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Praxis - Trex

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praxis_pratique<br />

Aktuelle Entscheide – décisions actuelles<br />

STEUERRECHT<br />

DROIT FISCAL<br />

■ Rückgewähr aus Altersrentenversicherung<br />

im Todesfall<br />

Der Ansatz der für Leibrentenleistungen vorgesehenen<br />

Aufteilungsquote auch für die Rückgewährleistung<br />

erscheint als folgerichtig. Demnach<br />

unterliegen 40 Prozent des Rückgewährbetrages<br />

der Einkommenssteuer. Was die übrigen<br />

60 Prozent der Rückgewährsumme anbelangt,<br />

so handelt es sich nach der pauschalisierenden<br />

Sichtweise um Rückzahlung des als<br />

Einlage geleisteten und noch nicht aufgebrachten<br />

Kapitals. Kommen sie im Todesfalle zur<br />

Auszahlung, so sind sie im Sinne des Doppelbesteuerungsrechts<br />

der Erbschaft zuzuordnen,<br />

ungeachtet dessen, ob im Versicherungsvertrag<br />

eine Begünstigungsklausel enthalten war.<br />

Art. 16 Abs. 1, Art. 22–24, Art. 33 DBG, Art. 7,<br />

Art. 9 Abs. 2 StHG und Art. 127 BV<br />

(BGer., 23.6.05, StR 2005, S. 948)<br />

■ Restitution d’une rente vieillesse<br />

en cas de décès<br />

Le principe de répartition applicable aux rentes<br />

viagères semble également valable pour une<br />

prestation de restitution. Selon ce principe,<br />

40% du montant restitué est soumis à l’impôt<br />

sur le revenu. Pour ce qui est des 60% restant,<br />

il s’agit, selon une vision schématique, d’un<br />

remboursement du capital versé et non encore<br />

utilisé. Lorsque celui-ci est versé, lors d’un du<br />

point de vue du droit fiscal inter cantonal<br />

concernant la double imposition, il doit être<br />

attribué à l’héritage, même s’il y avait une clause<br />

de bénéficiaire dans le contrat d’assurance.<br />

Art. 16 al. 1, art. 22–24 LIFD, art. 7, art. 9 al. 2<br />

LHID et Art. 127 Cst<br />

(TF, 23.6.05, RF 2005, p. 948)<br />

■ Mitarbeiteraktien mit wählbarer Sperrfrist:<br />

Berufung auf eine behördliche Auskunft<br />

Besteuerung von unentgeltlich abgegebenen<br />

Mitarbeiteraktien mit freier Wahl des Empfängers,<br />

ob die Titel mit oder ohne Sperre versehen<br />

sind. Zulässigkeit eines Einschlags auf<br />

der Differenz zwischen Verkehrswert und Ausgabepreis<br />

der Aktien. Fragen offen gelassen,<br />

weil das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein<br />

so genanntes «ruling» des kantonalen Steueramts,<br />

womit die einschlägige bejahende Bestimmung<br />

des Mitarbeiteraktienplans (Entschädigungsreglements)<br />

der Arbeitgeberin vorgängig<br />

für rechtens erklärt worden war, zu<br />

schützen ist. Mithin ist nur der nach Massgabe<br />

der Länge der Sperrfrist diskontierte Wert der<br />

Einkommenssteuer unterworfen. Abweichende<br />

Minderheitsmeinung.<br />

Art. 17 Abs. 2 DBG, Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV<br />

(Steuer-Rekurskommission II Zürich, 4.4.05, StE 2005<br />

B 222 Nr. 19)<br />

■ Revenue d’une activité lucrative<br />

indépendante<br />

Effet d’une reprise fiscale opérée sur la valeur<br />

d’un actif dans le bilan de clôture d’un exercice<br />

comptable. Valeur réelle du stock de marchandises<br />

à la clôture des comptes en l’absence<br />

d’amortissement pour pertes de valeur alléguées.<br />

Prise en considération du risque de perte<br />

sur stock par une provision ayant pour effet<br />

de réduire la valeur comptable des marchandises.<br />

Art. 18 al. 1, art. 58 al. 1 LIFD, art. 958 CO, art.<br />

7 al. 1 et art. 10 al. 1 LHID et art. 19 al. 1 LICD<br />

(Tribunal administrative Fribourg, 8.7.05, StE 2006,<br />

B 23.43.2 Nr. 12)<br />

■ Umschulungskosten für Nachdiplomstudium<br />

zum Wirtschaftstechniker FH<br />

Obwohl der Pflichtige seine ursprüngliche<br />

Stelle als Bauführer wegen einer teilweisen<br />

Betriebsschliessung verloren hatte und mehrere<br />

Monate arbeitslos war, erscheinen die<br />

Kosten des berufsbegleitenden Nachdiplomstudiums<br />

zum Wirtschaftstechniker FH nicht<br />

als abziehbare Umschulungskosten. Der Begriff<br />

der Umschulung ist eng auszulegen, um<br />

eine Abgrenzung zum Begriff der Zweitausbildung<br />

zu ermöglichen. Als solche gilt eine<br />

Ausbildung, die neben einem bereits ausgeübten<br />

anderen Beruf im Hinblick auf einen späteren<br />

Berufswechsel absolviert wird. Der Pflichtige<br />

arbeitete aber bereits während des Kursbesuchs<br />

wieder als Bauleiter, wobei der Besuch<br />

des Nachdiplomstudiums nach Angaben<br />

des neuen Arbeitgebers entscheidend zur Anstellung<br />

beitrug. Jedoch liegen nach Auffassung<br />

des Bundesgerichts auch keine Weiterbildungskosten<br />

vor, handelt sich doch um eine<br />

eigentliche Ausbildung mit einen Eigenwert,<br />

der die Berufsaussichten deutlich verbessert.<br />

Die Ausbildung dient dem Erwerb von Zusatzkenntnissen,<br />

nicht nur der Vertiefung und<br />

Aktualisierung vorhandener Kenntnisse. Dies<br />

wird auch durch die Ausbildungsdauer von<br />

den Semestern belegt.<br />

Art. 26 Abs. 1 lit. d und Art. 34 lit. b DBG<br />

(BGer., 3.11.05, StE 2006 B 22.3 Nr. 85)<br />

■ Unterhaltskosten selbstgenutzter<br />

Liegenschaften: Grundgebühren für Strom,<br />

Wasser und Kehricht<br />

Bei selbstgenutzten Liegenschaften sind nur<br />

diejenigen Unterhaltskosten abziehbar, die mit<br />

dem steuerbaren Eigenmietwert in unmittelbarem<br />

Zusammenhang stehen. Das sind die Kosten,<br />

die der Eigentümer bei der Drittvermietung<br />

selber tragen muss, andere Kosten sind Lebenshaltungskosten.<br />

Bei den in casu zum Abzug<br />

gebrachten Grundgebühren handelt es<br />

sich um Aufwendungen, die zwar durchaus mit<br />

dem Besitz der Liegenschaft zusammenhängen,<br />

sie dienen aber nicht ganz unmittelbar der<br />

Schaffung, Erweitung oder Erhaltung einer<br />

Einkommensquelle, sondern stehen vielmehr<br />

in einem engen Zusammenhang mit dem Konsum<br />

von Gütern, deren Verwendung ganz oder<br />

teilweise verbrauchsabhängig in Rechnung<br />

gestellt wird. Im Interesse der Praktikabilität<br />

sind auch Gebühren, die getrennt als Grundund<br />

Mengengebühr in Rechnung gestellt werden,<br />

einheitlich zu qualifizieren. Soweit sind sie<br />

nicht vollumfänglich als Gewinnungskosten<br />

zuzuweisen. Dies ergibt sich u.a. auch daraus,<br />

dass diese Aufwendungen häufig auf die Mieter<br />

überwälzt werden.<br />

Art. 32 und Art. 34 lit. a und d DBG, Art. 1<br />

LKV/ESTV und §§ 28 und 39 StG LU<br />

(BGer., 15.7.05, StE 2006 B 25.6 Nr. 53)<br />

■ Verkauf von Zerobonds: Steuersatz<br />

Gehören zu den Einkünften Kapitalabfindungen<br />

für wiederkehrende Leistungen, wird<br />

die Einkommenssteuer nach § 36 StG/ZH<br />

unter Berücksichtigung der übrigen Einkünfte<br />

zu dem Satz berechnet, der sich ergäbe, wenn<br />

anstelle der einmaligen Leistung eine entsprechende<br />

jährliche Leistung ausgerichtet würde.<br />

Diese Bestimmung entspricht praktisch wörtlich<br />

Art. 11 Abs. 2 StHG, der seinerseits mit Art.<br />

37 DBG übereinstimmt. Im Interesse der vertikalen<br />

Steuerharmonisierung ist deshalb davon<br />

auszugehen, dass die kantonale Regelung dem<br />

Bundesrecht angeglichen ist. Zudem lässt<br />

auch der Wortlaut von Art. 11 Abs. 2 StHG keinen<br />

Freiraum offen. Daran ändert nichts, dass<br />

Art. 11 Abs. 2 StHG möglicherweise die Tarifautonomie<br />

der Kantone verletzt; es gilt das<br />

Anwendungsgebot.<br />

Das Bundesgericht hat mit Urteil vom<br />

5.10.2000 (= StE 2001, B 29.2 Nr. 7) entschieden,<br />

dass Kapitalabfindungen nur dann in den<br />

Genuss der nach Art. 37 DBG privilegierten<br />

Besteuerung kämen, wenn – dem Wesen der<br />

betreffenden Leistungen entsprechend –<br />

170 TREX Der Treuhandexperte 3/2006


praxis_pratique<br />

ordentlicherweise eine periodische Ausrichtung<br />

vorgesehen wäre. Bei einmaligen Zinsleistungen<br />

aus Zerobonds handelt es sich aber<br />

offensichtlich nicht um solche Leistungen, für<br />

die eine periodische Ausrichtung vorgesehen<br />

wäre, die ohne Zutun des Steuerpflichtigen<br />

unterblieben ist. Der Einmalzinsbetrag nimmt<br />

nicht den Platz ein von ursprünglich in einer<br />

anderen Form geschuldeten Leistung. Es kann<br />

deshalb nicht von einer «Abgeltung» gesprochen<br />

werden. Soweit der vereinnahmte Betrag<br />

eine Kapitalgewinnkomponente enthält, liegt<br />

ohnehin keine Abfindung für wiederkehrende<br />

Leistungen vor. Dagegen lässt sich nach Ansicht<br />

des Bundesgerichts nicht einwenden, die<br />

Besteuerung zum «Rentensatz» entspreche<br />

Sinn und Zweck der einschlägigen Bestimmungen<br />

besser.<br />

Art. 37 DBG, Art. 11 Abs. StHG und § 36 StG<br />

ZH<br />

(BGer., 20.9.05, StE 2006 A 23.1 Nr. 13)<br />

■ Anstiftung zur Steuerhinterziehung<br />

Hat eine Treuhandaktiengesellschaft einem<br />

Selbstständigerwerbenden zu bedenken gegeben,<br />

dass das steuerlich ausgewiesene Jahresergebnis<br />

mittels fiktiven Kinderlöhnen herabgesetzt<br />

werden kann, und setzt der Steuerpflichtige<br />

den Vorschlag in die Tag um, mit der<br />

Folge, dass seine Steuerveranlagung zu tief<br />

ausfällt, so hat die Treuhandgesellschaft (bzw.<br />

ihr Organ) diesen Erfolg zumindest in Kauf<br />

genommen; dabei ist ihr die Unrichtigkeit der<br />

Höhe der Lohnzahlungen bewusst gewesen. Ist<br />

der Kunde mit einer Hinterziehungsbusse<br />

belegt worden (Steuerhinterziehung als Haupttat),<br />

sind die Voraussetzungen der Anstiftung<br />

zur Steuerhinterziehung erfüllt (Art. 181 Abs. 2<br />

in Verbindung mit Art. 188 Abs. 1 DBG). Konkret<br />

liegt ein schwerer Fall vor, weil zum einen<br />

der Hinterziehungsbetrag bzw. die hinterzogene<br />

Summe gross ist und zum anderen der AG<br />

als einem Treuhand- und Beratungsunternehmen<br />

mit entsprechender Sachkunde eine<br />

erhöhte Verantwortung zukommt. Erschwerend<br />

wirkt sich aus, dass sie die Kinderlöhne nicht<br />

nur zu Unrecht verbucht, sondern den Kunden<br />

angehalten hat, entsprechende unwahre Belege<br />

anzufertigen und den Steuerbehörden vorzulegen.<br />

Art. 175, Art. 177 und Art. 181 Abs. 2 DBG<br />

(StE 2006, B 101.3 Nr. 8)<br />

■ Berichtigung<br />

Berichtigungsgründe können ihre Ursache<br />

auch in Software- bzw. Programmierungsfehlern<br />

haben, wenn diese Fehler Ursache<br />

einer fehlerhaften Taxation sind. In casu nahm<br />

das EDV-System der Steuerverwaltung aus<br />

TREX L’expert fiduciaire 3/2006 171


praxis_pratique<br />

nicht mehr nachvollziehbaren Gründen eine<br />

Steuerausscheidung vor, obwohl dafür keine<br />

Gründe gegeben waren und eine solche Ausscheidung<br />

von der Steuerverwaltung auch<br />

nicht beabsichtigt war.<br />

Im Rechtsmittelverfahren gegen eine Berichtigung<br />

kann nur überprüft werden, ob die Korrektur<br />

des Fehlers zulässig ist und bejahendenfalls,<br />

ob die Berichtigung richtig vorgenommen<br />

worden ist. Das Rechtsmittel gegen eine Berichtigung<br />

öffnet nicht den Weg zu einer vollumfänglichen<br />

Neuprüfung der Veranlagung.<br />

Art. 205 StG BE, Art. 150 DBG<br />

(Steuerrekurskommission Bern, 26.4.05, StE 2006,<br />

B 97.3 Nr. 7)<br />

■ Übergang WUST / MWST<br />

Ermessenseinschätzung / unvollständige<br />

Buchführungsunterlagen / baugewerblicher<br />

Eigenverbrauch<br />

Die Beschwerdeführerin, eine einfache Gesellschaft,<br />

bestehend aus einem Architekten und<br />

einem Liegenschaftsverwalter, wurde im Rahmen<br />

einer Immobilienüberbauung, die zwischen<br />

1987 und 1997 realisiert wurde, als Generalunternehmen<br />

für die Zeit vom 1. Januar<br />

1995 bis 30. Juni 1997 ins Register der Mehrwertsteuerpflichtigen<br />

eingetragen.<br />

Anlässlich einer Kontrolle (Art. 50 MWSTV),<br />

stellte die ESTV in den Steuerabrechnungen<br />

verschiedene Unregelmässigkeiten fest, welche<br />

durch Schätzung der Grundlagen, die<br />

dazu dienen, die geschuldete Steuer zu<br />

bestimmen, korrigiert wurden.<br />

Mangels einer detaillierten Übersicht über die<br />

am 31. Dezember 1994 angefangenen Arbeiten<br />

bestimmte die ESTV deren Wert, indem sie,<br />

ausgehend von einzelnen Kostenelementen<br />

gemäss Buchhaltung der Gesellschaft, direkt<br />

dem Grundstück zurechenbare Kosten abzog<br />

und bei den Selbstkosten einen Aufschlag entsprechend<br />

der festgestellten Marge bei den fertig<br />

gestellten Arbeiten berücksichtigte. Aufgrund<br />

der vom Treuhänder des Steuerpflichtigen<br />

erhaltenen Angaben überarbeitete die<br />

ESTV die verwendete Kalkulationsmethode,<br />

indem der Wert der per 31. Dezember 1994<br />

angefangenen Arbeiten neu einzig auf Basis<br />

der proportionalen Kosten geschätzt wurde.<br />

In ihrem Rekurs bestreitet die Steuerpflichtige<br />

die von der ESTV angewandte Kalkulationsmethode.<br />

Diese stimme nicht mit derjenigen<br />

überein, welche mit der ESTV vereinbart wurde.<br />

Die Steuerpflichtige beruft sich auf den<br />

Schutz des guten Glaubens und bringt vor, bei<br />

Berechnung der angefangenen Arbeiten per<br />

31. Dezember 1994 nach den dazumal bestehenden<br />

Weisungen der ESTV vorgegangen zu<br />

sein. Im Übrigen vertritt sie die Auffassung,<br />

dass die von der ESTV angewandte proportio-<br />

nale Methode dem vorliegenden Fall insofern<br />

nicht angepasst ist, als sie nur die fixen Kosten<br />

der Erstellung umfasst, ohne die variablen Kosten,<br />

die mit den Beiträgen von verschiedenen<br />

Dienstleistungserbringern auf der Baustelle<br />

(Architekten, Ingenieure usw.) verbunden sind,<br />

zu berücksichtigen.<br />

Begründung:<br />

Die Ermessenseinschätzung an sich bestreitet<br />

die Beschwerdeführerin nicht. In ihrem Rekurs<br />

beschränkt sie sich darauf, die von der ESTV<br />

verwendete Kalkulationsmethode zur Bestimmung<br />

des Wertes der per 31. Dezember 1994<br />

angefangenen Arbeiten zu bestreiten. Gleichermassen<br />

erkennt die SRK, dass die Voraussetzungen<br />

zur Ermessenseinschätzung im vorliegenden<br />

Fall bestanden, und überprüft in<br />

ihrem Entscheid nur die gewählte Kalkulationsmethode.<br />

Die SRK bestätigt, dass für Umsätze aus dem<br />

Baugewerbe eine Bestandesaufnahme per<br />

31.12.1994 gemacht werden musste. Oder,<br />

falls die Beschwerdeführerin solche Unterlagen<br />

nicht liefern konnte, sie die Nachteile aus<br />

einer Ermessenseinschätzung zu tragen hat.<br />

Die SRK erachtet die Schätzungsmethode der<br />

ESTV als geeignet und als den Verhältnissen im<br />

vorliegenden Fall perfekt angepasst.<br />

Die SRK erklärt es für zutreffend, dass die<br />

Beschwerdeführerin sich insoweit nicht auf<br />

den guten Glauben berufen kann, als sie nicht<br />

alle notwendigen Bedingungen erfüllt. Allfällige<br />

allgemeine Auskünfte, die zur Zeit des Übergangs<br />

von der WUST zur MWST auf der Basis<br />

von teilweise unvollständigen Sachverhalten<br />

gegeben wurden, sind nicht der ESTV anzulasten.<br />

Es lag offensichtlich bei der Beschwerdeführerin,<br />

sich zuerst über ihre gesetzlichen<br />

Pflichten zu informieren bzw. sich zu vergegenwärtigen,<br />

wie sie die begonnenen Arbeiten per<br />

31. Dezember 1994 zu belegen hatte. Die SRK<br />

weist darauf hin, dass die Rolle der ESTV nicht<br />

die eines Steuerberaters sein kann.<br />

Art. 8, Art. 47, Art. 48 und Art. 50 MWSTV<br />

(Eidg. Steuerrekurskommission SRK, 3.6.05<br />

[2004–018], im Internet publiziert, 22.9.2005)<br />

■ Passage IchA / TVA<br />

Taxation par voie d’estimation / documents<br />

comptables incomplets; Prestation à soimême<br />

dans le domaine de la construction<br />

La recourante, une société simple formée par<br />

un architecte et régisseur, a été inscrite au<br />

registre de l’AFC en qualité d’assujettie du 1 er<br />

janvier 1995 au 30 juin 1997 en raison de l’activité<br />

d’entreprise générale de construction<br />

exercée dans le cadre d’une opération immobilière<br />

réalisée entre 1987 et 1997.<br />

A l’occasion d’un contrôle (art. 50 OTVA), l’AFC<br />

constatant diverses irrégularités dans l’établissement<br />

des décomptes d’impôt, a rectifié par<br />

estimation les bases servant à la détermination<br />

de l’impôt dû. En l’absence d’un état de situation<br />

détaillé, l’AFC a, dans un premier temps,<br />

déterminé la valeur des travaux en cours au 31<br />

décembre 1994 en tenant compte des éléments<br />

de coûts selon la comptabilité de la<br />

société concernée, des coûts directement<br />

imputables au terrain venant en déduction et<br />

du coefficient de majoration des prix de revient<br />

équivalent à la marge constatée en fin de travaux.<br />

Sur la base de nouvelles informations<br />

reçues, l’AFC a modifié la méthode de calcul<br />

utilisée, estimant désormais la valeur des travaux<br />

en cours au 31 décembre 1994 sur la<br />

seule base des coûts proportionnels.<br />

Dans son recours l’assujettie conteste la<br />

méthode de calcul adoptée par l’AFC, estimant<br />

qu’elle ne correspondrait pas à celle qui avait<br />

été convenue avec l’AFC. Elle invoque la protection<br />

résultant du principe de la bonne foi,<br />

estimant avoir procédé au calcul de la valeur<br />

des travaux en cours au 31 décembre 1994<br />

selon les indications données à l’époque par<br />

l’AFC. Elle estime par ailleurs que la méthode<br />

proportionnelle utilisée par l’AFC n’est pas<br />

adaptée au cas d’espèce, dans la mesure où<br />

elle ne tient compte que des coûts fixes liés à<br />

la construction sans prendre en compte les<br />

coûts variables liés à l’intervention des divers<br />

prestataires de services sur le chantier (architectes,<br />

ingénieurs, etc.).<br />

Motivation:<br />

Les recourants ne contestent pas le principe<br />

même d’une procédure de taxation par évaluation<br />

en tant que telle. Les moyens développés<br />

à l’appui de leur recours se limitent en effet à<br />

contester la méthode de calcul employée par<br />

l’AFC pour évaluer la valeur des travaux au 31<br />

décembre 1994. Aussi la CRC admet que les<br />

conditions pour une taxation par estimation<br />

sont remplies et examine dans sa décision seule<br />

la question du choix de la méthode de calcul.<br />

La CRC confirme qu’en présence de chiffre<br />

d’affaires provenant de l’industrie du bâtiment,<br />

un état de situation doit être établi au 31<br />

décembre 1994. Or, les recourants n’ayant pas<br />

été en mesure de fournir un tel document, il<br />

leur appartient de supporter les désavantages<br />

résultant d’une taxation par estimation. La<br />

méthode d’estimation appliquée par l’AFC est<br />

considérée adéquate et parfaitement adaptée<br />

aux circonstances du cas d’espèce.<br />

La CRC atteste que les recourants ne sauraient<br />

se prévaloir de la protection résultant du principe<br />

de la bonne foi, dans la mesure où ils ne<br />

remplissent pas toutes les conditions essentielles.<br />

Les éventuels renseignements d’ordre<br />

général fournis à l’époque du passage Icha /<br />

172 TREX Der Treuhandexperte 3/2006


■ Leistungskürzung wegen absolutem Wagnis<br />

Da die Teilnahme an einem Thaibox-Wettkampf<br />

(absolutes Wagnis) objektiv mit so grospraxis_pratique<br />

TVA sur base d’un état de faits en partie lacunaire<br />

ne sauraient lier l’AFC. Il appartient aux<br />

recourants de s’informer en priorité sur leurs<br />

obligations légales, et donc sur la manière de<br />

justifier l’état des travaux en cours au 31 décembre<br />

1994, étant précisé que le rôle de<br />

l’AFC ne peut être celui d’un conseiller fiscal.<br />

Art. 8, art. 47, art. 48 et art. 50 OTVA<br />

(Commission fédérale de recours en matière de<br />

contributions CRC, 3.6.05 [2004–018], publié<br />

sur Internet, 22.9.2005)<br />

■ Weiterbildungskosten: Betriebswirtschafterin<br />

HF<br />

Bei den Auslagen einer kaufmännischen Angestellten<br />

für den Besuch des Lehrganges zur<br />

Betriebswirtschafterin HF handelt es sich zwar<br />

um einen Grenzfall zwischen Aus- und Weiterbildung.<br />

Trotzdem können diese Auslagen<br />

noch als Weiterbildungskosten anerkannt und<br />

somit steuerlich vom Einkommen in Abzug<br />

gebracht werden, wenn die Auslagen im konkreten<br />

Fall primär der Sicherung der gegenwärtig<br />

erreichten beruflichen Stellung dienen.<br />

§ 2 ter Abs. 1 RRV, § 29 Abs. 1 und 3 StG BL<br />

(Steuergericht BL, 19.8.05, StE 2006 B 22.3 Nr. 87)<br />

■ Abgrenzung der selbstständigen Erwerbstätigkeit<br />

zur Liebhaberei: Blumengeschäft<br />

An der für die selbstständige Erwerbstätigkeit<br />

typischen Gewinnerzielungsabsicht fehlt es<br />

namentlich daran, wenn eine Tätigkeit aus<br />

blosser Liebhaberei betrieben wird. Eine solche<br />

liegt selbst bei mehrjähriger Verlusterzielung<br />

noch nicht zwingend vor. Wer indes wirklich<br />

eine Erwerbstätigkeit ausübt, wird sich in der<br />

Regel nach andauernden beruflichen Misserfolgen<br />

von der Zwecklosigkeit seiner Tätigkeit<br />

überzeugen lassen und diese aufgeben. Bei<br />

dem in Frage stehenden Blumenhandel handelt<br />

es sich nicht um eine amateurhafte<br />

Hobbytätigkeit, sondern um ein ordentlich geführtes<br />

Geschäft mit Angestellten, was eine<br />

grosszügigere Betrachtungsweise rechtfertigt<br />

als bei unprofessionellem Vorgehen Einzelner.<br />

Der Betrieb ist von seiner Art her durchaus<br />

geeignet, einen Gewinn abzuwerfen. Zwar hat<br />

die Pflichtige in den ersten fünf Jahren Verluste<br />

erlitten, im Folgejahr begann sich die Situation<br />

jedoch zu verbessern, und in den folgenden<br />

vier Jahren wurde dann jeweils ein ausgeglichenes,<br />

insgesamt leicht positives Resultat<br />

erwirtschaftet. Dass in den beiden folgenden<br />

Jahren wiederum Verluste geschrieben wurden,<br />

beweist noch nicht, dass die Pflichtige<br />

nicht gewinnstrebig arbeitete und ihre Geschäftsziele<br />

unrealistisch waren. Mit Verlusten<br />

muss jeder unternehmerisch Tätige rechnen.<br />

Sollte indes die defizitäre Situation noch weiter<br />

andauern und sich in absehbarer Zeit kein Gewinn<br />

einstellen, wird dennoch Liebhaberei anzunehmen<br />

sein.<br />

§§ 23 Abs. 1 und 37 Abs. 1 StG SO, Art. 7 Abs.<br />

1 und Art. 67 Abs. 1 StHG, Art. 18 Abs. 1 DBG<br />

(BGer., 31.8.05, StE 2006 B 23.1 Nr. 59)<br />

■ Verhältnis der Erben zum<br />

Willensvollstrecker; Akteneinsicht<br />

In die Rechte und Pflichten eines verstorbenen<br />

Steuerpflichtigen treten dessen Erben ein. Hat<br />

der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung<br />

einen Willensvollstrecker eingesetzt, so ist den<br />

Erben im Umfang der entsprechenden zivilrechtlichen<br />

Vorgaben die Verfügungsmacht<br />

über die Erbschaft entzogen und steht dem<br />

Willensvollstrecker anstelle der materiell berechtigten<br />

Erben die aktive und passive Prozessführungsbefugnis<br />

in eigenem Namen und<br />

als Partei zu. In der Lehre ist allerdings umstritten,<br />

inwieweit die Einsetzung eines Willensvollstreckers<br />

die steuerverfahrensrechtliche<br />

Stellung der Erben zu beschränken vermag.<br />

Diese Frage kann auch vorliegend offen bleiben:<br />

Da die Erben nämlich solidarisch mit<br />

ihrem ganzen Vermögen, wenn auch beschränkt<br />

bis zur Höhe ihrer Erbteile, für die<br />

Steuerschulden des Erblassers haften, müssen<br />

ihnen jedenfalls diejenigen Verfahrensrechte<br />

zugestanden werden, die für die Wahrung ihrer<br />

Interessen als solidarisch haftende Steuerschuldner<br />

– auch gegenüber dem Willensvollstrecker<br />

in aufsichts- und zivilrechtlicher<br />

Hinsicht – unentbehrlich sind. Dazu gehört –<br />

grundsätzlich – auch das Akteneinsichtsrecht,<br />

und eine entsprechende Verweigerung muss<br />

auf dem Rechtsmittelweg angefochten werden<br />

können. Da vorliegend die Akteneinsicht ohne<br />

Begründung nicht gewährt worden ist, sind<br />

sämtliche vorinstanzlichen Entscheide aufzuheben.<br />

§ 14 aStG ZH und Art. 518 ZGB<br />

(Verwaltungsgericht ZH, 25.5.05, StE 2006, B 92.7 Nr. 7)<br />

■ Rückzahlungspflicht bei Scheidung?<br />

Ein zur Amortisierung einer Hypothek bei<br />

einem Immobilienkauf eingesetzter Vorbezug<br />

bleibt mit der Immobilie verbunden, selbst<br />

wenn der Begünstigte anschliessend mit seiner<br />

Bank vereinbart, das Darlehen zu erhöhen und<br />

die so frei gewordenen Mittel zum Erwerb von<br />

Mobilien einsetzt.<br />

Die Tatsache, dass die Eheleute die Wohnung,<br />

für welche sie die Vorbezüge als Wohneigentumsforderung<br />

erhalten haben, nicht mehr<br />

selbst nutzen, zieht keine automatische Rückzahlungspflicht<br />

der bezogenen Beträge mit<br />

sich. Im Zeitpunkt der Scheidung müssen diese<br />

Beträge zwischen den Ex-Eheleuten zu den<br />

in Art. 30c Abs. 6 BVG aufgestellten Bedingungen<br />

aufgeteilt werden.<br />

Art. 22 Abs. 1 und 2 FZG; Art. 30c Abs. 6 und<br />

Art. 30d Abs. 1 BVG<br />

(EVG, 22.7.2005, SZS 2006, S. 144)<br />

■ Obligation de rembourser au moment<br />

du divorce<br />

Le versement anticipé qui a servi à amortir un<br />

prêt hypothécaire lors de l’achat d’un immeuble<br />

reste lié à celui-ci, même si le bénéficiaire<br />

convient par la suite avec sa banque<br />

d’augmenter ce prêt et utilise les fonds libérés<br />

pour acquérir des biens mobiliers.<br />

Le fait que les époux cessent d’utiliser pour leur<br />

propres besoins l’appartement pour lequel ils<br />

ont obtenus des versements anticipés à titre<br />

d’encouragement à l’accession à la propriété<br />

n’entraîne pas de plein droit une obligation de<br />

rembourser les montants versés. Au moment<br />

du divorce, ceux-ci doivent donc être partagés<br />

entre les ex-conjoints aux conditions posées<br />

par l’art. 30c al. 6 LPP<br />

Art. 22 al. I et 2 LFLP; 30c al. 6 et 30d al. 1 LPP<br />

(TFA, 22.7.05, RSAS 2006, p. 143)<br />

■ Insolvenzentschädigung; ordentliche<br />

Konkursbetreibung<br />

Die Aufzählung der Insolvenztatbestände in<br />

Art. 51 Abs. 1 und Art. 58 AVIG ist abschliessend.<br />

Ist ein Schuldner als Aktiengesellschaft<br />

im Handelsregister eingetragen, unterliegt er<br />

der ordentlichen Konkursbetreibung am Sitz<br />

der juristischen Person. Daran ändert die Löschung<br />

des Domizils der Aktiengesellschaft im<br />

Handelsregister nichts.<br />

Art. 51 Abs. 1 und Art. 58 AVIG, Art. 39 Abs. 1<br />

und Art. 46 Abs. 2 SchKG<br />

(Bger., 26.4.05, BGE 131 V 196)<br />

■ Indemnité en cas d’insolvabilité;<br />

Poursuite ordinaire par voie de faillite;<br />

compétence à raison du lieu<br />

L’énumération des états de fait prévus aux<br />

art. 51 al. 1 et art. 58 LACI pour donner droit à<br />

l’indemnité pour insolvabilité est exhaustive.<br />

Lorsqu’un débiteur est inscrit comme société<br />

anonyme au registre du commerce, il est soumis<br />

à la poursuite ordinaire par voie de faillite<br />

au lieu du siège de la personne morale. La<br />

radiation au registre du commerce du domicile<br />

de la société n’y change rien.<br />

Art. 51 al. 1 et art. 58 LACI et Art. 39 al. 1 et<br />

art. 46 al. 2 LP<br />

(TF 26.4.05, ATF 131 V 196)<br />

TREX L’expert fiduciaire 3/2006 173


praxis_pratique<br />

sen Gefahren verbunden ist, welche auch<br />

unter günstigsten Bedingungen nicht auf ein<br />

vernünftiges Mass reduziert werden können, ist<br />

hier für die Leistungskürzung nach Art. 39 UVG<br />

in Verbindung mit Art. 50 Abs. 2 UVV einzig<br />

vorauszusetzen, dass die schädigende Einwirkung<br />

während einer laufenden Kampfrunde<br />

erfolgte, unabhängig davon, ob der konkret<br />

verletzende Schlag regelkonform oder regelwidrig<br />

ausgeführt wurde.<br />

Art. 39 UVG; Art. 50 Abs. 2 UVV<br />

(EVG, 9.2.05, RKUV 2005, S. 306)<br />

■ Réduction de prestations pour cause<br />

d’entreprise téméraire absolue<br />

Comme le fait de participer à un concours de<br />

boxe thaï (entreprise téméraire absolue) est<br />

objectivement lié à des dangers si grands qu’ils<br />

ne peuvent pas être ramenés à des proportions<br />

raisonnables même dans les conditions les<br />

plus favorables, il s’agit ici de soumettre la<br />

réduction des prestations au sens de l’art. 39<br />

LAA en relation avec l’art. 50, al. 2, OLAA à la<br />

seule condition que l’atteinte dommageable ait<br />

eu lieu au cours d’un combat sans se demander<br />

si le coup, qui a provoqué dans le cas<br />

concret la lésion, était conforme ou non aux<br />

règles du jeu.<br />

Art. 39 LAA; art. 50, al. 2, OLAA<br />

(TFA, 9.2.05, RAMA 2005, p. 306)<br />

■ Kürzung der Geldleistungen wegen<br />

Beteiligung an einer Rauferei<br />

Der Versicherte ging objektiv betrachtet das<br />

Risiko einer dem angestrebten (weiteren)<br />

Wortwechsel folgenden tätlichen Auseinandersetzung<br />

mit ein, was zur Reduktion der Geldleistungen<br />

gestützt auf Art. 39 UVG in der bis<br />

Ende 2002 gültigen Fassung i.V.m. Art. 49<br />

Abs. 2 Bst. a UVV genügt. Denn nach der<br />

Rechtsprechung ist eine Beteiligung an einer<br />

Rauferei oder Schlägerei nicht nur bei der<br />

Teilnahme an einer eigentlichen tätlichen Auseinandersetzung<br />

gegeben. Eine Beteiligung ist<br />

jedes Verhalten, das objektiv gesehen bereits<br />

das Risiko einschliesst, in Tätlichkeiten überzugehen<br />

oder solche nach sich zu ziehen<br />

(RKUV 1991 Nr. U 120 S. 89 f. unten Erw. 3b).<br />

Nicht notwendig ist, dass der Versicherte selbst<br />

tätlich geworden ist. Unerheblich ist auch, aus<br />

welchen Motiven er sich beteiligt hat, wer mit<br />

einem Wortwechsel oder Tätlichkeiten begonnen<br />

hat und welche Wendung die Ereignisse in<br />

174 TREX Der Treuhandexperte 3/2006


■ Réglementation dérogeant à la LPP<br />

Une réglementation dérogeant à la LPP qui ne<br />

prévoit pas pour les rentes de vieillesse des<br />

rentes pour enfants recueillis et du premier lit<br />

ne porte pas atteinte aux principes constitutionnels<br />

de l’égalité de traitement et de l’interdiction<br />

de l’arbitraire.<br />

Dans les limites de la LPP, les institutions de<br />

prévoyance peuvent adopter le régime des<br />

prestations, le mode de financement et l’organisation<br />

qui leur conviennent (art. 49, 1 er al.,<br />

LPP). Par ailleurs, en vertu du 2 e alinéa de cette<br />

disposition, une institution de prévoyance<br />

peut librement déterminer dans son règlement<br />

– à la condition de respecter toutefois les principes<br />

constitutionnels de l’égalité de traitement,<br />

de la proportionnalité ainsi que de l’interdiction<br />

de l’arbitraire – dans quelle mesure les<br />

personnes appartenant au cercle de l’assuré<br />

peuvent bénéficier des prestations.<br />

Il se pose dès lors la question de la conformité<br />

à la loi d’une disposition réglementaire qui ne<br />

prévoit des rentes pour enfants pour la prépraxis_pratique<br />

der Folge genommen haben. Entscheidend ist<br />

allein, ob die versicherte Person die Gefahr<br />

einer tätlichen Auseinandersetzung erkannt<br />

hat oder erkennen musste.<br />

Art. 39 UVG (Fassung 2002), Art. 49 Abs. 2<br />

Bst. a UVV<br />

(EVG, 3.3.05, RKUV 2005, S. 311)<br />

■ Réduction des prestations en espèces<br />

pour participation à une rixe<br />

Si l’on considère la situation de manière objective,<br />

l’assuré a pris le risque d’un conflit physique<br />

suivant la poursuite de l’échange de<br />

paroles souhaitée, ce qui suffit à justifier une<br />

réduction des prestations en espèces basée<br />

sur l’art. 39 LAA, dans sa version en vigueur<br />

jusqu’à fin 2002, en relation avec l’art. 49,<br />

al. 2, let. a, OLAA. En effet, selon la jurisprudence,<br />

la participation à une rixe ou à une<br />

bagarre n’est pas seulement réalisée en cas de<br />

participation à un conflit physique proprement<br />

dit. Une participation est le fait de tout comportement<br />

qui, considéré objectivement, comprend<br />

le risque de déboucher sur des voies de<br />

fait ou d’en entraîner (RAMA 1991 no U 120,<br />

p. 89 s. en bas, cons. 3b). Il n’est pas nécessaire<br />

que l’assuré ait lui-même donné des<br />

coups. Il est également sans importance de<br />

savoir pour quels motifs il a participé ni qui a<br />

commencé l’échange de paroles ou de voies<br />

de fait ni encore quelle tournure les événements<br />

ont pris par la suite. Ce qui est seul décisif,<br />

c’est de savoir si la personne assurée a<br />

reconnu ou devait reconnaître le danger d’un<br />

conflit physique.<br />

Art. 39 LAA (version 2002), art. 49, al. 2, let. a,<br />

OLAA<br />

(TFA, 3.3.05, RAMA 2005, p. 311)<br />

■ Besteuerung von Kapitalleistungen aus<br />

Sparverträgen<br />

Ist eine Person Begünstigte aus einem Sparvertrag<br />

mit einer Bankstiftung oder einer Vorsorgeversicherung,<br />

so stehen ihr beim Tod des Vorsorgenehmers<br />

die entsprechenden Leistungen<br />

zu, und zwar als eigenes Forderungsrecht<br />

gegenüber der Vorsorgeeinrichtung. Eine Ungleichbehandlung<br />

von Sparverträgen mit einer<br />

Bankstiftung gegenüber Vorsorgeversicherungen<br />

ist im Licht der in der gestützt auf das BVG<br />

erlassenen bundesrätlichen Verordnung über<br />

die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge<br />

an anerkannte Vorsorgeformen (BVV 3)<br />

enthaltenen Gleichstellung beider Vorsorgeformen<br />

unzulässig. Derartige Kapitalleistungen<br />

werden gesondert zu einem ermässigten Satz<br />

besteuert.<br />

§§ 22 und 37 Abs. 1 StG ZH und Art. 7 Abs. 1<br />

StHG<br />

(Verwaltungsgericht ZH, 20.4.05, StE 2005 B 26.11 Nr. 2)<br />

■ Internationale Doppelbesteuerung;<br />

Anrechnung ausländischer Steuern bei<br />

doppelter unbeschränkter Steuerpflicht;<br />

Abzugsfähigkeit ausländischer Steuern<br />

Eine seit über 20 Jahren in der Schweiz besteuerte<br />

Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz,<br />

welche von den britischen Steuerbehörden<br />

nachbesteuert wird, weil sich der Ort der tatsächlichen<br />

Geschäftsleitung in Grossbritannien<br />

befindet, kann aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens<br />

nicht die Anrechnung der<br />

ausländischen Steuern verlangen, da die<br />

Schweiz die Freistellungs- und nicht die Anrechnungsmethode<br />

anwendet. Auch nach<br />

internem Recht sind die in Grossbritannien<br />

bezahlten Steuern nicht abzugsfähig, weil gemäss<br />

Art. 59 Abs. 1 lit. a DBG lediglich schweizerische<br />

Steuern zum Abzug zugelassen werden,<br />

wegen der Rechtskraft der entsprechenden<br />

Veranlagungen und weil sich die Steuerpflichtige<br />

bezüglich der unbeschränkten<br />

Steuerpflicht nicht auf das bestehende Doppelbesteuerungsabkommen<br />

berufen hat.<br />

(BGer., 26.10.04, Pra. 2005 Nr. 146)<br />

SOZIALVERSICHERUNGSRECHT<br />

ASSURANCES SOCIALES<br />

■ Vom BVG abweichende Reglementierung<br />

Eine vom BVG abweichende Reglementierung,<br />

welche Altersleistungen im Sinne der Kinderrenten<br />

für Pflege- und Stiefkinder ausschliesst,<br />

verletzt die verfassungsmässigen Grundsätze<br />

der Rechtsgleichheit und des Willkürverbots<br />

nicht.<br />

Die Vorsorgeeinrichtungen sind im Rahmen<br />

des BVG in der Gestaltung ihrer Leistungen, in<br />

deren Finanzierung und in ihrer Organisation<br />

frei (Art. 49 Abs. 1 BVG). Aus Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung<br />

folgt des Weiteren, dass<br />

eine Vorsorgeeinrichtung im Reglement – unter<br />

Einhaltung der verfassungsmässigen Grundsätze<br />

der Rechtsgleichheit, der Verhältnismässigkeit<br />

sowie des Willkürverbots – selbst<br />

bestimmen kann, in welchem Umfang die Angehörigen<br />

des Versicherten zum Kreis der<br />

Leistungsempfänger gehören.<br />

Es stellt sich nun die Frage der Zulässigkeit<br />

einer reglementarischen Bestimmung, welche<br />

Kinderrenten im Rahmen der obligatorischen<br />

Altersvorsorge ausschliesslich für Kinder im<br />

Kindesverhältnis nach Art. 252 ZGB zur versicherten<br />

Person vorsieht und somit Alterskinderrenten<br />

für Pflege- und Stiefkinder ausschliesst.<br />

Es interessiert, ob dieser reglementarische<br />

Ausschluss gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz<br />

und das Willkürverbot verstösst.<br />

Mit dem BSV ist festzuhalten, dass Art. 43<br />

Abs. 2 des Pensionskassenreglements ausdrücklich<br />

nur für diejenigen Kinder, welche im<br />

rechtlichen Kindesverhältnis zum Vater stehen,<br />

Altersleistungen vorsieht. Mit der analog zu<br />

Art. 252 ZGB gewählten Formulierung «... kraft<br />

der Ehe des Vaters mit der Mutter ...» sind ausgehend<br />

vom klaren Wortlaut und in Anwendung<br />

des Vertrauensprinzips, einzig die während<br />

der Ehe geborenen Kinder zu verstehen,<br />

was Stief- oder Pflegekinder gerade ausnimmt.<br />

Diese reglementarische Bestimmung verletzt<br />

das Gleichheitsgebot nicht, weil sich im überobligatorischen<br />

Bereich der beruflichen Vorsorge<br />

sachliche Gründe für eine ungleiche<br />

Behandlung bezüglich des Anspruches auf<br />

Kinderrenten von Kindern im familienrechtlichen<br />

Kindesverhältnis mit dem Vater einerseits<br />

und von Pflege- und Stiefkindern andererseits<br />

finden.<br />

Die Leistungen der obligatorischen beruflichen<br />

Vorsorge dienen – im Gegensatz zum überobligatorischen<br />

Vorsorgebereich – dazu, den<br />

Existenzbedarf angemessen zu decken, bzw.<br />

die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung<br />

in angemessener Weise zu ermöglichen. Daher<br />

erscheint es im obligatorischen Vorsorgebereich<br />

sinnvoll, dort, wo eine gesetzliche oder<br />

vertragliche Unterhaltspflicht besteht, dem versicherten<br />

Altersrentner nebst seinem eigenen<br />

Altersrentenanspruch eine Kinderrente zuzusprechen,<br />

zumal die Kinderrente den Ersatz<br />

des Einkommensteils der im Erwerbsleben<br />

durch den Arbeitgeber ausgerichteten Kinderzulagen<br />

bezweckt (SZS 2003 S. 432).<br />

Art. 17, Art. 20, Art. 49 BVG und Art. 8 Abs. 1,<br />

Art. 9 BV<br />

(EVG, 30.6.05, Mitteilungen über die berufliche<br />

Vorsorge Nr. 85, Nr. 497)<br />

TREX L’expert fiduciaire 3/2006 175


praxis_pratique<br />

voyance vieillesse obligatoire que pour les<br />

enfants dont le lien parental avec l’assuré ressort<br />

de l’article 252 CCS et qui exclut par<br />

conséquent les rentes de vieillesse pour les<br />

enfants recueillis et ceux du premier lit. Il est<br />

particulièrement intéressant d’examiner en<br />

premier lieu si cette disposition réglementaire<br />

ne contrevient pas aux principes de l’égalité de<br />

traitement et de l’interdiction de l’arbitraire.<br />

Il y a lieu de constater avec l’OFAS que l’article<br />

43, 2 e alinéa du règlement de la caisse de pension<br />

prévoit expressément des prestations de<br />

vieillesse seulement pour les enfants ayant un<br />

rapport de paternité. L’application par analogie<br />

de la formulation contenue à l’article 252 CCS<br />

«… force du mariage du père avec la mère …»<br />

permet de déduire à partir du texte clair et de<br />

l’application du principe de la confiance que<br />

seuls sont visés les enfants nés pendant le<br />

mariage, ce qui exclut justement les enfants<br />

recueillis et ceux du premier lit.<br />

Cette disposition réglementaire ne transgresse<br />

pas l’égalité de traitement quant au droit aux<br />

prestations pour enfants à l’égard, d’une part,<br />

de ceux qui jouissent au sens du droit de la<br />

famille d’un lien de parenté avec le père et,<br />

d’autre part, les enfants recueillis et les enfants<br />

d’un premier lit.<br />

Les prestations du régime obligatoire de la prévoyance<br />

professionnelle servent – contrairement<br />

à la prévoyance plus étendue – uniquement<br />

à garantir le maintien de façon appropriée<br />

du niveau de vie antérieur. C’est pourquoi,<br />

il paraît justifié pour la prévoyance obligatoire<br />

où est instituée une obligation d’entretien<br />

dans le cadre légal ou contractuel, d’octroyer<br />

au bénéficiaire d’une rente de vieillesse, outre<br />

son propre droit à la rente, une rente complémentaire<br />

pour enfant. Ce principe vaut en particulier<br />

pour les rentes pour enfants qui ne couvrent<br />

que la part de revenus de la vie active en<br />

remplacement des allocations pour enfants<br />

versées par l’employeur (SJZ 2003, p. 432).<br />

Art. 17, 20 et 49 LPP et Art. 8 al. 1 et 9 Cst.<br />

(TFA, 30.6.05, Bulletin de la prévoyance professionnelle<br />

No. 85, No. 497)<br />

■ Pferde stolpern oft: Schleudertrauma<br />

war kein Unfall<br />

Die Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts<br />

zur Frage, wann ein Ereignis<br />

sozialversicherungsrechtlich als Unfall gilt<br />

und wann nicht, ist um ein Kapitel reicher:<br />

Verletzt sich ein Reiter, weil sein Pferd stolpert,<br />

liegt kein Unfall im Rechtssinn vor.<br />

Ein solcher kann dagegen unter Umständen<br />

bejaht werden, wenn das Pferd mit beiden<br />

Vorderbeinen einbricht.<br />

Dass ein Pferd stolpert, ist laut Einschätzung<br />

der Bundesrichter in Luzern ein gewöhnlicher<br />

Vorgang, mit dem ein Reiter zu rechnen hat.<br />

Anders verhält es sich, wenn das Pferd mit beiden<br />

Vorderbeinen einknickt, was auch als<br />

«Einbrechen» bezeichnet wird. Das «kommt<br />

seltener vor, und ein Reiter hat mit einem solchen<br />

Vorgang, insbesondere wenn er über ein<br />

erfahrenes, trittsicheres Pferd verfügt, nicht zu<br />

rechnen». Ein solches Ereignis kann als Unfall<br />

bezeichnet werden, «da der übliche Bewegungsablauf<br />

durch eine Programmwidrigkeit<br />

gestört wird und damit das Merkmal des ungewöhnlichen<br />

äusseren Faktors zu bejahen ist»<br />

(vgl. BGE 130 V 117 E.2.1). Kein Unfall dagegen<br />

liegt vor, wenn der Reiter sich verletzt, weil<br />

das Pferd beim Wechsel der Gangart stolpert.<br />

Zu beurteilen war in Luzern der Fall einer<br />

Reiterin, die nach einem Wechsel vom Galopp<br />

in den Schritt ein Schleudertrauma erlitten hatte.<br />

Sie erwähnte gegenüber den Versicherungen<br />

ein Stolpern des Pferdes, das sie ein einziges<br />

Mal auch als Einknicken bezeichnete. Von<br />

einem Einbrechen mit den Vorderbeinen war<br />

dagegen nie die Rede. Wäre es indes um ein so<br />

aussergewöhnliches Ereignis gegangen, bei<br />

dem das Pferd stürzt und sich seinerseits verletzen<br />

kann, hätte die Betroffene das nach<br />

Einschätzung des EVG gegenüber den Versicherungen<br />

erwähnt. Da sie dies nicht tat,<br />

fehlt es am Beweis für einen Unfall im Rechtssinn.<br />

Art. 6 UVG<br />

(BGer., 14.2.06 {U 296/05}, NZZ, 17.3.2006 [Nr. 64],<br />

S. 16, Jusletter 20.3.2006)<br />

OBLIGATIONENRECHT<br />

DROIT DES OBLIGATIONS<br />

■ Verschwundenes Luxusauto<br />

nicht versichert; Veruntreuung eines teuren<br />

Mercedes vor Mailänder Hotel<br />

Die Versicherung muss definitiv nicht zahlen<br />

für den fast 180 000 Franken teuren Mercedes<br />

SL 500, der im Jahre 2002 einem Schweizer<br />

Geschäftsmann in der Mailänder Innenstadt<br />

abhanden gekommen war.<br />

Wie zuvor schon das Zürcher Obergericht ist<br />

jetzt auch das Bundesgericht zum Schluss<br />

gelangt, dass das Auto nicht gestohlen, sondern<br />

veruntreut worden sei, wofür laut Kleingedrucktem<br />

in der Police kein Versicherungsschutz<br />

bestand.<br />

Weil im öffentlichen Verkehr gestreikt wurde,<br />

war der Informatiker mit seinem neuen Mercedes<br />

nach Mailand zu einem geschäftlichen<br />

Termin gefahren. Innert nützlicher Frist war in<br />

der Nähe des Treffpunkts kein Parkplatz aufzufinden,<br />

worauf sich ein vor dem Eingang eines<br />

Viersternhotels stehender Mann anerbot, das<br />

Fahrzeug gegen eine Gebühr in der Hotelgarage<br />

zu parkieren. Nach anfänglichem Misstrauen<br />

übergab der Geschäftsmann dem Unbekannten<br />

den Autoschlüssel und sah seine<br />

Luxuskarosse nie wieder. Ebenso wenig war<br />

der unbekannte Mann aufzufinden, der laut<br />

Auskunft der Rezeption auch nicht für das<br />

Hotel tätig war.<br />

Die Kaskoversicherung weigerte sich, den<br />

Schaden zu übernehmen, weil das Fahrzeug<br />

nicht gestohlen, sondern veruntreut worden<br />

sei. Das Bezirksgericht Winterthur wertete den<br />

Vorgang indes als versicherten Diebstahl, reduzierte<br />

die Entschädigung allerdings wegen der<br />

Verletzung elementarster Sorgfaltspflichten auf<br />

117 000 Franken. Das von der Versicherung<br />

angerufene Zürcher Obergericht wies dann die<br />

Klage des Autohalters mit der Begründung ab,<br />

es liege eine Veruntreuung vor, die gemäss<br />

ausdrücklicher Erwähnung in den allgemeinen<br />

Versicherungsbedingungen nicht versichert ist.<br />

Diese Auffassung wird auch vom Bundesgericht<br />

geteilt. Laut dem einstimmig gefällten<br />

Urteil der II. Zivilabteilung kommt dem Vertrauensbruch<br />

höheres Gewicht zu als dem<br />

Gewahrsamsbruch, weshalb kein Diebstahl<br />

vorliegt, sondern eine Veruntreuung. Dass ein<br />

solcher Vorgang landläufig als Diebstahl bezeichnet<br />

wird, vermag an der gemäss klarer<br />

Formulierung in den allgemeinen Versicherungsbedingungen<br />

massgeblichen strafrechtlichen<br />

Differenzierung nichts zu ändern.<br />

Schliesslich kann das Ganze aus Sicht des<br />

Bundesgerichts auch nicht als Trickdiebstahl<br />

gewertet werden.<br />

Art. 1 Abs. 1 und 18 OR sowie Art. 2 ZGB,<br />

Art. 140 Ziff. 1 aStGB<br />

(BGer., 22.2.06 {5C.306/2005}, NZZ, 21.3.2006<br />

[Nr. 67], S. 54, Jusletter 27. März 2006)<br />

■ Beendigung der Unternehmenspacht.<br />

Verletzung der Rückgabepflicht durch den<br />

Pächter im Bezug auf den Kundenstamm.<br />

Nachvertragliches Konkurrenzverbot und<br />

Pauschalierung des Schadenersatzes?<br />

B., der während mehrerer Jahre im Gartenbaugeschäft<br />

von A. gearbeitet hatte, übernahm<br />

dieses 1993 als Pächter. In der Folge unterzeichneten<br />

die beiden einen vom 4. Januar<br />

1994 datierten Pachtvertrag, in welchem festgehalten<br />

wurde, dass das Gartenbaugeschäft –<br />

ein Kleinbetrieb – gegen Leistung eines monatlichen<br />

Pachtzinses von Fr. 2500.– übernommen<br />

werde. Unter Ziffer 11 des Vertrages wurde<br />

sodann bestimmt, dass die Dauer des<br />

Pachtvertrages fünf Jahre betrage; der Vertrag<br />

laufe jedoch unbefristet weiter, falls er nicht<br />

von einer Partei mit einer Frist von einem Jahr<br />

gekündigt werde.<br />

Mit Schreiben vom 10. Dezember 1996 kündigte<br />

der Pächter den Vertrag auf den 31. Dezember<br />

1997. Der Verpächter widersetzte sich<br />

176 TREX Der Treuhandexperte 3/2006


■ Mietvertrag: Gültigkeit einer Vereinbarung<br />

über Akontozahlungen, welche<br />

die tatsächlich anfallenden Nebenkosten<br />

wesentlich unterschreiten<br />

Für die Vereinbarung von Akontozahlungen<br />

betreffend die Nebenkosten gilt im Rahmen<br />

der Regeln des Obligationenrechts die Vertragsfreiheit.<br />

Ob die Mieterschaft darauf vertrauen<br />

darf, dass die Akontozahlungen ungefähr<br />

den tatsächlich anfallenden Nebenkosten<br />

entsprechen, ist nach den Umständen des<br />

Einzelfalles zu entscheiden.<br />

Die effektiven Nebenkosten beliefen sich jeweils<br />

auf mehr als das Doppelte (rund 210–<br />

260%) der geleisteten Akontozahlungen. Die<br />

Kläger bezahlten zwar die betreffenden Rechnungen,<br />

verlangten hernach aber die Rückzahlung<br />

des 20% ihrer Akontozahlungen übersteigenden<br />

Betrages für die Abrechnungsperioden<br />

1998/1999 bis 2002/2003, den sie auf Fr.<br />

10 143.– bezifferten. Dafür belangten sie C.<br />

Nach Art. 257a Abs. 2 OR dürfen Nebenkosten<br />

dem Mieter nur dann gesondert belastet werden<br />

und sind nicht im Nettomietzins inbegriffen,<br />

wenn die Parteien dies ausdrücklich so<br />

vereinbart haben. Eine entsprechende Vereinbarung<br />

kann vorsehen, dass die ausdrücklich<br />

bezeichneten Nebenkosten mit einer Pauschale<br />

abgegolten werden oder dass sie mindestens<br />

einmal jährlich abgerechnet werden,<br />

wobei der Mieter in der Regel Akontozahlungen<br />

leistet.<br />

In welchem Verhältnis die vereinbarten Akontozahlungen<br />

zu den tatsächlich anfallenden<br />

Nebenkosten stehen müssen, ist weder in<br />

einer zwingenden noch in einer dispositiven<br />

Vorschrift des Mietrechts geregelt, wie sich aus<br />

den bisherigen Darlegungen ergibt. Damit gilt<br />

in dieser Hinsicht im Rahmen der allgemeinen<br />

Regeln des Obligationenrechts die Vertragsfreiheit.<br />

Der Begriff «Akontozahlung» deutet darauf hin,<br />

dass es sich bei den unter diesem Titel erbrachten<br />

monatlichen Leistungen bloss um<br />

vorläufige Zahlungen handelt, die gemäss korrekt<br />

zu erfolgender Abrechnung an die jährlich<br />

aufgelaufenen und vom Mieter vertragsgemäss<br />

geschuldeten Nebenkosten anzurechnen sind.<br />

Die Vereinbarung der Akontozahlung unter<br />

Abrechnungspflicht muss deshalb nach Treu<br />

und Glauben dahingehend ausgelegt werden,<br />

dass die Differenz zwischen den geleisteten<br />

Akontozahlungen und dem durch die Abrechnung<br />

festgestellten effektiven vertraglichen<br />

Anspruch auszugleichen ist, sei es durch einen<br />

Nachschuss des Schuldners oder eine Rückleistung<br />

des Gläubigers.<br />

Nach dem Gesagten besteht kein Anlass für<br />

eine Vermutung, wonach die Akontozahlungen<br />

den jährlich für die Nebenkosten geschuldeten<br />

Betrag ungefähr decken. Besondere Umpraxis_pratique<br />

der Kündigung, weil er der Meinung war, diese<br />

sei gemäss Vertrag frühestens auf Ende 1998<br />

möglich. Das darauf vom Verpächter hängig<br />

gemachte Gerichtsverfahren endete mit einem<br />

Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau<br />

vom 3. September 1999, mit dem entschieden<br />

wurde, dass die vom Pächter ausgesprochene<br />

Kündigung auf Ende 1997 wirksam sei.<br />

Im Zusammenhang mit der Rückgabe der<br />

Pachtsache kam es ebenfalls zum Streit zwischen<br />

den Parteien, wobei der Verpächter dem<br />

Pächter zur Hauptsache vorwarf, er habe den<br />

Kundenstamm nicht zurückgegeben, sondern<br />

sein eigenes Geschäft mit den Kunden des vorher<br />

gepachteten Betriebes weitergeführt.<br />

A. erhob im August 2001 beim Bezirksgericht<br />

Zurzach Klage gegen B. mit den – im Laufe des<br />

Verfahrens geänderten – Anträgen, den Beklagten<br />

zur Zahlung von Fr. 77 500.– nebst 5%<br />

Zins seit 1. April 1999 zu verpflichten und dessen<br />

Rechtsvorschlag aufzuheben. Der Kläger<br />

forderte den Pachtzins von Fr. 2500.– für den<br />

Monat Dezember 1997 sowie eine Entschädigung<br />

von monatlich Fr. 2500.– für die Weiterbenutzung<br />

des Kundenstammes durch den<br />

Beklagten seit der Beendigung des Pachtvertrages.<br />

Mit Urteil vom 24. Juni 2004 sprach das Obergericht<br />

dem Kläger Fr. 62 500.– zu nebst 5%<br />

Zins auf Fr. 2500.– seit dem 1. Januar 1998,<br />

auf Fr. 30 000.– seit dem 8. Januar 1999 und<br />

auf Fr. 30 000.– seit dem 5. Januar 2000 und<br />

bestätigte im Übrigen den Entscheid des Bezirksgerichts.<br />

Das Obergericht ging gleich wie<br />

das Bezirksgericht von einem faktischen Vertragsverhältnis<br />

wegen der Benutzung des Kundenstammes<br />

durch den Beklagten aus, beschränkte<br />

dieses Verhältnis jedoch im Gegensatz<br />

zur ersten Instanz auf zwei Jahre seit<br />

Beendigung des Pachtvertrages, weil der Kläger<br />

keine oder ungenügende rechtliche Schritte<br />

gegen den Beklagten wegen der Nichtrückgabe<br />

der Geschäftsbeziehungen unternommen<br />

habe. Das Bundesgericht weist die<br />

vom Kläger gegen das Urteil des Obergerichts<br />

eingelegte Berufung ab.<br />

Aus dem Briefwechsel der Parteien geht hervor,<br />

dass sie seit Ende 1997 bis Januar 1999<br />

darüber stritten, ob der Beklagte Auskunft über<br />

den Kundenstamm geben müsse, und sich<br />

dieser schliesslich geweigert hat, der diesbezüglichen<br />

Verpflichtung nachzukommen. Damit<br />

hat der Beklagte seine pachtrechtliche<br />

Rückgabepflicht verletzt. Er haftet für den daraus<br />

entstandenen Schaden (Art. 97 Abs. 1<br />

OR), vorliegend also für den Schaden, welcher<br />

dem Kläger durch das Vorenthalten der Informationen<br />

betreffend Kundenstamm verursacht<br />

worden ist. Ein Anspruch des Klägers aus<br />

einem faktischen Vertragsverhältnis oder der<br />

Verletzung eines nachvertraglichen Konkurrenzverbotes<br />

besteht dagegen nicht. Unter diesen<br />

Umständen hätte die Vorinstanz prüfen<br />

und entscheiden müssen, ob und in welchem<br />

Ausmass dem Kläger aus dem Vorenthalten ein<br />

Schaden entstanden ist, wobei der Schaden<br />

allenfalls in Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR<br />

hätte geschätzt werden können. Dies hat die<br />

Vorinstanz jedoch nicht getan, sondern die<br />

Entschädigung im erörterten Sinne und unter<br />

zeitlicher Begrenzung auf zwei Jahre mit insgesamt<br />

Fr. 60 000.– pauschaliert.<br />

An sich müsste das Urteil der Vorinstanz in<br />

Anwendung von Art. 64 Abs. 1 OR aufgehoben<br />

und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne<br />

der bundesgerichtlichen Erwägungen zurückgewiesen<br />

werden. Eine solche Rückweisung<br />

setzt indessen namentlich voraus, dass die<br />

behauptungs- und beweisbelastete Partei im<br />

kantonalen Verfahren entsprechende Sachbehauptungen<br />

vorgebracht und Beweisanträge<br />

gestellt hat oder sie dies nach dem massgebenden<br />

kantonalen Prozessrecht nach der<br />

Rückweisung im Verfahren vor der Vorinstanz<br />

nachholen kann. Beides trifft im vorliegenden<br />

Fall nicht zu. Der Kläger hat im kantonalen<br />

Verfahren vor beiden Instanzen stets geltend<br />

gemacht, der Beklagte schulde trotz Beendigung<br />

des Pachtvertrages den vereinbarten<br />

Pachtzins von Fr. 2500.– pro Monat aus faktischem<br />

Vertragsverhältnis bzw. Geschäftsführung<br />

ohne Auftrag oder wegen ungerechtfertigter<br />

Bereicherung. Er hat dagegen nie<br />

ausdrücklich behauptet, er sei durch das Verhalten<br />

des Beklagten geschädigt worden, und<br />

hat deshalb den Schaden weder beziffert bzw.<br />

substanziiert noch für dessen Existenz Beweis<br />

angeboten. Zudem hat er auch in Bezug auf<br />

eine Bereicherung oder die Erzielung eines<br />

Vorteils durch den Beklagten keine substanziierten<br />

Sachbehauptungen vorgebracht. Er<br />

könnte das Versäumte nach einer Rückweisung<br />

der Sache an die Vorinstanz nicht nachholen.<br />

Dabei würde es sich nämlich um unechte<br />

Noven handeln. Ist eine Rückweisung somit<br />

ausgeschlossen, bleibt es beim angefochtenen<br />

Urteil, und die Berufung ist abzuweisen.<br />

Art. 97 Abs. 1 und Art. 275–304 OR<br />

(BGer., 11.2.05, BGE 131 III 257)<br />

■ Résiliation d’un bail portant sur une<br />

entreprise<br />

Violation du devoir de restitution par le preneur<br />

de bail concernant la clientèle. Interdiction de<br />

faire concurrence après la fin contrat et fixation<br />

des dommages intérêts de manière forfaitaire?<br />

Art. 97 al. 1 et art. 275–304 CO<br />

(TF, 11.2.05, ATF 131 III 257)<br />

TREX L’expert fiduciaire 3/2006 177


praxis_pratique<br />

stände, welche die Kläger hätten zur Annahme<br />

berechtigen können, sie seien nur verpflichtet,<br />

für Nebenkosten etwa den jährlichen Gesamtbetrag<br />

ihrer Akontozahlungen zu leisten, machen<br />

die Kläger nicht geltend und sind nicht<br />

ersichtlich.<br />

Art. 18 und 257a Abs. 2 OR<br />

(Bger., 31.8.05, BGE 132 III 24)<br />

■ Contrat de bail; validité d’une convention<br />

relative aux paiements d’acomptes, lesquels<br />

sont notablement inférieurs<br />

aux frais accessoires effectivement échus<br />

En ce qui concerne la convention de paiements<br />

d’acomptes afférents aux frais accessoires<br />

prévaut dans le cadre des règles du droit<br />

des obligations la liberté contractuelle. Savoir si<br />

les locataires peuvent compter que les paiements<br />

d’acomptes correspondent environ aux<br />

frais accessoires effectivement échus doit se<br />

décider d’après les circonstances de l’espèce.<br />

Art. 18 et 257a al. 2 CO<br />

(TF, 31.8.05, ATF 132 III 24)<br />

■ Die Stuhl- oder Platzmiete in<br />

Coiffeursalons ist als Raummiete oder<br />

Raumpacht zu qualifizieren<br />

Die Klägerin überliess der Beklagten zwei<br />

Frisierplätze in einem Damensalon. Im September<br />

2005 reichte die Klägerin beim Mietgericht<br />

Klage ein und verlangte von der Beklagten<br />

die Bezahlung von Forderungen aus<br />

dem zwischen den Parteien bestehenden<br />

Pachtvertrag. Mit Einreichung der Klage beantragte<br />

die Klägerin, vorfrageweise sei die sachliche<br />

Zuständigkeit des Mietgerichts zu überprüfen.<br />

Gemäss § 18 Abs. 1 GVG ist das Mietgericht<br />

nur für Streitigkeiten aus der Miete und Pacht<br />

von Wohn- und Geschäftsräumen zuständig.<br />

Streitigkeiten betreffend Miete und Pacht von<br />

unbebautem Land fallen nicht in die sachliche<br />

Zuständigkeit des Mietgerichts (Hauser/<br />

Schweri, Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz,<br />

§ 18 GVG N 5). Bei<br />

Streitigkeiten aus der Miete oder Pacht von<br />

anderen unbeweglichen Sachen, denen keine<br />

Raumqualität zukommt, oder von beweglichen<br />

Sachen ist somit nicht das Mietgericht, sondern<br />

ein Zivilgericht zuständig. Unter einem Raum<br />

ist eine auf Dauer angelegte, horizontal und vertikal<br />

abgeschlossene Einheit zu verstehen.<br />

Gemäss dem Pachtvertrag wurden der Beklagten<br />

als Pachtobjekt «zwei Frisierplätze im<br />

Damensalon» überlassen. Zudem war die<br />

Beklagte zur Mitbenützung der «gesamten<br />

Einrichtung und Infrastruktur des Salons»<br />

berechtigt. Stellte man einzig darauf ab, dass<br />

der Beklagten zwei «Plätze» verpachtet wurden,<br />

wäre davon auszugehen, dass ihr eine<br />

Fläche bzw. eine bewegliche Sache, nicht aber<br />

ein Raum verpachtet wurde. Eine derartige<br />

Betrachtungsweise ist jedoch nicht sachgerecht:<br />

Zum Einen ist der Raumbegriff – dem<br />

Schutzzweck entsprechend – weit auszulegen<br />

(BSK-Weber, N 11 zu Art. 253a/253b OR). So<br />

hat das Bundesgericht die Vorrichtungen zum<br />

Betrieb einer Autowaschanlage auf einem<br />

Grundstücksteil als Geschäftsräumlichkeiten<br />

erachtet, obwohl die Waschbox nicht nach<br />

allen Seiten abgeschlossen waren (BGE 124 III<br />

108 E. 2c). Zum Anderen ist bei der sog. Stuhloder<br />

Platzpacht zu berücksichtigen, dass die<br />

Beklagte als Pächterin nicht nur berechtigt war,<br />

die ihr verpachteten Frisierplätze zu benutzen.<br />

Damit sie ihre berufliche Tätigkeit als Coiffeuse<br />

ausüben konnte, war sie gestützt auf den<br />

Pachtvertrag auch berechtigt, die gesamte<br />

Infrastruktur (Strom, Wasser, Heizung usw.),<br />

welche der Coiffeursalon in seiner Gesamtheit<br />

bietet, mitzubenutzen. Sowohl die der Beklagten<br />

zur Verfügung gestellte Infrastruktur als<br />

auch die ihr zur Mitbenützung überlassenen<br />

Einrichtungen wie auch die einzelnen Frisierplätze<br />

befanden sich in einer räumlich auf alle<br />

Seiten abgegrenzten Einheit. Genau besehen<br />

wurden der Beklagten demnach nicht bloss<br />

zwei «Frisierplätze», sondern ein Teil des Coiffeursalons<br />

überlassen. Dies wird auch durch<br />

die vertragliche Umschreibung des Pachtobjekts<br />

«zwei Frisierplätze im Damensalon» in<br />

zutreffender Weise zum Ausdruck gebracht.<br />

Dem Sinn und Zweck des vorliegenden Pachtvertrags<br />

entsprechend ist deshalb bei der sog.<br />

«Platzmiete» oder «Stuhlmiete» davon auszugehen,<br />

dass der Beklagten ein Teil der Coiffeurräumlichkeiten,<br />

und nicht bloss eine der Witterung<br />

ausgesetzte Teilfläche oder eine bewegliche<br />

Sache, vermietet wurde.<br />

(Mietgericht Zürich, 12.10.05, ZMP 2/2005 Nr. 19)<br />

■ Optionsrecht im Mietrecht<br />

Ein Optionsrecht gibt der berechtigten Partei<br />

die Möglichkeit, durch einseitige Willenserklärung<br />

unmittelbar ein inhaltlich bereits festgelegtes<br />

Vertragsverhältnis herbeizuführen<br />

oder zu verlängern. Eine sog. echte Option<br />

setzt voraus, dass eine Einigung über alle<br />

wesentlichen Elemente (Mietobjekte, Mietzins)<br />

bereits stattgefunden hat. Dagegen liegt eine<br />

sog. unechte Option vor, wenn bei Ausübung<br />

des Optionsrechts der Mietzins noch nicht feststeht.<br />

Dies ist der Fall, wenn der Empfänger<br />

nach der Optionserklärung den Mietzins<br />

anpassen darf oder wenn die Parteien herüber<br />

verhandeln. Bei einer unechten Option wirkt<br />

die Ausübungserklärung nicht unmittelbar<br />

rechtsgestaltend.<br />

Art. 253 und Art. 255 OR<br />

(BGer., 9.7.04, ZMP 2/2005 Nr. 20–22)<br />

■ Vorzeitige Kündigung des Mietvertrages<br />

über Geschäftsräume<br />

wegen vertragswidrigen Gebrauchs<br />

Bei anhaltender Verletzung der vertraglichen<br />

Bestimmungen über den Gebrauch der vermieteten<br />

Räumlichkeiten kann der Vermieter<br />

das Mietverhältnis nach Art. 257f Abs. 3 OR<br />

auflösen, auch wenn die Aktivitäten des Mieters<br />

nicht zu unzumutbaren Verhältnissen im<br />

Sinne dieser Bestimmung führen.<br />

Art. 257f Abs. 3 OR<br />

(Bger., 9.1.06, BGE 132 III 109)<br />

■ Résiliation anticipée du bail de locaux<br />

commerciaux en raison d’une utilisation non<br />

conforme à la convention des parties<br />

En cas de violation persistante des stipulations<br />

concernant l’affectation des locaux loués, le<br />

bailleur peut résilier le contrat conformément à<br />

l’art. 257f al. 3 CO même si l’activité du locataire<br />

n’engendre pas une situation insupportable<br />

selon cette disposition.<br />

Art. 257f al. 3 CO<br />

(TF, 9.1.06, ATF 132 III 109)<br />

■ Renovationen bei Erstreckungen<br />

Es ist sowohl nach Art. 272c Abs. 1 OR als<br />

auch nach zürcherischer Zivilprozessordnung<br />

möglich, den Mieter im Erstreckungsentscheid<br />

zu verpflichten, gewisse Erneuerungs- und<br />

Änderungsarbeiten im Mietobjekt zu dulden,<br />

wenn die Arbeiten für den Mieter zumutbar<br />

sind. Ein erstrecktes Mietverhältnis entspricht<br />

daher nicht einem gekündigten Mietverhältnis<br />

im Sinne von Art. 260 Abs. 1 OR.<br />

Art. 260 Abs. 1 und Art. 272c Abs. 1 OR<br />

(Mietgericht Zürich, 11.11.05, ZMP 2/2005 Nr. 23)<br />

■ Spesenentschädigung und<br />

rechtsmissbräuchliches Verhalten eines<br />

Handelsreisenden<br />

Die Parteien eines Handelsreisendenvertrages<br />

vereinbarten neben einem Grundgehalt und<br />

einer Umsatzbeteiligung eine pauschale Spesenentschädigung<br />

von CHF 1000.– pro Monat.<br />

Darin lag nicht eine nach Art. 349d Abs. 2 OR<br />

unzulässige Abrede, wonach der Auslagenersatz<br />

im festen Gehalt oder der Provision eingeschlossen<br />

wäre. Da keine schriftliche Vereinbarung<br />

vorlag (Art. 12 ff. OR), bestimmt sich<br />

der Auslagenersatz im vorliegenden Fall aber<br />

dennoch nicht nach der Pauschalvereinbarung,<br />

sondern nach Massgabe von Art. 327a<br />

OR. Selbst wenn eine schriftliche Vereinbarung<br />

vorgelegen hätte, wäre zudem Art. 327a OR<br />

insoweit zu beachten, als diese Norm zwingend<br />

vorschreibt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer<br />

alle durch die Ausführung der Arbeit<br />

notwendig entstandenen Auslagen zu ersetzen<br />

178 TREX Der Treuhandexperte 3/2006


praxis_pratique<br />

hat; die Vereinbarung einer Pauschale, welche<br />

die durchschnittlichen Spesen des Handelsreisenden<br />

nicht deckt, ist danach ohnehin<br />

nichtig. Der Reisende hatte damit grundsätzlich<br />

unabhängig von der vereinbarten Pauschale<br />

Anspruch auf Ersatz von allen effektiv<br />

entstandenen notwendigen Spesen.<br />

Im Folgenden nahm das Bundesgericht zum<br />

rechtsmissbräuchlichen Verhalten eines Arbeitnehmers<br />

Stellung. Nach Ansicht des Bundesgerichts<br />

kann sich der Arbeitgeber zunächst<br />

nur bei Vorliegen besonderer Umstände<br />

auf einen Rechtsmissbrauch (Art. 2 Abs. 2<br />

ZGB) des Arbeitnehmers berufen, der geltend<br />

macht, eine getroffene Vereinbarung verstosse<br />

gegen zwingendes Recht; ansonsten würde<br />

dem Arbeitnehmer der mit der zwingenden<br />

Gesetzesbestimmung gewährte Schutz auf<br />

dem Weg über Art. 2 ZGB wieder entzogen.<br />

Sodann begründet blosses Zuwarten mit der<br />

Rechtsausübung innerhalb der gesetzlichen<br />

Verjährungsfristen allgemein noch keinen<br />

Rechtsmissbrauch. Zum blossen Zeitablauf<br />

müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten,<br />

welche die Rechtsausübung mit der früheren<br />

Untätigkeit des Berechtigten in einem<br />

unvereinbaren Widerspruch erscheinen lassen.<br />

Solche können darin bestehen, dass dem<br />

Verpflichtenten aus der verzögerten Geltendmachung<br />

in erkennbarer Weise Nachteile<br />

erwachsen sind und dem Berechtigten die<br />

Rechtsausübung zumutbar gewesen wäre,<br />

oder darin, dass der Berechtigte mit der<br />

Geltendmachung des Anspruchs zuwartet, um<br />

sich einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen.<br />

Erkennbare Nachteile für den Verpflichteten<br />

können dabei nach der Lehre<br />

namentlich darin bestehen, dass sich die<br />

Forderung nicht mehr überprüfen lässt. Eine<br />

strengere Verwirkungsregel lässt sich insbesondere<br />

nicht aus Art. 327c Abs. 1 OR ableiten.<br />

Nach dieser Bestimmung ist der Auslagenersatz<br />

jeweils zusammen mit dem Lohn auszurichten,<br />

sofern nicht eine kürzere Frist verabredet<br />

oder üblich ist. Die Spesenabrechnung bildet<br />

die Voraussetzung für die Vergütung des<br />

Spesenersatzes. Es besteht zu ihrer Vorlage<br />

keine eigentliche Vertragspflicht, sondern eine<br />

blosse Obliegenheit des Arbeitnehmers. Wurde<br />

ein Pauschalbetrag verabredet, ist zudem<br />

ohnehin keine Spesenabrechnung erforderlich.<br />

Art. 327a und Art. 349d OR, Art. 2 Abs. 2 ZGB<br />

(BGer 4.5.05 CH-D Wirtschaft 9/2005, S. 45)<br />

■ Gesetzwidrige Vereinbarung<br />

über die Dauer der Probezeit; Beginn des<br />

Fristenlaufs bei der ordentlichen Kündigung<br />

Vertragsauslegung und Lückenfüllung in Bezug<br />

auf die Kündigungsfrist im Fall, dass eine<br />

gegen das Gesetz verstossende Dauer der<br />

Probezeit vereinbart wird. Für die Berechnung<br />

der Kündigungsfrist gilt der Grundsatz, dass<br />

diese mit der Zustellung der Kündigung bzw.<br />

am darauf folgenden Tag zu laufen beginnt und<br />

am entsprechenden Tag des der Dauer der<br />

Frist entsprechenden Monats endet.<br />

Art. 335b und Art. 335c OR<br />

(BGer., 14.4.05, BGE 131 III 467)<br />

■ Convention illicite sur la durée du temps<br />

d’essai; point de départ du délai<br />

de congé en cas de résiliation ordinaire<br />

Interprétation du contrat et comblement d’une<br />

lacune concernant le délai de congé, quand le<br />

temps d’essai convenu excède la durée admise<br />

par la loi. Pour la computation du délai de<br />

congé, il est de règle que celui-ci court dès la<br />

signification du congé, soit dès le jour suivant,<br />

et qu’il prend fin au jour correspondant dans le<br />

mois déterminé par la durée du délai.<br />

Art. 335b et art. 335c CO<br />

(TF, 14.4.05, ATF 131 III 467)<br />

■ Transportstuhl zu Schrott gefahren;<br />

trotz vorsätzlicher Sachbeschädigung keine<br />

fristlose Entlassung<br />

Eine frische Entlassung und die ihr vorangegangene<br />

Abmahnung müssen laut einem Urteil<br />

des Bundesgerichts in thematischem Zusammenhang<br />

stehen.<br />

Das Bundesgericht hat wie zuvor schon das<br />

Obergericht des Kantons Bern die fristlose<br />

Entlassung eines Rettungssanitäters für unzulässig<br />

erklärt, der vorsätzlich einen Transportstuhl<br />

zu Schrott gefahren hatte. Zu dem Vorfall<br />

war es gekommen, nachdem in einer Weiterbildung<br />

ein neuer Transportstuhl vorgestellt<br />

worden war, den das fragliche Spital im kommenden<br />

Budgetjahr anschaffen wollte.<br />

Nachdem scherzhaft eingewendet worden war,<br />

das neue Modell würde bereits früher angeschafft,<br />

wenn der alte Transportstuhl kaputtginge,<br />

war der Rettungssanitäter rollend zur Tat<br />

geschritten und hatte das Gerät mit einem<br />

Allradfahrzeug überrollt.<br />

Das Spital sprach deswegen die fristlose Entlassung<br />

des Rettungssanitäters aus, der zuvor<br />

schon einmal abgemahnt worden war, weil er<br />

das Notfallhandy des Rettungsdienstes für private<br />

Auslandgespräche verwendet hatte. Das<br />

Berner Obergericht verneinte indes einen wichtigen<br />

Grund für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses<br />

ohne Einhaltung der Kündigungsfrist<br />

(Art. 337 OR), und das vom Arbeitgeber angerufene<br />

Bundesgericht bestätigte nun diese<br />

Rechtsauffassung.<br />

Laut dem einstimmig gefällten Urteil der I.<br />

Zivilabteilung hat die Abmahnung zugleich<br />

Rüge- und Warnfunktion. Letzteren Zweck<br />

kann die Abmahnung indes nur erfüllen,<br />

«wenn sie als solche erkennbar ist und der<br />

Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unmissverständlich<br />

klar macht, dass er den oder die begangenen<br />

Fehler schwer gewichtet und deren<br />

Wiederholung nicht sanktionslos hinzunehmen<br />

bereit ist». Der Arbeitnehmer muss klar erkennen<br />

können, was der Patron nicht mehr tolerieren<br />

wird und wie er sich in Zukunft zu verhalten<br />

hat.<br />

Im beurteilten Fall war der entlassene Rettungssanitäter<br />

einzig wegen des Missbrauchs<br />

des Notfallhandys verwarnt worden. Hingegen<br />

sind aus Sicht des Bundesgerichts keine Warnungen<br />

ersichtlich, die sich «thematisch auch<br />

nur entfernt» auf den Umgang mit Arbeitsmaterial<br />

beziehen. Daher «ist davon auszugehen,<br />

dass der Zerstörung des Transportstuhls<br />

keine Abmahnung vorausging». Zudem hatte<br />

der Arbeitgeber mit der fristlosen Entlassung<br />

geraume Zeit zugewartet, weshalb ihm laut<br />

dem Urteil aus Lausanne die Fortsetzung des<br />

Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen<br />

Kündigungsfrist zuzumuten ist. Dies<br />

umso mehr, als «sich der Vorfall auch objektiv<br />

als einmaliges, aus der besonderen Situation<br />

heraus entstandenes Ereignis einstufen» lässt.<br />

Art. 337 OR<br />

(BGer., 12.1.06 {4C.364/2005}, NZZ, 22.3.2006<br />

(Nr. 68), S. 17, Jusletter 27.3.2006)<br />

■ Formfreiheit des Einzelarbeitsvertrages;<br />

Lohnkürzung<br />

Stillschweigende Zustimmung des Arbeitnehmers<br />

zu einer Lohnkürzung. In casu nahm dieser<br />

während der Gesamtdauer seines auf zehn<br />

Monate befristeten Arbeitsverhältnisses einen<br />

geringeren als den ursprünglich vereinbarten<br />

Lohn vorbehaltlos entgegen. Da der Arbeitnehmer<br />

bei einem befristeten Arbeitsvertrag<br />

keinen Stellenverlust befürchten musste, wäre<br />

ihm ein Protest zumutbar gewesen.<br />

Art. 322 und Art. 341 OR<br />

(BGer., 9.11.05, ARV 2006, S. 29)<br />

■ Liberté de la forme du contrat individuel<br />

de travail; réduction du salaire<br />

Acceptation tacite d’une réduction de salaire<br />

par le travailleur. En l’occurrence, le travailleur<br />

a accepté sans protester, pendant les dix mois<br />

d’un contrat de travail de durée déterminée, un<br />

salaire inférieur au salaire initialement convenu.<br />

Dès lors que le travailleur n’avait pas à<br />

craindre la perte de son emploi vu la durée<br />

déterminée du contrat, on pouvait attendre de<br />

lui qu’il proteste en cas de désaccord.<br />

Art. 322 et art. 341 CO<br />

(TF, 9.11.05, DTA 2006, p. 29)<br />

TREX L’expert fiduciaire 3/2006 179


praxis_pratique<br />

Lohnanspruch des Arbeitnehmers<br />

Lohnanspruch des Arbeitnehmers, der aus<br />

einem in seiner Person liegenden Grund ohne<br />

eigenes Verschulden an der Arbeitsleistung<br />

verhindert wird. Abweichung von dieser Regelung.<br />

Die Dauer des Arbeitsverhältnisses von über<br />

drei Monaten, ab welcher der Lohnanspruch<br />

des Arbeitnehmers besteht, berechnet sich ab<br />

dem Tag der Arbeitsaufnahme. Wird der<br />

Arbeitnehmer ohne Verschulden innert der<br />

ersten drei Monate an der Arbeitsleistung verhindert,<br />

so hat der Arbeitnehmer im Rahmen<br />

eines unbefristeten Arbeitsvertrags, der eine<br />

Kündigungsfrist von drei oder weniger Monaten<br />

vorsieht, keinen Lohnanspruch vor dem ersten<br />

Tag des vierten Monats des Arbeitsverhältnisses;<br />

der Arbeitnehmer hat daher den Lohnausfall<br />

während der Karenzfrist von drei<br />

Monaten auf sich zu nehmen. Form, die es gemäss<br />

Art. 324a Abs. 4 OR ermöglicht, von dieser<br />

Regelung abzuweichen. Art. 324a Abs. 2<br />

OR erlaubt es den Vertragsparteien, durch eine<br />

Vereinbarung, die keiner besonderen Form<br />

bedarf, dem Arbeitnehmer die Deckung des<br />

Lohnausfalls während der Karenzfrist zuzusichern.<br />

Art. 324a OR<br />

(Bger., 30.9.05, BGE 131 III 623)<br />

■ Droit au salaire du travailleur<br />

Droit au salaire du travailleur empêché de travailler<br />

sans faute de sa part pour une cause<br />

inhérente à sa personne. Dérogation au régime<br />

de base institué par cette norme.<br />

La durée de plus de trois mois des rapports de<br />

travail qui conditionne le droit au salaire du travailleur<br />

empêché débute le jour de la prise<br />

d’emploi. Lorsqu’il a été engagé par un contrat<br />

de durée indéterminée prévoyant un délai de<br />

congé égal ou inférieur à trois mois et qu’il<br />

devient incapable de travailler sans faute de sa<br />

part au cours des trois premiers mois d’emploi,<br />

le travailleur, dans le régime de base, n’a pas<br />

droit à son salaire avant le premier jour du quatrième<br />

mois des relations de travail; dans cette<br />

situation, le travailleur doit donc supporter un<br />

délai de carence de trois mois. Forme par<br />

laquelle il est possible, en vertu de l’art. 324a<br />

al. 4 CO, de déroger au régime de base.<br />

L’art. 324a al. 2 CO permet aux parties contractantes<br />

d’assurer au travailleur, par un accord<br />

qui n’est soumis à aucune forme spéciale, la<br />

couverture des empêchements de travailler<br />

survenant pendant le délai de carence.<br />

Art. 324a CO<br />

(TF, 30.9.05, ATF 131 III 623)<br />

ZIVILRECHT<br />

DROIT CIVIL<br />

■ Vorsorgefall in Zwischenstadium<br />

Die Austrittsleistung der Pensionskasse ist<br />

unter den rechtskräftig geschiedenen Ehegatten<br />

auch dann zu teilen, wenn beim versicherten<br />

Ehegatten noch vor Durchführung der<br />

Teilung ein Vorsorgefall eintritt.<br />

Gemäss Artikel 122 ZGB haben die Ehegatten<br />

bei der Scheidung Anspruch auf die Hälfte der<br />

Austrittsleistung des anderen Ehegatten, sofern<br />

noch kein Vorsorgefall eingetreten ist. Nach<br />

Eintritt eines Vorsorgefalls legt der Richter gemäss<br />

Artikel 124 ZGB eine «angemessene<br />

Entschädigung» fest. Die II. Zivilabteilung hat<br />

nun entschieden, dass der einmal rechtskräftig<br />

gewordene Entscheid des Scheidungsrichters<br />

über eine Teilung nicht mehr geändert werden<br />

kann, wenn bei einem Ehegatten der Vorsorgefall<br />

eintritt, noch bevor das zuständige Versicherungsgericht<br />

die Teilung durchgeführt hat.<br />

Vielmehr bleibe für die Frage des Eintritts des<br />

Vorsorgefalls der Zeitpunkt entscheidend, an<br />

dem das Scheidungsurteil rechtskräftig werde.<br />

Der Entscheid über die Teilung ist kein blosser<br />

Vorentscheid, auch wenn er noch nicht alle<br />

Aspekte regelt. Dass eine Vorsorgeeinrichtung<br />

nach der Scheidung allenfalls bereits eine<br />

Rente auf Basis des noch ungeteilten Altersguthabens<br />

berechnet und ausbezahlt hat,<br />

spielt gemäss Bundesgericht keine Rolle.<br />

Art. 122 und Art. 124 ZGB<br />

(Bger., 16.2.06 {BGE 5C.118/2005}, Peter Josi, NZZ,<br />

26.4.06 [Nr. 96], S. 14, Jusletter 1.5.06)<br />

■ Bemessung der Alimente:<br />

Ehefrau kommt vor erwachsenem Kind<br />

Die gegenseitige Unterstützungspflicht der<br />

Ehegatten geht laut einem neuen Urteil des<br />

Bundesgerichts der elterlichen Unterstützungspflicht<br />

gegenüber volljährigen Kindern<br />

vor.<br />

Daher dürfen im Rahmen vorsorglicher Massnahmen<br />

für die Dauer des Scheidungsverfahrens<br />

Beiträge an den Unterhalt erwachsener<br />

Kinder nicht zum erweiterten Existenzminimum<br />

des alimentenpflichtigen Gatten<br />

gerechnet werden.<br />

Zu beurteilen war in Lausanne der Fall eines<br />

Ehepaars in Scheidung mit drei erwachsenen<br />

Kindern. Der kantonale Richter hatte der Ehefrau<br />

einen Unterhaltsbeitrag von 900 Franken<br />

zugesprochen und dabei berücksichtigt, dass<br />

der Mann monatlich 2000 Franken an den<br />

Unterhalt zweier erwachsener Töchter beisteuert.<br />

Dieses Vorgehen ist jetzt vom Bundesgericht<br />

auf staatsrechtliche Beschwerde der<br />

Ehefrau hin für willkürlich erklärt worden. Laut<br />

einstimmig gefälltem Urteil der II. Zivilabteilung<br />

muss der Notbedarf des Ehemannes um 2000<br />

Franken reduziert und der Alimentenanspruch<br />

der Gattin entsprechend erhöht werden.<br />

Art. 125, Art. 137 Abs. 2, Art. 163 und Art. 277<br />

Abs. 2 ZGB<br />

(BGer., 19.1.06 {5P.361/2005}, NZZ, 2.3.2006<br />

[Nr. 51], S. 51, Jusletter 6.3.2006)<br />

■ Verwandtenunterstützung und Sozialhilfe<br />

Der kantonale Entscheid über die Unterstützungspflicht<br />

von Verwandten beruht auf<br />

Ermessen. Die Verwandtenunterstützung geht<br />

nicht weiter ais die Sozialhilfe, muss aber mindestens<br />

den nach betreibungsrechtlichen<br />

Regeln ermittelten Notbedarf gewährleisten.<br />

Zur Leistung von Unterstützung hat der pflichtige<br />

Verwandte sein Vermögen anzugreifen,<br />

soweit es nicht längerfristig zur Sicherung seiner<br />

weiteren Existenz, namentlich im Hinblick<br />

auf das Alter, unangetastet bleiben muss.<br />

Art. 328 f. ZGB<br />

(BGer., 22.12.05, BGE 132 III 97)<br />

■ Obligation alimentaire et aide sociale<br />

La décision cantonale relative à l’obligation alimentaire<br />

relève de l’appréciation du juge. Les<br />

prestations nécessaires à l’entretien du créancier<br />

d’aliments ne sont pas plus étendues que<br />

celles de l’aide sociale, mais doivent au moins<br />

couvrir le minimum vital calculé selon les<br />

règles du droit de la poursuite. Pour fournir ces<br />

prestations, le débiteur d’aliments est tenu<br />

d’entamer sa fortune, à moins que celle-ci ne<br />

doive demeurer intacte pour assurer à long terme<br />

ses moyens d’existence, notamment sa<br />

prévoyance vieillesse.<br />

Art. 328 s. CC<br />

(TF, 22.12.05, ATF 132 III 97)<br />

■ Anwalt als erbunwürdiger Alleinerbe:<br />

Streit um das millionenschwere Erbe der<br />

Hildegard Kirchbach<br />

Wähnt sich eine Klientin mit ihrem Anwalt in<br />

Freundschaft verbunden, obwohl dieser lediglich<br />

seinen Job gegen Honorar macht und sich<br />

bereichern will, muss er die Situation klären,<br />

wenn die betagte Dame ihn zum Alleinerben<br />

machen will. Das entschied das Bundesgericht<br />

im Zusammenhang mit dem Streit um das<br />

grosse Kirchbach-Vermögen.<br />

Der Streit um das millionenschwere Erbe der<br />

1995 in Basel verstorbenen Hildegard Kirchbach<br />

– Barvermögen sowie eine millionenschwere<br />

Kunstsammlung mit Gemälden von<br />

Franz Mark, Emil Nolde und Ferdinand Hodler<br />

sowie wertvollen Skulpturen – ist auch vor Bundesgericht<br />

zugunsten des Deutschen Eckbert<br />

von Bohlen und Halbach ausgegangen (NZZ<br />

25.1.02). In Lausanne wurde ein Entscheid<br />

180 TREX Der Treuhandexperte 3/2006


praxis_pratique<br />

TREX<br />

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STV USF<br />

1/05<br />

Bestellschein im TREX 2.2006, Seite 95<br />

STV USF<br />

TREX<br />

L’ E X P E RT F I D U C I A I RE – DE R TR E U H A N D E X P E RT E<br />

2/05<br />

STV USF<br />

TREX<br />

L’EX P E RT FIDU C I A IRE – D E R T R E U H A N D E X P E RT E<br />

TREX L’expert fiduciaire 3/2006 181


praxis_pratique<br />

des Appellationsgerichts des Kantons Basel-<br />

Stadt bestätigt, wonach der von der Verstorbenen<br />

als Alleinerbe und Willensvollstrecker eingesetzte<br />

Zürcher Rechtsanwalt Werner Stauffacher<br />

erbunwürdig ist und das Amt des<br />

Willensvollstreckers nicht ausüben darf.<br />

Stauffacher war seit 1991 für die Erblasserin<br />

als Rechtsanwalt tätig gewesen und hatte sie<br />

unter anderem bei der Durchsetzung von<br />

Rückerstattungsansprüchen in der ehemaligen<br />

Deutschen Demokratischen Republik vertreten.<br />

In der Folge betreute er die über achtzig<br />

Jahre alte Frau auch persönlich bis zu ihrem<br />

Tod. Das Testament, in dem die Witwe den<br />

Rechtsanwalt als Alleinerben und Willensvollstrecker<br />

eingesetzt hatte, war von Eckbert von<br />

Bohlen und Halbach, einem Spross der Krupp-<br />

Dynastie, unter Berufung auf ein anderes<br />

Testament aus dem Jahre 1987 angefochten<br />

worden, das ihn als Alleinerben des Vermögens<br />

Kirchbach bestimmte, aber im Original nicht<br />

mehr vorliegt.<br />

Das erstinstanzlich urteilende Basler Zivilgericht<br />

hatte das Testament, in welchem Stauffacher<br />

begünstigt wird, wegen offensichtlicher<br />

Erbschleicherei für ungültig erklärt. Das zweitinstanzlich<br />

zuständige Appellationsgericht be-<br />

jahte hingegen die Gültigkeit des letzten Willens,<br />

schloss Werner Stauffacher aber wegen<br />

Erbunwürdigkeit von Erbe und Testamentsvollstreckung<br />

aus. Das geschah mit der Begründung,<br />

der Rechtsanwalt hätte die alte Frau<br />

zumindest auf seinen Interessenkonflikt hinweisen<br />

und sie zu einem unabhängigen Berater<br />

schicken müssen. Für das Bundesgericht<br />

ist indes «eher fraglich», ob diese Unterlassung<br />

(adäquat) kausal dafür war, dass das Testament<br />

nicht widerrufen wurde.<br />

Die Frage konnte im Urteil offen bleiben. Für<br />

das Bundesgericht liegt die Erbunwürdigkeit<br />

darin begründet, dass Stauffacher «die Erblasserin<br />

als seine Klientin in der Fehlvorstellung<br />

belassen hat, seine Bemühungen beruhten auf<br />

echter Freundschaft und Zuneigung, und ihr<br />

nicht klargelegt hat, dass es sich dabei um seine<br />

Gegenleistung für die Bezahlung des von<br />

ihm in Rechnung gestellten Anwaltshonorars<br />

handelt». Während vier Jahren bestand ein<br />

Vertrauensverhältnis zwischen den beiden,<br />

wobei der Anwalt beinahe die einzige Bezugsperson<br />

der betagten Klientin war. Stauffacher<br />

beteuerte zwar seinerseits freundschaftliche<br />

Gefühle, wollte sich gemäss den Feststellungen<br />

des Appellationsgerichts aber bereichern. Unter<br />

diesen Umständen wäre er nach Auffassung<br />

des Bundesgerichts «verpflichtet gewesen,<br />

die Erblasserin über sein tatsächliches<br />

Verhältnis zu ihr aufzuklären».<br />

Art. 519, Art. 540 ZGB<br />

(BGer., 6.2.06 {5C.121/2005 und 5P.161/2005}, NZZ,<br />

14.3.2006 [Nr. 61], S. 54, Jusletter 20.3.2006)<br />

SCHULDBETREIBUNGS- UND<br />

KONKURSRECHT<br />

DROIT DE LA POURSUITE POUR<br />

DETTES ET LA FAILLITE<br />

■ Versteigerung eines verpfändeten<br />

Grundstücks<br />

Der Heizölvorrat in der Liegenschaft auf dem<br />

zugeschlagenen Grundstück ist weder Bestandteil<br />

nach Art. 642 Abs. 1 ZGV noch Zugehör<br />

nach Art. 644 Abs. 1 ZGB. Dem Ersteigerer<br />

darf deshalb der Heizölbestand in<br />

Rechnung gestellt werden. Bis zum Tag, auf<br />

den mit dem Ersteigerer über den Heizölbestand<br />

abgerechnet wird, hat die amtliche<br />

Grundstücksverwaltung mit den Mietern über<br />

die Nebenkosten zu Lasten des bisherigen<br />

Eigentümers abzurechnen. Andererseits hat<br />

182 TREX Der Treuhandexperte 3/2006


praxis_pratique<br />

sie dem Ersteigerer die von den Mietern für die<br />

Zeit danach einbezahlten Nebenkosten gutzuschreiben.<br />

Art. 156 SchKG<br />

(Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und<br />

Konkurs, Basel-Stadt, 5.11.04, BISchK 2005 S. 239)<br />

■ Réalisation d’un immeuble constitué<br />

en gage<br />

La réserve de mazout servant au chauffage<br />

d’un immeuble adjuge au cours d’enchères<br />

publiques n’est pas une partie intégrante du<br />

fonds au sens de l’art. 642 al. 1 CC ni un<br />

accessoire de celui-ci selon l’art. 644 al. 1 CC.<br />

Par conséquent, cette réserve n’est pas devenue<br />

la propriété de l’adjudicataire et doit lui<br />

être facturée en sus du pris d’adjudication.<br />

Jusqu’au jour auquel cette réserve est mesurée<br />

et facturée à l’adjudicataire, celui qui assume<br />

la gérance de l’immeuble doit mettre à la charge<br />

de l’ancien propriétaire le décompte concernant<br />

les frais accessoires du bail; en revanche,<br />

pour ce qui concerne la période postérieure à<br />

cette date, il doit attribuer à l’adjudicataire les<br />

acomptes versés par les locataires pour la<br />

période suivant cette date.<br />

Art. 156 LP<br />

(Autorité de surveillance BS, 5.11.04, BISchK 05 p. 239)<br />

STRAFRECHT<br />

DROIT PÉNAL<br />

■ Falschbeurkundung<br />

Die so genannte Vollständigkeitserklärung des<br />

verantwortlichen Organs einer AG ist entgegen<br />

der bisherigen Rechtsprechung lediglich eine<br />

gegenüber der Revisionsstelle abgegebene Behauptung<br />

ohne Urkundenqualität, der im Falle<br />

der Unwahrheit nur der Charakter einer schriftlichen<br />

Lüge zukommt.<br />

Art. 251 StGB, Art. 728 Abs. 2 aOR<br />

(BGer., 30.11.05, SJZ 2006 S. 107)<br />

■ Faux dans les titres<br />

Contrairement à la jurisprudence actuelle, la<br />

déclaration d’intégralité du bilan de l’organe<br />

responsable d’une société anonyme ne constitue<br />

qu’une simple allégation à l’égard de l’organe<br />

de révision et n’a pas la qualité de titre. En<br />

cas de mensonge, elle n’a ainsi que le caractère<br />

d’un mensonge écrit.<br />

Art. 251 LP, art. 728 al. 2 vco<br />

(TF, 30.11.05, SZJ 2006 p. 107)<br />

■ Grobe Verkehrsregelverletzung<br />

durch ungenügenden Abstand beim<br />

Hintereinanderfahren<br />

Fall eines Automobilisten, der mit einer Geschwindigkeit<br />

von über 100 km/h auf dem<br />

Überholstreifen einer richtungsgetrennten Autostrasse<br />

einem Personenwagen, der im Begriffe<br />

war, zwei Fahrzeuge zu überholen, über eine<br />

Strecke von 800 m in einem Abstand von zirka<br />

10 m folgte in der offenkundigen Absicht, den<br />

Vordermann zur Beschleunigung der Fahrt oder<br />

zum Wechseln auf den rechten Fahrstreifen zu<br />

drängen. Grobe Verkehrsregelverletzung durch<br />

ungenügenden Abstand bejaht.<br />

Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 34 Abs. 4 SVG<br />

und Art. 12 Abs. 1 VRV<br />

(BGer., 11.2.05, BGE 131 IV 133)<br />

■ Violation grave des règles de la circulation<br />

par l’inobservation d’une distance<br />

suffisant lorsque des véhicules se suivent<br />

Cas d’un automobiliste qui, à plus de 100 km/h<br />

sur la voie de dépassement d’une semi autoroute<br />

avec chassées séparées dans les deux<br />

directions, a suivi sur 800 m et à une distance<br />

de 10 m environ, une voiture en train de<br />

dépasser deux véhicules, cela dans l’intention<br />

manifeste de contraindre le conducteur ainsi<br />

talonné d’accélérer ou de se rabattre sur la piste<br />

de droite. Une violation grave des règles de<br />

la circulation pour inobservation d’une distance<br />

suffisante a été retenue à sa charge.<br />

Art. 90 ch. 2 LCR en liaison avec l’art. 34 al. 4<br />

LCR et l’art. 12 al. 1 OCR<br />

(TF, 11.2.05, ATF 131 IV 133)<br />

■ Missachtung eines Fahrverbots; Tragweite<br />

einer signalisierten Ausnahmeerlaubnis<br />

Die Zusatztafel zu einem Fahrverbot mit dem<br />

Hinweis «Zufahrt für Anwohner, Taxi, PTT,<br />

öffentl. Dienste und zum Güterumschlag jederzeit<br />

gestattet» ist im Sinne eines zweckgerichteten<br />

und auf die genannten Kreise beschränkten<br />

Zubringerdienstes zu verstehen. Die Ausnahmeerlaubnis<br />

erstreckt sich nicht auf reine<br />

Durchfahrten.<br />

Art. 19 Abs. 1 lit. a und b SSV, Art. 1 Abs. 5,<br />

Art. 17 Abs. 1 und Art. 63–65 SSV<br />

(BGer., 2.5.05, BGE 131 IV 138)<br />

■ Violation d’une interdiction de circuler;<br />

portée d’une autorisation indiquée par un<br />

signal<br />

La plaque complémentaire à une interdiction<br />

de circuler indiquant «Accès autorisé en tout<br />

temps pour les riverains, les taxis, les PTT, les<br />

services publics et pour le chargement et le<br />

déchargement de marchandises» doit être<br />

comprise comme une autorisation pour livraisons,<br />

limitée aux cercles indiqués. Elle ne<br />

s’étend pas au passage.<br />

Art. 19 al. 1 let. a et b OSR, art. 1 al. 5, art. 17<br />

al. et art. 63–65 OSR<br />

(TF, 2.5.05, ATF 131 IV 138)<br />

VERFASSUNGSRECHT<br />

DROIT CONSTITUTIONNEL<br />

■ Materielle Enteignung: Abgrenzung von<br />

Auszonung und Nichteinzonung<br />

Eine Auszonung liegt vor, wenn eine Parzelle,<br />

die durch einen Nutzungsplan, der dem Richtplanungsgestz<br />

entspricht (RPG), der Bauzone<br />

zugeteilt worden war, aufgrund einer Zonenplanrevision<br />

neu einer Nichtbauzone zugeteilt<br />

wird.<br />

Das gilt auch dann, wenn aufgrund veränderter<br />

Verhältnisse eine Verkleinerung der Bauzone<br />

zwingend geboten ist. Auch bei einer Auszonung<br />

ist zu prüfen, ob die Berechtigung zum<br />

Bauen in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

hätte realisiert werden können. Dabei<br />

sind die Fristen zu berücksichtigen, mit denen<br />

die Planung zu rechnen hat.<br />

Art. 26 Abs. 2 BV, Art. 5 Abs. 2 RPG<br />

(BGer., 24.10.05, BGE 131 II 728)<br />

■ Expropriation matérielle: délimitation<br />

entre le déclassement et le refus de classer<br />

Il y a déclassement lorsqu’une parcelle, qui<br />

avait été classée en zone à bâtir par un plan<br />

d’affectation conforme à la LAT, est nouvellement<br />

classée en zone non constructible à la<br />

suite d’une révision du plan de zones. Cela<br />

vaut aussi lorsqu’une réduction de la zone à<br />

bâtir est ordonnée de manière contraignante à<br />

la suite d’un changement de circonstances. En<br />

cas de déclassement aussi, il convient d’examiner<br />

si la possibilité de construire dans un futur<br />

proche apparaissait comme très probable. A<br />

cet égard, il faut prendre en considération les<br />

délais inhérents à la planification.<br />

Art. 26 al. 2 Cst., Art. 5 al. 2 LAT<br />

(TF, 24.10.05, ATF 131 II 728)<br />

■ Folgenschwere Abgrenzung:<br />

Änderung oder Neuabschluss des<br />

Versicherungsvertrags?<br />

Wird eine bestehende gemischte Lebensversicherung<br />

auf das Risiko Unfalltod ausgeweitet,<br />

ist dies laut einem neuen Urteil des Bundesgerichts<br />

als Abschluss eines neuen Versicherungsvertrags<br />

zu werten und nicht bloss als<br />

Vertragsänderung.<br />

Der Unterschied war im beurteilten Fall von<br />

erheblicher Bedeutung, weil die versicherte<br />

Person beim Abschluss des ersten Vertrags<br />

einen Spitalaufenthalt verschwiegen hatte, der<br />

im Zeitpunkt der Vertragserweiterung nicht<br />

mehr erwähnt werden musste, weil der Fragebogen<br />

nur Auskunft über die letzten zehn<br />

Jahre verlangte.<br />

Der erste Vertrag war im Jahre 1992 abgeschlossen<br />

worden. 1995 wurde die Versicherungssumme<br />

erhöht, 1996 erfolgte bei gleich<br />

TREX L’expert fiduciaire 3/2006 183


praxis_pratique<br />

bleibender Versicherungssumme die Erweiterung<br />

auf das Risiko Unfalltod, und 1998 wurde<br />

noch einmal die Summe erhöht. Als die<br />

Versicherte im Jahre 2003 invalid wurde, trat<br />

die Versicherung vom Vertrag zurück und<br />

machte geltend, beim Abschluss der Versicherung<br />

im Jahre 1992 habe ihr die Kundin im<br />

Fragenkatalog eine im Alter von 16 Jahren<br />

erfolgte längere Hospitalisierung verschwiegen.<br />

Die kantonalen Gerichte schützten die Auffassung<br />

der Versicherung, doch hat das Bundesgericht<br />

nun den Rücktritt vom Vertrag für<br />

unzulässig erklärt und der Betroffenen Anspruch<br />

auf Versicherungsleistungen zugesprochen.<br />

Im einstimmig gefällten Urteil der II. Zivilabteilung<br />

bleibt offen, ob auch die in den Jahren<br />

1995 und 1998 erfolgten Erhöhungen der<br />

Versicherungssumme als neue Versicherungsabschlüsse<br />

oder bloss als Vertragsänderungen<br />

zu werten sind. Auf jeden Fall mit der Ausweitung<br />

des versicherten Risikos auf den Unfalltod<br />

im Jahre 1996 ist nach Auffassung des<br />

Bundesgerichts ein neuer Vertrag geschlossen<br />

worden. Das ergibt sich im Übrigen auch aus<br />

der neu ausgestellten Police selbst, auf der vermerkt<br />

ist, dass damit der bisherige Versicherungsvertrag<br />

(und nicht die bisherige Versicherungspolice)<br />

ersetzt wird. Damit aber ist die<br />

unvollständige Risikodeklaration aus dem<br />

Jahre 1992 nicht mehr von Bedeutung. Relevant<br />

ist einzig der im Jahre 1996 vorgelegte<br />

Fragenkatalog, der nur über die letzten zehn<br />

Jahre Auskunft verlangte und daher – trotz<br />

dem Verschweigen des damals fast zwanzig<br />

Jahre zurückliegenden Spitalaufenthalts – korrekt<br />

beantwortet worden war.<br />

Art. 1, Art. 2, Art. 4 Abs. 1 und Art. 6VVG<br />

(BGer., 23.1.06 {5C.168/2005}, NZZ, 1.3.2006<br />

[Nr. 50], S. 19, Jusletter 6.3.2006)<br />

Im beurteilten Fall hatte der Ehemann an seinem<br />

Wohnsitz in Graubünden ein Verfahren<br />

zur güterrechtlichen Auseinandersetzung eingeleitet,<br />

worauf die Ehefrau ein halbes Jahr<br />

später an ihrem Wohnsitz im Kanton Thurgau<br />

die Scheidungsklage einreichte. Die Sache<br />

wurde auf Verlangen des Mannes an das<br />

Gericht in Graubünden überwiesen, nachdem<br />

dieses sich bereit erklärt hatte, auch das<br />

Scheidungsverfahren zu übernehmen. Ein solches<br />

Vorgehen ist laut einstimmig gefälltem<br />

Urteil der II. Zivilabteilung nicht zu beanstanden.<br />

Da das Gesetz einzig auf die zeitliche<br />

Priorität abstellt, ist hinzunehmen, dass der<br />

Gerichtsstand der Nebensache (Güterrecht)<br />

auch zum Gerichtsstand der Hauptsache<br />

(Scheidung) wird. Ebenso wenig von Belang ist<br />

der Umstand, dass die Ehefrau den an sich<br />

zwingenden Scheidungsgerichtsstand an<br />

ihrem Wohnsitz verliert (Art. 15 Gerichtsstandsgesetz).<br />

Dazu bleibt anzumerken, dass<br />

stattdessen der ebenso zwingende alternative<br />

Gerichtsstand am Wohnsitz des Ehemannes<br />

zum Tragen kommt.<br />

Art. 15 Gerichtsstandsgesetz, Art. 36 GestG<br />

(BGer., 24.1.06 {5C.245/2005}, NZZ, 17.3.2006<br />

[Nr. 64], S. 15, Jusletter 20.3.2006)<br />

VERSICHERUNGSVERTRAGSRECHT<br />

DROIT DU CONTRAT D’ASSURANCE<br />

■ Die Begünstigten in der Versicherungspolice:<br />

Widerruf oder Änderung jederzeit<br />

möglich<br />

Die in eine Lebensversicherungspolice aufgenommene<br />

Begünstigung einer Person kann<br />

laut einem neuen Urteil des Bundesgerichts<br />

vom Versicherungsnehmer jederzeit und formlos<br />

widerrufen oder abgeändert werden.<br />

Die Regelung der Begünstigung ist trotz ihrer<br />

Aufnahme in die Police nicht Gegenstand einer<br />

Vereinbarung zwischen dem Versicherten und<br />

der Versicherung. Allerdings muss die Versicherung<br />

im Todesfall nur dann an einen neuen<br />

Begünstigten zahlen, wenn sie von der<br />

Änderung erfahren hat.<br />

Zu beurteilen war das Problem eines Versicherten,<br />

der für den Fall seines Todes seine Lebensgefährtin<br />

zu 50% und seine beiden Kinder<br />

zu je 25% als Begünstigte in die Lebensversicherungspolice<br />

eintragen liess. Zwei Jahre<br />

später setzte er in einem Testament die beiden<br />

Kinder auf den Pflichtteil und ordnete an, dass<br />

alle Versicherungsleistungen an seine Lebenspartnerin<br />

gehen sollten. Ein weiteres Jahr später<br />

beantragte er für die an Fondsanteile gebundene<br />

Lebensversicherung einen Wechsel<br />

des Anlagefonds, worauf eine neue Police ausgestellt<br />

wurde. Darin waren weiterhin die beiden<br />

Kinder als Begünstigte aufgeführt, weil die<br />

Versicherung nicht über die Testamentsänderung<br />

orientiert war.<br />

Erst nach dem Tod des Versicherungsnehmers<br />

erfuhr die Versicherung durch den Willensvollstrecker<br />

vom Testament und zahlte die ganze<br />

Versicherungssumme an die Lebensgefährtin<br />

aus. Eine Klage der Kinder, die auf die<br />

Begünstigungsklausel in der Police pochten,<br />

wies das Kantonsgericht St. Gallen in einem<br />

nun vom Bundesgericht bestätigten Urteil ab.<br />

Laut dem Entscheid kommt die in der neuen<br />

Police enthaltene «alte» Begünstigungsregelung<br />

nicht zum Tragen, weil der Versicherungsnehmer<br />

beim Wechsel des Anlagefonds nicht<br />

gleichzeitig auch seine Testamentsänderung<br />

rückgängig machen wollte.<br />

(BGer. 19.8.05 [5C.131/2005], NZZ, 2.11.2005<br />

(Nr. 256), S. 15, Jusletter 7.11.2005)<br />

ZIVILPROZESSRECHT<br />

DROIT PROCÉDURE CIVILE<br />

■ Scheidung an fremdem Ort<br />

Werden bei verschiedenen Gerichten Klagen<br />

eingereicht, die miteinander in sachlichem<br />

Zusammenhang stehen, kann gemäss dem<br />

neuen Gerichtsstandsgesetz «jedes später angerufene<br />

Gericht das Verfahren aussetzen, bis<br />

das zuerst angerufene entschieden hat».<br />

Sodann kann das später angerufene Gericht<br />

«die Klage an das zuerst angerufene Gericht<br />

überweisen, wenn dieses mit der Übernahme<br />

einverstanden ist» (Art. 36 GestG). Ein solcher<br />

sachlicher Zusammenhang besteht nach<br />

Auffassung des Bundesgerichts zwischen dem<br />

eigentlichen Scheidungsverfahren und der<br />

güterrechtlichen Auseinandersetzung unter<br />

den Ehegatten.<br />

184 TREX Der Treuhandexperte 3/2006

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