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Schüler aufgebaut wird: „Oft haben sie zu Beginn<br />

das Gefühl, ihre Mitschüler zu verpfeifen oder zu<br />

bespitzeln - und es ist schwer aus ihren Köpfen herauszukriegen,<br />

dass nicht sie die Buhmänner sind,<br />

sondern die Schüler, die sich gewalttätig verhalten“,<br />

erklärt Wolfgang Thomas. Hier gilt es, über Aufklärungsarbeit<br />

das Bewusstsein der Schüler für Recht<br />

und Unrecht zu schärfen und der Gewalt durch<br />

einen Prozess des Umdenkens langfristig entgegen<br />

zu wirken. Gewalt beginnt nämlich nicht erst da,<br />

wo Kinder „ausrasten“ und brutal zuschlagen oder<br />

töten – da also, wo Gewalt eskaliert. Gewalt beginnt<br />

im „Kleinen“ und laut polizeilicher Defi nition folgerichtig<br />

da, wo „eine Person an Körper oder Seele<br />

verletzt bzw. eine Sache beschädigt wird“. Ein Kind<br />

verhält sich deshalb bereits in dem Moment gewalttätig,<br />

wo es andere Kinder beleidigt, bedroht, erpresst<br />

oder wenn es „nur“ im Bus an den Sitzen<br />

„herumschnitzt“.<br />

Grenzen setzen, Strukturen schaffen<br />

Und genau an diesem Punkt setzen Gewaltpräventionsprogramme<br />

wie die Busbegleiterausbildung<br />

sinnvoller Weise an: Ziel ist es auf der einen Seite,<br />

den Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, dass<br />

sie bereits ein Opfer von Gewalt sind, wenn sie beleidigt<br />

oder bedroht werden - ein Verhalten, was<br />

die Täter in eigenem Interesse gern verharmlosen.<br />

Und es gilt, diesen Kindern so viel Selbstvertrauen<br />

und Zivilcourage zu vermitteln, dass sie sich dagegen<br />

zur Wehr setzen und bei Bedarf aktiv Hilfe<br />

holen - und nicht erst dann, wenn es „zu spät“<br />

ist und sie geschlagen oder beraubt worden sind.<br />

Auf der anderen Seite ist es dringend notwendig,<br />

den Tätern rechtzeitig klare Grenzen zu setzen und<br />

Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen, ihre<br />

Taten von offi zieller Seite öffentlich zu machen und<br />

zu bestrafen. Denn auf diese Weise lernen sie, dass<br />

selbst minimal gewalttätiges Verhalten nicht ohne<br />

negative Konsequenzen bleibt und werden dazu<br />

herausgefordert, sich zukünftig frühzeitig mit friedlicheren<br />

Möglichkeiten der Konfl iktbewältigung<br />

auseinanderzusetzen.<br />

Es mag sein, dass die Busbegleiter-Ausbildung als<br />

Gewaltpräventionsprogramm, vordergründig betrachtet,<br />

wenig „spektakulär“ erscheint. Als Medienkonsument<br />

hat man sich ja inzwischen an die<br />

eindrucksvollen Bilder gewöhnt, die beispielsweise<br />

das bekannte Anti-Aggressivitäts-Training (AAT)<br />

von Prof. Jens Weidner illustrieren, das als Behandlungsmaßnahme<br />

für Mehrfachauffällige sogar bei<br />

Serienmördern eingesetzt wird. Auf dem so genannten<br />

„heißen Stuhl“ werden hier die meist zur<br />

Brutalität neigenden Straftäter von mehreren Anti-<br />

Aggressivitäts-Trainern, Mitgefangenen und Psy-<br />

chologen bewusst provoziert<br />

und mit ihren Tatverharmlosungen,Rechtfertigungen,<br />

den Folgen<br />

ihrer Tat und ihren Schwächen<br />

konfrontiert. Sie sollen<br />

auf diese Weise lernen,<br />

mit Provokationen<br />

umzugehen und ruhiger<br />

und überlegter darauf zu<br />

reagieren.<br />

Schwerverbrecher<br />

verhindern<br />

Bei Präventionsprogrammen<br />

wie der Busbegleiter-<br />

Ausbildung geht es nicht<br />

um diese schwere Art von<br />

Straftätern. Es geht vielmehr<br />

darum zu verhindern,<br />

dass sich grundsätzlich<br />

gewaltbereite Kinder<br />

und Jugendliche in Zukunft<br />

zu „Schwerverbrechern“<br />

entwickeln. Und<br />

auch, wenn neben dem<br />

Interesse der Lehrer und<br />

Pädagogen an den Kindern berechtigterweise die<br />

Sachschadenreduzierung als rein fi nanzieller Aspekt<br />

aus Sicht der DVG eine Rolle spielt, so handelt<br />

es sich hier dennoch um ein langfristig erfolgreiches<br />

Programm, das sich in der Vergangenheit nicht nur<br />

in Duisburg, sondern darüber hinaus in Städten wie<br />

Gelsenkirchen, Bochum und Essen aufgrund der<br />

deutlich sinkenden Straftaten in den betreffenden<br />

Buslinien bewährt hat.<br />

Dass man die zunehmende Gewaltbereitschaft von<br />

Kindern und Jugendlichen nicht allein auf den steigenden<br />

Medienkonsum oder „Killerspiele“ zurückführen<br />

kann, liegt auf der Hand. Faktoren wie familiäre<br />

Erziehungsbedingungen, Gruppeneinfl üsse,<br />

Wohn- und Lebensbedingungen, gesellschaftliche<br />

und persönliche Faktoren spielen hier eine entscheidende<br />

Rolle. Es bedarf daher weniger eines<br />

weiteren Verbotes von „Killerspielen“, denn einer<br />

gesamtgesellschaftlichen Anstrengung, um dieses<br />

Problem an der Wurzel aktiv anzugehen. Kinder<br />

und Jugendliche an die Hand nehmen, ihnen zuhören,<br />

ihre Probleme verstehen und Lösungen anbieten<br />

- von einer vermeintlich emanzipierten und kultivierten<br />

Gesellschaft ist das ist im Grunde nicht zuviel<br />

verlangt: „Kinder wollen eigentlich friedlich miteinander<br />

leben, wissen aber nicht, wie das geht“,<br />

bekräftigt Klaus Wendorff, der die 1. Pfarrstelle Gewaltprävention<br />

der evangelischen Kirche im Rhein-<br />

land bekleidet und auf der Basis seiner langjährigen<br />

Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sein eigenes<br />

erfolgreiches Training entwickelt hat.<br />

Weichenstellungen<br />

Bei seinem Konzept der Gruppenstreitschlichtung<br />

steht nicht das „Reden über Gewalt“ im Mittelpunkt,<br />

sondern der in einer Schulklasse oder anderen<br />

Gruppe konkret bestehende Konfl ikt, der mit<br />

Hilfe von gruppendynamischen Prozessen bearbeitet<br />

wird: „Mein Training hat die Funktion einer Weichenstellung.<br />

Die Klasse ‚biegt ab’ und hat sodann<br />

die Möglichkeit, selbständig den Prozess der Veränderung<br />

weiterzuführen.“<br />

Die Nachfrage nach Gewaltprävention ist von Seiten<br />

der Schulen - ob Hauptschulen, Gymnasien, Förderschulen<br />

etc. - so hoch, dass sowohl Wolfgang Thomas<br />

als auch Klaus Wendorff bis 2008 ausgebucht sind.<br />

Nichtsdestotrotz verfügt jede Stadt über ein breites<br />

Netz an Angeboten: Wer sich für konkrete Gewaltpräventionsprogramme<br />

und –trainings interessiert, kann<br />

sich an die örtlichen Polizeidienststellen und Jugendämter<br />

wenden. Dort erhält man eine Übersicht über<br />

aktuelle Angebote und Ansprechpartner. (fp) n<br />

4 www.gewaltakademie.de<br />

4 www.polizei-beratung.de<br />

4 www.prof-jens-weidner.de<br />

stadtblatt: 1 l 2007 <strong>Februar</strong>-März 21

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