Februar
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Schüler aufgebaut wird: „Oft haben sie zu Beginn<br />
das Gefühl, ihre Mitschüler zu verpfeifen oder zu<br />
bespitzeln - und es ist schwer aus ihren Köpfen herauszukriegen,<br />
dass nicht sie die Buhmänner sind,<br />
sondern die Schüler, die sich gewalttätig verhalten“,<br />
erklärt Wolfgang Thomas. Hier gilt es, über Aufklärungsarbeit<br />
das Bewusstsein der Schüler für Recht<br />
und Unrecht zu schärfen und der Gewalt durch<br />
einen Prozess des Umdenkens langfristig entgegen<br />
zu wirken. Gewalt beginnt nämlich nicht erst da,<br />
wo Kinder „ausrasten“ und brutal zuschlagen oder<br />
töten – da also, wo Gewalt eskaliert. Gewalt beginnt<br />
im „Kleinen“ und laut polizeilicher Defi nition folgerichtig<br />
da, wo „eine Person an Körper oder Seele<br />
verletzt bzw. eine Sache beschädigt wird“. Ein Kind<br />
verhält sich deshalb bereits in dem Moment gewalttätig,<br />
wo es andere Kinder beleidigt, bedroht, erpresst<br />
oder wenn es „nur“ im Bus an den Sitzen<br />
„herumschnitzt“.<br />
Grenzen setzen, Strukturen schaffen<br />
Und genau an diesem Punkt setzen Gewaltpräventionsprogramme<br />
wie die Busbegleiterausbildung<br />
sinnvoller Weise an: Ziel ist es auf der einen Seite,<br />
den Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, dass<br />
sie bereits ein Opfer von Gewalt sind, wenn sie beleidigt<br />
oder bedroht werden - ein Verhalten, was<br />
die Täter in eigenem Interesse gern verharmlosen.<br />
Und es gilt, diesen Kindern so viel Selbstvertrauen<br />
und Zivilcourage zu vermitteln, dass sie sich dagegen<br />
zur Wehr setzen und bei Bedarf aktiv Hilfe<br />
holen - und nicht erst dann, wenn es „zu spät“<br />
ist und sie geschlagen oder beraubt worden sind.<br />
Auf der anderen Seite ist es dringend notwendig,<br />
den Tätern rechtzeitig klare Grenzen zu setzen und<br />
Strukturen zu schaffen, die es ermöglichen, ihre<br />
Taten von offi zieller Seite öffentlich zu machen und<br />
zu bestrafen. Denn auf diese Weise lernen sie, dass<br />
selbst minimal gewalttätiges Verhalten nicht ohne<br />
negative Konsequenzen bleibt und werden dazu<br />
herausgefordert, sich zukünftig frühzeitig mit friedlicheren<br />
Möglichkeiten der Konfl iktbewältigung<br />
auseinanderzusetzen.<br />
Es mag sein, dass die Busbegleiter-Ausbildung als<br />
Gewaltpräventionsprogramm, vordergründig betrachtet,<br />
wenig „spektakulär“ erscheint. Als Medienkonsument<br />
hat man sich ja inzwischen an die<br />
eindrucksvollen Bilder gewöhnt, die beispielsweise<br />
das bekannte Anti-Aggressivitäts-Training (AAT)<br />
von Prof. Jens Weidner illustrieren, das als Behandlungsmaßnahme<br />
für Mehrfachauffällige sogar bei<br />
Serienmördern eingesetzt wird. Auf dem so genannten<br />
„heißen Stuhl“ werden hier die meist zur<br />
Brutalität neigenden Straftäter von mehreren Anti-<br />
Aggressivitäts-Trainern, Mitgefangenen und Psy-<br />
chologen bewusst provoziert<br />
und mit ihren Tatverharmlosungen,Rechtfertigungen,<br />
den Folgen<br />
ihrer Tat und ihren Schwächen<br />
konfrontiert. Sie sollen<br />
auf diese Weise lernen,<br />
mit Provokationen<br />
umzugehen und ruhiger<br />
und überlegter darauf zu<br />
reagieren.<br />
Schwerverbrecher<br />
verhindern<br />
Bei Präventionsprogrammen<br />
wie der Busbegleiter-<br />
Ausbildung geht es nicht<br />
um diese schwere Art von<br />
Straftätern. Es geht vielmehr<br />
darum zu verhindern,<br />
dass sich grundsätzlich<br />
gewaltbereite Kinder<br />
und Jugendliche in Zukunft<br />
zu „Schwerverbrechern“<br />
entwickeln. Und<br />
auch, wenn neben dem<br />
Interesse der Lehrer und<br />
Pädagogen an den Kindern berechtigterweise die<br />
Sachschadenreduzierung als rein fi nanzieller Aspekt<br />
aus Sicht der DVG eine Rolle spielt, so handelt<br />
es sich hier dennoch um ein langfristig erfolgreiches<br />
Programm, das sich in der Vergangenheit nicht nur<br />
in Duisburg, sondern darüber hinaus in Städten wie<br />
Gelsenkirchen, Bochum und Essen aufgrund der<br />
deutlich sinkenden Straftaten in den betreffenden<br />
Buslinien bewährt hat.<br />
Dass man die zunehmende Gewaltbereitschaft von<br />
Kindern und Jugendlichen nicht allein auf den steigenden<br />
Medienkonsum oder „Killerspiele“ zurückführen<br />
kann, liegt auf der Hand. Faktoren wie familiäre<br />
Erziehungsbedingungen, Gruppeneinfl üsse,<br />
Wohn- und Lebensbedingungen, gesellschaftliche<br />
und persönliche Faktoren spielen hier eine entscheidende<br />
Rolle. Es bedarf daher weniger eines<br />
weiteren Verbotes von „Killerspielen“, denn einer<br />
gesamtgesellschaftlichen Anstrengung, um dieses<br />
Problem an der Wurzel aktiv anzugehen. Kinder<br />
und Jugendliche an die Hand nehmen, ihnen zuhören,<br />
ihre Probleme verstehen und Lösungen anbieten<br />
- von einer vermeintlich emanzipierten und kultivierten<br />
Gesellschaft ist das ist im Grunde nicht zuviel<br />
verlangt: „Kinder wollen eigentlich friedlich miteinander<br />
leben, wissen aber nicht, wie das geht“,<br />
bekräftigt Klaus Wendorff, der die 1. Pfarrstelle Gewaltprävention<br />
der evangelischen Kirche im Rhein-<br />
land bekleidet und auf der Basis seiner langjährigen<br />
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sein eigenes<br />
erfolgreiches Training entwickelt hat.<br />
Weichenstellungen<br />
Bei seinem Konzept der Gruppenstreitschlichtung<br />
steht nicht das „Reden über Gewalt“ im Mittelpunkt,<br />
sondern der in einer Schulklasse oder anderen<br />
Gruppe konkret bestehende Konfl ikt, der mit<br />
Hilfe von gruppendynamischen Prozessen bearbeitet<br />
wird: „Mein Training hat die Funktion einer Weichenstellung.<br />
Die Klasse ‚biegt ab’ und hat sodann<br />
die Möglichkeit, selbständig den Prozess der Veränderung<br />
weiterzuführen.“<br />
Die Nachfrage nach Gewaltprävention ist von Seiten<br />
der Schulen - ob Hauptschulen, Gymnasien, Förderschulen<br />
etc. - so hoch, dass sowohl Wolfgang Thomas<br />
als auch Klaus Wendorff bis 2008 ausgebucht sind.<br />
Nichtsdestotrotz verfügt jede Stadt über ein breites<br />
Netz an Angeboten: Wer sich für konkrete Gewaltpräventionsprogramme<br />
und –trainings interessiert, kann<br />
sich an die örtlichen Polizeidienststellen und Jugendämter<br />
wenden. Dort erhält man eine Übersicht über<br />
aktuelle Angebote und Ansprechpartner. (fp) n<br />
4 www.gewaltakademie.de<br />
4 www.polizei-beratung.de<br />
4 www.prof-jens-weidner.de<br />
stadtblatt: 1 l 2007 <strong>Februar</strong>-März 21