Februar
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unsymp:<br />
Als die Bahn aus dem Gleis geriet<br />
Weniger Mehdorn wäre Mehrwert<br />
Mehdorn? Hartmut Mehdorn, ja? Sicher, kennt jeder,<br />
ist aber lange tot. Richtig: Das war dieser Mensch, der<br />
Anfang des Jahrtausends den öffentlichen Schienenverkehr<br />
zur Strecke brachte. Der Anfang vom Ende war<br />
das, wir erinnern uns gut – aber nicht gern. Mehdorn<br />
bedeutete das Ende des klimafreundlichen Verkehrs in<br />
Europa, und wir ließen ihn machen. Noch heute steht<br />
„Mehdornen“ für das Torpedieren guter Ideen gegen<br />
jede Vernunft. „Mensch, mehdorn´ hier nicht rum“,<br />
heißt es, wenn einer mal wieder meint, das Ruder<br />
für seine eigenen Interessen herumreißen zu müssen.<br />
Wenn sie ruft „Du bist mein Mehdorn!“ ist damit der<br />
quälende Stachel im Fleisch einer eigentlich guten Beziehung<br />
gemeint. Mehdorn ist das Symbol des genervten<br />
Gegenwillens geworden. Mehdorn, das ist wider<br />
die Mehrheit und für die Merkwürdigkeit.<br />
Mehdorn. Was ein Typ. Während der Blick in den Dauerregen<br />
fällt – falls man überhaupt etwas sieht – wird<br />
eine unwirkliche Masse Mensch aus Macht, Monstranz<br />
und Scheinmoral sichtbar. Mehdorn war als profi lsüchtiger<br />
Flugzeugmanager mit seiner Mannschaft 1999<br />
bei der Deutschen Bahn AG eingestiegen. Das Ziel der<br />
Flugzeugbauer, die von MBB, Airbus und der Deutschen<br />
Aerospace geschickt worden waren: Die Vernichtung<br />
des schienengebundenen Verkehrs zugunsten von<br />
Billigfl iegern und Spritfressern. Auch für einen gestandenen<br />
Luftwaffen-Hauptmann, Verdienstkreuzträger,<br />
Ehrenlegionär und Ehrendoktor keine leichte Aufgabe.<br />
Doch das gemütliche Speisen in eigens dafür eingerichteten<br />
Wagen (Speisewagen), das Überall-Hinkommenzum-geringen-Preis<br />
(Interregio) und ein einfacher Fahrkartenkauf<br />
(Schalter) sollten schon bald der Vergangenheit<br />
angehören.<br />
impressum:<br />
Stadtblatt:<br />
Alsenstr. 55, 44789 Bochum<br />
www.stadtblatt-ruhr.de, info@stadtblatt-ruhr.de<br />
Verlag: Im Selbstverlag, Druckaufl age: 50.000<br />
Verbreitung: kostenlos im Großraum Ruhrgebiet<br />
Herausgeberin & Chefredakteurin: Barbara Underberg (bu)<br />
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Redaktion: Ralf Bindel (rb), Frauke Pilarek (fp), Georg Schulze (gs),<br />
Ina vom Endt (ive),<br />
Freie Mitarbeit: Anita Horn (ah), Volker K. Belghaus (vkb)<br />
Kolumne: Fritz Eckenga, www.eckenga.de<br />
Karikaturen: Michael Hüter, Bochum<br />
Fotos Joy Delanane: Philipp Wente,<br />
www.philippwente.com<br />
30 stadtblatt: 1 l 2007 <strong>Februar</strong>-März<br />
Wie alle unangenehmen Erinnerungen auch, denn<br />
Mehdorn wollte auch keine Ausstellung zum Schicksal<br />
von 11000 jüdischen Kindern, die während des zweiten<br />
Weltkriegs mit Hilfe der Deutschen Reichsbahn in<br />
das Vernichtungslager Auschwitz deportiert worden<br />
waren – das war ihm dann doch zu tödlich, obwohl<br />
es sein Vorhaben vielleicht sogar beschleunigt hätte.<br />
Nachdem Mehdorn anfänglich noch von einigem Widerstand<br />
gebremst worden war (Preissystem), konnte<br />
er in den ersten zehn Jahren des Jahrtausends doch<br />
der Bahn den Todesstoß versetzen. Börsengang, war<br />
sein Zauberwort, Privatisierung sein Mantra. Damals<br />
gab es die Börse noch, eine Art Wettsystem für Vermögensverwaltungen<br />
und Glücksgläubige. Und das<br />
umweltfreundliche Verkehrssystem aus Schienen und<br />
Bahnfahrzeugen gehörte seinerzeit auch nicht Mehdorn<br />
selbst, sondern einer Art Vermögensverwaltung,<br />
dem so genannten Staat, der Steuern von Tagelöhnern<br />
einnahm und sie jahrzehntelang in „öffentliche“ Infrastruktur<br />
gesteckt hatte.<br />
Dem zähen Mehdorn gelang, was vorher keiner geschafft<br />
hatte: Ein Gesetz zur Privatisierung wurde erlassen,<br />
die Bahn AG für den Bruchteil ihres Wertes an<br />
wenige Vermögende verkauft. Innerhalb weniger Jahre<br />
wurden die Preise erhöht und nur noch teure Schnellverbindungen<br />
zwischen Metropolen angeboten. So,<br />
wie es die Flugzeugbauer aus dem Luftfahrtwesen<br />
kannten. Warentransporte wurden ganz auf damals<br />
noch häufi g verkehrende Lkw verschoben. Hinzu kam<br />
eine Mischung aus Verspätungen, Missmanagement,<br />
Mängelservice, Personalmangel und Bausünden, das<br />
der bis dahin funktionierenden Bahn den Rest gab. Andere<br />
europäische Bahnen wurden hineingezogen, weil<br />
Layout: Peter Liffers, Agentur für Unternehmenskommunikation,<br />
Essen, www.liffers.de<br />
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Bahnchef Mehdorn weitere Bundesgenossen von Börsengängen<br />
überzeugt und eingekauft hatte. Die Folge:<br />
Das Netz verlor immer mehr Stränge, bis es schließlich<br />
bis auf ein paar unbeugsame Schweizer Bergbahnen<br />
ganz verschwand. Schließlich hatte der Staat schon<br />
lange kein Geld mehr, um das Netz zusammenzuhalten<br />
und neben dem Interesse außerdem die Verfügungsgewalt<br />
darüber verloren.<br />
Mehdorn und seine Manager waren im Glück. Allerdings<br />
zeigte sich, dass der zunehmende Luft- und Straßenverkehr<br />
das Klima doch stärker belastete als angenommen.<br />
Als Aufsichtsrat beim Energiekonzern RWE<br />
hatte Mehdorn mit seinem Freund Müller gleich noch<br />
die Verbrennung der Braunkohle gefördert. Erwärmung<br />
und Extremwetter nahmen zu, bis nach einigen Jahren<br />
dieser elende Dauerregen einsetzte, der bis heute nicht<br />
endet und alles in Schlamm, Schmutz und Schimmel<br />
versinken lässt. In dieser feindlichen Atmosphäre ist an<br />
„Verkehr“ gar nicht mehr zu denken. Die Menschen<br />
wandern unterirdisch durch Rohre, den meisten fehlt<br />
das Geld, um sich einen der streng bewachten Batterieroller<br />
zu leihen. Mehdorn hatte damals die „Börsenbahn“<br />
gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung<br />
durchgesetzt, Staatsverwalter ihm geholfen – die Bürger<br />
ihre Bahn aufgegeben, obwohl es Modelle für eine<br />
konstruktive Modernisierung nach Schweizer Vorbild<br />
gab. Schade, dass sie nicht selbst erleben, was sie uns<br />
eingebrockt haben. Verfl uchter Regen.<br />
Humanoid-Nr. X890B234N90, Ruhrarena 51018c421,<br />
<strong>Februar</strong> 2053 (rb) n<br />
Im April haben wir wieder einen interessanten<br />
Interviewpartner. Seien Sie<br />
gespannt!<br />
Das nächste Heft erscheint am<br />
11. April 2007<br />
Druckunterlagenschluss:<br />
16. März<br />
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