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Megatrend: Urbanisierung - Gymnasium Horkesgath

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<strong>Megatrend</strong>:<br />

<strong>Urbanisierung</strong>


Definition <strong>Urbanisierung</strong><br />

Unter <strong>Urbanisierung</strong> (lat. urbs: Stadt) versteht man die Ausbreitung städtischer Lebensformen in ländlichen<br />

Gebieten. Dieser Prozess ist seit Jahrhunderten zu beobachten, hat aber in den letzten Jahrzehnten<br />

in den Schwellen- und Entwicklungsländern bisher ungekannte Ausmaße angenommen. In<br />

den Industrieländern wurde die <strong>Urbanisierung</strong> weitgehend von der Suburbanisierung (Stadtflucht)<br />

abgelöst. Darunter versteht man, die Abwanderung städtischer Bevölkerung aus der Kernstadt in das<br />

städtische Umland und ggf. auch darüber hinaus. Darunter versteht man die Ausbreitung der Städte in<br />

benachbarte, bisher ländliche Räume hinein.<br />

Um 1800 lebten nur etwa 25% der deutschen Bevölkerung in Städten und rund 75% auf dem Land,<br />

doch dort waren die Lebensbedingungen nicht immer einfach. Es wurde auf Grund eines enormen<br />

Bevölkerungsanstiegs, der durch sinkende Sterberaten ausgelöst wurde, zunehmend schwerer, sich<br />

zu ernähren. Es gab einfach nicht genügend Land für alle. Diese Verarmung („Pauperismus”) führte<br />

unter anderem dazu, dass die Menschen – in der Hoffnung auf bessere Lebensverhältnisse – zu Beginn<br />

der Industrialisierung (19. Jahrhundert) vom ländlich geprägten Raum in die umliegenden Kleinstädte<br />

zogen, die sich dadurch sehr schnell vergrößerten. Während es im Jahre 1800 nur rund 80.000<br />

Manufakturarbeiter (der in diesem Zusammenhang oft verwendete Begriff „Fabrikarbeiter” ist schlichtweg<br />

falsch, da zu dieser Zeit in Deutschland noch keine Fabriken existierten) gab, stieg diese Zahl<br />

von 1800 bis 1910 auf das 100-fache (8 Millionen). Das Bevölkerungswachstum der Städte des späteren<br />

Deutschen Reiches entwickelte sich dabei erst nach 1850 überdurchschnittlich – vorher war schon<br />

seit den 1740er Jahren die Bevölkerungsvermehrung auf dem Lande zu beobachten.<br />

Dieser einer Völkerwanderung ähnliche Prozess brachte viele Folgen mit sich: Unter den Menschen,<br />

die in den großen Städten ihr Glück suchten, waren viele landlose Arbeiter und verarmte Kleinbauern.<br />

Diese beiden Gruppen bildeten zusammen die neue soziale Klasse des Industrieproletariats. Obwohl<br />

sie rechtlich frei waren, verfügten sie nicht über eigene Produktionsmittel (Maschinen, Geräte, etc.).<br />

Sie mussten daher als Lohnarbeiter versuchen, ihre Familie zu ernähren, doch das war angesichts der<br />

niedrigen Löhne schier unmöglich. Diese schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen führten kurz<br />

darauf zur „Sozialen Frage”.<br />

Vom Land in die Stadt: Gründe der <strong>Urbanisierung</strong><br />

Heute geschieht Landflucht vor allem in<br />

Staaten mit expandierenden Industrien, aber<br />

auch in Ländern, deren ländliche Regionen<br />

systematisch unterentwickelt oder von Kriegen<br />

bzw. Bürgerkriegen verwüstet werden.<br />

In diesen Ländern entwickeln sich rapide<br />

wachsende Millionenstädte mit einer häufig<br />

kaum überschaubaren oder gar steuerbaren Bebauung. Beispiele für solche Städte sind Istanbul (Türkei,<br />

mit rund 13 Millionen Einwohnern), Lagos (Nigeria, 12 Millionen) oder Mexiko-Stadt (Mexiko, geschätzte<br />

20-23 Millionen Einwohner). Die Bedingungen in diesen neuen Megastädten sind häufig in<br />

vielen Aspekten katastrophal (Slumbildung), aber für die Landflüchtenden aus den genannten Gründen<br />

immer noch attraktiver als ihre Herkunftsregion. Landflucht ist als Binnenmigration für viele Menschen<br />

der erste Schritt der Emigration. Diese Form des Weiterwanderns wird auch als Etappenmigration<br />

bezeichnet. Der Begriff "Kettenwanderung" meint, dass ein Pionierwanderer später Ehepartner,<br />

Kinder oder Verwandte nachholt. Aber auch in den Industrienationen gibt es heutzutage eine Landflucht.<br />

Einer der Gründe ist die Reduktion des Arbeitskräftebedarfs in der Landwirtschaft. Davon be-


sonders betroffen sind junge Frauen, die in urbane Agglomerationen migrieren, um Arbeitsplätze im<br />

Dienstleistungssektor anzunehmen. In der ruralen Region entsteht dadurch ein demografisches Ungleichgewicht.<br />

Auch die Infrastruktur wird in solchen Regionen auf Grund höherer Kosten und geringerer<br />

Rentabilität nicht so schnell zur Verfügung gestellt, wie im städtischen Bereich. Hier ist die Politik<br />

gefordert, steuernd über Steuererleichterungen und Subventionierung der Infrastruktur einzugreifen,<br />

was aber einer freien Marktwirtschaft oft widerspricht.<br />

Das Gegenteil von der Landflucht ist die Stadtflucht, bei der heutzutage in der Regel gutverdienende<br />

Mittelschichtsfamilien die Städte verlassen, um sich in Vororten oder im Umland anzusiedeln.<br />

Der Zuzug in die Städte und seine Folgen<br />

Durch den Zuzug in die Städte kommt es zum Bau neuer Häuser, Straßen<br />

und Versorgungseinrichtungen. Letztlich dehnen sich die Städte<br />

immer weiter in die freie Natur aus. Seit dem Jahr 2007 wohnt mehr als<br />

die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, während 1950 noch 70% auf<br />

dem Land lebten. Nach Prognosen der UNO wird der weltweite Anteil der<br />

städtischen Bevölkerung bis 2030 auf über 60% steigen und im Jahr<br />

2050 rund 70% erreichen. Gerade die „Megastädte“ mit mehr als zehn<br />

Millionen Einwohnern sollen bis 2025 um 44,7% wachsen. Daneben gibt<br />

es weltweit über 130 Städte mit mehr als drei Millionen Einwohnern.<br />

© Dmitry Nikolaev - Fotolia.com<br />

In Deutschland liegt der Verstädterungsgrad weit über dem weltweiten Durchschnitt. Die zehn Agglomerationsräume<br />

mit jeweils mehr als einer Million Einwohnern zählen allein rund 24 Millionen Menschen.<br />

Der weltweit nicht einheitlich verwendete Begriff der Agglomeration entspricht der Stadt im<br />

geographischen Sinn, ohne die Beachtung der Verwaltungsgrenzen. Die nach Verwaltungsgrenzen<br />

gerechneten 80 Städte über 100.000 Einwohner in Deutschland im Jahr 2010 besitzen 25,5 Millionen<br />

Einwohner, das sind bereits über 30% der Gesamtbevölkerung von 82 Millionen. Die elf Metropolregionen<br />

Deutschlands mit 46,4 Millionen Einwohnern sind räumlich wesentlich weiter gefasst und beinhalten<br />

auch große ländliche Gebiete.<br />

Die Folgen der Verstädterung in Entwicklungsländern, verbunden mit einem weiterhin anhaltenden<br />

starken Bevölkerungswachstum, sind in ihren ökologischen, ökonomischen und sozialen Tragweiten<br />

noch nicht vollständig absehbar. Neben den offensichtlichen Problemen bei der Entstehung von Megastädten<br />

richtet sich der Blick der Fachdiskussion in den letzten Jahren verstärkt auch auf die Chancen<br />

dieser Entwicklung.<br />

Eine weitere Folge der <strong>Urbanisierung</strong> ist ein starker Einbruch der Geburtenraten. Vor allem in den<br />

Entwicklungsländern ist die Geburtenrate in den Städten im Vergleich zu der auf dem Land sehr niedrig,<br />

während in den Industriestaaten fast kein Unterschied mehr besteht. Nach verschiedenen 'Demographic<br />

and Health Surveys' liegt die Fertilitätsrate (Fruchtbarkeitsrate) in Addis Abeba und den Vietnamesischen<br />

Städten bei 1,4, was der Rate Deutschlands entspricht. In der iranischen Hauptstadt<br />

Teheran bekommen die Frauen durchschnittlich 1,32 Kinder.<br />

Arten der <strong>Urbanisierung</strong><br />

Es wird zwischen verschiedenen Arten der <strong>Urbanisierung</strong> unterschieden:<br />

1. physiognomische Verstädterung: Darunter ist die Ausbreitung städtischer Wohnformen und<br />

der Flächennutzung zu verstehen.


2. funktionale Verstädterung: Es kommt zu einer Verflechtung zwischen Stadt und Land ("Stadt-<br />

Land-Kontinuum"). Dabei breitet sich die städtische Produktion aus und es entwickeln sich<br />

neue Kommunikations- und Informationsnetze.<br />

3. soziale Verstädterung: Das Umland nimmt Normen und Wertvorstellungen der städtischen<br />

Bevölkerung an. Auch das Konsumniveau und die Haushaltsführung gleichen sich an. Gesamtgesellschaftlich<br />

stellt sich Urbanität ein.<br />

4. demografische Verstädterung: Diese kennzeichnet den (steigenden) Anteil der in Städten lebenden<br />

Bevölkerung eines Gebietes, Landes oder Staates. Die Verstädterung kann sowohl<br />

als demografischer Zustand (Verstädterungsgrad oder -quote = Anteil der Stadtbevölkerung<br />

an der Gesamtbevölkerung eines Gebietes, Landes oder Staates), als auch als demografischer<br />

Prozess (Verstädterungsrate = Zuwachs der städtischen Bevölkerung bzw. des Verstädterungsgrades)<br />

verstanden werden.<br />

5. Verdichtung des Städtesystems: Die Zahl der Städte nimmt zu, dies kann durch Neugründungen<br />

oder Verleihung des Stadttitels geschehen. Typische Gründungsphasen sind Hochmittelalter,<br />

Barock (Residenz-/Festungsstädte) und das Industriezeitalter (z. B. Wolfsburg, Eisenhüttenstadt).<br />

Es gibt jedoch auch in jüngerer Vergangenheit Beispiele für die Planung neuer Städte.<br />

Z.B. wurde zwischen 1922 und 1960 die Hauptstadt Brasiliens, Brasília, als Planstadt erbaut.<br />

Unterschiede der Verstädterung in Industrie- und Entwicklungsländern<br />

Mit dem Prozess der Verstädterung war in den Industrieländern die Umgestaltung von einer traditionellen<br />

ländlichen Gesellschaft in eine stark arbeitsteilig-urbane Gesellschaft verbunden. Hier ging der<br />

Industrialisierung und Verstädterung entweder eine tief greifende Agrarreform voraus, oder beide Prozesse<br />

erfolgten gleichzeitig.<br />

Die Verstädterung in den heutigen Entwicklungsländern<br />

setzte in den 1920er-Jahren in Lateinamerika ein und hat<br />

seit dem Zweiten Weltkrieg auf alle Länder übergegriffen.<br />

Jedoch weist sie gegenüber dem Verstädterungsprozess<br />

der Industrieländer grundlegende Unterschiede auf:<br />

© chris74 - Fotolia.com<br />

• In den Industrieländern wuchsen die Städte im<br />

19. Jahrhundert hauptsächlich durch Zuwanderung<br />

in Folge der Industrialisierung, weniger<br />

durch natürliches Bevölkerungswachstum. Sie<br />

wurden stets begleitet von bereits ausgebauten und nunmehr sich anpassenden Verwaltungsund<br />

Rechtsstrukturen.<br />

• Die städtische Bevölkerung in den Entwicklungsländern wächst wesentlich stärker als in den<br />

meisten europäischen Industrieländern und ohne die kommunalpolitischen Traditionen der<br />

„okzidentalen Stadt“ (nach Max Weber). Mit Ausnahme weniger „Newly Industrializing Countries<br />

(NIC)“( = Schwellenländer) fehlen in den Entwicklungsländern aufeinander abgestimmte,<br />

miteinander verknüpfte Formen des sozialen Wandels. Auf den Megastädten der Entwicklungsländer<br />

lastet außerdem ein doppelter Druck: Die starke Zuwanderung (40-50% des jährlichen<br />

Wachstums) wird von einem noch höheren, wenn auch sich abschwächenden natürlichen<br />

Bevölkerungswachstum begleitet.

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