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Der neue Anwendungserlass zur Abgabenordnung ist veröffentlicht!

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AKTUELLES U SSTEUERRECHT<br />

U C<br />

AKTUELLES STEUERRECHT<br />

<strong>Der</strong> <strong>neue</strong> <strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong><br />

<strong>ist</strong> <strong>veröffentlicht</strong>!<br />

<strong>Der</strong> <strong>neue</strong> <strong>Anwendungserlass</strong> <strong>zur</strong> <strong>Abgabenordnung</strong> (AEAO) <strong>ist</strong> mit BMF-Schreiben vom 17. Januar 2012 <strong>veröffentlicht</strong><br />

worden und enthält eine Vielzahl von Änderungen, die insbesondere den Abschnitt „Steuerbegünstigte Körperschaften“<br />

betreffen. Nachdem der AEAO lange Zeit von der Finanzverwaltung nicht überarbeitet wurde, sind nunmehr<br />

die wesentlichen gesetzlichen Änderungen der letzten Jahre und einschlägige Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH)<br />

eingearbeitet worden. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen Änderungen und deren praktische<br />

Auswirkungen für steuerbegünstigte Körperschaften.<br />

STRUKTURELLER INLANDSBEZUG · WIRTSCHAFTLICHE HILFSBEDÜRFTIGKEIT · GEPRÄGETHEORIE · WERTSCHÖPFUNGSQUOTE ·<br />

SELBSTVERSORGUNGSZWECKBETRIEB<br />

Förderung steuerbegünstigter Zwecke im Ausland<br />

Für steuerbegünstigte Körperschaften, die ihre Zwecke (auch)<br />

im Ausland verwirklichen wollten, wurde mit dem Jahressteuergesetz<br />

2009 ein sogenannter struktureller Inlandsbezug<br />

in das Gesetz aufgenommen. Danach mussten entweder<br />

natür liche Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt<br />

im Inland gefördert werden oder das Engagement im<br />

Ausland dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland dienlich<br />

sein.<br />

In der Praxis hat man sich schwergetan, diesen Inlandsbezug<br />

mit Leben zu füllen. <strong>Der</strong> <strong>neue</strong> AEAO enthält nunmehr Hilfe stellungen<br />

zu dessen Auslegung. Mithin soll es – ohne besonderen<br />

Hinweis – bereits ausreichend sein, wenn sich die steuerbegünstigte<br />

Körperschaft personell, finanziell, planend, schöpferisch<br />

oder anderweitig an der Förderung gemein nütziger<br />

oder mildtätiger Zwecke im Ausland beteiligt (Indiz wirkung).<br />

Wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit im Rahmen der<br />

Mildtätigkeit<br />

Körperschaften fördern mildtätige Zwecke, wenn die Tätigkeit<br />

darauf gerichtet <strong>ist</strong>, Personen selbstlos zu unterstützen, die<br />

körperlich oder wirtschaftlich hilfsbedürftig sind. Bei der Prüfung<br />

der wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit kommt es neben<br />

dem Einkommen auch auf das vorhandene Vermögen der betreffenden<br />

Person an. In dem AEAO <strong>ist</strong> nunmehr die Regelung<br />

aufgenommen worden, dass ein Vermögen von mehr als<br />

15.500 € <strong>zur</strong> Verwendung des eigenen Unterhalts zugemutet<br />

werden kann, wobei Vermögensgegenstände, deren Veräußerung<br />

eine offensichtliche Verschleuderung bedeuten würde<br />

oder die einen besonderen ideellen Wert haben, nicht in Ansatz<br />

zu bringen sind. Gleichfalls unbeachtlich soll ein angemessenes<br />

Hausgrundstück i. S. v. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII<br />

bleiben.<br />

Eine in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führende<br />

Verschärfung wird mit dem weiteren Hinweis eingeführt, dass<br />

„eine Berechnung der maßgeblichen Einkünfte und Bezüge<br />

sowie eine Berechnung des Vermögens stets beizufügen sind.“<br />

Beispielsweise bei Sozialkaufhäusern oder sogenannten<br />

Mahlzeitendiensten (Essen auf Rädern, Tafeln) können derar-<br />

tige Nachweise von der Finanzverwaltung nicht ernsthaft verlangt<br />

werden. Insoweit bietet es sich an, den Kontakt mit dem<br />

jeweils örtlich zuständigen Finanzamt zu suchen und Erleichterungsregelungen<br />

abzustimmen.<br />

Vergütung für Vereins- bzw. Stiftungsvorstände<br />

Vor dem Hintergrund des sogenannten Begünstigungsverbotes<br />

des § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO <strong>ist</strong> es für einen steuerbegünstigten<br />

Verein schädlich, wenn der Vereinsvorstand ohne satzungsmäßige<br />

Grundlage eine Vergütung erhält. In dem <strong>neue</strong>n<br />

AEAO wird diese Sichtweise nunmehr auch auf Stiftungsvorstände<br />

erweitert. Für Stiftungen bedeutet dies in der Praxis,<br />

dass entsprechende Satzungsanpassungen umgesetzt werden<br />

sollten. Eine Übergangsregelung <strong>ist</strong> nicht vorgesehen. Zunächst<br />

sollte aber geprüft werden, ob tatsächlich eine „Vergütung“<br />

oder nicht doch vielmehr nur ein (steuerunschädlicher)<br />

„Auslagenersatz“ gewährt wird, für den keine Satzungsänderung<br />

erforderlich <strong>ist</strong>.<br />

Wegfall der sogenannten Geprägetheorie<br />

In der Praxis gab es in der Vergangenheit häufig Abgrenzungsschwierigkeiten<br />

im Zusammenhang mit der sogenannten<br />

Geprägetheorie. Nach Auffassung der Finanzverwaltung<br />

mussten steuerbegünstigte Körperschaften, die steuerpflichtige<br />

wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten haben, zwischen<br />

ihrer steuerbegünstigten und der wirtschaftlichen Tätigkeit<br />

gewichten . Soweit im Rahmen einer Gesamtbetrachtung die<br />

wirtschaftliche Tätigkeit der Körperschaft das „Gepräge“ gegeben<br />

hat, wurde die Steuerbegünstigung insgesamt nicht<br />

mehr anerkannt.<br />

Diese – bereits seit dem Urteil des BFH vom 4. April 2007 –<br />

dem Grunde nach veraltete Auffassung der Finanzverwaltung<br />

<strong>ist</strong> in dem <strong>neue</strong>n AEAO gestrichen worden. Künftig wird die<br />

Finanzverwaltung die Vereinbarkeit von (steuerpflichtigen)<br />

wirtschaftlichen Tätigkeiten mit dem steuerbegünstigten Status<br />

im Rahmen der sogenannten Ausschließlichkeit gemäß § 56<br />

AO und insoweit im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH<br />

prüfen. Zu beachten <strong>ist</strong> dabei, dass die Finanzverwaltung im<br />

Rahmen der Vereinbarkeitsprüfung auch die Sphäre der Vermögensverwaltung<br />

mit berücksichtigt.<br />

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Nach den <strong>neue</strong>n Bestimmungen im AEAO wird die Unterhaltung<br />

der Vermögensverwaltung und von (steuerpflichtigen)<br />

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben nur dann der Steuerbegünstigung<br />

der Körperschaft entgegenstehen, wenn sie in<br />

der Gesamtschau zum Selbstzweck wird und in diesem Sinne<br />

neben die Verfolgung des steuerbegünstigten Zwecks der<br />

Körperschaft tritt. Beide Sphären, also die des wirtschaft lichen<br />

Geschäftsbetriebs und der Vermögensverwaltung, sollen<br />

dem gemäß unschädlich sein, wenn sie z. B. der Beschaffung<br />

von Mitteln <strong>zur</strong> Erfüllung der steuerbegünstigten Aufgaben<br />

dienen.<br />

Auf dieser Grundlage wird es künftig im Bereich der Vermögensverwaltung<br />

und des steuerpflichtigen Geschäftsbetriebs<br />

keine gemeinnützigkeitsrechtlichen Bedenken mehr geben, soweit<br />

in diesen Sphären Gewinne erwirtschaftet werden. Führt<br />

jedoch die Mittelbeschaffungstätigkeit zu Verlusten, so kann<br />

dies weitere Prüfungen bedingen. Ob dabei auf jedes einzelne<br />

wirtschaftliche bzw. vermögensverwaltende Engagement<br />

oder vielmehr auf die Gesamteinnahmen abzustellen <strong>ist</strong>, bleibt<br />

offen. Da die Finanzverwaltung jedoch in der Vergangenheit<br />

für Zwecke des Verlustausgleichs bereits „nur“ auf den sogenannten<br />

einheitlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb abgestellt<br />

hat, wird wohl davon auszugehen sein, dass ein einzelner<br />

defizitärer Geschäftsbetrieb nicht schädlich für die<br />

Steuerbegünstigung <strong>ist</strong>. Dieses dürfte zumindest für wirtschaftliche<br />

Geschäftsbetriebe gelten, die bereits in der Vergangenheit<br />

defizitär waren.<br />

Quasi-Abschaffung des Selbstversorgungszweckbetriebs<br />

Die Finanzverwaltung hat in dem <strong>neue</strong>n AEAO die Rechtsprechung<br />

des BFH zu den sogenannten Selbstversorgungszweckbetrieben<br />

nach § 68 Nr. 2 Buchst. b) AO übernommen. Damit<br />

wird der in der Praxis durchaus extensiv genutzte Zweckbetrieb<br />

erheblich eingeschränkt und erfordert <strong>neue</strong> Gestaltungsüberlegungen.<br />

Künftig werden Le<strong>ist</strong>ungen von Selbstversorgungseinrichtungen<br />

an Außenstehende nur noch dann<br />

begünstigt, wenn diese nicht regelmäßig ausgelastet sind und<br />

deshalb gelegentlich auch Le<strong>ist</strong>ungen an Außenstehende erbracht<br />

werden. Soweit die Selbstversorgungseinrichtung jedoch<br />

über Jahre hinweg Le<strong>ist</strong>ungen an Außenstehende erbringt<br />

und hierfür auch entsprechend personell ausgestattet<br />

<strong>ist</strong>, soll keine Begünstigung mehr erfolgen. Fraglich <strong>ist</strong> in diesem<br />

Zusammenhang allerdings, ob die mit BMF-Schreiben<br />

vom 12. April 2011 <strong>veröffentlicht</strong>e Übergangsregelung, mit<br />

der die <strong>neue</strong> Sichtweise erst zum 1. Januar 2013 scharfgeschaltet<br />

werden sollte, weiterhin angewendet werden kann.<br />

Da in der <strong>neue</strong>n Bestimmung des AEAO zumindest im Rahmen<br />

eines Klammerzusatzes auf das BMF-Schreiben hingewiesen<br />

wird, sollte die Übergangsregelung weiterhin Gültigkeit haben.<br />

Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und<br />

Handelsbetriebe<br />

Aktuell planen nach unseren Informationen zahlreiche WfbM<br />

mit sogenannten Handelsbetrieben einen weiteren Arbeitsbereich<br />

für Menschen mit Behinderungen ein<strong>zur</strong>ichten. In den<br />

<strong>neue</strong>n Bestimmungen des AEAO wird nunmehr explizit darauf<br />

hingewiesen, dass es für die Steuerbegünstigung eines<br />

Handelsbetriebs als Arbeitsbereich einer WfbM entscheidend<br />

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AKTUELLES U SSTEUERRECHT<br />

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AKTUELLES STEUERRECHT<br />

auf die sozialrechtliche Anerkennung nach § 142 SGB IX<br />

ankommt . Kritisch <strong>ist</strong> an dieser Stelle anzumerken, dass sogenannte<br />

Läden oder Verkaufsstellen von WfbM (weiterhin) als<br />

wirtschaftliche Geschäftsbetriebe gelten, die <strong>neue</strong>n Regelungen<br />

aber keine Kriterien für eine Abgrenzung von Läden/<br />

Verkaufsstellen zu den o. g. Handelsbetrieben enthalten. Läden /<br />

Verkaufsstellen sind nach unserem Verständnis den Handelsbetrieben<br />

grundsätzlich gleichzustellen und nur dann als wirtschaftliche<br />

Geschäftsbetriebe zu werten, wenn diese nahezu<br />

ausschließlich von Menschen ohne Behinderungen geführt<br />

werden; diese Auffassung <strong>ist</strong> aber im Einzelfall mit der Finanzverwaltung<br />

abzustimmen.<br />

Ferner wurde das Erfordernis einer sogenannten Wertschöpfungsquote<br />

(10 % des Nettowerts zugekaufter Waren) für die<br />

Frage, ob zugekaufte Waren als selbst hergestellte Waren der<br />

WfbM gelten, aus den gemeinnützigkeitsrechtlichen Regelungen<br />

des AEAO herausgenommen, da entsprechende Regelungen<br />

bereits seit 2009 im Rahmen des Umsatzsteuergesetzes<br />

(§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) S. 3 UStG, AE 12.9 Abs. 12 S. 2)<br />

aufgenommen sind. Damit folgt das BMF offensichtlich unserer<br />

Eingabe. Wir haben im Juni 2011 ein entsprechendes Petitum<br />

im Auftrag der BAG:WfbM an die Finanzmin<strong>ist</strong>erien des Bundes<br />

und der Länder gerichtet.<br />

FAZIT<br />

Nach einer ersten Bestandsaufnahme sind die <strong>neue</strong>n Regelungen<br />

zum <strong>Anwendungserlass</strong> der <strong>Abgabenordnung</strong><br />

als Beitrag zu mehr Transparenz grundsätzlich zu begrüßen.<br />

Grundlegende Neuerungen sucht man allerdings<br />

vergeblich, da das BMF in der Regel „nur“ die entsprechende<br />

Rechtsprechung des BFH umgesetzt hat. Die Aufgabe<br />

der bisherigen Geprägetheorie <strong>ist</strong> sicherlich als<br />

Meilenstein zu bezeichnen. Hier dürften allerdings die<br />

Neuregelungen, wann wirtschaftliche Geschäftsbetriebe<br />

und Vermögensverwaltung als Selbstzweck dienen, erneut<br />

zu Abgrenzungsfragen führen und eine wünschenswerte<br />

bundeseinheitliche Anwendung seitens der Finanzbehörden<br />

weiterhin vermissen lassen. Andererseits werden in den<br />

Bestimmungen des AEAO (ohne Grund) <strong>neue</strong> Prüfungsanforderungen<br />

aufgenommen, die eine nicht unerhebliche<br />

Verschärfung mit sich bringen. Dies gilt insbesondere für<br />

die verschärften Nachweispflichten der wirtschaftlichen<br />

Hilfsbedürftigkeit im Rahmen der Förderung mildtätiger<br />

Zwecke. Erfreulich <strong>ist</strong>, dass die Finanzverwaltung mit der<br />

Abschaffung der Wertschöpfungsquote unserem Petitum<br />

gegenüber den Finanzmin<strong>ist</strong>erien des Bundes und der<br />

Länder gefolgt <strong>ist</strong>.<br />

Tilo Kurz<br />

Steuerberater<br />

Rechtsanwalt<br />

CURACON GmbH<br />

Tel. 0 61 51/2 78 91-20<br />

tilo.kurz@curacon.de<br />

Andreas Seeger<br />

Steuerberater<br />

CURACON GmbH<br />

Leiter Geschäftsbereich<br />

Steuerberatung<br />

Tel. 02 51/9 22 08-125<br />

andreas.seeger@curacon.de<br />

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