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Akademisierung Modelle - Berufskolleg Bleibergquelle

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<strong>Akademisierung</strong> für Erzieher/innen – <strong>Modelle</strong> für die Zukunft<br />

Erzieher 1 sind staatlich anerkannte sozialpädagogische Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe.<br />

Neben den Lehrern bilden sie die größte Berufsgruppe mit einem Bildungs-, Erziehungs- und<br />

Betreuungsauftrag.<br />

Die Erzieherausbildung an Fachschulen für Sozialpädagogik fördert seit Jahren die<br />

Professionalität und die Handlungskompetenz der Absolventen in der sozialen Arbeit. Begleitete<br />

Praktika über die gesamte Ausbildung hinweg in denen pädagogische Tätigkeiten methodisch<br />

didaktisch geplant, durchgeführt und reflektiert werden, ermöglichen die Bildung von Personal-,<br />

Lern-, Sozial-, Methoden- und Fachkompetenz. In Verbindung mit der Theorie wird ein<br />

differenzierter Theorie-Praxis-Bezug hergestellt. Im Rahmen der Fachschulausbildung erwerben<br />

die Studierenden eine Vielzahl von Kompetenzen, die für viele berufliche Handlungsfelder<br />

bedeutsam sind.<br />

In der Rahmenvereinbarung der KMK vom 7.11.2002 zur Ausbildung von Erzieherinnen an<br />

Fachschulen für Sozialpädagogik wird folgende Zielvorstellung definiert: „Ziel der Ausbildung<br />

ist die Befähigung, Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsaufgaben zu übernehmen und in allen<br />

sozialpädagogischen Bereichen als Erzieher oder Erzieherin selbstständig und<br />

eigenverantwortlich tätig zu sein.“ 2 Die Fachschule für Sozialpädagogik bietet eine<br />

Breitbandausbildung mit einer hohen Interdependenz zwischen personalen und beruflichen<br />

Kompetenzen. Mit der staatlichen Anerkennung als Erzieher wird eine starke horizontale<br />

Mobilität erreicht. Erzieher arbeiten nicht nur in Kindertageseinrichtungen. Sie arbeiten auch in<br />

der Gangstagsbetreuung an Schulen, der offenen Kinder- und Jugendarbeit, in Diensten und<br />

Einrichtungen der Ambulanten und stationären erzieherischen Jugendhilfe, in Feldern der<br />

Jugendsozialarbeit, der Jugendkulturarbeit, der Freizeitpädagogik, Erlebnispädagogik u.v.m. für<br />

Kinder, Jugendliche aber auch Erwachsene und alte Menschen. 3<br />

Im Blick auf die vertikale Mobilität ist das Thema Durchlässigkeit von großer Bedeutung.<br />

Da es für den Aufgabenbereich der Erzieherin bisher kein Hochschulstudium gab, bedeutete eine<br />

Höher-Qualifizierung durch Studium i.d.R. ein Ausscheiden aus dem Gruppendienst, also der<br />

direkten Arbeit mit den Kindern. Dies war und ist noch ein zentrales Dilemma dieses<br />

Arbeitsfeldes.<br />

Der Übergang zu einem Hochschulstudium beinhaltet verschiedene Hürden:<br />

• Grob lässt sich sagen, dass häufig eine schulische Ausbildung mit mehrjähriger<br />

einschlägiger Berufstätigkeit als Voraussetzung zur Hochschulzulassung ausreicht.<br />

• Einige Länder fordern zusätzlich eine Eignungs- oder Zugangsprüfung oder ein<br />

Probestudium.<br />

• Es werden fach- oder studiengangsbezogene Studienberechtigungen vergeben.<br />

• Die Zulassung erfolgt in der Regel in das erste Fachsemester.<br />

• Wer sich durch Studium weiter qualifiziert, scheidet aus der Kindergruppenarbeit aus. In<br />

der direkten Arbeit mit Kindern gibt es also einen regelrechten Brain-drain.<br />

1 Die Formulierungen Erzieher oder Lehrer beinhalten immer weibliche und männliche Personen.<br />

2 Kultusministerkonferenz (KMK): Rahmenvereinbarung über Fachschulen vom 7.11.2002<br />

3 ebenda


• Der Einstieg in ein Studium ist meist nur nach staatlicher Anerkennung und mehrjähriger<br />

Berufstätigkeit möglich und bedeutet ohne Anrechnung von Ausbildungs- oder<br />

beruflichen Leistungen ein Studium von Grund auf und zum Teil mit einer Doppelung<br />

von Ausbildungsinhalten.<br />

Veränderungen oder Vereinheitlichungen des derzeitigen Übergangs zu einem Studium sind<br />

angesichts der Kulturhoheit der Länder aus meiner Sicht wenig erfolgreich.<br />

Deshalb sind Bemühungen auf Durchlässigkeit im Rahmen einer zukünftigen Ausbildung für<br />

Erzieher 4 von großer Bedeutung.<br />

Erzieher, die mit einem anschließenden Studium einen BA erworben haben eröffnen sich die<br />

Möglichkeiten zu<br />

• konsekutiven, wissenschaftsorientierten Masterstudiengängen und Promotion<br />

• spezialisierenden Masterstudiengängen<br />

• zum Transfer spezifizierter Credits in andere BA-Studiengänge auch an Universitäten<br />

(z.B. Lehramt, Psychologie, Sozialwissenschaften)<br />

• zur Anerkennung der Ausbildung im Ausland<br />

Wir befinden uns z.Z. bereits in einer Übergangsphase, in der einige Hochschulen<br />

• staatlich anerkannten Erzieherinnen einen Hochschulabschluss zur weiteren Qualifikation<br />

ermöglichen 5 und<br />

• eine grundständige Ausbildung zur Erzieherin (BA Erziehen und Bilden in der Kindheit)<br />

anbieten. 6<br />

Für die Zeit, in der Fachschul- und Hochschulausbildung für Erzieher zur Wahl stehen, können<br />

folgende Positionen diskutiert werden:<br />

• Der Zugang zur Ausbildung an den Fachschulen ist nur mit Hochschulzugangsberechtigung<br />

möglich.<br />

• Die mehr als hundertjährige Erfahrung in der praxisorientierten Ausbildung von<br />

Erzieherinnen, wie sie von den Fachschulen gepflegt und ständig weiter entwickelt wird,<br />

darf nicht durch eine verkopfte Hochschulausbildung abgelöst werden.<br />

Es ist darauf zu achten, dass die traditionellen Stärken der Erzieherinnenausbildung,<br />

enger Praxisbezug, betreute Praktika, Vermittlung methodischer Kompetenzen, musischkreative<br />

Arbeit und Medienkompetenz als Ausbildungsinhalte erhalten bleiben. Sie sind<br />

zu vertiefen und zu erweitern um theoretisches Wissen und Grundlagen<br />

wissenschaftlichen Arbeitens als Basis für erweiterte Reflexions- und<br />

Handlungskompetenz.<br />

• In enger Kooperation von Fachschulen und Hochschulen sollten Fachschulcurricula in<br />

Form akkreditierter Module formuliert und durch Credits honoriert werden. Mit<br />

Hochschulstudiengängen kompatible Module können dann als Bestandteile des<br />

Creditsystems für BA-Studiengänge anerkannt werden.<br />

4 ggf. wäre auch eine neue Berufsbezeichnung als Fachkraft für Erziehen und Bilden in der Kindheit sinnvoll<br />

5 Ev. FH Hannover; FH Emden-Oldenburg; Universität Bremen; FH Neubrandenburg ab WS 05/06; HAW Hildesheim ab WS 05/06; FH<br />

Koblenz, Fernstudiengang<br />

6 Alice-Salomon-FH Berlin; EvFH Freiburg ab WS 05/06; FH Neubrandenburg ab WS 05/06; HAW Hildesheim ab WS 06/07<br />

weitere Infos: http://www.rheinahrcampus.de/Bundesarbeitsgemein-schaft.2041.0.html (31.7.08)


• Eine Anerkennung definierter Bestandteile der Fachschulausbildung und Zuweisung<br />

bestimmter Credits wäre zu verhandeln, z.B. global 60 Credits für die gesamte<br />

Erzieherausbildung, Einstieg ins 3. Fachsemester 7 oder die Anerkennung von Praktika,<br />

Weiterbildungen und medienbezogenen Angeboten mit bestimmter Creditanzahl.<br />

• Die Hochschulen machen berufsbegleitende Angebote zu einem BA für staatlich<br />

anerkannte Erzieher unter Anrechnung bestimmter in Ausbildung und Beruf erbrachter<br />

Leistungen als Studienbestandteile.<br />

• Fachschulen können in Kooperation mit europäischen/internationalen Hochschulen<br />

Module entwickeln und in einer gemeinsamen Ausbildung zu einer Doppelqualifikation:<br />

staatlich annerkannte Erzieherin/ staatlich anerkannter Erzieher und einem Bachelor<br />

führen.<br />

Das Beispiel des <strong>Berufskolleg</strong>s <strong>Bleibergquelle</strong>:<br />

Das <strong>Berufskolleg</strong> <strong>Bleibergquelle</strong> ermöglicht seit August 2007 Studierenden in der Fachschule für<br />

Sozialpädagogik eine Doppelqualifikation zu erwerben: staatlich anerkannte Erzieherin/staatlich<br />

anerkannter Erzieher und BA of Arts: social work! Wir haben uns im <strong>Berufskolleg</strong><br />

<strong>Bleibergquelle</strong> entschieden eine Partnerhochschule zu suchen, die uns dabei unterstützt unsere<br />

ausgewiesenen Kompetenzen in der Lernortkooperation auf einem hohen Niveau im<br />

theoretischen Teil der Ausbildung weiter zu entwickeln und zu einem international anerkannten<br />

wissenschaftlichen Abschluss zu führen. Viele Gespräche mit deutschen Hochschulen machten<br />

schnell klar, dass wenig Interesse seitens der Hochschulen an einer Kooperation mit einer<br />

Fachschule besteht. Vielmehr beobachte ich eine Auseinandersetzung zwischen Fachhochschulen<br />

und Universitäten einerseits und dem Vorstoß von circa 50 Hochschulen selbst „Erzieher"<br />

auszubilden. Dabei muss angemerkt werden, dass diese Hochschulen von der „sozialen Arbeit"<br />

Abstand nehmen und den Schwerpunkt auf „Bildung und Erziehung in der Kindheit" legen.<br />

Die von der Bosch Stiftung favorisierte Berufsbezeichnung „Frühpädagoge“ macht die<br />

Eingrenzung auf einen Teilbereich deutlich.<br />

Im <strong>Berufskolleg</strong> <strong>Bleibergquelle</strong> haben wir eine Kooperation mit der Stenden-University in den<br />

Niederlanden, Leeuwarden, gefunden und uns für den BA social work entschieden und halten<br />

dies bildungspolitisch für geboten. Im Rahmen der Ausbildung werden aber auch sehr stark<br />

Inhalte aus der Elementarpädagogik fokussiert. So kann die Ausbildungsstruktur folgendermaßen<br />

dargestellt werden:<br />

Zeitraum Schwerpunktbereiche Zielgruppen Handlungsfelder<br />

erstes<br />

Ausbildungsjahr<br />

1. & 2. Semester<br />

Elementarpädagogik Kinder im Alter von 0<br />

-6 Jahren<br />

Tageseinrichtungen<br />

für Kinder<br />

Zweites<br />

Ausbildungsjahr<br />

3. & 4. Semester<br />

Primar- &<br />

Sekundarbereich<br />

Kinder- und<br />

Jugendarbeit<br />

Hilfen zur Erziehung<br />

Stadtteilarbeit<br />

Kinder und<br />

Jugendliche von 6 -18<br />

Jahren<br />

Arbeit an Schulen<br />

(OGS),<br />

Elternarbeit,<br />

Offene Kinder- und<br />

Jugendeinrichtungen,<br />

(Freizeitpädagogik,<br />

Erlebnispädagogik)<br />

7 siehe Modell FH Emden oder Ev. FH Hannover


Ambulante und<br />

stationäre<br />

Einrichtungen der<br />

Kinder- und<br />

Jugendhilfe,<br />

Familienzentren,<br />

Stadtteilzentren,<br />

Jugendsozialarbeit,<br />

Jugendkulturarbeit,<br />

usw.<br />

Drittes<br />

Ausbildungsjahr<br />

5 & 6. Semester<br />

(optional in<br />

Verbindung mit<br />

einem BA in den<br />

Niederlanden/<br />

Stenden University,<br />

Leeuwarden)<br />

Viertes<br />

Ausbildungsjahr<br />

„Berufspraktikum“<br />

„Anerkennungsjahr“<br />

Einzelfallhilfe<br />

soziale Gruppenarbeit<br />

Wahl eines<br />

Schwerpunktbereiches<br />

Alle Altersgruppen<br />

Alle Altersgruppen<br />

Beratungsstellen,<br />

Arbeit in allen<br />

relevanten<br />

Handlungsfeldern der<br />

Sozialen Arbeit<br />

Arbeit in allen<br />

relevanten<br />

Handlungsfeldern der<br />

Sozialen Arbeit<br />

Ein besonderer Vorteil der Kooperation mit einer niederländischen Hochschule ist die<br />

weitgehende Parallelität zwischen dem „Problemorientierten Lernen“ an niederländischen<br />

Hochschulen und der „Lernfelddidaktik“ an unseren Fachschulen. Theorie wird in beiden<br />

Ansätzen sehr deutlich mit der Praxis verknüpft.<br />

Nach unserem ersten Jahr können wir eine positive Zwischenbilanz ziehen:<br />

• Das theoretische und fachliche Niveau unserer Ausbildung ist offensichtlich gestiegen.<br />

• Die Lerninhalte konnten modularisiert werden.<br />

• Die Evaluation des ersten Ausbildungsjahres mit Lehrern, Dozenten der Stenden<br />

University, unseren Studierenden und der Praxis zeigte viele kleine Verbesserungen und<br />

konkrete Schritte zu einer weiteren Professionalisierung und <strong>Akademisierung</strong> der<br />

Erzieherausbildung auf.<br />

Wir erhalten weiterhin viele positive Rückmeldungen von allen Beteiligten, dass wir uns auf<br />

einem guten Weg befinden.


Zum Autor:<br />

Ludwig Wenzel<br />

Dipl. Soz.Arb./Dipl. Päd.<br />

Projektleiter des BA-Programms im <strong>Berufskolleg</strong> <strong>Bleibergquelle</strong> Velbert<br />

Mitglied der erweiterten Schulleitung im <strong>Berufskolleg</strong> <strong>Bleibergquelle</strong><br />

Fachlehrer für Sozialpädagogische Theorie und Praxis<br />

Mitglied im Bundesverband evangelischer Ausbildungsstätten (BeA)<br />

Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit

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