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unsymp:<br />

Als die Bahn aus dem Gleis geriet<br />

Weniger Mehdorn wäre Mehrwert<br />

Mehdorn? Hartmut Mehdorn, ja? Sicher, kennt jeder,<br />

ist aber lange tot. Richtig: Das war dieser Mensch, der<br />

Anfang des Jahrtausends den öffentlichen Schienenverkehr<br />

zur Strecke brachte. Der Anfang vom Ende war<br />

das, wir erinnern uns gut – aber nicht gern. Mehdorn<br />

bedeutete das Ende des klimafreundlichen Verkehrs in<br />

Europa, und wir ließen ihn machen. Noch heute steht<br />

„Mehdornen“ für das Torpedieren guter Ideen gegen<br />

jede Vernunft. „Mensch, mehdorn´ hier nicht rum“,<br />

heißt es, wenn einer mal wieder meint, das Ruder<br />

für seine eigenen Interessen herumreißen zu müssen.<br />

Wenn sie ruft „Du bist mein Mehdorn!“ ist damit der<br />

quälende Stachel im Fleisch einer eigentlich guten Beziehung<br />

gemeint. Mehdorn ist das Symbol des genervten<br />

Gegenwillens geworden. Mehdorn, das ist wider<br />

die Mehrheit und für die Merkwürdigkeit.<br />

Mehdorn. Was ein Typ. Während der Blick in den Dauerregen<br />

fällt – falls man überhaupt etwas sieht – wird<br />

eine unwirkliche Masse Mensch aus Macht, Monstranz<br />

und Scheinmoral sichtbar. Mehdorn war als profi lsüchtiger<br />

Flugzeugmanager mit seiner Mannschaft 1999<br />

bei der Deutschen Bahn AG eingestiegen. Das Ziel der<br />

Flugzeugbauer, die von MBB, Airbus und der Deutschen<br />

Aerospace geschickt worden waren: Die Vernichtung<br />

des schienengebundenen Verkehrs zugunsten von<br />

Billigfl iegern und Spritfressern. Auch für einen gestandenen<br />

Luftwaffen-Hauptmann, Verdienstkreuzträger,<br />

Ehrenlegionär und Ehrendoktor keine leichte Aufgabe.<br />

Doch das gemütliche Speisen in eigens dafür eingerichteten<br />

Wagen (Speisewagen), das Überall-Hinkommenzum-geringen-Preis<br />

(Interregio) und ein einfacher Fahrkartenkauf<br />

(Schalter) sollten schon bald der Vergangenheit<br />

angehören.<br />

impressum:<br />

Stadtblatt:<br />

Alsenstr. 55, 44789 Bochum<br />

www.stadtblatt-ruhr.de, info@stadtblatt-ruhr.de<br />

Verlag: Im Selbstverlag, Druckaufl age: 50.000<br />

Verbreitung: kostenlos im Großraum Ruhrgebiet<br />

Herausgeberin & Chefredakteurin: Barbara Underberg (bu)<br />

Tel. 0234.950 9401 Fax 0234.577 0747<br />

redaktion@stadtblatt-ruhr.de<br />

Anzeigenvertrieb: Markus Schumann,<br />

Tel. 0234.388 8942 ms@stadtblatt-ruhr.de<br />

Redaktion: Ralf Bindel (rb), Frauke Pilarek (fp), Georg Schulze (gs),<br />

Ina vom Endt (ive),<br />

Freie Mitarbeit: Anita Horn (ah), Volker K. Belghaus (vkb)<br />

Kolumne: Fritz Eckenga, www.eckenga.de<br />

Karikaturen: Michael Hüter, Bochum<br />

Fotos Joy Delanane: Philipp Wente,<br />

www.philippwente.com<br />

30 stadtblatt: 1 l 2007 <strong>Februar</strong>-März<br />

Wie alle unangenehmen Erinnerungen auch, denn<br />

Mehdorn wollte auch keine Ausstellung zum Schicksal<br />

von 11000 jüdischen Kindern, die während des zweiten<br />

Weltkriegs mit Hilfe der Deutschen Reichsbahn in<br />

das Vernichtungslager Auschwitz deportiert worden<br />

waren – das war ihm dann doch zu tödlich, obwohl<br />

es sein Vorhaben vielleicht sogar beschleunigt hätte.<br />

Nachdem Mehdorn anfänglich noch von einigem Widerstand<br />

gebremst worden war (Preissystem), konnte<br />

er in den ersten zehn Jahren des Jahrtausends doch<br />

der Bahn den Todesstoß versetzen. Börsengang, war<br />

sein Zauberwort, Privatisierung sein Mantra. Damals<br />

gab es die Börse noch, eine Art Wettsystem für Vermögensverwaltungen<br />

und Glücksgläubige. Und das<br />

umweltfreundliche Verkehrssystem aus Schienen und<br />

Bahnfahrzeugen gehörte seinerzeit auch nicht Mehdorn<br />

selbst, sondern einer Art Vermögensverwaltung,<br />

dem so genannten Staat, der Steuern von Tagelöhnern<br />

einnahm und sie jahrzehntelang in „öffentliche“ Infrastruktur<br />

gesteckt hatte.<br />

Dem zähen Mehdorn gelang, was vorher keiner geschafft<br />

hatte: Ein Gesetz zur Privatisierung wurde erlassen,<br />

die Bahn AG für den Bruchteil ihres Wertes an<br />

wenige Vermögende verkauft. Innerhalb weniger Jahre<br />

wurden die Preise erhöht und nur noch teure Schnellverbindungen<br />

zwischen Metropolen angeboten. So,<br />

wie es die Flugzeugbauer aus dem Luftfahrtwesen<br />

kannten. Warentransporte wurden ganz auf damals<br />

noch häufi g verkehrende Lkw verschoben. Hinzu kam<br />

eine Mischung aus Verspätungen, Missmanagement,<br />

Mängelservice, Personalmangel und Bausünden, das<br />

der bis dahin funktionierenden Bahn den Rest gab. Andere<br />

europäische Bahnen wurden hineingezogen, weil<br />

Layout: Peter Liffers, Agentur für Unternehmenskommunikation,<br />

Essen, www.liffers.de<br />

Druck: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG, Geldern,<br />

www.schaffrath.de<br />

Papier: gedruckt auf 100 % Recycling-Papier Charisma Silk<br />

von Steinbeis Temming Papier GmbH & Co., Glückstadt,<br />

www.stp.de<br />

Kleinanzeigen: kleinanzeigen@stadtblatt-ruhr.de und unter<br />

www.stadtblatt-ruhr.de<br />

Abonnement: 5 Ausgaben (ein Jahr) 15 Euro, per E-Mail an:<br />

abo@stadtblatt-ruhr.de<br />

Leserbriefe: leserbriefe@stadtblatt-ruhr.de.<br />

Bei Abdruck Kürzungen vorbehalten.<br />

Bankverbindung: GLS Gemeinschaftsbank eG,<br />

BLZ 430 609 67, Konto 400 629 5100<br />

Bahnchef Mehdorn weitere Bundesgenossen von Börsengängen<br />

überzeugt und eingekauft hatte. Die Folge:<br />

Das Netz verlor immer mehr Stränge, bis es schließlich<br />

bis auf ein paar unbeugsame Schweizer Bergbahnen<br />

ganz verschwand. Schließlich hatte der Staat schon<br />

lange kein Geld mehr, um das Netz zusammenzuhalten<br />

und neben dem Interesse außerdem die Verfügungsgewalt<br />

darüber verloren.<br />

Mehdorn und seine Manager waren im Glück. Allerdings<br />

zeigte sich, dass der zunehmende Luft- und Straßenverkehr<br />

das Klima doch stärker belastete als angenommen.<br />

Als Aufsichtsrat beim Energiekonzern RWE<br />

hatte Mehdorn mit seinem Freund Müller gleich noch<br />

die Verbrennung der Braunkohle gefördert. Erwärmung<br />

und Extremwetter nahmen zu, bis nach einigen Jahren<br />

dieser elende Dauerregen einsetzte, der bis heute nicht<br />

endet und alles in Schlamm, Schmutz und Schimmel<br />

versinken lässt. In dieser feindlichen Atmosphäre ist an<br />

„Verkehr“ gar nicht mehr zu denken. Die Menschen<br />

wandern unterirdisch durch Rohre, den meisten fehlt<br />

das Geld, um sich einen der streng bewachten Batterieroller<br />

zu leihen. Mehdorn hatte damals die „Börsenbahn“<br />

gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung<br />

durchgesetzt, Staatsverwalter ihm geholfen – die Bürger<br />

ihre Bahn aufgegeben, obwohl es Modelle für eine<br />

konstruktive Modernisierung nach Schweizer Vorbild<br />

gab. Schade, dass sie nicht selbst erleben, was sie uns<br />

eingebrockt haben. Verfl uchter Regen.<br />

Humanoid-Nr. X890B234N90, Ruhrarena 51018c421,<br />

<strong>Februar</strong> 2053 (rb) n<br />

Im April haben wir wieder einen interessanten<br />

Interviewpartner. Seien Sie<br />

gespannt!<br />

Das nächste Heft erscheint am<br />

11. April 2007<br />

Druckunterlagenschluss:<br />

16. März<br />

Infos über das Stadtblatt und Mediadaten unter<br />

4 www.stadtblatt-ruhr.de

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