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Foto: Philipp Wente<br />

kolumne:<br />

Zwölf Zille Stach<br />

Die faszinierende Welt<br />

des Autoquartetts<br />

Bevor ich ungefähr zehn Jahre später den Führerschein<br />

dritter Klasse machte, besaß ich schon einen<br />

gewaltigen Fuhrpark. Meine Mutter nannte ihn<br />

„Staubfän-ger“, denn ich parkte meine etwa fünfzig<br />

Kraftfahrzeuge auf den Fensterbänken von Kinder-<br />

und Ess-Zimmer, hinter den Gardinen mit der<br />

Goldkante, für die Frau Marianne Koch im Fernsehen<br />

Werbung machte.<br />

Mit der Größe meiner Matchbox-Auto-Sammlung<br />

lag ich im gehobenen Mittelfeld meines Matchbox-<br />

Autos-Sammler-Bekannten-Kreises. Unsere Väter<br />

fuhren VW-Käfer, Fiat 600 und Ford Taunus. Wir<br />

waren die Söhne, denen sie immer damit drohten,<br />

dass sie es später mal besser haben sollten als sie<br />

selbst. Im PKW-Segment hatten wir sie aber schon<br />

überholt, bevor wir mit den Füßen an die Gaspedale<br />

ihrer Kleinwagen reichten. Wir fuhren nämlich<br />

beidhändig, und zwar Jaguar-E-Type, Ford<br />

Mustang und die Citroen DS, die aber in unserer<br />

Vorpubertät noch dem männlichen Geschlecht angehörte<br />

und deswegen „Der Zitröhn“ hieß. Autotheoretisch<br />

konnten unsere Alten uns schon längst<br />

nicht mehr an die Karre pinkeln. Wir besaßen nicht<br />

nur die heißeren Kisten, wir hatten auch die besseren<br />

Karten.<br />

„300 SEL sechstausendfünfhundert Kubik“. Der<br />

dicke Benz schlug mit seinem versoffenen Hubraum<br />

alle anderen. Damit kassierte man ab. Beim Autoquartett<br />

kommt es darauf an, dass man weiß, was<br />

unter der Haube steckt. Wir hatten keine Ahnung,<br />

was Hubraum bedeutet, dass aber die sechseinhalb<br />

Liter des 300 SEL viel mehr waren als die pisseligen<br />

Einskommadrei des Alfa Romeo Giulietta Sprint,<br />

das war klar wie Kraftstoff. Deswegen reichte uns<br />

Experten auch die kurze Ansage „300 Hub“, damit<br />

die anderen ihre Karten rausrückten. Jeder wusste,<br />

das ist der goldene Mercedes mit den Doppelscheinwerfern,<br />

der stach mit „sechseinhalb Hub“.<br />

4 stadtblatt: 1 l 2007 <strong>Februar</strong>-März<br />

dung so oft und so immer,<br />

dass er irgendwann zum<br />

Allgemeinsprachgut<br />

aufstieg.<br />

Rüdiger-Ro-80-gebraten-160,<br />

ich und die anderen Jungs<br />

spielten immer Auto-quartett.<br />

Die affi gen Blockfl ötenzicken aus<br />

der Mädchen-Parallelklasse spielten Komponistenquartett.<br />

Keine Ahnung, was da Trumpf war,<br />

wahrscheinlich „Mozart 10.000 Noten Stach“.<br />

Wir Jungens aber spielten Autoquartett. Immer.<br />

Auf dem Schulhof in der Pause. Vor und nach der<br />

Pause im Unterricht im Klassenraum der Schule.<br />

Vor und nach der Schule in der immer von uns mit<br />

der Ansage „Letzte Reihe!!!“ reservierten letzten<br />

Reihe im Schulbus, spielten wir: Autoquartett. Es<br />

sei denn, wir spielten Flugzeugquartett. Oder<br />

Schiffequartett. Es sei denn, wir schingelten.<br />

„Schingeln“ war ein anderes Spiel, das anderswo<br />

auch „Schangeln“ genannt wurde. Karten<br />

spielten dabei nicht mit. Beim Schingeln und/oder<br />

Schangeln warfen wir kleine Geld-Münzen vor<br />

Hauswände und dann ... na ja, die Regeln sind<br />

schon arg kompliziert. Ihre Erläuterung würde Sie<br />

möglicherweise überfordern. Aber nicht nur Sie.<br />

Auch mich. Ich muss mich nämlich jetzt auf etwas<br />

anderes konzentrieren. Auf eine Niederlage. Ich<br />

bin zum Autoquartett spielen verabredet.<br />

Mit ein paar Achtjährigen<br />

aus meinem Bekanntenkreis.<br />

Wir spielen zu ihren Bedingungen,<br />

das heißt: Mit einem<br />

neuen Blatt, Jahrgang 2006. Und ich<br />

bezweifel‘ sehr stark, dass da noch irgendeine mir<br />

bekannte „Zille-Hub-UM-Stach“-Karte vorkommt,<br />

mit der ich im Teilnehmerfeld ganz weit vorne fahren<br />

könnte.<br />

Eckenga live<br />

Du bist Deutschland?<br />

Ich bin Einkaufen<br />

10. Feb., Witten, Werkstatt<br />

1. März, Bottrop,<br />

Joseph Albers Gymnasium<br />

weitere Live-Auftritte<br />

fi nden Sie in unserem<br />

Terminkalender ab Seite 26.<br />

4 www.eckenga.de

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