M1ViNL - REICHMANN AudioSysteme
M1ViNL - REICHMANN AudioSysteme
M1ViNL - REICHMANN AudioSysteme
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Quellen › PHONOVORSTUFEN<br />
SCHWARZ-MALER<br />
Die Engländer huldigen schwarzem Vinyl wie kaum ein anderes Land. Von der Insel kommen zwei<br />
vorzügliche Phono-Vorstufen, deren eindrucksvolle Performance an impressionistische oder expressionistische<br />
Malereien erinnert. Aber kann man Monet und Gauguin miteinander vergleichen?<br />
■ Text: Stefan Schickedanz<br />
TEST<br />
Zwei Phono-Vorstufen bis 1000 Euro<br />
MUSICAL FIDELITY M1 VINL 850 €<br />
WHEST TWO 1000 €<br />
122 www.audio.de ›03 /2012
Quellen › PHONOVORSTUFEN<br />
Früher gab es Fürsten, die in ihrem<br />
Reich Maler oder Bildhauer förderten<br />
und somit mitten im Land blühende<br />
Inseln der schönen Künste schufen.<br />
England ist nicht nur eine Insel, es<br />
scheint dort auch viele Vinyl-Mäzene zu<br />
geben. Auf der Suche nach spannenden<br />
Phono-Vorstufen unter 1000 Euro wurden<br />
wir – wenig überraschend – in Großbritannien<br />
fündig. Wir stießen auf zwei<br />
Produkte aus London und Wembley, die<br />
trotz gleicher Aufgabenstellung unterschiedlicher<br />
kaum sein könnten. Die<br />
Phono-Vorstufe Musical Fidelity M1 Vinl<br />
kleidet sich in das schicke Gewand der<br />
smarten Midi-Serie, zu der auch eine<br />
vortreffliche Netzwerkplayer-Vorstufe<br />
gehört, die M1 CLIC (AUDIO 1/11). Auch<br />
die für MM- und MC-Systeme geeignete<br />
Vorstufe umgibt ein Hauch von High-<br />
Tech. Sie vertraut zur Anpassung des<br />
Eingangs an verschiedene Tonabnehmer<br />
auf eine bequeme, einfach zu handhabende<br />
Umschaltlogik mit kleinem LC-<br />
Display, während der Mitbewerber – wie<br />
von schwedischen Möbeln bekannt –<br />
eher auf Handarbeit setzt.<br />
Der Benutzer des Whest Two muss zum<br />
Inbusschlüssel greifen und eine Blende<br />
unter dem Gerät entfernen, um an die<br />
kanalgetrennten Mäuseklaviere für Impedanz<br />
und Verstärkungsfaktor zu gelangen.<br />
Dann sind Fingerspitzen einer<br />
verhätschelten Prinzessin und ab 50 aufwärts<br />
noch eine Lesebrille gefragt, denn<br />
die Arbeit lässt sich nur unter Zuhilfenahme<br />
der Bedienungsanleitung bewerkstelligen.<br />
Gut anpassbar geben<br />
sich trotzdem alle beide, und wer nur einen<br />
Tonabnehmer betreibt, kann das<br />
Thema auch beim Whest nach fünf Minuten<br />
für immer abhaken.<br />
Lästig wird es nur, wenn der Besitzer etwa<br />
ein Laufwerk mit zwei Tonarmen besitzt,<br />
auf denen er im Wechsel MM- und<br />
MC-Systeme betreibt. Hier befindet<br />
sich der Musical Fidelity klar im Vorteil,<br />
denn mit seinen Tipptasten und dem<br />
Fotos: Archiv, MPS, photopixel (2) – Shutterstock.com<br />
www.audio.de ›03 /2012<br />
123
Quellen › PHONOVORSTUFEN<br />
MUSICAL-STAR: Wer die optimalen<br />
Anschlusswerte für sein System im Hörtest<br />
ermitteln möchte oder im Wechsel MM und<br />
MC benutzt, freut sich über die elektronische<br />
Umschaltung des in SMD-Technik aufgebauten<br />
M1. Auch die Entzerrkurve und die<br />
Abschlusswerte lassen sich bequem ändern.<br />
Display lassen sich schnell die Einstellungen<br />
für MM- und MC-Tonabnehmer<br />
inklusive Entzerrung nach RIAA oder<br />
IEC vornehmen und beim Umschalten<br />
der Eingänge automatisch abrufen. Außerdem<br />
besitzt der M1 Vinl getrennte<br />
Cinch-Eingänge für beide System-Typen,<br />
während der Whest-Verwender jedes<br />
Mal umstecken müsste – was letztlich<br />
nicht mehr ins Gewicht fällt, weil er den<br />
kleinen Phono-Pre-Amp ohnehin zum<br />
Öffnen aus dem Rack nehmen muss.<br />
Noch etwas wirft der Musical-Star in die<br />
Waagschale: Er verfügt nicht nur über einen<br />
Cinch-Ausgang, sondern auch über<br />
symmetrische XLR-Buchsen zum Anschluss<br />
an den Vorverstärker. Puristen<br />
mit einem Faible für die störsicheren<br />
symmetrischen Verbindungen dürften<br />
sich allerdings gleich noch symmetrische<br />
Eingänge wie in der Burmester 100<br />
MESSLABOR<br />
(siehe Heft 8/10) wünschen, denn Tonabnehmer<br />
sind die perfekte symmetrische<br />
Quelle. Dass der Musical Fidelity<br />
direkt per Kaltgerätestecker am Netz<br />
hängt und seine Spannungen intern per<br />
Schaltnetzteil generiert, der Whest sich<br />
dagegen über einen externen Trafo-<br />
Würfel versorgt, passt zu den jeweiligen<br />
Konzepten, hat aber in diesem Fall kaum<br />
Einfluss auf die Performance: Brummspuren<br />
fand das Labor in beiden Fällen<br />
nur homöopathisch und allemal jenseits<br />
der Hörschwelle.<br />
Je mehr man sich mit den beiden Engländern<br />
beschäftigte, desto mehr offenbarten<br />
sich deren unterschiedliche Charaktere.<br />
Auf der einen Seite der komfortable<br />
Musical Fidelity, der sich sogar<br />
über Trigger-Buchsen ferneinschalten<br />
lässt und für diese Philosophie ungeniert<br />
auf digitale Steuerelektronik sowie<br />
Der Frequenzgang des Musical Fidelity verläuft ausgeglichener als der des Whest. Dessen<br />
Stärken liegen neben dem höheren Verstärkungsfaktor im größeren Störabstand mit<br />
MC-Systemen (75 zu 72 dB) und MM (84 zu 81 dB). Insgesamt liegen beider Dynamikwerte<br />
auf hohem Niveau, zumal der M1 Vinl mit MM-Normsystem gemessen leicht die<br />
Nase vorn hat. In der Übersteuerungfestigkeit ist der Musical Fidelity dem Whest klar<br />
überlegen: 107/22,4mV verträgt er bei MM bzw. MC, der Whest nur 55/5,2 mV.<br />
hochwertige, gleichwohl inte grierte<br />
Schaltungen für die Signalver arbeitung<br />
vertraut. Solange die Moderne im Signal<br />
keine Spuren hinterlässt, ist dagegen<br />
auch nicht das Geringste einzuwenden<br />
– die Stör- und Klirrspektren des Musical<br />
sind blitzsauber. Auf der anderen Seite<br />
steht der Whest Two, der nicht einmal<br />
einen Netzschalter vorweisen kann. Ein<br />
Spartaner, der mit Design so viel am Hut<br />
hat wie ein Hummer-Gelände wagen,<br />
STECKBRIEF<br />
MUSICAL FIDELITY<br />
M1 VINL<br />
Vertrieb<br />
Reichmann Audio Systeme<br />
0 77 28 / 10 64<br />
www.<br />
reichmann-audio-systemevertrieb.de<br />
Listenpreis<br />
850 Euro<br />
Garantiezeit<br />
2 Jahre<br />
Maße B x H x T<br />
22 x 10 x 30 cm<br />
Gewicht<br />
3,5 kg<br />
ANSCHLÜSSE<br />
Phono MM / MC / <br />
Eingänge Cinch / XLR 1 / –<br />
Ausgänge Cinch / XLR 1 / 1<br />
Anpassung Widerstand <br />
Anpassung Kapazität <br />
FUNKTIONEN<br />
Fernbedienung –<br />
A/D-Wandler –<br />
Lautstärkereglung –<br />
Variable Entzerrung RIAA + IEC<br />
Besonderheiten<br />
Trigger-Anschlüsse<br />
AUDIOGRAMM<br />
EMPFEHLUNG<br />
PREIS / LEISTUNG<br />
ÅSehr authentische Klangfarben,<br />
feine Auflösung und<br />
tiefreichender Bass.<br />
Í Dynamisch eher weich.<br />
Klang Cinch / XLR 115 / 115<br />
Ausstattung<br />
sehr gut<br />
Bedienung<br />
überragend<br />
Verarbeitung<br />
sehr gut<br />
03/12<br />
KLANGURTEIL<br />
PREIS/LEISTUNG<br />
115 PUNKTE<br />
SEHR GUT<br />
124 www.audio.de ›03 /2012
Quellen › PHONOVORSTUFEN<br />
WILD WHEST HERO: Die Entwickler des<br />
stürmischen Whest setzen auf diskreten<br />
Doppel-Mono-Aufbau plus ausgelagertes<br />
Netzteil. Die Verstärkung lässt sich in drei<br />
Stufen anpassen, der Widerstand auch. Dazu<br />
muss der Besitzer zunächst ein kleines<br />
<br />
STECKBRIEF<br />
Vertrieb<br />
www.<br />
Listenpreis<br />
Garantiezeit<br />
Maße B x H x T<br />
Gewicht<br />
WHEST<br />
TWO<br />
Input Audio<br />
0 43 46 / 60 06 01<br />
inputaudio.de<br />
1000 Euro<br />
2 Jahre<br />
35 x 15 x 35 cm<br />
2 kg<br />
ANSCHLÜSSE<br />
Phono MM / MC / <br />
Eingänge Cinch / XLR 1 / 0<br />
Ausgänge Cinch / XLR 1 / –<br />
Anpassung Widerstand 47kΩ/100/500Ω<br />
Anpassung Kapazität –<br />
FUNKTIONEN<br />
Fernbedienung –<br />
A/D-Wandler –<br />
Lautstärkereglung –<br />
Variable Entzerrung –<br />
Besonderheiten<br />
externes Netzteil<br />
AUDIOGRAMM<br />
ÅSpritziger, körperhafter<br />
Klang.<br />
Í Gemeinsamer Anschluss<br />
für MM und MC.<br />
Klang Cinch / XLR 115 / –<br />
Ausstattung<br />
befriedigend<br />
Bedienung<br />
befriedigend<br />
Verarbeitung<br />
sehr gut<br />
KLANGURTEIL<br />
PREIS/LEISTUNG<br />
115 PUNKTE<br />
SEHR GUT<br />
aber keine Platzprobleme kennt. Der<br />
klassisch mit ausgesuchten diskreten<br />
Transistoren, Kondensatoren und Widerständen<br />
strikt kanalgetrennt aufgebaut<br />
ist, zwar null Komfort bietet, dafür aber<br />
höhere Verstärkung und größeren Rauschabstand<br />
erzielt.<br />
Das nicht nur vom Preis her gut zu den<br />
beiden Kontrahenten passende Moving-<br />
Coil-System Lyra Delos (7/11) brachte<br />
deutlich die spezifischen Stärken und<br />
Schwächen der unterschiedlichen Konzepte<br />
ans Licht. Was Klangfarbenreichtum<br />
und Ausgewogenheit betrifft, ging<br />
der M1 mit leuchtendem Beispiel voran.<br />
Mit Sara K. „Live In Concert“ gab er sich<br />
äußert homogen und breitbandig. Behutsam<br />
und feinzeichnend reproduzierte<br />
er die zarten Obertöne der Gitarre, der<br />
hölzerne Korpus besaß das nötige Volumen<br />
und wirkte äußerst authentisch.<br />
Nach dem Auflegen der weiteren Hörtest-Platten<br />
bestätigte sich der Eindruck,<br />
dass der Musical Fidelity besonders viele<br />
subtile Details wie Hall, Echo oder das<br />
Ausklingen der Töne hervorbrachte.<br />
Mehr als sein Herausforderer, der weniger<br />
den Eindruck erweckte, um die Instrumente<br />
herum den Aufnahmeraum in<br />
Fragmenten zu rekonstruieren. Vielmehr<br />
schien der Whest die Instrumente auszustanzen,<br />
um sie vergleichsweise trocken<br />
in den Hörraum zu transportieren.<br />
Dort schienen sie physisch präsent zu<br />
sein, dabei allerdings etwas weniger nuanciert,<br />
zugleich nicht ganz so farbenprächtig<br />
oder samtig wie über den M1.<br />
Die Darbietung via Whest wirkte plastischer,<br />
lebendiger, sprich: mehr dreidimensional,<br />
zum Greifen nah. Und besser<br />
fokussiert obendrein: Gegen diese<br />
Art der Darstellung erschien der M1 Vinl<br />
eher diffus.<br />
Hier trafen zwei Interpretationen aufeinander:<br />
Der M1 traf perfekt die Klangfarben,<br />
malte mit zartem Strich von der<br />
größeren Palette und fing zudem akribisch<br />
die Aufnahme-Atmosphäre ein.<br />
Allerdings wirkte er auch eher flächig<br />
und weich, fast wie ein impressionis-<br />
tisches Gemälde von Monet. Dagegen<br />
profilierte sich die Number Two als wilder<br />
Expressionist, der zwar wie Paul<br />
Gauguin mit weniger, dafür plakativeren<br />
Farben malt, aber mit präzisem Pinselstrich<br />
die Konturen, Größenverhältnisse<br />
und Dynamik der Instrumente wiedergibt<br />
und den Zuschauer ins Geschehen<br />
einbezieht. Wie den Autor, der sich bei<br />
der mitreißenden Performance von<br />
„Made In Japan“, der Live-Doppel-LP<br />
von Deep Purple, kaum im Stuhl halten<br />
konnte. Von Attacken im Luftgitarrespielen<br />
befallen, fiel es schwer, sich auf<br />
die entscheidende Frage zu konzentrieren:<br />
Gibt es bei Monet oder Gauguin<br />
ein besser oder schlechter? Nein. Reine<br />
Geschmackssache – wie bei diesen<br />
beiden Vinyl-Künstlern.<br />
FAZIT<br />
Stefan Schickedanz<br />
AUDIO-Mitarbeiter<br />
Wer mit dem Kopf hört, könnte<br />
sich an der raueren Gangart des<br />
Whest stören. Er gibt Klangfarben<br />
und Raum im Vergleich zum extrem<br />
naturalistischen M1 Vinl fast<br />
schon holzschnittartig wieder.<br />
Dafür reißt es einen nach dem<br />
Umschalten vom milden Musical<br />
Fidelity fast vom Stuhl: In puncto<br />
Timing und Dynamik ist der Two<br />
eine große Nummer.
TEST PHONOVORVERSTÄRKER<br />
Der kleine Beißer<br />
Musical Fidelity spart nicht mit kecken Sprüchen: Das einzige<br />
Problem der neuen Phonostufe sei der zu günstige Preis, verkündet<br />
die Homepage. Aber Sprüche kloppen kann ja jeder ....<br />
Bei der Beschäftigung mit dem wegen<br />
seiner Größe von uns despektierlich<br />
„elektronischer Schuhkarton“<br />
getauften M1 ViNL sieht es zunächst<br />
einmal so aus, als handele es sich um eine<br />
völlige Neuentwicklung und nicht um<br />
eine eine konsequente Weiterentwicklung<br />
des 2005 vorgestellten Trumms<br />
„KW Phono Stage“ zum stolzen<br />
Preis von 4500 Euro. Aber die<br />
Schaltung wurde tatsächlich<br />
übernommen und mit modernster<br />
SMD-Technik geschrumpft.<br />
Sparen ohne zu leiden<br />
war das Motto. Gerade bei<br />
den extrem leisen Signalen, wie<br />
sie von Tonabnehmern geliefert<br />
werden, sieht Musicals Mastermind<br />
Antony Michaelson die SMD-Bestückung<br />
STICHWORT<br />
SMD-Technik<br />
Sehr kleine Bauteile,<br />
die ohne Drahtanschlüsse<br />
durch lötfähige<br />
Anschlussflächen<br />
direkt auf die<br />
Leiterplatte gelötet<br />
werden.<br />
gegenüber ihren klassischen Pendants<br />
und auch im Vergleich zu Röhren im<br />
Vorteil.<br />
Pluspunkte aus technischer Sicht sind<br />
laut Aussage von Michaelson geringere<br />
Übergangswiderstände, weniger Probleme<br />
mit Einstreuungen aller Art und letztlich<br />
bessere Rauschabstände,<br />
die der präzisen Darstellung<br />
feinster Dynamikabstufungen<br />
zugute- kommen sollen.<br />
Platz sparend ist auch das eingebaute<br />
Schaltnetzteil, das<br />
vorbildlich still seiner Tätigkeit<br />
nachkommt und messtechnisch<br />
keinerlei Auffälligkeiten<br />
produziert. Ein nicht<br />
unerheblicher Batzen Geld wird auch<br />
durch das deutlich günstiger zu produzierende<br />
Gehäuse gespart – und fällt hier<br />
offensichtlich nicht der Profitmaximierung<br />
anheim, sondern wird als echte Ersparnis<br />
tatsächlich an den Kunden weitergereicht.<br />
Sparbrötchen geht anders<br />
Wer nunmehr meinen sollte, ein komplettes<br />
Sparbrötchen vor sich zu haben,<br />
wird schnell angenehm enttäuscht. Getrennte<br />
Cinch-Eingänge für MM und<br />
MC, Ausgänge in Cinch und XLR, umfangreiche<br />
Einstellmöglichkeiten nicht<br />
nur für MC-Systeme, sondern auch eine<br />
Fülle von kapazitiven Werten für das optimale<br />
Arbeitsklima der Kollegen mit den<br />
bewegten Magneten sind einstellbar. Als<br />
Zugabe gibt’s eine umschaltbare Entzerrung<br />
auch nach IEC-Norm, die den Bassbereich<br />
von tiefsten Frequenzen befreit,<br />
was bei schlechtem Plattenmaterial, beispielsweise<br />
Höhenschlag, unerwünschte<br />
und unnötige Verschwendung von Verstärkerleistung<br />
ebenso zuverlässig verhindert<br />
wie zielloses Umhertaumeln von<br />
Bassmembranen.Und besonders praktisch<br />
ist, dass sämtliche Einstellungen bei<br />
laufendem Betrieb geändert werden<br />
k ö n n e n !<br />
Der Wolf im Schafspelz:<br />
Musical Fidelitys M1 ViNL<br />
ist äusserlich unscheinbar,<br />
aber mit allem ausgestattet,<br />
was das analoge Herz<br />
begehrt<br />
12/2011 STEREO 73
TEST PHONOVORVERSTÄRKER<br />
Während des Testverlaufs mit der ViNL<br />
(ja, die schreibt man so) merkt man dem<br />
Gerät Michaelsons jahrelange Erfahrung<br />
im Analogbereich an, ebenso wie sein als<br />
Musiker vorhandenes Gespür für die Seele<br />
der Musik. Der Konzertklarinettist aus<br />
Leidenschaft hat ein Gerät auf die Beine<br />
gestellt, das trotz umfangreicher Einstelloptionen<br />
auch ohne den Blick ins Manual<br />
bedienbar ist und sich in der Praxis als<br />
ausgesprochen pflegeleicht erwies.<br />
Unempfindlich gegen Brummeinstreuungen,<br />
rauscharm, dank sehr kräftig ausgelegter<br />
Class-A-Ausgangsstufe auch mit<br />
längeren Kabeln zur Vorstufe zu betreiben,<br />
und der Tonabnehmer kann nach Belieben<br />
gewählt werden. Ein bisschen Experimentierfreude<br />
vorausgesetzt, ist auch<br />
die 47-Kiloohm-Einstellung bei MC-Systemen<br />
durchaus mal einen Versuch wert.<br />
Bei füllig abgestimmten Anlagen ist eine<br />
besondere Luftigkeit der Lohn, ohne dass<br />
im Bassbereich oder bei der gefühlten<br />
Kraftentfaltung laue Kompromisse geschlossen<br />
werden müssten.<br />
Passt auch zu Referenzsystemen<br />
Unser Hörparcours war bestückt mit musikalischen<br />
Hürden von Willy de Ville bis<br />
Pink Floyd, von Freddie Hubbard bis Puccini,<br />
und auch Frank Zappa durfte seine<br />
Qualitäten als Bürgerschreck ein weiteres<br />
Mal unter Beweis stellen. Hauptlieferant<br />
der frisch abgetasteten Rillen waren das<br />
Benz LP-S sowie das Gullwing, das ebenfalls<br />
von Albert Lukaschek in der Schweiz<br />
gebaut wird. Abgeschlossen haben wir diese<br />
Systeme mit 400 Ohm, das passte in unseren<br />
Versuchen prima.<br />
Den musikalischen Einstieg besorgte der<br />
viel zu früh gestorbene de Ville mit einer<br />
Unplugged-Version von „Storybook“, live<br />
aufgenommen in Berlin. Hier glänzte der<br />
ViNL mit genau der richtigen Dosierung<br />
von Schmelz und Geradlinigkeit, ließ die<br />
kratzig-nölige, leicht brüchige Stimme de<br />
Villes imaginär im Hörraum entstehen, zugleich<br />
die Spannung<br />
im Publikum<br />
spürbar<br />
werden. Die Fokussierung<br />
gelang<br />
hier und<br />
auch bei allen<br />
Analoger Phonoverstärker<br />
und Schaltnetzteil in friedlicher<br />
Koexistenz. Im Vordergrund das Netzteil,<br />
weiter hinten die Relais zur Widerstandsanpassung<br />
74 STEREO 12/2011<br />
weiteren gehörten Platten ganz ausgezeichnet<br />
bei einer gleichzeitig schönen Darstellung<br />
der Bühnenstaffelung in Breite,<br />
Tiefe und Höhe. Von Rauschen oder gar<br />
Verzerrungen weit und breit keine Spur.<br />
Es bedurfte schon intensiven Hörens und<br />
einer bestens aufeinander abgestimmten<br />
Kette, um den musikalischen Tausendsassa<br />
mit seinen Grenzen vertraut zu machen.<br />
Erst in einem solchen Umfeld war erkennbar,<br />
dass es ganz oben in der absoluten<br />
Top-Klasse der Phonostufen vereinzelte<br />
Exemplare gibt, die die rundum hervorragenden<br />
Eigenschaften der Musical in Einzeldisziplinen<br />
noch zu toppen verstehen.<br />
Ich hole etwas weiter aus, weil den meisten<br />
Musikliebhabern kaum bewusst sein<br />
dürfte, wovon überhaupt die Rede ist: Stellen<br />
Sie sich vor, Sie genießen eine Ihrer<br />
Lieblingsplatten, die zudem auch noch gut<br />
aufgenommen und sauber gepresst ist. Sie<br />
freuen sich an dem schönen, großen akustischen<br />
Bild und den dargebotenen Proportionen<br />
und Klangfarben und an der satten<br />
Dynamik. Es gibt nichts, was Ihnen<br />
fehlt, Sie sind rundum glücklich.<br />
Die Grenzen der Darstellung<br />
Und dann kommt so ein Phonovorstufenschlachtschiff<br />
aus der Kategorie „wunderbar,<br />
aber unerreichbar kostspielig“ daher.<br />
Und zeigt Ihnen eine Raumabbildung,<br />
die mit „Stereo“ nur sehr unzureichend<br />
beschrieben ist, weil Holografie, das<br />
scheinbar „um die Ecke hören können“ eine<br />
völlig neue Erfahrung ist. Dieses letzte<br />
kleine Stück auf der Reise in den High -<br />
End-Himmel müssen Sie im Zweifelsfall<br />
ohne die Musical gehen, aber bis zu diesem<br />
Punkt wird sie Ihnen ein treuer und<br />
glücklich machender Begleiter auf Ihrem<br />
Weg ins HiFi-Nirvana sein.<br />
Antony Michaelson hat den Mund voll,<br />
aber nicht zu voll genommen und mit der<br />
ViNL eine optisch und preislich bescheidene,<br />
klanglich aber große Phonostufe<br />
kreiert.<br />
Michael Lang<br />
MUSICAL FIDELITY M1VINL<br />
Preis: €850<br />
Maße: 22x10x34 cm (BxHxT)<br />
Garantie: 2 Jahre<br />
Kontakt: Reichmann Audio Systeme<br />
Tel.: 07728/1064<br />
www.reichmann-audiosysteme.de<br />
Ein starkes Stück! Hochmusikalisch, flexibel<br />
auf alle Arten von Tonabnehmern einstellbar,<br />
dabei einfache Bedienung. Preishammer!<br />
MESSERGEBNISSE *<br />
Klirrfaktor bei 5 mV/1 kHz/1 kOhm(MM) 0,02%<br />
Intermodulation bei 0,8 mV/8 kHz/60 Hz 0,001%<br />
Rauschabstände<br />
Phono MM bei 5 mV/1 kHz/1 kOhm<br />
84 dB<br />
Phono MC bei 0,5 mV/1 kHz/100 Ohm<br />
70 dB<br />
Kanaltrennung bei 1 kHz<br />
75 dB<br />
Übersteuerungsfestigkeit MM/MC 107/20 mV<br />
Anschlusswerte<br />
praxisgerecht<br />
Ausgangswiderstand 1khz Cinch/XLR 48/107 Ohm<br />
Leistungsaufnahme<br />
Aus | Standby | Leerlauf<br />
0 /-/ 6 Watt<br />
LABOR-KOMMENTAR: Im Labor bot die Musical Fidelity<br />
eine ausgezeichnete Vorstellung. Sehr gute Störabstände<br />
bei MM, gute bei MC. Frequenzgänge bis<br />
weit über den Hörbereich linear. Auch die Kanaltrennung<br />
und Übersteuerungsfestigkeit sind exorbitant<br />
Netzphase<br />
am Testgerät<br />
hoch, der Ausgangswiderstand<br />
praxisgerecht niedrig.<br />
AUSSTATTUNG<br />
Eingänge in Cinch für MM und MC. Ausgänge<br />
in Cinch und XLR; 10-stufige Anpassmöglichkeit<br />
des Abschlusswiderstandes. Kapazitive<br />
Einstellmöglichkeiten für MM-Systeme<br />
7-stufig zwischen 47 und 400 Picofarad bei<br />
laufendem Betrieb möglich. Anzeige erfolgt<br />
über das eingebaute Display. Entzerrung<br />
umschaltbar RIAA/IEC.Eingebautes Schaltnetzteil.<br />
ÜBERRAGEND<br />
90%<br />
* Zusätzliche Messwerte und Diagramme für Abonnenten<br />
im STEREO-Club unter www. stereo.de