28.09.2014 Aufrufe

trafik a nten zeitung Mai/2012

trafik a nten zeitung Mai/2012

trafik a nten zeitung Mai/2012

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

porträt<br />

Der Kammer-Rebell<br />

Im Februar 1972 eröffnete sein vollblinder Vater die Trafik an der Grenze zwischen zwölftem<br />

und 23. Bezirk. Seit 1978 steht Robert Fürnberg selbst als Chef hinter dem Tresen. In dieser<br />

langen Zeit hat sich viel verändert - nicht unbedingt zum Besseren.<br />

„Fast hätte mein Vater das<br />

40jährige Firmenjubiläum<br />

noch erlebt.“ erzählt der<br />

selbst schon ergraute Inhaber.<br />

Es hat dann doch nicht<br />

sein sollen.<br />

Als Robert Fürnberg die<br />

Trafik übernimmt hat er<br />

rund 50 Sorten Zigaretten<br />

und knapp 20 verschiedene<br />

Cigarren im Programm.<br />

Wenig Auswahl, dafür aber<br />

viele Kollegen: Alleine in<br />

Meidling gibt es rund 80<br />

Trafiken. Gelesen wird in<br />

den 70er-Jahren auch noch<br />

brav - Zeitungen und Zeitschriften<br />

steuern eine schöne<br />

halbe Million Schilling zum Gesamtumsatz<br />

bei.<br />

„Heute“ erzählt er, „sind die<br />

Zeitschriften mehr Kundendienstleistung<br />

als Geschäft. Bei<br />

25.000 Euro pro Jahr kann und<br />

muß man sein Sortiment bewusst<br />

straffen und ausdünnen.<br />

So führe ich schon seit 10 Jahren<br />

auch keine Briefmarken mehr.“<br />

Bei den Tabakwaren ist Robert<br />

Fürnberg den umgekehrten Weg<br />

gegangen und hat sich - lange<br />

vor dem Cigarrentrend - spezialisiert.<br />

So wurden aus 50 Zigarettensorten<br />

heute 200, die<br />

Cigarren überflügeln diese Zahl<br />

mit 300 sogar noch. „1984 habe<br />

ich die ersten Cigarren-Kurse gemacht,<br />

danach wurde das Thema<br />

zur Leidenschaft.“<br />

Lange schon teilt er sich den Verkauf<br />

mit seiner Lebensgefährtin,<br />

seit 12 Jahren ist auch eine Vollzeit-Mitarbeiterin<br />

im Team. „Ein<br />

Tabakfachgeschäft ist wie ein<br />

Bauernhof - es funktioniert nur<br />

als Familienbetrieb.“ Macht der<br />

Beruf nach so langer Zeit noch<br />

immer Freude? In den letzten<br />

Jahren haben Freude und Motivation<br />

doch ziemlich gelitten:<br />

Der Verdienst sinkt jedes Jahr,<br />

der Druck auf Raucher steigt. In<br />

diesem Umfeld von „Strukturbereinigung“<br />

zu sprechen lässt<br />

Fürnberg´s Augen aufblitzen:<br />

„Die ist doch schon passiert!<br />

Von ehemals rund 80 Meidlinger<br />

Trafika<strong>nten</strong> gibt es heute knapp<br />

die Hälfte. In Wahrheit befinden<br />

wir uns längst in einer Zeit<br />

des Substanzverlustes.“ Über die<br />

Gründe muss nicht lange spekuliert<br />

werden: „Bei Zigaretten wie<br />

Feinschnitt gehen die Spannen<br />

runter, bei Vignette und Brieflos<br />

wurden sie quasi halbiert. Lotto<br />

boomt, aber die Trafika<strong>nten</strong><br />

verdienen weniger daran. Zwölf<br />

Jahre Trinkl zeigen ihre Spuren.“<br />

Es läge dabei nicht nur an den<br />

handelnden Personen, wie Fürnberg<br />

meint. „Der Hund liegt<br />

im Kammersystem begraben.<br />

Man kann nur Fraktionen wählen,<br />

nicht aber Personen. Also<br />

bekommt man als zahlendes<br />

Zwangsmitglied den Vertreter,<br />

den seine Partei schickt. Und die<br />

Parteien sind froh, wenn sie wen<br />

finden, der es machen will.“<br />

„Wir Trafika<strong>nten</strong> sind<br />

in Geiselhaft von ÖVP-<br />

Fraktionen, die nicht<br />

mit einander reden.“<br />

Schlecht verhandelte Konditionen<br />

als Markenzeichnen einer<br />

Germialvertretung, die nicht<br />

nach den Bedürfnissen ihrer Mitglieder<br />

fragt, ein absolutistischer<br />

Führungsstil und Aussagen wie<br />

„Von 17 Kollegen, die zusperren,<br />

sind 15 selber schuld.“ waren<br />

dann aber doch zu viel: Fürnberg<br />

stellte im Februar <strong>2012</strong> auf<br />

der Plattform www.<strong>trafik</strong>ant.info<br />

die Frage nach der Zufriedenheit<br />

mit der Standesvertretung. Von<br />

700 registrierten Mitgliedern<br />

sind dort rund 200 aktiv. An der<br />

Umfrage, die nicht gesondert beworben<br />

wurde, nahmen bis zum<br />

Umfrageschluss am 30. April 128<br />

registrierte Mitglieder teil.<br />

Nur 22,65 % bewerten<br />

das Gremium positiv<br />

„Ich fühle mich gut vertreten“<br />

kreuzten ganze 3 Personen an,<br />

„Es geht so, die Kunst des Möglichen<br />

ist Programm“ mei<strong>nten</strong><br />

weitere 26 Personen oder 20,3 %.<br />

53 Teilnehmer stimmten für<br />

„Eher nicht zufrieden, es gibt<br />

nur Verschlechterungen“, 46 waren<br />

„Völlig unzufrieden, es ist<br />

Zeit für Veränderungen.“<br />

„Eine Unzufriedenheit von über<br />

77 Prozent der Teilnehmer ist<br />

mehr als nur ein Signal - eine<br />

derartige Ohrfeige sollte auch<br />

ein Germium ernst nehmen, das<br />

viel Erfahrung im Schönreden<br />

hat.“ meint Robert Fürnberg<br />

dazu. „Um mich mache ich mir<br />

keine Sorgen. Aber die jungen<br />

Kollegen und Neuzugänge werden<br />

seit Jahren in einen immer<br />

wahrscheinlicheren Ruin geschickt.“<br />

<strong>trafik</strong> a <strong>nten</strong> <strong>zeitung</strong> <strong>Mai</strong>/<strong>2012</strong><br />

35

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!