BAHN EXTRA 1970-1989: Zwei spannende Jahrzehnte Bundesbahn (Vorschau)
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DB-FERNVERKEHR<br />
Wie Intercity, Fern-Express<br />
und InterRegio entstanden<br />
DB-NAHVERKEHR<br />
Nebenbahnsterben und<br />
Rückzug aus der Fläche<br />
6.2014 NOVEMBER / DEZEMBER | € 12,90 A: € 14,60, CH: SFR 25,80, BENELUX: € 14,90<br />
<strong>1970</strong>–<strong>1989</strong><br />
<strong>Zwei</strong> <strong>spannende</strong> <strong>Jahrzehnte</strong> <strong>Bundesbahn</strong><br />
Dampflok-Abschied<br />
Intercity-Ära<br />
Fahrzeug-Vielfalt<br />
Schlussstrich<br />
1977<br />
Die letzten Dampfloks<br />
im Ruhrgebiet<br />
MODERNE FAHRZEUGE Der Weg zum<br />
Hochgeschwindigkeits-Verkehr<br />
BUNTE BUNDES<strong>BAHN</strong> Pop-Farben,<br />
Ozeanblau/Beige und Orientrot<br />
NOSTALGIE IM ALLTAG Altbau-<br />
Elloks und Schmalspurbahnen
Das kleine Magazin<br />
über die große Bahn<br />
Das neue<br />
Heft ist da.<br />
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Fotos: Dr. Dietmar Beckmann (2, gr. Bild o., kl. Bild u. r.), Zeno Pillmann (u. l.), Slg. Dr. Daniel Hörnemann (u. M.)<br />
DB in den <strong>1970</strong>ern und 1980ern: Im Mai <strong>1989</strong> passiert 212 155 mit Eilzug 3751 Koblenz – Fulda das Einfahrsignal von Burg- und Niedergemünden<br />
(gr. Bild). Die moderne Bahn nimmt mit der Drehstromlok 120 Formen an (u.l.), die DB-Werbung versucht sich bisweilen in zeitgemäßer Gestaltung<br />
(u. M., Plakatmotiv von 1972). In den frühen <strong>1970</strong>ern gehört die Dampflok noch zum Alltag; mit Personenzug 7444 Emden – Rheine nimmt<br />
Lok 042 073 auch Expressgut- und Eilgüterwagen mit; in voller Fahrt geht es durch den nicht mehr bedienten Bahnhof Petkum (u.r.)<br />
Zeit der Vielfalt<br />
Die <strong>Bundesbahn</strong> der <strong>1970</strong>er- und 1980er-Jahre macht mit zahlreichen Entwicklungen von<br />
sich reden. Sie führt die Intercity-Züge ein und bereitet den Hochgeschwindigkeitsverkehr vor,<br />
sie verabschiedet die Dampflok („... gewöhnen den Loks das Rauchen ab“) und holt sie doch für<br />
das Eisenbahn-Jubiläum 1985 zurück, sie legt weitere Strecken still und probiert Neues<br />
im Nahverkehr – um nur einiges zu nennen. Es ist eine wechselhafte, manchmal gegensätzliche<br />
Zeit. Eine Zeit, in der es eine Menge zu entdecken gibt. Kommen Sie mit zur Eisenbahn damals!<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 3
Inhalt | BUNDES<strong>BAHN</strong> VON <strong>1970</strong>–<strong>1989</strong><br />
BE als ePaper:<br />
Thomas Hanna-Daoud<br />
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
schon als Kind war Joachim Seyferth von der Eisenbahn über<br />
alle Maßen begeistert. Den Schulweg malte er sich als Gleis aus,<br />
das er mit dem Schulranzen als angehängter Wagenlast „befuhr“.<br />
Mit seinem Kassettenrekorder nahm er nicht die Lieder der<br />
Hit parade auf, sondern Bahnhofsdurchsagen und Lok geräusche.<br />
Da war es nur logisch, dass er beruflich diese Richtung einschlug.<br />
1973 fing Seyferth bei der Deutschen <strong>Bundesbahn</strong> an. Und wie<br />
das Leben so spielt: Manches kommt wie erwartet, anderes nicht.<br />
Was der spätere Eisenbahn-Publizist in seiner Dienstzeit bis 1987<br />
erlebte, hat er für uns aufgeschrieben. Da sind die wehmütigen<br />
Momente, wie der Einsatz der letzten Dampfloks. Die schönen<br />
Erinnerungen, etwa an die gemütliche Arbeit als Fahrdienstleiter<br />
und Aufsichtsbeamter im Abzweig Wiesbaden Waldstraße.<br />
Und die, nun ja, gewöhnungsbedürftigen Seiten wie übermütige<br />
Kollegen oder das „Rationalisierungs-Gespenst“.<br />
Diese Mischung von Gutem und weniger Gutem ist durchaus<br />
typisch für die Zeit von <strong>1970</strong> bis <strong>1989</strong>. Für zwei <strong>Jahrzehnte</strong>,<br />
die der Bahn wie ihren Fans ein Wechselbad boten. Für zwei<br />
<strong>Jahrzehnte</strong>, die aber auch voller Überraschungen waren<br />
und voller Nostalgie. Deshalb möchten wir Sie einladen auf eine<br />
Reise zurück. Seien Sie dabei – Sie werden es nicht bereuen!<br />
Viel Vergnügen beim Blättern, Lesen, Entdecken!<br />
22<br />
Zwischen <strong>1970</strong> und <strong>1989</strong> krempelte die DB<br />
das Zugangebot um; alle Neuen im Überblick<br />
42<br />
Arbeit am Fahrkartenschalter und<br />
als Fahrdienstleiter: Joachim Seyferths<br />
Erinnerungen an seine DB-Zeit<br />
Titelfotos<br />
Titel: Georg Wagner (gr. Bild, Sonderfahrt eines Triebzugs 403<br />
auf der linken Rheinstrecke, 1986), Slg. Ulrich Budde (DB-Emblem),<br />
Josef Mauerer, Udo Kandler (kl. Bilder o., v.l.), , Theodor<br />
Horn (kl. Bild M.), Zeno Pillmann, Axel Priebs, Josef Mauerer<br />
(kl. Bilder u., v.l.; Bild r.: 194 184 bei Endorf, Juli 1987)<br />
S. 4: Uwe Miethe (kl. B. o.), Reinhard Hanstein (u.l.),<br />
Helmut Scheiba (u.r.)<br />
S. 5: Udo Kandler, Georg Wagner, Dr. Dietmar Beckmann (v.o.)<br />
Rücktitel: Johannes Poets (gr. Bild: 144 507 mit N 5523 nach<br />
Berchtesgaden in Freilassing, August 1981), Peter Schricker,<br />
Slg. Oliver Strüber, Thomas Feldmann (u., v.l.)<br />
4
Inhalt<br />
60<br />
88<br />
Der „Rückzug aus der Fläche“ traf etliche<br />
Nebenbahnen. Zum Beispiel in der Eifel<br />
„Alte“ Bahn hier, „neue“ Bahn da: Eindrücke<br />
vom DB-Betrieb der <strong>1970</strong>er und 1980er<br />
Momentaufnahmen<br />
8 Licht und Schatten<br />
Aspekte der <strong>Bundesbahn</strong> <strong>1970</strong>–<strong>1989</strong><br />
52 Von Klassikern und Sonderfällen<br />
DB-Alltag der <strong>1970</strong>er und 1980er<br />
78 Partystimmung<br />
Die <strong>Bundesbahn</strong> und der Zeitgeist<br />
88 Zeitläufe<br />
Altes und Neues bei der DB<br />
Chronik<br />
6 <strong>Zwei</strong> <strong>Jahrzehnte</strong> in Kürze<br />
Die wichtigsten Ereignisse <strong>1970</strong>–<strong>1989</strong><br />
32<br />
Kohle, Stahl und jede Menge Dampf: Die<br />
letzten Jahre mit 044 und 050 im Ruhrgebiet<br />
Strecken, Züge, Betrieb<br />
16 Der neue Spitzenzug<br />
Der Intercity und seine Entwicklung<br />
22 Änderungen im Angebot<br />
Neue Zuggattungen <strong>1970</strong>–<strong>1989</strong><br />
26 Mehr als 160 Sitzplätze<br />
Pendlerzüge abseits der Hauptbahnen<br />
28 Begegnungen mit „Donald Duck“<br />
Der Triebzug 403 aus Sicht von Dr. Rolf Brüning<br />
32 Das Dampfparadies<br />
Mit den Baureihen 044 und 050–053 durchs Ruhrgebiet<br />
50 Abschied von der bunten Mischung<br />
Der letzte GmP<br />
60 <strong>Bundesbahn</strong> adé<br />
Streckenstilllegungen am Beispiel der Eifel<br />
68 Die Letzte auf dem Festland<br />
Die Schmalspurbahn Warthausen – Ochsenhausen<br />
70 Das Dieselparadies<br />
Der Bahnbetrieb in Schleswig-Holstein<br />
76 Gerade, schnelle Linien<br />
Die Neubaustrecken der DB<br />
80 Technologie der Zukunft<br />
Drehstrom-Triebfahrzeuge bei der <strong>Bundesbahn</strong><br />
82 In guter Gemeinschaft<br />
Wo Privatbahnen für die DB fuhren<br />
96 Gelungenes Experiment<br />
Die Neuentwicklung ICE<br />
Rückblick<br />
38 Erfahrungen auf dem Führerstand<br />
Peter Schricker als Dampflokheizer 1973/74<br />
42 Fast 15 Jahre <strong>Bundesbahn</strong>er<br />
Joachim Seyferth erinnert sich an seine DB-Zeit<br />
64 Im Ferienzug nach Süden<br />
Michael Baier begleitete den TUI-FerienExpress<br />
86 Wieder mit Dampf<br />
Jürgen Kliemt fuhr Dampfloks – bis 1971 und ab 1985!<br />
Ständige Rubriken<br />
98 <strong>Vorschau</strong>, Leserservice, Impressum<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 5
Chronik | DIE DB <strong>1970</strong>–<strong>1989</strong><br />
An einem regnerischen Julitag 1982 hat der Triebwagen<br />
627 104 Mindelheim erreicht. Jahrelang trägt sich die DB<br />
mit dem Gedanken, einen Nachfolger für den Schienenbus<br />
zu schaffen; der 627 ist einer der ersten Ansätze Bodo Schulz<br />
Am 3. April 1982 bekommt Altbau-Ellok 193 008 Unterstützung: Beim Nahgüterzug<br />
64611 Wertheim – Heilbronn leistet Diesellok 211 198 Vorspann Johannes Poets<br />
<strong>Zwei</strong> <strong>Jahrzehnte</strong> in Kürze<br />
<strong>1970</strong><br />
27.05. Auslieferung der ersten Serienmaschine<br />
der Ellok-Baureihe 103<br />
1971<br />
09.02. Bei Aitrang im Allgäu entgleist der<br />
TEE „Bavaria“, gefahren von einem<br />
niederländisch-schweizerischen<br />
Triebzug RAm 501; 28 Menschen<br />
sterben.<br />
27.05. Bei Radevormwald kollidiert ein<br />
Schienenbus auf eingleisiger Strecke<br />
mit einem diesellokbespannten<br />
Güterzug. 46 Menschen kommen<br />
ums Leben.<br />
01.06. Die <strong>Bundesbahn</strong>direktion (BD)<br />
Augsburg wird aufgelöst.<br />
21.07. Bei Rheinweiler entgleist D 370<br />
„Schweiz-Express“; 23 Menschen<br />
sterben.<br />
26.09. Die DB führt das Intercity-Netz mit<br />
1.-Klasse-Zügen im <strong>Zwei</strong>-Stunden-<br />
Takt ein.<br />
1972<br />
14.03. Inbetriebnahme der S-Bahn-Strecke<br />
zum Frankfurter Flughafen.<br />
30.04. Auflösung der BD Mainz.<br />
12.05. Wolfgang Vaerst wird neuer DB-<br />
Vorstandsvorsitzer; er löst Heinz<br />
Maria Oeftering ab, der in den<br />
Ruhestand geht.<br />
28.05. Die erste Stufe des Münchner<br />
S-Bahn-Netzes geht in Betrieb;<br />
für die anstehenden Olympischen<br />
Sommerspiele wird das Olympiastadion<br />
mit Sonderlinien<br />
angeschlossen.<br />
6<br />
21.11. Die DB erhält die erste Ellok<br />
der Baureihe 151.<br />
1973<br />
März/ Der erste Elektrotriebzug der<br />
Mai Baureihe 403 wird an die DB<br />
geliefert.<br />
03.06. Das IC-Netz erhält Ergänzung<br />
durch das so genannte DC-Netz.<br />
1974<br />
Februar Der DB-Vorstand entscheidet<br />
sich für ein neues Lackierungsschema<br />
der Fahrzeuge: weinrot/<br />
beige (TEE- und IC-Verkehr) bzw.<br />
ozeanblau/beige (übriges Material).<br />
März Auslieferung des ersten Dieseltriebwagen-Prototyps<br />
der Baureihe 628.<br />
Nov. Die DB erhält die ersten Exemplare<br />
der <strong>Zwei</strong>system-Ellok 181.2.<br />
31.12. Auflösung der <strong>Bundesbahn</strong>direktionen<br />
Kassel, Münster<br />
und Wuppertal.<br />
Dez. Die erste Ellok der Baureihe 111<br />
wird an die DB geliefert.<br />
1975<br />
01.06. Bedingt durch wirtschaftliche<br />
Schwierigkeiten, setzt die DB zu<br />
Beginn des Sommer-Fahrplanwechsels<br />
erhebliche Einschränkungen<br />
im Schienenpersonennahverkehr<br />
um.<br />
08.06. Bei Warngau stoßen zwei Reisezüge<br />
auf eingleisiger Strecke zusammen;<br />
41 Menschen kommen ums Leben.<br />
28.08. Im Bf Villingen im Schwarzwald<br />
wird der 10.000. Kilometer elektrifizierter<br />
DB-Bahnstrecke gefeiert.<br />
28.10. Eröffnung des neuen unterirdischen<br />
Düsseldorfer Flughafenbahnhofs<br />
mit Schienenanschluss.<br />
1976<br />
31.05. Die BD Regensburg ist vollständig<br />
aufgelöst.<br />
01.06. Im Stückgutsektor ist die Rationalisierung<br />
mit dem „Modell 400“<br />
abgeschlossen.<br />
1977<br />
21./ Dampf-Abschiedsfest im<br />
22.05 Bw Gelsenkirchen-Bismarck.<br />
26.10. Offizielles Ende des Dampflokbetriebs<br />
bei der <strong>Bundesbahn</strong>.<br />
1978<br />
28.05. Erste Baustufe der S-Bahn Rhein-<br />
Main in Betrieb.<br />
Das bisher erstklassige IC-System<br />
erhält versuchsweise für einige<br />
Linien auch die zweite Wagenklasse.<br />
01.10. S-Bahn Stuttgart in Betrieb<br />
genommen.<br />
1979<br />
02.02. Vorstellung der ersten lokbespannten<br />
Wendezüge für die S-Bahn<br />
Rhein-Ruhr.<br />
27.05. Einführung des doppelklassigen<br />
IC-Systems mit dem Slogan „Jede<br />
Stunde – jede Klasse“.<br />
1980<br />
11.02. Ellok 120 001 wird dem regulären<br />
Betriebsdient übergeben.<br />
01.06. Einführung des Knotenpunktsystems<br />
im Nahgüterverkehr.<br />
07.07. Inbetriebnahme des Rangierbahnhofs<br />
Maschen.
Die Serien-Elloks der Baureihe 103<br />
sind die neuen Stars im DB-Bestand.<br />
Am 4. Juli 1971, zwölf Tage nach ihrer<br />
Abnahme, hat 103 163 D 1391 nach<br />
München Hbf gebracht Edgar Fischer/Archiv GM<br />
Je näher der Abschied von der Dampflok rückt, desto mehr nutzen Eisenbahnfreunde die Chance,<br />
die schwarzen Rösser noch bei Sonderfahrten zu erleben. Eine der Fahrten führt am 23. Oktober 1977<br />
mit den historischen „Rheingold“-Wagen von Köln nach Emden; ab Lingen/Ems übernimmt 043 196<br />
den Zug (Foto). Am 26. Oktober 1977 kommt dann das endgültige Dampf-Aus bei der DB Friedhelm Ernst<br />
1982<br />
27.03. Der Triebzug 403 fährt als Charterzug<br />
„Airport-Express“ zwischen<br />
den Flughäfen Frankfurt und<br />
Düsseldorf.<br />
13.05. Ein neuer DB-Vorstand mit Dr.<br />
Reiner Gohlke an der Spitze wird<br />
eingesetzt.<br />
01.12. DB führt den Intercity-Kurierdienst<br />
zur schnellen Beförderung von bis<br />
zu zehn Kilogramm schweren<br />
Sendungen ein.<br />
1983<br />
31.03. Auf der letzten DB-Schmalspurbahn<br />
auf dem Festland (Warthausen –<br />
Ochsenhausen) wird der Betrieb<br />
eingestellt.<br />
29.05. Die DB führt die Zuggattung „FD“<br />
wieder ein; der „Fern-Express“<br />
dient vor allem dem Urlaubsverkehr.<br />
1984<br />
03.06. Das „InterCargoSystem“ wird<br />
eingeführt; es verbindet im Nachtsprung<br />
elf deutsche Wirtschaftszentren.<br />
01.09. Von Köln verkehrt als Versuch die<br />
„City-Bahn“ mit neu ausgestatteten<br />
„Silberling-Wagen“ nach Gummersbach.<br />
1985<br />
18.01. Zum bevorstehenden 150. Bahnjubiläum<br />
startet ein Ausstellungszug<br />
der DB ; in den kommenden<br />
sieben Monaten wird er in 140 Bahnhöfen<br />
Station machen.<br />
15./ Bundespräsident von Weizsäcker<br />
16.05. eröffnet im Tafelwerk am Bahnhof<br />
Nürnberg Ost die Jubiläumsausstellung<br />
„Zug der Zeit – Zeit der<br />
Züge“. Am Folgetag verkehrt erstmals<br />
seit acht Jahren wieder ein<br />
dampflokbespannter Personenzug<br />
auf DB-Gleisen. Im Sommer fahren<br />
regelmäßig Dampfzüge auf den<br />
Strecken Nürnberg – Hersbruck<br />
und Nürnberg – Bayreuth.<br />
01.06. Mit dem Beginn des Sommerfahrplans<br />
geht die westliche Einführung<br />
der Riedbahn in den Mannheimer<br />
Hauptbahnhof in Betrieb. Ebenfalls<br />
zu dem Tag nimmt die DB unter<br />
dem Kürzel IC 85 einige Veränderungen<br />
am Intercity-System vor.<br />
31.07. Premiere des ersten Vorläufers des<br />
ICE mit den Triebköpfen 410 001<br />
und 002 sowie drei Mittelwagen<br />
in Donauwörth.<br />
13.12. Im Bahnhof Murnau nimmt die<br />
DB ein erstes elektronisches<br />
Stellwerk probeweise in Betrieb.<br />
1986<br />
11.11. Auf der Neubaustrecke Hannover –<br />
Würzburg stellt der Versuchs-ICE<br />
mit 345 km/h einen neuen deutschen<br />
Geschwindigkeitsrekord auf.<br />
17.12. Die Industrie liefert ersten Serien-<br />
Triebwagen der Reihe 628.2 an<br />
die DB aus.<br />
1987<br />
13.01. Übergabe der ersten Serienlok der<br />
Baureihe 120 an die DB<br />
11.05. Der erste umgebaute Wagen für die<br />
neue Zuggattung InterRegio verlässt<br />
das Herstellerwerk in Weiden.<br />
30.05. Der letzte Trans-Europ-Express,<br />
der TEE „Rheingold“, wird eingestellt.<br />
31.05. Der nördliche Teil der Neubaustrecke<br />
Mannheim – Stuttgart geht<br />
bis Graben-Neudorf in Betrieb. Das<br />
EuroCity-System wird eingeführt.<br />
1988<br />
01.05. Der Prototyp des ICE stellt mit<br />
406,9 km/h auf der NBS Hannover –<br />
Würzburg einen neuen Weltrekord<br />
für Schienenfahrzeuge auf.<br />
27.05. Einweihung des Neubaustrecken-<br />
Abschnitts Fulda – Würzburg.<br />
29.05. Die DB stellt die letzten Exemplare<br />
der Baureihe 194 und damit die<br />
letzten Altbau-Elloks ab.<br />
25.09. Fahrplanmäßiger Betriebsbeginn<br />
der Zuggattung „InterRegio“.<br />
<strong>1989</strong><br />
16.07. Der Hochtaunuskreis übernimmt<br />
die stilllegungsgefährdete Bahnstrecke<br />
Friedrichsdorf – Grävenwiesbach<br />
von der DB.<br />
01.10. Erste Sonderzüge mit DDR-Flüchtlingen<br />
erreichen den Bahnhof Hof<br />
(Saale).<br />
09.11. Die DDR öffnet überraschend ihre<br />
Grenze nach Westen. In der Folge<br />
setzt eine massive Reisewelle von<br />
DDR-Bürgern in die Bundesrepublik<br />
ein; Reichsbahn und <strong>Bundesbahn</strong><br />
erbringen Höchstleistungen.<br />
17.11. Auf der bisher nur im Güterverkehr<br />
betriebenen deutsch-deutschen<br />
Strecke Walkenried – Ellrich fahren<br />
wieder Personenzüge. Außerdem<br />
legen Reichsbahn und <strong>Bundesbahn</strong><br />
24 neue grenzüberschreitende<br />
Zugpaare ein. U. Rockelmann/GM<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 7
Momentaufnahmen | ASPEKTE DER BUNDES<strong>BAHN</strong> <strong>1970</strong>–<strong>1989</strong><br />
Licht und<br />
8
Die Elloks der Baureihe 103 sind die neuen Stars im Triebfahrzeugpark<br />
der <strong>Bundesbahn</strong>. Die 200 km/h schnellen Kraftpakete fahren vor allem<br />
im hochwertigen Reiseverkehr, darunter vor den Intercity-Zügen, die<br />
in den 1980ern Köln Hbf gebündelt passieren. Im August 1988 spielen<br />
dort 103 202 (mit IC 641) und 103 243 (mit IC 635) „doppeltes Lottchen“<br />
Thomas Wunschel<br />
Schatten<br />
Bei Licht betrachtet, bringt die DB in den <strong>1970</strong>er- und 1980er-Jahren einiges auf den Weg. Sie<br />
nimmt innovative Fahrzeuge in den Bestand, führt erfolgreiche Zuggattungen ein und modernisiert<br />
den Betrieb. Die Schattenseite: Das Defizit wächst und die Diskussionen um die Bahn bleiben<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 9
Momentaufnahmen | ASPEKTE DER BUNDES<strong>BAHN</strong> <strong>1970</strong>–<strong>1989</strong><br />
Jahrelang galten die Dieseltriebzüge VT 11.5 bzw. 601 als Aushängeschilder<br />
der DB, mit dem Beginn des doppelklassigen IC-Systems 1979<br />
werden sie arbeitslos. Immerhin, es gibt eine Gnadenfrist: Bis 1988<br />
fahren einige von ihnen als „Alpen-See-Express“ Urlauber nach<br />
Süddeutschland (Foto in Zwiesel, Juli 1980) Georg Wagner<br />
Oberfranken und die Oberpfalz werden in den<br />
frühen <strong>1970</strong>er-Jahren zum letzten Refugium<br />
der Schnellzugdampflok 001. Auf dem Weg<br />
nach Bamberg erreicht 001 088 mit einem<br />
Reisezug im Juni <strong>1970</strong> den Bahnhof Lichtenfels<br />
Theodor Horn<br />
Im März 1971 hat das Ausbesserungswerk<br />
Trier unter anderem noch Güterzugdampfloks<br />
der Baureihe 044 und Neubaudampfloks<br />
der Baureihe 023 in Arbeit. 1974 werden die<br />
hiesigen Beschäftigten letztmals an eine<br />
Dampflok Hand anlegen Theodor Horn<br />
Im Mai 1982 ist 193 014<br />
mit einem Güterzug zwischen<br />
Osterburken und Lauda<br />
unterwegs. Die Leistung gehört<br />
schon zu den späten Einsätzen;<br />
längst nimmt die DB auch<br />
die Altbau-Elloks aus<br />
dem Bestand. Im Juni 1984<br />
ist für die 193er Schluss<br />
Georg Wagner<br />
10
Abschiede<br />
In den frühen <strong>1970</strong>er-Jahren verfügt die DB noch immer über eine<br />
ansehnliche Vielfalt an Triebfahrzeugen. Doch etliche Baureihen haben<br />
die besten Einsatzzeiten hinter sich. Traktionswandel und Modernisierung<br />
machen auch nicht vor Neubeschaffungen der frühen DB-Jahre Halt<br />
Am 27. Mai 1973 hat<br />
252 901 einen Sonderzug<br />
auf der Meterspurstrecke<br />
Mosbach – Mudau übernommen.<br />
Zum 3. Juni<br />
des Jahres stellt die DB<br />
den Personenverkehr ein –<br />
damit hat sie auf dem<br />
Festland keine Schmalspurstrecke<br />
mehr, auf<br />
der Personenzüge fahren<br />
Theodor Horn<br />
11
Momentaufnahmen | ASPEKTE DER BUNDES<strong>BAHN</strong> <strong>1970</strong>–<strong>1989</strong><br />
Erfolge?<br />
Beflügelt von einem hohen Verkehrsaufkommen,<br />
geht die <strong>Bundesbahn</strong> optimistisch in die <strong>1970</strong>er-Jahre.<br />
Bald darauf bricht die Nachfrage ein, es beginnt<br />
ein Wechselbad. Die Abfolge von „mal besser –<br />
mal schlechter“ begleitet die DB bis zum Schluss;<br />
nicht zuletzt wegen interner und externer Hürden<br />
Im Norden von Gelsenkirchen gibt es Mitte<br />
der <strong>1970</strong>er-Jahre noch zahlreiche Übergabebahnhöfe,<br />
an denen die DB Kohlezüge von<br />
den Zechenbahnen übernimmt. Dazu gehört<br />
auch der Bahnhof Hugo im Stadteil Erle. Im<br />
Juni 1976 schlängelt sich 044 383 mit ihrem<br />
Zug auf die Hauptbahn Dorsten – Wanne<br />
Dr. Dietmar Beckmann<br />
Vier Akkutriebwagen der Baureihe 517 sind<br />
im Juli 1982 als Leergarnitur auf dem Weg<br />
von Montabaur nach Limburg (Lahn). Vor<br />
allem in ländlichen Regionen macht die<br />
<strong>Bundesbahn</strong> Verluste – Folge struktureller<br />
Veränderungen, aber zum Teil auch eines<br />
unattraktiven Angebots Thomas Feldmann<br />
12
Wohnlich haben sich die Eisenbahner auf dem Stellwerk in Lindau<br />
Hauptbahnhof eingerichtet (Juli 1988). Weniger gemütlich sind<br />
die Folgen der Rationalisierung, welche die <strong>Bundesbahn</strong> ihrer<br />
Belegschaft verordnet. Die Zahl der Mitarbeiter sinkt von 410.388<br />
(<strong>1970</strong>) auf 254.491 (<strong>1989</strong>). Ironie des Ganzen: Im Jahr <strong>1989</strong> klagt<br />
die DB über Personalengpässe! Thomas Wunschel<br />
Im Jahr <strong>1970</strong> unterhält die DB 29.479 Kilometer Betriebsstrecke,<br />
<strong>1989</strong> sind es 27.045 Kilometer. Zu den „Verlusten“ gehört die<br />
Hauptstrecke Scherfede – Holzminden; am 2. Juni 1984 tritt 216 171<br />
mit Eilzug 2942 Braunschweig – Köln zur Abschiedsfahrt an<br />
Ludwig Rotthowe<br />
Der große Vorteil der ab 1974 ausgelieferten<br />
Ellok-Baureihe 111 ist der Führerstand:<br />
Ergonomisch ausgerichtet, bietet er dem<br />
Lokführer mehr Komfort als etwa das<br />
Pendant der Einheits-Elloks. Wobei die<br />
ersten Führerstände der 111 eher beengt<br />
sind und ab 111 104 vergrößert werden<br />
Slg. Dr. Brian Rampp<br />
13
Momentaufnahmen | ASPEKTE DER BUNDES<strong>BAHN</strong> <strong>1970</strong>–<strong>1989</strong><br />
Oberleitungsarbeiten an der Strecke. Bei der Elektrifizierung<br />
macht die <strong>Bundesbahn</strong> weitere Fortschritte: Im Jahr <strong>1970</strong> sind<br />
8.590 Kilometer unter Fahrdraht, <strong>1989</strong> dann 11.688 Kilometer<br />
Dr. Dietmar Beckmann<br />
Von ihrer Dampf-Vergangenheit hat sich die DB 1977<br />
verabschiedet … bis 1985 zum Eisenbahn-Jubiläum wieder<br />
Dampfloks fahren. Die Sonderfahrten im Raum Nürnberg<br />
verschaffen der <strong>Bundesbahn</strong> ungeahnte Sympathien.<br />
Schon im Nachfolgeprogramm ist im Juni 1986<br />
Lok 23 105 in Franken unterwegs Thomas Wunschel<br />
Mit der „City-Bahn“ bringt die<br />
DB 1984/85 frischen Wind auf die<br />
Strecke Köln – Gummersbach;<br />
zeitgemäße Garnituren, Taktfahrplan<br />
und Sondertarife holen wieder<br />
mehr Fahrgäste auf die Schiene<br />
(Aufnahme in Rösrath, Mai <strong>1989</strong>).<br />
Ab 1987 führt die <strong>Bundesbahn</strong><br />
allgemein neue „Zugprodukte“ für<br />
den Nahverkehr ein Georg Wagner<br />
Der D-Zug ist zum Winterfahrplan<br />
1988/89 „out“, jedenfalls, wenn es<br />
nach der DB geht. Als Ablösung<br />
stellt sie den InterRegio vor, einen<br />
vertakteten Schnellzug mit<br />
umgebautem Wagenmaterial.<br />
Das Pressefoto zeigt das<br />
1.-Klasse-Abteil<br />
Slg. DB Museum Nürnberg<br />
14
Impulse<br />
Während ihres gesamten Bestehens bemüht sich die DB, als zeitgemäßes Verkehrsmittel<br />
aufzutreten. In den <strong>1970</strong>er- und 1980er-Jahren setzt sie auf neue Zuggattungen und<br />
weitere moderne Fahrzeuge. Bei Eisenbahnfreunden landet sie den größten Imagegewinn<br />
aber mit so ziemlich dem Gegenteil: der teilweisen Rückkehr der Dampflok 1985<br />
Für grenzüberschreitende Züge nach<br />
und von Frankreich stellt die DB die<br />
Baureihe 181.2 in Dienst. Die neue Ellok<br />
geht 1974 in Serie und kann mit zwei<br />
Systemen von Wechselstrom fahren:<br />
15 kV/16 2/3 Hz und 25 kV/50 Hz.<br />
Im Bild 181 209 in Heidelberg Hbf<br />
Jens-Olaf Griese-Bandelow<br />
15
Strecken, Züge, Betrieb | DAS IC-SYSTEM 1971–<strong>1989</strong><br />
Der neue<br />
Spitzenzug<br />
Zum Winterfahrplan 1971 stellte die <strong>Bundesbahn</strong><br />
einen neuen schnellen Geschäftsreisezug vor:<br />
den Intercity. Damals noch „neben“ dem TEE<br />
eingereiht, sollte dieser 1.-Klasse-Zug einige Jahre<br />
später den Fernverkehr grundlegend verändern<br />
Der Begriff kam – kein Wunder – aus<br />
Großbritannien. Dort hatte man<br />
schon 1951 Züge mit dem Namen „Intercity“<br />
eingesetzt. Die DB verwendete ihn<br />
erstmals 1968/69 bei F-Zügen, die als Platzhalter<br />
für noch zu definierende Zugnamen<br />
vorübergehend mit „Intercity A bis F“ bezeichnet<br />
wurden. In den frühen <strong>1970</strong>er-<br />
Jahren griff die <strong>Bundesbahn</strong> die Bezeich -<br />
nung wieder auf; diesmal für ein neues<br />
Konzept von Fernreisezügen.<br />
Das IC-System 1971<br />
Mit Beginn des Winterfahrplans am 26. September<br />
1971 führte die DB das System der Intercity-Züge<br />
ein (später wurde dafür der<br />
Name IC 71 gebräuchlich). Die IC-Züge<br />
lösten die bisherigen F-Züge ab und boten<br />
wie der Trans-Europ-Express (TEE) allein<br />
die 1. Klasse und einen Speisewagen an; vor<br />
allem für Dienst- und Geschäftsreisen sollten<br />
sie eine schnelle Verbindung im Inland bieten<br />
und das Auto ersetzen.<br />
IC-Züge fuhren auf vier Linien im Inland.<br />
Das Liniennetz umfasste etwa 3.100 Kilometer<br />
Länge und deckte die wichtigsten Verkehrsströme<br />
ab. 32 Städte wurden regelmäßig<br />
bedient, dazu kamen weitere Halte bei<br />
bestimmten Zügen im Wechsel (Beispiel: Baden<br />
Oos und Offenburg). Die Linien 1 und 2<br />
kombinierten unterschiedliche Verkehrsrelationen<br />
(niemand fährt von Hamburg oder<br />
Hannover über Köln nach München) – die<br />
langlaufenden Linienführungen waren betrieblich<br />
optimiert und auch verkehrlich vorteilhaft,<br />
weil sie möglichst viele Direktverbindungen<br />
herstellten. Verknüpfungspunkte<br />
mit gegenseitigen Anschlüssen gab es in den<br />
Knoten Dortmund, Köln, Hannover, Würzburg<br />
und Mannheim, wo sich die Züge am<br />
selben Bahnsteig gegenüberstanden. Zwischen<br />
den Verknüpfungspunkten hatte die<br />
DB auch „Linientauscher“ zur Herstellung<br />
weiterer Direktverbindungen eingelegt. Insgesamt<br />
gab es 100 Züge (vorher 62), davon<br />
70 als IC und 30 als TEE, die überwiegend in<br />
das Inlands netz integriert waren.<br />
16<br />
Die Züge verkehrten alle zwei Stunden,<br />
allerdings nicht minutengenau, sondern eher<br />
rhythmisch. Das System schrieb in gewisser<br />
Weise das F-Zug-System fort, ergänzt durch<br />
die TEE-Züge, wobei man erstmals vom<br />
nachfrageorientierten zum angebots orien -<br />
tierten Fahrplan überging. Für die Benut -<br />
zung wurde ein Zuschlag von 8 DM erhoben,<br />
der 1973 auf 10 DM erhöht wurde.<br />
Das Komfortangebot des<br />
1.-Klasse-Zuges vermittelte<br />
der IC-Prospekt von 1972<br />
in verschiedenen Bildseiten.<br />
Der Speisewagen<br />
gehörte ebenso dazu wie<br />
das Zugsekretariat<br />
Slg. Josef Mauerer<br />
In den frühen <strong>1970</strong>er-Jahren verkehrten noch nicht alle IC-Züge mit rein rot-beigen Garnituren.<br />
Bei diesem IC hat der Halbspeisewagen ARm die rot-blaue Farbgebung, die später angeglichen<br />
wurde (Bild in Würzburg Hbf) Albert Schöppner
Ein neuer Name im deutschen Fernreiseverkehr: Erstmals 1968/69 hatte die DB Züge als „Intercity“ eingesetzt – insbesondere Dieseltriebzüge<br />
der Baureihe 601. Im 1971 geschaffenen IC-System fuhren die 601er auch, wenngleich in viel geringerem Umfang als die Lok-Wagen-Züge. Im<br />
Juli 1974 wartet 601 005 als IC 160 „Präsident“ nach Ludwigshafen in München Hbf auf die Abfahrt Wolfgang Bügel/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung<br />
Der Aufwand bei den Zugkilometern verdoppelte<br />
sich gegenüber dem F-Zug-System,<br />
was vor allem an der Linie 4 lag: Verkehrte<br />
dort vorher nur ein TEE, so waren es jetzt<br />
insgesamt sieben Zugpaare, was faktisch einer<br />
Versiebenfachung des Angebotes an<br />
1.-Klasse-Zügen auf dieser Linie entsprach!<br />
Das sollte bald Folgen haben.<br />
Fahrzeuge und Betriebseinsatz<br />
Überwiegend setzte die DB Lok-Wagen-<br />
Züge als IC ein, bespannt mit den neuen<br />
Elloks der Baureihe 103 und mit 160 km/h<br />
Höchstgeschwindigkeit. Die Züge waren in<br />
der Regel vier bis sechs Wagen lang, bei der<br />
starken Linie 1 kam man teilweise gar auf<br />
acht bis neun Wagen, vor allem freitags und<br />
montags. Auf der schwachen Linie 4 wurden<br />
bereits 1972 bei einzelnen Zügen Kürzungen<br />
auf drei Wagen vorgenommen. Nur der traditionelle<br />
TEE „Blauer Enzian“ konnte hier<br />
mit bis zu acht Wagen aufwarten. Die Mehrzahl<br />
der Wagen waren Abteilwagen vom Typ<br />
Avmz, Großraumwagen Apmz kamen in der<br />
Regel bei jedem Zug nur einmal vor, dazu<br />
Speisewagen vom Typ ARm oder WRm. 1971<br />
und 1972 mussten wegen Wagenmangels<br />
auch noch Schnellzugwagen vom Typ Aüm<br />
eingesetzt werden. Daneben verwendete die<br />
DB auch Triebzüge: Zunächst waren dies im<br />
TEE-Verkehr frei gewordene Dieseltrieb -<br />
züge der Baureihe 601 (mit „Intercity“-Namensschild<br />
auf der Front), ab Mai 1974 auch<br />
die neu gelieferten Elektrotriebzüge der Baureihe<br />
403 – die allerdings nur auf der Linie 4<br />
München – Bremen.<br />
Bei aller Glorifizierung: Ein kommerziel -<br />
ler Erfolg war dem System nicht beschieden,<br />
schon Mitte der <strong>1970</strong>er-Jahre geriet es in die<br />
Krise. Der angestrebte Kundenzuwachs<br />
stellte sich nicht ein, weder im Dienst- und<br />
Geschäftsreiseverkehr noch sonst. 1975 sanken<br />
die Reisendenzahlen, nicht zuletzt ausgelöst<br />
durch den wirtschaftlichen Abschwung<br />
in der Bundesrepublik. Der Kostendeckungsgrad<br />
des IC-Systems lag deutlich<br />
unter dem des gesamten Schienenpersonenfernverkehrs,<br />
was im Hinblick auf die ohnehin<br />
problematische Wirtschaftslage der DB<br />
nicht mehr tragbar war.<br />
Vor allem bei den schwach besetzten Zügen<br />
der Linie 4 musste etwas geschehen. Bereits<br />
1973 strich die DB ein Zugpaar in Tagesrandlage.<br />
Weitere Züge zu streichen, hätte<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 17
Strecken, Züge, Betrieb | DAS IC-SYSTEM 1971–<strong>1989</strong><br />
Die Farbkombination Rot-Beige und<br />
Blau-Beige – 1. und 2. Klasse – wird zu<br />
dem Erkennungszeichen von IC ‘79<br />
schlechthin. Auch IC 612 „Kurpfalz“ hat<br />
diese Reihung, als er 1988 durch Augsburg-Hochzoll<br />
rollt. Zusätzlich führt der<br />
Zug einen Postwagen mit Josef Mauerer<br />
jedoch den Netzcharakter mit den Umsteigeverbindungen<br />
beeinträchtigt. Und so<br />
wurde entschieden, ab Sommer 1976 drei<br />
Zugpaare dieser Linie zusätzlich mit der<br />
2. Klasse auszustatten – zumal sich zu diesem<br />
Zeitpunkt schon abzeichnete, dass das reine<br />
1.-Klasse-System keine Zukunft mehr hatte.<br />
In der Regel führte jeder der umgestalteten<br />
Züge drei Wagen des Typs Bm mit – auch der<br />
Einzelgänger Bvmz 237 kam in einem speziellen<br />
Umlauf zum Einsatz.<br />
Die Wagen 2. Klasse waren zunächst reservierungspflichtig<br />
und es wurde auch der<br />
volle IC-Zuschlag von 10 DM erhoben. Der<br />
erwartete Ansturm blieb zunächst aus, weshalb<br />
im weiteren Verlauf die Platzkartenpflicht<br />
aufgehoben und 1977 der Zuschlag<br />
auf 5 DM gesenkt wurde. 1978 kostete er im<br />
Hinblick auf das künftige System nur noch<br />
3 DM, in der 1. Klasse blieb es bei 10 DM.<br />
In der Zwischenzeit hatte die DB-Spitze<br />
auch einen Meinungswandel vollzogen.<br />
Nach langen Diskussionen verabschiedete<br />
sie sich von der – überkommenen – Rangordnung,<br />
nach der die besten Fernreisezüge der<br />
1. Klasse vorbehalten blieben. Als neues Spitzenangebot<br />
sollte der Intercity grundsätzlich<br />
beide Wagenklassen führen; das hatte es<br />
noch nicht gegeben.<br />
Vorausgegangen war auch eine intensive<br />
Marktforschung mit der Erkenntnis, dass<br />
18<br />
entsprach derjenigen des IC-Systems von<br />
1971. Wesentliches Merkmal war die Blockzugbildung,<br />
bei der 1. und 2. Klasse durch<br />
den Speisewagen getrennt wurden. In der<br />
Regel bestanden die Züge aus zehn bis elf<br />
Wagen in folgender Zusammensetzung:<br />
zwei 1.-Klasse-Abteilwagen (Typ Avm), ein<br />
1.-Klasse-Großraumwagen (Apm), ein Speisewagen<br />
(WRm/Arm), sechs bis sieben Abteilwagen<br />
2. Klasse (Bm). In einigen Zügen<br />
kamen bei der 2. Klasse bereits klimatisierte<br />
Großraumwagen des Typs Bpmz zum<br />
Einsatz, von denen zunächst 40 Stück geliefert<br />
wurden – die DB setzte voll auf diesen<br />
Wagentyp, von dem sie in den folgenden Jahren<br />
über 500 Stück beschaffte.<br />
Die Standardlast wurde auf 500 Tonnen<br />
festgelegt bei Bespannung mit der Baureihe<br />
103. Etwas kürzer waren einige Züge auf der<br />
Linie 4, wo meist nur zwei 1.-Klasse- und fünf<br />
2.-Klasse-Wagen liefen. Durch das geringere<br />
Zuggewicht (400 Tonnen) konnten diese<br />
Züge auch mit der Baureihe 111 bespannt<br />
werden, weil der 103-Bestand für das<br />
gesamte IC-System nun nicht mehr ausdas<br />
Marktpotenzial der<br />
1. Klasse nicht mehr erweitert<br />
werden konnte.<br />
Anders sah es bei der<br />
2. Klasse aus, wo dringend<br />
Verbesserungen notwen-<br />
dig waren. Deshalb erhielten bereits ab 1974<br />
neu gelieferte Schnellzugwagen des Typs Bm<br />
Komfortverbesserungen wie neue Sitze, höhenverstellbare<br />
Kopfpolster, Leselampen,<br />
Türschließeinrichtungen etc. Diese Wagen<br />
sollten ab 1979 das Bild der 2. Klasse der IC-<br />
Züge prägen.<br />
Insgesamt gestalteten sich die Vorarbeiten<br />
für das neue IC-System so vielschichtig, dass<br />
sie einige Jahre in Anspruch nahmen. Nach<br />
der Einführung der doppelklassigen IC-Züge<br />
auf der Linie 4 begann im Sommerfahrplan<br />
1978 ein Vorlaufbetrieb auf einem Abschnitt<br />
der Linie 1 zwischen Köln und Hamburg; ab<br />
diesem Zeitpunkt verkehrten dort die Züge<br />
bereits mit beiden Wagenklassen im Stundentakt.<br />
Für die bundesweite Umsetzung des<br />
doppelklassigen IC 1979 konnte die DB<br />
damit erste wichtige Erfahrungen sammeln.<br />
Das System IC '79<br />
Zum Sommerfahrplan 1979 führte die DB<br />
unter dem Slogan „Jede Stunde, jede Klasse“<br />
das IC-System mit beiden Wagenklassen im<br />
Stundentakt generell ein. Die Linienführung<br />
Das Plakat mit Slogan und zwei Zügen in Hamburg wurde<br />
zu einem Markenzeichen des Systems IC ‘79 Slg. Heiko Focken
Das Urlaubsziel Berchtesgaden war mit dem<br />
IC „Chiemgau“ als Linienfortsetzung an das<br />
IC-Netz angebunden. Nur auf diesem Abschnitt<br />
sah man die einzigartige Kombination<br />
aus IC-Wagen und Altbau-Elloks der Baureihe<br />
144.5 (Bild mit 144 508 bei Hallthurm,<br />
August 1979) Bodo Schulz<br />
reichte. Die Höchstgeschwindigkeit der 111<br />
wurde dafür von 150 km/h auf 160 km/h angehoben.<br />
Ansonsten konnte man schon seit<br />
1978 auf den ersten Streckenabschnitten<br />
planmäßig mit 200 km/h fahren.<br />
Die Wagenreihung wurde so gestaltet,<br />
dass sich an den Systemumsteigebahnhöfen<br />
die jeweiligen Klassen gegenüberstanden.<br />
Anders als bei dem System von 1971 wurde<br />
nun minutengenau im Takt gefahren, Abweichungen<br />
gab es allenfalls in Tagesrandlagen.<br />
Auch vom Linientausch wurde Gebrauch<br />
gemacht, um weitere Direktverbindungen<br />
herzustellen. Einige Züge fuhren über die<br />
Linienendpunkte hinaus, zum Beispiel nach<br />
Kiel, Mittenwald, Westerland oder Klagen -<br />
furt. Dies diente auch als Ersatz für im IC-<br />
System aufgegangene D-Züge.<br />
Für die Reisenden der 2. Klasse war das<br />
System in jeder Hinsicht ein Fortschritt –<br />
man hatte mehr Verbindungen und kürzere<br />
Die Elektrotriebzüge der Baureihe 403 waren ein Blickfang der <strong>1970</strong>er-Jahre-<strong>Bundesbahn</strong>.<br />
Im IC-Betrieb konnte man sie mit ihrem vergleichsweise geringen Platzangebot aber nur<br />
eingeschränkt verwenden; es blieb lediglich die schwach ausgelastete Linie 4, auf der 1974<br />
ein 403 als IC „Hermes“ München – Bremen fährt (Foto in Hannover) Helmut Scheiba<br />
Reisezeiten. Einen kleinen „Nachteil“ gab es<br />
aber auch: Man musste jetzt 3 DM Zuschlag<br />
bezahlen, was manchen störte, vor allem bei<br />
kurzen Strecken wie München – Augsburg.<br />
Die Reisenden 1. Klasse konnten nun ebenfalls<br />
stündliche Verbindungen nutzen, während<br />
sich die Reisezeitverlängerungen durch<br />
die schwereren Züge in Grenzen hielten.<br />
„Dahin“ war freilich die Exklusivität des Systems.<br />
Durch die Blockzugbildung blieben<br />
zwar die Reisendengruppen getrennt, doch<br />
die im Speisewagen eintretende „Mischung“<br />
gefiel nicht jedem 1.-Klasse-Reisenden.<br />
Mit dem neuen IC-System entfielen auch<br />
einige internationale TEE-Verbindungen wie<br />
„Blauer Enzian“ oder „Merkur“. Zum Teil<br />
wurden sie in IC-Züge mit beiden Wagenklassen<br />
umgewandelt. Bei einigen aufkommensstarken<br />
Relationen bot die DB 1979<br />
zusätzlich zu den IC-Zügen reine 1.-Klasse-<br />
Züge an, die als rein innerdeutsche TEE verkehrten.<br />
Diese verschwanden aber mangels<br />
Nachfrage bis 1983 alle. Übrig blieb nur der<br />
„Rheingold“ als spezieller Touristenzug; sein<br />
Ende sollte 1987 kommen.<br />
IC-Linien<br />
Das IC-Netz 1971<br />
Linie 1: Hamburg – Dortmund – Essen –<br />
Köln – Mainz – Mannheim Stuttgart –<br />
München<br />
Linie 2: Hannover – Dortmund – Wuppertal<br />
– Köln – Wiesbaden – Frankfurt –<br />
Würzburg – München<br />
Linie 3: Hamburg – Hannover – Frankfurt<br />
– Mannheim – Basel<br />
Linie 4: Bremen – Hannover – Würzburg<br />
– Nürnberg – Augsburg – München<br />
IC '79 wurde ein voller Erfolg. Es dürfte<br />
das erfolgreichste Konzept in der 44-jährigen<br />
DB-Geschichte gewesen sein. Schon im<br />
Herbst 1979 vermeldete die DB steigende<br />
Fahrgastzahlen – vor allem in der 2. Klasse;<br />
der Trend hielt weiter an und wurde erst<br />
durch den konjunkturellen Abschwung im<br />
Jahr 1982 gebremst.<br />
Das System IC ‘85<br />
Sechs Jahre nach der Einführung nahm die<br />
DB einige Änderungen am System vor. Der<br />
Fahrplanwechsel am 2. Juni 1985 bot sich dafür<br />
an, weil zu diesem Zeitpunkt die west -<br />
liche Einführung der Riedbahn in Mannheim<br />
in Betrieb genommen wurde. Mit ihr entfiel<br />
in Mannheim der Fahrtrichtungswechsel bei<br />
der von Frankfurt kommenden Linie, so dass<br />
sich die Blockzugbildung „verdrehte“. Deshalb<br />
war es nötig, das System in größerem<br />
Maße umzustellen.<br />
Das IC ‘85 genannte System war geprägt<br />
durch mehrere Optimierungen. Das waren<br />
zunächst weitere Fahrzeitverkürzungen,<br />
nachdem die DB neue Ausbaustreckenabschnitte<br />
in Betrieb genommen hatte. Zudem<br />
nutzte sie die nach der Eisenbahnbau- und<br />
Betriebsordnung zulässige Seitenbeschleunigung<br />
in Gleisbögen aus und hatte in<br />
einigen Bögen die Überhöhung angehoben –<br />
beides ermöglichte auch dort höhere Geschwindigkeiten.<br />
Diese Maßnahmen brachten<br />
Fahrzeitverkürzungen von durchschnittlich<br />
zwei Minuten je 100 Kilometer. In<br />
den Systemumsteigeknoten Hannover und<br />
Dortmund konnten die Aufenthaltszeiten<br />
ve rkürzt werden, weil es durch veränderte<br />
Linienführungen keine gegenseitigen Li -<br />
nien verzweigungen mehr gab; sie wurden<br />
vor wiegend zu Anschlussknoten, bei denen<br />
die Reisenden in Anschlusslinien umstiegen.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 19
Strecken, Züge, Betrieb | DAS IC-SYSTEM 1971–<strong>1989</strong><br />
In neuer Dienstkleidung<br />
lädt die<br />
Mitarbeiterin<br />
des neu gebildeten<br />
IC-Teams in den<br />
Zug ein; Werbebroschüre<br />
für IC 85<br />
Slg. Josef Mauerer<br />
Die kurzen Anschlusslinien waren eine Erfindung des IC-Konzepts 1985. Zu ihnen gehört die<br />
Verbindung Hannover – Bremen, auf der unter anderem 112er-Elloks fuhren (Sept. 1986) H. Scheiba<br />
Mit den Neuerungen steigerte die DB die<br />
durchschnittliche Reisege schwin dig keit der<br />
IC-Züge von etwa 100 km/h auf 108 km/h.<br />
Eine weitere Maßnahme war die optimale<br />
Ausrichtung der Linien- und Netzstruktur<br />
auf die Verkehrsströme: Die Linie 1 endete<br />
jetzt in Frankfurt (M). Die Linie 2 wurde neu<br />
von Mainz über Mannheim nach München<br />
geführt. Dadurch war in Mann heim wei -<br />
terhin ein „blockzuggerechtes“ Umsteigen<br />
möglich, bei dem 1.-Klasse- und 2.-Klasse-<br />
Bereiche einander gegenüber standen.<br />
Neu war die Linie 5 mit der Linienführung<br />
Dortmund – Wupper – Köln – Mainz – Frankfurt<br />
– Würzburg – München. Sie führte nun<br />
als dritte Linie den Rhein entlang; ab Mainz<br />
ersetzte sie die bisherige Linie 2. Der Frankfurter<br />
Flughafen wurde als Systemhalt in das<br />
IC-Liniennetz aufgenommen. Die DB versprach<br />
sich mehr Fahrgäste, indem sie nun<br />
eine attraktive Anreise zum Flughafen bot.<br />
Die Linien 1 und 2 verkehrten zwischen Dortmund<br />
und Köln konsequent über die Ruhr,<br />
was rund drei Viertel der Verkehrsströme entsprach.<br />
Ein Linientausch fand in Dortmund<br />
nicht mehr statt, so dass von Hamburg oder<br />
Hannover in Richtung Wupper nun konsequent<br />
umgestiegen werden musste.<br />
Angepasst an die Verkehrsströme wurde<br />
noch die Linie 4, die man nach Hamburg statt<br />
Bremen führte – im zeitnahen Abstand zur<br />
Linie 3, deren Linienführung Hamburg – Basel<br />
unverändert blieb. Während die DB damit<br />
in Hannover die erwähnten Haltezeitkür -<br />
zungen realisieren konnte, erreichten IC-Reisende<br />
von und nach Bremen diese beiden<br />
Linien nur noch mit Umsteigen. Zwischen<br />
Hannover und Bremen bzw. Bremerhaven<br />
wurde dazu eine Anschlusslinie 4A konzipiert.<br />
Diese Züge verkehrten stündlich und<br />
ab Bremen zweistündlich abwechselnd nach<br />
Bremerhaven und Oldenburg. Statt bisher<br />
20<br />
Mehr als nur neue Linien:<br />
1985 gab es auch ein<br />
neues Service-Konzept<br />
161 verkehrten nun 219 IC-Züge, allerdings<br />
viele auf kürzeren Strecken.<br />
Ebenfalls mit IC '85 führte die <strong>Bundesbahn</strong><br />
ein neues Service-Konzept im IC ein.<br />
Sie bildete Zugteams von bis zu vier Mitarbeitern,<br />
die nicht nur Fahrkarten kontrollierten<br />
und betriebliche Aufgaben wahrnahmen,<br />
sondern die Reisenden individuell betreuten.<br />
So bedienten sie Reisende der 1. Klasse am<br />
Platz mit Speisen und Getränken aus dem<br />
Speisewagen. Die Teams bestanden aus dem<br />
„IC-Chef“ und den „IC-Betreuern“; die bisherigen<br />
Begriffe „Zug führer“ und „Zugschaffner“<br />
gehörten – zumindest beim IC – der Vergangenheit<br />
an, genauso wie das rote Schulterband<br />
des Zug führers; der IC-Chef trug<br />
nun als Erkennungszeichen eine rote Armbinde.<br />
Allge mein erhielten die IC-Zugteams<br />
eine neue Dienstkleidung.<br />
Das neue Konzept erwies sich abermals<br />
als – weitgehend – erfolgreich. Eine Schwachstelle<br />
bedeutete die Führung der Linie 1 nach<br />
Frankfurt, die man 1988 „nachbesserte“. Eine<br />
weitere, auf dem IC-Stammnetz aber nur namentliche<br />
Änderung brachte der zum Sommerfahrplan<br />
1987 eingeführte EuroCity; die<br />
internationalen IC-Züge verkehrten nun unter<br />
dieser Bezeichnung.<br />
Änderungen 1988<br />
Kurz darauf konnte die <strong>Bundesbahn</strong> eine<br />
erste Etappe des angestrebten Hochgeschwindigkeitsverkehrs<br />
realisieren. Ende<br />
Mai 1988 eröffnete sie das Teilstück Fulda –<br />
Würzburg der Schnellfahrstrecke Hannover<br />
– Würzburg. Mit Beginn des Sommerfahrplans<br />
fuhren hier die IC-Züge der Linie 4,<br />
was ihre Fahrzeiten um 22/24 Minuten verkürzte.<br />
Da die Abfahrts-/Ankunftszeiten in<br />
München nicht verändert wurden, verschoben<br />
sich die Systemzeiten in Fulda ent -<br />
sprechend. Das ergab in Verbindung mit der<br />
Linie 3 zwischen Fulda und Hamburg einen<br />
30-Minuten-Takt im IC-Verkehr.<br />
Bespannt wurden die Züge der Linie 4 nun<br />
mit den Drehstromloks der Baureihe 120; der<br />
Wagenpark bestand aus druckertüchtigten<br />
Wagen der bisher eingesetzten Typen Avmz,<br />
Apmz und Bpmz. Abteilwagen Bm mit öffnungsfähigen<br />
Fenstern gab es hier nicht<br />
mehr, die Nachfolge traten die neuen Abteilwagen<br />
Bvmz 185 an. Dazu kamen neu konzipierte<br />
Speisewagen WRmz mit Bistro- und<br />
Restaurantabteil, die man aus den „Quick-<br />
Pick“-Wagen WRbumz umgebaut hatte.<br />
Gleichzeitig wurde die Linie 1 nach Stuttgart<br />
verlegt, um die Linie 2 zu entlasten,<br />
deren Züge häufig überbesetzt waren. Einzelne<br />
Züge der Linie 1 verlängerte die DB<br />
noch bis München. Zwischen Mainz und<br />
Stuttgart gab es damit zwei Linien. Für Wiesbaden,<br />
das nun nicht mehr an der IC-Linie 1<br />
lag, schuf die DB einen Kompromiss: Zwischen<br />
der hessischen Landeshauptstadt und<br />
dem benachbarten Mainz richtete sie die<br />
Anschlusslinie 1A als „Wiesbaden-City“ ein.<br />
Jede Stunde verkehrten zwei Züge (im 20/40-<br />
Takt), um in Mainz optimale Anschlüsse an<br />
möglichst viele Linien herzustellen. Eingesetzt<br />
wurden Kurzzüge mit je zwei Wagen<br />
mit IC-Inneneinrichtung, davon ein Steuerwagen;<br />
als Zuglok dienten 141er-Elloks. So<br />
blieb das System bestehen, bis 1991 mit Inbetriebnahme<br />
der gesamten Neubaustrecken<br />
der ICE-Verkehr begann.<br />
Für die 1980er-Jahre stellt der Intercity das<br />
mit Abstand wichtigste Angebot im Fern -<br />
reiseverkehr der <strong>Bundesbahn</strong> dar. Das Taktsystem<br />
wurde weit über das IC-Netz hinaus<br />
maßgebend, denn auch die Anschlusszüge<br />
richtete man mehr und mehr danach aus.<br />
Das und die grundsätzliche Umgestaltung<br />
des Spitzenzuges – von der 1. Klasse auf die<br />
Doppelklassigkeit – sind zwei Entwick lun -<br />
gen, die mit dem Intercity-Konzept angestoßen<br />
wurden. Sie haben bis heute fundamentale<br />
Bedeutung. Josef Mauerer/GM
M A J E S T I C I M P E R A T O R ®<br />
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Strecken, Züge, Betrieb | NEUE ZUGGATTUNGEN IM REISEVERKEHR <strong>1970</strong>–<strong>1989</strong><br />
Änderungen<br />
im Angebot<br />
In den <strong>1970</strong>er- und 1980er-Jahren führte die DB eine Reihe von Zuggattungen ein.<br />
Es gab langfristige Neuerungen und kurzfristige Versuche. Fast allen gemeinsam ist<br />
die Absicht, neuen Komfort zu bieten. Und eine zunehmend vertaktete Ausrichtung<br />
Wer sich informieren wollte, wurde gleich auf den ersten<br />
Seiten des Kursbuchs fündig. Dort gab der Kursbuch -<br />
schlüssel Auskunft über die angebotenen Zuggattungen. Sie<br />
zeigten dem Kundenmit was für einem „Produkt“ er es zu tun hatte:<br />
schnellen oder langsamen Zügen, über weite oder eher kurze Strecken.<br />
Ferner gaben Zuggattungen auch Aufschluss über tarifliche<br />
Besonder heiten, wie erforderliche Zuschläge oder nur Führung bestimmter<br />
Klassen.<br />
Neuerungen in den <strong>1970</strong>er-Jahren<br />
Das Kursbuch <strong>1970</strong> fasste sich in dieser Hinsicht kurz: Fünf Zuggattungen<br />
wurden dem Kunden mitgeteilt, davon drei zuschlagpflichtig,<br />
zwei ohne Zuschlag. Die zuschlagpflichtigen Züge waren der Trans-<br />
Europ-Express (mit dem Kürzel TEE, nur 1. Klasse), der Fernschnellzug<br />
(F, ebenfalls nur 1. Klasse) sowie der Schnellzug (D, 1. und<br />
2. Klasse). Zuschlagfrei verkehrten die Eilzüge (E) und Nahverkehrszüge<br />
(ohne Buchstaben), beide jeweils doppelklassig.<br />
22<br />
Im Folgejahr nahm die DB eine erste, im Kursbuch sichtbare Änderung<br />
vor. Zum Winterfahrplan löste der Intercity (IC) den F-Zug<br />
ab (siehe eigenen Beitrag). Seit 1972 gab es im Kursbuch auch das<br />
Kürzel „M“ für den „Messe-Intercity-Zug“ zur Hannover-Messe.<br />
Eine weitere neue Zuggattung ließ die DB zum Sommerfahr plan<br />
1973 folgen. Nun gab es auch den „DC“, dessen Kürzel für „City-<br />
D-Zug“ stand. Das waren Züge eines neu eingerichteten „Intercity-<br />
Ergänzungssystems“, mit denen IC-Knoten abseits der IC-Strecken<br />
untereinander verbunden wurden. Wichtigstes Kriterium waren drei<br />
DC-Zugpaare auf jeder dieser Linien, wobei es aber Ausnahmen<br />
gab. Zusätzlich verkehrten einzelne DC-Züge auf „Anschlussstrecken“,<br />
um nicht im IC-System liegende wichtige Städte anzubinden.<br />
Die DC-Züge waren gewöhnliche Schnellzüge mit beiden Wagenklassen.<br />
Das System wurde aber nicht angenommen, 1975 reduzierte<br />
die DB es schon drastisch und gab es 1978 gänzlich auf.<br />
<strong>Zwei</strong> weitere Kursbuch-Änderungen datieren noch von 1975. Zum<br />
einen wurde aus dem Messe-IC nun der „Messeschnellzug“, nach
In der Euphorie der frühen <strong>1970</strong>er-Jahre richtete<br />
die DB den „DCity“ als Ergänzung zum IC-System<br />
ein. Als 220 028 im September 1976 mit dem<br />
aus „popfarbenen“ Wagen gebildeten DC 912 den<br />
Bahnhof Lingen/Ems erreicht, hat die DB das<br />
Angebot aber schon merklich zusammengestrichen<br />
Wolfgang Bügel/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung<br />
wie vor mit dem Kürzel „M“ und ausschließlich der 1. Klasse. Zum<br />
anderen strich die DB den Nahschnellverkehrszug; dort hieß es nun<br />
allgemein „Zug des Nahverkehrs“. Von diesen – eher vereinzelten –<br />
Modifikationen abgesehen, blieb das Zuggattungssystem bis in die<br />
1980er-Jahre weitgehend unverändert.<br />
Neuerungen in den 1980er-Jahren<br />
Im neuen Jahrzehnt behielt die <strong>Bundesbahn</strong> den bisherigen<br />
Standard bei – jedenfalls fürs Erste. Neues gab es zum Sommerfahrplan<br />
1983, als im Kursbuch eine neue Zuggattung aufgeführt wurde.<br />
Nun griff die <strong>Bundesbahn</strong> das Kürzel „FD“ wieder auf, welches die<br />
Reichsbahn für Fernschnellzüge verwendet hatte, gab ihm jedoch<br />
eine neue Bedeutung. Das Kürzel stand hier für den „Fern-Express“;<br />
unter diesem „Markenzeichen“ verkehrten neun Zugpaare, die annähernd<br />
IC-Komfort mit zum Teil klimatisierten Wagen boten.<br />
Betriebsstatistisch wurden sie nicht von anderen D-Zügen unterschieden.<br />
Es handelte sich auch nicht um neue Züge, sondern um<br />
bestehende Züge, die aufgrund des eingesetzten Wagenmaterials<br />
besser hervorgehoben werden sollten.<br />
Im Jahr 1988 modifizierte die DB dieses Angebot. Hatte sie die<br />
Zuggattung bis dahin etwas uneinheitlich angewendet, so gab es<br />
FD-Züge jetzt ausschließlich als klassische Urlaubszüge in die<br />
Ferienregionen. Entsprechend wechselte die Bezeichnung von „Fern-<br />
Express“ in „Ferienzug“.<br />
Keine direkte Änderung der Zuggattungen, aber doch eine Änderung<br />
des Angebots nahm die <strong>Bundesbahn</strong> 1983 noch bei den Eil -<br />
zügen vor. Der Anschlusseilzug, der einen D-Zug-Lauf fortsetzte,<br />
hatte ausgedient (auch intern gehörte diese Einteilung mit dem speziellen<br />
Kürzel „Ea“ ab 1983 der Vergangenheit an). Im Rahmen der<br />
von der DB verfolgten „Markenartikelstrategie“ sollte der Kunde<br />
von Anbeginn die Marke „D-Zug als Zug mit Abteilwagen“ erkennen<br />
können. Aus demselben Grund bekamen Züge, die bisher als langlaufende<br />
(Hecken-)Eilzüge geführt wurden, nun die Zuggattung D,<br />
wenn sie ausschließlich aus Abteilwagen gebildet waren. Unterschieden<br />
wurde aber jetzt zwischen zuschlagpflichtigen und zuschlagfreien<br />
D-Zügen.<br />
Diese Umstellung wurde in den folgenden Jahren fortgesetzt und<br />
die Zuggattung „Eilzug“ verabschiedete sich vom Fernverkehr. Dies<br />
war nur konsequent, da der Schnellzug zunehmend an Bedeutung<br />
verlor. Bei den IC-Zügen gab es anfangs ähnliche Abstufungen, weshalb<br />
bestimmte IC-Züge auf Teilstrecken als D-Züge verkehrten.<br />
Im April 1981 ist ein<br />
Schienenbusgespann<br />
798/998 als Nahverkehrszug<br />
auf dem Weg von<br />
Wanfried nach Eschwege;<br />
in den <strong>1970</strong>er-Jahren<br />
kennzeichnete die DB<br />
intern solche Leistungen<br />
noch mit dem Kürzel Nto<br />
Johannes Poets<br />
Hintergrund<br />
Zuggattungen intern<br />
Die im Kursbuch veröffentlichten Zuggattungen verwendete<br />
die DB grundsätzlich auch intern. Bei der dafür gültigen<br />
Vorschrift, DV 407 A/1 mit dem Anhang „Verzeichnis der Zuggattungen“,<br />
wurde die Aufteilung noch sehr viel detaillierter<br />
gehalten. In einigen Fällen nahm man auch innerhalb einer<br />
Zuggattung Unterscheidungen vor.<br />
Durch diese Differenzierung wurde beispielsweise die Rangordnung<br />
bei der betrieblichen Durchführung bestimmt.<br />
Daneben gab es weitere Einteilungen, die der Aufschlüsselung<br />
für statistische und betriebswirtschaftliche Zwecke dienen.<br />
Dazu gehört auch die so genannte Zuggattungsnummer,<br />
die aus Haupt- und Unternummer besteht. Die Hauptnummer<br />
steht für die Zuggattung, während die Unternummer Auf -<br />
schluss über die fahrdienstliche oder beförderungsdienstliche<br />
Eigenschaft des Zuges gibt; so steht 1 für Vollzug, 2 für Leerzug,<br />
5 für Sonderzug oder 9 für Turnuszug. Ein weiteres Kriterium<br />
war noch die Einteilung der Züge nach Zugnummern,<br />
wozu bestimmte Zugnummernblöcke definiert wurden.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 23
Strecken, Züge, Betrieb | NEUE ZUGGATTUNGEN IM REISEVERKEHR <strong>1970</strong>–<strong>1989</strong><br />
Übersicht<br />
Interne Zuggattungen 1971<br />
Im Jahr 1971 gab die DB ein neues Verzeichnis interner<br />
Zuggattungen heraus. Es hatte folgende Einteilungen:<br />
(in Klammern die jeweilige Zuggattungs-Nummer)<br />
Fernzüge<br />
TEE = Trans-Europ-Express-Zug (10), IC = Intercityzug (11)<br />
Dm = Militärschnellzug (12), F = Leichter Fernschnellzug (13)<br />
D = Schnellzug (14), Dk = Autoreisezug (16),<br />
ExprD = Expressgutzug (19)<br />
Als Neuheiten 1971 hatte die DB neben dem IC die Zuggattungen Dk und ExprD eingeführt,<br />
wobei die beiden Letzteren nur intern angewendet wurden. Autoreisezüge waren bis dato<br />
als normale „D“ geführt worden, der „ExprD“ hieß bislang schlicht „Expr“.<br />
Eilzüge<br />
E = Eilzug (20), Ea = Anschlusseilzug (21),<br />
Em = Militär-Eilzug (22), Eb = Berufseilzug (24),<br />
Er = Eilzug des Regionalverkehrs (23)<br />
Die Eilzüge E (20) und Ea (21) unterlagen der Geschäftsführung der Zentralen Transportleitung;<br />
der Eilzug war also in erster Linie noch ein Zug des Fernverkehrs. Mit „Ea“ bezeichnete<br />
man Fernzüge, die im Hauptlauf als D (Schnellzug) verkehrten und ab dem Abgangsbahnhof<br />
bzw. vor dem Zielbahnhof als Eilzüge eingestuft waren. Sie konnten auf diesen Abschnitten<br />
ohne Zuschlag benutzt werden und bedienten ggf. auch mehr Halte, die nicht „schnellzugwürdig“<br />
waren. „Eb“ und „Er“ waren in der Regel geschäftsgeführt durch die jeweilige<br />
<strong>Bundesbahn</strong>direktion.<br />
Nahverkehrszüge:<br />
N = Nahverkehrszug (30), Nb = Nahverkehrszug im<br />
Berufsverkehr (31), Nm = Militär-Nahverkehrszug (32),<br />
Nv = Nahverkehrszug des Ballungsverkehrs (35),<br />
Nvb = Nahverkehrsberufszug des Ballungsverkehrs (36),<br />
S = DB-Schnellbahn-Zug (39)<br />
Bei allen Zuggattungen außer dem TEE wurde der Einsatz von Triebwagen intern durch ein<br />
kleines „t“ gekennzeichnet (zum Beispiel Dt, Et); bei Schienenbussen kam zusätzlich ein „o“<br />
dazu (zum Beispiel Nto, Eto). Das „b“ für Berufsverkehrszug wurde später gestrichen.<br />
Interne Zuggattungen 1988<br />
Zum Sommerfahrplan 1988 nahm die DB ergänzend zu der<br />
obigen Aufstellung im internen Zuggattungsverzeichnis<br />
umfangreiche Neuerungen vor. Hauptsächlicher Grund dafür<br />
waren weitere neue Zugkonzepte beim Personen- und Güterverkehr.<br />
Dabei wurden auch wegen der internen Kostenzuteilung<br />
weitere Differenzierungen notwendig. Neu waren nun:<br />
EC = EuroCity-Zug (10: Zuglauf auf dem Stammnetz;<br />
12: Zuglauf auf An- und Auslaufstrecken außerhalb),<br />
IC = Intercity-Zug (11: Zuglauf auf dem Stammnetz;<br />
13: Zuglauf auf An- und Auslaufstrecken außerhalb),<br />
D = Schnellzug (20: Tageszug; 21: Nachtzug),<br />
IR = InterRegio-Zug (17), AE = Auto-Express (16): bisher als<br />
„Dk“ geführte Autoreisezüge, DZ = Reisezug im Sonderund<br />
Spezialverkehr (24): bisher „D“ und „E“; der „DZ“ wurde<br />
fortan die Standard-Zuggattung für alle Reisesonderzüge,<br />
die mit Fahrplananordnung eingelegt wurden,<br />
M = Militärzug (25): bisher „Dm“, ICE = Intercity-Express-Zug (14):<br />
im Vorgriff auf den künftigen ICE-Verkehr,<br />
ECE = EuroCity-Express (15): vorgesehen für internationale<br />
ICE-Züge; dies wurde aber nicht realisiert, FD = Ferienzug (18):<br />
neue Bezeichnung anstelle von „Fern-Express“.<br />
RSB = Regionalschnellbahnzug (38): beschleunigter Reisezug im<br />
linienbezogenen Taktverkehr, RB = Regionalbahnzug (41): Reisezug<br />
des Regionalverkehrs mit Systemhalten, CB = City-Bahn-<br />
Zug (44): Reisezug des linienbezogenen Verdichtungsverkehrs<br />
mit Systemhalten und angemessenem Reisekomfort.<br />
Daneben gab es weiterhin die traditionellen Zuggattungen E (30) und N (35) für noch nicht<br />
auf modernisiertes Fahrzeugmaterial umgestellte Züge sowie S (47) für die S-Bahn. Im<br />
Kursbuch behielt der Messeschnellzug übrigens das Kürzel „M“; 1992 verwendete die DB es<br />
auch wieder intern dafür; die Militärschnellzüge wurden wie vor 1988 zu „Dm“.<br />
24<br />
Am 20. März 1987 stellt die <strong>Bundesbahn</strong> in Hannover das Farbkonzept<br />
der neuen CityBahn vor. Zu dem Anlass veranstaltet sie eine Pressefahrt<br />
von Hannover Hbf nach Hannover-Leinhausen Jens-Olaf Griese-Bandelow<br />
Auch das wurde 1983 generell abgeschafft und dafür der zuschlag -<br />
freie IC eingeführt.<br />
Die Angebots-Offensive der <strong>Bundesbahn</strong><br />
Mitte der 1980er-Jahre begann die DB schließlich, das Zugangebot<br />
umzukrempeln. Konkret stattete sie den Regionalverkehr mit neuen<br />
„Marken“ aus. Quasi ein Versuchsträger war der „City-Bahn“<br />
genannte Zug, mit dem zwischen Köln und Gummersbach 1984 ein<br />
neuer Nahverkehrs-Komfort Einzug hielt. 1988 wurde dafür die Zuggattung<br />
„CB“ geschaffen und wie folgt definiert: Reisezug des li nien -<br />
bezogenen Verdichtungsverkehrs mit Systemhalten und angemessenem<br />
Komfort; für Letztgenanntes sorgten umgebaute, neu<br />
lackierte Silberling-Wagen, die zunächst gar ein Bistro mitführten.<br />
Ergänzend dazu stellte die DB drei Jahre später auf der Strecke<br />
Kiel – Flensburg den Vorreiter einer neuen Markenstrategie des Nahverkehrs<br />
vor. Der Regionalschnellbahnzug (RSB) war ein „beschleunigter<br />
Reisezug im linienbezogenen Taktverkehr“, der mit neuen<br />
Fahrzeugen (im Fall Kiel – Flensburg: Triebwagen 628) gefahren<br />
werden sollte. Die Beschleunigung kam unter anderem dadurch zu<br />
Stande, dass er auf einige weniger frequentierte Unterwegshalte<br />
verzichtete. Die RSB – die seinerzeit im Kursbuch noch als Eilzug<br />
vermerkt war – wurde später ergänzt durch den Regionalbahnzug<br />
(RB), einen Reisezug des Regionalverkehrs mit Systemhalten. RSB,<br />
RB und CB waren die Zuggattungen, welche die bisherigen Eil- und<br />
Nahverkehrszüge ablösen sollten. Voraussetzung für die Änderung<br />
war ein entsprechender Fahrzeugeinsatz bei diesen Zügen: neue<br />
Triebwagen 628 oder modernisierte Silberlinge mit neu gestalteter<br />
Inneneinrichtung und Außenanstrich in den neuen Produktfarben<br />
des Nahverkehrs in Mintgrün/Hellgrau. Es dauerte aber bis <strong>1989</strong>, bis<br />
diese Zuggattungen auch im Kursbuch erschienen.<br />
Im Fernverkehr hatten sich zwischenzeitlich ebenfalls Änderun -<br />
gen ergeben. Zum Sommerfahrplan 1987 wurden die letzten Über -<br />
bleibsel des TEE abgelöst durch die neue Zuggattung EuroCity (EC).<br />
Als EuroCity galten internationale Qualitätszüge, die weitgehend<br />
den IC-Zügen der DB entsprachen und für die eine Reihe von Komfortkriterien<br />
festgelegt wurde. Im internen Zuggattungsverzeichnis<br />
blieb der TEE zunächst erhalten und die Züge des „Lufthansa-<br />
Airport-Express“ wurden in diesem Fahrplanjahr noch so be zeich -<br />
net. Ab 1988 verkehrten auch diese Züge als IC-Züge.<br />
In der Zughierarchie der <strong>Bundesbahn</strong> stand mittlerweile der IC<br />
mit beiden Wagenklassen an erster Stelle. Rang zwei hatte – mit<br />
deutlichem Abstand – der D-Zug inne; jedoch arbeitete die DB seit
Eine der „Zug-Neuheiten“ der 1980er-Jahre ist der „Fern-Express“. Im November<br />
1988 fährt FD 1981 „Königssee“ in Augsburg aus; der Zug hat druckertüchtigte IC-<br />
Wagen, da er die Neubaustrecke Fulda – Würzburg nutzt. Hinter Zuglok 120 135<br />
läuft der „Kinderland“-Wagen mit Spielmöglichkeiten für die Kleinen Josef Mauerer<br />
Taktverkehr und neues Wagenmaterial sind die Stärken des Inter-<br />
Regio, der zum Winterfahrplan 1988 an den Start geht. Schritt für<br />
Schritt baut die DB ein Liniennetz auf; im Juni <strong>1989</strong> gehört auch der<br />
Streckenabschnitt Frankfurt – Darmstadt – Karlsruhe dazu (Bild mit<br />
einer 111 in Buchschlag-Sprendlingen) Helmut Scheiba<br />
Mitte der 1980er-Jahre an der Konzeption für einen neuen Zug, der<br />
zum Winterfahrplan 1988 an den Start ging. Der InterRegio war als<br />
schrittweise Ablösung für den D-Zug gedacht und verkehrte im<br />
<strong>Zwei</strong>-Stunden-Takt auf festgelegten Linien; geplant war ein Liniennetz,<br />
das ergänzend zum IC auch Mittelzentren und Nebenfern -<br />
strecken erschließen sollte. Der IR erhielt ein vollkommen neu<br />
gestaltetes Wagenmaterial, das aus dem Umbau bisheriger D-Zug-<br />
Abteilwagen entstand. Wie bei den IC-Zügen gab es eine Block zug -<br />
bildung, wobei zwischen den beiden Wagenklassen ein neu konzipierter<br />
Bistro-Wagen eingereiht wurde. Das System wurde mit dem<br />
weiteren Zugang von umgebauten Wagen laufend erweitert.<br />
So hatte die DB bis Ende der 1980er-Jahre eine Reihe neuer Zuggattungen<br />
geschaffen. Vergleicht man das Angebot mit dem von <strong>1970</strong>,<br />
dann präsentierte sie sich sogar weitgehend neu aufgestellt. Es gab<br />
nur noch wenige Gemeinsamkeiten zwischen damals und jetzt; sowohl<br />
im Fernverkehr als auch im Nah verkehr. Josef Mauerer/GM
Strecken, Züge, Betrieb<br />
| PENDLERZÜGE ABSEITS DER HAUPT<strong>BAHN</strong>EN<br />
Mehr als<br />
160 Sitzplätze<br />
Im Berufs- und Schülerverkehr setzte die DB auch<br />
auf <strong>Zwei</strong>g- und Nebenbahnen lokbespannte Züge ein,<br />
um das erhöhte Fahrgastaufkommen zu bewältigen.<br />
Das bescherte Eisenbahnfreunden interessante<br />
Betriebsformen und fotogene Motive<br />
Zu Beginn der <strong>1970</strong>er-Jahre waren<br />
bereits mehrere Stilllegungswellen<br />
über Westdeutschland hinweg gerollt;<br />
Busse und Lkw hatten insbesondere auf dem<br />
Lande den Personen- und Güterverkehr<br />
über nommen. Die noch verbliebenen <strong>Zwei</strong>gstrecken<br />
verdankten ihr Überleben vielfach<br />
den Schienenomnibussen der Baureihen<br />
795 und 798, die mit ihren gegenüber dem<br />
Dampfzug wesentlich geringeren Betriebskosten<br />
als „Retter der Nebenbahnen“ galten.<br />
Tagsüber „Fleischwurst einfach“<br />
Auffallend viele nebenbahnähnliche Stichstrecken<br />
im ländlichen Raum führten zu einem<br />
an einer Hauptbahn gelegenen Mittelzentrum<br />
mit Schulen und Arbeitsplätzen;<br />
mitunter liefen sie sogar sternförmig darauf<br />
zu. Tagsüber genügte zur Bedienung dieser<br />
<strong>Zwei</strong>gstrecken eine „Fleischwurst einfach“,<br />
wie die allgegenwärtigen zwei und dreiteiligen<br />
Schienenbuseinheiten mit ihrer roten<br />
Farbgebung manchmal von Eisenbahnfreunden<br />
verächtlich genannt wurden. Morgens<br />
und am frühen Abend im Berufsverkehr<br />
reichten ihre 100 bis 160 Sitzplätze aber nicht<br />
mehr aus. Da das Vorhalten einer weiteren<br />
Triebwageneinheit als unwirtschaftlich galt,<br />
verfügten zahlreiche Nebenbahnen über<br />
eine eigene Wagengarnitur, deren Länge den<br />
Anforderungen des Berufs- und Schülerverkehrs<br />
angepasst war. Sie bestanden größtenteils<br />
aus drei- oder vierachsigen Umbau -<br />
wagen (Typen 3yg und 4yg) mit meist mehr<br />
als 250 Sitzplätzen, gelegentlich waren sogar<br />
noch Vorkriegswagen eingereiht.<br />
Eine Lok für Reisende und Güter<br />
Bei der Zuteilung von Lokomotive und Personal<br />
(Zugführer, Lokführer und gegebenenfalls<br />
Heizer) bestand das Problem, dass diese<br />
Züge entsprechend der Lastrichtung früh<br />
morgens zur Stadt an der Hauptbahn und<br />
am Abend zurück aufs Land verkehrten, wo<br />
Der Übergang vom Personen- zum Güterzug war für Zugbegleiter problemlos, konnten sie doch<br />
im Güterzugbegleitwagen mitfahren (Bild von der Strecke Wiesau – Waldsassen, <strong>1970</strong>er-Jahre).<br />
Die Kabine im Tender, wie sie manche 50er hatte, wurde dafür nur selten benutzt Dr. D. Beckmann<br />
Künzelsau war der Betriebsmittelpunkt<br />
der Strecke Waldenburg – Forchtenberg.<br />
Die 211 mit ihren drei Umbauwagen diente<br />
dem Berufs- und Schülerverkehr, die übrigen<br />
Leistungen erbrachte der Schienenbus.<br />
Reisezüge und der Güterverkehr – inklusive<br />
der Bedienung von Anschlüssen – lasteten<br />
die 211 den ganzen Tag aus. Dennoch stellte<br />
die DB zum Sommer 1981 den Betrieb ein<br />
Dr. Dietmar Beckmann<br />
26<br />
Lok und Personal fern der Heimat übernachten<br />
oder leer zurückfahren mussten.<br />
Da zur <strong>Bundesbahn</strong>zeit der Personenund<br />
der Güterverkehr noch nicht wie heute<br />
einzelnen Sparten zugeordnet waren, sondern<br />
unter einem Dach arbeiteten, ließ sich<br />
die Personenzuglok auch vor einen Güterzug<br />
spannen. So lag es nahe, mit der Maschine<br />
des abendlichen Arbeiterzuges auf dem anschließenden<br />
Rückweg die auf der Stichstrecke<br />
angefallenen Güterwagen an die Hauptbahn<br />
zu bringen, wo sie von Nah- oder<br />
Durchgangsgüterzügen übernommen wurden.<br />
Vielfach konnten zumindest mit den Eilgutwagen<br />
die attraktiven Züge des „Nacht -<br />
sprungs“ erreicht werden. Lok und Personal<br />
durften so die Nacht „zu Hause“ verbringen.<br />
Morgens lief die Prozedur umgekehrt; die<br />
Diesel- oder Dampflok verteilte in aller<br />
Frühe zunächst die Güterwagen auf die
Drei lokbespannte<br />
Züge sah die DB im<br />
Sommer 1979 für den<br />
Schüler- bzw. Berufsverkehr<br />
Künzels au –<br />
Forchtenberg vor; sie<br />
verließen Künzels au<br />
jeweils um 06:30 Uhr,<br />
12:15 Uhr und um<br />
16:50 Uhr Slg. D. Beckmann<br />
Bahnhöfe der Stichstrecke und übernahm<br />
dann den morgendlichen Arbeiter- und Schülerzug<br />
in die Stadt. Auf einigen Strecken<br />
dienten die lokbespannten Züge auch dem<br />
Schülerverkehr mit einer zusätzlichen Fahrt<br />
am Mittag.<br />
Aber nicht nur Pendler nutzten die lokbespannten<br />
Züge, sondern auch Reisende auf<br />
dem Weg zum Fernzug. Wenn die Nebenbahn<br />
in eine Ferienregion führte, saßen im abendlichen<br />
Zug neben den Arbeitern auf dem<br />
Heimweg auch Touristen auf dem Weg zum<br />
Urlaubsort, den sie passend vor dem Abendessen<br />
erreichten. Aus diesem Grunde sorgte<br />
mindestens ein Halbgepäckwagen für ausreichenden<br />
Stauraum, auf manchen Stre -<br />
cken wurde sogar ein separater Gepäck -<br />
wagen mitgeführt.<br />
Mit der weiteren Stilllegung von Nebenbahnen<br />
und, weil die Deutsche <strong>Bundesbahn</strong><br />
zunehmend überfüllte Triebwagen in Kauf<br />
nahm, starb der lokbespannte Pendlerzug in<br />
den 1980er-Jahren langsam aus. Nach der<br />
Bahnreform war eine umlauftechnische<br />
Kopplung von Per sonen- und Güterverkehr<br />
ohnehin nicht mehr erwünscht.<br />
Dr. Dietmar Beckmann<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 27
Strecken, Züge, Betrieb | DR. ROLF BRÜNING UND DIE BAUREIHE 403<br />
Begegnungen mit<br />
„Donald Duck“<br />
Im Jahr 1973 stellt die <strong>Bundesbahn</strong> den neuen IC-Triebwagen vor: den 403,<br />
wegen der abgeschrägten Front von Fans bald „Donald Duck“ genannt. Zu den<br />
Bewunderern zählt Dr. Rolf Brüning; zunächst als Fotograf, später als Fahrgast<br />
Der 403 hatte mich seit jeher fasziniert.<br />
Jahrelang „begleitete“ ich ihn fotografisch<br />
und verfolgte die Kapitel seiner<br />
Einsatzgeschichte mit großem Interesse.<br />
Da waren die Präsentation mit einem Modell<br />
auf der Hannover-Messe 1972, die Einsätze<br />
im IC-Verkehr, welche die schnittigen Züge<br />
über die Nord-Süd-Strecke führten, und<br />
schließlich der Dienst als „Lufthansa Airport<br />
Express“. Aber der Reihe nach.<br />
Als die Deutsche <strong>Bundesbahn</strong> <strong>1970</strong> erstmals<br />
drei elektrische Schnelltriebwagen bestellt<br />
hatte, war die Fachwelt gespannt auf<br />
die vierteiligen Paradezüge 1.Klasse für eine<br />
Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Gleisbogenabhängige<br />
Neigetechnik sollte höhere<br />
Geschwindigkeiten auf kurvenreichen Strecken<br />
ermöglichen. Daher waren die Seitenwände<br />
abgeschrägt, so dass eine maximale<br />
Neigung von +/- 4 Grad möglich war. Weil<br />
die Stromabnehmer aber nicht wie später<br />
bei den ICE-T 411/415 zum Ausgleich<br />
schwenk bar waren, ist die Neigung auf<br />
+/- 2 Grad beschränkt worden. Später wurde<br />
Ein erstes Modell sorgte<br />
auf der Hannover-Messe<br />
1972 für Aufsehen<br />
stand waren als Abteilwagen mit 45 Sitzplätzen<br />
gestaltet, die Mittelwagen 404 001–003<br />
boten im Großraum 51 Sitze und in den als<br />
Halbspeisewagen ausgeführten Zwischenwagen<br />
404 101-103 gab es 24 Plätze im Restaurant<br />
sowie weitere 18 Sitzplätze.<br />
Im März 1973 begann die Auslieferung.<br />
Nicht nur bei der Form, auch bei der Farbgebung<br />
hatte die DB Neuland betreten: Die<br />
Fahrzeuge waren kieselgrau lackiert und be -<br />
sa ßen dazu ein schwarzbraunes Fenster -<br />
band zwischen orangefarbenen Trennstreifen.<br />
An der Seite der Endwagen prangte das<br />
IC-Logo, gemäß dem vorgesehenen Einsatzgebiet.<br />
Nach zahlreichen Probe- und Vorführ-<br />
Fahrten wurden die 403er dann ab dem Winterfahrplan<br />
1973/74 auf der IC-Linie 4 einge-<br />
die über variable Füllung der Bälge der Luftfederung<br />
arbeitende Neigetechnik stillgelegt,<br />
weil sich Reisende beschwert hatten.<br />
Die Stirnfronten hatten ein neues, aerodynamisch<br />
zugeschnittenes Design, das dem<br />
Zug bei Eisenbahnfreunden den Spitznamen<br />
„Donald Duck“ einbrachte. Vor der Fertigstellung<br />
war ein Modell des Kopfs angefertigt<br />
worden, das, wie erwähnt, im April 1972 auf<br />
der Hannover-Messe für Aufsehen sorgte.<br />
Die elektrische Ausrüstung lehnte sich an<br />
den S-Bahn-Triebwagen der Baureihe 420<br />
an; die Kraft wurde über Gummiring-Kar -<br />
dan auf alle Achsen übertragen. Jeder Wagen<br />
war mit einer vollständigen elektrischen Ausrüstung<br />
versehen, vom Hochspannungs-<br />
Schalter und von den Bremswiderständen<br />
auf dem Dach über den Trafo und die Steuerung<br />
bis zu den Motoren. Daher änderte sich<br />
die spezifische Leistung eines Triebzuges<br />
kaum, wenn er nicht als vier teilige Einheit<br />
fuhr. Die Endwagen 403 001–006 mit Führer-<br />
28<br />
Die verschiedenen Größen der 403er-Garnituren sind ein reizvolles<br />
Fotothema bei den Triebzügen. Am 21. April 1978 macht sich ein<br />
Fünfteiler mit 403 005 an der Spitze als IC 182 „Hermes“ auf den Weg;<br />
am frühen Morgen verlässt er München Hbf mit Ziel Bremen<br />
Aufnahmen des Beitrags, wenn nicht anders angegeben: Dr. Rolf Brüning
Am 7. März 1987 ist das Aufkommen auf „Flughöhe Null“ so<br />
hoch, dass Zug LH 1005 als Sechsteiler fahren muss. Vier Mittel -<br />
wagen sind an diesem Tag wohl nicht verfügbar, so dass die DB<br />
einer vierteiligen Garnitur mit 403 002 eine Kurzgarnitur aus<br />
zwei Triebköpfen beigibt; hier auf der linken Rheinstrecke bei<br />
Hirzenach. Oben: Zur Information liegt im Zug ein Buch aus<br />
Starke Beachtung findet das 1:1-Modell des<br />
403er-Kopfs, das auf der Hannover-Messe im<br />
April 1972 ausgestellt wird. Der Schnelltriebwagen<br />
befindet sich zu der Zeit im Bau<br />
setzt. Sie übernahmen Leistungen zwischen<br />
München und Bremen. Von 1976 an waren<br />
sie in den Plänen von IC 180/187 „Hermes“<br />
und IC 182/189 „Albrecht Dürer“ anzutreffen.<br />
Dazu brauchte es stets zwei Garnituren, die<br />
dritte stand als Reserve und für Wartungs -<br />
arbeiten zur Verfügung. Allerdings habe ich<br />
beim Fotografieren an der Nord-Süd-Strecke<br />
auch mehrfach Ersatz in Form eines Wagenzuges<br />
mit einer Ellok der Reihe 103 erlebt.<br />
Im Mai 1979 weitete die <strong>Bundesbahn</strong> das IC-<br />
Angebot mit dem Slogan „Jede Stunde, jede<br />
Klasse“ aus. Im durchweg doppelklassigen<br />
System war für reine 1.-Klasse-Triebzüge<br />
kein Platz mehr. Während die ehemaligen<br />
TEE-Triebzüge der Reihe VT 11 bzw. 601 und<br />
602 noch Verwendung als „Alpen-See-Express“<br />
im Reisebüro-Verkehr fanden, suchte<br />
man für die drei 403 krampfhaft nach einer<br />
Aufgabe. Schließlich ergab sich unter Einflussnahme<br />
des Bundesverkehrsministe -<br />
riums in Zusammenarbeit mit der Lufthansa<br />
eine Lösung. Da Kurzstreckenflüge ziemlich<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 29
Strecken, Züge, Betrieb | DR. ROLF BRÜNING UND DIE BAUREIHE 403<br />
Gegen Ende seiner Einsatzzeit hatte der „Airport Express“ bereits zahlreiche Fahrgäste an<br />
reguläre IC-Züge abgegeben. So genügte eine dreiteilige Garnitur, wie hier 403 001 als<br />
LH 1006 auf der linken Rheinstrecke bei Trechtingshausen<br />
unwirtschaftlich sind, wurde zwischen den<br />
Flughäfen Frankfurt Rhein-Main und Düsseldorf<br />
die „Flughöhe Null“ eingeführt – der<br />
403 als Zug ersetzte das Flug zeug.<br />
Dafür wurde in jedem Wagen eine Galley<br />
eingebaut und in der nicht mehr benötigten<br />
Küche ein Abteil für Gepäck-Container vorgesehen.<br />
Äußerlich erhielten die Triebwagen<br />
einen Anstrich in Lufthansa-Farben, und<br />
zwar Kieselgrau mit melonengelbem Strei -<br />
fen unterhalb der Fenster. Spötter haben behauptet,<br />
das sei wegen des gelben Schnabels<br />
von „Donald Duck“ erforderlich gewesen. In<br />
diesem Outfit konnte man die eleganten Zü -<br />
ge vom 28. März 1982 bis 1993 als „Lufthansa<br />
Airport Express“ mehrmals täglich auf der<br />
linken Rheinstrecke bewundern. Die als<br />
„LH 100x“ bezeichneten Züge – in den ersten<br />
Jahren im Rang eines TEE – konnten allerdings<br />
nur mit einem relativ teuren Flugticket<br />
benutzt werden; normale IC-Fahrkarten für<br />
die 1. Klasse wurden nicht akzeptiert.<br />
Mitfahrt im Führerstand<br />
Damals hatte ich beruflich öfter in Amerika<br />
zu tun, und es gab eine spezielle Regelung,<br />
dass bei einem Überseeflug ein kostenloser<br />
Inlandflug abfiel. Bisher hatte ich dafür eigentlich<br />
keine Verwendung gehabt. Aber<br />
plötzlich sah ich doch eine Möglichkeit:<br />
die zur „geschenkten Fahrt“ im „Airport Ex -<br />
press“ 403.<br />
Nach mehreren meiner USA-Reisen war<br />
man im Reisebüro so freundlich, das angesammelte<br />
Guthaben für vier Inlandsflüge<br />
umzuwandeln in je ein Ticket für meinen<br />
Sohn und mich für den „Flug im Zug“ vom<br />
Rhein-Main-Flughafen nach Düsseldorf und<br />
zurück. So stiegen wir am 14. November 1982<br />
im S-Bahnhof am Frankfurter Flughafen in<br />
den LH 1002 ein. Da ich Plätze ganz vorne<br />
im ersten Wagen gebucht hatte, waren wir<br />
schnell beim Lokführer. Noch vor dem Start<br />
30<br />
Aufnahme: Prof. Klaus Nicol<br />
Zur Person<br />
Der Autor<br />
Dr. Rolf Brüning, Jahrgang 1940, hat<br />
im Fachbereich physikalische Chemie<br />
promoviert. Seit 1969 war er bei einem<br />
Unternehmen in Hanau tätig, unter<br />
anderem als Leiter der Entwicklungsabteilung.<br />
Von <strong>1989</strong> an leitete er die<br />
Patentabteilung einer Konzernfirma,<br />
seit 2003 arbeitet er freiberuflich als<br />
Patentanwalt. Für die Eisenbahn begeistert<br />
er sich seit der Kindheit; seit 1955<br />
ist er auch als Eisenbahn-Fotograf aktiv.<br />
Der <strong>spannende</strong> Augenblick bei der Mitfahrt<br />
im Zug LH 1002: Vom Führerstand „seines“<br />
403 aus erlebt Dr. Rolf Brüning, wie mit<br />
LH 1003 vor dem Bahnhof Rolandseck ein<br />
weiterer „Airport Express“ entgegen kommt<br />
fragten wir ihn und seinen Begleiter, ob wir<br />
bei geöffneter Türe im Führerstand stehend<br />
mitfahren dürften. Die freundlichen Herren<br />
hatten Verständnis für unseren Wunsch, so<br />
dass wir die häufig fotografierte Strecke aus<br />
erster Hand genießen durften.<br />
Noch vor Bischofsheim wurde per Funk<br />
durchgegeben, dass der Mainzer Hauptbahnhof<br />
ausgelastet sei und daher der Zug um -<br />
geleitet werde: Der Alternativweg führte von<br />
Bischofsheim über den Main und durch die<br />
südlichen Wiesbadener Vororte. Von Amöneburg<br />
aus fuhren wir dann über die Kaiserbrücke<br />
nach Rheinland-Pfalz und erreichten<br />
die Gleise der linken Rheinstrecke westlich<br />
des Mainzer Hauptbahn hofs.<br />
In rascher Fahrt ging es weiter nach Bingen,<br />
wo auf der Nahebrücke die Kilo metrie -<br />
rung der Strecke von Köln endet und mit<br />
„Null“ nach Mainz neu beginnt. Hinter den<br />
ausgedehnten Gleisanlagen von Binger -<br />
brück erschloss der „Airport Express“ den<br />
romantischen Abschnitt des Mittelrheins:<br />
Burgen, Rebenhänge und die kurvige<br />
Strecke, das alles von einem exklusiven Zug<br />
mit der 1. Klasse aus – es gab sicher weniger<br />
angenehmen „Ersatz“ für einen Inlandsflug.<br />
Für uns hatte die Reise auch noch eine<br />
Besonderheit zu bieten: Kurz nach dem Haltepunkt<br />
Rolandseck mit dem berühmten<br />
Arp-Museum tauchte in der langen Linkskurve<br />
bei Rolandswerth am Streckenkilometer<br />
44,6 plötzlich ein weiterer 403 auf: der<br />
Gegenzug LH 1003. Er kam gerade richtig,<br />
um ein Foto zu schießen. Und wie man dabei<br />
sieht: Keiner der Triebzüge hat sich zusätz -<br />
lich in die Kurve geneigt. Nach sehr interessanter<br />
Fahrt erreichten wir Düsseldorf und<br />
kehrten in dem besonderen Zug auch später<br />
zurück.<br />
Ende der Einsätze<br />
Nachdem 1993 weder <strong>Bundesbahn</strong> noch<br />
Lufthansa die Kosten für eine fällige Ausbesserung<br />
mit Behebung von Korrosions schä -<br />
den aufbringen wollten, sind die 403er ausgemustert<br />
worden. Nach langer Ungewiss -<br />
heit und einigen Irrfahrten landeten die Züge<br />
nunmehr bei der Privatbahn National Express.<br />
So bleibt zu hoffen, dass zumindest<br />
eine vierteilige Einheit wieder in Betrieb genommen<br />
wird; derzeit läuft die Aufarbeitung<br />
im Netinera-Werk in Neustrelitz.
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Strecken, Züge, Betrieb<br />
| 044 UND 050 IM RUHRGEBIET<br />
E<br />
nde der 1960er-Jahre hatte die <strong>Bundesbahn</strong> einen Werbeslogan<br />
geprägt: „Unsere Lokomotiven gewöhnen sich das<br />
Rauchen ab.“ Soweit es das Ruhrgebiet betrifft, konnte man<br />
das für die frühen <strong>1970</strong>er-Jahre aber noch nicht bestätigen. Dort<br />
qualmten weiterhin Dampflokomotiven der Baureihen 044 und 050<br />
mit den Schloten der Schwerindustrie um die Wette.<br />
Wobei die Betonung wohl auf „noch“ nicht bestätigen liegt, denn<br />
die Wandlung des „Kohlenpotts“ hatte bereits eingesetzt. Nach mehreren<br />
Stahl- und Kohlekrisen waren die Förderung der Kohle und<br />
die Produktion der Montanerzeugnisse stark gedrosselt, zahlreiche<br />
Zechen und Hüttenwerke hatten ihren Betrieb eingestellt. Was blieb,<br />
könnte man als stattlichen Restbestand bezeichnen. Auf dem rund<br />
1.300 Kilometer langen Streckennetz der Deutschen <strong>Bundesbahn</strong><br />
rechts und links der Emscher herrschte noch immer eine extrem<br />
hohe Zugdichte, wozu die Dampfloks unterschiedlicher Bahnbetriebswerke<br />
einen Anteil von zirka 100 Zügen werktäglich beisteuerten.<br />
Schwerpunkt Programmzüge<br />
Planmäßige Dampfzüge mit regelmäßigen Verkehrstagen stellten<br />
dabei eine kleine Minderheit dar. Die Produktionsprozesse der Montanindustrie<br />
erforderten vielmehr auch von der Bahn ein recht flexibles<br />
Transportsystem, das damals durch die DB in Form von unzähligen<br />
Programmzügen angeboten wurde. Für sie wurde zwar ein minutiöser<br />
Fahrplan aufgestellt, ein „Abfuhrprogramm“ legte aber ihre<br />
Verkehrstage von Monat zu Monat neu fest. Zusammen mit den wenigen<br />
Planleistungen und den Sondergüterzügen, deren Einsatz im<br />
Extremfall nur drei Tage im voraus bekannt war, ergab sich für jedes<br />
Das<br />
Dampfparadies<br />
Das Ruhrgebiet zählte zu den letzten Dampflok-Einsatzgebieten Westdeutschlands.<br />
Schlepptenderloks der Baureihen 044 und 050–053 zogen noch bis weit in die<br />
<strong>1970</strong>er-Jahre werktags schwere Montangüterzüge durch die Industrieregion.<br />
Zwischen Hamm und Duisburg waren sie kreuz und quer unterwegs<br />
32
Unter dem markanten Wasserturm des Bahnbetriebswerks Gelsenkirchen-Bismarck<br />
warten im Frühjahr 1977 die letzten Dampfloks<br />
des Ruhrgebiets auf die Zuteilung eines Montanzuges<br />
Herbert Beckmann sr./Slg. Dr. Dietmar Beckmann<br />
Bahnbetriebswerk (Bw) eine täglich wechselnde Kombination von<br />
Güterzügen. Dafür galt es, die Traktion zu stellen und die verfügbaren<br />
Loks aller Traktionsarten unter Berücksichtigung der spezifischen<br />
Eignung einzuteilen. Zusätzlich hielt man täglich einige Maschinen<br />
für ganz kurzfristige Leistungen der Zugleitung bereit.<br />
Die im Ruhrgebiet von Dampfloks gezogenen Montanzüge transportierten<br />
nicht nur die heimische Steinkohle, den frisch gelöschten<br />
Koks und die hochwertigen Erzeugnisse der örtlichen Stahlindustrie<br />
in die übrigen Teile Deutschlands oder Europas. Sie verkehrten auch<br />
im großen Umfang innerhalb der Emscherregion zwischen den einzelnen<br />
zum Teil weit auseinanderliegenden Produktionsstandorten.<br />
Dampfloks zogen Kohlezüge von den Zechen zu den Kraftwerken,<br />
Kokereien oder zu den Häfen, Kokszüge von der Kokerei zum Hüttenwerk,<br />
Erzzüge von den Häfen zum Hüttenwerk, Rohstahlzüge<br />
Da die Kupferhütte direkt am Rhein in Duisburg-Hochfeld nicht<br />
über einen Tiefbunker verfügte, wurde der Brennstoff Koks in<br />
Kübeln geliefert. Nur an Sonn- und Feiertagen, wie auf dem Bild<br />
am 1. Mai 1976, nahmen die leeren Kokszüge (stets mit einer 050<br />
bespannt) den Weg entlang des Rheins und fuhren dabei unter<br />
der großen Rheinbrücke nach Rheinhausen hindurch<br />
Dr. Dietmar Beckmann<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 33
Strecken, Züge, Betrieb<br />
| 044 UND 050 IM RUHRGEBIET<br />
Aus der obersten Etage eines Bürohochhauses hatte man einen faszinierenden<br />
Blick auf die Zeche Consolidation in Gelsenkirchen-Bismarck.<br />
Am 15. Oktober 1976 verlässt 044 177 die Schachtanlage mit ihrem<br />
2.200 Tonnen schweren Übergabezug nach Gelsenkirchen-Schalke<br />
Herbert Beckmann sr./Slg. Dr. Dietmar Beckmann<br />
Am 19. Februar 1977 sind die 044 des Bw Gelsenkirchen-Bismarck noch<br />
im regulären Einsatz; 044 343 steht auf der Drehscheibe Theodor Horn<br />
vom Hüttenwerk zur Stahlindustrie, Kalkzüge von den Abbaugebieten<br />
zu den Kraftwerken etc. ... stets in einem täglich wechselnden<br />
Einsatzplan.<br />
„Geheimtipps“ der Lokleitungen<br />
Dem regelmäßig im Ruhrgebiet fotografierenden Eisenbahnfreund<br />
blieb damit gar nichts anderes übrig, als zwei bis drei Mal in der<br />
Woche die verschiedenen Lokleitungen aufzusuchen, dort – wenn<br />
es die <strong>Bundesbahn</strong>er gestatteten – die meist zwei Tage im voraus ausgehängten<br />
Umlaufpläne zu sichten und die fotogen erscheinenden<br />
Leistungen zu notieren. In einem zweiten Schritt musste man mit<br />
Buchfahrplänen den Laufweg durch das für Auswärtige undurchschaubare<br />
Streckennetz erkunden. Erst, wenn mit diesen Infor -<br />
mationen die Dampfzüge gezielt aufgespürt waren, machte es Sinn,<br />
sich für ein Foto an der Strecke aufzustellen.<br />
34<br />
Erschwerend kam hinzu, dass die Dampfloks des Ruhrgebiets<br />
nicht von einem zentralen Ort aus eingesetzt wurden, sondern sich<br />
bis 1975 auf vier Bahnbetriebswerke verteilten. Die 134 Loks der<br />
Baureihe 050–053 waren in Duisburg-Wedau mit 28, in Oberhausen-<br />
Osterfeld Süd mit 50 und in Wanne-Eickel mit 56 Exemplaren beheimatet;<br />
die 52 Loks der Baureihe 044 konzentrierten sich auf das Bw<br />
Gelsenkirchen-Bismarck mit den Einsatzstellen Wanne-Eickel und<br />
Oberhausen-Osterfeld Süd. Dabei hatte jedes Bw ganz signifikante<br />
Aufgabengebiete und seine Spezialitäten.<br />
Die Betriebswerke und deren Einsatzbereich<br />
Das Bw Duisburg-Wedau hatte 1939 seine ersten 50er erhalten, die<br />
es teilweise bis zum Ende der Dampflokzeit behielt. Neben Montanzügen<br />
im westlichen Ruhrgebiet fuhren die Wedauer Maschinen fast<br />
exklusiv die Kalk- und Kalksteinzüge auf der Angertalbahn südlich<br />
des Ruhrgebiets mit Zielen in Rheinhausen, Oberhausen West, Mil -<br />
lin gen und auf der Mannesmann-Anschlussbahn in Duisburg-Huckingen.<br />
Eher unty pisch war ihr Einsatz vor dem nachmittäg lichen<br />
Personenzug 2689 von Wedau über die Rheinische Güterbahn nach<br />
Reckling hausen, der allerdings erst ab Gelsenkirchen im Kursbuch<br />
verzeichnet war und vorwiegend den Arbeitern des Ausbesserungswerkes<br />
Wedau als Direktverbindung nach Hause diente.<br />
Auch das Bw Oberhausen-Osterfeld Süd war ein traditionelles<br />
Güterzug-Bw. In den letzten Jahren des Dampfbetriebes führten die
Ein Benzinzug aus Spellen passiert den Duisburger Stadteil Hamborn,<br />
wo die Stichstrecke meist in Dammlage durch die Hinterhöfe der<br />
Arbeiterviertel verläuft Herbert Beckmann sr./Slg. Dr. Dietmar Beckmann<br />
Übersicht<br />
Die Letzten vor Ort<br />
Die jeweils letzten Dampfloks in den letzten vier Dampf-Bws<br />
im Ruhrgebiet<br />
Am 2. Juni 1973 schmückt der damals 16-jährige Autor im<br />
Bw Osterfeld die Zuglok des letzten dampfgeführten öffentlichen<br />
Personenzuges des Ruhrgebiets, des P 2602 von<br />
Essen Hbf nach Coesfeld Herbert Beckmann<br />
Betriebswerk Letzter Tag An diesem Tag<br />
der Dampflok- noch beheimatete<br />
unterhaltung Lokomotiven<br />
Oberhausen- 01.10.1975 050 056-1, 050 078-5, 050 232-8,<br />
Osterfeld Süd 050 256-7, 050 276-5, 050 489-4,<br />
051 225-1, 051 235-0, 052 353-0,<br />
052 409-0, 052 483-5, 052 545-1<br />
Wanne-Eickel 31.10.1975 051 702-9<br />
Duisburg-Wedau 17.02.1977 050 904-2, 051 255-8, 051 724-3,<br />
052 908-1<br />
Gelsenkirchen- 22.05.1977 044 209-5, 044 215-2, 044 216-0,<br />
Bismarck 044 377-0, 044 402-6, 044 424-0,<br />
044 434-9, 044 481-0, 044 508-0,<br />
044 556-9, 044 650-0<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 35
Strecken, Züge, Betrieb<br />
| 044 UND 050 IM RUHRGEBIET<br />
<strong>Zwei</strong> typische Ruhrgebiets-Vertreter beisammen: Unten hat 044 383<br />
einen Erzzug nach Bochum-Weitmar übernommen, oben ist ein<br />
Nahverkehrstriebwagen 430 auf dem Weg von Bochum Hbf nach<br />
Dortmund (April 1976) Dr. Dietmar Beckmann<br />
Für die Erztransporte verwendete die DB neben den üblichen „hohen“<br />
Großraumwagen solche mit abgesenkten Seitenwänden, „Ponywagen“<br />
genannt. Beide Bauarten sind in den morgendlichen Erzzug eingereiht,<br />
der mit einer 044 an der Spitze den Bahnhof Essen-Dellwig auf dem<br />
Gütergleis passiert Dr. Dietmar Beckmann<br />
Osterfelder 050 vorwiegend Übergabeleistungen „rund um den<br />
Kirchturm“ zwischen den zahlreichen Rangierbahnhöfen und<br />
Anschlussgleisen in Duisburg, Essen und Oberhausen aus. Tagesleistungen<br />
mit vier bis fünf Zügen und einer Gesamtleistung von<br />
gerade einmal 50 Kilometern waren die Regel. Als „weiter“ entfernte<br />
Wendebahnhöfe wurden häufig Friedrichsfeld (BP), Möllen, Walsum,<br />
Gladbeck West, Castrop Süd, Dortmund-Eving und zeitweise sogar<br />
Ahlen angefahren. Willkommene Abwechslung brachte der Lok und<br />
dem Personal bis 1973 das Personenzugpaar 2635/2602 von Essen<br />
Hbf nach Coesfeld mit einer Übernachtung im Münsterland.<br />
Die beim ehemaligen Schnellzuglok-Bw Wanne-Eickel mit<br />
seinem großen Rechteckschuppen mit zwei innenliegenden Schiebebühnen<br />
beheimateten 30 Loks der Baureihe 50 waren wochentags<br />
damit beschäftigt, vorwiegend Kohle-, Öl- und Erzzüge von den<br />
Industrieanschlüssen zu den elektrifizierten Rangierbahnhöfen zu<br />
schleppen. Übriggeblieben war aber noch bis 1973 eine inter -<br />
nationale Leistung: das Nahgüterzugpaar Ng 16640/41 ins niederländische<br />
Winterswijk.<br />
Das Güterzug-Bw Gelsenkirchen-Bismarck erhielt am 5. November<br />
1964 mit 44 1420 die erste Dreizylinder-Lokomotive, die in den<br />
folgenden Jahren mehr als 100 Schwestermaschinen ins nördliche<br />
Revier lockte. Bis weit in die <strong>1970</strong>er-Jahre fuhr sie leistungsgerecht<br />
die schwersten Güterzüge auf den nicht elektrifizierten Strecken.<br />
Dazu gehörten insbesondere die „Dicken“, die 2.200 Tonnen schwe -<br />
ren Erzzüge von Duisburg-Ruhrort Hafen zu den Hochöfen in Dortmund-Eving<br />
und zur Henrichshütte in Hattingen. Exklusiv war auch<br />
ihr Einsatz vor den „Torpedozügen“, den Flüssigeisentransporten<br />
36<br />
von Rheinhausen nach Bochum-Präsident. Spitzenreiter im Schwergewicht<br />
war aber eindeutig der 3.000 Tonnen schwere Gdg 9396<br />
(neue Zugnummer ab 1974: Gdg 58064), den eine 044 alleine vom<br />
Schacht „Wilhelm“ der Zeche „Pluto“ mit maximal 30 km/h zum<br />
Umspannbahnhof Wanne schleppen musste.<br />
Der Abschied<br />
Insbesondere ab 1974 ging jedoch der Dampfbetrieb im Ruhrgebiet<br />
stetig zurück. Neu elektrifzierte Strecken, inzwischen zugeteilte<br />
Dieselloks der Baureihen 216 und 290 sowie der strukturbedingte<br />
Rückgang des Montanverkehrs senkten den Bedarf an Dampfloks.<br />
Bereits im Sommer 1975 bespannte das Bw Wanne-Eickel nur noch<br />
wenige Sonderzüge mit Dampf; am 1. November des Jahres verließ<br />
mit 051 702-9 die letzte „Wannerin“ ihre Heimat. Es folgte das Bw<br />
Oberhausen-Osterfeld Süd, das am 1. Juni 1976 letztmals eine 050<br />
für einen Güterzug einsetzte; 051 255-8 fuhr den 57503 von Wedau<br />
nach Castrop Süd. Die Dampflokunterhaltung hatte Osterfeld bereits<br />
zum 1. Oktober 1975 aufgegeben, war aber danach noch Einsatzstelle<br />
des Bw Duisburg-Wedau, das seinerseits zum Auslauf-Bw für alle<br />
050 der DB auserkoren wurde.<br />
Am 17. Februar 1977 bespannte 052 908-1 den Kokszug 47280 von<br />
Castrop Süd bis Wedau, wo eine Ellok der Baureihe 140 die Weiterbeförderung<br />
nach Luxemburg übernahm. Dies war der letzte reguläre<br />
Güterzug der Deutschen <strong>Bundesbahn</strong> mit einer Lok der Baureihe<br />
050. Lediglich die 044 des Bw Gelsenkirchen-Bismarck hatten noch<br />
eine wenige Monate längere Gnadenfrist, aber bis zum Mai sank<br />
auch dort die Zahl der einsatzfähigen Loks auf elf Exemplare ab.
Ungewöhnlicher Gast: Mit einem Sonderzug ist 001 199 im April <strong>1970</strong> nach Essen<br />
Hbf gekommen. Im Reisezugverkehr fuhren im Revier üblicherweise Lokomotiven<br />
der Baureihen 044 und 050 Theodor Horn<br />
Nachdem einen Tag zuvor der letzte dampfgeführte Güterzug gefahren<br />
war, zogen am 21. Mai 1977 die Lokomotiven 044 434-9 und<br />
044 481-0 Sonderzüge aus Emmerich und Duisburg zum Dampfabschied<br />
nach Gelsenkirchen-Bismarck. Am darauffolgenden Montag<br />
brachte 044 508-0 die Ausstellungsfahrzeuge der Deutschen Gesellschaft<br />
für Eisenbahngeschichte (55 3345, E 32 27, 89 7159, 66 002,<br />
90 009, 01 008 und Walsum 5) nach Bochum-Dahlhausen zurück. Mit<br />
der Ankunft dieser Überführungsfahrt auf dem Gelände des Eisenbahnmuseums<br />
war der reguläre Dampfbetrieb im Ruhrgebiet endgültig<br />
beendet. Wenige Monate später gehörte der Dampfbetrieb bei<br />
der <strong>Bundesbahn</strong> insgesamt der Vergangenheit an.<br />
Dr. Dietmar Beckmann<br />
Zum Thema<br />
Erzzüge<br />
Besonderen Respekt bei den Eisenbahnern genossen<br />
die stets sehr schweren, mit Eisenerz beladenen<br />
Ganzzüge, die bis 1975 fast ausschließlich den<br />
Dampfloks vorbehalten waren. Mit den Worten<br />
„Der Dicke kommt!“ leiteten die Stellwerker häufig<br />
ihre Zugmeldung ein, natürlich ergänzt durch den<br />
offiziellen Wortlaut, zum Beispiel „9183 ab 14“.<br />
Jeder Fahrdienstleiter war bemüht, den schweren<br />
wie schwerfälligen Zügen so gut wie möglich eine<br />
grüne Welle quer durch das Ruhrgebiet sicherzustellen.<br />
Ausgangspunkt aller Erzzüge war der Erzkai im<br />
Hafen Duisburg-Ruhrort, dem größten Binnenhafen<br />
Europas. Recht lange Laufwege bescherten den<br />
Zügen insbesondere die Hochöfen der Westfalenhütte<br />
und der Phoenixhütte von Hoesch in Dortmund<br />
sowie der Henrichshütte von Thyssen in Hattingen.<br />
Die Züge nach Dortmund-Eving<br />
Eine besondere Herausforderung, aber auch einen<br />
freien Auslauf für Personal und Maschine bedeuteten<br />
die 2.200 Tonnen schweren „Dicken“ nach Dortmund-<br />
Eving, die grundsätzlich mit nur einer 044 bespannt<br />
waren. Ihr Zuglauf quer durchs Ruhrgebiet führte<br />
sie nicht über Güterzugstrecken, sondern direkt<br />
über die Köln-Mindener-Bahn (Oberhausen – Gelsenkirchen<br />
– Herne), die zwar durchweg eben trassiert<br />
ist, wo der schwere Zug aber mit den zahlreichen<br />
Reisezügen und schnellen Güterzügen „mitschwimmen“<br />
musste. Es war eine willkommene Abwechslung<br />
zu den Kirchturmfahrten und dem üblichen<br />
Gezuckel von Signal zu Signal und von Weiche zu<br />
Weiche auf den überlasteten Güterstrecken.<br />
Auf dem ersten Streckenabschnitt zwischen Oberhausen<br />
und Altenessen, der vier- bzw. dreigleisig<br />
ausgebaut war, hielten sich Lok und Mannschaft<br />
noch zurück, wenn sie auf dem Gütergleis mit<br />
verhaltener Geschwindigkeit eine passende Lücke<br />
abwarteten, um an einer der zahlreichen Gleisverbindungen<br />
auf das Schnellzuggleis zu wechseln<br />
und dann den Regler voll zu öffnen. Nun gab es<br />
freie Fahrt bis Dortmund-Mengede und die 044<br />
konnte zeigen, was in ihr steckte, was sie auch lautstark<br />
tat. Die gewaltige Kraftentfaltung bei der<br />
Beschleunigung auf die erlaubten 80 km/h war<br />
für die Bewohner der nördlichen Stadtteile Essens<br />
nicht überhörbar.<br />
So war es nicht nur für Eisenbahnfreunde ein<br />
unvergessliches Erlebnis, wenn sich der Dicke<br />
mit 80 km/h und einer röhrenden 044 an der Spitze<br />
dem Bahnsteig des Hauptbahnhofs von Gelsenkirchen<br />
näherte und die arglos auf ihren D-Zug<br />
wartenden Reisenden versuchten, sich vor dem<br />
nahenden, Dampf und Rauch speienden Ungetüm<br />
in Sicherheit zu bringen. Gemäß Buchfahrplan<br />
war hier die Durchfahrt sicherzustellen.<br />
Ebenfalls als „Dicke“ bezeichnet wurden die<br />
Erzzüge vom Duisburger Hafen zur Henrichshütte<br />
in Hattingen mit ihrem Laufweg über Bottrop Süd<br />
und Bochum-Riemke. In den Jahren 1973 und<br />
1974 mussten sie allerdings wegen Elektrifizierungsarbeiten<br />
in Bochum den „direkten“ Weg über<br />
Frintrop und Borbeck nehmen. So war es stets ein<br />
beeindruckendes Schauspiel, wenn zwei 044 oder<br />
050 mit voller Kesselleistung durch den Essener<br />
Hauptbahnhof donnerten.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 37
Rückblick<br />
| ALS HEIZER IN DER OBERPFALZ UND IM RUHRGEBIET<br />
Erfahrungen<br />
auf dem Führerstand<br />
Dienst<br />
bei der<br />
Wasserfassen war Heizersache –im<br />
oberpfälzischen Eslarn diente dazu ein<br />
Schlauch. Eisenbahn hatte 1973 noch<br />
etwas Beschauliches<br />
Aufnahmen des Beitrags: Peter Schricker<br />
bzw. Slg. Peter Schricker<br />
Von der Arbeit auf der Dampflok hat der Student<br />
Peter Schricker seit Jahren geträumt. 1973/74 ist es<br />
soweit: Als Werkstudent der <strong>Bundesbahn</strong> darf er zu<br />
den Lokpersonalen stoßen. Ein paar Monate lang<br />
heizt er Lokomotiven der Baureihen 44, 50 und 64<br />
Seit ich 1968 erstmals auf dem Führerstand<br />
einer Dampflok, der Hofer<br />
01 067, mitgefahren war, ließ mich der<br />
Wunsch nicht mehr los, selbst dort zu arbeiten.<br />
Aus Arbeitskräftemangel stellte die <strong>Bundesbahn</strong><br />
in den frühen <strong>1970</strong>er-Jahren auch<br />
Werkstudenten als Heizer ein. Das war die<br />
Chance. Das Ende der Dampflok bei der DB<br />
zeichnete sich unwiderruflich ab. Da wollte<br />
ich noch die Gelegenheit nut zen, das unwiderstehliche<br />
Gemisch aus Dampf, Ruß,<br />
Kohle und heißem Öl hautnah zu erleben.<br />
Anfänge mit dem „Bubikopf“<br />
Mit mehreren Münchner Dampflokbegeisterten<br />
war ich damals „Stammgast“ im Bw<br />
Weiden, das mir 1973 eine Ausbildung zum<br />
Heizer ermöglichte. Ich nahm an dem wohl<br />
letzten Kurs zur Dampflokführerausbildung<br />
teil, wo man mich als Exoten mit großer<br />
Freundlichkeit aufnahm. Nach ein paar<br />
Tagen Theorie ging es endlich in die Praxis.<br />
Klein anfangen, hieß es – und so teilte mich<br />
die Lokleitung einer Aufgabe zu, die mein<br />
Herz nicht mehr hätte erfreuen können: Der<br />
38<br />
Güterzug Eslarn – Weiden hatte an jenem<br />
Novembertag so viel Anhängelast, dass er<br />
ab Lohma Vorspann für die Fahrt über die<br />
Steigung des Fahrenbergs benötigte.<br />
Also setzte man vor die 211 des mittäglichen<br />
Personenzuges Weiden – Eslarn entgegen<br />
der Vorschrift die 64 295, um in Lohma<br />
Die Vorspannfahrt mit<br />
der 64 war ideal, um die<br />
Heizer-Arbeit zu üben<br />
unnötige Rangiermanöver zu vermeiden. Damit<br />
begannen meine ersten eher zaghaften<br />
Heizversuche auf einem „Bubikopf“. Die Vorspannfahrt<br />
vor dem leichten Personenzug<br />
war ideal zum Üben. Heizer und Lokführer<br />
lächelten geduldig, wenn ich immer wieder<br />
mal mit der Schaufel gegen den Rand des<br />
Feuerlochs krachte. Bei der Rückfahrt – als<br />
es ernst wurde – ließ man mich, „den Stift“,<br />
freilich nicht dran, denn jetzt musste jede<br />
Schaufel sitzen.<br />
In Lohma wartete schon 64 415 mit ihrer<br />
beachtlichen Fuhre auf uns, der im nächsten<br />
Rost entschlackt, Ruhefeuer in der Büchse,<br />
Wasser, Kohle, Sand nachgefüllt: 50 2857 ist<br />
bereit für ihre nächste Leistung. Hinten<br />
wartet eine Vorserien-216 auf ihren Einsatz<br />
(Bw Oberhausen-Osterfeld Süd, Okt. 1974)<br />
Bahnhof, Pleystein, noch etliche Wagen hinzugefügt<br />
wurden. Zu allem Übel waren die<br />
Hölzer auf einem der Rungenwagen verrutscht,<br />
so dass wir bei einsetzender Dunkelheit<br />
mitten auf der Rampe zum Fahrenberg<br />
anhalten mussten, um die Fracht neu zu verkeilen.<br />
Als wir schließlich abends im Bahnbetriebswerk<br />
ankamen, war meine Mithilfe<br />
wieder erwünscht. Feuer putzen, Lager<br />
schmieren, Sand nachfüllen ... musste man<br />
ja alles lernen.<br />
Mit 44 und 50 durch die Oberpfalz<br />
Bald schon durfte ich erstmals auf eine 44er.<br />
Mit 4,55 Quadratmetern Rostfläche stellte<br />
diese Bauart eine Herausforderung dar. Ein<br />
junger Heizer nahm mich für die 100 Kilometer<br />
Fahrt von Weiden nach Hof unter seine<br />
Fittiche: dabei viel Steigungsstrecke, zuerst<br />
einmal ohne Halt das kurvenreiche Naabtal<br />
hinauf. „Die Kohln miassen wia Streiselkuchen<br />
drin liegen“, lehrte mich der Mann, der<br />
mit großer Begeisterung und Sachkenntnis<br />
seiner Arbeit nachging. In gleichem zeitlichem<br />
Rhythmus streuten mein Lehrer und
Peter Schricker als Heizer auf der<br />
Museumslok „Luci“ während einer<br />
Sonderfahrt in München 1975. Im<br />
Betriebsdienst stammten seine<br />
Lokomotiven von der Reichsbahn<br />
Bevor es losgeht,<br />
muss Peter<br />
Schricker die<br />
Grundlagen<br />
büffeln. Wichtigste<br />
Unterlage hierbei<br />
ist das Lehrbuch<br />
der <strong>Bundesbahn</strong><br />
zu Dampflokomotiven<br />
ich abwechselnd die beachtlichen Kohlebrocken<br />
über das Feuer. Das gelang mal mehr,<br />
mal weniger gut. Vor dem Scheitelpunkt in<br />
Pechbrunn (Kilometer 44,4) rief ich dem Lokführer<br />
am Vorsignal vorschriftsmäßig die Signalstellung<br />
zu: „Einfahrt langsam“. Man<br />
nahm uns aufs Überholgleis, um den Görlitzer<br />
Schnellzug vorbei zu lassen. Die Zeit bis<br />
zur Weiterfahrt nutzten wir, um schon einmal<br />
mit der Nachschau der Maschine zu beginnen.<br />
„Des is a guader Meister“, raunte mir<br />
der Heizer zu, „der schmiert mit.“<br />
Hinter Pechbrunn fällt die Strecke in die<br />
Talsenke von Marktredwitz. Ein kurzer Halt,<br />
ein paar Wagen wurden beigestellt. Für uns<br />
Heizer war kräftiges Feuern angesagt, um<br />
den Kesseldruck bis zum roten Strich zu steigern;<br />
der Anstieg in die östlichen Ausläufer<br />
des Fichtelgebirges stand bevor. Wieder beschickten<br />
wir in fast minütlichem Abstand<br />
die gleißende Rostfläche. Mit hohlem Donnern<br />
fuhr die 44er über den Thölauer Viadukt,<br />
wir passierten Martinlamitz und setzten zur<br />
Fahrt hinab ins Saaletal an. Das war das Signal,<br />
den „Kreil“, wie der Heizer das Schürgerät<br />
nannte, unter dem Kohlenkasten herauszuholen<br />
und bereits mit dem Entschlacken<br />
des Rosts zu beginnen. Die Gefällestrecke<br />
verlangte nur noch leichtes Nachlegen und<br />
so rollten wir in den gut belegten Rangierbahnhof<br />
von Hof. Nun ging es Schlag auf<br />
Schlag: runter von der Lok, unter der Pufferbohle<br />
des Tenders durchschlupfen, die Spindel<br />
drehen, Zugbügel aushängen, Bremshebel<br />
schließen und die Bremsschläuche trennen.<br />
Danach wieder rauf auf die Lok, das<br />
Gleissperrsignal zeigte bereits Fahrt, und<br />
vorbei am Stationsgebäude rückten wir ins<br />
Bw Hof ein. Wir fuhren zuerst auf die Schla-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 39
Rückblick<br />
| ALS HEIZER IN DER OBERPFALZ UND IM RUHRGEBIET<br />
ckengrube, brachten den Wasserkran in Aktion<br />
und holten den Schürhaken aus dem<br />
Führerhaus, um die zähe, rot glühende Schlacke<br />
zu entfernen und ein Ruhefeuer anzulegen.<br />
Eile war angesagt; wir sollten als Fahrgäste<br />
mit dem Personenzug nach Weiden zurückkehren,<br />
aber da war noch das<br />
Innentriebwerk zu ölen. Eine komplizierte,<br />
nicht gerade mühelose Sache im Laufgraben<br />
unter der Lok. Der Lokfüh rer widmete sich<br />
inzwischen den Außenlagern. Eilig befreite<br />
ich schließlich im Waschraum mein Ge sicht<br />
von Ruß und Kohlenstaub, reinigte die<br />
Hände halbwegs mit Sandpaste und strebte<br />
Als Ruhrgebiet noch Ruhrpott war – Begegnung mit einer<br />
Gelsenkirchner 44 vor einem schweren Kohlenzug<br />
Im Herbst 1974 ist das Bw Duisburg-Wedau<br />
die zuständige Dienststelle für den „nebenberuflichen“<br />
Heizer. Danach verfügt die DB<br />
einen Einstellungsstopp, weitere Einsätze<br />
sind nicht mehr möglich<br />
im Laufschritt zum Bahnsteig, wo der Zug<br />
schon bereit stand.<br />
Nach wenigen Tagen – ich hatte zwischenzeitlich<br />
eifrig die Schaufel geschwungen –<br />
stand Schiebedienst auf der Rampe von Hartmannshof<br />
nach Neukirchen auf dem Programm.<br />
Als Lokzug dampften wir zu nachtschlafener<br />
Zeit von Weiden zu unserem Einsatzort,<br />
wo wir unsere 50 2769 vor dem<br />
kleinen Heizhaus abstellten und uns in einen<br />
schmucklosen Warteraum begaben. Harte<br />
Pritschen boten uns Gelegenheit, noch etwas<br />
zu dösen. Doch alsbald riss uns das Schrillen<br />
des Telefons hoch, eine Schubleistung wurde<br />
angefordert. Also schnell auf die Maschine<br />
und zur Übergabestelle gedampft, kurz darauf<br />
rollten wir auf dem Streckengleis hinunter<br />
nach Hartmannshof, wo sich wenig<br />
später stampfend ein schwerer Güterzug aus<br />
Nürnberg Richtung Schwandorf ankündigte.<br />
Unsere 50 setzte sich an den Zugschluss,<br />
Pfeifsignal und schon ruckte der Wagen vor<br />
40<br />
In Duisburg-Hochfeld herrschte immer Hochbetrieb – nach Einfahrt der 051 773 dampft die<br />
Doppeltraktion mit ihrem Zug zurück nach Wedau<br />
uns an; mit Volldampf schoben wir die<br />
schwere Fuhre aus dem Pegnitztal auf die<br />
Fränkische Alb hinauf. In kurzen Abständen<br />
feuerte ich, um Zufuhr kalter Luft zu sparen,<br />
schloss der Lokführer nach jeder Ladung die<br />
Feuertür. Schaufel für Schaufel bedeckte ich,<br />
das „Streuselkuchenprinzip“ beherzigend,<br />
das Feuer mit neuer Nahrung. Bis zur Ablösung<br />
am Nachmittag hatten wir fünf weitere<br />
Schubdienste zu leisten, die Strecke war damals<br />
auch wegen der nahen Maxhütte in<br />
Sulzbach-Rosenberg noch stark befahren.<br />
50er in Duisburg-Wedau<br />
Ein knappes Jahr später zog es mich als nun<br />
geprüften Lokheizer ins Bw Duisburg-Wedau,<br />
das über einen größeren Bestand an<br />
50ern verfügte. Ganz anders stellte sich der<br />
Dampfbetrieb im Ruhrgebiet dar. Hatte man<br />
in Weiden meistens bei seinen Diensten längere<br />
Strecken zu befahren, so waren es nun<br />
oft nur kurze Distanzen, dafür viele verschiedene<br />
Leistungen pro Schicht. Dabei lernte<br />
ich auch das Prinzip der Zugleitungslok kennen.<br />
Denn als Aushilfe wurde ich meist nicht<br />
zu Plandiensten eingeteilt. Hatten wir eine<br />
Leistung absolviert, erkundigte man sich am<br />
Stellwerk nach der nächsten Aufgabe. Bei<br />
entlegeneren Zielbahnhöfen wurde nachgefragt,<br />
ob der Lokführer die Strecke dorthin<br />
überhaupt kannte, um sie befahren zu können:<br />
„Meister, biste kundig nach Nippes?“,<br />
schallte es einmal vom Stellwerk herunter.<br />
„Nippes? Nee, da kennen wir nur den Puff“,<br />
gab der Lokführer trocken zurück. Wir bekamen<br />
eine andere Fuhre.
Oberpfälzer Personal auf 044 657; vom Heizer (links) stammt der Tipp, die Kohlen in der Feuerbüchse „wie Streusel auf dem Kuchen“ zu verteilen<br />
Der Betrieb im „Revier“<br />
verlangte vom Heizer ein<br />
ganz anderes Agieren<br />
Oft mussten wir wegen der dichten Zugfolge<br />
im Revier vor Halt zeigenden Signalen<br />
warten. Das verlangte vom Heizer ein ganz<br />
anderes Agieren. Von einer Sekunde auf die<br />
andere musste man den Druck im Kessel<br />
durch kräftiges Nachspeisen mit der Strahlpumpe<br />
und andere Tricks drosseln, „Abblasen“<br />
war in den bewohnten Gegenden nicht<br />
gern gehört. Wechselte das Signal auf „Fahrt<br />
frei“, hatte man alle Hände voll zu tun, um<br />
schnell ein ordentliches Feuer in der Büchse<br />
herbeizuzaubern, damit sich die Manometernadel<br />
trotz anfahrender Maschine alsbald<br />
der roten Marke bei 16 atü näherte. Das<br />
schuldete man den oft beachtlichen Zuggewichten<br />
– und nur eben verlaufen die Gleise<br />
an der Ruhr auch nicht.<br />
Beeindruckend war die Vielfalt der Einsätze.<br />
Manchmal verließen wir das Stadtgebiet<br />
Duisburgs kaum, trieben uns nur zwischen<br />
Hochfeld und Wedau herum oder tingelten<br />
die ganze Nacht mit einem Arbeitszug<br />
an einer Baustelle hin und her, dann hieß es<br />
wieder von Ruhrort ab nach Hamm Rangierbahnhof<br />
über Recklinghausen Süd – Lünen<br />
am Nordrand des Ruhrgebiets entlang.<br />
Am liebsten hatte ich wegen der interessanten<br />
Streckenführung die Kalkzüge vom<br />
Angertal zu den Stahlwerken. Ein beson -<br />
deres Erlebnis bedeuteten nächtliche Einsätze:<br />
faszinierend das gewaltige Zi schen<br />
und Rauschen und der vom aufquellenden<br />
Dampf reflektierte Feuerschein in Kokereien,<br />
aus deren Anschlüssen wir lange Ganzzüge<br />
voller Koks holten. Beein dru ckend auch der<br />
Dienst vor den schweren Roheisenzügen, die<br />
zwischen dem Stahl werk Rheinhausen und<br />
Essen über Mülheim-Speldorf und Mülheim-<br />
Heißen verkehrten – da war Schwerstarbeit<br />
angesagt, spitzer Druck absolute Notwendigkeit;<br />
aber ich hatte das „Streuselkuchenprinzip“<br />
nicht vergessen.<br />
Zur Person<br />
Der Autor<br />
Peter Schricker, Jahrgang 1953, hat Geschichte<br />
und Germanistik studiert und<br />
arbeitet im Schulwesen. Die Eisenbahn<br />
fasziniert ihn seit Kinderheitstagen,<br />
seit 50 Jahren hält er sie mit der Kamera<br />
fest, seit 40 Jahren beschäftigt er sich<br />
mit ihrer Geschichte; als Schüler und<br />
Student nahm er auch immer wieder<br />
verschiedene Arbeiten bei der DB an.<br />
Man konnte nur hoffen, dass man eine<br />
gute Maschine erwischte, die ordentlich<br />
Dampf machte. Manche 50er schien schon<br />
arg vernachlässigt. So ein „fahrender<br />
Schrott haufen“ bescherte mir den Tiefpunkt<br />
meines Heizerdaseins: Sonderbar statisch<br />
schien schon während der Fahrt als Lokzug<br />
nach Hochfeld die Wassersäule im linken<br />
Wasserstandsanzeiger. Trotz mehrerer Prüfversuche<br />
änderte sich nichts. Beim nochmaligen<br />
Versuch tat es urplötzlich einen ohrenbetäubenden<br />
Höllenknall, das Wasserstandsglas<br />
zerbarst in Millionen kleinste Splitter –<br />
Gott sei Dank hinter dem dicken Schutzglas.<br />
Doch zu allem Überfluss schloss das Ventil<br />
nicht; im Nu hüllte Dampf den kompletten<br />
Führerstand ein. Gemeinsam mit dem murrenden<br />
Lokführer ertastete ich schließlich<br />
den Absperrhahn und beendete den Spuk.<br />
Die tolle Zeit auf den Maschinen neigte<br />
sich allerdings schnell dem Ende entgegen.<br />
Ein noch 1974 verhängter Einstellungsstopp<br />
bei der Deutschen <strong>Bundesbahn</strong> machte weitere<br />
Dienste nicht mehr möglich. Immerhin<br />
kann ich mich glücklich schätzen, einen Einblick<br />
in die letzten Jahre des Dampfbetriebs<br />
bekommen zu haben. Samt der unterschiedlichen<br />
Lokomotiven, der – oftmals sympathischen<br />
– Eisenbahner und der Tricks und<br />
Kniffe, die man für den Alltagsbetrieb auf<br />
der Schiene eben so braucht.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 41
Rückblick<br />
| JOACHIM SEYFERTH BEI DER DB<br />
Die Abzweigstelle Wiesbaden Waldstraße liegt an der Aartalbahn und hat den Reiz, dass<br />
der Fahrdienstleiter dort auch Bahnhofsaufsicht ist. Im Juli 1981 erteilt Joachim Seyferth<br />
einem Gespann aus 515/815 den Abfahrauftrag Richtung Wiesbaden<br />
Abb. des Beitrags, wenn nicht anders angegeben: Joachim Seyferth bzw. Slg. Joachim Seyferth<br />
Dienst<br />
bei der<br />
Fast 15 Jahre<br />
<strong>Bundesbahn</strong>er<br />
Eisenbahnfan war er schon seit den Kindertagen, von 1973 bis 1987 arbeitete<br />
Joachim Seyferth auch dort. Als er 1973 die Ausbildung zum nichttechnischen<br />
<strong>Bundesbahn</strong>assistenten begann, fuhren noch Dampfloks. Als er 1987 freiwillig<br />
ausschied, sauste der ICE-Prototyp durch die Lande. Eine Betrachtung<br />
42
Gemütlich geht es im Abzweig Wiesbaden Waldstraße zu. An Heiligabend 1982 nimmt<br />
Joachim Seyferth noch von seinem Fahrdienstleiterposten aus einen 515 auf; im September<br />
1983 legt die DB die Aartalbahn Wiesbaden – Bad Schwalbach still<br />
Die zweijährige Ausbildung führt den<br />
jungen <strong>Bundesbahn</strong>er zu recht verschiedenen<br />
Dienststellen. Eine davon ist die<br />
Güterabfertigung (Ga) Wiesbaden Hbf<br />
Wenn man als Kind auf dem Bahnsteig<br />
ängstlich-fasziniert neben<br />
einer zischenden Dampflok stand,<br />
wenn der tägliche Schulweg auf dem Bürgersteig<br />
ein imaginäres Gleis war, das man<br />
als „Lok“ befuhr, und wenn man mit dem<br />
Kassetten-Rekorder nicht die Hitparade aufnahm,<br />
sondern Bahnhofsdurchsagen – dann,<br />
ja dann gab es eigentlich nur eine Berufung:<br />
Eisenbahner! Was sollte aus dem Bub denn<br />
sonst werden?<br />
Da traf es sich gut, dass 1973 die <strong>Bundesbahn</strong><br />
händeringend Personal suchte. Ich<br />
musste aus familiären Gründen das Gymnasium<br />
verlassen, und mein Weg führte mich<br />
geradewegs zum Personalbüro des Wies -<br />
badener Hauptbahnhofes. Ein wenig kannte<br />
ich es schon; dort hatte mir ein freundlicher<br />
Eisenbahner immer alte Eisenbahnplakate<br />
geschenkt. Es brauchte den üblichen Schriftwechsel<br />
mit der zuständigen <strong>Bundesbahn</strong>direktion<br />
(hier Frankfurt (Main)), noch einige<br />
Besuche beim Personalbüro und wenig<br />
später war ich als „Nichttechnischer <strong>Bundesbahn</strong>assistentenanwärter“<br />
angenommen.<br />
Ausbildungsbeginn in Wiesbaden<br />
Die zweijährige Ausbildung begann offiziell<br />
am 1. September 1973. Wenige Tage darauf<br />
stand eine „Allgemeine Einführung“ bei der<br />
Fahrkartenausgabe Wiesbaden Hbf und dessen<br />
damaligem Dienststellenleiter auf dem<br />
Programm – mit Belehrungen, Vereidigung<br />
und „Schnuppergängen“ durch die Bereiche<br />
des Verkehrsdienstes im Bahnhof. Ich bekam<br />
es mit der Fahrkartenausgabe zu tun, der<br />
Auskunft, der Express- und Gepäckgutab -<br />
fertigung sowie der Güterabfertigung. Na ja,<br />
Lokomotiven gab es hier leider nicht, dafür<br />
viel Pa pier und Vorschriften, Kontakt mit<br />
Kunden und immerhin das bereits vertraute<br />
Kursbuch!<br />
Die nächsten 14 Tage durfte ich an einem<br />
kleinen Tisch mitten im Zimmer des Dienststellenvorstehers<br />
von Wiesbaden-Schier -<br />
stein verbringen, „versorgt“ mit allerlei Vorschriften.<br />
Ich beäugte aber mehr das kleine<br />
Modell des Adler-Zuges auf einem Wandbrettchen<br />
sowie die draußen vorbeipolternden<br />
Güterzüge. Und ich bekam alle Tele fo -<br />
nate des „Chefs“ mit, bei denen allerdings<br />
um Vertraulichkeit gebeten wurde – nicht<br />
immer waren die Gespräche der Eisen bah -<br />
ner dienstlicher Natur …<br />
Danach ging es wieder in die Schule – und<br />
zu Dampfloks! Ja, richtig, mich erwartete ein<br />
zweiwöchiger „Einführungslehrgang Güterund<br />
Tierverkehr“ in der <strong>Bundesbahn</strong>schule<br />
Bad Schwalbach. Und im Güterverkehr wur -<br />
de Bad Schwalbach im Herbst 1973 noch mit<br />
Dampfloks der Baureihe 50 angefahren! Bei<br />
der täglichen Anreise sah man die qualmenden<br />
Dinger im Zwischenbahnhof Hahn-<br />
Wehen rangieren oder herumstehen; und am<br />
Nachmittag blieb sogar noch Zeit für Fotos<br />
und Tonaufnahmen.<br />
Zurück in Wiesbaden, war ich zunächst<br />
für drei Wochen „Praktikant“ in der Güter-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 43
Rückblick<br />
| JOACHIM SEYFERTH BEI DER DB<br />
Im Juni 1983 fährt Akkutriebwagen 517 008, eine „Zigarre“<br />
aus dem Bahnbetriebswerk Limburg, aus dem Kreuzungsbahnhof<br />
Wiesbaden-Dotzheim aus. Zu diesem Arbeitsplatz<br />
kann Joachim Seyferth von seiner Wohnung<br />
bequem zu Fuß gehen<br />
abfertigung am Hauptbahnhof. Danach ging<br />
es erneut in die Schule, diesmal in die <strong>Bundesbahn</strong>schule<br />
Lauterbach! Am Rande des<br />
Vogelsberges bekamen wir – etwa zehn<br />
Eisenbahner und zehn Eisenbahnerinnen<br />
aus den Bezirken rund um Wiesbaden und<br />
Mainz – den „Einführungslehrgang Per -<br />
sonen-, Gepäck- und Expreßgutverkehr“. In<br />
14 Tagen lernten wir, wie Fahrkarten aus -<br />
gestellt, Koffer abgefertigt und schnelle<br />
Kleingüter verschickt werden. Damals domi -<br />
nierten noch die „Edmonsonsche“ Pappfahr -<br />
kar te sowie Blankofahrkarten im Durch -<br />
schreibe verfahren, die Anzahl der Fahr -<br />
kartenmuster war riesig. Natürlich gab es<br />
Lehr-Fahrkartendrucker und Original-Vordrucke<br />
aller Art und wiederum viel Theorie,<br />
„Tun und denken“ hießen die Arbeitsbogen,<br />
und das war sehr ehrlich: Erst einmal Mitglied<br />
in diesem „Laden“, bekam man sehr<br />
schnell mit, dass manche Eisenbahner leider<br />
genau diese Reihenfolge einhielten …<br />
Erste Praxis-Erkenntnisse<br />
Im November und Dezember 1973 folgte<br />
dann die Praxis in der Fahrkartenausgabe<br />
sowie Gepäck- und Expressgutabfertigung<br />
Wiesbaden Hbf. Natürlich noch nicht selbstständig,<br />
wir schauten den „fertigen“ Eisen-<br />
44<br />
Blick vom Arbeitsplatz aus: Im Dezember 1980 muss ein Taxi in Wiesbaden-Dotzheim die<br />
Zugfahrt abwarten<br />
bahnern über die Schulter und stellten unter<br />
Anleitung „richtigen“ Kunden am unter den<br />
Kollegen so genannten „Kinderschalter“<br />
(also an einem Schalter ohne komplizierte<br />
Sonder- und Auslandsverkehre) die Fahr -<br />
karten aus. Noch mussten wir „Frischlinge“<br />
keine ganzen Dienstschichten absolvieren<br />
und genossen gewisse Freiheiten beim<br />
stundenlangen Abhängen in der Kantine –<br />
der liberale Geist der 70er-Jahre wehte sogar<br />
schon durch die Institutionen der <strong>Bundesbahn</strong>!<br />
Und es war die Zeit, als prominente<br />
Persönlichkeiten ihre Fahrkarten noch sel -<br />
ber kauften. Eines Tages sah ich draußen vor<br />
dem Schalter Wim Thoelke stehen, den populären<br />
Showmaster aus dem Fernsehquiz<br />
„Der große Preis“. Immerhin hielten in Wiesbaden<br />
jede Menge Fernzüge, und für einen
Im September 1981 prüft Streckengeher Klein am Abzweig Waldstraße das Gleis auf seinen<br />
ordnungsgemäßen Zustand. Die ländliche Umgebung und der „naturnahe“ Bahnsteig tragen<br />
viel zum Nebenbahnflair des Abzweigs bei<br />
solchen war seine Fahrkarte wohl auch gedacht.<br />
Anfang 1974 standen Fachlehrgänge zum<br />
Verkehrs- und Finanzdienst sowie zu Verkauf<br />
und Kundendienst in der <strong>Bundesbahn</strong>schule<br />
Mainz an, anschließend folgte für rund ein<br />
Jahr der erste selbstständige Dienst in einer<br />
kleinen Fahrkartenausgabe (Fka) sowie<br />
einer Güterabfertigung (Ga). Zunächst verschlug<br />
es mich in die Fka Mainz-Gustavs -<br />
burg, die sich zusammen mit dem Fahrdienstleiter<br />
quasi auf dem Hausbahnsteig befand<br />
und wo vorbeirauschende Züge die mit<br />
Tourismusaufklebern verzierten Fenster erzittern<br />
ließen.<br />
Es gab Früh- und Spätdienst, was mir die<br />
„Freiheit“ erlaubte, bei so mancher Spätschicht<br />
dennoch um 3:00 Uhr in der Frühe<br />
aufzustehen, um mit dem Nachtschnellzug<br />
gen Andernach zu fahren und dort drei Morgenstunden<br />
lang die letzten Einsätze der<br />
Mayener Dampfloks zu erleben. Um 9:00<br />
Uhr ging es dann bereits von Thür oder Kottenheim<br />
zurück zum anstehenden Spätdienst,<br />
wo ich – nicht ohne Bangen um meine<br />
Anschlüsse – gegen Mittag eintraf.<br />
Dort arbeitete man mit Nostalgie. Wenn<br />
die Fahrkarten nicht mit der Hand geschrieben<br />
werden mussten, besorgte dies ein<br />
uralter kleiner Fahrkartendrucker, an dessen<br />
Schlitten ein altehrwürdiges Fabrikschild<br />
prangte. Mit einem Druckknopf wurde der<br />
Schlitten an die Markierung des gewünschten<br />
Zieles oder der Tarifentfernung geschoben,<br />
die entsprechend gefärbte „Edmonsonsche“<br />
in einen Schlitz gesteckt und mit einem<br />
Handhebel – ratsch! – die Fahrkarte be -<br />
druckt. „Wünschen Sie eine Reisegepäckversicherung?“<br />
nahm das Verkaufsgespräch seinen<br />
weiteren Verlauf, und manchmal waren<br />
auch noch meine Kenntnisse im Kursbuch<br />
gefragt.<br />
Anders ging es in der Ga Wiesbaden-Biebrich<br />
zu. Dort lernte ich, wie man drei Güterwagen<br />
Tdgs bestellt und zwölf Säcke Wäscheklammern<br />
als Stückgut verschickt.<br />
Gleichzeitig musste ich mich an den rauen<br />
Umgangston der Kollegen gewöhnen, altgediente<br />
Eisenbahner, die kurz vor der Pensionierung<br />
standen und Frachtbriefe stempel -<br />
ten. Man war mit den täglichen Frachtkun -<br />
den auf Du und Du und schäkerte mit der<br />
feschen Edith an der Buchungsmaschine.<br />
Eine pittoreske Behördenromantik tat sich<br />
auf.<br />
Die Sache mit den Behörden<br />
In dieser Behörde wurden aber auch Fehler<br />
begangen, das bekamen wir Lehrlinge be -<br />
reits mit. Die lockere, wirtschaftlich gut situierte<br />
Zeit der frühen 70er-Jahre hatte bei<br />
einigen DB-Mitarbeitern offenbar eine Art<br />
trügerischen Übermut ausgelöst. Geblendet<br />
von vollen Auftragsbüchern und Kunden-<br />
Die Arbeit bei der <strong>Bundesbahn</strong> gewährt<br />
dem jungen Auszubildenden auch jährlich<br />
16 Freifahrten – die er gern für Ausflüge<br />
zu Eisenbahnzielen im DB-Netz nutzt<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 45
Rückblick<br />
| JOACHIM SEYFERTH BEI DER DB<br />
Auch das gehört zu den Aufgaben im Abzweig<br />
Waldstraße: In Zeiten der Betriebsruhe werden<br />
die Weichen geschmiert<br />
schlangen an den Schaltern, kam es zu hausgemachten<br />
Fehlern. In einer satten und etwas<br />
feisten Melange aus Behördenapparat, Beamtentum<br />
und Zuteilermentalität wurden<br />
Reisende und Verlader mehr oder weniger<br />
absichtlich vergrault. Ich lernte den Unterschied<br />
zwischen Eisenbahnern und <strong>Bundesbahn</strong>ern<br />
kennen. Da gab es Letztere, die den<br />
Kunden im wahrsten Sinne des Wortes<br />
„abfertigten“ und als lästigen Bittsteller ansahen.<br />
Da wurden unsichere Omas angeschnauzt,<br />
Schalterfenster zugeknallt oder<br />
anspruchsvollen 1.-Klasse-Reisenden mit<br />
„Sonderwünschen“ schon mal nahe gelegt,<br />
Nicht immer entsprach<br />
die Praxis dem, was die<br />
Schule vermittelt hatte<br />
mit dem Auto zu fahren. Es gab wirklich<br />
Beamte, denen ihre Ruhe heiliger war als<br />
zufriedene Kunden, und es gab Rangierer,<br />
die schlichtweg aus Faulheit georderte Leerwagen<br />
absichtlich nicht oder nur verspätet<br />
in den Industrieanschluss schoben. Natürlich<br />
war solches Verhalten in der Minderheit,<br />
aber es trug wesentlich zum negativen Image<br />
der Bahn bei und verschreckte uns „Neue“.<br />
Hatten wir doch in der <strong>Bundesbahn</strong>schule<br />
für den Umgang mit dem Kunden gelernt:<br />
„zuhören – ausreden lassen – entschuldigen!“<br />
Mit dem von erfahrenen Kollegen noch<br />
angeleiteten, aber schon selbstständigen<br />
46<br />
Vor dem Dienstbeginn in Wiesbaden-Dotzheim ist<br />
im Dezember 1981 noch Zeit für eine stimmungsvolle<br />
Aufnahme. Hier stellt man nicht nur Weichen<br />
und Signale für die Züge der Aartalbahn, sondern<br />
bedient auch die Schranken der Hauptstraße<br />
Dienst in der zweiten Hälfte der Ausbildungszeit<br />
war ich nahezu vollständig in die Eisenbahnerfamilie<br />
integriert. Ich durfte mich<br />
nicht nur über das erste selbst verdiente Geld<br />
freuen (die Ausbildungsvergütung lag monatlich<br />
bei etwa 600 DM), sondern auch über<br />
viele andere schöne Seiten der <strong>Bundesbahn</strong>,<br />
bis hin zu den Personal- und Freifahrkarten.<br />
Erstere waren gegenüber dem Normalpreis<br />
um etwa 75 Prozent reduziert, dazu gab es<br />
jährlich 16 Freifahrkarten für einfache Fahrt<br />
für beliebig weite Fahrten im Bundesgebiet.<br />
Bei vielen Eisenbahnern blieben diese Freifahr-Abschnitte<br />
fast leer, weil diese nach<br />
Dienstschluss keine Eisenbahn mehr sehen<br />
konnten. Nicht so bei mir; ich fuhr damit<br />
kreuz und quer durchs Land, meist zu den<br />
Zentren des letzten Dampfbetriebs. Aber<br />
auch die anderen Traktionen bei der DB<br />
waren einen Hingucker wert: schmucke rotbeige<br />
1.-Klasse-Intercitys mit der 103, Altbau-Elloks,<br />
pop-farbene Schnellzugwagen,<br />
der Schnelltriebwagen 403, die ersten 628er<br />
und die Neubauloks der Baureihen 111, 151<br />
und 181. Es gab einfach alles, die ganze Eisenbahn<br />
schien zu dieser Zeit verdichtet und<br />
trat gemeinsam auf der großen Bühne der<br />
Schiene auf!<br />
Im Frühsommer 1975 begann für mich die<br />
betriebliche Ausbildung in der <strong>Bundesbahn</strong>schule<br />
Mainz. Nun sollte ich lernen, wie man<br />
Zugfahrten durchführt und schriftliche Befehle<br />
erteilt. Unser „Klassenlehrer“ war der<br />
spätere Vorsitzende der Verkehrsgewerkschaft<br />
GDBA, Robert Dera, der uns am Lehrstellwerk<br />
mit den Bahnhöfen „Adorf“ und<br />
„B-heim“ einwies. Mit richtigem Gleisbildstellpult<br />
sowie mechanischen Hebel- und<br />
Blockeinrichtungen machten wir die ersten<br />
„Versuchsfahrten“. Nicht immer mit Erfolg:<br />
„Mein lieber Herr Fischer, das war nichts!<br />
Wenn das die richtige Eisenbahn gewesen<br />
wäre, könnten Sie jetzt die Feuerwehr und<br />
den Leichenwagen holen!“<br />
Arbeit im Verkehrsdienst<br />
Nach bestandener Abschlussprüfung wurde<br />
ich am 1. September 1975 zum <strong>Bundesbahn</strong>assistenten<br />
zur Anstellung ernannt, unsere<br />
Ausbildungsgruppe verschlug es zu ihren<br />
Heimatbahnhöfen in den Verkehrs- oder Betriebsdienst.<br />
Grob gesagt, fand beim Ver-
Eisenbahner und<br />
Eisenbahnerinnen<br />
werden 1975 gemeinsam<br />
an der <strong>Bundesbahn</strong>schule<br />
in Mainz<br />
ausgebildet. Danach<br />
kommen sie teils in<br />
den Betriebs-, teils<br />
in den Verkehrsdienst<br />
Zugfahrten von<br />
„Adorf“ nach „Bstadt“<br />
stehen auf dem<br />
Lehrplan, als Joachim<br />
Seyferth im Frühsommer<br />
1975 die betriebliche<br />
Ausbildung an<br />
der <strong>Bundesbahn</strong>schule<br />
Mainz absolviert<br />
Slg. Joachim Seyferth<br />
Im Mai 1977 hat<br />
sich ein Turmtriebwagen<br />
701 im<br />
Bahnhof Wiesbaden-<br />
Schierstein eingefunden.<br />
Regelmäßig<br />
wird die<br />
Fahrleitung der<br />
elektrifizierten<br />
Strecke geprüft<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 47
Rückblick<br />
| JOACHIM SEYFERTH BEI DER DB<br />
kehrsdienst alles vor und nach der Zugfahrt<br />
statt, beispielsweise der Fahrkartenverkauf<br />
und die Abfertigung der Güter. Beim Betriebsdienst<br />
ging es rund um die Vorberei -<br />
tung und Abwicklung der Zugfahrt, beispielsweise<br />
um den Dienst als Zugführer<br />
oder Fahrdienstleiter. Ich kam zur Fahrkartenausgabe<br />
und Expressgutabfertigung<br />
Wiesbaden-Schierstein, prinzipiell meinem<br />
Lieblingsbahnhof im Wiesbadener Umkreis,<br />
da er an der dicht befahrenen rechten Rheinstrecke<br />
liegt und dennoch Kleinstadtatmosphäre<br />
ausstrahlte.<br />
Mittlerweile war der Bahnhof zu einer Außenstelle<br />
degradiert worden, aber neben<br />
dem Fahrdienstleiter in seinem Glaskasten<br />
waren werktags in der Fahrkartenausgabe<br />
drei bzw. vier Mitarbeiter beschäftigt: der<br />
Schalterbeamte im Früh- und Spätdienst, der<br />
Kassenverwalter (der gleichzeitig den Wagenladungsverkehr<br />
der Industrieanschlüsse<br />
betreute) und der Gepäckarbeiter. Das<br />
machte durchaus Sinn, denn am Schalter<br />
standen zeitweise kleine Schlangen und auf<br />
die Waage der Expressgutabfertigung muss -<br />
te man manchmal Tonnen von eiliger Fracht<br />
wuchten. Hier – und zeitweise in der benachbarten<br />
Fahrkartenausgabe Wiesbaden-Biebrich<br />
– war ich bis etwa 1979 beschäftigt. Ich<br />
arbeitete im Verkehrsdienst, verkaufte Fahrkarten,<br />
bestellte Platzkarten, berechnete Ex-<br />
Im Bahnhof Niederwalluf hat der Fahrdienstleiter<br />
gut zu tun. Der Hochbetrieb<br />
der rechten Rheinstrecke will „versorgt“<br />
sein, außerdem gibt es täglich eine<br />
Übergabe zum ortsansässigen Schrotthändler.<br />
Joachim Seyferth bei einer<br />
Schicht im Jahr 1985 Reinhard Hanstein<br />
Zugbetrieb in dichter Folge: Blick in<br />
die Bahnhofsfahrordnung von<br />
Niederwalluf, 1977<br />
pressgutfrachten, gab Reisezugauskünfte<br />
und erledigte die damit zusammenhängende,<br />
nicht unwesentliche Administration hinter<br />
den Kulissen. Und wo war ich, wenn mal ausnahmsweise<br />
wenig zu tun war? Beim Fahrdienstleiter!<br />
Da wollte ich hin – Züge lenken,<br />
Züge sehen!<br />
Wechsel in den Betriebsdienst<br />
Nach der beruflichen Unterbrechung durch<br />
den Zivildienst hat’s dann auch geklappt:<br />
Meine alte Heimatdienststelle hieß Güter -<br />
48<br />
abfertigung Wiesbaden Hbf, die neue hieß<br />
Bahnhof Wiesbaden Ost und ich war endlich<br />
im Betriebsdienst! In den nächsten Jahren<br />
bestand ich nacheinander die örtlichen<br />
Prüfungen zum Fahrdienstleiter in den Stationen<br />
Waldstraße und Wiesbaden-Dotzheim<br />
(Aartalbahn) sowie Wiesbaden-Schierstein,<br />
Niederwalluf und Eltville (rechte Rheinstrecke).<br />
Hinzu kam die Tätigkeit als Fahrdienstleiter-Helfer<br />
(Zugmelder) im Stellwerk Wiesbaden<br />
Ost (Wof), die ich noch bedarfsweise<br />
übernahm.<br />
Tja, da war ich also auch wieder in Wiesbaden-Schierstein<br />
– diesmal vorne als Fahrdienstleiter!<br />
Mein alter Arbeitsplatz Fahr -<br />
kartenausgabe war auf einen Mann geschrumpft,<br />
der nun Mädchen für alles war.<br />
Und nun stellte ich den Zügen die Signale,<br />
die ich zuvor schon tausendfach im Dienst<br />
oder draußen an der Strecke erlebt hatte. Der<br />
Posten 58 bei Niederwalluf war noch besetzt<br />
und meldete sich bei jeder Zugmeldung. Bei<br />
Lademaßüberschreitungen mussten Befehle<br />
erteilt und teilweise das Gegengleis gesperrt<br />
werden, die Verkehrstage von Programmund<br />
Sonderzügen waren kein Geheimnis<br />
mehr, haltende Personenzüge auf Gleis 2<br />
durften keine Kreuzung mit durchfahrenden<br />
Gegenzügen bekommen, die Köf aus dem<br />
Anschluss musste rangiert werden und Störungen<br />
mussten mit oberster Sicherheit und<br />
streng nach Vorschrift bewältigt werden. In<br />
den langen Nachtschichten wurde die rechte<br />
Rheinstrecke zur Güter-Rollbahn; Schnellgüterzüge,<br />
lange Durchgangsgüterzüge und<br />
Ganzzüge belegten oft im Blockabstand die<br />
Stelltischausleuchtung. Wenn ich keinen
Im Mai 1977 ist<br />
Köf 323 881 die Bahn -<br />
hofslok in Wiesbaden-<br />
Schierstein. Joachim<br />
Seyferth arbeitet zu<br />
der Zeit abwechselnd<br />
in der Fahrkartenausgabe<br />
und der<br />
Expressgutabfertigung<br />
des Bahnhofs<br />
Schlachten,<br />
Technik,<br />
Feldherren<br />
Dienst hatte, ging ich manchmal mit dem<br />
Fotoapparat (und Stativ) an die Strecke.<br />
Jeder Bahnhof und jedes Stellwerk hatte<br />
einen ganz eigenen Charakter. Die Abzweigstelle<br />
Waldstraße an der Aartalbahn und der<br />
Strecke zum Güterbahnhof Wiesbaden West<br />
war am „gemütlichsten“. Es gab relativ we -<br />
nig Züge, das Umfeld entsprach einer Neben -<br />
bahn und ich arbeitete als Fahrdienstleiter<br />
und Aufsichtsbeamter in einem. Als solcher<br />
fertigte ich auch Schienenbusse und „Limburger<br />
Zigarren“ (Baureihe 517) ab. Zum<br />
Dienst im Kreuzungsbahnhof Wiesbaden-<br />
Dotzheim (ebenfalls Aartalbahn) konnte ich<br />
sogar zu Fuß gehen, hier kam die Bedienung<br />
der Schrankenanlage an der Hauptstraße<br />
hinzu. Der Bahnhof Niederwalluf lag ruhig<br />
mitten im Ort, es gab neben dem zusätz -<br />
lichen Überholgleis noch Rangierfahrten mit<br />
der täglichen Übergabe für einen ansässigen<br />
Schrotthändler und dazu natürlich den<br />
Hochbetrieb der rechten Rheinstrecke. Die<br />
kleine Fahrkartenausgabe bediente der Fahrdienstleiter<br />
von seinem Dienstraum aus<br />
gleich mit. Eltville hingegen war ein typi -<br />
scher Kleinstadtbahnhof, sogar noch mit<br />
Güterabfertigung. Richtung Niederwalluf<br />
war ein Schrankenposten besetzt, Richtung<br />
Erbach waren es sogar deren drei – jeder Posten<br />
musste sich bei jeder einzelnen Zugmeldung<br />
melden, sonst durfte kein Zug auf die<br />
Strecke (oder nur mit Befehl). Und obwohl<br />
Zur Person<br />
Der Autor<br />
Joachim Seyferth, geboren 1956, hat<br />
sich als Autor und Fotograf im Eisenbahnbereich<br />
einen Namen gemacht.<br />
Unter anderem begleitete er mit<br />
der Zeitschrift „Schiene“ über Jahre<br />
das Bahngeschehen, in Bildbänden<br />
fing er den Betriebsalltag und die<br />
Bahn-Atmosphäre ein.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014<br />
hier prinzipiell die selben Züge wie in Niederwalluf<br />
oder Wiesbaden-Schierstein fuhren,<br />
gab es in Eltville durch häufigere Überholungen<br />
und mehr Rangieren doch mehr<br />
Arbeit.<br />
Dienständerungen, Dienstende<br />
Wie viele jüngere Kollegen im Betriebsdienst<br />
hatte ich noch keinen festen Posten<br />
auf einem bestimmten Stellwerk, sondern<br />
wurde als „Springer“ auf allen sechs Stellwerken<br />
eingesetzt. Drei Nächte in Wies -<br />
baden-Schierstein, zwei Tage Ruhe, zwei<br />
Spätschichten in Wiesbaden-Dotzheim,<br />
drei Mal Frühdienst in Waldstraße – Langeweile<br />
oder Routine hatten keine Chance.<br />
Nachdem die DB im September 1983 die<br />
Aartalbahn stillgelegt hatte, verblieb als<br />
Arbeitsplatz „nur“ noch die rechte Rheinstrecke.<br />
Die war nach wie vor nach meinem<br />
Geschmack: Güterzug-Rollbahn, Nachtdienste,<br />
Schrankenposten und Fahren im<br />
Blockabstand!<br />
Aber auch hier schlug langsam das Rationalisierungs-Gespenst<br />
zu: Umwandlung<br />
von Schrankenposten in fernbediente Anlagen,<br />
Bau des Zentralstellwerks in Wiesbaden<br />
Hbf, Wegfall der Fahrdienstleiter-Kollegen<br />
in Wiesbaden-Biebrich und Wiesbaden<br />
Ost. Hatte das noch etwas mit richtiger<br />
Eisen bahn zu tun?<br />
Auch deshalb stand ich Mitte 1987 vor<br />
einer Entscheidung: weiterhin Bundesbah -<br />
ner oder die völlige Umorientierung, als<br />
Publizist mit eigenem Eisenbahn-Fachverlag?<br />
Berufliche Sicherheit oder kreative<br />
Freiheit? Pension oder Abenteuer? Mehr<br />
mit einem weinendem als mit einem lachenden<br />
Auge entschloss ich mich zu Letzterem;<br />
meine letzte Dienstschicht war Ende April<br />
1987 eine Nacht im alten Befehlsstellwerk<br />
von Wiesbaden Ost. Nach rund 15 Jahren<br />
sagte ich der Arbeit bei der <strong>Bundesbahn</strong><br />
Lebewohl. Ein Leben lang allerdings heißt<br />
es: Berufung Eisenbahner!<br />
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Strecken, Züge, Betrieb<br />
| DER LETZTE GMP<br />
Abschied<br />
von der bunten Mischung<br />
Kurz vor seiner Einstellung fuhr der<br />
mustergültige GmP Krumbach – Günzburg<br />
am 24. Mai 1985 durch die blühenden Wiesen<br />
bei Neuburg an der Kammel. Direkt hinter<br />
der Zuglok läuft der Güterzugbegleitwagen<br />
Dr. Dietmar Beckmann<br />
Zum Sommerfahrplan<br />
1985 beendete die<br />
Bundes bahn den Einsatz<br />
von Güterzügen mit<br />
Personenbeförderung.<br />
Bis zum Schluss gab<br />
es diese Betriebsform<br />
noch zwischen Krumbach<br />
und Günzburg<br />
Auf zahlreichen Haupt- und Nebenbahnen<br />
konnte man zu Beginn der <strong>1970</strong>er-<br />
Jahre eine reizvolle Kombination erleben:<br />
Züge, die Fahrgäste und Güter gemeinsam<br />
beförderten. Für die DB hatte das<br />
den Vorteil, Kapazitäten bei Traktion und Personal<br />
zu bündeln.<br />
Mischformen bei der DB<br />
So erhielten insbesondere in den Tagesrandzeiten<br />
langsame Reisezüge zusätzliche Anhängelast<br />
in Form von einem oder gelegentlich<br />
auch mehreren gedeckten Güterwagen.<br />
Die Wagen der Gattung G beförderten entweder<br />
Expressgut oder gehörten zum „Eilgutnetz“<br />
des Güterverkehrs, das vollkom -<br />
men getrennt vom „Frachtgutnetz“ mit eigenen<br />
Zügen und sogar eigenen Zuggattungen<br />
(Ne statt Ng und De statt Dg) befördert wurden.<br />
Diese Eilwagen für besonders zeitkritische<br />
Güter mussten für mindestens 80 km/h,<br />
auf einigen Verbindungen sogar für 100 km/h<br />
(Gs-Wagen) zugelassen sein. Von den Eisenbahnern<br />
als „Kurswagen“ bezeichnet, liefen<br />
sie abschnittsweise in Reisezügen mit, wobei<br />
sie nicht unbedingt am Zugschluss einge -<br />
reiht sein mussten, wenn sie mit einer Heizleitung<br />
ausgestattet waren; dafür gab es die<br />
Im Winter 1984/85 verkehrt letztmals der<br />
GmP Krumbach – Günzburg. Weil er in<br />
der Kursbuchtabelle der Strecke 986<br />
Mindelheim – Günzburg nicht zu erkennen<br />
ist, hat ihn der Autor hier für seine<br />
Fototour handschriftlich markiert;<br />
daneben die eingesetzten Fahrzeuge<br />
anderer Zugleistungen<br />
Slg. Dr. Dietmar Beckmann<br />
50
NEU!<br />
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Ein hinter 044 669 eingereihter Schnellzugwagen macht am 29. Mai 1976 den Durchgangs -<br />
güterzug 53844 von Herzberg nach Hamm bis Altenbeken zum GmP. Dies war der letzte<br />
Betriebstag der Dampfloks des Bw Ottbergen Dr. Dietmar Beckmann<br />
Gattungen „Ge“ mit elektrischer Heizung<br />
und „Gh“ mit Dampfheizung.<br />
Personenzüge, die Güter mitnahmen, waren<br />
dabei die eine Variante – PmG. Die andere<br />
bestand aus Güterzügen mit Personenbeförderung,<br />
kurz GmP – wobei diese Bezeich -<br />
nung nicht benutzt wurde, selbst wenn die<br />
Züge im Kursbuch mit einer Güterzugnummer<br />
abgedruckt waren. Überhaupt kannten<br />
weder die öffentlichen noch die DB-internen<br />
Fahrpläne die Zuggattung GmP. Die gemischten<br />
Züge erhielten in Abhängigkeit von ihrer<br />
internen Zuordnung eine Nummer des Personen-<br />
oder des Güterverkehrs und damit<br />
auch die entsprechende Gattung. Eine Kennzeichnung<br />
dieser Züge wie beispielsweise<br />
in der Schweiz gab es in Deutschland nicht.<br />
Das Beispiel Günzburg<br />
Ein „richtiger“ GmP mit Personenwagen und<br />
einer bunten Mischung verschiedenartiger<br />
Frachtgutwagen war zu Beginn der <strong>1970</strong>er-<br />
Jahre auf den Gleisen der DB auch kaum<br />
noch anzutreffen. Umso erstaunlicher ist,<br />
dass bis zum Mai 1985 an jedem Wochentag<br />
ein mustergültiger GmP zwischen Krum -<br />
bach und Günzburg verkehrte. Eigentlich<br />
ging es nur darum, die Umbauwagen des mittäglichen<br />
Schülerzuges von Günzburg nach<br />
Krumbach für den abendlichen Arbeiterzug<br />
zurück zu bringen. Anstatt sie leer im Güterzug<br />
mitzunehmen, waren sie aber für den<br />
öffentlichen Verkehr freigegeben.<br />
Im Kursbuch war dieser letzte GmP der<br />
<strong>Bundesbahn</strong> nicht besonders gekennzeichnet.<br />
Mit seiner Reisezugnummer war er von<br />
den anderen Zügen dieser Strecke allenfalls<br />
durch seine geringfügig längere Fahrzeit zu<br />
unterscheiden. In der Realität konnte die zuletzt<br />
von einer 212 bespannte Garnitur durchaus<br />
eine stattliche Länge erreichen. So un-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014<br />
Sonderfall<br />
Der „Fan-GmP“<br />
Mitte der <strong>1970</strong>er-Jahre erlaubte die<br />
ungewöhnliche Flexibilität der <strong>Bundesbahn</strong><br />
und ihr großes Verständnis für die<br />
Eisenbahnfreunde eine ganz besondere<br />
Form des GmP. Als die Dampflokzeit<br />
dem Ende entgegen ging, hatte sich die<br />
DB mehrfach dazu bereit erklärt, einen<br />
Reisezugwagen der Bauart Bm direkt<br />
hinter der Dampflok in schwere Güterzüge<br />
einzureihen.<br />
Die Premiere fand am 27. Januar 1973<br />
statt. Akteurin war die ölgefeuerte<br />
Lokomotive 043 121 des Bw Kassel mit<br />
dem 1.122 Tonnen schweren Dg 6719<br />
(84 Achsen) von Hamm nach Kassel.<br />
Mehr als eine Stunde dauerte die Bergfahrt,<br />
bei der die Lok auf 13 Promille<br />
Steigung von Paderborn hinauf ins<br />
Eggegebirge unter stetigem Volldampf<br />
arbeitete – ein einmaliges Erlebnis für<br />
die Mitreisenden. Ähnliche Aktionen<br />
gab es in der Folge zwischen Altenbeken<br />
und Herzberg zum Abschied der<br />
Ottbergener 44er.<br />
Die Tour am 29. Mai 1976, dem letzten<br />
Betriebstag des Bw Ottbergen, dürfte<br />
der letzte dampfgeführte GmP der<br />
Deut schen <strong>Bundesbahn</strong> gewesen sein –<br />
auch wenn er nicht im Kursbuch stand.<br />
auffällig, wie die DB diese Betriebsform seit<br />
Jahren praktizierte, so wenig Beachtung<br />
fand es dann auch, als die bunte Mischung<br />
von den Gleisen verschwand. Nicht ganz<br />
so bunt sah es aus, wenn Güterwagen in<br />
regu lären Personenzügen mitfuhren. Dies<br />
behielt die <strong>Bundesbahn</strong> allerdings weiter -<br />
hin bei. Und zwar noch über die 1980er-<br />
Jahre hinaus. Dr. Dietmar Beckmann<br />
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Momentaufnahmen<br />
| DB-ALLTAG DER <strong>1970</strong>ER UND 1980ER<br />
Von Klassikern und<br />
Wie war sie, die <strong>Bundesbahn</strong> der Jahre <strong>1970</strong> bis <strong>1989</strong>? Das lässt sich nicht so ohne weiteres<br />
beantworten. Zu groß ist die Bandbreite an Fahrzeugen und Betriebsformen, trotz Ausmusterungen<br />
und Streckenstilllegungen. Impressionen aus zwei <strong>spannende</strong>n <strong>Jahrzehnte</strong>n<br />
52
Sonderfällen<br />
Ein Großauftrag der Sowjetunion für den Röhrenhersteller Mannesmann bringt<br />
in den frühen <strong>1970</strong>ern auch Beschäftigung für die <strong>Bundesbahn</strong>. Dampfloks der<br />
Baureihen 044 oder 050–053 bringen die für eine Pipeline vorgesehenen Stahlrohre<br />
erst von Mülheim-Styrum nach Duisburg-Hüttenheim zum Beschichten;<br />
anschließend geht es von dort über Duisburg-Hochfeld Süd nach Duisburg-<br />
Wedau, wo eine Ellok 140 übernimmt. Im Bild eine 50er in Duisburg-Hochfeld<br />
Süd auf dem Weg nach Duisburg-Wedau Herbert Beckmann<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 53
Momentaufnahmen<br />
| DB-ALLTAG DER <strong>1970</strong>ER UND 1980ER<br />
In den 1950er-Jahren verkörperten „Eierkopf“-Triebwagen wie die 612/613 moderne<br />
Bahn; im Juli 1982 bleiben ihnen noch Aufgaben im Nahverkehrs- und Eilzugdienst,<br />
wie auf der Strecke Braunschweig – Helmstedt (Bild in Schöppenstedt) Bodo Schulz<br />
Als die Loks der V-100-Familie<br />
in den 1960ern und <strong>1970</strong>ern auf<br />
Nebenbahnen die Dampfloks<br />
ablösen, reagieren Eisenbahnfreunde<br />
mit Wut und Entsetzen.<br />
Als 211 219 im Juli 1980 die<br />
Strecke Trier – Pluwig bedient,<br />
zählt sie zum Standardangebot –<br />
und fasziniert damit jene<br />
Genera tion von Fans, die<br />
inzwischen heranwächst<br />
Georg Wagner<br />
Noch ziemlich neu ist Einheits-Ellok 140 873,<br />
die am 5. September 1973 den Nahverkehrszug<br />
Saarbrücken – Völklingen bespannt und deren<br />
Lokführer gerade die Zugpapiere bekommt.<br />
Die Abnahme der Lok datiert vom 20. Juni<br />
1973. Dampflok 023 072 hinten wurde 1956<br />
gebaut und verbringt in Saarbrücken ihre<br />
letzte Dienstzeit. Doch liegen beide Baureihen<br />
zeitlich nicht weit auseinander; die ersten<br />
140er (damals E 40) entstanden 1957 L. Rotthowe<br />
Kleiner Helfer auch für<br />
kurze Strecken: Kleinlok<br />
333 107, eine DB-„Neuheit“<br />
der 1960er, bringt im August<br />
1984 eine Übergabe von<br />
Bockenem nach Seesen<br />
Johannes Poets<br />
54
Klassiker der <strong>Bundesbahn</strong><br />
Von Triebwagen der frühen DB über Neubaudampfloks bis zur allgegenwärtigen<br />
Einheits-Ellok: In den <strong>1970</strong>er-Jahren kann man noch fast alle Neubeschaffungen<br />
der DB im Einsatz erleben. Jene, die schon eine gewisse Berühmtheit haben,<br />
und jene, die erst noch berühmt werden<br />
Berühmte <strong>Bundesbahn</strong>-<br />
Fahrzeuge findet man<br />
Ende der <strong>1970</strong>er beim<br />
Wagenstandsanzeiger<br />
in Kempten Hbf. Mit<br />
Modelleisenbahnen der<br />
Baugröße N (Maß stab<br />
1:160) hat das Personal<br />
die Garnituren der D-<br />
und Eilzüge nachgestellt<br />
Dietrich Bothe<br />
55
Momentaufnahmen<br />
| DB-ALLTAG DER <strong>1970</strong>ER UND 1980ER<br />
Typisch ...<br />
... Ruhrgebiet! Typisch Emsland! Oder auch ganz allgemein: typisch DB! Im Streckennetz<br />
der <strong>Bundesbahn</strong> finden sich regionale Eigenheiten ebenso wie übergreifende Abläufe.<br />
Man betrachte nur den Gepäcktransport mit den weit verbreiteten Elektrokarren<br />
Unverkennbar Oberhausen, unverkennbar<br />
Revier: Nicht nur das Miteinander von<br />
Stahlwerk und Schrebergärten lässt auf<br />
Region und Ort schließen, auch die Ellok 111<br />
mit ihrem Silberling-Zug. Nur an Rhein<br />
und Ruhr fährt sie in dieser Lackierung im<br />
Nahverkehr Dr. Dietmar Beckmann<br />
Für Urlauber gedacht ist D 2329, der von<br />
Amsterdam nach Bad Wildungen fährt. Im<br />
September 1986 hat er den nordhessischen<br />
Unterwegshalt Willingen erreicht, wo<br />
man für das Gepäck der Reisenden<br />
einen der typischen DB-Elektrokarren<br />
vorhält Rudolf Schulz/Slg. Bodo Schulz<br />
56
Auf teilweise elektrifizierten Strecken durchaus üblich: Die Diesellok – hier 212 007 –<br />
hat den Zug gebracht, eine Ellok – hier 141 421 – übernimmt. So geschehen in Hannoversch<br />
Münden mit N 5559 Göttingen – Kassel im Mai 1980 Johannes Poets<br />
Die Baureihe 012 verbringt ihre letzten Dienstjahre mit Reisezügen in Niedersachsen;<br />
um 1975 hat eine der stolzen Dreizylinder-Schnellzugloks einen D-Zug am Haken<br />
und eilt durch das Emsland Martin Weltner<br />
Hoch über dem Nord-Ostsee-Kanal<br />
befindet sich die Schienenbusgarnitur, die<br />
im Mai 1986 zwischen Neumünster und<br />
Heide unterwegs ist; gerade passiert sie<br />
die Grünenthaler Hochbrücke Bodo Schulz<br />
57
Momentaufnahmen<br />
| DB-ALLTAG DER <strong>1970</strong>ER UND 1980ER<br />
In den <strong>1970</strong>er-Jahren experimentiert die DB mit<br />
Gasturbinenantrieben. Die so ausgestatteten Dieselloks<br />
der Baureihe 210 fahren vor allem auf der Allgäubahn;<br />
im September 1977 treffen sich in Buchloe 210 001 mit<br />
D 366 „Ticino“ München – Mailand und 210 006 mit D 1366<br />
Augsburg – Lindau. Weil sich die Gasturbine nicht bewährt,<br />
wird sie bei den 210 bis 1981 entfernt Ludwig Rotthowe<br />
Personenzug und Güterbeförderung in einem:<br />
Im Oktober 1988 hat Akkutriebwagen 515 608<br />
einen Güterwagen aus Coesfeld nach Wanne-Eickel<br />
mitgebracht. Gleich wird er ihn zum hiesigen<br />
Güterbahnhof überstellen Thomas Feldmann<br />
Meist stellt die DB von Zug- auf Busbetrieb um, auf der<br />
Strecke Welden – Augsburg ist es im Winter 1985/86<br />
umgekehrt; bis auf weiteres fahren dort Züge statt<br />
Busse, wie ein Aushang in Lohwald mitteilt Thomas Wunschel<br />
Gegensätze in Heidelberg Hbf:<br />
Im April 1980 rangiert 160 009<br />
einen Kurswagen, der in den 1974<br />
eingeführten Farben Ozeanblau-<br />
Beige lackiert ist. Die Kombination<br />
soll sich von den alten Fahrzeug -<br />
farben abheben – solchen, wie sie die<br />
Altbau-Ellok noch immer trägt<br />
Johannes Poets<br />
58
... mal was anderes<br />
Immer wieder hat die <strong>Bundesbahn</strong> Überraschungen parat. Ob der geschickt kombinierte<br />
Zuglauf, der Versuch, mit neuen Farben Aufbruchstimmung zu wecken oder die vermutlich<br />
in Eigeninitiative geschmückte Lok: Es gibt viel zu sehen. Manchmal auch zu diskutieren<br />
Gern mal heben Eisenbahner<br />
oder Eisenbahnfreunde die<br />
Pufferteller der Lok durch einen<br />
weiß umrandeten Anstrich<br />
hervor. Bei 052 574 hatte jemand<br />
eine eigene Idee: Die Güterzugmaschine<br />
grüßt alle unterwegs<br />
mit einem Smiley. Fotografiert<br />
1974 in Lehrte Helmut Scheiba<br />
59
Strecken, Züge, Betrieb<br />
| PERSONENZUGBETRIEB IN DER EIFEL<br />
<strong>Bundesbahn</strong> adé<br />
Noch in den frühen <strong>1970</strong>er-Jahren wurde die Eifel durch eine<br />
Haupt- und verschiedene Nebenbahnen erschlossen. Während die<br />
Hauptbahn ungefährdet war, schwebte über fast allen Nebenstrecken<br />
ein Damoklesschwert: schwache Auslastung. Hier wie andernorts<br />
ließen die Folgen im Personenzugbetrieb nicht lange auf sich warten<br />
Ausgerechnet mit diesem Landstrich –<br />
der Abseitslage wegen gerne auch als<br />
„preußisch Sibirien“ bezeichnet –<br />
hatte es „Preußens Gloria“ besonders gut gemeint.<br />
Durch die Eifel gelangte man schnell<br />
an die Grenzen zu Frankreich und Belgien.<br />
Also verordneten die preußischen Generäle<br />
dem Mittelgebirge im Städteviereck Aachen-<br />
Köln-Koblenz-Trier zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
eine wahrhaft üppige Eisenbahninfrastruktur.<br />
Nebenbahnen und strategische<br />
Bahnen waren gleichermaßen vertreten.<br />
Lebensader der Eisenbahn in der Eifel<br />
war von jeher die Hauptbahn Köln – Euskirchen<br />
– Gerolstein – Trier. Eine der wenigen<br />
Strecken der ländlich geprägten Mittelgebirgsregion,<br />
deren Existenz zu keiner Zeit<br />
ernsthaft gefährdet war. Anders sah es bei<br />
den Nebenbahnen in der dünn besiedelten<br />
Region aus; mit ihnen hatte die <strong>Bundesbahn</strong><br />
eine schwere Bürde übernommen. Strategische<br />
Belange spielten kaum mehr eine Rolle;<br />
in der dünn besiedelten Region und bei dem<br />
beginnenden Individualverkehr war das<br />
Reisendenaufkommen in den Personen -<br />
zügen dürftig. Dennoch kam es zunächst nur<br />
zu überschaubaren Teilstilllegungen im Per -<br />
sonenverkehr, ganz im Sinne des wirtschaft -<br />
lichen Werterhalts des übrigen Strecken -<br />
netzes. Aufgrund der besonders schwachen<br />
Auslastung waren anfangs die Strecken in<br />
der Westeifel betroffen.<br />
Einstellungen in West- und Nordeifel<br />
Als die <strong>1970</strong>er-Jahre begannen, verfügte die<br />
DB über einen Strecken-Bestand, der die<br />
Eifelregion noch relativ gut erschloss. Einschränkungen<br />
im Personenverkehr hielt<br />
man zunächst in überschaubarem Rahmen.<br />
Doch der Strukturwandel setzte sich fort<br />
und das Defizit im Bahnbetrieb wurde grö -<br />
ßer, so dass die nächsten Einstellungen bald<br />
folgten. 1972 traf es erneut die Westeifel, wo<br />
zum Sommerfahrplan der Personenverkehr<br />
auf der von Gerolstein verlaufenden Strecke<br />
zwischen Prüm und Pronsfeld endete. Im<br />
Jahr darauf kam mit dem Sommerfahrplan<br />
das Aus für den Personenverkehr zwischen<br />
Dümpelfeld und Lissendorf. Die 1912 als<br />
zweigleisige Bahn in Betrieb genommene<br />
Verbindung war eine jener strategisch motivierten<br />
Strecken, die als Nebenbahn endeten<br />
und selbst in dieser Funktion keine rechte<br />
Daseinsberechtigung fanden.<br />
Seit den 1960er-Jahren bestimmte unverkennbar<br />
der Uerdinger Schienenbus (Baureihe<br />
795 bzw. 798) das Bild der Neben bah -<br />
nen. Zumeist blieb das bis zur Einstellung so.<br />
Auf der Strecke Kall – Hellenthal fuhren<br />
auch diesellokbespannte Vierachsumbauwagen-Züge,<br />
bespannt von 211er-Dieselloks des<br />
Bw Düren. Eine weitere 211er-Strecke blieb<br />
die Verbindung Andernach – Mayen mit<br />
Lokomotiven des Bw Koblenz.<br />
Zum 27. September 1980 wurde die Westeifel<br />
vollends von der schienengebundenen<br />
Am 31. Oktober<br />
1981 verkehren<br />
letztmals reguläre<br />
Personenzüge<br />
zwischen Daun<br />
und Wittlich. Mit<br />
Abschiedsschmuck<br />
und gut besetzt<br />
verlässt das<br />
Schienenbus-<br />
Gespann den<br />
Bahnhof Gillenfeld<br />
60
Der Hausener Viadukt war eine beliebte Fotostelle<br />
an der Strecke Koblenz-Lützel – Mayen Ost. Im Juli 1983<br />
fährt noch eine 216 mit ihrem Nahverkehrszug aus<br />
Vierachser-Umbauwagen über das Tal, im Dezember des<br />
Jahres stellt die DB den Personenzugverkehr ein<br />
Aufnahmen des Beitrags: Udo Kandler<br />
Ein verwittertes<br />
Blatt Papier auf dem<br />
Stationsschild weist<br />
in Nettersürsch im<br />
November 1985 auf<br />
die Einstellung des<br />
Personenverkehrs<br />
Koblenz – Mayen Ost<br />
hin; das Ende des<br />
Betriebs ist damals<br />
schon zwei Jahre her<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 61
Strecken, Züge, Betrieb<br />
| PERSONENZUGBETRIEB IN DER EIFEL<br />
Personenbeförderung abgekoppelt. An dem<br />
Tag endete zwischen Gerolstein und Prüm<br />
der Einsatz von Schienenbussen des Bw<br />
Trier. Ein großer Einschnitt war das nicht<br />
mehr: Die DB gab lediglich das über drei<br />
Fahrplanperioden aufrecht erhaltene mittägliche<br />
„Alibi“-Zugpaar auf, das als N 8484/85<br />
Gerolstein – Prüm – Gerolstein verkehrte.<br />
Längst hatten DB-Omnibusse das Regiment<br />
übernommen, eine übliche Vorgehensweise.<br />
Überall dort, wo Bahnstrecken für den Personenverkehr<br />
aufgegeben wurden, sprangen<br />
zumeist bundes bahneigene Omnibusse ein.<br />
Im DB-Jargon wurde die Bezeichnung „Still-<br />
legung“ jeweils vermieden. Vielmehr war von<br />
der „Angebotsumstellung“ die Rede, was<br />
sich nach außen hin besser verkaufen ließ.<br />
Dass die <strong>Bundesbahn</strong> neben den Zügen<br />
Statt von „Stilllegung“<br />
sprach die DB lieber von<br />
„Angebotsumstellung“<br />
nicht selten parallel fahrende Omnibusse einsetzte,<br />
um ungeliebte Nebenbahnen in die<br />
Knie zu zwingen, verschwieg sie tunlichst.<br />
Auch die Strecken der Nordeifel hatten<br />
mit schwachem Verkehrsaufkommen zu<br />
kämpfen; am 31. Mai 1981 schuf die DB hier<br />
ebenfalls Fakten. Auf der heute als Oleftalbahn<br />
bekannten Nebenbahn Kall – Hellenthal<br />
gab sie den Personenverkehr auf. Die<br />
Strecke hatte vor allem wegen der Ortsdurchfahrt<br />
in Olef Bekanntheit erlangt. Dort schritt<br />
der Zugführer mit rot-weißer Signalfahne in<br />
der Hand dem Personenzug voran, um die<br />
Fahrt über den Dorfplatz zu sichern.<br />
Eine weitere Strecke in der Hand der Baureihe<br />
211 blieb bis Ende der 1980er-Jahre die<br />
Verbindung von Andernach nach Mayen, für<br />
deren Personenzüge (und Güterzüge) das<br />
Bw Koblenz die Lokomotiven stellte. Ersetzt<br />
Die Streckensituation in der Eifel im Jahr 1965; trotz erster Stilllegungen<br />
wird die Region noch gut erschlossen Slg. Udo Kandler<br />
Die meisten Nebenbahnen der Eifel waren Schienenbus-Land; so<br />
auch die Strecke Gerolstein – Mayen Ost, auf der im Februar 1985<br />
einer der roten Brummer im Bahnhof Hohenfels hält<br />
Überblick<br />
Stilllegungen in der Eifel ab <strong>1970</strong><br />
Datum Einstellung Strecke im Personenverkehr: Einstellung Strecke/Teilstrecke im Gesamt-/Güterverkehr<br />
27.09.<strong>1970</strong> Erdorf – Bitburg (9 km, Teil von KBS 263h)<br />
27.05.1972 Prüm – Pronsfeld (8 km, Teil von KBS 248m) 1994<br />
03.06.1973 Dümpelfeld – Lissendorf (44 km, KBS 248h) 30.09.1973 Dümpelfeld – Hillesheim, 30.12.1982 Hillesheim – Lissendorf<br />
28.09.1980 3) Gerolstein – Prüm (24 km, Teil von KBS 248m/434)<br />
31.05.1981 1) Kall – Hellenthal (17 km, KBS 248b/432)<br />
01.11.1981 Wittlich – Daun (37 km, Teil von KBS 263c/623) 22.05.1982 Schalkenmehren – Gillenfeld,<br />
29.05.1988 Daun – Schalkenmehren/Gillenfeld – Wittlich<br />
29.05.1983 Düren – Euskirchen (30 km, KBS 247e/445)<br />
10.12.1983 Koblenz-Lützel – Mayen Ost (34 km, KBS 248q/602) 10.12.1983 Kerben – Mayen Ost, 30.07.1988 Ochtendung – Kerben,<br />
19.09.2003 Koblenz-Lützel – Ochtendung<br />
02.06.1985 4) Kreuzberg (Ahr) – Adenau (16 km, Teil v. KBS 248g/601) 02.06.1996 Hönningen (Ahr) – Adenau, 31.12.1997 Ahrbrück – Hönningen<br />
02.06.1985 Wengerohr 2) – Bernkastel-Kues (15 km, KBS 263b/622) 27.05.<strong>1989</strong><br />
25.09.1988 Wengerohr 2) – Wittlich (4 km, Teil von KBS 263c/622) 30.06.2001<br />
Anmerkungen:<br />
1) Strecke mit Touristikverkehr. 2) 1987 Umbenennung in Wittlich Hbf. 3) Touristikverkehr geplant.<br />
4) Der Abschnitt Kreuzberg (Ahr) – Ahrbrück (2,3 km) wurde am 02.05.1996 für den Personenverkehr reaktiviert.<br />
Die Angaben zu den Kursbuchstreckennummern (KBS) nennen die bis 1972 gebräuchliche und nach dem Schrägstrich die danach gültige Nummer.<br />
Bis auf wenige kurze Teilstücke dienen die stillgelegten Bahntrassen heute als Radweg.<br />
Ulrich Rockelmann/Udo Kandler<br />
62
Scharen von Fotofreunden zog es zu der Strecke Kall – Hellenthal, auf der die Züge mitten<br />
durch den Ort Olef fuhren (Bild vom August 1980). Der Nebenbahn selbst nutzte das nichts;<br />
der Personenverkehr endete im Mai 1981<br />
wurden die lokbespannten Vierachsumbauwagen-Garnituren<br />
in dieser Relation durch<br />
fabrikneue Dieseltriebwagen der Baureihe<br />
628.2. Im Gegensatz zu den vielen anderen<br />
Nebenbahnen in der Eifel vermochte sich<br />
diese Verbindung über die schweren Zeiten<br />
hinwegzuretten und weist noch heute Personenverkehr<br />
auf.<br />
Einstellungen in Vulkan- und Osteifel<br />
Am 31. Oktober 1981 war dann auch mit der<br />
Personenbeförderung aus dem Herzen der<br />
Vulkaneifel gen Mosel Schluss, und zwar auf<br />
der landschaftlich ungemein reizvollen Verbindung<br />
zwischen Daun und Wittlich. Die<br />
Strecke verfügte immerhin über drei Via -<br />
dukte und vier Tunnels. Im Kursbuch Winter<br />
1981/82 war bereits auf die Streckenstilllegung<br />
verwiesen worden: „Der Reisezugverkehr<br />
Wittlich – Daun soll noch während des<br />
laufenden Fahrplanabschnitts auf Busbedienung<br />
umgestellt werden.“ Eingestellt wurde<br />
dieser ganz den wirtschaftlichen Erfordernissen<br />
gehorchend, da schlicht die Fahrgäste<br />
ausblieben und die Schienenbusse nicht selten<br />
leer durch die Landschaft brummten.<br />
Nicht so am letzten Betriebstag, an dem sich<br />
die örtliche Bevölkerung auf ihre Eisenbahn<br />
besann und nochmals für volle Schienenbusse<br />
sorgte.<br />
Beibehalten wurde zunächst noch der Personenverkehr<br />
auf der jetzt 4,3 Kilometer langen<br />
Reststrecke zwischen Wittlich und Wengerohr<br />
(im September 1987 umbenannt in<br />
Wittlich Hbf) an der Moselstrecke, der zu -<br />
letzt im Kursbuch unter der Strecken num -<br />
mer 623 Daun – Wengerohr geführten Eifel-<br />
Mosel-Verbindung. Nach jahrelangem Siechtum<br />
wurde die Strecke Daun – Wittlich mit<br />
Wirkung vom 29. Mai 1988 für den Gesamtverkehr<br />
eingestellt. Kurz darauf, mit Ende<br />
des Sommerfahrplans, beendete die DB am<br />
25. September 1988 auch den Personenverkehr<br />
auf dem verbliebenen Streckentorso<br />
Wittlich Hbf – Wittlich.<br />
Ebenso schrumpfte das Zugangebot in<br />
der Osteifel weiter. Am 10. Dezember 1983<br />
endete der Personenverkehr auf der über<br />
Polch verlaufenden Kursbuchstrecke 603 Koblenz<br />
– Mayen Ost. Im ab 25. September 1983<br />
gültigen Kursbuch Winter 1983/84 hatte sich<br />
das drohende Ende der Strecke durch den<br />
Hinweis „Züge können jederzeit ausfallen“<br />
bereits angekündigt. Bis zum Schluss bewahrte<br />
die Strecke eine betriebliche Be -<br />
sonderheit: Einige Personenzugleistungen<br />
wurden mit 211 bzw. 216 und Vierachser-Umbauwagen<br />
gefahren. Eine letzte „Angebots -<br />
umstellung“ brachte in den 1980ern die Abkehr<br />
der <strong>Bundesbahn</strong> vom schienengebundenen<br />
Personenverkehr auf dem oberen Teilstück<br />
der Ahrtalbahn zwischen Kreuzberg<br />
(Ahr) und Adenau am 1. Juni 1985.<br />
Damit steht die Eifel beispielhaft für viele<br />
ländliche Regionen, in denen die DB – nicht<br />
erst in den <strong>1970</strong>ern und 1980ern, aber eben<br />
auch dann – den „Rückzug aus der Fläche“<br />
praktizierte. Das geschah teils notge drun -<br />
gen, teils durch hausgemachte Ursachen.<br />
Eine kuriose Situation ergab sich noch bei<br />
der Strecke Jünkerath – Losheim (Eifel), auf<br />
der die DB schon 1963 den Personenverkehr<br />
beendet hatte. Finanziert durch die NATO,<br />
wurde sie in den 1980er-Jahren saniert und<br />
reaktiviert. Am 11. Oktober 1986 erlebte die<br />
Verbindung ihre strategische Wiederinbetriebnahme,<br />
zu der auch ein Personenzug<br />
verkehrte. Allerdings blieb es dabei; die Betriebsruhe<br />
wurde nur für den Güterverkehr<br />
aufgehoben. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs<br />
verlor die Strecke ihre Bedeutung; am<br />
15. Juni 2003 endete der Gesamtverkehr.<br />
Die Situation heute<br />
Im Personenzugangebot präsentiert sich die<br />
Eifel mittlerweile weitgehend ausgedünnt<br />
und auf die Strecke Andernach – Mayen sowie<br />
wenige Hauptstrecken reduziert. Abgesehen<br />
davon, dass die prognostizierte Zahl<br />
der Reisenden eine Wiederaufnahme des Verkehrs<br />
in vielen Fällen ohnehin nicht mehr<br />
rechtfertigen würde – die meisten der Nebenbahnen<br />
sind abgebaut, so dass sich an den<br />
Verhältnissen kaum etwas ändern kann. Es<br />
gibt auch nur zwei Fälle, in denen der Personenverkehr<br />
eine Rückkehr feierte: Zum<br />
2. Juni 1996 wurde das 2,3 Kilometer lange<br />
Streckenstück zwischen Kreuzberg (Ahr)<br />
und Ahrbrück reaktiviert. Die Oleftalbahn<br />
wartet in der Sommersaison an Sonn- und<br />
Feiertagen mit einem planmäßigen Touristik -<br />
verkehr auf. Die meisten anderen einstigen<br />
Verbindungen kann man dagegen heute nur<br />
noch als Radweg benutzen. Udo Kandler<br />
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Rückblick<br />
| ALS ZUGBEGLEITER IM TUI-FERIENEXPRESS<br />
Ich war Student an der Uni München, und<br />
als solcher entdeckte ich an einem Frühlingstag<br />
1984 diesen Aushang am<br />
Schwarzen Brett. Da bot die TUI-Niederlassung<br />
München die Chance, bei ihr anzufangen;<br />
als Betreuer im FerienExpress-Wagen.<br />
Die Eisenbahn interessierte mich ja sowieso,<br />
einen Nebenjob konnte ich gut gebrauchen,<br />
und ins Ausland ging es mit dem Zug auch.<br />
Das klang alles verlockend, ein bisschen<br />
nach Abenteuer. Also rief ich an, stellte mich<br />
vor und wurde auch gleich genommen.<br />
Ein paar Tage später fand ich mich schon<br />
an einem Wagen ein, der auf einem Abstellgleis<br />
am Münchner Hauptbahnhof stand.<br />
Das war bei der DSG, der Deutschen Schlafwagen-<br />
und Speisewagengesellschaft, in der<br />
Bayerstraße. Bei der DB-Tochter erhielt ich<br />
die Einweisung und erfuhr, was ich bei<br />
meiner Arbeit überhaupt zu machen hatte.<br />
Steward und Seelentröster<br />
Kurz gesagt, bestand meine Aufgabe darin,<br />
die Reisenden im Liegewagen des TUI-Fe -<br />
rienexpress auf der Fahrt in den Süden zu<br />
betreuen. Das hieß, vorab „meinen“ Wagen<br />
aufzurüsten, die Gäste in Empfang zu<br />
nehmen, sie auf die Abteile zu verteilen, mit<br />
Frühstück und tagsüber mit Getränken zu<br />
ver sorgen. Sozusagen eine Art Steward zu<br />
sein. Außerdem waren wir Zugbegleiter An -<br />
sprech partner für alle Fragen im Zusammenhang<br />
mit der Reise, und wir waren diejeni -<br />
gen, die den Fahrgästen die Formalitäten<br />
vom Leib hielten. Wir stimmten die Teilnehmerliste<br />
mit dem Schaffner der <strong>Bundesbahn</strong><br />
(und später mit dem TUI-Zugreiseleiter) ab,<br />
wir kümmerten uns darum, dass unsere Kunden<br />
auf den Unterwegsbahnhöfen recht zei -<br />
Wir bedienten die Gäste<br />
und hielten ihnen die<br />
Formalitäten vom Leib<br />
tig ausstiegen und wir handhabten die nächtlichen<br />
Grenzkontrollen. Darüber hinaus waren<br />
wir auch „Seelentröster“ bei Problemen<br />
aller Art.<br />
Auf dem Fahrplan standen durchaus namhafte<br />
Ziele für den Urlaub: Split in Jugoslawien,<br />
Lecce, Imperia und Pesaro in Italien<br />
sowie Barcelona, wobei „unser“ Zug in Port<br />
Bou an der französisch-spanischen Grenze<br />
endete. Meine Reise begann aber erst einmal<br />
mit einer Fahrt in die „falsche Richtung“. Die<br />
beiden in München stationierten Wagen des<br />
Ferienzuges waren nämlich in Freilassing<br />
abgestellt und kamen mit einem Eilzug nach<br />
München. Je nachdem, wie sehr die von mir<br />
betreuten Abteile belegt waren, fuhr ich dem<br />
Gespann mit einem Eilzug nach Rosenheim<br />
oder noch weiter entgegen. So hatte ich Zeit,<br />
auf der Rückfahrt schon mal meinen Wagen<br />
aufzurüsten. Dazu gehörte es, die Bett -<br />
Noch ohne Uniform und Krawatte nimmt<br />
Michael Baier die Warenbestände für die<br />
anstehende FerienExpress-Fahrt auf<br />
Aufnahmen des Beitrags: Michael Baier bzw. Slg. Michael Baier<br />
Im Ferienzug<br />
nach Süden<br />
Dienst<br />
bei der<br />
Anfang 1984 stieß Michael Baier auf eine Anzeige:<br />
Die TUI München suchte Betreuer für Reisen im<br />
FerienExpress. Er bewarb sich und wurde genommen.<br />
<strong>Zwei</strong> <strong>spannende</strong> Sommer standen ihm bevor<br />
64
Improvisation ist alles: Weil der<br />
reguläre Speisewagen ausfällt,<br />
fährt bei einer der Italien-Touren<br />
ein Wagen des Alpen-See-Express<br />
mit; hier befindet sich die Garnitur<br />
schon südlich der Alpen<br />
Die Zuglaufschilder bestanden aus Kunststoff<br />
und waren so geformt, dass sie in die Fenster<br />
der Einstiegstüren passten und nachts von<br />
der Vorraumbeleuchtung angestrahlt wurden<br />
Mit dem Ferienzug unter Südfrankreichs<br />
Sonne. Während der TUI-Zug in Port Bou<br />
endet (Foto), fahren die Reisenden mit einem<br />
Breitspur-Regelzug weiter nach Spanien<br />
mund ein, die ebenfalls Zugteile nach Im -<br />
peria und Port Bou mitführten. In Appen -<br />
weier wurde in der Nacht alles neu sortiert,<br />
so dass am Ende zwei reinrassige TUI-<br />
FerienExpress-Züge nach Italien bzw. Spanien<br />
fuhren. Der Spanienzug hatte noch<br />
Autotransporter dabei, die bis Narbon ne mitliefen.<br />
Außerdem war ein 2.-Klasse-Sitzwagen<br />
in Ozeanblau-Beige mit von der Partie,<br />
dessen Fahrkarten natürlich deutlich billiger<br />
verkauft wurden und der auch ent sprechen -<br />
de Klientel beförderte. Sinnigerweise lief der<br />
Wagen in der Regel am Zugschluss, hinter<br />
den TUI-Wagen mit dem etwas gehobeneren<br />
Komfort …<br />
Unser Wagen hatte in der Regel ein Freistaat-Bayern-Schild<br />
in der Durchgangstür.<br />
Vor uns liefen ja die Wagen aus Dortmund<br />
und Hamburg… Witzigerweise war der Wagen<br />
aus Bayern oft der einzige, der außen<br />
richtig sauber war. Dann bildete er den glänwäsche<br />
zu verteilen, den Wagen auf Sauberkeit<br />
prüfen und auch einen Blick auf die Technik<br />
zu werfen. In München angekommen,<br />
übernahm ich von der DSG die Getränke,<br />
Snackpakete und Frühstücksrationen. Der<br />
Wagen stand derweil auf einem Gleisstutzen<br />
vor der Haupthalle des Hauptbahnhofes.<br />
Entsprechend dem Zielort kam der<br />
Wagen an den entsprechenden Zug. Dann<br />
standen auch die Gäste vor der Tür. Ich glich<br />
die Namen mit meiner Liste ab, brachte die<br />
Reisenden zu ihren Abteilen, verstaute das<br />
Gepäck und sammelte die Pässe für die<br />
Grenzkontrollen ein. Nach der Abfahrt wollten<br />
die ersten schon Getränke haben. Unterwegs<br />
stiegen manchmal noch Urlauber zu.<br />
Besonderheit Split-Reisen<br />
Bei der Zugzusammenstellung gab es die Besonderheit,<br />
dass Split und Lecce nur mit einem<br />
Wagen angefahren wurden. Der lief als<br />
Kurswagen in einem normalen D-Zug mit.<br />
Anders verhielt es sich, wenn wir Imperia<br />
oder Port Bou zum Ziel hatten. In dem Fall<br />
liefen die beiden Münchner Wagen gemeinsam<br />
bis Appenweier in einem Zug mit. Dort<br />
trafen die Zugteile aus Hamburg und Dort-<br />
Hintergrund<br />
Der TUI-Zug<br />
Im Sommer 1980 ging der FerienExpress<br />
als Urlauberzug der Touristik<br />
Union International (TUI) für Pauschalreisende<br />
an den Start. Die DB<br />
war – abgesehen von der Beförderung<br />
auf dem DB-Netz – nicht direkt beteiligt,<br />
dennoch hatte sie an dem Zug<br />
einigen Anteil. Die Wagen gingen auf<br />
Entwürfe des BZA München zurück,<br />
es gab Sonderpreise in Verbindung<br />
mit DB-Fahrkarten. Der FerienExpress<br />
verkehrte bis Anfang der 1990er-Jahre.<br />
zenden Abschluss eines äußerlich etwas mitgenommenen<br />
FerienExpress.<br />
Meine Vorstellung von Abenteuern wurde<br />
dabei nicht enttäuscht, vor allem nicht, wenn<br />
es nach Split ging. Spannend gestaltete sich<br />
bereits das Umspannen auf den Anschlusszug<br />
in Zagreb. Hatte unser Zug aus München<br />
Verspätung – was die Regel war –, konnte es<br />
passieren, dass man den Zug nach Split auf<br />
dem Nachbargleis sah und vergeblich auf<br />
Manchmal blieben wir<br />
mit dem Wagen auf dem<br />
Abstellgleis in Zagreb<br />
die türkisblaue V 60 wartete, die nun als<br />
Rangierdiesellok der Jugoslawischen Staats -<br />
bahn fuhr. Die Herrschaften hatten offenbar<br />
keine Lust mehr, den Wagen des TUI-FEX,<br />
wie der Ferienzug abgekürzt hieß, vom Zugende<br />
abzuziehen und an den direkt nebenan<br />
stehenden Zug nach Split anzukuppeln.<br />
Dann mussten unsere Reisenden mit einem<br />
Regelzug weiter fahren; wir blieben mit unserem<br />
Wagen in der Abstellgruppe zurück<br />
und nahmen dann die Rückreisenden aus<br />
dem Gegenzug auf.<br />
Aber auch wenn der Übergang sofort<br />
klappte, die nächste Hürde folgte bald. Die<br />
Schwierigkeit: Ich musste den jugoslawischen<br />
Lokführern klar machen, dass sie trotz<br />
35 Grad Hitze die Heizleitung ihrer Diesellok<br />
einschalten sollten. Der TUI-Wagen war ja<br />
klimatisiert und brauchte den Heizstrom.<br />
Ohne die Stromversorgung wäre das an sich<br />
kein Problem gewesen – wenn nicht die<br />
Licht maschine des Wagens erst bei 60 km/h<br />
angesprungen wäre. Da aber der Zug meis-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 65
Rückblick<br />
| ALS ZUGBEGLEITER IM TUI-FERIENEXPRESS<br />
Außer für Urlaubsfahrten<br />
steht der TUI-<br />
FerienExpress auch<br />
für Sonderfahrten<br />
zur Verfügung; die<br />
mitreisenden<br />
Frühpensionäre<br />
sorgen beim Personal<br />
stets für gute<br />
Umsätze<br />
Nach der Ankunft in Italien sind die Reisenden schon ins Hotel aufgebrochen; auf dem Bahnsteig<br />
befindet sich noch ihr Gepäck, das aber bald folgt<br />
Wieder mal hat der Anschluss in Zagreb<br />
nicht geklappt. Statt nach Split weiter zu<br />
fahren, wartet der TUI-Wagen in der Abstellgruppe<br />
des Bahnhofs, bis es mit den Rückreisenden<br />
zurück nach Deutschland geht<br />
tens mit Geschwindigkeiten knapp darunter<br />
durch die Lande zuckelte, war der Akku des<br />
TUI-Wagens schnell leer und damit die Klimaanlage<br />
am Ende. Und selbst wenn ich es<br />
geschafft hatte, den Lokführer von der Dringlichkeit<br />
meines Anliegens zu überzeugen,<br />
war ich noch nicht am Ziel. Nicht selten<br />
schaltete der Lokführer die Leitung dann äußerst<br />
widerwillig ein, um sie kurz nach Abfahrt<br />
des Zuges wieder abzuschal ten. Ich<br />
konnte nun nicht mehr intervenieren. Das<br />
Ende vom Lied: Der Wagen verwandelte sich<br />
in kürzester Zeit in eine Sauna, Fenster zum<br />
Öffnen – Fehlanzeige. Die kleinen Ober lich -<br />
ter brachten keine wesentliche Erfrischung<br />
und so brüteten wir der Adria entgegen.<br />
Einmal blieben wir nach einem lauten<br />
Knall in der Winnetou-Landschaft stehen. Offenbar<br />
hatte es den Kühler der amerikanischen<br />
Diesellok zerrissen, denn überall lief<br />
Wasser aus. Zunächst wurde von den Lokführern<br />
unter groben Verwünschungen mit<br />
dem Werkzeug auf die Lok eingedroschen,<br />
66<br />
was freilich wenig Erfolg brachte. Derweil<br />
waren die Fahrgäste alle ausgestiegen und<br />
widmeten sich der Zwetschgenernte an den<br />
Bäumen entlang der Strecke. Die konnten<br />
sie genüsslich fortführen, bis irgendwann<br />
eine Ersatzlok kam und die Fahrt auf der eingleisigen<br />
Strecke weiter ging.<br />
Die Sache mit dem Catering<br />
Die Lebensmittel, mit denen ich die Fahr -<br />
gäste unterwegs versorgte, waren abgesehen<br />
vom Frühstück nicht im Fahrpreis des TUI-<br />
Ferienexpress inbegriffen. Es war vielmehr<br />
ein Zusatzverdienst für die Veran stal ter; beliefert<br />
von der DSG, verkaufte ich die Ware<br />
für meinen Arbeitgeber weiter. Ein Geschäftsmodell,<br />
das manche Kollegen auch<br />
anders interpretier ten. Statt die DSG-Lebensmittel<br />
an den Kunden zu bringen, hatten<br />
sie ein Depot mit Kaffee aus dem Discounter<br />
angelegt und servierten es auf eigene Rechnung<br />
auf gespülten Plastikgarnituren. Das<br />
war streng verboten und wer ertappt wurde,<br />
musste seinen Hut nehmen. Trotzdem besserte<br />
sich so mancher damit sein Gehalt auf.<br />
Zur Person<br />
Der Autor<br />
Michael Baier, Jahrgang 1964, hat Volkswirtschaft<br />
studiert und arbeitet heute bei<br />
einer Bank. Die Eisenbahn-Leidenschaft<br />
aus Kinder- und Jugendzeit hat er sich<br />
bewahrt, unter anderem bei Urlaubsund<br />
Freizeitaktivitäten.<br />
Meinen größten Verkaufserfolg in Sachen<br />
Catering feierte ich, als bei einer Fahrt der<br />
Brenner wegen Murenabgangs gesperrt war<br />
und wir den Umweg über Mailand nahmen.<br />
Auf den Absatz wirkte sich die Umleitung<br />
bestens aus. Bis wir am Ziel eintrafen, hatte<br />
ich alle Snackpakete und Kaffeevorräte restlos<br />
verkauft.<br />
Dass wir diesen Service nicht nur als<br />
Dienst leistung, sondern auch als Druck -<br />
mittel anwenden konnten, demonstrierte mir<br />
Mein Kollege forderte<br />
im Kasernenhofton<br />
Ordnung – mit Erfolg<br />
ein Kollege vom Dortmunder Zugteil. Auf<br />
dem Rückweg von Port Bou hatten seine<br />
Gäste im erwähnten Sitzwagen wohl eine<br />
exzessive Party gefeiert. Bei jeder Kurve rollten<br />
aus den offenen Abteilen die Bierdosen<br />
heraus. Das ließ sich der Dortmunder Kolle -<br />
ge, der sehr penibel auf seinen Wagen ach -<br />
tete, nicht bieten. Er hängte in der Früh über<br />
die Klappsessel im Gang Müllsäcke und<br />
machte dann im Kasernenhofton seinen<br />
Reisenden klar, dass es erst Frühstück gäbe,<br />
wenn „sein“ Wagen in einem ordentlichen<br />
Zustand sei. Man glaubt es nicht, aber es hat<br />
tatsächlich funktioniert!<br />
So verbrachte ich die Fahrplansaison vom<br />
Sommer 1984 und Sommer 1985 auf dem TUI-<br />
FerienExpress, konnte Eisenbahn fahren<br />
und Geld für das Studium verdienen. Und<br />
was meine Erwartungen betrifft, kann ich<br />
nur fest stel len: Es wurde mir nicht zu viel<br />
versprochen.
Faszination Nahverkehr<br />
GeraMond Verlag GmbH, Infanteriestraße 11a, 80797 München<br />
Jeden Monat neu am Kiosk oder unter:<br />
www.strassenbahn-magazin.de
Strecken, Züge, Betrieb<br />
| ABSCHIED VOM „ÖCHSLE“<br />
Die Letzte<br />
auf dem Festland<br />
Die meisten Schmalspurbahnen passten nicht ins Konzept der<br />
immer auf Modernität bedachten <strong>Bundesbahn</strong>. So auch die Verbindung<br />
Warthausen – Ochsenhausen, die im März 1983 stillgelegt wurde.<br />
Danach gab es DB-Schmalspurbahnen nur noch auf einer Nordsee-Insel<br />
Detail eines<br />
Öchsle-Rollbocks im<br />
September 1979<br />
in Warthausen.<br />
Links unten die<br />
Aufstandsfläche für<br />
den Normalspurradsatz,<br />
in Bildmitte<br />
die hier abgeklappte<br />
Gabel für die<br />
Normalspurachse,<br />
welche für den<br />
Wagentransport<br />
aufgerichtet und<br />
durch die am<br />
Gegengewicht<br />
sichtbare Klinke<br />
arretiert wird<br />
Dietrich Bothe<br />
Die Rinder neben der Strecke<br />
waren es nicht, die der Schmalspurbahn<br />
ihren Spitznamen<br />
gaben. Der ländliche Charakter<br />
trug aber viel zum Charme<br />
der Strecke bei Martin Weltner<br />
68
Im Juli 1980 herrscht beim „Öchsle“ noch<br />
normaler (Güterverkehrs-)Betriebsalltag.<br />
In Ochsenhausen ist Diesellok 251 902 mit<br />
Rangierarbeiten beschäftigt Georg Wagner<br />
Wie alle anderen in Baden-Württemberg gelegenen<br />
Schmalspurbahnen wäre auch das „Öchsle“ viel eher<br />
stillgelegt worden, hätte es dort nicht bis zum Schluss<br />
so einen starken Güterverkehr gegeben. Die ursprünglich von<br />
Biberach nach Ochsenhausen führende Strecke war anlässlich<br />
der Einstellung des Reisezugverkehrs im Mai 1964 auf den 19 Kilometer<br />
langen Abschnitt von Warthausen, wo Anschluss an die<br />
Südbahn Ulm – Aulendorf bestand, nach Ochsenhausen verkürzt<br />
worden.<br />
Fast zeitgleich hatte die DB den Betrieb durch Verdieselung<br />
mit der Baureihe V 51 (ab 1968: 251) rationalisiert. Ab 1967 wurden<br />
die beiden Dieselloks (eine Planlok, eine als Reserve) nachts unter<br />
freiem Himmel in Warthausen abgestellt, wodurch die Fahrten<br />
zum Ochsenhausener Lokschuppen eingespart werden konnte.<br />
Werktags ein Güterzugpaar<br />
Mit ganzen drei Mann Personal wurde der Betrieb aufrecht erhalten;<br />
an Werktagen verkehrte ein Güterzugpaar mit auf Rollböcken<br />
aufgeschemelten Normalspur-Güterwagen nach Ochsenhausen<br />
und zurück. In erster Linie wurden Kühlschränke aus dem dor -<br />
tigen Liebherr-Werk nach Warthausen gefahren, von wo aus sie<br />
auf normaler Spur zu ihren Empfängern weiterrollten. Für Abwechslungen<br />
sorgten gelegentliche Kohle- und Öltransporte über<br />
die Schmalspurbahn – immer mit Normalspurwagen auf Rollböcken.<br />
Doch auch dieser durchrationalisierte Betrieb war den <strong>Bundesbahn</strong>-Oberen<br />
ein Dorn im Auge: 1981 wurde für die Aufarbeitung<br />
der Strecke ein Kostenaufwand von 21 Millionen DM<br />
genannt – das sollte das Todesurteil für das „Öchsle“ werden! Am<br />
31. März 1983 verkehrte der letzte Güterzug – die letzte Schmalspurbahn<br />
der DB auf dem Festland hatte ausgedient. Übrig blieb<br />
die profitable Schmalspurstrecke auf der Insel Wangerooge.<br />
Apropos profitabel: Heute fahren zwischen Warthausen und<br />
Ochsenhausen gut besuchte Museumszüge. Die Strecke präsentiert<br />
sich teilweise saniert – und das hat keine 21 Millionen DM<br />
gekostet ...<br />
Martin Weltner<br />
Abbocken normalspuriger Güterwagen an der Rollbockgrube<br />
in Warthausen im September 1979. Die Normalspurwagen<br />
haben auf den Schienen der Rollbockgrube aufgesetzt, in der<br />
Grube werden die Rollböcke gesammelt. Im Vordergund die<br />
zweite Grube mit den aufgeständerten Schienen Dietrich Bothe<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 69
Strecken, Züge, Betrieb<br />
| <strong>BAHN</strong>BETRIEB IN SCHLESWIG-HOLSTEIN<br />
Wer Loks und Triebwagen so richtig<br />
röhren und dröhnen hören wollte,<br />
der wurde in den <strong>1970</strong>ern und 1980ern<br />
in Schleswig-Holstein fündig. Dort<br />
hatte die Dieseltraktion fast allein das<br />
Sagen, im hochwertigen Fernverkehr<br />
wie auf der verträumten Nebenbahn<br />
Dieselparadies – dieser Begriff beschreibt treffend die Si tua -<br />
tion des schleswig-holsteinischen DB-Netzes in den <strong>1970</strong>erund<br />
1980er-Jahren. Nach dem Ende des Dampfbetriebes<br />
wurde nämlich die Hauptlast der Traktionsleistungen durch Dieseltriebfahrzeuge<br />
getragen – nur die Ausläufer der Hamburger S-Bahn<br />
waren (für den Gleichstrombetrieb) elektrifiziert und insbesondere<br />
auf den Nebenbahnen, etwa an der Westküste, wurden Akku-Triebwagen<br />
der Baureihe 515 eingesetzt. Tatsächlich war Schleswig-Holstein<br />
damals das einzige Bundesland, das nicht an das elektrische<br />
Fernstreckennetz der <strong>Bundesbahn</strong> ange schlos sen war und das mit<br />
Kiel und Lübeck gleich zwei Großstadtbahnhöfe ohne Fahrdrähte<br />
aufzuweisen hatte.<br />
Warum der Diesel „regierte“<br />
Gründe für diese Abstinenz des elektrischen Betriebs gab es mehrere.<br />
Erstens ist Schleswig-Holstein ein weitgehend flaches Land, jeden -<br />
falls weisen die Bahnstrecken keine nennenswerten Steigun gen auf.<br />
<strong>Zwei</strong>tens war das Land lange agrarisch geprägt – trotz industrieller<br />
Ansätze insbesondere in den großen Städten gab es keine Schwer -<br />
indus trie mit Bahntransporten in einem Umfang, der einen elektrischen<br />
Zugbetrieb für die DB wirtschaftlicher gemacht hätte. Und<br />
drittens befanden sich weite Teile Schleswig-Hols teins trotz der Verbindungen<br />
nach Dänemark und ins weitere Nordeuropa in einer<br />
verkehrspolitischen Randlage.<br />
Das<br />
Diesel<br />
Hochwertiger Reiseverkehr auf der Vogelfluglinie:<br />
TEE „Merkur“, bestehend aus 221 119 und drei Wagen,<br />
erklimmt im Juli 1974 auf dem Weg von Kopenhagen<br />
nach Stuttgart die Rampe der Fehmarnsundbrücke<br />
Aufnahmen des Beitrags: Axel Priebs<br />
70
Der Kieler Hauptbahnhof ist eine der großen Verkehrsdrehscheiben in<br />
Schleswig-Holstein – wird aber erst 1994 elektrifiziert. Im Jahr 1978 fährt<br />
Diesellok 218 126 mit einem Nahverkehrszug aus<br />
paradies<br />
Nach der Betriebseinstellung des Abschnitts nach Neumünster enden<br />
die Reisezüge in Bad Segeberg; im September 1987 steht dort 212 269<br />
mit ihrem Nahverkehrszug nach Hamburg bereit<br />
Im Sinne der wirtschaftlichen Strukturverbesserung forderte die<br />
schleswig-holsteinische Landesregierung damals regelmäßig die<br />
Elektrifizierung zumindest der drei in Nord-Süd-Richtung verlaufenden<br />
Hauptstrecken Hamburg – Westerland (Marschbahn), Hamburg<br />
– Neumünster – Kiel/– Flensburg und Hamburg – Lübeck –Puttgarden<br />
(Vogelfluglinie). Doch auch wenn sie damals wie heute einen<br />
wesentlichen Teil der Verkehrsnachfrage in Schleswig-Holstein auf<br />
sich ziehen und im Nah- wie Fernverkehr eine besondere Bedeutung<br />
hatten: Die <strong>Bundesbahn</strong> beließ es bei dem Dieselbetrieb.<br />
Für Eisenbahnfreunde, die nach dem Ende der Dampflok ein<br />
neues Betätigungsfeld suchten oder aber sich schlicht an Dieselloks<br />
erfreuen wollten, herrschten im Norden gleich in mehrerlei Hinsicht<br />
paradiesische Verhältnisse. Schleswig-Holstein bot reizvolle Streckenführungen<br />
an der Küste und im Binnenland, markante Brückenbauwerke<br />
(so über den Nord-Ostsee-Kanal und den Fehmarnsund,<br />
über die Schlei und die Eider) sowie eine breite Vielfalt an<br />
Loko motiven und Triebwagen. Auf den Haupt strecken dominierten<br />
in den <strong>1970</strong>ern/1980ern die Baureihen 218, 220 und 221, ergänzt durch<br />
die 212, die auch auf den län ge ren Nebenstrecken zum Einsatz kam.<br />
Paradestrecke der Baureihe 221 war die Vogelfluglinie, die (wie die<br />
Baureihe 220) im Bw Lübeck stationiert war. Zu den besonders<br />
interessanten Fernzügen auf der Vogelflug linie gehörte der TEE „Merkur“<br />
Kopenhagen – Hamburg – Stuttgart, der von 1974 bis 1978 ver-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 71
Strecken, Züge, Betrieb<br />
| <strong>BAHN</strong>BETRIEB IN SCHLESWIG-HOLSTEIN<br />
Schleswig-Holstein von einer seiner schönsten Seiten: Ein<br />
Triebwagenzug der Reihe 612 überquert 1979 auf der<br />
Strecke Kiel – Flensburg die Schleibrücke bei Lindaunis<br />
kehrte und auf der Vogelfluglinie aus nur drei TEE-Wagen und einer<br />
Lok der Baureihe 221 bestand. Eine tragende Rolle beim Dieselverkehr<br />
hatte bis 1982 auch der elegante Triebwagenzug der Baureihe<br />
612, der auf mehreren Haupt- und Nebenstrecken Verwendung fand.<br />
Zu seinen interessanten Einsätzen gehörten die Verbindungen zwischen<br />
Hamburg und Kiel/Flensburg, weil zwischen Hamburg und<br />
Neumünster zwei Triebwagen in Doppeltraktion fuhren und in Neumünster<br />
zur Fortsetzung ihrer jeweiligen Fahrt nach Kiel und Flensburg<br />
getrennt wurden. Aber auch auf anderen Strecken, etwa zwischen<br />
Kiel und Flensburg sowie zwischen Kiel und Lübeck (und<br />
weiter über Lauenburg nach Lüneburg), waren diese Züge im<br />
Einsatz. Sie kamen sogar bis an die Westküste. Schließ lich dürfen<br />
die Schienenbusse der Reihe 795 und 798 nicht unerwähnt bleiben,<br />
die insbesondere auf den Nebenstrecken den Zug betrieb aufrecht<br />
erhielten. Während der einmotorige 795 beispielsweise auf der Nebenstrecke<br />
von Malente-Gremsmühlen nach Lütjenburg im Einsatz<br />
war, stellten andere Nebenstrecken, etwa Heide – Neumünster und<br />
Lindholm – Flensburg, Domänen des zweimotorigen 798 dar.<br />
Durch eines der am wenigsten besiedelten Gebiete<br />
des Landes führte die Nebenbahn Lindholm –<br />
Flensburg. Hier passiert ein 798 als Nahverkehrszug<br />
im März 1981 die Haltestelle Handewitt<br />
Wie sich der Betrieb entwickelte<br />
Die <strong>1970</strong>er- und 1980er-Jahre waren aber auch geprägt durch den<br />
Rückzug der Deutschen <strong>Bundesbahn</strong> von einigen Neben strecken in<br />
Schleswig-Holstein. Schon in den Jahren 1974 bis 1976 wurde der<br />
Reisezugverkehr etwa auf den Querverbindungen von Rendsburg<br />
über Erfde nach Husum und von Wrist nach Itzehoe sowie die Nebenbahn<br />
von Malente-Gremsmühlen nach Lütjen burg eingestellt.<br />
In den 1980er-Jahren traf es den Reisezugverkehr auf den Strecken<br />
Lindholm – Flensburg (1981), Eutin – Neustadt (1982), Neumünster –<br />
72
1976 gibt es in Heide (Holstein) noch ein Bahnhofsgebäude und Formsignale. Mit<br />
218-Doppeltraktion fährt ein D-Zug Richtung Westerland (Sylt) aus<br />
Kurz nach ihrer Auslieferung warten im Juli 1987 vier Triebwagen der Baureihe 628<br />
im Bw Kiel auf den Einsatz als „Regionalschnellbahn“ Kiel – Flensburg<br />
Bad Segeberg (1984), Neumünster – Ascheberg (1985) und Wilster -<br />
Brunsbüttelkoog Nord (1988). Einige der Strecken wurden auch ganz<br />
oder in Teil strecken für den Gesamtverkehr stillgelegt.<br />
In der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre war dann bei der <strong>Bundesbahn</strong><br />
ein gewisses Umdenken in Sachen Nahverkehr erkennbar,<br />
was durch die Einführung des neuen Produkts „Regional schnell -<br />
bahn“ zwischen Kiel und Flensburg deutlich wurde. Nach der<br />
Ertüchtigung der Strecke (aber auch der Schließung einiger Bahnhöfe)<br />
konnte die Fahrzeit zwischen den beiden Städten um bis zu<br />
15 Minuten verkürzt werden. Mit Beginn des Winterfahrplans<br />
1986/87 fuhren die Züge an Werktagen im Stundentakt. Nachdem<br />
der Betrieb anfangs noch mit 212-bespannten Wendezügen durchgeführt<br />
werden musste, wurden im April 1987 die neuen Nahverkehrstriebwagen<br />
der Baureihe 628 ausgeliefert und auf dieser Strecke eingesetzt.<br />
Auch einige der noch bedienten Bahnhöfe dieser Strecke<br />
wurden auf wendig instandgesetzt. Damit hatte die <strong>Bundesbahn</strong><br />
sogar etwas Besonderes geschaffen: Die schleswig-holsteinische<br />
Strecke wurde zum Vorzeigeobjekt für einen zeitgemäßen Nahschnellverkehr<br />
im ländlichen Raum.<br />
Axel Priebs<br />
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Strecken, Züge, Betrieb<br />
| DIE NEUBAUSTRECKEN DER DB<br />
Gerade, schnelle<br />
Linien<br />
Erste Planungen gab es schon 1960, aber erst in den <strong>1970</strong>ern konnte<br />
die <strong>Bundesbahn</strong> die Realisierung der Neubaustrecken angehen. Für<br />
den Fernreiseverkehr brachten die neuen Verbindungen erhebliche<br />
Fortschritte; auch wenn sich Bau und Inbetriebnahme in die Länge zogen<br />
Bis weit in die 1980er-Jahre hinein litt<br />
das Streckennetz der <strong>Bundesbahn</strong><br />
unter dem Mangel, dass es im Großen<br />
und Ganzen aus der Frühzeit der Eisenbahn<br />
stammte. Hohe Geschwindigkeiten und<br />
die direkte Führung von Knotenpunkt zu<br />
Knotenpunkt hatte man seinerzeit nicht als<br />
Kriterium angesehen. Verbindungen nach<br />
diesen Vorgaben waren aber dringend nötig,<br />
wollte die DB die Züge beschleunigen und<br />
im Wettbewerb insbesondere mit dem Straßenverkehr<br />
und dessen Autobahnnetz wie -<br />
der Vorteile erzielen.<br />
Planungen für Neu- und Ausbauten<br />
Bereits 1960 hatte die <strong>Bundesbahn</strong> die<br />
Gruppe für Allgemeine Studien beauftragt,<br />
ein rund 3.200 Kilometer langes Schnellfahrnetz<br />
zu planen. Durch Ausbaumaßnahmen<br />
an vorhandenen Strecken in den Mittelgebirgen<br />
sollten auf 2.000 Kilometern Länge<br />
76<br />
200 km/h erreicht werden, auf einer Länge<br />
von 250 Kilometern sah man Neubau stre -<br />
cken für 250 km/h als erforderlich an. Der<br />
längste Abschnitt war mit 92 Kilometern<br />
Länge zwischen Hamburg und Celle geplant.<br />
1968 begannen die Planungen für einen Bundesverkehrswegeplan<br />
(BVWP), der am<br />
19. September 1973 verabschiedet wurde und<br />
die Absichten der frühen 1960er deutlich<br />
reduzierte. Für den Zeitraum von 1971 bis<br />
1985 sah er den Neubau von 950 Kilometern<br />
Strecke und den Ausbau von 1.250 Kilometern<br />
vorhandener Strecken vor. Die Neubaustrecken<br />
sollten nun nicht mehr „nur“ für<br />
250 km/h, sondern für 300 km/h ausgelegt<br />
werden.<br />
Neben der Anhebung der Reisegeschwindigkeit<br />
zielte die Maßnahme auf eine Entlastung<br />
der bestehenden Strecken. Der Mindestradius<br />
wurde mit 7.000 Metern festgelegt, das<br />
Lichtraumprofil sollte gegenüber dem Bestandsnetz<br />
mit einer Breite von 4,3 Metern<br />
und einer Höhe von 5,6 Metern vergrößert<br />
ausgeführt werden, um auch Lastkraft -<br />
wagen in geschlossenen Wagen befördern<br />
zu können. Weiterhin war vorgesehen, die<br />
Strecken dreigleisig auszuführen, um bei<br />
Bauarbeiten oder Betriebsstörungen den Verkehr<br />
weiterhin zuverlässig abwickeln zu<br />
können. Mit dem Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />
wurde ein Fahrgastzuwachs von 70 Prozent<br />
erwartet.<br />
Die beiden Neubaustrecken<br />
Unter den Neubaustreckenprojekten kristallisierten<br />
sich zwei Verbindungen heraus,<br />
welche die <strong>Bundesbahn</strong> anging: Hannover –<br />
Würzburg und Mannheim – Stuttgart. Für<br />
die Neubaustrecke Hannover – Würzburg<br />
wurde am 4. August 1969 der Planungs auf -<br />
trag erteilt. Die Genehmigung des ersten Abschnitts<br />
von Hannover bis Rethen/Leine
Seit Ende Mai 1988 nimmt der IC-Verkehr<br />
zwischen Fulda und Würzburg den Weg<br />
über die Neubaustrecke. Im Oktober des<br />
Jahres ist eine 120 mit ihrem Zug nach<br />
Hamburg unterwegs und profitiert dabei<br />
von der direkten und doch nahezu ebenen<br />
Streckenführung durch die Mittelgebirge<br />
Zeno Pillmann<br />
folgte am 16. Juli 1973, am 27. Mai 1979 ging<br />
mit dem kurzen Stück Hannover Bismarckstraße<br />
– Rethen/Leine der erste Abschnitt<br />
einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in<br />
Deutschland in Betrieb. Die Bauarbeiten, die<br />
am 10. August 1973 begonnen hatten, erforderten<br />
erheblichen Aufwand. Teils verlief die<br />
neue Strecke parallel zur alten Nord-Süd-<br />
Strecke, sehr viel öfter wurde sie aber auf<br />
fast gerader Linie durch die Mittelgebirge<br />
gezogen, um auch für Güterzüge geeignet zu<br />
sein. Diese Streckenführung erforderte aufwendige<br />
Tunnel- und Brückenbauten.<br />
Mit dem Sommerfahrplan 1988 konnte die<br />
DB – 19 Jahre nach der Vergabe des Planungsauftrages<br />
– den ersten größeren Abschnitt<br />
Der erste größere Teil<br />
einer Neubaustrecke<br />
ging 1988 in Betrieb<br />
der Neubaustrecke in Betrieb nehmen. Von<br />
nun an fuhren Fernreisezüge planmäßig zwischen<br />
Fulda und Würzburg über die neue<br />
Strecke. Weil die geplanten Hochgeschwindigkeitszüge<br />
für 250 km/h noch nicht zur Verfügung<br />
standen, lag die Geschwindigkeit zunächst<br />
bei 200 km/h.<br />
1976 begannen die Bauarbeiten für die<br />
zweite Neubaustrecke Mannheim – Stutt -<br />
gart. Auch hier galt es Mittelgebirge zu überwinden;<br />
zusätzlich wurde der Bahnhof<br />
Vaihingen/Enz weitgehend umgebaut. Und<br />
wieder war die Errichtung eine aufwendige,<br />
Gleich neben der Neubaustrecke Fulda – Würzburg rollt am 13.Mai 1988 eine<br />
Schienenbus-Garnitur von Bad Brückenau nach Jossa (Bild bei Altengronau).<br />
<strong>Zwei</strong> Wochen später geht die Neubaustrecke in Betrieb, während der<br />
Personenverkehr Jossa – Bad Brückenau endet Dr. Dietmar Beckmann<br />
In Kürze<br />
Ausbaustrecken<br />
Parallel zu den Neubaustrecken baute<br />
die DB auch bestehende Strecken für<br />
Fahrten mit 200 km/h aus. Den Anfang<br />
machte der Abschnitt München – Augsburg,<br />
auf dem man 1965 schon bei<br />
Demon s tra tionsfahrten zur Internationalen<br />
Verkehrsausstellung Sonderzüge<br />
mit Tempo 200 eingesetzt hatte. Das<br />
Tempo 200 wurde später vorübergehend<br />
zugelassen, dann die Geschwindigkeit<br />
aber doch wieder reduziert. Bis 1977<br />
folgte schließlich der Ausbau des Abschnitts<br />
für den planmäßigen Verkehr<br />
von 200 km/h. Zum Sommerfahrplan<br />
1978 konnte auf weiteren 130 Kilometern<br />
Streckenlänge regulär 200 km/h<br />
gefahren werden; möglich war dies auf<br />
den Strecken Hamburg – Bremen, Uelzen<br />
– Langenhagen und Donauwörth –<br />
Augsburg. Mit Beginn des Sommerfahrplans<br />
1981 standen 256,3 Kilometer Ausbaustrecken<br />
für 200 km/h zur Verfügung,<br />
Ende 1988 waren es 640 Kilometer.<br />
langwierige Sache. 1987 ging bei Graben-<br />
Neudorf ein erster Abschnitt in Betrieb, die<br />
komplette Inbetriebnahme geschah allerdings<br />
erst zum 2. Juni 1991, gemeinsam mit<br />
dem Start des ICE-Verkehrs. Damit hatte die<br />
DB den Hochgeschwindigkeitsverkehr (auf<br />
einer ersten Linie) realisiert.<br />
Insgesamt kosteten die 427 Kilometer langen<br />
Abschnitte der beiden Neubaustrecken<br />
umgerechnet rund acht Milliarden Euro. Für<br />
den Reiseverkehr brachten sie erhebliche<br />
Zeitvorteile, wenngleich die (sehr optimistische)<br />
Kalkulation von 70 Prozent Fahrgastzunahme<br />
nicht erreicht wurde.<br />
Weitere Planungen<br />
In der Praxis zeigte sich, dass ein Misch -<br />
betrieb von schnellen Reisezügen und langsameren<br />
Güterzügen ohne zusätzliche Maßnahmen<br />
nicht möglich ist. Daher ging man<br />
bei den nächsten Projekten dazu über, sie<br />
allein für den Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />
zu bauen. Eines der wichtigsten Vorhaben,<br />
die Strecke Köln – Frankfurt, war auch schon<br />
in den <strong>1970</strong>er-Jahren geplant, aber wegen<br />
der hohen Kosten zunächst zurückgestellt<br />
worden. Sie wurde erst von der <strong>Bundesbahn</strong>-<br />
Nachfolgerin Deutsche Bahn AG realisiert<br />
und 2002 eröffnet.<br />
Die Idee, die Fahrten im Streckennetz zu<br />
beschleunigen, hat man aber selbst heute<br />
nicht ganz umgesetzt. Denn auch mehr als<br />
40 Jahre nach dem Baubeginn der ersten<br />
Neubaustrecken fahren Hochgeschwindigkeitszüge<br />
auf manchen Abschnitten noch so<br />
schnell wie vor über 100 Jahren.<br />
Zeno Pillmann/GM<br />
77
Momentaufnahmen | BUNDES<strong>BAHN</strong> IM ZEITGEIST<br />
Party<br />
stimmung<br />
Aktuelle Trends? Klaro, die nahm die DB-Werbung gerne<br />
mal mit. Hier und da probierte sie auch Neues aus – die<br />
<strong>1970</strong>er ging sie ganz easy an, die 1980er wurden rosarot ...<br />
Wohlfühlfarben für den Urlaub: Verlockendpsychedelisch<br />
lädt die DB Ende <strong>1970</strong> zu einer<br />
Bahnfahrt ein. Das heißt, zur Vorstufe davon:<br />
einem Reisegutschein Slg. Oliver Strüber Die Dampflok – altmodisch? Nicht bei der Aktion für Teens und Twens<br />
von 1972! Begleitet von einem eigenen Song (hier das Plattencover) und<br />
sogar Konzerten bietet die <strong>Bundesbahn</strong> Jugendlichen Sonderfahrpreise an<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
Kräftige Farben sind „in“ und<br />
da zögert auch die <strong>Bundesbahn</strong>-<br />
Hauszeitschrift nicht. Mit<br />
expressiver Gestaltung<br />
empfängt sie die Leser in den<br />
Mitt-Siebzigern; hier das<br />
Frühlingsmotiv von Heft 4/1975<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
Einen ungewöhnlichen<br />
Reiseleiter hat die BD<br />
Karlsruhe in den frühen<br />
<strong>1970</strong>ern für die Kunden<br />
parat. Der „DB-Kater“<br />
ziert Werbebroschüren<br />
und ist manchmal auch<br />
als Schlüsselanhänger<br />
unterwegs ... Slg. Fritz Traser<br />
78
Anfang der 1980er setzt die Hauszeitschrift<br />
auf zurückhaltenderes<br />
Design, Fahrzeuge und Technik nah<br />
am Betriebsgeschehen. Im Bild der<br />
Titel von Heft 4/1981 Slg. Oliver Strüber<br />
Wer sagt, dass die<br />
Achtziger unterkühlt<br />
sind? Der rosarote<br />
Elefant beweist das<br />
Gegenteil. Von 1983 an<br />
tanzt er durch die<br />
DB-Werbung, propagiert<br />
Sonderfahrpreise<br />
für alle und mausert<br />
sich zur erfolgreichsten<br />
Werbefigur dieses<br />
<strong>Bundesbahn</strong>-<br />
Jahrzehnts<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
Mit dem ICE beginnt die Zukunft. Ende der 1980er<br />
bewirbt die DB den neuen Superzug, genauer: den<br />
Versuchsträger als Vorläufer. Aus dieser Zeit stammt<br />
der Aufkleber mit dem Regenbogen Slg. Karl Laumann<br />
Das Jahrzehnt geht, die bunten Farben bleiben,<br />
die jungen Leute werden cool: So sieht es die<br />
Jugendzeitschrift der <strong>Bundesbahn</strong> auf<br />
dem Titel von Ausgabe 4/1979<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 79
Strecken, Züge, Betrieb<br />
| START INS DREHSTROM-ZEITALTER<br />
Im Mai 1981 läuft die Erprobung<br />
der Vorserien-120 und in dem<br />
Rahmen hat 120 002 in München<br />
Hbf einen Intercity übernommen<br />
Zeno Pillmann<br />
Die Technologie<br />
Neue Komponenten machten seit den 1960er-Jahren<br />
eine großflächige Verwendung der Drehstromtechnik<br />
bei der Eisenbahn möglich. Die DB ergriff die Chance:<br />
1979 machte sie mit der Vorserien-Ellok 120 den Anfang<br />
Für den Bahnbetrieb bietet der Drehstrommotor<br />
ideale Bedingungen. Er<br />
kann gegenüber den anderen elektrischen<br />
Motoren bei gleicher Leistung kleiner<br />
ausgeführt werden, lässt sich auf Grund der<br />
geringeren Größe einfacher einbauen und<br />
hat ein geringeres Gewicht. Ein weiterer Vorteil<br />
ist, dass der Motor wegen der nicht erforderlichen<br />
Kommutatoren insbesondere im<br />
Stand und beim Anfahren mit geringen Geschwindigkeiten<br />
extrem hoch überlastet werden<br />
kann. Dreht sich der Rotor schneller als<br />
es der Synchrondrehzahl entspricht, wirkt<br />
er als Generator bremsend und kann somit<br />
zur Bremsung sowie zur Energierückgewinnung<br />
eingesetzt werden.<br />
Allerdings stehen den Vorteilen beim<br />
Bahnbetrieb auch zwei schwer wiegende<br />
Nachteile entgegen: Da die Motordrehzahl<br />
durch die Frequenz bedingt ist, waren mit<br />
vertretbarem Aufwand nur wenige feste<br />
Drehzahlstufen möglich. Zudem lässt sich<br />
Drehstrom nur mittels einer dreipoligen Lei-<br />
80<br />
der Zukunft<br />
tung zuführen, wobei beim Bahnbetrieb die<br />
dritte Leitung über die Schiene führt, damit<br />
also noch zwei getrennte parallele Leitungen<br />
notwendig waren. Daher konnte sich die<br />
Drehstromantriebstechnik im Bahnbetrieb<br />
zunächst nicht in größerem Maße durch -<br />
setzen. Erst mit der Halbleitertechnik war es<br />
möglich, aus dem einphasigen Bahnstrom<br />
16 2/3 Hz mit vertretbarem Aufwand Drehstrom<br />
mit variabler Frequenz und Spannung<br />
herzustellen.<br />
Der Entwicklungsweg zur 120<br />
Die rasanten Erfolge in der modernen Halbleitertechnik<br />
veranlassten BBC zusammen<br />
mit Henschel 1965 zur Entwicklung einer<br />
neuen Lokomotivgeneration. Durch den nun<br />
möglichen Bau leistungsfähiger Dioden und<br />
Thyristoren wollte man den Drehstrom -<br />
antrieb auch im Bahnbetrieb einsetzen.<br />
Dioden wie Thyristoren sollten dazu dienen,<br />
auf dem Triebfahrzeug einen Strom mit<br />
variablen Frequenzen herzustellen, wie er<br />
zur Steuerung des Drehstrommotors erfor -<br />
der lich war. Auch die DB war auf diese neue<br />
Technologie aufmerksam geworden.<br />
Da anfangs noch Probleme bestanden,<br />
den Bahnstrom umzuformen, sollte eine<br />
dieselelektrische Versuchslok die Möglichkeiten<br />
der Drehstromantriebstechnik aus -<br />
loten. Es entstanden drei Triebfahrzeuge,<br />
die als DE 2500 bezeichnet und bei der <strong>Bundesbahn</strong><br />
erprobt wurden. Als Erste wurde<br />
202 002 im März 1971 fertig gestellt, 202 003<br />
und 004 folgten zwei Jahre später. Die Dieselloks<br />
bewährten sich von Anfang an und<br />
zeigten deutlich die Überlegenheit des Drehstromantriebes.<br />
Daraufhin beauftragte die DB im Jahr<br />
1973 die Firma BBC mit der Entwicklung<br />
einer elektrischen Hochleistungslokomotive<br />
mit Drehstromantriebstechnik. Zunächst<br />
wurde 202 002 mit einem Steuerwagen fest<br />
gekuppelt, in dem man die elektrische Ausrüstung<br />
zur Umformung des Bahnstroms<br />
unterbrachte. Das Gespann ging 1974 in Betrieb.<br />
Im Februar 1975 war klar, dass man<br />
mittels der Halbleitertechnik eine mit dem<br />
einphasigen Bahnstrom gespeiste und mit<br />
dreiphasigen Drehstrommotoren angetriebene<br />
Lokomotive bauen konnte. Diese Technik<br />
ermöglichte es, die immer schon gewünschte<br />
Universallokomotive zu schaffen,<br />
die schnelle Reisezüge und schwere Güterzüge<br />
befördern konnte.<br />
Die Vorserie der 120<br />
Infolge dessen bestellte die DB fünf elektrische<br />
Versuchslokomotiven der Baureihe 120.
Im Jahr 1987 beginnt<br />
die Serienlieferung<br />
der Baureihe 120.<br />
Geschmückt und im<br />
neuen Farbschema<br />
der DB lackiert, steht<br />
120 103 als erstes<br />
Exemplar im Ausbesserungswerk<br />
München-Freimann<br />
cws<br />
werden. Bei der Wiederholung 1982 schnitt<br />
die 120 dann besser ab und war sogar der<br />
bisher im Bergdienst Maßstäbe setzenden<br />
Re 4/4 der Bern-Lötschberg-Simplon-Bahn<br />
überlegen.<br />
Während der Erprobung der 120 passte<br />
man noch weitere Bauteile an. Die Netzbremse<br />
erwies sich als betriebssicher, so<br />
dass man auf die Widerstandsbremse verzichten<br />
konnte. Wie erwartet, waren die<br />
Werkstattkosten deutlich günstiger als bei<br />
den bisherigen Maschinen.<br />
Die dieselelektrischen Lokomotiven DE 2500<br />
alias 202 002–004 dienen in den <strong>1970</strong>er-Jahren<br />
als Erprobungsträger für die Drehstromtechnik<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
Der Entwicklungsauftrag wurde 1976 unterzeichnet,<br />
die Lieferverträge folgten 1977. Die<br />
Planung des mechanischen Teils übernahm<br />
eine Arbeitsgemeinschaft aus Krauss-Maffei,<br />
Krupp und Thyssen-Henschel. Krauss-<br />
Maffei, das die Federführung innehatte,<br />
baute eine Maschine, die beiden anderen<br />
Hersteller waren mit je zwei Loks vertreten.<br />
Die Entwicklung und Lieferung des elektrischen<br />
Teils oblag BBC. Die Leistung war von<br />
ursprünglich 4,4 MW auf 5,6 MW herauf -<br />
gesetzt worden. Eine Herausforderung war,<br />
die Gewichtsvorgabe von 84 Tonnen nicht zu<br />
überschreiten.<br />
Am 14. Mai 1979 wurde mit 120 001 die<br />
erste Einphasen-Wechselstromlokomotive<br />
mit Drehstrom-Asynchronmotoren der DB<br />
übergeben. Die anderen vier Maschinen folgten<br />
im selben Jahr. Selten gab es Triebfahrzeuge,<br />
die ähnlich viele Innovationen gleichzeitig<br />
in sich vereinten. Zum Beispiel waren<br />
die Aggregate im Innenraum erstmals beiderseits<br />
eines Mittelgangs platziert. Beim<br />
Bau hatten die Hersteller extrem leichte Materialien<br />
verwendet und es so geschafft, das<br />
geforderte Gewicht einzuhalten.<br />
Von Beginn an wurden die Fahrzeuge umfangreichen<br />
Versuchen unterzogen. Dabei<br />
zeigten die im Dezember 1980 auf der Lötschbergrampe<br />
durchgeführten Anfahrversuche<br />
zunächst nicht die erhofften Resultate; die<br />
Drehstromregeltechnik musste überarbeitet<br />
Die Serie der 120<br />
Im November 1984 bestellte die DB auf<br />
Basis der Versuchsfahrzeuge 36 Lokomotiven<br />
der Serie (Baureihe 120.1), wenig später<br />
nahm sie auch die Option für 24 weitere<br />
Maschinen wahr. Hatten 120 001-004 noch<br />
160 km/h erreicht, so legte man die Höchstgeschwindigkeit<br />
für die Serie wie bei 120<br />
005 auf 200 km/h fest. Im Januar 1987 rollte<br />
dann die erste Serienlok an. Ab 120 130<br />
wurden die Lokomotiven für den Einsatz<br />
auf den Neubaustrecken in druckdichter<br />
Ausführung geliefert, die vorigen 120er entsprechend<br />
nachge rüstet. Ab 120 136 erhielten<br />
die Maschinen eine andere Getriebeübersetzung<br />
für eine bessere Zugkraft im<br />
höheren Geschwindigkeitsbereich.<br />
Im Betriebsdienst setzte die DB die 120.1<br />
wie geplant universell ein. Die Loks zogen<br />
IC-Züge ebenso wie Güterzüge. Dabei bewährten<br />
sie sich recht gut, zu einer wei teren<br />
Bestellung des mit 19,20 Metern recht langen<br />
Vierachsers kam es aber nicht. Nach<br />
der <strong>1989</strong>/90 aufgenommenen Zusammen -<br />
arbeit von <strong>Bundesbahn</strong> und Reichsbahn<br />
machte die DR-Ellok 112 das Rennen, mit<br />
der Bahnreform ab 1994 wurden die Be -<br />
triebs sparten aufgeteilt und brauchten wieder<br />
spezialisierte(re) Lokomotiven.<br />
Unabhängig davon ist die 120 ein Meilenstein<br />
in der Geschichte der Elektrotraktion.<br />
Mit ihr etablierte sich die Drehstromtechnologie<br />
als zukunftsträchtige Antriebsform.<br />
In dem Zusammenhang lieferte sie<br />
auch wichtige Erkenntnisse für die nächste<br />
Fahrzeuggeneration im Fernverkehr: den<br />
ICE.<br />
Zeno Pillmann/GM<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014
Strecken, Züge, Betrieb<br />
| PRIVAT<strong>BAHN</strong>EN FAHREN FÜR DIE DB<br />
In der Bundesrepublik der <strong>1970</strong>er- und<br />
1980er-Jahre zeigte sich die Privatbahn-<br />
Landschaft schon recht zersplittert.<br />
Nicht wenige der „Nichtbundeseigenen Eisenbahnen“<br />
(„NE-Bahnen“) hatten vor der<br />
Konkurrenz des Straßenverkehrs kapitu -<br />
liert; der Reiseverkehr war nach dem Aufkommen<br />
privater Pkw eingestellt wor den,<br />
viele Werkbahnen gaben angesichts des<br />
übermächtigen Lkw-Verkehrs auf. Trotzdem<br />
bestand aber noch eine erkleckliche Zahl<br />
von NE-Bahnen. Unter ihnen waren auch einige<br />
Sonderfälle, die auf verschiedene Weise<br />
mit der <strong>Bundesbahn</strong> kooperierten. Manche<br />
Bahngesellschaften nutzten nicht nur die<br />
eigene Infrastruktur, sondern ebenso das<br />
DB-Netz. Oder umgekehrt fuhr die DB auf<br />
einigen NE-Bahnen Züge oder Kurswagenverbindungen.<br />
Wie das aussehen konnte,<br />
zeigen drei Beispiele.<br />
Werkbahn Wolff, Bomlitz – Cordingen<br />
Dies war wohl eine der ungewöhnlichsten<br />
Bahnen, die Personenverkehr auf <strong>Bundesbahn</strong>-Gleisen<br />
durchführten. Die Werkbahn<br />
hatte eine Konzession für den beschränkt<br />
öffentlichen Verkehr, den sie ursprünglich<br />
nur auf dem eigenen Streckenabschnitt mit<br />
Elloks betrieb. Doch schon ab 1948 fuhr sie<br />
bis Walsrode auf der Staatsbahnstrecke,<br />
wobei das Kursbuch die Züge auf dem Werk-<br />
In guter<br />
Gemeinschaft<br />
Im Normalfall lief der Betrieb bei <strong>Bundesbahn</strong><br />
und Privatbahnen getrennt. Doch es gab auch<br />
Kooperationen; ihre Anzahl war in den frühen<br />
<strong>1970</strong>er-Jahren sogar noch recht stattlich<br />
bahnabschnitt verschwieg. Diese Situation<br />
ist auch noch im Kursbuch vom Sommer<br />
1979 erkennbar: Die Tabelle der Strecke 163<br />
weist neben etlichen Zugpaaren Vissel -<br />
hövede – Walsrode in der einen Richtung drei,<br />
in der anderen vier Züge aus, die nur zwischen<br />
Cordingen und Walsrode unterwegs<br />
sind. Tatsächlich aber verkehrten diese<br />
weiter ab/bis Bomlitz.<br />
Zum Ende des Winterfahrplans 1979/80<br />
stellte die DB dort den eigenen Reisezug -<br />
betrieb ein. Daraufhin enthielt das Kursbuch<br />
neben dem Einstellungshinweis die Infor -<br />
mation, dass die verbliebenen drei Zugpaare<br />
„ab/bis Bomlitz Werk“ verkehren. Aus Lage<br />
und Verkehrstagen der Züge ist erkennbar,<br />
welche dem Arbeiter- und welche dem Schülerverkehr<br />
dienten. Das Kursbuch vom Sommer<br />
1984 erkannte dann die tatsächliche<br />
Situation an: Nun war die Streckentabelle<br />
163 für Waldsrode – Bomlitz angelegt. Allerdings<br />
war das Zugangebot auf ein Schülerzugpaar<br />
geschrumpft, den Rest wickelte<br />
man mit Bussen ab. Die Karte zeigte die<br />
Strecke Visselhövede – Walsrode gestrichelt<br />
unter der Nummer 160, bei der mit recht missverständlichen<br />
Angaben einzelne Busverbindungen<br />
ausgewiesen sind.<br />
Butzbach-Licher Eisenbahn (BLE)<br />
Die Privatbahn in Mittelhessen hatte einen<br />
beträchtlichen Umsatzschwerpunkt im Rü-<br />
Der Kursbuchausschnitt<br />
vom Sommer 1981 zeigt<br />
auch einen Teil des von der<br />
Werkbahn Wolff bedienten<br />
Streckenabschnitts<br />
Bomlitz – Cordingen; er ist<br />
bei der Kursbuchstrecke<br />
Nummer 163 enthalten<br />
Slg. Dietrich Bothe<br />
Im Juli 1984 ist der Mittagszug 6394 mit Lok 8 der Werkbahn Wolff und zwei Vierachser-Umbauwagen<br />
in Bomlitz angekommen. Während die letzten Reisenden aussteigen, setzt sich im Vordergrund Lok 7 der<br />
Werkbahn Wolff ans Zugende, um die Garnitur zum Abstellbereich zu bringen Dietrich Bothe<br />
82
Überblick<br />
Kooperationen DB und NE-Bahnen <strong>1970</strong>–<strong>1989</strong><br />
Die Tabelle führt 23 NE-Bahnen auf, die in den <strong>1970</strong>er- und 1980er-Jahren entweder mit eigenen Zügen oder Fahrzeugen auf<br />
DB-Infrastruktur fuhren oder Kurswagen der DB auf eigenen Strecken beförderten. Bei den NE-Bahnen wie den DB-Strecken<br />
sind die Nummern der Kursbuch-Fahrplantabellen in dem ab 28. Mai 1972 gültigen System in Klammern angegeben.<br />
NE-Bahn Art DB-Strecke Zeitraum Bemerkung<br />
Nordfriesische Verkehrsbetriebe P Hamburg – Westerland (120) bis heute<br />
Niebüll – Dagebüll (126)<br />
Bremervörde – Osterholzer P Bremervörde – Bremen (210) bis So 1975<br />
Eisenbahn (113)<br />
Meppen – Haselünner Eisenbahn (MHE) G Lewinghausen – Löningen, 1974 –1975<br />
Löningen – Essen (Old.) 1979<br />
Verden – Walsroder Eisenbahn R, G Bahnhof Nienburg, Verden, R bis 1977,<br />
diverse Strecken im Güterverkehr G bis 1978<br />
Werkbahn Wolff, P Cordingen – Walsrode (163) bis 1991<br />
Walsrode Bomlitz – Cordingen<br />
Osthannoversche Eisenbahnen R, Üg Bahnhof Celle, Übergaben R bis 1976,<br />
Celle – Wietze Üg bis 1973<br />
Osterwiek – Wasserlebener Eisenbahn P, Üg, R diverse Strecken und Bahnhöfe P bis Wi 1977/78,<br />
(OWE)/ Verkehrsbetriebe Hornburg im Harzvorland Üg, R bis 1973<br />
(VH) (233)<br />
Ilmebahn (256) P, G, R Einbeck – Salzderhelden (256) bis 1982<br />
Kreiensen – Seesen (235) 1971–1982<br />
Vorwohle – Emmerthaler P, R Emmerthal – Hameln (260, 261), P bis So 1982,<br />
Verkehrsbetriebe (261) Bahnhof Hameln R bis 31.12.1974<br />
Teutoburger Waldeisenbahn (TWE) G Lingen – Ibbenbüren und ab 1983<br />
Ibbenbüren – Hövelhof<br />
Hövelhof – Paderborn Nord<br />
Mindener Kreisbahn R Minden ca. <strong>1970</strong>–1974<br />
Westfälische Landeseisenbahn (WLE) P, G Beckum – Neubeckum (208) bis Wi 1974/75,<br />
Münster – Lippstadt – Warstein (208)<br />
G bis heute<br />
Westfälische Landeseisenbahn (WLE) G WLE-Strecke Wiedenbrück – G bis 1990<br />
Wiedenbrück – Sennlager<br />
Sennlager, Betriebsführung<br />
durch DB<br />
Kassel – Naumburg (531) P Kassel-Wilhelmshöhe – bis 03.09.1977<br />
Kassel Hbf (530, 531)<br />
Hersfelder Kreisbahn (503) P, G Heimboldshausen – P bis 1980<br />
Philippsthal (ohne) G bis 1993<br />
Butzbach – Licher Eisenbahn R Butzbach DB seit 01.1976<br />
Frankfurt-Höchst – Königstein (595) P Frankfurt-Höchst – bis Wi 1977/78,<br />
Frankfurt Hbf (598) ab So 1987<br />
Lokalbahn Lam – Kötzting/ P, G Kötzting – Cham (864), P bis heute,<br />
Regentalbahn (864) Kötzting – Miltach (G) G ca. 1975– 1994<br />
Tegernseebahn P Schaftlach – Tegernsee bis 1998, dann<br />
Übergang auf BOB*<br />
WNB Korntal – Weissach (793) P Korntal – Stg-Zuffenhausen (792) bis Wi 1973/74<br />
SWEG Neckarbischofsheim – P Meckesheim – Aglaster- seit 1969<br />
Hüffenhardt (563) hausen (562)<br />
Meckesheim – Heidelberg (561)<br />
SWEG Bad Krozingen – P Bad Krozingen – Freiburg (700) seit 1955<br />
Untermünstertal/Staufen (719)<br />
SWEG Haltingen – Kandern (731) P Haltingen – Basel Bad (700) <strong>1970</strong>–1981<br />
Kurswagen der DB aus diversen Orten auf eigener<br />
Strecke<br />
Personenverkehr, teilweise nur bis Bremen-Burg,<br />
auch Eilzüge<br />
jeweils Vorabübernahme des Güterverkehrs vor<br />
Eigentumsübergang der Streckenabschnitte<br />
von der DB auf die MHE<br />
Züge Walsrode – Bomlitz (Cordingen – Bomlitz<br />
zeitweise nur in Form eines allgemeinen Hinweises<br />
im Kursbuch enthalten)<br />
Umfirmierung der OWE 1973 zu VH;<br />
eigener Personenverkehr ab Anfang der <strong>1970</strong>er-<br />
Jahre nur morgens und abends als Zubringer<br />
zu DB-Leistungen<br />
Umbenennung der Bahnhöfe: Salzderhelden<br />
1978 in Einbeck, 1994 in Einbeck-Salzderhelden,<br />
Einbeck 1978 in Einbeck Mitte<br />
Kursbuchtabelle 261 durchgängig Hameln –<br />
Kirchbrak<br />
Stahlzüge für Firma Benteler als Kompensation<br />
für Einstellung der Übergabe TWE – DB in<br />
Ibbenbüren und Hövelhof<br />
Staatsbahnstrecke, Konzession bis heute bei DB,<br />
seit 1958 Betriebsführung WLE<br />
WLE als Konzessionsinhaber, G seit 1958 im<br />
usch gegen Betriebsrechte Beckum – Neubeckum<br />
an DB übergegangen. Stilllegung G Delbrück –<br />
Sennelager 1966, Rest 1990<br />
Kursbuchtabelle 531 durchgängig Kassel Hbf –<br />
Naumburg<br />
im Personenverkehr einzelne Züge, Güterverkehr<br />
zeitweise auch DB über Gerstungen (DDR),<br />
teilweise durch Werklok der Kali + Salz<br />
1974–1982 Betriebsführung DB<br />
ab 01.1974 wg. fehlender Indusi mit Wendezuggarnitur<br />
der DB, 1974–1982 Betriebsführung DB,<br />
ab 1987 mit neuen VT2E-Triebwagen von LHB<br />
durchgehende Züge und Kilometrierung,<br />
zeitweise gemischter Betrieb durch LLK/RAG<br />
und DB. 1973 Übernahme LLK durch RAG<br />
durchgehende DB-Wagengruppen aus/nach<br />
München, nur geringer Lokalverkehr<br />
einzelne Züge im Berufsverkehr<br />
einzelne Zugleistungen im Schülerverkehr,<br />
1982 Übernahme des Betriebs Meckesheim –<br />
Aglasterhausen durch SWEG, danach einzelne<br />
Züge bis/ab Heidelberg Hbf<br />
einzelne Züge bis/ab Freiburg<br />
einzelne Züge bis/ab Basel Bad<br />
Abkürzungen, soweit nicht in Tabelle/Text genannt: P = Personenverkehr, G = Güterverkehr, Üg = Übergaben, R = Rangierdienst, So = Sommerfahrplan, Wi = Winterfahrplan;<br />
BOB = Bayerische Oberlandbahn, LHB = Linke-Hofmann-Busch, SWEG = Südwestdeutsche Eisenbahn-Gesellschaft, WNB = Württembergische Nordbahn<br />
* Der Betrieb durch die BOB geschieht im Auftrag der Bayerischen Eisenbahn-Gesellschaft, unabhängig von der Deutscher Bahn AG<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 83
Strecken, Züge, Betrieb<br />
| PRIVAT<strong>BAHN</strong>EN FAHREN FÜR DIE DB<br />
Im August 1981 hat die Regentalbahn-Lok D II den Nahverkehrszug<br />
8576 nach Cham gebracht; auf dem Nachbargleis steht<br />
Schienenbus 798 733 als N 6522 nach Schwandorf Dietrich Bothe<br />
Auch auf der Kursbuchstrecke 864 teilte sich<br />
die <strong>Bundesbahn</strong> das Personenzugangebot<br />
mit einer Privatbahn; die Regentalbahn war<br />
für den Betrieb zwischen Kötzting und Lam<br />
zuständig. Im Bild der Kartenausschnitt vom<br />
Sommer 1979 Slg. Dietrich Bothe<br />
benverkehr. Allerdings ermöglichte dieser<br />
nur jeweils ein Vierteljahr lang einträgliche<br />
Geschäfte. Nachdem der Personenverkehr<br />
eingestellt und der Güterverkehr außer den<br />
– ebenfalls unregelmäßigen – Militärtransporten<br />
belanglos geworden war, fehlte eine<br />
dauerhafte Einnahmequelle. Im Jahr 1974<br />
übernahm die <strong>Bundesbahn</strong> die Betriebsführung<br />
der Butzbach-Licher Eisenbahn und<br />
beauftragte sie ab 1976, die Rangierdienste<br />
im DB-Bahnhof Butzbach zu übernehmen.<br />
So waren abwechselnd die beiden vierachsigen<br />
Henschel-Dieselloks V 116 und V 126 dort<br />
zu sehen. Obwohl der Betriebsführungsvertrag<br />
1982 wieder endete, konnte man auch<br />
später noch die Dieselloks der BLE im Bahnhof<br />
im Einsatz erleben.<br />
84<br />
Lok V 116 der Butzbach-Licher Eisenbahn rangiert im August 1981 im Bahnhof Butzbach;<br />
so konnte man es noch viele weitere Jahre beobachten, obwohl der Betriebsführungsvertrag<br />
mit der DB 1982 wieder endete Dietrich Bothe<br />
Lokalbahn Lam – Kötzting (LLK)<br />
Bereits zu Zeiten der königlich bayerischen<br />
Staatsbahn hatte die Privatbahn zeitweise<br />
die Betriebsführung der damaligen Lokalbahn<br />
Lam – Kötzting inne. Seither ist es auch<br />
Usus, dass die Züge zwischen Cham und<br />
Lam durchgebunden sind, wobei diese teilweise<br />
durch die Staatsbahn, teilweise durch<br />
die LLK gefahren wurden. Das Kursbuch<br />
wies die Gesamtstrecke traditionell unter<br />
einer Nummer aus, wobei der Staatsbahnund<br />
der Privatbahnabschnitt durch Hin -<br />
weise auf die Direktionszugehörigkeit sau -<br />
ber getrennt wurden. Daneben waren auch<br />
die Strecken von Straubing (Streckennummer<br />
875) und von Gotteszell (867) im Kursbuch<br />
jeweils bis/ab Cham aufgeführt. Im<br />
Sommer 1979 fuhren nur drei Zugpaare über<br />
die Gesamtstrecke von Cham bis Lam; sie<br />
wurden von der Regentalbahn gefahren, die<br />
1973 die LLK übernommen hatte. Nachmittags<br />
gibt es eine Verbindung Straubing – Miltach<br />
– Kötzting – Cham – Miltach – Straubing<br />
und abends ein Zugpaar Straubing – Miltach<br />
– Kötzting und zurück, die durch die DB mit<br />
Schienenbussen der Baureihe 798 gefahren<br />
wurden; sie blieben damit auf den Staatsbahnabschnitt<br />
beschränkt.<br />
Ungeachtet dieser drei Beispiele ging die<br />
Zusammenarbeit in den späteren <strong>Bundesbahn</strong>-Jahren<br />
merklich zurück. Die Zahl der<br />
Kooperationen schrumpfte von <strong>1970</strong> bis 1980<br />
auf etwa die Hälfte, Tendenz weiter sinkend.<br />
Geradezu antizyklisch waren dagegen die<br />
Aktivitäten der Teutoburger Wald-Eisenbahn<br />
und der Frankfurt-Königsteiner Eisenbahn;<br />
beide gingen in den 1980er-Jahren eine Zusammenarbeit<br />
mit der DB (wieder) ein.<br />
Dietrich Bothe
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Rückblick<br />
86<br />
| ALS LOKFÜHRER BEI DEN JUBILÄUMSFAHRTEN<br />
Auf diese Treffen freute er sich seit jeher.<br />
Jürgen Kliemt, früher Lokheizer, kam<br />
zusammen mit Helmut Wolfrom, früher<br />
einmal „sein“ Lokführer. Etliche Dienste<br />
hatten sie in den 1960ern auf der Schnellzugdampflok<br />
01 abgeleistet, kameradschaftlich,<br />
im Team. Später war Kliemt selbst Lokführer<br />
geworden. Und nun, im Jahre 1984, hatte Helmut<br />
Wolfrom eine Überraschung für ihn<br />
parat. Oder besser, eine Frage. Ob Jürgen<br />
Kliemt Lust habe, wieder Dampflok zu fahren?<br />
Die Antwort: „Natürlich.“ Und schwupp,<br />
war Kliemt drin in der Lokführer-Mann -<br />
schaft für das Eisenbahn-Jubiläum.<br />
Vier Loks, 27 Freiwillige<br />
Mit viel Ausdauer und Geschick hatten<br />
einige DB-Obere, allen voran Horst Troche<br />
als Leiter des Werkstättenwesens, die Dampflok-Sonderfahrten<br />
für den Sommer 1985<br />
durchgeboxt. Hatten es geschafft, diesen<br />
Programmpunkt der Jubiläumsfeiern auch<br />
gegen Widerstand in den eigenen Reihen zu<br />
etablieren. Hatten erreicht, dass das Dampflokverbot<br />
für zwei Strecken ausgesetzt<br />
wurde und die Aufarbeitung geeigneter<br />
Lokomo tiven begann. Vier Maschinen waren<br />
für die Züge von Nürnberg nach Amberg und<br />
Bayreuth vorgesehen: die Schnell zug lok<br />
01 1100, die Personenzuglok 23 105, die Güterzuglok<br />
50 622 und die Tenderlok 86 457.<br />
So wie Jürgen Kliemt meldeten sich insgesamt<br />
27 Lok führer, um als Freiwillige zu<br />
heizen oder am Regler zu stehen. Vielen erging<br />
es wie Kliemt, den der „Dampf-Virus“<br />
einfach nicht losließ. Im Alltag fuhr er längst<br />
Diesel- und Elloks, die moderner, kräftiger<br />
und leichter zu handhaben waren als die<br />
kohlegefeuerten Veteranen früher. Doch die<br />
Atmo sphäre auf dem Dampflok-Führer -<br />
stand, das Miteinander von Lokführer und<br />
Heizer hatte er noch in guter Erinnerung. Gut<br />
genug, um es wieder erleben zu wollen.<br />
Freilich mussten die „neuen“ Dampflokpersonale<br />
vorher ihre Kenntnisse auf -<br />
frischen. 15 Jahre lag die Stationierung der<br />
letzten „fauchenden Ungetüme“ in Nürnberg<br />
zurück, die letzten Dampflok-Dienste waren<br />
zehn Jahre zuvor beendet worden. Also<br />
stand zunächst einmal Theorie auf dem Lehrplan<br />
– vermittelt von Ausbildern, die noch<br />
genügend Erfahrung aus der Dampfzeit mitbrachten.<br />
Im Januar 1985 folgten die ersten<br />
Schulungsfahrten. Auf dem Führerstand von<br />
50 622 übten die Freiwilligen zwischen Nürnberg<br />
und Amberg die Arbeitsabläufe ein.<br />
Die Jubiläums-Saison<br />
Als sich am 16. Mai 1985 der erste Sonderzug<br />
mit Reisenden auf den Weg machte, war die<br />
Begeisterung riesengroß. Endlich wieder<br />
Dampfloks auf DB-Gleisen! Das hatte es, abgesehen<br />
von den Probefahrten fürs Jubiläum,<br />
seit 1977 nicht mehr gegeben! Auf die Perso-<br />
Wieder mit<br />
Dampf<br />
Die Dampflok-Sonderzüge der <strong>Bundesbahn</strong> waren<br />
die Sensation des Eisenbahn-Jubiläums 1985. Nach<br />
Jahren des Verbots feierten die schwarzen Rösser im<br />
Raum Nürnberg eine triumphale Rückkehr. Jürgen<br />
Kliemt war mit dabei – als einer der Dampflokführer<br />
nale wartete ein gut gefülltes Programm: Bis<br />
in den Herbst hinein schnauften die Maschinen<br />
mit historischen Wagengarnituren ins<br />
Pegnitztal und nach Oberfranken. Außerdem<br />
waren da noch die Fahrzeugparaden, welche<br />
die <strong>Bundesbahn</strong> an den Septemberwochenenden<br />
in Nürnberg-Langwasser ausrichtete.<br />
Der Erfolg war überwältigend: Manche<br />
Züge hatten zehn bis zwölf Wagen, bei den<br />
Lokomotiven musste die DB aufstocken. Ursprünglich<br />
hatte 01 1066, ölgefeuerte Gastlok<br />
der Ulmer Eisenbahnfreunde, nur die ölgefeuerte<br />
Schwester 01 1100 vertreten sollen;<br />
diese war nicht rechtzeitig fertig geworden.<br />
Nun mietete die DB die Ulmer Maschine für<br />
die ganze Fahrsaison an, samt ihres Heizers<br />
Herbert Dorfschmied. Jürgen Kliemt wurde<br />
in dieser Zeit der ständige Lokführer; das<br />
Maschinenamt Nürnberg I hatte ihn nach<br />
bestandener Ölfeuerungsprüfung dazu<br />
bestimmt. Noch heute schwärmt er von der<br />
Öllok. „Ballern“ konnte sie, bei Betriebstemperatur<br />
richtig viel Kraft auf die Schienen<br />
bringen; trotzdem schonte sie den Heizer.<br />
Dienst<br />
bei der<br />
Im Laufe des Jubiläumssommers kam<br />
Kliemt auch auf den anderen Museumsmaschinen<br />
zum Einsatz. Als die DB noch 01 150<br />
aus Privatbesitz in den Bestand holte, bescherte<br />
ihm das ein freudiges Wiedersehen.<br />
Jene Lok kannte er aus den 1960er-Jahren;<br />
unter anderem mit „der 150“ hatten sie<br />
damals D-Züge nach Stuttgart gebracht.<br />
Nachteile und Vorteile<br />
Den Enthusiasmus um die Jubiläumsfahrten<br />
teilte indes nicht jeder Lokführer, nicht einmal<br />
in Nürnberg, wo die Eisenbahner tagein<br />
tagaus damit zu tun hatten. Jüngere spöttelten,<br />
man müsse schon blöd sein, wenn man<br />
sich die körperlichen Strapazen auf einer<br />
Dampflok aufhalse. Einwände, denen Jür -<br />
gen Kliemt mit Nachsicht begegnet. Nach<br />
dem Dampf-Aus, sagt er, war eben eine neue<br />
Lokführer-Generation in Nürnberg heran -<br />
gewachsen. „Die kannten das nicht mehr.“<br />
Vielleicht übersah mancher Kritiker auch<br />
die Vorteile, welche die Sonderfahrten brachten.<br />
Hatte doch die DB die Lokpersonale ei-<br />
Während der Jubiläumssaison 1985 ist 01 1066 von den Ulmer Eisenbahnfreunden die<br />
„Stammlok“ für Jürgen Kliemt. Zusammen mit dem „Stammheizer“ Herbert Dorfschmied (l.)<br />
fährt er zahlreiche Sonderzüge Slg. Jürgen Kliemt
Die Strecke Nürnberg – Bayreuth ist eine von<br />
zwei Verbindungen, auf denen die DB für das<br />
Jubiläum das Dampflokverbot aufgehoben hat.<br />
Im Sommer 1985 stampft 01 1100 mit ihrem<br />
Sonderzug auf dem berühmten Tunnel-Brücken-<br />
Abschnitt bei Velden heran Martin Weltner<br />
räumt, die schönen Dienste teils auch sehr<br />
anstrengende Dienste waren.<br />
Nach der Saison ist vor der Saison<br />
Bei der DB-Führung löste der Andrang zu<br />
den Jubiläumsfahrten ein Umdenken aus.<br />
Das Dampflokverbot begann zu wackeln; in<br />
der Folge wurden Dampfloks auch auf einigen<br />
anderen Strecken zugelassen. So konnte<br />
Jürgen Kliemt weiterhin „normale“ Dienste<br />
mit Dampfsonderzügen tauschen.<br />
Die Gemeinschaft der Personale aus den<br />
Jubiläums tagen blieb ebenfalls bestehen.<br />
Noch 1985 gründeten sie einen Verein, in dem<br />
sie sich bis heute treffen. Etwas Stolz<br />
schwingt dabei mit, das sagt schon der Name.<br />
Sie nennen sich die „Dampferer“. THD<br />
Seit Sommer 1985 darf Jürgen Kliemt den „Dampf-Virus“ wieder planmäßig ausleben. Im<br />
August <strong>1989</strong> hat er einen Sonderzug mit 01 1100 übernommen; auf dem Foto steht er vor dem<br />
mächtigen Fahrwerk der Schnellzuglok Siegfried Neumann/Slg. Jürgen Kliemt<br />
gens hierfür abgestellt. Es galten eigene<br />
Dienstpläne, die Einsätze wurden als<br />
normale Arbeitszeit angerechnet. Mit dem<br />
Bonus, dass nur Tagesfahrten anstanden.<br />
Nachtschichten blie ben den „Schwarz -<br />
kitteln“ von den Jubiläumszügen erspart.<br />
In der rundherum herzlichen Stimmung<br />
hoben sich die Einsätze ebenfalls vom Alltag<br />
ab. Für Jürgen Kliemt, der auch wieder<br />
einige Dienste mit seinem „alten Meister“<br />
Helmut Wolfrom fuhr, wie sonst. Überall erwarteten<br />
Scharen von Menschen gespannt<br />
die Dampfloks (und ihre Personale). Liebenswerte<br />
Gewohnheiten spielten sich ein: Manche<br />
Fans reisten regelmäßig mit und versorg-<br />
ten die Lokpersonale mit Bildern. Unterwegs<br />
passten Eisenbahnfreunde die Züge an den<br />
verschiedensten Stellen ab. Sehr beliebt war<br />
die „Fotowiese“ auf der Amberger Strecke<br />
bei Hartmannshof, die sich fast immer mit<br />
Leuten füllte. „Wenn da mal bloß 20, 30 Mann<br />
standen, hieß es auf der Lok gleich: Heute ist<br />
ja nichts los.“ Und schließlich knüpften die<br />
Eisenbahner neue Freundschaften, unter anderem<br />
zu Horst Troche. Der Initiator der<br />
Sonder fahr ten war ein häufiger Gast auf den<br />
Lokomotiven, dort mit allen auf Du und Du<br />
und hatte enorme Freude daran, selbst den<br />
Regler zu übernehmen. Das alles ließ verschmerzen,<br />
dass, wie Jürgen Kliemt ein -<br />
Zur Person<br />
Jürgen Kliemt<br />
Geboren im Jahr 1943, begann Jürgen<br />
Kliemt 1958 beim Bw Ansbach eine<br />
Schlosserlehre. Ab 1965 wurde er beim<br />
Bw Nürnberg Hbf zum Dampflokführer<br />
ausgebildet, von 1967 bis 1971 fuhr er<br />
auf der Baureihe 01 im D-Zug-Dienst<br />
sowie auf 64ern und 86ern auf Nebenbahnen.<br />
Zwischendurch erhielt er<br />
die Ausbildung für die Dieselloks 260<br />
und 211/212, bevor 1971 elektrische<br />
Triebfahrzeuge folgten. Im Laufe der<br />
Jahre war Kliemt unter anderem auf den<br />
Baureihen 103, 110, 118, 120, 144 sowie<br />
später dem ICE 1 und dem ICE 2 eingesetzt.<br />
Die Begeisterung für die Dampflok<br />
hat er sich bewahrt – bei DB-Sonderfahrten<br />
wie bei der Dampfbahn Fränkische<br />
Schweiz, für die der heutige Ruheständler<br />
noch als Lokführer aktiv ist.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 87
Momentaufnahmen<br />
| ALTES UND NEUES BEI DER BUNDES<strong>BAHN</strong><br />
Zeitläufe<br />
88
Farbpalette nach <strong>Bundesbahn</strong>-Art: Die vier<br />
wichtigsten Lackierungskonzepte vereint das<br />
Foto vom Juni <strong>1989</strong> in Karlsruhe Hbf. 110 140 (l.)<br />
und 150 150 (Mitte) tragen mit Blau bzw. Grün<br />
noch die erste Farbgebung der Einheits-Elloks;<br />
110 247 (Mitte, mit französischem Militärzug)<br />
zeigt das Ozeanblau-Beige der <strong>1970</strong>er-Jahre,<br />
und die 218 ganz rechts erstrahlt im 1987 eingeführten<br />
Orientrot mit „Lätzchen“ Josef Mauerer<br />
Dass in den <strong>1970</strong>ern eine ganze Traktionsart aus dem Regelbetrieb verschwindet, macht den<br />
Wandel bei der DB besonders deutlich. Das Staatsunternehmen will sich ja auch als zukunftsorientiert<br />
präsentieren. Und doch bleibt neben der neuen Bahn immer noch Platz für die etwas ältere ...<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 6/2014 89
Momentaufnahmen<br />
| ALTES UND NEUES BEI DER BUNDES<strong>BAHN</strong><br />
Unzählige Fans zieht es 1976 nach Ottbergen, wo das Bahnbetriebswerk<br />
noch 044 einsetzt. Im März des Jahres sind mit 044 067 und 044 256<br />
gerade zwei der wuchtigen Güterzugdampfloks in Aktion Georg Wagner<br />
Im Februar 1988 steht 221 127 mit einem<br />
Güterzug nach Duisburg-Wedau in<br />
Velbert. Jahrelang waren die 221 im<br />
Frachttransport des Ruhrgebiets präsent,<br />
im Juni 1988 stellt die DB sie ab; es<br />
handelt sich um die letzten Exemplare<br />
der Baureihe Thomas Feldmann<br />
Bei der <strong>Bundesbahn</strong> kamen die kleinen<br />
169er ein, zwei Mal in Süddeutschland herum,<br />
auf die alten Tage hin finden sie sich aber<br />
wieder auf ihrer Stammstrecke Murnau –<br />
Oberammergau ein. Im Juli 1981 ist 169 005<br />
im Güterverkehr eingesetzt; Aufnahme<br />
im Bahnhof Saulgrub Bodo Schulz<br />
90<br />
Die bayerischen Altbau-Elloks<br />
der Baureihe E 16/116 waren<br />
stets „heimatverbunden“; ihr<br />
Einsatzgebiet erstreckte sich auf die<br />
Verbindungen von und nach München.<br />
Mit einem langen Nahverkehrszug –<br />
samt Expressgut- und Gepäckwagen<br />
hinter der Lok! – fährt 116 001 im<br />
Jahr 1975 aus München Hbf aus<br />
Peter Schricker
Schlussakkorde<br />
44er-Mekka Ottbergen, 221-Hochburg Ruhrgebiet: Manche Dienststellen und Regionen verbindet<br />
man noch heute mit dem Einsatz bestimmter Baureihen, das heißt, mit deren letzten Diensten.<br />
Andere Baureihen bekamen auf ihre abschließenden Jahre hin überhaupt erst Aufmerksamkeit<br />
Erst in den letzten Einsatzjahren<br />
findet die 145 – die E 44 mit elektrischer<br />
Widerstandsbremse – größere<br />
Aufmerksamkeit bei Eisenbahnfreunden.<br />
Unter anderem, als sie<br />
Fernzüge in München Hbf rangiert,<br />
wie 145 170 im Juni 1981 Bodo Schulz<br />
91
Momentaufnahmen<br />
| ALTES UND NEUES BEI DER BUNDES<strong>BAHN</strong><br />
Lokomotivgenerationen<br />
In den <strong>1970</strong>er-Jahren reicht die Bandbreite von preußischen Länderbahnkonstruktionen<br />
über Entwicklungen der Vorkriegs-Reichsbahn bis zu aktuellen<br />
<strong>Bundesbahn</strong>-Neuschöpfungen. Ein Jahrzehnt später sind die Vertreter der Länderbahnzeit<br />
verschwunden; bis 1988 werden auch fast alle Reichsbahnloks abgestellt<br />
Für den schweren Güterverkehr<br />
holt die DB ab 1972 mit der<br />
Baureihe 151 Verstärkung.<br />
Als 151 004 im Juni 1975 an der<br />
Personalwechselstelle „Rather Straße“<br />
in Gremberg aufgenommen wird,<br />
hat sie gerade mal zwei Jahre<br />
Dienst hinter sich<br />
Peter Schiffer/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung<br />
92
Auch Bauzugdienste sind Dienste;<br />
im Oktober 1971 hat 094 307 eine solche<br />
Leistung in Hamburg-Wandsbek<br />
übernommen. Erst 1974 mustert die DB die<br />
letzten Exemplare der alten Preußin aus<br />
Georg Wagner<br />
Reichsbahn-Lokomotiven unter sich: 1979 stehen in Treuchtlingen zwei Altbau-Elloks der<br />
Baureihe 118 bereit und demonstrieren gleichzeitig die Verschiedenheiten zu <strong>Bundesbahn</strong>-Zeiten.<br />
Rechts 118 016 in klassischem Blau mit alten Lampen, links der Sonderling<br />
118 049 in Ozeanblau-Beige mit „Froschaugen“ Dr. Dietmar Beckmann<br />
Die „Bügelfalten“-110 gehört zu den<br />
klassischen DB-Elloks der Wirtschafts -<br />
wunderzeit. Wobei 110 365 in den <strong>1970</strong>erund<br />
1980er-Jahren eine Ausnahme<br />
darstellt: Versuchsweise trägt sie einen<br />
Warnanstrich. Im Mai 1981 ist die Lok<br />
mit E 3239 Hamburg – Helmstedt nach<br />
Lüneburg Hbf gekommen Johannes Poets<br />
Auf der Strecke Seesen – Göttingen fällt der<br />
Nahverkehr Anfang der 1980er-Jahre den<br />
Triebwagen der Baureihe 634 zu, <strong>Bundesbahn</strong>-Konstruktionen<br />
der 1960er-Jahre. Sie<br />
sind ein gewohnter Anblick (und gewohnter<br />
Komfort) für die Schüler, als sie im September<br />
1984 die Ankunft des N 6765 aus<br />
Osterode Süd erwarten Johannes Poets<br />
93
Momentaufnahmen<br />
| ALTES UND NEUES BEI DER BUNDES<strong>BAHN</strong><br />
In Limburg sind in den frühen <strong>1970</strong>er-Jahren nicht nur die<br />
dampflokbespannten Nahverkehrszüge einen Blick wert.<br />
Der Bahnsteig mit Holzbänken und „beschilderten“ Zugzielanzeigern<br />
samt Zeitangabe verbreitet ebenso nostalgisches Flair<br />
Heinz-Jürgen Hohlmann/Slg. Dr. Dietmar Beckmann<br />
Sprung zurück<br />
Allen Modernisierungsinitiativen zum Trotz:<br />
Die DB bewahrt sich viel aus den früheren<br />
Jahren. Sei es auf den ersten Blick, wie<br />
bei mancher Zuggarnitur, oder eher im<br />
Hintergrund, wie bei manchem Stellwerk.<br />
So oder so, der „Sprung zurück“ macht viel<br />
vom Charme aus, den der Bahnbetrieb<br />
in den <strong>1970</strong>ern und 1980ern noch hat<br />
Bewährte Technik: Die Kurbelstellwerke wurden zur Länderbahnzeit<br />
entwickelt. Einige sind auch noch bei der Deutschen<br />
<strong>Bundesbahn</strong> in Betrieb Dr. Dietmar Beckmann<br />
Als der Triebwagen 614 ausgeliefert wird,<br />
erprobt die <strong>Bundesbahn</strong> gerade das Konzept<br />
der „Popfarben“. Einige der Fahrzeuge behalten<br />
es – auch, als die DB sich farblich umorientiert.<br />
Sie halten so die Erinnerung an die frühen<br />
<strong>1970</strong>er wach (Foto: 614 002 auf der Strecke<br />
Mellrichstadt – Schweinfurt, August 1980)<br />
Johannes Poets<br />
94
Der Gepäckwagen an erster Stelle des Zuges<br />
ist das Neueste, was an diesem Julitag 1980<br />
im Nahverkehrszug 5507 nach Berchtesgaden<br />
mitfährt. Ellok 144 507 wie auch die<br />
Personenzugwagen stammen aus der<br />
Reichsbahnzeit vor 1945 Georg Wagner<br />
Tradition trifft Moderne: Zum<br />
Jubläum „150 Jahre deutsche<br />
Eisenbahnen“ reaktiviert die DB<br />
den Nachbau des „Adler-Zugs“.<br />
Am 30. November 1985 fährt<br />
er in Herford neben dem ICE/V<br />
vor, dem modernsten Fahrzeug,<br />
das die <strong>Bundesbahn</strong> seinerzeit hat<br />
Dietrich Bothe<br />
95
Strecken, Züge, Betrieb<br />
| DER HOCHGESCHWINDIGKEITSZUG ICE<br />
Zur Eröffnung der Neubaustrecke Fulda – Würzburg<br />
am 29. Mai 1988 kommt der ICExperimental als<br />
Sonder-ICE zum Einsatz, im Bild bei Oberkalbach.<br />
Auf den Tag vier Wochen zuvor hat die Garnitur<br />
auf der Neubaustrecke den neuen Weltrekord für<br />
Schienenfahrzeuge aufgestellt Georg Wagner<br />
Gelungenes<br />
Experiment<br />
Im Jubiläumsjahr 1985 präsentierte die DB ihren<br />
ersten Hochgeschwindigkeitszug. Stand das „E“<br />
von ICE damals noch für „Experimental“, begann<br />
sechs Jahre später mit dem weiterentwickelten<br />
Serienzug der planmäßige ICE-Verkehr<br />
Am 26. September <strong>1989</strong> präsentiert Krauss-<br />
Maffei in München den ersten Triebkopf<br />
eines Serien-ICE; die Kundenzeitung<br />
„Blickpunkt“ kündigt daraufhin eine „neue<br />
Bahnreiseära“ an Slg. Oskar Grodecke<br />
Den Schwerpunkt in der Fahrzeugentwicklung<br />
der Deutschen <strong>Bundesbahn</strong><br />
in den 1980er-Jahren stellte die<br />
Realisierung eines Hochgeschwindigkeitszuges<br />
dar. Schließlich nahmen die ersten<br />
Neubaustrecken, vor allem die Route Hannover<br />
– Würzburg, mehr und mehr Gestalt<br />
an. Und im Nachbarland Frankreich war der<br />
planmäßige Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />
bereits 1981 gestartet – mit der beeindruckenden<br />
Fahrzeit von nur noch zwei Stunden für<br />
die rund 430 Kilo meter zwischen Paris und<br />
Lyon im Weltrekordzug TGV (Abkürzung für<br />
train à grande vitesse – auf Deutsch schlicht<br />
und einfach „Hochgeschwindigkeitszug“).<br />
Dass die Deutsche <strong>Bundesbahn</strong> schon<br />
vier Jahre später den ersten deutschen Hoch-<br />
96<br />
geschwindigkeitszug präsentieren konnte,<br />
glaubten 1981 nur die größten Optimisten.<br />
Zu wenig zielstrebig erschienen die Konzeptions-<br />
und Planungsarbeiten für ein kon -<br />
kretes Fahrzeug und die Zusammenarbeit<br />
zwischen Industrie, Politik und DB bis dato.<br />
Daran konnte auch das 1979 vorgestellte Projekt<br />
R/S-VD (Rad-/Schiene-Versuchs- und<br />
Demonstrationszug) nichts ändern, dessen<br />
Realisierung wegen der ungeklärten Finanzierung<br />
auf Eis lag.<br />
Aus R/S-VD wird ICE<br />
Doch dann ging es plötzlich ganz schnell:<br />
Mit dem Ziel, ihn zum 150-jähri gen Jubiläum<br />
der Eisenbahn in Deutschland 1985 auf das<br />
Gleis zu setzen, nahm der R/S-VD Fahrt auf.<br />
Im Sommer 1982 stand endlich die Finanzierung.<br />
Am 6. September des Jahres wurde der<br />
neue Name InterCityExperimental, kurz ICE,<br />
für den ersten deutschen Hochgeschwindigkeitszug<br />
präsen tiert, der ursprünglich aus<br />
zwei Triebköpfen und sechs Mittelwagen bestehen<br />
sollte. Aus Kostengründen wurde auf<br />
nur noch zwei Mittel wagen reduziert; den<br />
dritten „spendierte“ schließlich die <strong>Bundesbahn</strong><br />
nachträglich. Insgesamt kostete der<br />
Bau des InterCityExperimental 96 Millionen<br />
D-Mark, 60 Prozent davon trug das Bundesministerium<br />
für Forschung und Technik.<br />
Der Zug entstand in enger Kooperation<br />
bei verschiedenen Herstellern (Krupp,<br />
Krauss-Maffei, Thyssen-Henschel, Düwag,<br />
LHB, MBB). Die Firma Krupp betreute das
keits-Weltrekord für Schienenfahrzeuge aufstellte.<br />
In Deutschland hat diese Bestmarke<br />
bis heute Gültigkeit.<br />
Im öffentlichen Fahrgasteinsatz stand der<br />
InterCityExperimental dagegen nur rund<br />
zwei Wochen: Im Januar 1986 fuhr er als<br />
Nachläuferzug hinter planmäßigen IC-Zü -<br />
gen zwischen München und Frankfurt<br />
(Main) bzw. Frankfurt (Main) und Hannover.<br />
Die Fahrgäste wurde dabei zu ihren Komforteindrücken<br />
befragt.<br />
Während der Versuchsfahrten auf der Neubaustrecke hat man den ICExperimental im<br />
Bw Würz burg untergebracht; hier ein Triebkopf mit der Kupplungseinrichtung A. Bruse<br />
der erste Triebkopf und am 31. Juli die Mittel -<br />
wagen. Die erste offizielle Präsentations -<br />
fahrt des kurz zuvor zusammengestellten<br />
fünfteiligen Zuges führte am 27. September<br />
von München nach Ingolstadt. Unter der<br />
Baureihenbezeichnung 410 (Triebköpfe<br />
410 001 und 003, Mittelwagen 810 001, 002,<br />
003) wurde der Zug im Bahnbetriebswerk<br />
(Bw) Hamm stationiert, offiziell zählte er<br />
aber zum Bestand des Bw Frankfurt 1. Eigen -<br />
tümer war dabei nicht die DB, sondern das<br />
Hersteller-Konsortium.<br />
Seine erste Rekordfahrt absolvierte der<br />
neue Vorzeigezug der <strong>Bundesbahn</strong> am<br />
26. November 1985: Zwischen Gütersloh und<br />
Hamm erreichte er eine Geschwindigkeit<br />
von 317 km/h. Einen Meilenstein setzte er<br />
schließlich am 1. Mai 1988, als er auf der Neubaustrecke<br />
zwischen Fulda und Würzburg<br />
mit 406,9 km/h den damaligen Geschwindig-<br />
Projekt federführend. Industrie und<br />
<strong>Bundesbahn</strong> konnten bei der Realisierung<br />
auf zahlreiche Forschungsergebnisse<br />
und praktische Schnellfahrversuche<br />
(mit Loks der Baureihe<br />
103) aus den <strong>1970</strong>er-Jahren zurückgreifen.<br />
Wesentliche Merkmale des<br />
Zuges sollten die Aerodynamik sein<br />
– nicht nur aus technischen, sondern<br />
auch aus optischen Gründen – und<br />
ein im Vergleich zum französischen<br />
TGV deutlich höherer Komfort. Bei<br />
der Antriebstechnik (Drehstrom, vier<br />
Asynchron-Fahrmotoren je Trieb-<br />
kopf) griff man auf die guten Erfahrungen<br />
mit der Baureihe 120.0 zurück.<br />
406,9 km/h – Weltrekord<br />
Im Jubiläumsjahr 1985 konnte der ICE tatsächlich<br />
präsentiert werden: am 19. März<br />
60 Serien-ICE für die DB<br />
Die Baureihe 410 diente vor allem als Versuchsträger<br />
für ein Serienfahrzeug, mit dem<br />
1991 der planmäßige Hochgeschwindigkeitsverkehr<br />
in Deutschland aufgenommen werden<br />
sollte. Projektiert wurde der Serien-ICE<br />
bereits ab dem Jahre 1984. Entwicklungs -<br />
aufträge dafür vergab die <strong>Bundesbahn</strong> 1986.<br />
Ab 1987 bestellte sie zunächst insgesamt<br />
82 Triebköpfe und 492 Mittelwagen, vorge se -<br />
hen für insgesamt 41 Garnituren mit je zwölf<br />
Mittelwagen. Die Bestellung weiterer 19 solcher<br />
ICE-Garnituren folgte 1990. Den ersten<br />
Triebkopf des Serien-ICE (Baureihe 401)<br />
übergab Krauss-Maffei am 26. September<br />
<strong>1989</strong> an die <strong>Bundesbahn</strong>. Das Akronym ICE<br />
stand jetzt für InterCityExpress – die neue<br />
Produktklasse im Fernverkehr ab 1991.<br />
Die Baureihe 410 wurde in ICE-V (V=Versuchszug)<br />
umbenannt. Einer der beiden<br />
Triebköpfe bereichert heute das Verkehrszentrum<br />
des Deutschen Museums in München;<br />
der andere erinnert zusammen mit<br />
dem letzten erhaltenen Mittelwagen auf dem<br />
Gelände von DB Systemtechnik in Minden<br />
(vormals <strong>Bundesbahn</strong>-Zentralamt bzw.<br />
Forschungs- und Technologiezentrum) an<br />
die Anfänge des Hochgeschwindigkeits ver -<br />
kehrs in Deutschland. Michael Krische
<strong>Vorschau</strong><br />
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Impressum<br />
6/2014 | November/Dezember<br />
25. Jahrgang | Nummer 133<br />
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Verantwortl. Redakteur: Thomas Hanna-Daoud<br />
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Layout: Ralf Puschmann<br />
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