br />
italienisches Nachwuchs-Nationalteam. Bei den<br />
Motorrädern kam Rossi nur das Beste ins Haus<br />
- und das war im Winter klar die KTM. »Dorna-<br />
Chef Carmelo Ezpeleta hat höchstpersönlich ein<br />
Treffen zwischen mir und Rossi eingefädelt«,<br />
erzählte KTM-Sportchef Pit Beirer <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>.com stolz. »Motorräder für Rossi zu<br />
bauen war natürlich eine Ehre für uns. Uns haben<br />
aber nicht nur der Name und der geniale Typ<br />
Valentino Rossi überzeugt, sondern vor allem das<br />
Konzept jungen Fahrern, die kein Geld mitbringen<br />
müssen, eine Chance zu geben. Hier wird bei der<br />
Selektion nach Talent und nicht nach dem Geldbeutel<br />
entschieden«, lobte Beirer das Projekt.<br />
ROSSI STEUERTE NEBEN<br />
SEINEM UMFANGREICHEN<br />
KNOW-HOW AUCH DIE<br />
INFRASTRUKTUR SEINER<br />
MOTO RANCH IN TAVULLIA<br />
BEI. SKY BEZAHLTE MIT<br />
EINEM MITTLEREN EIN-<br />
STELLIGEN MILLIONENBE-<br />
TRAG DIE RECHNUNGEN.<br />
Rossis ehrgeizige Pläne fruchteten rasch.<br />
Beide Fahrer punkteten beim Debüt des<br />
Teams in Katar, Fenati stand beim zweiten<br />
Rennen <strong>zum</strong> ersten Mal auf dem Podium<br />
und gewann das dritte und vierte. WM-<br />
Hoffnungen keimten auf, doch nach einem<br />
weiteren Sieg in Mugello ging es zu Sommerbeginn<br />
langsam bergab. Fahrfehler, Irrläufe<br />
beim Setup und die immer stärker werdende<br />
Konkurrenz auf Honda-Motorrädern setzten<br />
den beiden Fahrern des Rossi-Teams zu. Ein<br />
möglicher Titelgewinn ist in weite Ferne<br />
gerückt und unmittelbar vor dem Heimrennen<br />
in Misano gab es sogar eine erste personelle<br />
Konsequenz. Vito Guareschi, langjähriger<br />
Wegbegleiter Rossis und Teamchef<br />
der Moto3-Mannschaft, musste seinen Hut<br />
nehmen. »Wir haben eine schwierige Entscheidung<br />
für den Rest der Saison und die<br />
weitere Zukunft getroffen. Wir konnten uns<br />
mit Vito nicht über die Zukunft einigen -<br />
insbesondere im Bereich der technischen<br />
Entscheidungen«, erklärte Rossi in Misano<br />
seine Entscheidung. Guareschi soll einen<br />
Wechsel auf Honda forciert haben, während<br />
Yamaha-Werksfahrer Rossi weiter KTM den<br />
Vorzug gegenüber den Moto3-Bikes seines<br />
MotoGP-Erzrivalen geben will. Auch bei den<br />
Fahrern setzt Rossi trotz der schwierigen<br />
letzten Monate auf Kontinuität. So werden<br />
erneut Fenati und Bagnaia auch 2015 unter<br />
dem Banner des neunfachen Weltmeisters<br />
unterwegs sein. Und Rossi wird, so wie er es<br />
schon seit über einem Jahrzehnt an jedem<br />
Rennwochenende tut, am Zaun stehen und<br />
seinen Schützlingen zusehen.<br />
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TEXT: MARIA POHLMANN<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
TEXAS TORNADO<br />
SEIT FAST 20 JAHREN TREIBT DER TEXAS TORNADO SEIN UNWESEN IN DEN BESTEN<br />
MOTORRADSERIEN DER WELT. NUN VERABSCHIEDET SICH COLIN EDWARDS VON<br />
DER GROSSEN ZWEIRAD-BÜHNE. FÜR MOTORSPORT-MAGAZIN.COM HAT ER ZUM<br />
ABSCHIED ABER NOCH EINIGE SCHLAGFERTIGE SPRÜCHE PARAT.<br />
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FOTOS: MILAGRO<br />
TEXAS TORNADO<br />
Edwards verabschiedete<br />
sich nach 196<br />
MotoGP-Rennen<br />
ei den Tests in diesem Jahr konnte<br />
ich sehen, dass ich meinen Fahrstil<br />
umstellen muss. Es widerspricht<br />
meinem Instinkt, anders zu<br />
fahren. Ich will mehr Zeit mit<br />
meiner Frau und meinen Kindern<br />
verbringen.« Colin Edwards, ein Urgestein der<br />
Motorrad-Weltmeisterschaft, verkündete am<br />
zweiten Rennwochenende der Saison 2014, dass<br />
er ab dem kommenden Jahr nicht mehr im Starterfeld<br />
zu finden sein wird. Nur wenige Wochen<br />
danach verabschiedete sich der 40-Jährige frühzeitig:<br />
er fuhr auf heimischem Boden in Indianapolis<br />
sein letztes Rennen in der MotoGP.<br />
Die Motorradwelt verliert eine ihrer schillerndsten<br />
Persönlichkeiten. Nicht immer politisch korrekt<br />
oder jugendfrei sagt Edwards immer genau das,<br />
was er denkt. Er nimmt kein Blatt vor den Mund<br />
und war wahrscheinlich genau aus diesem Grund<br />
einer der beliebtesten Menschen im MotoGP-<br />
Fahrerlager. Edwards ist nach knapp zwölf Jahren<br />
in der Königsklasse einer der größten Charakterköpfe<br />
der Rennsportwelt.<br />
Sein erster Trip über den großen Teich führte ihn<br />
1995 in die Superbike-Weltmeisterschaft. Der<br />
Texas Tornado wirbelte von 1999 bis 2002 in der<br />
WSBK zwei Mal <strong>zum</strong> Titel und genauso oft zwischendrin<br />
<strong>zum</strong> Vizeweltmeister. Mit Troy Bayliss<br />
lieferte sich Edwards jahrelang atemberaubende<br />
Duelle, die in die Geschichte der Superbike eingingen,<br />
beide Fahrer zu harten Konkurrenten,<br />
gleichzeitig aber auch zu extrem angesehenen<br />
Fahrern machten. Die Bewunderung reichte bis<br />
zur Beförderung in die MotoGP. Bayliss und<br />
Edwards siedelten 2003 über, doch besonders der<br />
Texaner blieb in seinem ersten Jahr weit hinter<br />
den Erwartungen zurück. Ein sechster Platz in<br />
SEIN ERSTER TRIP ÜBER DEN GROSSEN TEICH FÜHRTE IHN 1995 IN<br />
DIE SUPERBIKE-WELTMEISTERSCHAFT. DER TEXAS TORNADO<br />
WIRBELTE VON 1999 BIS 2002 IN DER WSBK ZWEI MAL ZUM TITEL.<br />
Suzuka war auf Aprilia das Beste, was er 2003 bieten<br />
konnte.<br />
Edwards wechselte zu Gresini und pilotierte an<br />
der Seite von Sete Gibernau eine Honda, die er<br />
zwei Mal auf dem Podest platzieren konnte, womit<br />
er sich einen Werksvertrag bei Yamaha einhandelte.<br />
Dort fuhr er in den kommenden zwei Jahren<br />
an der Seite eines gewissen Valentino Rossi, der<br />
in beiden Jahren Weltmeister wurde, während<br />
Edwards zwar ein ums andere Mal aufs Treppchen<br />
fuhr, aber noch immer auf seinen ersten Sieg in<br />
der Königsklasse wartete. Zumindest verhalf er<br />
Yamaha <strong>zum</strong> Hersteller-Titel.<br />
Nach eher mittelmäßigen Leistungen 2007 wurde<br />
Edwards im Folgejahr ins Tech-3-Team degradiert.<br />
Dort konnte er seinen Teamkollegen James Toseland<br />
deutlich distanzieren, was dem Briten den<br />
Rausschmiss und Edwards mit Ben Spies ein rein<br />
texanisches Team verschaffte. Während sein<br />
Landsmann 2011 ins Werksteam abwanderte,<br />
bekam Edwards einen weiteren Rookie-Teamkollegen:<br />
Cal Crutchlow. Die Saison wurde für den<br />
Haudegen - abgesehen von seinen Ergebnissen -<br />
zur Katastrophe. Unverschuldet wurde Edwards<br />
in den tödlichen Unfall Marco Simoncellis verwickelt<br />
und verletzte sich. Der physische Schaden<br />
verheilte bis 2012, die traumatische Erinnerung<br />
blieb.<br />
Edwards wechselte zu Forward Yamaha, wo er bis<br />
zur Saisonmitte 2014 nicht wirklich zurechtkam<br />
und sich im Alter von 40 Jahren dazu entschied,<br />
den Helm an den Nagel zu hängen. Nach knapp<br />
20 Jahren in den besten Motorradklassen der Welt,<br />
ohne MotoGP-Sieg, aber mit einem vierten<br />
Gesamtrang in der Königsklasse 2005 und mit<br />
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zwei WSBK-Titeln ist der dreifache Familienvater<br />
der Meinung, dass er seine Aufmerksamkeit nun<br />
anderen Dingen widmen müsse. <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong>.com bat den Fan-, Fahrer- und Paddock-<br />
Liebling bei seinem Besuch im britischen Silverstone<br />
zu einem letzten Interview.<br />
MSM: Warum hast du entschieden, schon vor<br />
Saisonende aufzuhören?<br />
COLIN EDWARDS: Ich kann nicht sagen, dass ich<br />
das wirklich entschieden habe. Das war eher eine<br />
gemeinsame Sache. Man hat gesehen, dass ich nicht<br />
gut mit dem Bike zurechtkam. Es gab einige Dinge,<br />
die wir haben sollten, aber nicht hatten und noch<br />
immer nicht haben. Es war eine gemeinsame Einigung<br />
zwischen Forward und mir. Sie wollten sich<br />
nach jüngeren Fahrern für nächstes Jahr umsehen.<br />
Wir hatten Probleme mit dem Chassis... Aber ja, es<br />
war einvernehmlich. Alles ist gut.<br />
Da gab es Gerüchte, dass das etwas mit Rückenschmerzen<br />
oder deinem neuen Job als Reifentester<br />
zu tun hatte...<br />
Damit hat es nichts zu tun. Mit meinem Rücken<br />
hat es auf jeden Fall nichts zu tun. Ich bin gesund<br />
- noch immer. Das mit dem Test-Job ist noch nicht<br />
unterschrieben, aber könnte eine Möglichkeit für<br />
meine Zukunft sein. Ich werde wohl einfach nur<br />
Reifen testen, mehr ist es nicht. Bisher ist das aber<br />
wirklich noch nicht bestätigt.<br />
Wie schwer wird es sein, wenn du dich in Valencia<br />
vom ganzen Fahrerlager verabschiedest?<br />
Ich weiß ehrlich gesagt noch gar nicht, ob ich<br />
wirklich nach Valencia komme. Aber nach Silverstone<br />
musste ich fahren. Ich habe dort so viele<br />
Fans und so starke Unterstützung. Ich empfand<br />
es als Pflicht, hierher zu kommen und sämtliche<br />
Aktionen mit<strong>zum</strong>achen.<br />
Welches war das beste Rennen deiner Karriere?<br />
Wenn ich so auf meine Karriere zurückblicke war<br />
das wohl in der Blütezeit meiner Karriere das<br />
zweite Rennen in Imola 2002 im Kampf gegen<br />
Troy Bayliss. Das war wohl eines meiner besseren<br />
Rennen. Das war außergewöhnlich, sodass man<br />
wirklich sagen kann: das war mein bestes Rennen.<br />
Zwischen uns lag nur ein Punkt in der Gesamtwertung<br />
und wir hatten nur ein Rennen, um die<br />
WM zu entscheiden. Insgesamt hat sich die Weltmeisterschaft<br />
an diesem einen Wochenende entschieden.<br />
Das war genug. [lacht]<br />
Welches war das schlechteste Rennen?<br />
2011 Malaysia mit Marco. Das war wirklich ein<br />
schlechtes Wochenende... für alle. Wir haben<br />
einen jungen, aufstrebenden Star verloren. Das<br />
war wirklich für alle fürchterlich.<br />
Was ist deine beste Erinnerung abseits der<br />
Strecke?<br />
Oh Mist... da gibt‘s richtig viele. Also ganz abgesehen<br />
vom Rennsport bin ich mir da sehr sicher:<br />
das waren mein Hochzeitstag und die Geburten<br />
meiner Kinder. Das sind meine besten Erinnerungen<br />
überhaupt.<br />
→<br />
Rossi und Edwards<br />
waren drei Jahre<br />
Teamkollegen<br />
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Gab es eine lustige Begegnung mit einem Fan?<br />
Jedes Jahr, das passiert ständig! 2011 stand ich<br />
beim Day of Champions auf der Bühne, war komplett<br />
auf Schmerzmitteln, weil ich ein gebrochenes<br />
Schlüsselbein hatte. Das war ziemlich witzig, also<br />
sicherlich auch die lustigste Erfahrung mit meinen<br />
Fans.<br />
Was wirst du am meisten vermissen?<br />
Das ist meine zweite Familie hier. Ich verlasse<br />
meine richtige Familie und komme hier jedes<br />
Wochenende her. Deshalb ist es eben meine<br />
zweite Familie. Es wird mir insgesamt fehlen, auf<br />
jeden Fall.<br />
Wer war dein bester Rivale?<br />
Das war eindeutig Troy Bayliss. Wir haben uns in<br />
seiner Blütezeit und in meiner Blütezeit die besten<br />
Duelle geliefert. Er war natürlich auch gleichzeitig<br />
der Fahrer, der am schwierigsten zu schlagen war.<br />
Gibt es trotz deiner langen, erfolgreichen Karriere<br />
einen Fahrer, den du noch heute bewunderst?<br />
Ich denke alle mögen Marquez. Er ist einfach das<br />
Gesamtpaket. Ihm steht eine glorreiche Zukunft<br />
bevor und ich bin gespannt, das zu beobachten.<br />
Du bist für deine coolen Sprüche berühmt und<br />
dafür, dass du sagst, was du denkst.<br />
Oh ja, ich sage, was ich denke.<br />
Welcher war dein bester Spruch?<br />
Du fragst Sachen! [lacht] Es gab richtig viele in<br />
den ganzen Jahren. Es wäre schwierig, mich da für<br />
den besten Spruch zu entscheiden. Wenn ich ehrlich<br />
bin: Ich vergesse auch viel davon. Ich wollte<br />
einfach immer ehrlich sein. Manchmal ist es eben<br />
angebracht, einen kleinen Witz einzubauen, um<br />
ehrlich zu sein. Eine genaue Erinnerung habe ich<br />
jetzt nicht. Es gab einfach zu viele.<br />
»ICH WOLLTE EINFACH IMMER EHRLICH SEIN. MANCHMAL IST<br />
ES EBEN ANGEBRACHT, EINEN KLEINEN WITZ EINZUBAUEN, UM<br />
EHRLICH ZU SEIN.«<br />
Welcher war der glücklichste Moment deiner<br />
Karriere?<br />
2002, dieses letzte Wochenende war einfach wundervoll.<br />
Für die Leute, die es verpasst haben, ist es<br />
schwer zu erklären. Das ganze Wochenende war<br />
der Hammer. Ich hatte meine ganze Familie dabei,<br />
meine Frau war schwanger mit unserem ersten<br />
Kind... Das war einfach ein tolles Wochenende,<br />
eine gute Erinnerung.<br />
Welcher Moment hat dich am meisten<br />
verärgert?<br />
Da muss ich wieder mit Malaysia 2011<br />
antworten...<br />
Wirst du dir die Rennen nächstes Jahr noch<br />
anschauen?<br />
Ja! Schon an dem Brünn-Wochenende dieses Jahr<br />
bin ich aufgewacht und habe bewusst nicht auf<br />
mein Telefon geschaut, um nicht vorher schon<br />
über den Ausgang des Rennens Bescheid zu wis-<br />
ANDERE ÜBER<br />
EDWARDS<br />
Valentino Rossi: »Ich bin sehr, sehr traurig darüber,<br />
denn Colin ist einer meiner besten Freunde<br />
im Paddock. Wir sind 2000 und 2001 zusammen<br />
bei den 8 Stunden von Suzuka gefahren und das<br />
ist die beste Erinnerung, die wir beide haben,<br />
denn wir hatten viel Spaß und haben gewonnen.<br />
Wir waren auch lange Teamkollegen in einer<br />
großartigen Zeit meiner Karriere, als ich tolle<br />
Jahre mit Yamaha hatte. Ich bin traurig, denn er<br />
ist ein toller Typ und ein toller Fahrer. Wir werden<br />
ihn vermissen, aber wir hoffen, dass Colin in der<br />
MotoGP irgendwie erhalten bleibt.«<br />
Marc Marquez: »Ich denke, Colin kann stolz auf seine<br />
Karriere sein. Als er in der WM anfing, war ich zwei<br />
Jahre alt! Gratulation zu deiner Karriere!«<br />
Nicky Hayden: »Ich habe Colin vor den anderen<br />
Jungs verfolgt, denn er war der junge, heiße<br />
Amerikaner. Ich erinnere mich, als er in der AMA<br />
anfing und sie im Sturm eroberte. Er war sofort<br />
schnell auf den 250ern und dann auf dem Superbike.<br />
Er hat diesem Sport so viel gegeben. Jetzt<br />
noch, wenn wir manchmal zusammen zurück<br />
nach Amerika fliegen, denke ich ‚Mann, dieser<br />
Typ hat eine Menge Energie‘, denn er ist auch<br />
schon zehn Jahre Superbike gefahren. Er hat<br />
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FOTOS: MILAGRO<br />
FOTOS: MIALGRO<br />
TEXAS TORNADO<br />
Waffennarr und Army-Fan Colin Edwards verabschiedete sich in Indianapolis im<br />
Tarn-Outfit von seinen heimischen Fans in den USA<br />
Bei Forward war<br />
Edwards ein Schatten<br />
seiner selbst<br />
noch viel vor sich. Als Amerikaner ist es sehr<br />
schade, dass er aufhört. Wir werden immer<br />
weniger.«<br />
Dani Pedrosa: »Meine beste Erinnerung ist, als<br />
er 2002 einen großen Rückstand auf Troy Bayliss<br />
aufholte und die Weltmeisterschaft im<br />
letzten Rennen gewann. Ich habe mir das Rennen<br />
angeschaut und das ist eine meiner besten<br />
Erinnerungen an ihn.«<br />
Ben Spies: »Ich war ein Fan von ihm seit ich 1992<br />
in Texas mit Speedway anfing und er Superbike fuhr.<br />
Ich bin ein bisschen in seine Fußstapfen getreten.<br />
Sein Teamkollege zu sein, war eine Ehre. Das war<br />
wahrscheinlich eines der coolsten Jahre meiner<br />
Karriere. Colin ist definitiv verrückt!«<br />
sen. Ich wollte ein Grand-Prix-Rennen genießen<br />
und es mir danach eben in Ruhe anschauen. Das<br />
war lustig. Ich bin mir sicher, dass ich mir die Rennen<br />
ansehen werde.<br />
Welche Menschen haben dich während deiner<br />
Karriere am meisten geprägt?<br />
Auf jeden Fall mein Dad. Er war mein ganzes<br />
Leben lang eine riesen Unterstützung. Was Helden<br />
und so angeht... Kenny Roberts Senior, Schwantz,<br />
Rainey - diese Jungs habe ich immer bewundert.<br />
Aber das ist schließlich normal, wenn du als Amerikaner<br />
in diesem Sport aufwächst.<br />
Wie hat deine Familie reagiert, als du mit ihnen<br />
besprochen hast, dass du aufhören wirst?<br />
Das war eine Entscheidung, die wir gemeinsam<br />
getroffen haben. Es war einfach an der Zeit. Ich<br />
bin jetzt schon seit 20 Jahren in Europa. Ich weiß<br />
nicht, ob irgendein anderer Amerikaner bisher<br />
eine 20 Jahre lange Karriere drüben in Europa<br />
hatte. Das ist eine lange Karriere und es ist einfach<br />
soweit.<br />
Worauf freust du dich in deiner ‚Rente‘ am meisten?<br />
Ein bisschen Freizeit. Mein Leben sah immer so<br />
aus: du musst zu der Zeit dort sein, zu dieser Zeit<br />
ein Auto ausleihen, dann sehen wir dich zu der<br />
und der Zeit. Alles war immer durchgeplant. Ich<br />
hatte einen Komplett-Plan. Jetzt ist mein Plan<br />
etwas weniger umfangreich. Meine Frau wird mir<br />
trotzdem noch sagen, was ich zu tun und zu lassen<br />
habe, aber das ist ok. [lacht]<br />
Wenn du nun auf deine lange Karriere zurückblickst:<br />
würdest du etwas anders machen?<br />
Nein, gar nichts.<br />
Was verbindest du mit dem Spitznamen ‚Texas<br />
Tornado‘?<br />
Das begann... ich weiß gar nicht mehr. Ich glaube<br />
1991 oder 1992. Ich gewann ein paar Rennen und<br />
die Cycle News in den USA schrieb das. Es ist<br />
irgendwie hängengeblieben. Ich finde es eh einen<br />
coolen Spitznamen, also habe ich ihn behalten.<br />
Was machst du abgesehen vom Reifentesten im<br />
nächsten Jahr noch so?<br />
Das weiß ich noch nicht. Ich werde auf jeden Fall<br />
öfter im Boot-Camp sein. Vielleicht werde ich<br />
auch ein bisschen kommentieren. Ich hänge<br />
bestimmt noch hier rum...<br />
Bist du mit deiner Entscheidung glücklich?<br />
Ja, absolut. Das ist genau der richtige Zeitpunkt.<br />
Eine letzte Botschaft an die deutschen Fans...<br />
Hoffentlich stehen die Karten gut, dass es bald<br />
einen neuen Alex [Hofmann] gibt, der dann in<br />
Zukunft zwei oder drei Rennen gewinnen kann,<br />
während ich diese mit Alex zusammen kommentiere.<br />
[lacht]<br />
→<br />
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TEXAS TORNADO<br />
DIE COOLSTEN SPRÜCHE<br />
»Ich habe eine Million Waffen zu Hause und jedes Mal, wenn sie<br />
mit einem Jungen ausgeht, wird er nicht draußen auf sie warten,<br />
er wird ins Haus kommen. Wenn er hereinkommt, wird er mich<br />
dabei sehen, wie ich eine Waffe putze. Er muss wissen, dass ich<br />
ihn töten werde, wenn er sie berührt.« - Edwards über das mögliche<br />
erste Date seiner Tochter<br />
»Die amerikanische Einstellung ist einfach: Ich reiße<br />
dir den Kopf ab und sch**** hinein. Solange man das<br />
glaubt, kannst du dich durchsetzen.« - Edwards über<br />
die Mentalität amerikanischer Motorrad-Profis<br />
»Ich mag keine Ameisen. Aus irgendeinem<br />
Grund machen mir Ameisen Angst. Es ist<br />
wohl eine meiner größten Ängste. Mann,<br />
ich komme mit denen einfach nicht klar.«<br />
- Selbst Edwards hat vor etwas Angst<br />
»Mein Lieblings-Charakter ist Jesus von<br />
The Big Lebowski, der sagt: ‚Niemand<br />
verarscht Jesus.‘ Und niemand verarscht<br />
Colin.« - Ein gut gemeinter Rat<br />
im Umgang mit dem Texaner<br />
»Er ist ein Arschloch und sein Crewchief ist ein Arschloch. Wenn<br />
sie zusammenarbeiten wollten, hätten wir uns an einen Tisch setzen<br />
und das diskutieren sollen. Stattdessen haben sie alles hinter<br />
meinem Rücken gemacht.« - Edwards über Ex-Teamkollege James<br />
Toseland, der ihm seinen Crewchief abwarb<br />
»Er ist keine Primadonna - im Gegensatz zu<br />
manch anderem Fahrer. Er weiß, dass er kein<br />
Arschloch sein muss, nur weil er ein Motorrad<br />
schneller fahren kann als die meisten Menschen.<br />
Das gibt es heutzutage leider nicht mehr<br />
allzu oft.« - Edwards über Marc Marquez<br />
»Ich bin ein Extremist des rechten Flügels und Gesetze sind <strong>zum</strong><br />
Brechen da. Wenn du versuchst, irgendwelche Regeln zu implementieren,<br />
die Nein zu diesem oder jenen sagen - das ist alles Bullshit.«<br />
- Edwards <strong>zum</strong> gekippten Rookie-Verbot in Werksteams<br />
»Ich sehe das so: Ich habe jetzt keine <strong>verdammt</strong>e<br />
Wahl und muss in ein paar Ärsche<br />
treten, weil die hier zugucken.« - Edwards<br />
über den Druck bei Heimrennen<br />
»VERDAMMT, DA IST EINE MOTORRADRENNSTRE-<br />
CKE HIER UND DANN ZIEHEN LEUTE HER UND<br />
REGEN SICH ÜBER DEN LÄRM AUF. DAS MUSS<br />
MAN SICH MAL VORSTELLEN! WENN DU NICHT<br />
NAHE EINER MOTORRADRENNSTRECKE LEBEN<br />
WILLST, DANN PACK DEINE SACHEN UND HAU<br />
AB!« - EDWARDS ÜBER LÄRM-DEBATTEN MIT<br />
ANWOHNERN IN ASSEN<br />
»Unsere Kurvengeschwindigkeiten sind im Moment wirklich astronomisch,<br />
sodass du, wenn du <strong>verdammt</strong> noch mal keine Traktionskontrolle<br />
hättest, bei jedem verfluchten Rennen in den Orbit fliegen<br />
würdest.« - Edwards über hilfreiche Elektronik<br />
»Diese Woche bin ich rausgegangen und habe mit<br />
einem 50-Kaliber geschossen, Zeug in die Luft<br />
gesprengt und es fühlt sich an wie jede andere<br />
Woche auch.« - Edwards bliebt auch direkt vor<br />
Saisonstarts ruhig und gelassen<br />
»Ich tendiere dazu, schneller zu sein, wenn ich nicht<br />
sehe, wo ich hin fahre. Und auf diese Art funktioniert<br />
irgendwie alles besser.« - Edwards über<br />
Nachtrennen<br />
»Morgen werde ich also 40. Mein Nacken und<br />
mein rechtes Knie fühlen sich wie 40 an.<br />
Gehirn... 18, vielleicht 19.« - Eigentlich könnte<br />
Edwards noch viele Jahre weiter fahren...<br />
»Auf dem anderen Motorrad fühlte ich mich wie ein Affe, der einen<br />
Football vögelt. Ich hatte nie ein Gefühl und saß einfach nur drauf.«<br />
- Bildhafte Beschreibung, was an seinem Bike nicht stimmte<br />
»Dieses Bike muss man eben hinten rannehmen,<br />
aber wir haben ja alle eine Ex-Freundin, die das<br />
auch mochte.« - Colin über die Vorlieben der Forward<br />
Yamaha<br />
»Ich mag es, Spaß zu haben und ich denke<br />
nicht, dass du ein Arschloch sein musst,<br />
wenn du erfolgreich bist.« - Das <strong>Erfolg</strong>sgeheimnis<br />
und warum ihn garantiert jeder vermissen<br />
wird.<br />
78 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
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FOTOS: MILAGRO
DANI PEDROSA<br />
TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
DIE GESICHTER DES<br />
ER IST DER ERFOLGREICHSTE MOTOGP-PILOT, DER ES IN DER KÖNIGSKLASSE NOCH NIE ZU<br />
WM-EHREN BRACHTE. MOTORSPORT-MAGAZIN.COM WIRFT EINEN BLICK AUF DIE GESICHTER<br />
DES DANI PEDROSA UND DIE FACETTEN SEINER PARTNERSCHAFT MIT REPSOL HONDA.<br />
Pedrosa und Honda - zwei Namen, die seit vielen Jahren miteinander verknüpft<br />
sind. Im letzten Sommer wurde der Vertrag zwischen dem japanischen Hersteller<br />
und Pedrosa um zwei weitere Jahre bis Ende 2016 verlängert. Was macht den<br />
kleinen Katalanen so begehrenswert, dass sich ein Weltkonzern wie Honda über<br />
ein Jahrzehnt an ihn bindet? Siegertyp, Teamplayer, Entwickler - Pedrosa vereint<br />
viele positive Eigenschaften in sich, die ihn zu einem der komplettesten Fahrer<br />
der MotoGP-Gegenwart aufsteigen ließen. Die erfolgreiche Karriere des 28-Jährigen<br />
hatte neben vielen Jubelstunden auch Tiefen, aus denen Pedrosa oft aber<br />
gestärkt hervorging. <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com mit einem Versuch, das Phänomen<br />
Pedrosa zu ergründen.<br />
80 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: MILAGRO, HONDA<br />
Freud und Leid<br />
lagen bei Dani<br />
Pedrosa in seinen<br />
bisherigen neun<br />
Jahren bei Repsol<br />
Honda oft eng<br />
beisammen<br />
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FOTOS: MILAGRO, HONDA<br />
DANI, DER SIEGERTYP<br />
26<br />
- Das ist nicht nur die Startnummer auf Dani Pedrosas<br />
Motorrad, sondern seit Brünn auch die Anzahl seiner<br />
Siege in der Königsklasse des Motorradsports. Damit<br />
zählt der kleine Katalane zu den erfolgreichsten Piloten<br />
in der Geschichte. Die folgenden Zahlen belegen das<br />
eindrucksvoll. Seit 2002 hat Pedrosa in 13 Saisons in Folge mindestens jeweils ein<br />
Rennen gewonnen, eine Pole Position geholt und sechs Podiumsplätze eingefahren.<br />
Zu seinen 26 Siegen in der MotoGP gesellen sich 93 Podiumsplätze, 27 Pole Positions,<br />
41 schnellste Rennrunden und ein Punktedurchschnitt von 15,42 pro Rennen<br />
in der Königsklasse. Nur Valentino Rossi, Giacomo Agostini, Mick Doohan, Casey<br />
Stoner, Mike Hailwood, Eddie Lawson und Jorge Lorenzo konnten mehr Siege in<br />
der höchsten WM-Kategorie einfahren als Pedrosa. Was vielen MotoGP-Fans vielleicht<br />
gar nicht mehr bewusst ist: Pedrosa ist dreifacher Weltmeister. Zwischen<br />
2003 und 2005 gewann er einmal die 125cc- und zweimal in Folge die WM der<br />
Viertelliterklasse. Ein Titel in der höchsten Klasse war ihm bislang aber nicht vergönnt.<br />
2007, 2010 und 2012 wurde Pedrosa Vizeweltmeister, in den Jahren 2008,<br />
2009 und 2013 immerhin WM-Dritter und noch nie war er schlechter als auf Rang<br />
fünf in der Endabrechnung. »Die wichtigste Fähigkeit eines Rennfahrers ist, am<br />
Sonntag auf der Strecke schnell zu sein. Das hat oberste Priorität und diese Fähigkeit<br />
hat Dani in all seinen Jahren in der MotoGP stets unter Beweis gestellt«, erklärte<br />
HRC-Teamchef Livio Suppo im Gespräch mit <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com. »Dass es<br />
vollkommen richtig war, dass wir Dani für weitere Jahre an uns gebunden haben,<br />
sah man in Brünn. Als Marc dort plötzlich ein schwaches Wochenende hatte, war<br />
er da und hat für uns gewonnen«, fügte Pedrosas Boss lobend hinzu.<br />
Dani Pedrosa<br />
beendete die<br />
Marquez-Serie<br />
82 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
2011 gönnte sich<br />
Honda mit<br />
Pedrosa, Dovizioso<br />
und Stoner drei<br />
Werksfahrer<br />
DANI, DER TEAMPLAYER<br />
So erfolgreich Dani Pedrosa in seiner bisherigen<br />
Laufbahn auch war, seine Teamkollegen<br />
waren ab und zu erfolgreicher.<br />
26 Pedrosa-Siegen stehen im selben Zeitraum<br />
36 seiner Teamkollegen gegenüber.<br />
Seit seinem MotoGP-Aufstieg 2006 hatte der Katalane<br />
mit Nicky Hayden, Andrea Dovizioso, Casey Stoner und<br />
Marc Marquez vier verschiedene Stallrivalen. Drei<br />
davon musste er bereits <strong>zum</strong> Titel gratulieren: Hayden<br />
2006, Stoner 2011 und zuletzt Marquez im Vorjahr.<br />
Doch Missgunst oder gar Neid waren Pedrosa stets<br />
fremd und so brach er nie offene Konflikte vom Zaun.<br />
Boxenwände, wie etwa in der Yamaha-Box am Höhepunkt<br />
der Rivalität zwischen Valentino Rossi und Jorge<br />
Lorenzo, gab es bei Honda nie. Im Vorjahr kam es nach<br />
dem Zwischenfall in Aragon, als Marquez Pedrosa ein<br />
Kabel abfuhr, was zu dessen Ausfall führte, intern zu<br />
einer kleinen Auseinandersetzung, doch seit sich<br />
Pedrosa im Dezember von seinem langjährigen Manager<br />
Alberto Puig getrennt hat, ist bei Honda wieder<br />
Ruhe eingekehrt. »Ob sie es mir glauben oder nicht:<br />
Dani kann mit Marcs Dominanz sehr gut umgehen«,<br />
stellte Livio Suppo klar. »Beide Fahrer sind sehr entspannt<br />
und haben ein gutes Verhältnis zueinander. Sie<br />
respektieren sich und haben gemeinsam Spaß. Bei<br />
unseren gemeinsamen Team-Essen sieht man, wie<br />
gut sie sich verstehen.« Für den HRC-Teamchef gibt<br />
es an der Fahrerpaarung Marquez/Pedrosa daher aktuell<br />
nichts zu kritisieren. »Wir glauben, dass zwei starke<br />
Fahrer die beste Wahl für unser Team sind. Wir hatten<br />
in den letzten Jahren immer Glück, dass wir starke<br />
Fahrer finden konnten. Casey, Dovi, aber auch zuletzt<br />
Marc und Dani. Es hat immer funktioniert.« 2014 wird<br />
Honda wohl <strong>zum</strong> fünften Mal die Herstellerwertung<br />
gewinnen, seit Pedrosa im Team ist. Der Anteil des<br />
treuen Katalanen ist dabei kein geringer.<br />
DANI, DER PATIENT<br />
Pedrosa zog sich bei<br />
Stürzen schon<br />
mehrfach Brüche zu<br />
Sprungbein, Knöchel, Zeh, Oberarm, Knie, Rippen, Mittelhandknochen,<br />
Zeigefinger, Speiche, linkes Schlüsselbein, rechtes<br />
Schlüsselbein. Das ist eine Auflistung von Dani Pedrosas Knochen,<br />
die schon einmal gebrochen oder <strong>zum</strong>indest angeknackst<br />
waren. Verletzungen wie schwere Schürfwunden samt Hauttransplantationen,<br />
entzündete Gelenke oder gezerrte Sehnen sind ob der<br />
beängstigenden Anzahl an Knochenbrüchen in der Krankenakte Pedrosas<br />
ohnehin nur Randnotizen. Wie viele Stunden der Katalane in Medical Centern,<br />
Krankenhäusern und auf Operationstischen verbracht hat, weiß er wohl<br />
nicht einmal mehr selbst. Seit seinem Aufstieg in die MotoGP gab es nur<br />
vier Saisons, in denen er alle Rennen bestreiten konnte. Bis heute verpasste<br />
er wegen Verletzungen, Operationen oder deren Nachwirkungen insgesamt<br />
acht Rennen: Indianapolis 2008, Motegi, Sepang und Phillip Island 2010,<br />
Barcelona, Silverstone und Assen 2011 sowie das Rennen am Sachsenring<br />
im Vorjahr. »Dani hatte in den letzten Jahren immer wieder schwere Verletzungen,<br />
aber im Kopf ist er immer stark geblieben«, sagt sein Crewchief,<br />
der Österreicher Mike Leitner. Was für Pedrosa spricht: der Katalane kämpfte<br />
sich jedes Mal vom OP-Tisch zurück auf sein Motorrad und war meist<br />
wenige Wochen nach schweren Verletzungen schon wieder auf Top-Niveau.<br />
»Das ist eine Grundvoraussetzung für Motorradfahrer. Ich habe mich bei<br />
Dani oft gewundert, wie er sich mit Schmerzen auf das Motorrad quälen<br />
konnte. Er hat es aber immer wieder geschafft, den Schmerz zu unterdrücken.<br />
Da bedarf es schon einer unglaublichen mentalen Stärke«, zieht<br />
Leitner, der seit über einem Jahrzehnt mit Pedrosa zusammenarbeitet,<br />
seinen Hut vor den Kämpferqualitäten seines Schützlings.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 83
DANI, DER ENTWICKLER<br />
Umstellung von 990cc- auf 800cc-Bikes und die Einführung der aktuellen<br />
MotoGP-Motorräder mit einem Liter Hubraum, Wechsel von Michelinauf<br />
Bridgestone-Reifen, den großen Einzug der Elektronik in die immer<br />
kraftvolleren Maschinen - all diese technischen Änderungen hat Dani<br />
Pedrosa mitgemacht und sich stets als Top-Pilot behauptet. Ohne das<br />
nötige Know-how und die richtige Art und Weise seines Feedbacks an die Ingenieure,<br />
würde Pedrosa heute wohl nicht mehr im Sattel seiner RC213V sitzen. 2016 steht mit<br />
der Einführung der Einheitselektronik und dem Wechsel auf Michelin-Reifen eine<br />
weitere Zäsur an. Honda darf bei diesem wichtigen Schritt auf die Expertisen seines<br />
erfahrenen Piloten bauen. »Das Wichtigste für die Entwicklung eines Motorrads ist,<br />
dass der Fahrer konstante Kommentare abgibt. Das Schlimmste für Ingenieure ist,<br />
wenn ein Fahrer an einem Tag das Eine mag und am nächsten Tag schon wieder etwas<br />
Anderes. Da können die Ingenieure keine klare Richtung der Entwicklung ausmachen.<br />
Dani bringt diese Qualitäten mit, hat viel Erfahrung in einem Werksteam und er kennt<br />
alle Abläufe«, ist sich Livio Suppo sicher. Allerdings sei Pedrosas langjährige Kenntnis<br />
der Teamstrukturen und seine technische Kompetenz keineswegs entscheidend für<br />
seine Vertragsverlängerung gewesen, wie Suppo klarstellt: »Ehrlich gesagt, zieht man<br />
bei der Verpflichtung eines Fahrers nicht in Betracht, ob er ein Motorrad gut entwickeln<br />
kann oder nicht. Ingenieure entwickeln ein Motorrad. Aber natürlich folgen sie dabei<br />
den Hinweisen der Fahrer.« Das Pedrosa aber auch auf der Honda nach dem Reglement<br />
des Jahres 2016 schnell sein wird, daran zweifelt im Team keiner. »Dani und Honda<br />
- das ist in jeder Hinsicht eine gute Beziehung«, ist sich Suppo sicher.<br />
Pedrosa machte<br />
schon viele<br />
technische<br />
Umstellungen mit<br />
84 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: MIALGRO, HONDA<br />
DANI, DER TREUE<br />
Pedrosa geht 2015<br />
in seine zehnte<br />
Saison bei Hondas<br />
Werksteam<br />
Dani Pedrosa wird 2015 seine zehnte Saison<br />
in den Farben von Repsol Honda bestreiten<br />
und im Folgejahr <strong>zum</strong>indest eine weitere<br />
anhängen. Mit Mick Doohan (elf Jahre in<br />
Hondas Werksteam) schaffte es vor Pedrosa<br />
überhaupt erst ein Fahrer in der Geschichte der Königsklasse,<br />
sich ein Jahrzehnt am Stück bei ein und demselben Team<br />
zu halten. »Streng genommen war Dani ja schon vor der<br />
MotoGP für Honda unterwegs und hat die Weltmeisterschaften<br />
in der Achtel- und Viertelliter-Klasse auf dieser Marke<br />
gewonnen. Er bestreitet also schon seine gesamte Karriere,<br />
und das sind mittlerweile 14 Jahre, für Honda. Das ist ein<br />
beeindruckender Umstand«, zeigt sich Livio Suppo von<br />
Pedrosas Treue beeindruckt. Mit Valentino Rossi für Yamaha<br />
hat nur ein Fahrer in der MotoGP noch mehr Rennen für eine<br />
Marke bestritten als Pedrosa für Honda. Nur selten wurden<br />
Wechselgerüchte laut, zuletzt soll sich Suzuki im Frühsommer<br />
mit einem Gehaltsangebot im hohen einstelligen Millionenbereich<br />
die Zähne am treuen Katalanen ausgebissen<br />
haben. Pedrosa selbst meinte zu seiner Vertragsverlängerung<br />
im Juli: »Ich bin sehr froh über meine Vertragsverlängerung<br />
mit Repsol Honda und sehr dankbar, dass sie mir das Vertrauen<br />
für zwei weitere Jahre entgegen bringen. Für mich<br />
ist es toll, meine Rennkarriere mit dem Hersteller fortzusetzen,<br />
für den ich in meinem allerersten Weltmeisterschaftslauf<br />
gestartet bin.« Suppo meinte selbstsicher: »Dani hat bei uns<br />
alles, was er braucht. Warum also sollte er wechseln?« Die<br />
bisherigen <strong>Erfolg</strong>e geben Suppo, Pedrosa und dem Repsol<br />
Honda Team jedenfalls recht.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 85
Valentino Rossi hat fast<br />
150 Rennen für Yamaha<br />
bestritten<br />
TOP<br />
TREUE SEELEN<br />
TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
GEMEINSAM DURCH DICK UND DÜNN. DIESE MOTOGP-FAHRER HALTEN IHREN TEAMS<br />
EISERN DIE TREUE, KOMME WAS WOLLE. DER ERFOLG GIBT IHNEN RECHT.<br />
1. VALENTINO ROSSI<br />
Wieder einmal ein erster Platz für Valentino Rossi<br />
in einer Statistik. Kein Fahrer bestritt mehr Rennen<br />
für ein und dasselbe Team als Rossi für die Werks-<br />
Mannschaft von Yamaha. Ganze zwölf Millionen<br />
US-Dollar ließ sich der japanische Hersteller die<br />
Verpflichtung des damals dreifachen MotoGP-<br />
Weltmeisters im Winter 2003/04 kosten. Rossi<br />
selbst wollte mit dem Transfer nicht nur die Rekordgage<br />
absahnen, sondern auch seine Kritiker <strong>zum</strong><br />
Verstummen bringen, die ihm vorwarfen, nur aufgrund<br />
der überlegenen Honda zu gewinnen. Der<br />
Dottore strafte seine Kritiker ab, gewann sein erstes<br />
Rennen für Yamaha, holte zwei Titel in Folge und<br />
ließ 2008 und 2009 zwei weitere folgen. 46 Rennen<br />
gewann er in seiner »ersten Amtszeit« bei Yamaha,<br />
die zwischen 2004 und 2010 insgesamt 117 Grand<br />
Prix umfasste. Nach zwei bitteren Jahren bei Ducati<br />
kehrte der verlorene Sohn zu Yamaha heim, wo er<br />
seine beachtlichen Statistiken seither weiter aufmöbelt.<br />
Mindestens zwei weitere gemeinsame<br />
Jahre hat man noch vor sich.<br />
86 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: MILAGRO, HONDA<br />
2. DANI PEDROSA<br />
2006 stieg der damals 20-jährige Dani Pedrosa als zweifacher<br />
250cc-Weltmeister in die MotoGP auf. Bei Repsol<br />
Honda spannte man ihn mit Nicky Hayden zusammen.<br />
Pedrosa siegte bereits im vierten Rennen <strong>zum</strong> ersten Mal,<br />
Hayden wurde Weltmeister und gemeinsam durfte man<br />
den Hersteller-Titel für Honda bejubeln. Es sollte der<br />
Auftakt zu einer Partnerschaft sein, die bis heute andauert.<br />
Der umgängliche Katalane etablierte sich rasch in<br />
der Königsklasse und ist seit neun Jahren in beinahe<br />
jedem Rennen ein Podiumskandidat. Das Team wechselte<br />
er nie. Mit dem Grand Prix von Aragon hatte Pedrosa<br />
ganze 147 Rennen für Hondas Werksmannschaft auf dem<br />
Buckel. Und es ist noch lange nicht Schluss, denn im<br />
Sommer wurde sein Vertrag bis Ende der Saison 2016<br />
Dani Pedrosa<br />
wechselte noch<br />
nie den<br />
Arbeitgeber<br />
verlängert, was seine Amtszeit bei Repsol Honda auf<br />
mindestens elf Jahre erhöht. Einen WM-Titel konnte<br />
Pedrosa seinem Arbeitgeber trotz 26 Siegen in der<br />
MotoGP bislang noch nicht schenken. Der dreifache Vizeweltmeister<br />
ist der Pilot mit den meisten Siegen, der nie<br />
Weltmeister in der Königsklasse wurde. Zumindest zwei<br />
weitere Versuche hat Pedrosa aber noch.<br />
Mick Doohan<br />
holte fünf Titel<br />
für Honda<br />
3. MICK DOOHAN<br />
Eines kann man Mick Doohan nicht vorwerfen: Untreue. Der fünffache Weltmeister<br />
war über ein Jahrzehnt für Hondas Werksteam unterwegs und bestritt zwischen<br />
1989 und 1999 jeden einzelnen seiner 137 WM-Starts für den japanischen Hersteller.<br />
Anfänglich noch in blau-weißer Lackierung einer britischen Tabakmarke,<br />
bildete Doohan gemeinsam mit Criville ab Mitte der Neunzigerjahre unter dem<br />
Banner von Repsol Honda ein unschlagbares Duo. Doohan holte als Werksfahrer<br />
54 Siege, 58 Pole Positions und bescherte Honda zwischen 1994 und 1998 fünf<br />
WM-Titel in Folge. Kein anderer Fahrer war für den größten Motorradhersteller der<br />
Welt erfolgreicher. Doch die Partnerschaft musste auch schwere Zeiten durchlaufen.<br />
Etwa 1992, als Doohan nach einem schweren Unfall in Assen beinahe ein Bein<br />
verlor. Auch wehrte sich der Australier immer wieder gegen Innovationen der Honda-<br />
Ingenieure. Ein erneuter Beinbruch nach einem Sturz in Jerez 1999 beendete die<br />
erfolgreiche Partnerschaft schließlich, als Doohan durch die Verletzung <strong>zum</strong> Rücktritt<br />
gezwungen wurde.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 87
116 Mal startete<br />
Lorenzo bislang für<br />
Yamaha<br />
4. JORGE LORENZO<br />
25. Juli 2007: Yamaha verkündet die Verpflichtung des amtierenden 250cc-<br />
Weltmeisters Jorge Lorenzo. Im Alter von 20 Jahren stieg der Mallorquiner als<br />
Doppel-Weltmeister <strong>zum</strong> Teamkollegen von Valentino Rossi auf. Von Beginn an<br />
war die Beziehung zwischen Yamaha und Lorenzo von <strong>Erfolg</strong> geprägt. In seinen<br />
ersten drei MotoGP-Rennen holte Lorenzo die Pole Position, gewann im dritten<br />
Rennen erstmals, wurde im zweiten Jahr Vize- und in seiner dritten Saison<br />
schließlich Weltmeister. Yamaha und Lorenzo - das funktioniert. Auch wenn es<br />
in seinen sieben Jahren bei den Blauen immer wieder Gerüchte über einen<br />
Wechsel gab. Zuletzt machten im Januar Gerüchte über ein hoch dotiertes Angebot<br />
von Ducati die Runde, doch Lorenzo entschied sich erneut für Yamaha und verlängerte<br />
seinen Vertrag bis Ende 2016, was Lorenzos neuntes Jahr beim japanischen<br />
Hersteller wäre. Mehrfach betonte der zweifache MotoGP-Weltmeister<br />
in dieser Saison: »Am liebsten würde ich meine Karriere bei Yamaha<br />
beenden.«<br />
88 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
FOTOS: MILAGRO, HONDA<br />
Alex Criville war nach<br />
Mick Doohan der zweite<br />
Honda-Pilot im 100er-Klub<br />
5. ALEX CRIVILLE<br />
Honda NSR500 - eines der legendärsten Motorräder der<br />
WM-Geschichte lag in den Neunzigerjahren jahrelang<br />
in den Händen von Alex Criville. Der Katalane bestritt<br />
bereits die Saisons 1992 und 1993 für das spanische<br />
Pons-Team auf einer Honda und wurde 1994 ins Werksteam<br />
befördert. In diesem fuhr er bis zu seinem Karriere-Ende<br />
im Jahr 2001 und bestritt in den Farben von<br />
HRC insgesamt 112 Rennen. Zudem war Criville im Jahr<br />
1995 mit an Bord, als sich Hodas Werksteam mit<br />
Hauptsponsor und Technologiepartner Repsol zusammenschloss.<br />
Eine Partnerschaft, die bis heute besteht<br />
und wohl die erfolgreichste in der Geschichte der<br />
Motorrad-WM ist. Sportlich lief es für Criville lange nur<br />
mäßig, denn an seinem Teamkollegen Mick Doohan kam<br />
der Katalane fünf Jahre lang nicht vorbei. Erst 1999, als<br />
Doohan seine Karriere nach nur zwei Rennen beenden<br />
musste, schlug Crivilles große Stunde. Nach sechs Saisonsiegen<br />
krönte er sich <strong>zum</strong> ersten spanischen Weltmeister<br />
der Königsklasse. Insgesamt gewann der Katalane<br />
bis zu seinem Karriereende 2001 in acht Jahren in<br />
Hondas Werksteam 14 Rennen.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 89
90 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
FOTOS: MILAGRO
TEXT: MARIA POHLMANN<br />
ICH BIN<br />
NIE<br />
GLÜCKLICH<br />
NEUE REGELN, SCHWIERIGE ERINNERUNGEN UND IMMER ETWAS ZU VERBESSERN:<br />
MOTORSPORT-MAGAZIN.COM SPRACH MIT DORNA-CEO CARMELO EZPELETA ÜBER<br />
SEINEN SPANNENDEN JOB UND NOCH VIEL MEHR.<br />
MSM: Warum wurde das Alterslimit für die<br />
Moto3-Klasse geändert?<br />
CARMELO EZPELETA: Wir haben das Alterslimit<br />
nicht wirklich geändert, sondern nur einen Spezialfall<br />
geschaffen. Wenn jemand die FIM CEV<br />
gewinnt, die jetzt eine internationale Meisterschaft<br />
ist, dann darf er in der Moto3-Weltmeisterschaft<br />
an den Start gehen. Denn wenn ein Fahrer die FIM<br />
CEV gewinnt, dann hat er definitiv Talent und<br />
sollte in die Weltmeisterschaft aufsteigen. Wir<br />
haben nicht das generelle Alterslimit heruntergesetzt.<br />
Wir helfen damit nur den Fahrern, von denen<br />
wir denken, dass sie es verdient haben, in der Weltmeisterschaft<br />
zu fahren. Wenn er in der spanischen<br />
Meisterschaft bleibt, dann ist das nicht wirklich<br />
förderlich für seine Karriere.<br />
Schaut ihr auch in anderen Serien nach Talenten<br />
wie Fabio Quartararo?<br />
Fabio Quartararo wird im nächsten Jahr erst einmal<br />
höchst wahrscheinlich in die Moto3-WM kommen.<br />
Nach anderen Fahrern suchen wir nicht speziell.<br />
Die FIM CEV ist jetzt unter dem Schirm der<br />
Ezpeleta ist<br />
selbst gerne auf<br />
zwei Rädern<br />
unterwegs<br />
FIM und wird nicht mehr von der spanischen<br />
Föderation geführt. Damit ist sie eine internationale<br />
Meisterschaft. Unsere neue Regelung ist ein<br />
System, um den Sieger der Meisterschaft zu belohnen.<br />
Wenn in Zukunft ein Fahrer die FIM CEV<br />
gewinnt und in die Weltmeisterschaft wechseln<br />
möchte, das nötige Alter dafür aber noch nicht<br />
erreicht hat, wird das genauso der Fall sein.<br />
Gerüchten zufolge soll auch eine nordeuropäische<br />
Meisterschaft aufgebaut werden...<br />
Wir sprechen aktuell mit dem ADAC und haben<br />
uns bereits getroffen. Wir haben verschiedene<br />
Ideen, das umzusetzen, ja.<br />
Was braucht ein junger Fahrer, um von der<br />
Dorna Aufmerksamkeit zu bekommen?<br />
Momentan gibt es so viele talentierte Fahrer: in<br />
Asien, im MotoGP Red Bull Rookies Cup und in<br />
den nationalen Meisterschaften. Wir haben viele<br />
Leute, die sich nach jungen Fahrern umsehen,<br />
aber das Geheimnis kann ich natürlich nicht<br />
verraten.<br />
→<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 91
MotoGP ist noch<br />
immer<br />
<strong>Motorsport</strong> <strong>zum</strong><br />
Anfassen<br />
Die Moto2<br />
garantiert<br />
spannende<br />
Rennen<br />
Die Open-Klasse<br />
ist eine<br />
Bereicherung für<br />
die MotoGP<br />
Zu Beginn der Saison hatte Honda im Vergleich<br />
zu KTM in der Moto3 Probleme. Jetzt ist das Kräfteverhältnis<br />
wieder ausgeglichen. Sind Sie mit der<br />
aktuellen Situation zufrieden?<br />
Es ist okay, wenn ein Hersteller einmal besser ist<br />
als ein anderer. Wichtig für uns ist, dass der Wettbewerb<br />
erhalten bleibt und die Kosten niedrig hält.<br />
In allen Kategorien ist es sehr wichtig, die Ausgaben<br />
so gering wie möglich zu halten, aber in der Moto2<br />
und in der Moto3 ist das noch ein bisschen<br />
wichtiger.<br />
Sind Moto2 und Moto3 heute die ideale Vorbereitung<br />
für die MotoGP?<br />
Meiner Meinung nach gibt es da keine Zweifel.<br />
Das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch<br />
die der ganzen Fahrer. Alle Piloten, die bisher<br />
von der Moto2 in die MotoGP aufgestiegen sind,<br />
sagen, dass diese Kategorie hilfreicher war als<br />
die alte 250ccm Klasse und der Beweis dafür ist,<br />
dass sie sich von Anfang an bestens in der<br />
Königsklasse zurechtfinden. Genau das Gleiche<br />
sagen auch die Moto3-Fahrer, die in die Moto2<br />
aufgestiegen sind. Die Piloten sind sicherer, der<br />
Wettbewerb ist größer, weil die Motorräder ähnlicher<br />
sind als zuvor. Wir haben keinen Zweifel<br />
daran und freuen uns, dass es ein so großer<br />
<strong>Erfolg</strong> war, von 125er zu Moto3 und von 250er<br />
zu Moto2 zu wechseln.<br />
Sind Sie mit dem aktuellen MotoGP-Feld<br />
zufrieden?<br />
Ich bin nie glücklich. Wir können immer an allem<br />
noch etwas verbessern. Aber ich denke, dass wir<br />
auf einem guten Weg sind. Das Programm, das wir<br />
kreiert haben, um die Kosten zu senken und Hersteller<br />
anzulocken - also von CRT über Open-<br />
Klasse bis hin <strong>zum</strong> einheitlichen ECU-System -<br />
funktioniert gut. Wir hoffen, dass es auch in<br />
Zukunft keine Probleme damit geben wird, aber<br />
natürlich arbeiten wir dennoch stets an<br />
Optimierungen.<br />
Magneti Marelli soll nicht unbedingt der beste<br />
Software-Hersteller sein. Warum fiel die Wahl auf<br />
die Italiener?<br />
Wir begannen früh mit Magneti Marelli zu sprechen,<br />
weil sie schon zwei der drei großen Hersteller<br />
in der MotoGP beliefert haben. Nun arbeiten wir<br />
mit diesem ECU-System. Es ist ja schon lange entschieden,<br />
dass alle Teams dieses 2016 verpflichtend<br />
nutzen müssen. Alle Hersteller in der Königsklasse<br />
werden dabei helfen, das System noch zu verbessern,<br />
also bin ich überzeugt, dass es gut funktionieren<br />
wird. Magneti Marelli stand nie in Frage.<br />
Warum wurde die Einführung der neuen Regeln<br />
überhaupt auf 2016 verschoben?<br />
Wir sprechen immer mit den Herstellern über neue<br />
Regeln. Wenn sich alle einig sind, gibt es kein Problem.<br />
Dieses Mal hat es etwas länger gedauert, die<br />
Zustimmung für das ECU-System zu bekommen<br />
und gleichzeitig auch die Anzahl der Sensoren der<br />
Bikes festzulegen. Mehr oder weniger haben wir<br />
die wichtigsten technischen Vorschriften jetzt aber<br />
fixiert. Einiges steht noch aus, aber das sind eher<br />
kleine Dinge. Wir reduzieren das Gewicht für nächstes<br />
Jahr ein wenig. Wir sprechen aktuell auch noch<br />
über die Bremsen und ein paar andere Sachen, aber<br />
das ist alles nichts Großes und sollte keine Probleme<br />
machen.<br />
Was bedeutet es für Sie, in den nächsten Jahren<br />
zahlreiche alte und neue Hersteller in der MotoGP<br />
begrüßen zu dürfen?<br />
Unsere Pflicht ist es, gute Regeln zu schreiben und<br />
damit die Grundlage zu schaffen, den Sport für die<br />
Hersteller attraktiv zu machen. KTM hat ja schon<br />
bekannt gegeben, dass sie vielleicht 2017 in die<br />
MotoGP kommen. Suzuki und Aprilia kommen<br />
nächstes Jahr. Das ist toll. Aber eigentlich ist die<br />
Anzahl qualitativ hochwertiger Bikes für uns wichtiger<br />
als die Anzahl der Hersteller. Ich bin mir aber<br />
sicher, dass sie kommen werden, wenn wir ihnen<br />
eine gute Plattform anbieten können.<br />
Was ist das Wichtigste für die Zukunft der MotoGP?<br />
Die Show so gut wir können aufrecht zu erhalten<br />
92 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Honda und KTM<br />
sind in der<br />
Moto3 gleichauf<br />
Ezpeletas<br />
Aushängeschild<br />
ist und bleibt<br />
Valentino Rossi<br />
und dabei so geringe Kosten wie möglich zu<br />
verursachen.<br />
Gibt es schon etwas Neues zur TV-Übertragung<br />
im deutschsprachigen Raum ab 2015?<br />
Unsere Leute, die dafür verantwortlich sind, führen<br />
aktuell noch Gespräche mit den beiden verschiedenen<br />
TV-Sendern.<br />
In Italien wird die MotoGP nur noch auf Pay-<br />
TV-Sendern übertragen. Stellt das kein Problem<br />
für die Vermarktung des Grand Prix dar?<br />
Wir haben kein Problem in Italien. Wir haben<br />
entschieden, ins Pay-TV zu wechseln - wie es<br />
auch zahlreiche andere Sportarten auf der Welt<br />
tun. Die Kombination aus frei zugänglicher<br />
Übertragung und Pay-TV funktioniert in Italien<br />
sehr gut. Wir sind glücklich und haben kein Problem<br />
damit. Wir hatten uns natürlich ausgerechnet,<br />
was in etwa passieren wird. Aber die<br />
Zuschauerzahl ist sogar besser als wir am Anfang<br />
dachten.<br />
Wer ist ihr Lieblingsfahrer?<br />
Ich habe keinen Lieblingsfahrer. Damit gehe ich<br />
nur Problemen aus dem Weg. [lacht]<br />
Wie kommt man an einen solchen Job?<br />
Als ich noch sehr jung war, fuhr ich Motorrad- und<br />
ALS ICH NOCH SEHR JUNG WAR, FUHR ICH MOTORRAD- UND AUCH<br />
AUTORENNEN. SPÄTER HABE ICH EIN INGENIEURSSTUDIUM GEMACHT.<br />
MEIN GANZES LEBEN HATTE BISHER MIT DIESER SPORTART ZU TUN.<br />
ICH KÖNNTE MIR NIE VORSTELLEN, ETWAS ANDERES ZU TUN.«<br />
auch Autorennen. Später habe ich ein Ingenieursstudium<br />
gemacht. Mein ganzes Leben hatte bisher<br />
mit dieser Sportart zu tun. Ich könnte mir nie vorstellen,<br />
etwas anderes zu tun.<br />
Was ist ihre beste Erinnerung als Chef des<br />
MotoGP-Hauptvermarkters?<br />
Es gibt so viele... Ich habe keine spezielle beste<br />
Erinnerung, davon gab es einfach zu viele. Allerdings<br />
erinnere ich mich sehr gut an die schlechtesten<br />
Momente, Unfälle und so etwas. Ich mache<br />
mir keine Gedanken darüber, was die beste Erinnerung<br />
war. Ich mache mir eher Sorgen um<br />
Unfälle und an die muss ich auch immer wieder<br />
zurückdenken.<br />
Was war das Schlimmste?<br />
Marco Simoncelli, Shoya Tomizawa, Daijiro Kato,<br />
all die Leute, die bei uns gestorben sind. Der Unfall<br />
von Wayne Rainey 1993 in Misano war auch<br />
fürchterlich.<br />
Macht es den Job manchmal schwer, das schwarze<br />
Schaf zu sein, wenn es Kritik gibt oder etwas Negatives<br />
passiert?<br />
Die Dorna besteht momentan aus 300 Menschen.<br />
Ich bin nur der CEO. Es gibt viel mehr Leute, die<br />
für unsere Firma arbeiten und ich bin natürlich<br />
nicht für alles verantwortlich. Die Dorna ist<br />
schließlich kein Unternehmen, das nur aus einer<br />
Person besteht. Um alles gut zu machen, brauchst<br />
du einfach ein großes, gutes Team.<br />
Angenommen Sie hätten einen Wunsch frei. Was<br />
wäre das?<br />
So weiter<strong>zum</strong>achen, wie bisher. Wir verbessern uns<br />
in jedem Jahr und beenden viele Dinge positiv.<br />
Wenn wir - was die technischen Regeln angeht -<br />
alles so fertigstellen, wie wir es geplant haben, dann<br />
ist das toll. Aber wir denken auch über neue Rennstrecken<br />
nach, darüber, wie wir noch mehr<br />
Zuschauer anziehen und wie wir neue Sponsoren<br />
gewinnen können. Es gibt immer viel zu tun.<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 93
FOTOS: MIALGRO<br />
94 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
CRAZY<br />
JOE<br />
AUF DER<br />
ÜBERHOLSPUR<br />
ANDREA IANNONE IST EINER DER GEWINNER DIESER MOTOGP-SAISON. NACH<br />
GESCHWINDIGKEITS-REKORD UND AUFSTIEG IN DUCATIS WERKSTEAM WILL ER ALS<br />
TEIL DER ITALIENISCHEN ROTEN ARMEE DIE GEGNER IN DIE MANGEL NEHMEN.<br />
TEXT: MICHAEL HÖLLER<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 95
ür Andrea Iannone ging im<br />
Sommer alles ganz schnell. »Ich<br />
kann mich gar nicht mehr<br />
genau erinnern, wann und wie<br />
mir die Ducati-Offiziellen von<br />
meiner Beförderung ins Werksteam<br />
berichtet haben«, gesteht<br />
Iannone gegenüber <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com. Zu<br />
rasant sei damals alles gegangen, um irgendwelche<br />
Details im Gedächtnis behalten haben zu können.<br />
»Ich bin aber sehr glücklich, dass mir Ducati diese<br />
Chance eröffnet. Das war mein großer Traum«,<br />
stellt Iannone klar. Schon im Frühjahr wurde der<br />
25-jährige Italiener als heißer Kandidat für die<br />
Nachfolge von Cal Crutchlow im Werksteam von<br />
Ducati gehandelt. Beim Satellitenteam Pramac mit<br />
ebenbürtigem Werksmaterial versorgt, stellte Iannone<br />
den britischen Neuzugang ein ums andere<br />
Mal in den Schatten. Bis zur Sommerpause war<br />
Iannone bei zwei Ausfällen nur ein einziges Mal<br />
hinter Crutchlow ins Ziel gekommen. Die Gerüchte<br />
um und der Ruf mancher italienischer Gazetten<br />
nach der Ablöse des inferioren Briten wurden<br />
immer lauter. Nicht zuletzt, weil Crutcahlow selbst<br />
eine Option in seinem Vertrag hatte, die es ihm<br />
erlaubte, bei schlechten Ergebnissen selbst einen<br />
Schlussstrich zu ziehen. Doch Ende Juli verkündete<br />
Crutchlow im Rahmen der »World Ducati Week«,<br />
dass er seine Ausstiegsklausel nicht wahrnehmen<br />
werde und auch 2015 bei Ducati neben Andrea<br />
Dovizioso antrete. Iannone schaute durch die Finger<br />
und musste sich mit der Zusage aus Bologna<br />
zufrieden gebe, dass er in der kommenden Saison<br />
bei Pramac dennoch Werksunterstützung erhalte.<br />
Rund eineinhalb Wochen später sah die Sache ganz<br />
anders aus. Denn in den Wirren von Transferfristen<br />
und Vertragsparagraphen tat sich für Crutchlow<br />
eine Chance bei LCR und damit die Möglichkeit<br />
auf eine Factory Honda auf, weil sich Stefan Bradl<br />
zu überhastet für Forward Racing entschieden<br />
hatte. Bradls Pech machte Crutchlow glücklich.<br />
Noch glücklicher machte das allerdings Iannone,<br />
der plötzlich doch einen Vertrag als Werksfahrer<br />
für 2015 in der Tasche hatte. Am 2. August traf<br />
um 16:22 Uhr eine schlichte Presseaussendung<br />
im Posteingang der <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com-<br />
Redaktion ein. »Die beiden Ducati Team Fahrer<br />
für 2015 sind nun Andrea Dovizioso und Andrea<br />
Iannone«, hieß es dort im letzten der nur zwei<br />
Sätze langen Aussendung, die über Cal<br />
Crutchlows Abgang informierte. Für Iannone<br />
waren diese schnöden Worte die Krönung seiner<br />
Laufbahn in der Weltmeisterschaft, an der er<br />
bereits seit 2005 teilnimmt. Seinen Aufstieg <strong>zum</strong><br />
offiziellen Werksfahrer kann Iannone noch<br />
immer nicht so richtig fassen. »Ich weiß nicht,<br />
wieso Ducati ausgerechnet mich ausgewählt hat.<br />
Natürlich bin ich davon überzeugt, dass ich ein<br />
starker Fahrer bin und meine Ergebnisse waren<br />
zuletzt gut. Ducati glaubt, dass ich die beste Wahl<br />
für sie bin - das ehrt mich natürlich sehr«, freut<br />
sich der Italiener.<br />
96 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
349,6 km/h - Iannone<br />
knackte in<br />
Mugello einen<br />
Rekord<br />
Iannone ist für<br />
seine<br />
Kampfkraft<br />
bekannt<br />
In den<br />
italienischen<br />
Medien kommt<br />
Crazy Joe gut an
Für den Durchbruch in der Weltmeisterschaft<br />
brauchte der 25-Jährige etwas länger als andere<br />
Fahrer vor oder nach ihm. Am 4. Mai 2008 gelang<br />
ihm im Alter von 18 Jahren im erst 48. Rennen<br />
seiner Karriere in der Achtelliterklasse in Shanghai<br />
der erste Sieg. Drei weitere <strong>Erfolg</strong>e und eineinhalb<br />
Jahre später gelang ihm der Aufstieg in<br />
die 250cc-Nachfolgeklasse Moto2. Mit diesem<br />
Wechsel ging Iannones Durchbruch in der Weltmeisterschaft<br />
einher. In seinem vierten Saisonrennen<br />
in Mugello stand er das erste Mal auf der<br />
Pole Position, siegte und sackte die schnellste<br />
Rennrunde auch gleich noch mit ein. Zwei weitere<br />
Saisonsiege folgten und am Ende des Jahres<br />
stand Iannone als Dritter der Gesamtwertung da.<br />
Das gelang ihm auch in den beiden Folgejahren<br />
kämpfen zu können«, sagte Iannone nach Saisonende<br />
2013.<br />
Und tatsächlich: 2014 sollte alles anders werden.<br />
Topfit und mit Werksunterstützung von Ducati<br />
war Iannone eine der positiven Überraschungen<br />
der ersten Saisonrennen. Rang sieben in Austin<br />
bedeutete sein bis dahin bestes Ergebnis in der<br />
Königsklasse, das er nur zwei Wochen später in<br />
Argentinien mit Platz sechs toppte. In Mugello<br />
stand er <strong>zum</strong> ersten Mal in seiner Karriere in der<br />
ersten Startreihe eines MotoGP-Rennens und<br />
erzielte an diesem Wochenende zudem seinen<br />
ersten Rekord in der Königsklasse. Im Training<br />
wurde er mit 349,6 km/h geblitzt. Nie zuvor wurde<br />
eine höhere Geschwindigkeit bei einem Fahrer in<br />
»IRGENDWANN WÜRDE ICH GERNE SO GUT SEIN UND<br />
EIN SO GUTES MOTORRAD HABEN, DASS ICH IN JEDEM<br />
RENNEN UM DAS PODIUM KÄMPFEN KANN. DAS IST DAS<br />
OBERSTE ZIEL.«<br />
2015 steigt<br />
Iannone ins<br />
Werksteam auf<br />
FOTOS: MIALGRO<br />
und mit insgesamt acht Siegen und 19 Podestplätzen<br />
ist Iannone bis heute einer der erfolgreichsten<br />
Fahrer der noch jungen Moto2-Klasse.<br />
In diesen Jahren sicherte er sich auch seinen<br />
Spitznamen »Crazy Joe«. Denn in der Moto2 war<br />
Iannone kein Manöver zu riskant, keine Lücke<br />
zu klein und kein Gashebel zu früh offen. Durch<br />
seine Aggressivität machte er sich viele Feinde<br />
unter den Fahrern, mit denen er auf der Strecke<br />
nie zimperlich umging. Doch die Teamverantwortlichen<br />
der MotoGP wurden auf den risikofreudigen<br />
Italiener aufmerksam. So sicherte sich<br />
Ducati für 2013 Iannones Dienste und parkte ihn<br />
im Satellitenteam Pramac. Doch wie schon viele<br />
Piloten vor ihm musste es Iannone in der Königsklasse<br />
auf die harte Tour lernen. Stürze und Verletzungen<br />
prägten sein Premierenjahr in der<br />
MotoGP. Noch vor Saisonstart wurde ein angeknackster<br />
Lendenwirbel - eine Verletzung, die er<br />
noch bei einem Moto2-Sturz davontrug - diagnostiziert.<br />
Hinzu gesellten sich in den ersten<br />
Monaten der Saison Unterarmschmerzen und<br />
schließlich eine ausgerenkte Schulter nach einem<br />
Trainingssturz auf dem Sachsenring. Eine Verletzung,<br />
die Iannone an seinem erst achten<br />
MotoGP-Wochenende bereits zur ersten Pause<br />
zwang und die ihn auch für das Folgerennen in<br />
Laguna Seca außer Gefecht setzte. Die zweite<br />
Hälfte seiner Rookie-Saison stand somit eher im<br />
Zeichen der Regeneration denn des aggressiven<br />
Rennfahrens. Nur fünf Top-10-Plätze sorgten<br />
dafür, dass Iannone die WM nur an der zwölften<br />
Position abschließen konnte. Ein Umstand, der<br />
niemanden mehr ärgerte als den Italiener selbst.<br />
»Ich kann meinen Instinkten nicht so folgen, wie<br />
ich es gerne würde. Ich will den Kampfgeist, den<br />
ich immer hatte, wiederfinden. Ich will mit dem<br />
Wissen zu Rennen reisen, mit den besten Fahrern<br />
der Motorrad-WM gemessen. Für Ducati musste<br />
Iannone aber auch immer wieder als Versuchskaninchen<br />
im Motorenbereich herhalten - die Kehrseite<br />
der Werksunterstützung für den Italiener. Da<br />
bei der roten Rennfraktion aus Bologna noch lange<br />
nicht alles glatt läuft, musste Iannone aber auch den<br />
einen oder anderen Defekt in Kauf nehmen. So ging<br />
ihm etwa in Indianapolis kurz nach Hälfte der<br />
Renndistanz der Motor hoch. Als Werkspilot ist<br />
Iannone ab nächster Saison im Hinblick auf die<br />
störrische Desmosedici auch als Entwickler gefragt.<br />
Eine neue Herausforderung, auf die er sich freut:<br />
»Das Motorrad ist nicht schlecht. Ich hoffe aber,<br />
dass wir in nächster Zeit noch einige Bereiche verbessern<br />
können. Das ist wichtig für meine Zukunft<br />
und für die Zukunft von Ducati.« Denn Iannone<br />
hat große Pläne, die er im italienischen Dream<br />
Team mit seinem neuen Teamkollegen Andrea<br />
Dovizioso und dem Technikguru Gigi Dall‘Igna in<br />
die Tat umsetzen will. »Irgendwann würde ich<br />
gerne so gut sein und ein so gutes Motorrad haben,<br />
dass ich in jedem Rennen um das Podium kämpfen<br />
kann. Das ist das oberste Ziel«, gibt sich Iannone<br />
für die kommenden Jahre kämpferisch.<br />
Die Erwartungshaltung ist hoch - vor allem<br />
wegen Ducatis hohem Selbstanspruch. Seit 2010<br />
ist die italienische Marke in der MotoGP nun<br />
schon ohne Sieg. Ein Umstand, der vor allem<br />
dem sportlich stets erfolgreichen Eigentümer<br />
Audi sauer aufstößt. An Motivation und Arbeitseifer<br />
mangelt es Iannone aber nicht, der seinen<br />
Teil zu Ducatis Weg zurück an die Spitze der<br />
Motorrad-WM beitragen möchte. »Ducati-Fahrer<br />
zu werden, war immer mein Traum. Das ist<br />
eine ganz besondere Marke«, stellt Iannone klar.<br />
Ab 2015 wird dieser Traum für den Italiener<br />
Wirklichkeit.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 97
FOTOS: MILAGRO<br />
DIE<br />
ULTIMATIVE<br />
ÜBERFORDERUNG?<br />
TEXT: MARKUS ZÖRWEG<br />
FREDDIE SPENCER KONNTE ALS LETZTER PILOT IN DER MOTORRAD-WM ZWEI TITEL IN EINEM<br />
JAHR GEWINNEN UND WAR VOR MARC MARQUEZ DER JÜNGSTE KÖNIGSKLASSEN-CHAMPION<br />
DER GESCHICHTE. IM GESPRÄCH MIT MOTORSPORT-MAGAZIN.COM ANALYSIERT ER DIE<br />
AMBITIONEN SEINES NACHFOLGERS AUF DEN TITEL-DOPPELPACK.
Freddie Spencer<br />
war der Marc<br />
Marquez der 80er<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 99
MSM: Es gab Gerüchte, dass Marc Marquez bald<br />
auch in der Moto2 fahren wird. Denkst du, dass<br />
so etwas heute noch möglich ist?<br />
FREDDIE SPENCER: Alles ist möglich! Wenn es<br />
irgendjemand schaffen kann, dann Marc. Man muss<br />
nur die Art beobachten, wie er Rennen gewinnt.<br />
Da erkennt man, dass er sich sehr schnell an neue<br />
Situationen anpassen kann. Das ist der Schlüssel<br />
<strong>zum</strong> <strong>Erfolg</strong>.<br />
Du hast es 1984 sogar geschafft, in den Klassen bis<br />
250ccm und 500ccm Weltmeister zu werden.<br />
Das stimmt, und Marc war ja schon Moto2-Weltmeister.<br />
Ich war vor meiner Saison noch nie eine<br />
250er-Maschine in der WM gefahren und generell<br />
hatte ich sechs Jahre lang kein Rennen mehr auf<br />
einer 250er bestritten. Aber es wäre trotzdem<br />
schwer für Marc. Der Leistungsunterschied zwischen<br />
den beiden Klassen ist groß. Was ihm zu Gute<br />
kommt, ist die Tatsache, dass sowohl die Moto2- als<br />
auch die MotoGP-Bikes Viertakter sind.<br />
Ist der Unterschied zwischen einer Moto2- und<br />
einer MotoGP-Maschine kleiner als zwischen einer<br />
250er und einer 500er?<br />
Ich denke schon. Zwischen einer 250er und einer<br />
500er ist ein Riesenunterschied - die Bremspunkte,<br />
wo man einlenken muss, wann man wieder ans Gas<br />
gehen kann. Außerdem musste man die zwei Bikes<br />
ganz unterschiedlich fahren. Mit der 250er musste<br />
man mehr das Tempo mitnehmen, auf der 500er<br />
musste man hart bremsen, das Motorrad in die<br />
Kurve werfen und wieder voll hinausbeschleunigen.<br />
Das ist der Grund, warum damals sogar großartige<br />
250er-Piloten wie Toni Mang oder Carlos Lavado<br />
auf den 500ern Probleme hatten. Es war schwieriger,<br />
diesen Übergang zu schaffen. Außerdem gab es<br />
damals noch keine elektronischen Hilfsmittel. Als<br />
Pilot warst Du die Elektronik. Man musste auf einer<br />
500er-Maschine konstant vorausdenken. Das war<br />
das Schwierige.<br />
Du warst der letzte Fahrer, der zwei Weltmeisterschaften<br />
in einer Saison gewonnen hat. Ist das ein<br />
Rekord, der dir viel bedeutet?<br />
Natürlich! Es ist ein unglaubliches Privileg, dass<br />
Leute sich 29 Jahre später immer noch erinnern,<br />
wie sie dich damals siegen gesehen haben. Das war<br />
eine großartige Chance für mich, aber auch<br />
unglaublich hart. Es gab viele Momente, in denen<br />
ich mir gedacht habe: ‚Was zur Hölle mache ich hier<br />
nur?‘ Am Ende hat aber alles funktioniert.<br />
Würdest du diese Leistung für etwas anderes eintauschen,<br />
<strong>zum</strong> Beispiel für mehr Weltmeistertitel<br />
in der 500ccm-Klasse?<br />
Ich habe viel darüber nachgedacht und jedes Mal<br />
überlege ich, ob meine Karriere länger gedauert<br />
hätte, wenn ich nur eine Klasse gefahren wäre. Aber<br />
wer weiß das schon? Das ist alles hypothetisch. Im<br />
Leben geht es nicht darum, sich zu fragen, was passieren<br />
könnte, sondern es einfach zu machen. In<br />
zwei Klassen zu fahren hat meine Karriere vielleicht<br />
etwas verkürzt, aber ich sehe es definitiv als Privileg<br />
an. Ich hätte nur eine Klasse fahren können und<br />
vielleicht wäre etwas anderes passiert.<br />
Was war das Schwierigste daran, zwei unterschiedliche<br />
Motorräder in einer Saison zu fahren?<br />
Man muss die Umstände kennen. Honda war<br />
damals neu in der Motorrad-Weltmeisterschaft,<br />
jetzt sind sie schon seit Ewigkeiten dabei. Die<br />
Motorräder ändern sich heutzutage jedes Jahr nur<br />
minimal. Damals haben wir jedes Jahr große Veränderungen<br />
vorgenommen. Wir haben einige<br />
Dinge probiert, die vor uns noch niemand versucht<br />
hatte. Wir mussten einen komplett neuen Motor<br />
und ein neues Chassis entwickeln. Das war an sich<br />
schon schwierig. Für mich und das Team war aber<br />
das Schwierigste, dass wir immer zu wenig Zeit<br />
Spencer wurde<br />
zweimal<br />
500cc-Weltmeister<br />
Die Rookies konnten sich extrem schnell eingewöhnen<br />
Name:<br />
Freddie Spencer<br />
Geburtsdatum: 20. Dezember 1961<br />
in Shreveport, USA<br />
Weltmeistertitel:<br />
2x 500ccm<br />
(1983 und 1985),<br />
1x 250ccm (1985)<br />
WM-Starts: 72<br />
Siege: 27<br />
Podien: 39<br />
Pole Positions: 24<br />
Debütalter in der Königsklasse: 18 Jahre<br />
hatten. Damals waren die Trainings noch direkt<br />
hintereinander, ohne jegliche Pause. Sobald eine<br />
Klasse fertig und von der Strecke weg war, kam die<br />
nächste dran. Erst nach den Trainings beider Klassen<br />
war Zeit für die Nachbesprechung.<br />
Du musstest dich also an alles erinnern.<br />
An alles, was ich nicht in einer sehr kurzen Zeit<br />
sagen konnte. Dann hatte ich in den zwei Klassen<br />
auch noch unterschiedliche Crews. Ich musste<br />
abseits der Strecke viele Stunden in mentales Training<br />
investieren, um das zu meistern.<br />
Die Rennen waren zeitlich auch eng beieinander.<br />
Ja, ich war beispielsweise auf dem Podium, weil ich<br />
das 500er-Rennen gewonnen hatte und die 250er<br />
waren schon auf dem Weg in die Startaufstellung.<br />
Dann musste ich vom Podium runterlaufen, schnell<br />
so viel Wasser wie möglich trinken und dann auf<br />
der 250er rausgehen.<br />
Du durftest ja nicht einmal Champagner<br />
trinken!<br />
Ich konnte es nicht mal richtig genießen! Darüber<br />
muss ich heute immer lachen. Jetzt würde ich mich<br />
so richtig feiern lassen. Ich wäre der Letzte, der das<br />
Podium verlässt, würde Champagner trinken und<br />
herumblödeln. Damals war ich immer so ernst, aber<br />
ich musste mich eben schon auf das nächste Rennen<br />
konzentrieren. Dann hatte ich nur die eine Runde<br />
in die Startaufstellung und die Aufwärmrunde, um<br />
mich an das Motorrad zu gewöhnen. →<br />
VERGLEICH: SPENCER VS. MARQUEZ<br />
Name:<br />
Marc Marquez<br />
Geburtsdatum: 17. Februar 1993<br />
in Cervera, Spanien<br />
Weltmeistertitel: 1x 125ccm (2010),<br />
1x Moto2 (2012),<br />
1x MotoGP (2013)<br />
WM-Starts: 109<br />
Siege: 43<br />
Podien: 66<br />
Pole Positions: 47<br />
Debütalter in der Königsklasse: 20 Jahre<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
100 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Nach seinem<br />
zweiten WM-Titel<br />
gewann Spencer<br />
nie wieder ein<br />
Rennen<br />
IM LEBEN GEHT ES NICHT DARUM, SICH ZU FRAGEN, WAS PASSIEREN KÖNNTE, SONDERN<br />
ES EINFACH ZU MACHEN. IN ZWEI KLASSEN ZU FAHREN HAT MEINE KARRIERE VIELLEICHT<br />
ETWAS VERKÜRZT, ABER ICH SEHE ES DEFINITIV ALS PRIVILEG AN.
USA meets Japan:<br />
Spencer fuhr lange<br />
Jahre für Honda<br />
MAN BRAUCHT MEHR ALS NUR SPEED. ES GEHT DARUM, DINGE VORAUSZUAHNEN, DENN ES<br />
WIRD KEIN WOCHENENDE GEBEN, AN DEM MAN OHNE JEGLICHE PROBLEME DURCHKOMMT.<br />
FOTOS: MILAGRO<br />
500cc und 250cc<br />
- Spencer stellte<br />
sich beiden<br />
Klassen<br />
gleichzeitig
Marc sagte, dass man als Neuling in einer Klasse<br />
nie so schnell sein kann, wie die Piloten, die schon<br />
länger dort fahren. Siehst du das auch so?<br />
Er hat schon Recht. Auch wenn er früher in der<br />
Moto2 gefahren ist, hat sich die Klasse inzwischen<br />
doch weiterentwickelt. Der Unterschied ist aber<br />
nicht so gravierend. Er könnte sich sicherlich daran<br />
gewöhnen. Ich denke, wenn es jemand schafft, dann<br />
Marc.<br />
Sonst niemand?<br />
Mir wurde genau dieselbe Frage gestellt, als Valentino<br />
2001 das letzte Jahr auf der 500er gefahren ist.<br />
Da gab es auch diese Gerüchte. Hätte er es gekonnt?<br />
Mit Sicherheit! Davon bin ich überzeugt. Er ist ein<br />
großartiger Pilot, genauso wie Marc. Die zwei sind<br />
da aber schon besonders, weil sie einfach alles<br />
haben, was man benötigt, um ein Weltklassepilot<br />
zu sein. Man braucht mehr als nur Speed. Es geht<br />
darum, Dinge vorauszuahnen, denn es wird kein<br />
Wochenende geben, an dem man ohne jegliche<br />
Probleme durchkommt.<br />
Ist Marc der Konkurrenz da in so vielen Bereichen<br />
voraus?<br />
Es ist oft nicht viel, aber immer ein kleines Bisschen.<br />
In Silverstone etwa war er bereit, in manchen<br />
Bereichen etwas mehr zu geben und es machte sich<br />
bezahlt. Das ist etwas, das einen großartigen Piloten<br />
von einem guten Piloten unterscheidet. Diese Gabe,<br />
immer einen Weg zu finden.<br />
Siehst du einen Fahrer in der MotoGP oder auch<br />
in den kleineren Klassen, der Marc in den nächsten<br />
Jahren konstant fordern könnte?<br />
Es geht nicht nur um Marc alleine. Auch das Team<br />
und das Equipment machen viel aus. Es ist wichtig,<br />
dass die Crew und das Bike <strong>zum</strong> Fahrer passen.<br />
Marc hat eine großartige Truppe, die er aus der<br />
Moto2 mitgebracht hat und das bedeutet ihm sehr<br />
viel. Solche Kleinigkeiten können den Unterschied<br />
ausmachen.<br />
Also kann ihn niemand schlagen?<br />
Alex, sein Bruder. Der könnte es vielleicht schaffen.<br />
Er macht seine Sache sehr gut. Das wäre sicherlich<br />
interessant. Vielleicht werden wir es irgendwann in<br />
nicht allzu ferner Zukunft sehen.<br />
Was würdest du davon halten, wenn Marc und<br />
Alex in einem Team fahren?<br />
Ich habe das im Motorradsport noch nicht oft gesehen,<br />
aber dafür bei Autorennen, <strong>zum</strong> Beispiel die<br />
Bush-Brüder in der NASCAR. Da gab es ja echte<br />
Probleme, denn sie haben in den Duellen überhaupt<br />
nicht nachgegeben. Die Bushs haben sich manchmal<br />
sogar gegenseitig aus dem Rennen geschossen.<br />
Da fragt man sich schon, was da zwischen Marc<br />
und Alex passieren würde.<br />
2016 wird es ein völlig neues Reglement und mit<br />
Michelin einen anderen Reifenlieferanten geben.<br />
Denkst du, dass wir dann einen anderen Fahrer<br />
sehen könnten, der so dominiert wie Marc jetzt?<br />
Ich gehe davon aus, dass Honda weiterhin stark sein<br />
wird. Durch die Einheitselektronik werden die<br />
Abstände aber wohl geringer werden. Die Reifen<br />
sehe ich nicht als großes Problem. Es gibt in diesem<br />
Herbst bereits die ersten Testfahrten mit Michelin,<br />
also sollte genug Zeit bleiben, um sich auf einen<br />
neuen Hersteller einzustellen und den Fahrern ein<br />
gutes Gefühl zu geben. Der entscheidende Faktor<br />
wird aber auch 2016 wieder die Anpassungsfähigkeit<br />
der Fahrer sein, denn die Motorräder werden<br />
sich anders anfühlen.<br />
Viele Leute sehen ja die Elektronik als großen Vorteil<br />
der Honda. Wie siehst du das?<br />
Darüber wird es immer Spekulationen geben. Marc<br />
würde dir jetzt wahrscheinlich sagen, dass die<br />
Yamaha auch in einigen Bereichen stärker ist. Wenn<br />
du Jorge oder Valentino fragst, werden sie dir sagen,<br />
dass die Honda viel stärker ist. Wenn du Kenny<br />
Roberts fragst, wird er dir sagen, dass die Honda<br />
besser auf der Bremse war und ich sage, dass seine<br />
Yamaha besser beschleunigt hat. Man muss immer<br />
Kompromisse eingehen. Ein Motorrad ist nie<br />
perfekt.<br />
Also wird sich durch die Einheitselektronik am<br />
aktuellen Kräfteverhältnis nicht viel ändern?<br />
Ich denke, dass Honda und Yamaha an der Spitze<br />
sein werden, genauso wie jetzt. Man muss abwarten,<br />
was mit Ducati passiert und auch mit Suzuki und<br />
Aprilia. Es wäre großartig, wenn sie auch mithalten<br />
könnten. Man wünscht sich ja mehr als nur zwei<br />
Hersteller, die gewinnen können. In der MotoGP<br />
ist es teilweise schon so, dass sich das Feld ziemlich<br />
auseinander zieht und man nicht so viele Zweikämpfe<br />
sieht. Es sind meistens nur zwei Piloten<br />
beisammen, während zu meiner Zeit zehn Fahrer<br />
in einer Gruppe waren, sich gegenseitig überholten<br />
und um den Sieg kämpften. Jeder will gutes Racing<br />
und ein ausgeglichenes Feld sehen, sodass es mehr<br />
auf den Fahrer ankommt. Das wünscht sich auch<br />
jeder Pilot. Mit Ausnahme vielleicht des Piloten,<br />
der den Vorsprung hat. Der wird sagen: ‚Hey, mir<br />
geht‘s gut. Ich habe kein Problem mit dem<br />
Vorteil.‘<br />
Es wird immer Leute geben, die sagen, Marc ist<br />
nur so stark, weil die Honda so gut ist. Denkst du,<br />
dass es für ihn wichtig wäre, auf einem anderen<br />
Motorrad Weltmeister zu werden?<br />
Ich kann mir nicht vorstellen, dass er wechseln wird.<br />
Er ist so gerne bei Honda und fühlt sich dort wohl.<br />
Valentino <strong>zum</strong> Beispiel ist damals gewechselt, weil<br />
es ihn motiviert hat. Marc ist da etwas anders. Ihn<br />
motiviert es eher, bei seinem Team und seinen Leuten<br />
zu bleiben. Als Valentino auf der Honda gewonnen<br />
hat, haben auch alle gesagt, die Honda ist besser,<br />
aber Valentino hat den Unterschied ausgemacht,<br />
genauso wie es Marc jetzt auch tut. Das wird es<br />
immer geben. Das ist Teil des Sports.<br />
Dani Pedrosa konnte Marc als Teamkollege bei<br />
Repsol Honda nie richtig fordern. Denkst du, es<br />
wäre für Marc schwieriger, wenn beispielsweise<br />
Jorge Lorenzo sein Teamkollege wäre?<br />
Ich weiß es nicht. Marc und Jorge fahren sehr unterschiedliche<br />
Stile. Die Yamaha und die Honda sind<br />
zwei grundverschiedene Bikes, also muss Jorge auch<br />
anders fahren als Marc. Man weiß nicht, wie Jorge<br />
mit der Honda zurechtkommen würde. Etwas, dass<br />
ihn aber von Dani unterscheidet und wodurch er<br />
vielleicht ein härterer Konkurrent wäre, ist, dass er<br />
ebenso aggressiv ist wie Marc. Sobald sich eine<br />
Chance bietet, nutzen sie die auch. Dani hat uns oft<br />
genug gezeigt, dass er gewinnen kann, aber man<br />
sieht selten, dass er sich Siege richtig erkämpft. Es<br />
ist nicht so, dass er nicht aggressiv sein könnte, aber<br />
das ist einfach nicht seine Art Rennen zu fahren.<br />
Er hat eine andere Herangehensweise. Wenn er <strong>zum</strong><br />
Beispiel in Führung liegt, ist er nur ganz schwer zu<br />
schlagen.<br />
Marc und du wart in etwa gleich alt, als ihr in die<br />
Königsklasse gekommen seid. Welche Unterschiede<br />
siehst du in puncto Reife zwischen euch beiden,<br />
sowohl als Fahrer als auch als Person?<br />
Nicht besonders viele. Marc hatte aber bei seinem<br />
MotoGP-Einstieg schon viel mehr Erfahrung in der<br />
Weltmeisterschaft. Er war zuvor schon zwei Mal<br />
Weltmeister. Ich bin zwei Rennen in der WM<br />
gefahren, bevor ich 1982 in meine erste 500ccm-<br />
Saison mit Honda gegangen bin. Das ist der größte<br />
Unterschied. Wir hatten aber beide schon viel<br />
Erfahrung was den Rennsport generell angeht. Ich<br />
bin bei meinem Einstieg schon 17 Jahre Rennen<br />
gefahren und das ist bei ihm ähnlich. Marc geht<br />
sehr überlegt und methodisch an die Sache heran,<br />
weiß genau, was wichtig ist, ist stets aufmerksam.<br />
Ich war genau gleich. Unsere Fahrstile sind vielleicht<br />
unterschiedlich, aber was die Persönlichkeit angeht,<br />
sind wir uns recht ähnlich.<br />
Spencer war 1983<br />
der jüngste<br />
Weltmeister der<br />
Königsklasse<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 103
SLIDESHOW | MOTORSPORT | #39 | 2014<br />
❱ KONKURRENZ<br />
MIT TOTALSCHADEN<br />
FOTO: ADRIVO/SUTTON<br />
TEXT: MARION ROTT<br />
Volkswagen ist voll auf Kurs. Ein Titel jagt den nächsten und selbst ein<br />
Dreifachpodest ist mittlerweile nichts Außergewöhnliches mehr. Doch wo<br />
viel Licht ist, gibt es auch Schatten. VW zeigt grandiose Leistungen und<br />
gewinnt, was es zu gewinnen gibt. Für die ohnehin gebeutelte WRC ist<br />
diese unglaubliche Dominanz aber der nächste Nackenschlag. Wo bleibt<br />
die Spannung, wo der Kampf, wo die Sekundenduelle der einzelnen Hersteller?<br />
Ohne technische Defekte oder Ausrutscher - wie beispielsweise<br />
in Deutschland - ist schon vor dem Start der ersten Prüfung der Sieger<br />
klar. Citroen, Ford und auch Neueinsteiger Hyundai mutieren zu Randnotizen.<br />
Die Frage ist nur, wie lange sich die anderen Hersteller noch im<br />
Schatten des Weltmeisters aufhalten wollen, bevor sie sich einen anderen<br />
Platz an der Sonne suchen.<br />
104 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 105
FOTOS: DTM, MERCEDES-BENZ<br />
TEXT: STEFANIE SZLAPKA<br />
MOTORSPORT<br />
KANN<br />
BRUTAL<br />
SEIN<br />
ALS AMTIERENDER CHAMPION HAT PAUL DI RESTA DIE DTM ENDE 2010 VERLASSEN. MIT DER HOFFNUNG AUF<br />
SIEGE UND EINEN ZWEITEN TITEL KEHRTE ER ZU BEGINN DIESES JAHRES AUS DER FORMEL 1 IN DIE DTM ZURÜCK.<br />
IM GESPRÄCH MIT MOTORSPORT-MAGAZIN.COM ERKLÄRT DER SCHOTTE DEN UNTERSCHIED ZWISCHEN ANSPRUCH<br />
UND WIRKLICHKEIT.<br />
106 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 107
FOTOS: DTM, MERCEDES-BENZ, ADRIVO/SUTTON<br />
Paul Di Resta ging mit dem Ziel in seine Comeback-Saison,<br />
um Rennsiege und den DTM-Titel zu kämpfen. Die<br />
Ernüchterung war bei den ersten Saisonläufen groß<br />
MSM: Wie war es für dich in die DTM zurückzukehren und festzustellen,<br />
dass Mercedes nicht so stark ist wie erwartet?<br />
PAUL DI RESTA: Ich wusste, dass Mercedes gegen Ende der Vorjahressaison<br />
zu kämpfen hatte. Mit meiner Rückkehr hatte ich gehofft, dem Team mit meiner<br />
Erfahrung helfen zu können. Wir haben relativ schnell gemerkt, dass die Performance<br />
nicht wie erwartet war. Trotzdem war das erste Rennen ein Schock.<br />
Wir hatten nicht damit gerechnet, so weit weg zu sein. Von diesem Moment an<br />
wurden sofort Gegenmaßnahmen gesetzt, die Teamstruktur wurde verändert<br />
und wir bekamen die Möglichkeit, das Auto weiterzuentwickeln. Wir hoffen<br />
jetzt, dass wir mit den neuen Teilen am Auto, die wir seit Zandvoort haben,<br />
konkurrenzfähiger sind und den Abstand verkürzen können.<br />
Wie sehr bist du in die Entwicklung des nächstjährigen Autos involviert?<br />
Wir haben vor einigen Wochen einen Test absolviert, allerdings habe ich bei<br />
diesem gefehlt. Entscheidend sind neue Ideen, die unsere Leute einbringen.<br />
Es geht darum, eine neue Richtung zu finden und nicht den Leuten Vorwürfe<br />
zu machen. Es passiert leicht, dass man in die falsche Richtung entwickelt.<br />
Doch jeder Einzelne bei Mercedes arbeitet hart daran, dass wir unser Ziel<br />
erreichen.<br />
Welchen Einfluss hat die neue Struktur auf deine Arbeitsweise?<br />
Alles läuft sehr gut. Es war die richtige Entscheidung, die Fahrer in den<br />
Umstrukturierungsprozess miteinzubeziehen. Das Team wollte unsere Meinung<br />
hören, wie ein Wochenende bestmöglich funktioniert, gleiches wollten<br />
sie von den Ingenieuren, den Mechanikern und allen anderen Beteiligten<br />
wissen. Es geht absolut in die richtige Richtung. Ich denke, dass jeder dieser<br />
Ansicht ist. Natürlich kommt der <strong>Erfolg</strong> nicht über Nacht zurück. Wichtig<br />
ist, dass wir in speziellen Bereichen, die Leute holen, die wir brauchen und<br />
gleichzeitig die Qualität der bereits vorhandenen Leute nutzen. Sie kennen<br />
die aktuelle Struktur und stellen sicher, dass wir am Wochenende unser Bestes<br />
geben können.<br />
Wenn du dieses Jahr zu einem Rennen reist, siehst du das dann als Rennen<br />
oder eher als Test an?<br />
Ich sehe es als Rennen an. Natürlich muss man jedes Mal schauen, wo man<br />
steht. Aber bei Rennen wie dem Norisring war die Hoffnung groß, ein tolles<br />
Rennen zeigen zu können. Wir geben immer unser Bestes und versuchen, in<br />
die Punkte zu fahren. Das hat man auch am Nürburgring gesehen. Unsere<br />
Performance war dort sehr gut. Die Chance auf das Podium war definitiv<br />
vorhanden. Wenn wir weiter vorne gestanden hätten, dann hätten wir durchaus<br />
auch um den Sieg mitkämpfen können. Wir müssen einfach als Team<br />
wachsen.<br />
Das Rennen auf dem Norisring war wohl die größte Enttäuschung für dich<br />
in dieser Saison...<br />
Für mich persönlich, ja. Ich bin von Platz zwei gestartet und am Ende als 15.<br />
ins Ziel gekommen. Aber <strong>Motorsport</strong> kann manchmal brutal sein und das<br />
Rennen auf dem Norsiring war definitiv einer dieser Momente.<br />
War es für dich schwer, dich für die Rennen zu motivieren?<br />
Nein, mit Sicherheit nicht. Natürlich bin ich in die DTM zurückgekehrt, um<br />
Rennen und Meisterschaften zu gewinnen. Das ist weiterhin mein Ziel. Doch<br />
die DTM hat sich in meiner Abwesenheit weiterentwickelt - genauso wie ich.<br />
Ich denke, dass ich als Fahrer gereift bin. Ich habe jetzt mehr Erfahrungen,<br />
verfüge über mehr fahrerische Qualitäten. Mercedes weiß das und ich bin<br />
überzeugt, dass wir gemeinsam unser Ziel erreichen werden.<br />
Seit Zandvoort setzt Mercedes das neue Auto ein. Wie aufregend ist das?<br />
Wir hatten in Zandvoort ja nur ein neues Fahrzeug am Start. Wir dürfen die<br />
Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Man kann nicht erwarten, dass das<br />
Auto von Beginn an konkurrenzfähig ist und reibungslos funktioniert. Im<br />
Hinblick auf das nächste Jahr ist es allerdings wichtig, dass wir sicherstellen,<br />
dass wir ausreichend Daten haben, um im Winter das Maximum herausholen<br />
zu können.<br />
Du würdest also sagen, dass wir erst in Hockenheim 2015 das volle Potenzial<br />
des Autos sehen werden?<br />
So wird es vermutlich sein. Aber das Auto kann auch von Beginn an schnell<br />
sein. Im Moment ist es schwer zu sagen.<br />
Das heißt, es wird einfach weiter gearbeitet?<br />
Ja, wir arbeiten mit der gleichen Philosophie weiter. Wir tun, was wir können.<br />
Wenn das reicht, dann ist es super. Wenn es nicht reicht, dann arbeiten wir<br />
einfach noch härter. Ich bin überzeugt, dass wir über den Winter - mit den<br />
bestehenden Leuten und den neuen Leuten, die <strong>zum</strong> Team stoßen werden<br />
- einen super Job machen und 2015 wieder konkurrenzfähig sein werden.<br />
108 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Wenn du die DTM 2010 mit der DTM des Jahres 2014 vergleichst, was sind die<br />
größten Unterschiede?<br />
Es gibt einen weiteren Hersteller [lacht]. Es ist auf jeden Fall härter geworden.<br />
In den Rennen gibt es mehr Kontakte als früher. Wichtiger ist für mich, was sich<br />
nicht geändert hat. Die DTM ist für mich immer noch ein toller Ort <strong>zum</strong> Rennfahren,<br />
ich bin zurück bei Mercedes, wo ich respektiert werde und mit Leuten<br />
zusammenarbeite, die ich gut kenne und mit denen ich bereits <strong>Erfolg</strong>e gefeiert<br />
habe. Jetzt müssen wir nur noch zu unserer alten Performance-Stärke auf der<br />
Strecke zurückfinden. Dafür arbeite ich genauso hart wie jede andere Person im<br />
Team. Ich habe vollstes Vertrauen in mein Team. Ich freue mich schon auf den<br />
Moment, wenn wir auf dem Podest stehen und den Siegerchampagner trinken<br />
- das wird ein sehr zufriedenstellender Moment für uns sein.<br />
Das heißt, dass wir dich nächstes Jahr wieder in der DTM sehen werden.<br />
Ja.<br />
Trotzdem sieht es nicht so aus, als wäre das Thema Formel 1 endgültig abgeschrieben.<br />
Wie siehst du das?<br />
Das stimmt. Die Formel 1 war immer mein großes Ziel. Natürlich ist es eine hart<br />
umkämpfte Rennserie. Wenn man es bereits einmal in die Formel 1 geschafft<br />
hat, dann will man es wieder schaffen. Es hat sich nichts geändert. Ich bin zu 100<br />
Prozent auf meinen Job in der DTM fokussiert und gebe mein Bestes für<br />
Mercedes-Benz sowie umgekehrt.<br />
Verfolgst du das Geschehen in der Formel 1?<br />
Ja, definitiv. Ich versuche, mit den Leuten in Kontakt zu bleiben - soweit es<br />
mir in der DTM möglich ist. Die DTM ist mein Antrieb. Diese Rennserie ist<br />
die klare Nummer 1 in meinem Leben - und Priorität hat, dort wieder erfolgreich<br />
zu sein.<br />
Di Resta verließ die DTM<br />
Ende 2010 als<br />
amtierender Champion<br />
Paul Di Resta und Daniel<br />
Juncadella arbeiten an<br />
weiteren Fortschritten<br />
5<br />
FACTS ZU PAUL DI RESTA<br />
Berühmte Verwandtschaft: Di Resta ist<br />
Cousin des früheren DTM-Fahrers Dario<br />
Franchitti, der ebenfalls für Mercedes<br />
startete. In diesem Jahr löste Pascal<br />
Wehrlein Franchitti als jüngsten DTM-Sieger<br />
der Geschichte ab.<br />
Besser als Vettel: Di Resta gewann in der<br />
Saison 2006 mit fünf Siegen den Titel in der<br />
Formel 3 Euroserie. Sein Kontrahent im<br />
Meisterschaftskampf: Ein gewisser<br />
Sebastian Vettel.<br />
Langjährige Partner: Di Resta und<br />
Mercedes blicken auf eine langjährige<br />
Zusammenarbeit zurück. Bereits im Jahr<br />
2000 siegte der Schotte in der McLaren<br />
Mercedes Champions of the Future<br />
Kartserie.<br />
Furioser Einstieg: Di Resta stand bereits in<br />
seinem zweiten DTM-Rennen auf dem<br />
Podium. 2007 wurde er in Oschersleben<br />
Zweiter - mit einem zwei Jahre alten Auto.<br />
Er führte als erster Fahrer eines »Jahreswagens«<br />
die Gesamtwertung an.<br />
F1-Ausflug: Nach seinem Titelgewinn in<br />
der DTM 2010 wechselte Di Resta zu Force<br />
India. Dort fuhr er zwischen 2011 und 2013<br />
in 58 F1-Rennen 121 WM-Punkte ein.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 109
AMG MERCEDES C-KLASSE<br />
DUO DER SPITZEN-KLASSE<br />
AUF EINER MERCEDES C-KLASSE SICHERTE SICH PAUL DI RESTA IN DER SAISON 2010 DEN TITEL<br />
IN DER DTM. AUF EINEM ZWEI JAHRE ALTEN MODELL MACHTE ER IM JAHR 2007 BEREITS ALS<br />
ROOKIE VON SICH REDEN.<br />
TEXT: SAMY ABDEL AAL<br />
D<br />
ie Mercedes C-Klasse machte ihrem Beinamen<br />
wahrlich alle Ehre: In elf Einsatz-<br />
Jahren in der DTM und ITC gewann das<br />
erfolgreichste Auto der Tourenwagenserie unglaubliche<br />
85 von 159 Rennen. Größen des Sports wie<br />
Klaus Ludwig (1994), Bernd Schneider (1995 DTM<br />
+ITC, 2006), Gary Paffett (2005) und Paul di Resta<br />
(2010) krönten sich im Tourenwagen-Primus der<br />
Sternenmarke <strong>zum</strong> Champion.<br />
Nach ihrem Debüt 1994 kam die Mercedes C-Klasse<br />
bis 1996 (DTM/ITC) sowie zwischen 2004 und<br />
2011 in drei gebauten Generationen <strong>zum</strong> Einsatz.<br />
Bereits am zweiten Rennwochenende der Premierensaison<br />
jubelte Mercedes über den ersten Sieg der<br />
neuen ‚Wunderwaffe‘. Letztlich obsiegte die Sternenmarke<br />
direkt im Einstandsjahr in der Fahrerund<br />
Markenwertung - und feuerte so den Startschuss<br />
in das erfolgreichste Kapitel des deutschen<br />
Tourenwagensports ab.<br />
Paul di Resta, der 2011 im Jahr nach seinem Titelgewinn<br />
in die Königsklasse Formel 1 aufstieg, stellte<br />
bereits als DTM-Rookie im Jahr 2007 die unglaubliche<br />
Dominanz der Mercedes C-Klasse unter<br />
Beweis. In seinem erst zweiten Rennen durfte er als<br />
Zweiter in Oschersleben bereits mit Schampus vom<br />
Podest spritzen - und das, obwohl er in einem zwei<br />
Jahre alten Modell aus dem Jahr 2005 an den Start<br />
ging.<br />
Trotz einer der wohl auffälligsten Lackierungen in<br />
der Geschichte der Serie machte der junge Schotte<br />
vor allem sportlich von sich reden. Auf dem Euro-<br />
Speedway Lausitz wiederholte er das Kunststück<br />
aus Oschersleben und sicherte sich erneut den ‚Sil-<br />
110 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
TABELLE LEISTUNGSDATEN<br />
AMG MERCEDES C-KLASSE<br />
Rennen gesamt: 159<br />
Siege gesamt: 85 (Quote 53%)<br />
Letzter Auftritt: DTM-Saisonfinale 2011,<br />
Hockenheimring<br />
Titel DTM/ITC:<br />
Bernd Schneider (x6),<br />
Klaus Ludwig (x2),<br />
Garry Paffett, Paul di Resta<br />
Anteil an<br />
Mercedes-Siegen<br />
DTM/ITC gesamt: 85/170 (50%)<br />
FOTOS: ADRIVO/SUTTON<br />
berrang‘. Zwei weitere Podestplätze mit Rang drei<br />
in Mugello und Barcelona sowie insgesamt sieben<br />
Punkteankünften in zehn Saisonläufen brachten<br />
den Neuling auf den beeindruckenden fünften<br />
Rang im Endklassement. Die ‚Liebesgeschichte‘<br />
zwischen di Resta und der C-Klasse hatte jedoch<br />
schon früher begonnen.<br />
»Ich fuhr die C-Klasse <strong>zum</strong> ersten Mal beim<br />
McLaren BRDC Autosport Young Driver Award<br />
2004 und erinnere mich noch heute lebhaft daran:<br />
das Auto fühlte sich wie ein Formelrennwagen an,<br />
bot aber mehr Leistung, machte viel Spaß und hatte<br />
ein Dach über dem Kopf«, erinnert sich Di Resta.<br />
In der DTM gingen beide vier Jahre lang gemeinsame<br />
Wege. »Ich habe vier Jahre lang in der DTM<br />
auf der C-Klasse bestritten und gewann damit den<br />
Meistertitel, worauf ich wahnsinnig stolz bin. Das<br />
war wirklich eine unvergessliche Zeit in meiner<br />
Karriere.«<br />
Für seine Zeit bei Force India in der Formel 1 nahm<br />
di Resta vieles an Erfahrung aus der Zeit im Tourenwagen-Sport<br />
mit. »Bei der Arbeit mit der<br />
C-Klasse lernte ich viel über die Fahrzeugabstimmung<br />
und die Zusammenarbeit mit den Technikern,<br />
um das Optimum aus dem Auto herauszuholen.<br />
Die DTM ist so hart umkämpft, dass man<br />
stets das letzte Quäntchen Performance herausquetschen<br />
muss. Es war eine perfekte Vorbereitung für<br />
die Formel 1.«<br />
Im Oberhaus des <strong>Motorsport</strong>s gelang es di Resta<br />
zwar nicht, an seiner <strong>Erfolg</strong>sgeschichte weiterzuspinnen<br />
- ohne seine ‚bessere Hälfte‘ scheint dies<br />
im Nachhinein nur allzu verständlich...<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 111
Mikkel Jensen hat sich in seiner<br />
zweiten Saison im ADAC Formel<br />
Masters an die Spitze gesetzt<br />
TALENT - MIKKEL JENSEN<br />
SPÄTZÜNDER IM HÖHENFLUG<br />
TEXT: MARION ROTT<br />
MIKKEL JENSEN STARTET IN DIESER SAISON IM ADAC FORMEL MASTERS. DER 19-JÄHRIGE WURDE ERST<br />
SPÄT VON MOTORSPORT-VIRUS INFIZIERT, DOCH SEITHER NIE WIEDER LOSGELASSEN. NUN SOLL SEIN<br />
TITELGEWINN IHM DEN WEG IN DEN PROFESSIONELLEN MOTORSPORT EBNEN.<br />
DIE ANFÄNGE:<br />
Ich habe mit 15 Jahren mit dem Kartfahren begonnen<br />
- also erst vor vier Jahren. Das ist auch der Grund,<br />
warum ich älter als meine Kollegen im ADAC Formel<br />
Masters bin. Als ich ein Kind war, versuchte mein<br />
Vater, mich in ein Kart zu setzen. Mein Interesse galt<br />
zu dieser Zeit aber dem Fußball. Ich habe zwar schier<br />
jegliches Rennspiel auf der Konsole gespielt und mich<br />
immer für Autos interessiert, aber erst mit 15 Jahren<br />
wurde mir bewusst, dass ich unbedingt Rennfahrer<br />
werden wollte. Seither kann ich nicht mehr verstehen,<br />
wieso mich das als Kind nicht interessiert hat.<br />
DIE ERFOLGE:<br />
Ich fuhr nur in der dänischen Kartmeisterschaft und<br />
da hielten sich die <strong>Erfolg</strong>e in Grenzen. Wir hatten leider<br />
nicht genug Budget, um sehr viele Läufe zu bestreiten.<br />
Erst voriges Jahr bekam ich einen Test bei Lotus im<br />
ADAC Formel Masters. Sie wollten mich als Fahrer in<br />
ihrem Team und wir haben alle Hebel in Bewegung<br />
gesetzt, um die Finanzierung zu stemmen. Bereits<br />
nach dieser Saison sah es aber wieder schwierig aus<br />
und ich dachte, meine Karriere sei schon wieder vorbei.<br />
Glücklicherweise erhielt ich dann ein Angebot<br />
von Hannes Neuhauser und die Budgetjagd begann<br />
erneut. Jetzt ist der <strong>Erfolg</strong> da und nun sieht es auch<br />
gut für die Zukunft aus. Deshalb bedeutet das Jahr<br />
2014 für mich extrem viel und ist auf jeden Fall mein<br />
bisher größter <strong>Erfolg</strong> im <strong>Motorsport</strong>.<br />
DAS ZIEL:<br />
Langfristig gesehen wollen alle Fahrer irgendwann<br />
in die Formel 1. Es gilt aber, realistisch zu bleiben und<br />
die Chancen zu ergreifen, die sich bieten. Mein Hauptziel<br />
ist, eines Tages vom Rennfahren leben zu können.<br />
Ich möchte so lange wie möglich im Formel-Sport<br />
bleiben, aber wenn ich irgendwann dort keine Perspektiven<br />
mehr sehe, werde ich mich in Richtung<br />
GT-Sport orientieren. Für kommendes Jahr hoffe ich<br />
auf einen Platz in der Formel 3 Europameisterschaft.<br />
Es hängt alles vom richtigen Team, dem besten Deal<br />
und auch der Finanzierung ab - fixiert ist momentan<br />
noch nichts.<br />
DIE AUSBILDUNG:<br />
Ich studiere auf einer Businessschule in Dänemark.<br />
Das ist am ehesten mit einer Highschool zu vergleichen,<br />
aber in meiner Heimat gibt es die Möglichkeit,<br />
sich für unterschiedliche Zweige zu entscheiden. Ich<br />
besuche nun Kurse im Bereich Wirtschaft. Das ist<br />
mein Plan in der Hinterhand, sollte es eines Tages im<br />
<strong>Motorsport</strong> nicht mehr weitergehen. Glücklicherweise<br />
gibt es auf meiner Schule eine besondere Regelung:<br />
Schüler, die Sport auf hohem Niveau betreiben, dürfen<br />
die Regelstudienzeit von drei Jahren um zwölf Monate<br />
ausdehnen. Damit lerne ich die gleichen Inhalte in<br />
vier Jahren und kann mich gleichzeitig voll auf den<br />
Rennsport konzentrieren.<br />
DIE HOBBIES:<br />
Als Kind war Fußball beinahe alles für mich.<br />
Jetzt zählt nur noch der Rennsport. Ich liebe<br />
<strong>Motorsport</strong> wirklich sehr und verbringe alle<br />
Wochenenden, an denen ich nicht selbst im Auto<br />
sitze, vor dem Fernseher - ich verfolge beinahe<br />
jede Rennserie. Ansonsten gehe ich jeden Tag<br />
ins Fitnessstudio. Es macht mir großen Spaß,<br />
dient aber vorrangig der Rennvorbereitung und<br />
nicht der Freizeitgestaltung.<br />
112 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
ATTRAKTIV<br />
Die Moto3 ist zurück. Ab 2015 geht sie unterteilt in Moto3 GP und<br />
Moto3 Standard im Rahmen der SUPERBIKE*IDM an den Start. Das<br />
Interesse ist riesig: Bisher gibt es Einschreibungen aus Deutschland,<br />
Dänemark und Schweden. Fast 20 weitere Interessenten aus<br />
Deutschland, Dänemark, Tschechien und den Niederlanden haben<br />
sich gemeldet. Darunter sind prominente Teams wie das Aki Ajo<br />
Junior Team, das Team Holzhauer und das Team Freudenberg.<br />
ZUKUNFTSWEISEND<br />
DIE ADAC FORMEL 4<br />
Die ADAC MX Academy<br />
legte 2013 einen<br />
fulminanten Start hin<br />
FOTOS: ADAC MOTORSPORT<br />
Die neue ADAC Formel<br />
4 kommt 2015<br />
Die Moto3 kehrt<br />
2015 zurück<br />
Die neue ADAC Formel 4 hat einen Chassispartner.<br />
Ab der Saison 2015 stattet der italienische Hersteller<br />
Tatuus die neue Nachwuchsklasse aus. Tatuus<br />
beliefert bereits seit Saisonbeginn 2014 die Italienische<br />
F.4 Meisterschaft mit Autos. Bei Demonstrationsfahrten<br />
auf dem Slovakia Ring hatten die anwesenden<br />
Teamchefs des ADAC Formel Masters die<br />
Gelegenheit, sich einen ersten Eindruck eines<br />
Rennwagens mit Tatuus-Chassis zu verschaffen.<br />
Geschwindigkeitsrausch<br />
in Spielberg<br />
PFEIL-<br />
SCHNELL<br />
Daniel Keilwitz und Oliver Gavin siegten auf dem Red Bull Ring im ersten<br />
Lauf beim Rennen mit der bisher höchsten Durchschnittsgeschwindigkeit<br />
im ADAC GT Masters. Die Corvette-Piloten gewannen das schnellste<br />
Rennen in der Geschichte der Serie mit einem Schnitt von 165,9 km/h.<br />
Keilwitz unterbot dabei seinen eigenen Rekord aus dem Vorjahr. Die<br />
Corvette absolvierte die Renndistanz von 39 Runden in diesem Jahr 27<br />
Sekunden schneller als 2013.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 113
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