Christus segnet die Kinder
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Christus segnet die Kinder
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Entstehungszeit: 1538 | Bildträger: Öl auf Buchenholz | Maße: 85,5 x 120,0 cm | Inschrift: VND SIE BRACHTEN KINLEIN ZV IM DAS ER SIE ANRVRETE · MARCVS<br />
AM X | Provenienz: Gemäldegalerie Alte Meister Dresden, Gal.-Nr.: 1924<br />
<strong>Christus</strong> <strong>segnet</strong> <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong><br />
Ein Jahr nach dem Tod seines geliebten Sohnes Hans in<br />
Bologna schuf Cranach mit dem Sujet des kinderfreundlichen<br />
<strong>Christus</strong> eines der wirkungsvollsten Motive protestantischer<br />
Bildprogrammatik in der Tafelmalerei. Mit ihrer<br />
in den Hauptfarben rot, blau und weiß gehaltenen Schilderung<br />
der <strong>Kinder</strong>segnung folgt <strong>die</strong> Inszenierung <strong>die</strong>ser<br />
Begebenheit aus dem Leben Jesu, der Überlieferung des<br />
Markusevangeliums (10, 13–16). „Da brachte man <strong>Kinder</strong><br />
zu ihm, damit er ihnen <strong>die</strong> Hände auflegte. Die Jünger aber<br />
wiesen <strong>die</strong> Leute schroff ab. Als Jesus das sah, wurde er<br />
unwillig und sagte zu ihnen: Lasst <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> zu mir kommen;<br />
hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen<br />
gehört das Reich Gottes. Amen, das sage ich euch: Wer das<br />
Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht<br />
hineinkommen. Und er nahm <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong> in seine Arme;<br />
dann legte er ihnen <strong>die</strong> Hände auf und <strong>segnet</strong>e sie.“ Während<br />
<strong>die</strong> Jünger am rechten Bildrand das unbändige Anbranden<br />
von Müttern und <strong>Kinder</strong>n mit unwilligen Blicken<br />
betrachtend disputieren, erwächst zur linken ein Zerren<br />
und Begehren zum Empfang des Segens Jesu. So versucht<br />
eines der Wickelkinder nach den erhobenen Fingern Jesu<br />
zu fassen, während seine Mutter ihren Kopf in Dankbarkeit<br />
neigt. Dass Cranach mit seiner Darstellungsweise einen<br />
direkten Bezug zu Luthers Lehre herstellte, macht <strong>die</strong> von<br />
Luther gewünschte Unterbringung des beschreibenden<br />
Bibelzitats: „Und sie brachten Kindlein zu ihm, dass er sie<br />
anrührte“ deutlich. Interessant ist auch, dass Luther den<br />
eben zitierten Anfangssatz der Markus-Verse in seinem<br />
1526 in zweiter Auflage erschienenen Taufbüchlein zum<br />
„Taufevangelium“ bestimmt hatte. Es gibt kaum ein anderes<br />
Bildthema Cranachs, in dem <strong>die</strong> Auffassung Luthers<br />
vom Glauben als göttliche Gnade mehr verinnerlicht ist als<br />
in der Segnung der <strong>Kinder</strong>. Luther bezeichnete <strong>die</strong> <strong>Kinder</strong><br />
als <strong>die</strong> wahrhaft Glaubenden, <strong>die</strong> gemäß den Worten Jesu<br />
bevorzugt, ohne Werkvollbringung und daher allein durch<br />
ihren Glauben ins Himmelreich gelangen.
Entstehungszeit: 1552 | Bildträger: Öl auf Holz | Provenienz: Stadtkirche St. Peter und Paul, Weimar<br />
Weimarer Flügelaltar<br />
Der alte Cranach, der 1550 seinem Herrn Kurfürst Johann<br />
Friedrich I. von Sachsen in <strong>die</strong> Gefangenschaft Kaiser Karls<br />
V. gefolgt war, kehrte nunmehr zwei Jahre nach seiner Abreise<br />
aus Wittenberg gemeinsam mit seinem entlassenen<br />
Herren in das thüringische Weimar ein. Nachdem er seinen<br />
Wohnsitz genommen hatte, begann er um 1552 mit den Arbeiten<br />
zur Verbildlichung der Glaubenslehre Luthers. Als<br />
eines der Hauptwerke sächsisch-thüringischer Reformationskunst<br />
zeugt der Weimarer Flügelaltar noch heute von<br />
der Kunstfertigkeit Lucas Cranachs des Älteren und Lucas<br />
Cranachs des Jüngeren, der das Werk des verstorbenen<br />
Vaters im Jahr 1555 eigenhändig vollendet hatte. Die Tafelmalerei<br />
der geschlossenen Altarflügel fasst in der Taufe<br />
und der Himmelfahrt Jesu den Anfang und das Ende seines<br />
irdischen Lebens zusammen. Ihre Innenseiten zeigen linkerhand<br />
<strong>die</strong> Regenten und Unterstützer der lutherischen<br />
Reformation: Johann Friedrich I. und seine Gattin Sibylle<br />
von Jülich-Kleve-Berg am Betpult und rechterhand ihre<br />
Söhne Johann Friedrich den Mittleren, Johann Wilhelm<br />
und Johann Friedrich den Jüngeren. Bei der Komposition<br />
der Mitteltafel griff Cranach das gemeinsam mit Luther<br />
entwickelte Lehrbild Gesetz und Gnade auf und führte es<br />
zur Vervollkommnung. Der zentrale Gedanke Luthers von<br />
der Erlösung des Sünders allein durch den Glauben in Jesus<br />
<strong>Christus</strong> ließ Cranach im Hauptbild des Weimarer Flügelaltars,<br />
in der Glaubenssymbolik des Gekreuzigten und<br />
der Reinwaschung des sündigen Menschen durch das Blut<br />
Christi, offenbar werden. Unterhalb des Kreuzes verkündet<br />
das Lamm <strong>die</strong> Botschaft Johannes des Täufers „Siehe,<br />
das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt!“<br />
(Joh. 1, 29). Auffällig ist das von seinem Sohn Lucas zwischen<br />
Johannes dem Täufer und Martin Luther eingefügte<br />
Selbstbildnis des Vaters, das den vom Blutstrahl Christi<br />
reingewaschenen Cranach als Stellvertreter einer erlösten<br />
Menschheit versinnbildlicht.
Entstehungszeit: um 1535 | Bildträger: Öl auf Buchenholz, später in zwei Teile zersägt | Maße: 71,9 x 59,6 cm und 72,6 x 60,1 cm |<br />
Provenienz: Klassik Stiftung Weimar, Schlossmuseum<br />
Gesetz und Gnade<br />
Seit seiner Arbeit an den Katechismen konzentrierte sich<br />
Luthers Bestreben auch auf <strong>die</strong> Erneuerung alter Glaubensbilder<br />
und der Schaffung eines biblischen Lehrbildes,<br />
das <strong>die</strong> Ideen des neuen Glaubens eingängig transportieren<br />
könnte. Es ist wahrscheinlich, dass Luther bei der Umsetzung<br />
der Thematik von Gesetz und Evangelium einen<br />
erheblichen Anteil zur Gestaltung der Bildkomposition beitrug.<br />
Das Gemälde ist in zwei Bildhälften geteilt. Die landschaftlichen<br />
Motivsphären des Gesetzes und der Gnade<br />
lässt hier ein Baum entstehen, dessen Zweige aufseiten<br />
des Gesetzes verdorrt und abgestorben erscheinen, während<br />
sie auf der Seite der Gnade ein immergrünes Laubkleid<br />
treiben. In der linken Bildhälfte installierte Cranach<br />
bewusst alttestamentarische Motive, <strong>die</strong> in ihrer Inszenierung<br />
eine Art göttliches Gericht entstehen lassen, das <strong>die</strong><br />
Angst der Menschen vor ihrem Weltenrichter <strong>Christus</strong> widerspiegelt.<br />
Während <strong>die</strong> Propheten und Mose den Sünder<br />
unter dem Gesetz Gottes anklagen, wird der von Tod und<br />
Teufel Getriebene in den Schlund des Höllenfeuers gejagt.<br />
Unterdessen ereignet sich im Hintergrund der Sündenfall,<br />
der den Menschen vergewissert, dass sie in ihrer sündigen<br />
Grundnatur dem Gesetz Gottes nicht gerecht werden<br />
können. Auf der Seite der Gnade wird Christi Zuneigung<br />
zu den Menschen in der Darstellung der Heilsgeschichte<br />
offenbar, <strong>die</strong> den Menschen durch <strong>die</strong> Gnade Gottes <strong>die</strong> Erlösung<br />
im Glauben an den gekreuzigten <strong>Christus</strong> verheißt.<br />
Als Mittler verweist Johannes der Täufer den Menschen auf<br />
den gekreuzigten <strong>Christus</strong>, dessen Gnade als Blutstrahl<br />
durch <strong>die</strong> Taube des Heiligen Geistes auf den Menschen<br />
übergeht und ihn von seinen Sünden reinwäscht. Während<br />
der kreuzbringende Engel Maria am Horizont <strong>die</strong> Menschwerdung<br />
Christi anzeigt und den Hirten <strong>die</strong> Verkündigung<br />
der Geburt überbracht wird, ist der Auferstandene rechts<br />
unterhalb des Kreuzes im Sieg über Tod und Teufel dargestellt.<br />
Die alttestamentarische Szene der ehernen Schlange<br />
am Kreuz gilt als Vorzeichen des Kreuzigungstodes<br />
Christi. Das Lamm mit der Kreuzesfahne steht hingegen<br />
symbolisch für seine Auferstehung.
Entstehungszeit: um 1516/18 | Bildträger: Öl auf Laubholz | Maße: 41,0 x 28,0 cm | Provenienz: Kunstsammlungen der Veste Coburg, Inv.-Nr.: M.158<br />
Die heilige Dreifaltigkeit<br />
In <strong>die</strong>ser von Luther zum „Gnadenstuhl“ umgedeuteten<br />
Bezeichnung des Trinitätsbildnisses vergegenwärtigt Cranach<br />
<strong>die</strong> von Luther gepredigte wahrhaftige Gnade Gottes.<br />
Das Prinzip der Dreifaltigkeit ist eine Besonderheit<br />
des christlichen Glaubens und drückt den Glauben an den<br />
einen Gott in drei Personen aus. Die Bezeichnung Dreieinigkeit<br />
betont hierbei <strong>die</strong> Einheit der göttlichen Personen,<br />
<strong>die</strong> Dreifaltigkeit ihre Verschiedenheit. Die ursprüngliche,<br />
im 12. Jahrhundert aufgekommene Darstellungsweise der<br />
Trinität unterscheidet sich in ihrer Ausführung und Betrachterwirkung<br />
stark von der weiterentwickelten Allegorie<br />
des 16. Jahrhunderts durch Dürer und Cranach. Hier<br />
erscheint Gottvater zwar in einer leuchtenden Lichtsphäre,<br />
jedoch nicht mehr thronend. Vielmehr findet man ihn stehend<br />
auf seinem Attribut, dem Reichsapfel, mit Tiara gekröntem<br />
Haupt und in Gold gewirkten Kleidern. In seinem<br />
Schoß hält er nicht mehr das Kruzifix, sondern den Corpus<br />
Christi, den Schmerzensmann selbst. Allein <strong>die</strong> von Engeln<br />
getragenen Marterwerkzeuge und Wundmale zeugen noch<br />
von seinem Martyrium. Es ist gerade <strong>die</strong>ser von Cranach<br />
nachgezeichnete Gestus der Aufnahme des Gekreuzigten<br />
in den Schoß des Vaters, der <strong>die</strong> unmittelbare und barmherzige<br />
Verbundenheit desselben mit dem Leiden seines<br />
geopferten Sohnes pointiert. Die dritte Person der Trinität<br />
ist der Heilige Geist. In Gestalt einer aufsitzenden Taube<br />
werden dem Gläubigen <strong>die</strong> Liebe, das Erbarmen und<br />
<strong>die</strong> Güte offenbart, <strong>die</strong> durch Gottes Gerechtigkeit auf den<br />
Sünder übergehen, sobald Gottes Gnade wahre Reue in ihr<br />
Herz gießt.
Entstehungszeit: 1526 | Bildträger: Öl auf Holz | Maße: 124,5 x 81,5 cm | Provenienz: John & Mable Ringling Museum of Art, Sarasota, Florida<br />
Kardinal Albrecht von Brandenburg<br />
als heiliger Hieronymus im Gehäus<br />
Kardinal Albrecht von Brandenburg, mächtigster Kirchenmann<br />
im Heiligen Römischen Reich und erbittertster Gegner<br />
Luthers in der Verfechtung des alten katholischen Glaubens,<br />
war in seiner Position als Erzbischof von Magdeburg<br />
und Mainz, Administrator von Halberstadt und Kurfürst von<br />
Mainz maßgeblich an der Einführung der umstrittenen Ablasspraxis<br />
im Deutschen Reich beteiligt. Dass Cranach als<br />
enger Vertrauter Luthers und Pate seines erstgeborenen<br />
Sohnes Johannes freilich nicht nur als Künstler der Reformation<br />
gesehen werden darf, mahnen uns <strong>die</strong> gut gefüllten<br />
Auftragsbücher des geschäftstüchtigen Unternehmers.<br />
Für Cranach wäre es undenkbar gewesen, große Aufträge<br />
wie <strong>die</strong> des Kardinals aufgrund persönlicher Parteilichkeit<br />
oder Konfessionalitätsunterschieden auszuschlagen. Dass<br />
Luthers antipäpstliches Pamphlet Passional Christi und<br />
Antichristi fast zeitgleich mit einem Altarzyklus zur Ausschmückung<br />
des 1523, von seinem Gegner Albrecht als<br />
„Bollwerk“ gegen Wittenberg geweihten Stifts zu Halle entstanden<br />
ist, zeugt von der Professionalität der Wittenberger<br />
Auftragswerkstatt und beweist einmal mehr den flexiblen<br />
Geschäftssinn Cranachs. Über Jahrzehnte hinweg hat<br />
er den Wünschen seiner zahlenden Auftraggeber entsprochen<br />
und schuf infolgedessen sowohl ein katholisches als<br />
auch ein protestantisches Bildprogramm. Dass der Kardinal<br />
sich hier in Personifikation des bedeutenden Kirchenvaters<br />
Hieronymus als ein sinnend, in Folianten blätternder<br />
Gelehrter in Auftrag gab, zeigt deutlich wie sehr er sich<br />
in seiner Rolle als Kunstmäzen und Humanistenfreund<br />
gefiel. Sein Selbstinszenierungsdrang war in erster Linie<br />
repräsentativer Art, jedoch lässt <strong>die</strong> Identifikation mit dem<br />
prominenten Kirchenvater, dem <strong>die</strong> lateinische Neuübersetzung<br />
der Bibel aus den hebräischen und griechischen<br />
Urtexten, der sogenannten Vulgata, zugeschrieben wird,<br />
noch einen anderen Anschaffungsgrund vermuten – der<br />
Vermarktung seiner katholischen Bibel. Mit der von ihm<br />
initiierten und 1527 erschienenen Übertragung der Vulgata<br />
in <strong>die</strong> Volkssprache hatte Albrecht der Lutherbibel eine<br />
Schrift der Altgläubigen entgegengesetzt.
Bildträger: Öl auf Holz mit Texten in Buchdruck auf aufgeklebtem Papier |<br />
Maße: Mitteltafel 67,5 x 67,0 cm, Flügeltafel je 68,7 x 32,3 cm | Provenienz: Hamburger Kunsthalle, Inv.-Nr.: 606<br />
Die Kurfürsten von Sachsen<br />
Friedrich der Weise, Johann der Beständige und Johann Friedrich der Großmütige<br />
Die Herrscherbildnisse der sächsischen Kurfürsten entspringen<br />
der dynastischen Gedächtnisbildertradition und<br />
können durchaus im Dienst der protestantischen Sache<br />
gesehen werden. Um seinen Anspruch als legitimen Erben<br />
auf <strong>die</strong> Kur nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1532 zu<br />
untermauern, gab Johann Friedrich I. von Sachsen noch<br />
im Jahr seiner Herrschaftsübernahme „60 par tefflein daruff<br />
gemalt sein bede churfürste selige und lobliche gedechnis“<br />
in der Cranach-Werkstatt in Auftrag. Das sogenannte<br />
Hamburger Triptychon gilt als eigenhändiges Werk<br />
Cranachs. Im Vordergrund thronen von links nach rechts<br />
Friedrich der Weise, Johann der Beständige und Johann<br />
Friedrich der Großmütige über das als grünende Hügel-<br />
und Flusslandschaft versinnbildlichte ernestinische<br />
Herrschaftsgebiet an den Elbufern. Die Stadtsilhouetten<br />
legen <strong>die</strong> Vermutung nah, dass es sich hierbei um <strong>die</strong> Residenzstädte<br />
Torgau und Wittenberg handeln könnte. Ein<br />
weiteres Bilddetail sind <strong>die</strong> angebrachten Lobgedichte in<br />
der bronzefarbenen Sockelleiste des verstorbenen Vaters<br />
und Onkels, <strong>die</strong> ihre Treue zu Kaiser und Reich sowie den<br />
persönlichen Ver<strong>die</strong>nst um den „rechten“ Glauben im Land<br />
propagieren.<br />
Die anspruchsvolle Bildform des Triptychons, <strong>die</strong> Cranach<br />
hier zur Anwendung bringt, ist als Auftragsarbeit nie frei<br />
von politischer Intention zu sehen. In <strong>die</strong>sem Fall verleiht<br />
es den Portraits der Kurfürsten in ihrer Rolle als Verteidiger<br />
der Reformation zusätzliche sakrale Würde. Cranach,<br />
dessen Pinsel stets am Puls der Zeit arbeitete, fertigte seit<br />
1508 auch verstärkt <strong>Kinder</strong>bildnisse für gutbetuchte Bürger<br />
und stilsichere Hoheiten, <strong>die</strong> mit dem Standesportrait<br />
ihrer Sprösslinge den zukünftigen Legitimitätsanspruch<br />
der eigenen Familie festigen wollen.
Entstehungszeit: um 1530 | Bildträger: Pappelholz | Maße: 80,0 x 118,0 cm | Provenienz: Gemäldegalerie Alte Meister Dresden, Gal.-Nr.: 1908 A<br />
Para<strong>die</strong>s<br />
Es ist gut möglich, dass <strong>die</strong> zwei einzigen bekannten Para<strong>die</strong>sdarstellungen<br />
Cranachs aus dem Jahr 1530 von den<br />
ersten zusammenhängenden Predigten Luthers über das<br />
erste Buch Mose inspiriert wurden. In ihrer Komposition<br />
folgt <strong>die</strong> ausgewählte Dresdener Para<strong>die</strong>sdarstellung der<br />
bekannten biblischen Erzählung (Gen. 2–3) von der Erschaffung<br />
des Menschen und dem Sündenfall, <strong>die</strong> Cranach<br />
hier atypisch in eine seiner himmlisch-wuchernden Parkidyllen<br />
hineinmalte. Dabei sind es besonders <strong>die</strong> üppig<br />
grünende Flora und <strong>die</strong> artenreiche Fauna <strong>die</strong>ser para<strong>die</strong>sischen<br />
Naturlandschaft, <strong>die</strong> an <strong>die</strong> kurfürstlichen Parkanlagen<br />
erinnert. Das friesartig in der unteren Bildhälfte<br />
angebrachte wilde Tiertreiben erscheint trotz der unnatürlichen<br />
Artenmischung von Bären und Schafen, Löwen oder<br />
Rehen zu harmonieren; wodurch nicht nur das friedliche<br />
Miteinander rivalisierender Tiere, sondern auch der para<strong>die</strong>sische<br />
Einklang von Mensch und Natur in den Vordergrund<br />
gekehrt wird. Im Zentrum der Komposition stehen<br />
<strong>die</strong> sechs Einzelszenen des jungen Menschenpaares, <strong>die</strong><br />
von der Erschaffung Adams aus der Erde und der späteren<br />
Erschaffung Evas aus seiner Seite, von der Unterweisung<br />
der beiden durch den Gottvater und dem Sündenfall sowie<br />
ihrem Verbergen unter den Bäumen vor dem Angesicht<br />
des Gottvaters und der Vertreibung aus dem Garten Eden<br />
erzählen. In der Bildmitte platzierte Cranach das moralische<br />
Sinnbild vom mahnenden Gottvater, der in überhöht<br />
dargestellter Größe allgegenwärtig über <strong>die</strong> Taten Adams<br />
und Evas Wache haltend auftritt und demzufolge als erhabene<br />
und über alle Menschen richtende Instanz verstanden<br />
werden konnte. Beinahe <strong>Kinder</strong>n gleich präsentiert<br />
sich das sich an den Händen haltende Menschenpaar im<br />
Augenblick seiner Unterweisung.
Entstehungszeit: 1550 | Bildträger: Öl auf Holz | Maße: 67,0 x 49,0 cm | Inschrift: AETATIS SVÆ LXXVII | Provenienz: Galleria degli Uffizi, Florenz<br />
Lucas Cranach d. Ä. – Maler der Reformation<br />
Als das Selbstbildnis Lucas Cranach des Älteren im Jahr<br />
1550 entstand, befand sich der langjährige Familienfreund<br />
und Unterstützer Martin Luthers bereits in der Endphase<br />
seiner Schaffenskraft. Es zeigt Cranach als weißbärtigen,<br />
in sich gefestigten Mann hohen Alters, stehend und<br />
in einen schwarzen Umhang gehüllt. In sich ruhend und<br />
mit dem prüfenden Blick eines Künstlers, offenbaren sich<br />
dem Betrachter <strong>die</strong> bestimmend väterliche Strenge, <strong>die</strong><br />
Ernsthaftigkeit und rege Geistestätigkeit des erfolgreichen<br />
Geschäftsmanns und stadtpolitischen Amtsträgers. Den<br />
zweiten Blickfang bilden <strong>die</strong> in Ruheposition verweilenden<br />
Hände des Meisters. Diese Hände, <strong>die</strong> bereits im Kindesalter<br />
von seinem Vater zur Kunstfertigkeit erzogen worden<br />
waren, ließen ihn in seiner Wittenberger Zeit als kurfürstlicher<br />
Hofmaler Friedrichs des Weisen von Sachsen zum<br />
auftragsreichsten Konkurrenten Dürers und späteren Popstar<br />
der Portraitmalerei aufsteigen. Neben seiner offiziellen<br />
und jährlich mit 100 Gulden entlohnten Anstellung im<br />
Schlossatelier sollte besonders <strong>die</strong> enge Freundschaft und<br />
tiefe Verbundenheit der Familien Cranach und Luther <strong>die</strong><br />
süßesten Früchte protestantischen Kunstschaffens in Wittenberg<br />
hervorbringen.<br />
Mit seiner Berufung trat er in den direkten Umkreis, in<br />
dem auch wenige Jahre später wichtige Ereignisse der Reformation<br />
stattfinden sollten.<br />
Das Bild, das wir heute vor Augen haben, wenn wir an Martin<br />
Luther denken, geht auf <strong>die</strong> Porträts Cranachs zurück.<br />
Ob als Junker Jörg, als Professor der Theologie in Talar<br />
und mit Professorenhut oder im Doppelbildnis mit seiner<br />
Ehefrau Katharina von Bora, alle <strong>die</strong>se Bilder entstanden<br />
als Arbeiten Lucas Cranachs oder seiner Werkstatt und<br />
prägen noch heute unser Bild, das wir von dem großen Reformator<br />
haben. Als Maler erreichte Lucas Cranach mit ca.<br />
5.000 geschaffenen Werken eine bis dato in der deutschen<br />
Malerei ungekannte Produktivität. Neben zahlreichen Altarbildern,<br />
Porträts oder mythologischen Bildern fertigte<br />
er auch Holzschnitte und Kupferstiche an. Als tüchtiger<br />
Geschäftsmann wurde er bald zu einem der wohlhabendsten<br />
Wittenberger Bürger. Als Besitzer einer Apotheke,<br />
Buchhändler und Verleger genoss er großes Ansehen, sodass<br />
man ihn 1519 in den Stadtrat wählte und er später<br />
mehrfach hintereinander Bürgermeister der Stadt wurde. )
Entstehungszeit: 1515 | Bildträger: Faksimile eines Holzschnittes mit Typendruck | Maße: 16,5 x 11,5 cm | Provenienz: Staatliche Museen Berlin, Stiftung Preußischer<br />
Kulturbesitz, Inv.-Nr.: 978-11<br />
Georg Spalatin betend vor dem Kruzifix<br />
Cranachs schöpferischer Sinn der Wittenberger Anfangsjahre<br />
spiegelt sich vor allem im Bilddruck wider. So entstanden<br />
besonders im Jahrzehnt zwischen 1505 und 1515<br />
kleinere Holzschnittanfertigungen, von denen speziell<br />
<strong>die</strong> der Turnier- und Jagdszenen den Stolz des kursächsischen<br />
Hofes nährten. Als Luther 1515 endgültig in das<br />
kleine, ärmlich anzusehende Städtchen Wittenberg übersiedelte,<br />
schuf Cranach mit dem Holzschnitt des betenden<br />
Spalatin vor dem Kruzifix bereits vor Luthers Formulierung<br />
der Rechtfertigungslehre ein Leitbild reformatorischer<br />
Kreuzestheologie. Das dem Holz abgewonnene Bildnis des<br />
Georg Burgkhardt, dessen Name Spalatin von seinem Geburtsort<br />
Spalt bei Nürnberg herrührt, greift in der Darstellungsweise<br />
seiner Frömmigkeitshaltung <strong>die</strong> Überzeugung<br />
Augustinus, „ich glaube, damit ich erkennen kann“, auf.<br />
Demzufolge entsteht der Glaubensdialog des Gläubigen<br />
mit Gott im Angesicht des Gekreuzigten nicht durch das<br />
reine Anbeten des Kruzifixes oder des Bildwerks, sondern<br />
vielmehr durch das Beten des Einzelnen in Gedanken an<br />
<strong>Christus</strong>. Dies verdeutlicht auch <strong>die</strong> in Latein vorrausgeschickte<br />
Bildunterschrift Spalatins: „An den Erlöser <strong>Christus</strong>,<br />
den Besten und Höchsten, Georg Spalatin, ein Sünder.“<br />
Spalatin ging nach seiner Berufung als Prinzenerzieher<br />
1508 an den Hof Friedrichs des Weisen nach Wittenberg.<br />
Dort begründete und verwaltete er ab 1512 unter Weisung<br />
des Kurfürsten <strong>die</strong> Wittenberger Universitätsbibliothek, bis<br />
er wenig später als geistlicher Berater und Kammersekretär<br />
in dessen vertrauensvollen Dienst gestellt wurde. Aber<br />
es sollte erst der freundschaftliche Kontakt zu Luther sein,<br />
der Spalatin ab 1514 zum maßgeblichen Vermittler und<br />
Verteidiger Luthers am kurfürstlichen Hof machte, und ihn<br />
damit zum Beförderer der reformatorischen Bewegung<br />
werden ließ.