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Skript - Theoretische Physik 1 (Elementarteilchenphysik) / Uni ...

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<strong>Uni</strong>versität Siegen WiSe 12/13<br />

Fachbereich <strong>Physik</strong><br />

Vorlesungsskript<br />

<strong>Theoretische</strong> Teilchenphysik 2<br />

Vorab-Version<br />

27. März 2013<br />

Gelesen von Prof. Dr. Thorsten Feldmann<br />

– preliminary –


– preliminary –<br />

Dieses <strong>Skript</strong> wurde mit Hilfe von KOMA-Script und L A TEX gesetzt.<br />

Kommentare und Fehlermeldungen bitte an thorsten.feldmann@uni-siegen.de.


Inhaltsverzeichnis<br />

I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED 5<br />

I.1 Radiative Korrekturen in der QED . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

I.1.1 Bremsstrahlung mit “weichen” Photonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

I.1.2 Berechnung der Elektron-Vertexkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

I.1.2.1 Berechnung des Formfaktor B(q 2 ) bzw. F 2 (q 2 ) . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

I.1.2.2 Berechnung des Formfaktors A(q 2 ) bzw. F 1 (q 2 ) . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

I.1.3 Aufsummation und Interpretation der IR-Divergenzen . . . . . . . . . . . 21<br />

I.1.4 2-Punkt–Funktion des Elektrons in der QED-Störungstheorie . . . . . . . 25<br />

I.1.5 Renormierung der elektrischen Ladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

I.1.5.1 Berechnung von Π(q 2 ) in der Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

I.1.6 Symmetrien im Pfadintegralformalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie . . . . . . 36<br />

I.2.1 Oberflächlicher Divergenzgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

I.2.2 Renormierte Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />

I.2.3 Das MS–Renormierungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

I.2.4 Renormierungsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

I.2.4.1 RG-Verhalten von Green-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />

I.3.1 ABJ-Anomalie in der Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />

I.3.2 Anwedung 1:<br />

Anomaliefreiheit von Fermiondarstellungen in chiralen Eichtheorien . . . . 60<br />

I.3.3 Anwendung 2: Der Zerfall π 0 → 2γ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />

I.3.4 Kurzzusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />

II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) 67<br />

II.1 1-Schleifenkorrekturen in nichtabelschen Eichtheorien . . . . . . . . . . . . 67<br />

II.2 Laufende Kopplung in der QCD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />

II.3 Einschub: Laufende Kopplung und RG-Fixpunkte . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

II.4 Operatorproduktentwicklung in e + e − → Hadronen . . . . . . . . . . . . . 76<br />

II.4.1 Das Optische Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />

II.4.2 Anwendung auf e + e − → Hadronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />

II.4.2.1 Störungstheoretische Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

II.4.2.2 Operatordarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />

II.4.2.3 Das Problem mit zeitartigen Impulsüberträgen . . . . . . . . . . . . . . . . 81<br />

– preliminary –<br />

3


Inhaltsverzeichnis<br />

II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />

II.5.1 Strahlungskorrekturen zu schwachen Zerfällen . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />

II.5.1.1 Z-Faktoren und anomale Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

II.5.1.2 Lösung der RG-Gleichung für die Wilson-Koeffizienten . . . . . . . . . . . 90<br />

II.5.1.3 Zur Notation L(eading)L(og) vs. N(ext-to)L(eading)L(og): . . . . . . . . . 92<br />

II.5.2 Anwendung auf hadronischen Zerfall ¯B0 → D + π − . . . . . . . . . . . . . . 93<br />

II.5.3 “Pinguin”-Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />

II.6.1 Partonbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102<br />

II.6.2 Operatordefinition der Partonverteilungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . 104<br />

II.6.3 Strahlungskorrekturen zum Partonbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107<br />

II.6.3.1 Explizite Berechnung der Korrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110<br />

II.6.3.2 Beiträge von Gluon-PDFs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />

II.6.4 Skalenverletzung und DGLAP-Evolutionsgleichungen . . . . . . . . . . . . 118<br />

II.6.4.1 DGLAP-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />

II.6.4.2 Lösung der DGLAP-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120<br />

II.6.4.3 “Polarisierte Partonverteilungen” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123<br />

II.6.4.4 Verwandte Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />

II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126<br />

II.7.1 IR-Divergenzen und Jet-Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126<br />

II.7.2 Event-Shapes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />

II.7.3 Einige Features der Soft-collinear effective theory (SCET) . . . . . . . . . 136<br />

II.7.3.1 Elektromagnetischer Strom für e + e − → q¯q in SCET . . . . . . . . . . . . . 139<br />

II.7.3.2 Harter Matching-Koeffizient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141<br />

II.7.4 Faktorisierungstheorem für Thrust-Verteilung nahe τ → 0 . . . . . . . . . 142<br />

II.7.4.1 Die Jet-Funktion J(µ, p 2 ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />

II.7.4.2 Die softe Funktion S T (µ, k) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149<br />

II.7.4.3 Zusammenfassung: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150<br />

II.8 Ausblick / Weiter Anwendungen der renormierten Störungstheorie und<br />

Faktorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152<br />

– preliminary –<br />

4


I<br />

Kapitel I<br />

Radiative Korrekturen und<br />

Renormierung in der QED<br />

Wiederholung: Zentrale Ergebnisse der QED aus TTP 1<br />

Wir fassen noch einmal kurz die Lagrangedichte der QED und die daraus resultierenden<br />

Feynman-Regeln zusammen:<br />

(a) Die Lagrangedichte der QED setzt sich zusammen aus<br />

mit<br />

L QED = L Fermion + L Eichfeld + L Eichfixierung<br />

– preliminary –<br />

(I.1)<br />

– fermionischer Anteil für Dirac-Fermionen mit Masse m (z.B. Elektron/Positron,<br />

oder auch Quark/Antiquark)<br />

wobei die kovariante Ableitung durch<br />

L Fermion = ¯ψ (iD/ − m) ψ ,<br />

iD µ = i∂ µ − e A µ (x)<br />

(I.2)<br />

(I.3)<br />

gegeben ist. Wir benutzen dabei die Konvention von [1], bei der e = −|e|.<br />

(Für Quarks muss hier der entsprechende relative Ladungsfaktor eingefügt<br />

werden, Q u /Q e = −2/3 bzw. Q d /Q e = +1/3.)<br />

Die kovariante Ableitung garantiert die Eichinvarianz der Lagrangedichte<br />

unter lokalen Phasentransformationen der Materiefelder und gleichzeitiger<br />

Transformation des Eichfeldes,<br />

ψ(x) → e iα(x) ψ(x) ,<br />

A µ (x) → A µ (x) − 1 e ∂ µα(x) .<br />

(I.4)<br />

Die Transformationen bilden eine unitäre (Eich-)gruppe U(1).<br />

5


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

– Die Dynamik der Eichfelder wird durch<br />

L Eichfeld = − 1 4 F µνF µν<br />

(I.5)<br />

beschrieben, mit dem Feldstärketensor F µν = ∂ µ A ν − ∂ ν A µ . Zusammen mit<br />

L Fermion ergeben die Euler-Lagrange–Gleichungen dann gerade die (inhomogenen)<br />

Maxwell-Gleichungen.<br />

– In der quantisierten Theorie müssen wir zusätzlich einen Eichfixierungsterm<br />

hinzunehmen. Für allgemeine kovariante Eichungen lautet dieser<br />

L Eichfix. = − 1 2ξ (∂ µA µ ) 2 .<br />

– preliminary –<br />

(I.6)<br />

Damit lässt sich der Photonpropagator durch Invertieren des quadratischen<br />

Terms in den Eichfeldern ablesen. <strong>Physik</strong>alische Observable hängen nicht vom<br />

Eichparameter ξ ab. In der QED benutzen wir deshalb meistens die Feynman-<br />

Eichung (ξ = 1).<br />

(b) Aus der QED-Lagrangedichte ergeben sich die Feynman-Regeln der QED (Impulsraum):<br />

– Photonpropagator (meistens Feynman-Eichung, ξ = 1):<br />

D µν<br />

F (k) = i<br />

(−g µν<br />

k 2 + (1 − ξ) kµ k ν )<br />

+ iɛ<br />

k 2<br />

– Dirac-Propagator (Pfeilrichtung bezeichnet Ladungsfluss):<br />

[ ]<br />

i(p/ + m)<br />

[S F (p)] αβ<br />

=<br />

p 2 − m 2 + iɛ<br />

– QED-Vertex:<br />

– externe Teilchen:<br />

– weitere Regeln:<br />

externes Photon :<br />

externes Fermion :<br />

externes Antifermion :<br />

(−ieγ µ ) αβ<br />

ɛ (∗)<br />

(–)<br />

µ (k, σ = ±1) ,<br />

u (p, s) ,<br />

(–)<br />

v (p, s) .<br />

∗ Multiplikation von Dirac-Matrizen entgegengesetzt zum Ladungsfluss<br />

∗ Faktor (-1) für geschlossene Fermionlinien<br />

∗ Impulserhaltung an jedem Vertex<br />

∗ Integration ∫ über unbestimmte (Schleifen-)Impulse<br />

d 4 p<br />

(2π) 4<br />

αβ<br />

(I.7)<br />

(I.8)<br />

(I.9)<br />

(I.10)<br />

6


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

Wir betrachten als Beispiel die Streuung eines Elektrons an einem anderen geladenen<br />

Teilchen (z.B. einem Myon). Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass m µ ≫ m e .<br />

Klassisch erwarten wir, dass die während der Streuung beschleunigten Ladungen elektromagnetische<br />

Strahlung aussenden, wobei die Strahlungskorrekturen von den schweren<br />

Teilchen kleiner sein sollten als jene von den leichten Teilchen.<br />

In führender Ordnung (entspricht Bornscher Näherung) hatten wir den Streuquerschnitt<br />

in TTP 1 aus dem Baumgraphen-Diagramm (“tree-level”)<br />

hergeleitet. Die 2 QED-Vertizes implizieren, dass die Streuamplitude von der Ordnung<br />

e 2 = 4πα ist, wobei α = α em ≃ 1/137 die Feinstrukturkonstante bezeichnet.<br />

Für die Korrekturen höherer Ordnung in α betrachten wir alle Feynman-Diagramme mit<br />

2 zusätzlichen Vertizes (wobei wir uns aufgrund der obigen Argumentation auf Vertizes<br />

mit Elektronen beschränken können).<br />

} {{ } } {{ } } {{ }<br />

“Vertexkorrektur” “Korrektur zu ext. Linien” “Vakuum-Polarisation”<br />

Die Korrekturen zu den externen Linien stellen keine amputierten Diagramme dar (siehe<br />

Diskussion in TTP 1) und gehören deshalb nicht zur S-Matrix – wir kommen später aber<br />

noch auf deren Bedeutung zurück.<br />

Bevor wir die Diagramme explizit berechnen, wollen wir schon einen kurzen Ausblick<br />

auf die zu erwartenden neuen Phänomene geben:<br />

• Das Ergebnis für jedes individuelle Diagramm ist mathematisch nicht wohl-definiert!<br />

• Man unterscheidet 2 Arten von Effekten:<br />

– preliminary –<br />

(i) Ultraviolett-Divergenzen in Schleifendiagrammen aus der Integration über die<br />

(unbestimmten) Schleifenimpulse, schematisch:<br />

∫<br />

d 4 k (k 2 ) m<br />

(2π) 4 (k 2 − ∆ 2 + iɛ) n (I.11)<br />

Für n − m ≤ 2 fällt der Integrand für große Impulse (|k| → ∞) nicht schnell<br />

genug ab.<br />

7


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

(ii) Infrarot-Divergenzen können auftreten, wenn masselose Teilchen in den Schleifendiagrammen<br />

propagieren, und der Integrand für k → 0 wie 1/k 4 oder stärker<br />

ansteigt.<br />

• Der Ausweg aus dem anscheinenden Dilemma ergibt sich durch folgende physikalische<br />

Überlegungen:<br />

Für (i): Der Grenzwert k → ∞ entspricht einer Ortsauflösung von ∆x → 0, d.h. wir<br />

wenden unsere Theorie für (virtuelle) Teilchen mit beliebig hohem Impuls<br />

(bzw. unendlich hoher Ortsauflösung) an. [Ein ähnliches Problem erhalten<br />

wir bereits bei der klassischen Berechnung der Wechselwirkungsenergie des<br />

Elektrons mit seinem eigenen elektromagnetischen Feld.] Die physikalischen<br />

Messgrößen beziehen sich dagegen auf endliche Impulse/Ortsauflösung. Die<br />

UV-Divergenzen müssen deshalb in eine Redefinition (→ Renormierung) der<br />

ursprünglichen Parameter in der Lagrangedichte absorbiert werden.<br />

Die Grundidee der Renormierung ist dabei die Parameter der Theorie, so<br />

anzupassen, dass:<br />

<strong>Theoretische</strong> Ausdrücke zu gegebener Ordnung der Störungstheorie<br />

– preliminary –<br />

!<br />

≡<br />

Referenz-Experiment(e) bei endlicher Ortsauflösung (i.e. Referenz-Energie).<br />

Sind die Parameter der Theorie durch endlich viele experimentelle Größen<br />

fixiert, so können für andere experimentelle Observablen und/oder andere<br />

Kinematik eindeutige theoretische Vorhersagen berechnet werden.<br />

Für (ii): Wir müssen auch “reelle” Strahlungskorrekturen berücksichtigen, welche dem<br />

Prozess e − µ − → e − µ − + γ(k) entsprechen und (zur relativen Ordnung α)<br />

durch folgende Diagramme beschrieben werden:<br />

} {{ } } {{ }<br />

“initial-state radiation (ISR)” “final-state radiation (FSR)” (I.12)<br />

Betrachten wir hierbei jeweils den Nenner des intermediären Elektronpropagators,<br />

(p − k) 2 − m 2 + iɛ = −2 p · k + iɛ ,<br />

8


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

so verschwindet dieser für k → 0, was zusammen mit der Phasenraumintegration<br />

über den Photonimpuls<br />

∫<br />

d 3 k<br />

(2π) 3 2ω k<br />

(mit ω k = k 0 = | ⃗ k|)<br />

wieder eine IR-Divergenz erzeugt (s.u.). Wir werden sehen, dass diese Divergenz<br />

gerade jene von den virtuellen Korrekturen aufhebt, wenn wir die Summe<br />

der Wirkungsquerschnitte<br />

betrachten.<br />

dσ(e − µ − → e − µ − ) + dσ(e − µ − → e − µ − + γ)<br />

In der Tat können wir experimentell nur Photonen mit einer Minimalenergie<br />

E min detektieren, d.h. prinzipiell messen wir<br />

dσ 1 = dσ(e − µ − → e − µ − ) + dσ(e − µ − → e − µ − + γ(k)) ∣ k 0


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

zu<br />

[<br />

iM = −ie ū(p ′ ) M 0 (p ′ , p − k)<br />

+γ µ ɛ ∗ µ(k)<br />

i(p/ − k/ + m)<br />

(p − k) 2 − m 2 + iɛ γµ ɛ ∗ µ(k)<br />

]<br />

u(p) ,<br />

i(p/ ′ + k/ + m)<br />

(p ′ + k) 2 − m 2 + iɛ M 0(p ′ + k, p)<br />

– preliminary –<br />

(I.15)<br />

wobei k µ den Impuls des abgestrahlten Photons bezeichnet und ɛ ∗ µ den zugehörigen<br />

Polarisationsvektor.<br />

Aufgrund der Vorbemerkungen interessieren wir uns insbesonder für den Fall weicher<br />

Photonen,<br />

|k µ | ≪ |p µ |, |p ′µ | .<br />

Dann können wir nähern:<br />

sowie<br />

M 0 (p ′ , p − k) ≈ M 0 (p ′ + k, p) ≈ M 0 (p ′ , p)<br />

p/ − k/ ≈ p/ und p/ ′ + k/ ≈ p/ ′ ,<br />

während wir im Nenner k ≠ 0 belassen müssen. Weiterhin können wir die Dirac-Struktur<br />

im Zähler durch Anwendung der Dirac-Gleichung vereinfachen, z.B.<br />

(p/ + m) ɛ/ ∗ u(p) = (2p · ɛ ∗ + ɛ/ ∗ (−p/ + m)) u(p) = 2 p · ɛ ∗ u(p)<br />

und analog für ū(p ′ ). Damit ergibt sich ingesamt<br />

{ (<br />

iM = ū(p ′ ) M 0 (p ′ p′ · ɛ ∗<br />

, p) u(p) × e<br />

p ′ · k − p · )}<br />

ɛ∗<br />

p · k<br />

(I.16)<br />

(I.17)<br />

d.h. das Ergebnis faktorisiert in ursprüngliche Amplitude × einer universellen Funktion<br />

für Photonabstrahlung. Damit faktorisiert auch der differentielle Wirkungsquerschnitt<br />

(nach Quadrieren der Streuamplitude und Mittelung/Summierung über Spins/Helizitäten),<br />

∫soft<br />

dσ(p → p ′ + γ soft ) = dσ(p → p ′ d 3 k 1<br />

) ×<br />

(2π) 3 2ω k<br />

} {{ }<br />

≡ dσ(p → p ′ ) × dσ soft<br />

Phasenraum für weiche Photonen<br />

∑<br />

∣ ∣∣∣<br />

e 2 p ′ · ɛ<br />

p ′ · k − p · ɛ<br />

2<br />

p · k ∣<br />

λ=±<br />

(I.18)<br />

Die Summe über die Photon-Helizitäten kann explizit ausgeführt werden<br />

∑<br />

ɛ (λ)<br />

µ ɛ ∗ ν(λ) → −g µν (I.19)<br />

λ=±<br />

(wobei ( die Terme mit k µ k ν aufgrund der Eichinvarianz explizit herausfallen,<br />

)<br />

k µ p ′ µ<br />

= 0). Damit ergibt sich<br />

pµ<br />

p ′·k<br />

−<br />

p·k<br />

∫<br />

dσ soft =<br />

(<br />

p<br />

˜dk (−e 2 ′<br />

µ<br />

)<br />

p ′ · k − p ) 2 ∫<br />

µ<br />

= e 2<br />

p · k<br />

(<br />

2 p ˜dk<br />

′ )<br />

· p<br />

(p ′ · k)(p · k) − m2<br />

(p ′ · k) 2 − m2<br />

(p · k) 2<br />

(I.20)<br />

10


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

Wir zerlegen nun die externen Impulse in “Betrag” und Richtungsvektoren (in einem<br />

Bezugsystem, in dem E = E ′ ),<br />

k µ = k 0<br />

(1, ˆk<br />

)<br />

, p µ = E (1, ⃗v) , p ′µ = E ( 1, ⃗v ′) ,<br />

so dass wir die Winkelintegration im Photonphasenraum separieren können,<br />

∫soft<br />

(<br />

dσ soft = ˜dk e2 2(1 − ⃗v · ⃗v ′ )<br />

k 2 (1 − ⃗v · ˆk)(1 − ⃗v ′ · ˆk) − m2 /E 2<br />

(1 − ⃗v · ˆk) − m2 /E 2 )<br />

2 (1 − ⃗v ′ · ˆk) 2<br />

= α ∫ Emin<br />

∫ dk<br />

π × dΩk<br />

×<br />

k 4π (· · · )<br />

} {{ } } {{ }<br />

IR-divergent = I(⃗v, ⃗v ′ )<br />

(I.21)<br />

Das Winkelintegral I(⃗v, ⃗v ′ ) ist elementar berechenbar (siehe Übung ). Das Integral über<br />

die Photonenergie ist IR-divergent und kann z.B. durch eine untere Schranke µ (“cutoff”)<br />

oder alternativ durch eine fiktive Photonmasse regularisiert werden,<br />

Damit ergibt sich<br />

∫ Emin<br />

∫ dk Emin<br />

k → dk<br />

k = ln E min<br />

µ .<br />

µ<br />

dσ soft = α π ln E min<br />

µ I(⃗v, ⃗v′ ) . (I.22)<br />

Im relativistischen Limes, E 2 ≫ m 2 , trägt im Winkelintegral nur der erste Term in<br />

runden Klammern bei, wobei das Resultat von den Nullstellen des Nenners,<br />

1 − ⃗v · ˆk = 0 oder (1 − ⃗v ′ · ˆk) = 0<br />

dominiert wird. Man erhält dann das approximative Resultat<br />

I(⃗v, ⃗v ′ ) ≃ 2 ln −q2<br />

m 2 mit q 2 = (p ′ − p) 2 < 0 (I.23)<br />

Damit erhalten wir für den relativistischen Grenzfall<br />

dσ(p → p ′ + γ soft ) E2 ≫m<br />

= 2<br />

dσ(p → p ′ ) × α ( ) ( )<br />

E<br />

2<br />

π ln min −q<br />

2<br />

µ 2 ln<br />

m 2<br />

– preliminary –<br />

(I.24)<br />

Das Ergebnis ist in der Literatur als sog. “Sudakov-Doppel-Logarithmus” bekannt. Hierbei<br />

divergiert der erste Logarithmus für µ → 0 und der zweite Logarithmus für q 2 → ∞<br />

bzw. m → 0.<br />

11


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

I.1.2 Berechnung der Elektron-Vertexkorrektur<br />

– Diagramm – mit q 2 = (p ′ − p) 2<br />

Bevor wir den Ausdruck für das Vertexdiagramm explizit berechnen, überlegen wir uns<br />

zunächst einige allgemeine Eigenschaften:<br />

• Die Streuamplitude unter Berücksichtigung aller Korrekturen zum Elektron-Photon-<br />

Vertex kann allgemein geschrieben werden als<br />

iM = ie 2 ( ū(p ′ ) Γ µ (p ′ , p) u(p) ) 1 q 2 J muon<br />

µ , (I.25)<br />

wobei der erste Term die sog. Vertexfunktion<br />

Γ µ (p ′ , p) = γ µ + O(α)<br />

– preliminary –<br />

(I.26)<br />

einführt, während die restlichen Faktoren den Photonpropagator und den (klassisch<br />

angenommenen) Myon-Strom darstellen.<br />

• Die Vertexfunktion erfüllt alle Symmetrien: Lorentz-Symmetrie, Parität, Eichsymmetrie<br />

(Stromerhaltung)<br />

• Die Lorentz-Symmetrie erlaubt die Entwicklung der Vertexfunktion in skalare<br />

Funktionen und elementare Lorentz-Vektoren:<br />

Γ µ (p ′ , p) := A(q 2 ) γ µ + B(q 2 ) (p ′µ + p µ ) + C(q 2 ) (p ′µ − p µ )<br />

(I.27)<br />

Hierbei bezeichnen A, B, C sog. Formfaktoren, welche nur von Lorentz-Invarianten<br />

q 2 (und implizit auch m 2 ) abhängen.<br />

Anm.: Weitere Lorentzstrukturen, die auf der rechten Seite auftauchen könnten:<br />

– σ µν (p ′ ν + p ν ) — trägt nicht bei nach Anwendung der Dirac-Gleichung.<br />

– σ µν (p ′ ν − p ν ) — ist zwischen den Dirac-Spinoren ū(p ′ )[..]u(p) linear abhängig<br />

von γ µ und (p ′µ + p µ ) (siehe unten).<br />

– ɛ µνρσ γ ν p ′ ρp σ oder γ µ γ 5 haben die falsche (negative) Pariät.<br />

• Die Eichsymmetrie impliziert die Stromerhaltung ∂ µ j µ = 0. Auf Born-Level gilt<br />

demnach<br />

q µ ( ū(p ′ )γ µ u(p) ) = 0 ,<br />

was sich auf die Vertexfunktion verallgemeinert<br />

q µ ( ū(p ′ )Γ µ (p ′ , p)u(p) ) = 0 .<br />

(I.28)<br />

Relationen dieser Art bezeichnet man allgemein als Ward-Identitäten (eine formale<br />

Diskussion folgt später). U.a. hat dies zur Folge, dass die Abhängigkeit vom<br />

Eichparameter in phys. Amplituden verschwindet, denn<br />

(ū(p ′ )Γ µ (p ′ , p)u(p) ) i (<br />

q 2 −g µν + (1 − ξ) q )<br />

µq ν<br />

q 2 = ( ū(p ′ )Γ ν (p ′ , p)u(p) ) −i<br />

q 2 .<br />

12


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

Für unsere allgemeine Parametrisierung heisst das<br />

(<br />

ū(p ′ ) A q/ + B q · (p ′ + p) + C q 2) u(p) = ! 0<br />

(I.29)<br />

– q/ = p/ ′ − p/ → m − m = 0 verschwindet zwischen on-shell Dirac-Spinoren.<br />

– q · (p ′ + p) = (p ′ ) 2 − p 2 = m 2 − m 2 = 0 verschwindet ebenfalls.<br />

– Im letzten Term ist allerdings i.A. q 2 ≠ 0, d.h. wir müssen<br />

fordern.<br />

C(q 2 ) ≡ 0<br />

Wir verbleiben also mit genau 2 unabhängigen Formfaktoren A(q 2 ), B(q 2 ).<br />

• Meistens schreibt man mittels der sog. Gordon-Identiät,<br />

[ p<br />

ū(p ′ )γ µ u(p) = ū(p ′ ′µ + p µ ]<br />

)<br />

2m<br />

+ iσµν q ν<br />

u(p)<br />

2m<br />

den Term mit (p ′µ + p µ ) um, und führt neue Formfaktoren F 1,2 (q 2 ) ein,<br />

(I.30)<br />

Γ µ (p ′ , p) = γ µ F 1 (q 2 ) + iσµν q ν<br />

2m F 2(q 2 ) . (I.31)<br />

Unser Ziel ist also, die Vertexkorrekturen zu den Formfaktoren<br />

zu berechnen.<br />

F 1 (q 2 ) = 1 + O(α) , F 2 (q 2 ) = O(α) (I.32)<br />

• Der Vergleich mit dem nicht-relativistischen Limes zeigt<br />

– F 1 (0) ≡ 1 entspricht gerade der elektr. Ladung in Einheiten von e.<br />

– und F 1 (0) + F 2 (0) = g 2<br />

= 1 + O(α) ergibt gerade die Korrektur zum Landé-<br />

Faktor, der das sog. anomale magnetische Moment des Elektrons bestimmt.<br />

• Anm.: Die Zerlegung der elektromagnetischen Vertexfunktion gilt allgemein, z.B.<br />

auch für komplexere Systeme wie das Proton, wo allerdings aufgrund der starken<br />

Wechselwirkung zwischen den Quarks die Formfaktoren F 1 und F 2 nicht in der<br />

Störungstheorie berechenbar sind.<br />

Aus dem Vertexdiagramm erhalten wir mit Hilfe der QED-Feynmanregeln die Korrektur<br />

zur Vertexfunktion (Γ µ := γ µ + δΓ µ ),<br />

∫<br />

ū(p ′ )δΓ µ d 4 k −ig νρ<br />

u(p) =<br />

(2π) 4 k 2 + iɛ ū(p′ ) (−ieγ ν i(p/ ′ − k/ + m)<br />

)<br />

(p ′ − k) 2 − m 2 + iɛ γµ<br />

– preliminary –<br />

i(p/ − k/ + m)<br />

×<br />

(p − k) 2 − m 2 + iɛ (−ieγρ ) u(p) (I.33)<br />

Um diesen Ausdruck zu vereinfachen und insbesondere die 4er-Impulsintegration durchführen<br />

zu können, betrachten wir am besten den Nenner, den Zähler der Feynmanpropagatoren,<br />

sowie die Impulsintegration separat.<br />

13


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

Nenner: Als Rechentrick zur Behandlung des Nenners (wir führen an dieser Stelle schon<br />

eine fiktive Photonmasse als IR-Regulator ein),<br />

1 [<br />

−1<br />

N = (k 2 − µ 2 + iɛ)((p ′ − k) 2 − m 2 + iɛ)((p − k) 2 − m 2 + iɛ)]<br />

, (I.34)<br />

führen wir die sog. Feynman-Parameter ein (→ Übung ). Allgemein können wir<br />

damit Produkte von Nennern folgendermaßen umformen,<br />

∫<br />

1<br />

1<br />

n∑ (n − 1)!<br />

= dx 1 · · · dx n δ(1 − x i )<br />

A 1 A 2 · · · A n [x 1 A 1 + . . . + x n A n ] n , (I.35)<br />

0<br />

so dass nur noch ein gemeinsamer Nenner auftritt, allerdings dafür jetzt zusätzliche<br />

Parameter-Integrale ausgeführt werden müssen. (Wir werden sehen, dass dadurch<br />

aber das 4er-Impulsintegral elementar wird.)<br />

In unserem Fall erhalten wir<br />

∫<br />

1 1<br />

N = dxdydz δ(1 − x − y − z) 2 D 3<br />

mit (q 2 = 2m 2 − 2p · p ′ )<br />

mit also<br />

0<br />

D = xk 2 − xµ 2 + y(p ′ − k) 2 − ym 2 + z(p − k) 2 − zm 2 + iɛ<br />

– preliminary –<br />

i=1<br />

= k 2 − 2yp ′ · k − 2zp · k − xµ 2 + iɛ<br />

= (k − yp ′ − zp) 2 − (yp ′ + zp) 2 − xµ 2 + iɛ<br />

= ˜k 2 − (y 2 + z 2 )m 2 − 2yzp · p ′ − xµ 2 + iɛ<br />

= ˜k 2 − (y + z) 2 m 2 + yzq 2 − xµ 2 + iɛ<br />

≡ ˜k 2 − ∆ 2 + iɛ<br />

(I.36)<br />

(I.37)<br />

∆ 2 = (1 − x) 2 m 2 − yzq 2 + xµ 2 , ˜k = k − yp ′ − zp . (I.38)<br />

Die zu erwartenden IR-Divergenzen hängen mit den Nullstellen von ∆ 2 (bei Abwesenheit<br />

der Regulatormasse µ) zusammen. Die IR-Divergenzen rühren also von<br />

bestimmten Regionen im Feynman-Parameter-Integral zusammen, in unserem Fall<br />

mit der Region<br />

x → 1 und y, z → 0 .<br />

Zähler: Im Zähler führen wir ebenfalls die Variablensubstitution k → ˜k durch. Dann<br />

müssen wir die Lorentzstrukturen gemäß der Formfaktoren A, B, C identifizieren.<br />

Um die Kette von Dirac-Matrizen zwischen ū(p ′ )[..]u(p) zu vereinfachen, benutzen<br />

wir die Relationen für Dirac-Matrizen: 1<br />

γ ν γ µ γ ν = −2γ µ ,<br />

γ ν γ µ a/γ ν = 4a µ ,<br />

γ ν a/γ µ b/γ ν = −2b/γ µ a/ .<br />

(I.39)<br />

1 Die angegebenen Relationen gelten für 4 Raumzeitdimensionen. Wir werden später die Methode der<br />

dimensionalen Regularisierung kennen lernen, wo diese Relationen verallgemeinert werden müssen.<br />

14


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

Weiterhin können wir die Dirac-Gleichung verwenden, nachdem wir alle Terme<br />

p/ nach rechts und p/ ′ nach links (anti-)kommutieren (p/u(p) = mu(p), ū(p ′ )p/ ′ =<br />

mū(p ′ )).<br />

Bei der Integration verschwinden die Integrale mit ungeraden Potenzen von ˜k im<br />

Zähler,<br />

∫<br />

d 4˜k ˜kµ<br />

(2π) 4 (˜k 2 − ∆ 2 + iɛ) = 0 n (wg. Antisymmetrie unter ˜k → −˜k) . (I.40)<br />

Für Tensorintegrale mit ˜k µ˜kν im Zähler ergibt sich aufgrund der Lorentzsymmetrie:<br />

∫<br />

d 4˜k<br />

∫<br />

˜kµ˜kν<br />

(2π) 4 (˜k 2 − ∆ 2 + iɛ) = X d 4˜k<br />

n gµν , mit: X =<br />

˜k2 /4<br />

(2π) 4 (˜k 2 − ∆ 2 + iɛ) . n<br />

(I.41)<br />

Nach einigen Rechenschritten (die nicht schwierig aber etwas aufwendig sind, und<br />

deshalb am besten mit Hilfe von Computer-Algebra-Programmen wie Mathematica<br />

durchgeführt/kontrolliert werden, siehe Übung ) ergibt sich<br />

Zähler = −i 8πα ū(p ′ )<br />

{ (1<br />

2 ˜k 2 − (1 − 2x − x 2 )m 2 − (1 − y)(1 − z)q 2 )<br />

+ x(1 − x)m (p ′µ + p µ )<br />

+ (z − y)(1 + y + z)m q µ }u(p) (I.42)<br />

An dieser Stelle lassen sich schon einige Eigenschaften der Beiträge zu den verschiedenen<br />

Formfaktoren ablesen:<br />

• Beim Beitrag zum FF A(q 2 ) gibt es aufgrund des Terms ˜k 2 im Zähler eine<br />

UV-Divergenz bei der ˜k–Integration,<br />

d 4˜k ˜k2<br />

(˜k 2 − ∆ 2 + iɛ) 3<br />

divergiert für ˜k → ∞<br />

Weiterhin verschwindet der Zähler nicht im für potentielle IR-Divergenzen<br />

relevanten Bereich x → 1, y, z → 0, d.h. wir werden auch IR-Divergenzen im<br />

Formfaktor A(q 2 ) erhalten.<br />

• Im Gegensatz dazu, erhält der Term vor (p ′µ + p µ ), der dem Formfaktor<br />

B(q 2 ) entspricht, keine Terme mit ˜k 2 ; und außerdem verschwindet in diesem<br />

Fall der Zähler für x → 1. Wir erwarten also weder UV- noch IR-Divergenzen<br />

im O(α)–Beitrag zu B(q 2 ).<br />

– preliminary –<br />

• Schließlich ist der Zähler im Term vor q µ , der dem Formfaktor C(q 2 ) entspricht,<br />

antisymmetrisch unter Vertauschung von y ↔ z, während der Rest des Integrals<br />

(inklusive des Terms ∆ 2 ) symmetrisch ist, so dass C(q 2 ) = 0 nach<br />

Parameterintegration, im Einklang mit unseren allgemeinen Überlegungen.<br />

γ µ<br />

15


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

d 4˜k–Integration: Wie bereits in TTP1 diskutiert, transformieren auf euklidische Impulse<br />

mittels der sog. Wick-Rotation:<br />

˜k 0 = ik 4 E , ⃗ k = ⃗ kE , mit k 4 E ∈ (−∞, +∞)<br />

d.h. wir ersetzen d 4˜k → id 4 k E und ˜k 2 = −kE<br />

2 < 0. Die iɛ–Vorschrift sagt uns<br />

gerade, in welcher Richtung in der komplexen Ebene wir die Wick-Rotation der<br />

Integrationskontur durchführen müssen. Für ∆ 2 > 0 können wir danach den iɛ<br />

Term im Nenner weglassen.<br />

Weiterhin können wir 4-dimensionale Kugelkoordinaten benutzen, so dass (siehe<br />

Übung )<br />

d 4 k E = dΩ 4 k 3 dk = 2π 2 k 3 dk<br />

I.1.2.1 Berechnung des Formfaktor B(q 2 ) bzw. F 2 (q 2 )<br />

Kombination des Zählers, Nenners und Integrationsmaß ergibt<br />

B(q 2 ) = − 2α π<br />

∫ 1<br />

0<br />

dx dy dz δ(1 − x − y − z)<br />

– preliminary –<br />

∫ ∞<br />

0<br />

k 3 dk<br />

Die k-Integration ist nun elementar und führt auf Integrale der Form<br />

und damit<br />

∫ ∞<br />

0<br />

B(q 2 ) = − α 2π<br />

k 3<br />

m x(1 − x)<br />

(k 2 + ∆ 2 ) 3 (I.43)<br />

dk<br />

(k 2 + ∆ 2 ) n = (∆2 ) 2−n<br />

4 − 6n + 2n 2 (I.44)<br />

∫ 1<br />

0<br />

dx dy dz δ(1 − x − y − z)<br />

Uns interessiert zunächst insbesondere der Term<br />

F 2 (0) = −2mB(0) = α π<br />

∫ 1<br />

0<br />

dx dy dz δ(1 − x − y − z)<br />

m x(1 − x)<br />

∆ 2 . (I.45)<br />

m 2 x(1 − x)<br />

(1 − x) 2 m 2 + xµ 2 . (I.46)<br />

Da keine IR-Divergenzen für x → 1 auftreten, können wir µ → 0 setzen und erhalten<br />

einfach<br />

F 2 (0) = α π<br />

∫ 1<br />

0<br />

dx dy θ(1 − x − y)<br />

x<br />

1 − x = α π<br />

∫ 1<br />

0<br />

dx x = α 2π<br />

(I.47)<br />

Die IR-Endlichkeit des Resultats ist dabei zwingend, denn wir hatten ja durch die reelle<br />

Abstrahlung nur Korrekturen zu der Dirac-Struktur γ µ des führenden Diagramms erhalten<br />

(haben also keine IR-Divergenzen zum kompensieren). [Analog haben wir auch<br />

keinen Beitrag vom führenden Diagramm durch dessen Renormierung (s.u.) wir eine<br />

etwaige UV-Divergenz in F 2 (0) ausgleichen könnten.]<br />

Insgesamt bekommen wir also eine eindeutige QED-Vorhersage für die führende Quantenkorrektur<br />

zum anomalen magnetischen Moment des Elektrons,<br />

a e = g − 2<br />

2<br />

= α 2π ≈ 0.0011614 .<br />

16


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

Für endliche Impulsüberträge q 2 lässt sich das Parameterintegral immer noch elementar<br />

berechnen und man erhält<br />

F 2 (q 2 ) = α 2π<br />

√<br />

τ 1 − τ − 1<br />

2 √ 1 − τ ln √ 1 − τ + 1<br />

für τ = 4m2<br />

q 2 < 0 . (I.48)<br />

(Um das analytische Verhalten für 0 < τ < 1, d.h. oberhalb der Schwelle q 2 > 4m 2 für 2-<br />

Teilchen-Produktion, zu erhalten, muss man die iɛ-Vorschrift in der Form m 2 → m 2 − iɛ<br />

beibehalten.)<br />

I.1.2.2 Berechnung des Formfaktors A(q 2 ) bzw. F 1 (q 2 )<br />

Wie bereits oben erwähnt ergibt sich bei der Berechnung der Vertexkorrektur zum Formfaktor<br />

A(q 2 ) eine UV-Divergenz, die entsprechend regularisiert werden muss (die IR-<br />

Divergenz haben wir bereits durch die fiktive Photonmasse µ regularisiert). Dazu gibt<br />

es verschiedene Methoden, von denen wir ein einige kurz diskutieren wollen:<br />

• Das einfachste Verfahren besteht im Einführen eines Energie-Impuls–Abschneideparameters<br />

(“cut-off”), so dass |˜k µ | ≤ Λ UV . Die UV-Divergenzen treten dann in<br />

der Form<br />

ln Λ UV (log. Divergenz) , Λ UV (lineare Divergenz) , Λ 2 UV (quadrat. Divergenz) . . .<br />

auf (für Λ UV → ∞). Diese Methode hat allerdings den Nachteil, dass sie nicht<br />

invariant bzgl. Variablensubstitution ˜k µ → ˜k µ + a µ ist.<br />

• Ein für die QED häufig verwendetes Verfahren, welches wir im Folgenden auch benutzen<br />

wollen, besteht darin, vom UV-divergenten Diagramm einen analogen Ausdruck<br />

zu subtrahieren, bei dem das Photon eine fiktive große Masse M bekommt,<br />

so dass die führende Divergenz für |˜k| → ∞ wegfällt. Dies bezeichnet man als<br />

“Pauli-Villars”-Regularisierung. In unserem Fall ergibt sich<br />

∫<br />

d 4˜k<br />

(<br />

)<br />

− i 8πα<br />

(2π) ˜k 2 1<br />

4 (˜k 2 − ∆ 2 ) − (µ → M) 3<br />

= α ∫ (<br />

)<br />

dk E kE<br />

5 1<br />

π<br />

(˜k<br />

E 2 + ∆2 ) − (µ → M) 3<br />

= α 2π ln ∆2 (µ → M)<br />

∆ 2 ≃ α 2π ln xM 2<br />

(1 − x) 2 m 2 − yzq 2 + xµ 2 . (I.49)<br />

Das Problem dieser Methode ist, dass die Photonmasse die Eichinvarianz verletzt<br />

und damit gewisse Symmetrien des Problems nicht mehr (automatisch) manifest<br />

sind.<br />

– preliminary –<br />

• Eine elegante (aber mathematisch subtilere) Methode ist die sog. “Dimensionale<br />

Regularisierung”, bei der nicht wie oben der Integrand, sondern das Integrationsmaß<br />

modifiziert wird, und zwar<br />

d 4 k<br />

(2π) 4 →<br />

dD k<br />

(2π) D mit D < 4 , (I.50)<br />

17


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

d.h. wir betrachten alle Impulsintegrale in einer fiktiven Raumzeit mit weniger<br />

als 3 Raumdimensionen. Insbesondere können wir die erhaltenen Ergebnisse als<br />

Funktion von D auch zu nicht ganzzahligen Dimensionen<br />

D = 4 − 2ɛ<br />

analytisch fortsetzen (dies ist nur ein mathematischer Trick und hat keine physikalische<br />

Bedeutung). Die UV-Divergenzen treten dann für ɛ → 0 + in der Form<br />

1<br />

ɛ , 1<br />

ɛ 2 , . . .<br />

auf. (Die Methode kann auch zur Regularisierung von IR-divergenten Integralen<br />

verwendet werden, wenn man ɛ → 0 − betrachtet. In diesem Fall müssen auch<br />

die Phasenraumintegrale d 3 k für die reellen Strahlungskorrekturen entsprechend<br />

modifiziert werden.) Um mathematisch konsistente Ergebnisse zu erhalten, müssen<br />

wir auch die Regeln für die Dirac-Matrizen entsprechend anpassen (siehe Übung ).<br />

Insbesondere gilt<br />

γ µ γ µ = g µ µ = 4 −→ D − 2ɛ .<br />

Trotz dieser Subtilitäten überwiegen – insbesondere bei der Anwendung in der<br />

Quantenchromodynamik (QCD) für die starke Wechselwirkung – die Vorteile dieser<br />

Methode. So kann man die Modifikation direkt in der QFT-Wirkung als<br />

∫<br />

∫<br />

d 4 x L (4) (φ, ∂ µ φ) −→ d D x L (D) (φ, ∂ µ φ)<br />

(I.51)<br />

einführen, ohne innere Symmetrien oder Lorentz-Symmetrie zu verletzen.<br />

Kehren wir zur identifizierten UV-Divergenz in (I.49) und deren Interpretation zurück.<br />

Fassen wir die (regularisierte) d 4˜k-Integration in A(q 2 ) zusammen (unter Verwendung<br />

der gleichen Methoden wie für den Formfaktor B(q 2 )), ergibt sich<br />

∫ 1<br />

A(q 2 ) = 1 + α dx dy dz δ(1 − x − y − z)<br />

2π 0<br />

{<br />

× ln xM 2<br />

∆ 2 + (1 − 2x − x2 )m 2 + (1 − y)(1 − z)q 2 }<br />

∆ 2<br />

bzw. mit F 1 (q 2 ) = 1 + δF 1 (q 2 ) = A(q 2 ) + 2mB(q 2 )<br />

∫ 1<br />

– preliminary –<br />

(I.52)<br />

F 1 (q 2 ) = 1 + α dx dy dz δ(1 − x − y − z)<br />

2π 0<br />

{<br />

× ln xM 2<br />

∆ 2 + (1 − 4x + x2 )m 2 + (1 − y)(1 − z)q 2 }<br />

∆ 2 . (I.53)<br />

Aus der experimentellen Messung der Ladung des Elektrons im statischen elektrischen<br />

Feld “wissen” wir, dass F 1 (q 2 = 0) ! = 1 sein muss. Das offensichtlich “falsche” Resultat für<br />

18


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

F 1 (q 2 ) rührt daher, dass wir die externen 1-Teilchen–Zustände in der wechselwirkenden<br />

Theorie naiv durch die der freien Theorie ersetzt haben. Wir wissen, dass für Streuamplituden<br />

in der wechselwirkenden Theorie die externen Zustände durch entsprechende<br />

Z-Faktoren aus der Spektraldarstellung der entsprechenden 2-Punkt-Funktionen (vgl.<br />

TTP1 und siehe unten) korrigiert werden müssen,<br />

u(p) → √ Z u(p) , ū(p) → √ Z ū(p) , (I.54)<br />

mit Z = 1+O(α) in der Störungstheorie. Damit ändert sich die Vorhersage auf Baumgraphen-<br />

Niveau, und das Gesamtergebnis zur Ordnung α lautet<br />

(<br />

)<br />

(<br />

Z ū(p)γ µ u(p) 1 + δF 1 (q 2 ) = ū(p)γ µ u(p) 1 + δZ + δF 1 (q 2 ) + O(α )) 2 !<br />

= ū(p)γ µ u(p) .<br />

Daraus ergibt sich die Bedingung (die wir weiter unten testen werden)<br />

Z = 1 − δF 1 (0)<br />

} {{ } , ⇒ F 1(q 2 ) renorm. = 1 + δF 1 (q 2 ) − δF 1 (0)<br />

} {{ }<br />

(I.55)<br />

q 2 -unabhängig UV-endlich (I.56)<br />

Der so definierte “renormierte” Formfaktor ist nun UV-endlich, weil der divergente Anteil<br />

proportional zu ln M 2 in δF 1 (q 2 ) unabhängig von q 2 ist und sich damit in der Differenz<br />

heraushebt. Der (unphysikalische, weil nicht beobachtbare) Renormierungsfaktor<br />

Z dagegen ist UV-divergent, aber unabhängig von q 2 .<br />

Der renormierte Formfaktor F 1 (q 2 ) kann nun explizit berechnet werden (wir lassen das<br />

Label “renorm.” im Folgenden wieder weg):<br />

∫ 1<br />

F 1 (q 2 ) = 1 + α dx dy θ(1 − x − y)<br />

2π 0<br />

{<br />

m 2 (1 − x) 2 + xµ 2<br />

× ln<br />

m 2 (1 − x) 2 + xµ 2 − y(1 − x − y)q 2<br />

+ m2 (1 − 4x + x 2 ) + (1 − y)(x + y)q 2<br />

}<br />

m 2 (1 − x) 2 + xµ 2 − y(1 − x − y)q 2 − (q2 → 0) . (I.57)<br />

Wir bemerken, dass wir im logarithmischen Term in Klammern den IR-Regulator vernachlässigen<br />

können, da das Argument des Logarithmus für x → 1 und y → 0 regulär<br />

bleibt. Das lässt sich noch expliziter machen, wenn wir die Variablensubstitution<br />

y = (1 − x)ξ<br />

– preliminary –<br />

durchführen, mit dem Resultat<br />

F 1 (q 2 ) = 1 + α 2π<br />

∫ 1<br />

0<br />

dx (1 − x)<br />

∫ 1<br />

0<br />

dξ<br />

{<br />

m 2<br />

ln<br />

m 2 − ξ(1 − ξ)q 2<br />

+ m2 (1 − 4x + x 2 ) + (1 − ξ + xξ)(x + ξ − xξ)q 2<br />

m 2 (1 − x) 2 + xµ 2 − (1 − x) 2 ξ(1 − ξ)q 2 − (q 2 → 0)<br />

}<br />

. (I.58)<br />

19


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

Im 2. Term haben wir den IR-Regulator µ beibehalten, da der Zähler im Limes x → 1<br />

nicht verschwindet und das Parameterintegral sonst wie ∫ 1 dx<br />

0 1−x<br />

divergieren würde.<br />

Zur Lösung der Parameterintegrale ist es nützlich, das Resultat in einen IR-divergenten<br />

und einen IR-endlichen Anteil aufzuteilen. In F 1 | div. (q 2 ) setzen wir im Zähler, sowie im<br />

Vorfaktor bei µ 2 den Parameter x = 1 und erhalten<br />

F 1 (q 2 )| div. = α ∫ 1<br />

∫ { 1<br />

−2m 2 + q 2<br />

}<br />

dx (1 − x) dξ<br />

2π 0<br />

0 m 2 (1 − x) 2 + µ 2 − (1 − x) 2 ξ(1 − ξ)q 2 − (q2 → 0)<br />

(I.59)<br />

Im restlichen Anteil, F 1 (q 2 )| reg. = F 1 (q 2 ) − F 1 | div. (q 2 ), kann dann µ = 0 gesetzt werden,<br />

so dass sich der Integrand etwas vereinfacht (das explizite Resultat geben wir nicht an;<br />

es kann aber ohne große Schwierigkeiten hergeleitet werden). Das x-Integral in (I.59) ist<br />

nun elementar (man setze einfach ω = (1 − x) 2 ), und man erhält<br />

F 1 (q 2 )| div. = α ∫ [ 1<br />

−2m 2 + q 2<br />

dξ<br />

4π m 2 − ξ(1 − ξ)q 2 ln m2 − q 2 ]<br />

ξ(1 − ξ)<br />

µ 2 + 2 ln m2<br />

µ 2 . (I.60)<br />

0<br />

Wir interessieren uns insbesondere für den µ-abhängigen Term (der sich ja mit der<br />

reellen IR-Divergenz kompensieren soll). Dieser lässt sich separieren durch Einführen<br />

einer Hilfsskala µ 0 ,<br />

F 1 (q 2 )| div. = α ∫ [ 1<br />

−2m 2 + q 2<br />

]<br />

dξ<br />

4π 0 m 2 − ξ(1 − ξ)q 2 ln µ2 0<br />

µ 2 + 2 ln µ2 0<br />

µ 2 + (µ-unabhängige Terme) .<br />

(I.61)<br />

Vergleich mit dem im Phasenraum der reellen Photonabstrahlung auftauchenden Winkelintegral<br />

I(v ′ , v) (siehe Übung ) ergibt dann<br />

F 1 (q 2 ) = 1 − α 4π ln µ2 0<br />

µ 2 · I(v′ , v) + (IR-endliche, µ-unabhängige Terme). (I.62)<br />

Damit ergeben die virtuellen Korrekturen zum differentiellen Wirkungsquerschnitt dσ(p →<br />

p ′ ) einen Faktor<br />

∣<br />

∣F 1 (q 2 ) ∣ 2 =<br />

∣ 1 − α 4π ln µ2 2<br />

0<br />

µ 2 · I(v′ , v) + . . .<br />

= 1 − α ∣ 2π ln µ2 0<br />

µ 2 · I(v′ , v) + . . . (I.63)<br />

während die reellen Korrekturen in dσ(p → p ′ + γ soft ) den Beitrag<br />

α<br />

2π ln E2 min<br />

µ 2 · I(v ′ , v) (I.64)<br />

– preliminary –<br />

ergaben. In der Summe ergibt sich ein IR-endliches Resultat<br />

dσ(p → p ′ , p → p ′ + γ soft )<br />

(<br />

= dσ 0 1 + α )<br />

2π ln E2 min<br />

µ 2 · I(v ′ , v) + endliche Terme f(m 2 , q 2 , µ 2 0 )<br />

0<br />

(I.65)<br />

20


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

Für große Werte von q 2 (bzw. m 2 → 0) wählen wir µ 2 0 = −q2 , so dass im endlichen<br />

Anteil f(m 2 , q 2 , µ 2 0 ) → f(−q2 /µ 2 0 ) = f(−1) keine logarithmischen Terme in q2 mehr<br />

auftauchen. Dann ergibt sich im Hochenergielimes<br />

dσ(p → p ′ , p → p ′ + γ soft ) |−q2 |≫m 2<br />

= dσ 0<br />

[<br />

1 − α π<br />

Anmerkungen:<br />

ln<br />

−q2<br />

m 2<br />

]<br />

−q2<br />

ln<br />

Emin<br />

2 + . . .<br />

(I.66)<br />

• Wir haben schließlich einen endlichen Wirkungsquerschnitt erhalten, der (prinzipiell)<br />

mit dem Experiment verglichen werden kann.<br />

• Allerdings bricht die angenommene Störungsentwicklung in α/π offensichtlich zusammen,<br />

wenn der Impulsübertrag so groß wird, dass<br />

α −q2 −q2<br />

ln<br />

π m 2 ln<br />

E 2 min<br />

∼ O(1) .<br />

(I.67)<br />

Insbesondere lassen sich dann anscheinend sogar negative Wirkungsquerschnitte<br />

erzielen, was physikalisch unsinnig ist.<br />

• Die Kompensierung von IR-Divergenzen haben wir nur zur führenden Ordnung<br />

in α gezeigt. Damit das obige Resultat zuverlässig ist, würden wir gerne sicher<br />

sein, dass die Cancellierung in beliebiger Ordnung der Störungstheorie tatsächlich<br />

funktioniert.<br />

Im folgenden Abschnitt werden wir sehen, wie diese Probleme zu lösen sind.<br />

I.1.3 Aufsummation und Interpretation der IR-Divergenzen<br />

Den Wirkungsquerschnitt, den wir eigentlich messen, beinhaltet eine beliebige Anzahl<br />

von weichen Photonen mit k 0 < E min . In der Störungstheorie erwarten wir für n weiche<br />

Photonen ein Verhalten des WQ wie<br />

[ n<br />

α<br />

∝<br />

π ln E2 min<br />

I(v, v )] ′ (I.68)<br />

µ 2 0<br />

Falls der Ausdruck in Klammern von der Ordnung 1 oder größer ist (d.h. die logarithmisch<br />

verstärkten Koeffizienten in der Störungstheorie die kleine Kopplungskonstante<br />

α kompensieren), dann konvergiert die Störungsreihe nicht und wir müssen alle diese<br />

Beiträge für n = 0, 1, . . . , ∞ aufsummieren, um ein physikalisch sinnvolles Resultat zu<br />

bekommen.<br />

Um zu verstehen, wie und warum diese Aufsummation funktioniert, stellen wir zunächst<br />

einige Vorüberlegungen an. Wir betrachten dazu die Abstrahlung von 2 Photonen von<br />

einer Fermionlinie im Endzustand (Impuls p ′ ), die mit dem eigentlichen Wechselwirkungsvertex<br />

verbunden ist.<br />

– preliminary –<br />

– Diagramme –<br />

21


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

Im ersten Fall wird nach der Wechselwirkung erst ein hartes Photon (mit Impuls k 1 )<br />

und dann ein weiches Photon (k 2 ) abgestrahlt. Im zweiten Fall umgekehrt. Betrachten<br />

wir die Virtualitäten der intermediären Fermionpropagatoren, finden wir:<br />

Fall 1:<br />

Fall 2:<br />

äußeres Elektron: p ′ 2 = p ′ + k 2 , (p ′ 2) 2 − m 2 = 2p ′ · k 2 → 0 ,<br />

inneres Elektron: p ′ 1 = p ′ 2 + k 2 = p ′ + k 1 + k 2 ,<br />

(p ′ 1) 2 − m 2 = 2p ′ · (k 1 + k 2 ) + (k 1 + k 2 ) 2 ≈ 2p ′ · k 1 ≠ 0<br />

– preliminary –<br />

(I.69)<br />

In diesem Fall bleibt der innere Propagator stets off-shell (d.h. produziert keine<br />

IR-Divergenz) und kann als “normale” perturbative Korrektur zum eigentlichen<br />

Wechselwirkungsprozess behandelt werden. Der äußere Propagator produziert eine<br />

IR-Divergenz, die aber unabhängig vom Impuls des harten Photons ist.<br />

äußeres Elektron: p ′ 2 = p ′ + k 2 , (p ′ 2) 2 − m 2 = 2p ′ · k 2 ≠ 0 ,<br />

inneres Elektron: p ′ 1 = p ′ + k 1 + k 2 , (p ′ 1) 2 − m 2 ≈ 2p ′ · k 2 ≠ 0 (I.70)<br />

In diesem Fall sind beide Propagatoren stets off-shell, d.h. die Abstrahlung von<br />

einem weichen Photon innerhalb des harten Sub-Prozess generiert keine neue IR-<br />

Divergenz, und Diagramme dieser Art müssen für die Aufsummation nicht betrachtet<br />

werden (liefern natürlich aber trotzdem O(α) Korrekturen zum WQ).<br />

Damit haben wir eine wesentliche Vereinfachung geschaffen: Wir können uns für die<br />

Aufsummation auf die Abstrahlung von weichen Photonen von den externen Linien im<br />

Anfangs- und/oder Endzustand konzentrieren. Für n weiche Photonen aus FSR erhalten<br />

wir mit den Näherungen für die Fermionpropagatoren, die wir bereits im n = 1 Beispiel<br />

hergleitet hatten<br />

[ ( ) (<br />

ep<br />

ū(p ′ ′<br />

µ1<br />

ep ′ ) (<br />

µ<br />

)<br />

2<br />

ep ′ )<br />

]<br />

µ<br />

p ′ · k 1 p ′ · · ·<br />

n<br />

· (k 1 + k 2 ) p ′ × (Rest des Diagramms)<br />

· (k 1 + . . . k n )<br />

(I.71)<br />

Da die Photonen ununterscheidbare Bosonen sind, müssen wir über alle Permutationen<br />

der zugeordneten Impulse (k 1 ,. . . ,k n ) summieren. Das Ergebnis ist (Beweis durch<br />

Induktion → Übung )<br />

∑<br />

alle Permutationen π<br />

1<br />

1<br />

·<br />

p · k π(1) p · (k π(1) + k π(2) ) · · · 1<br />

p · (k π(1) + . . . + k π(n) )<br />

= 1 1 1<br />

· · · ·<br />

p · k 1 p · k 2 p · k n<br />

(I.72)<br />

22


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

Damit vereinfacht sie das Ergebnis für n weiche Photonen aus FSR wie folgt<br />

– Diagramm – =<br />

[<br />

ū(p ′ )<br />

( ) ( )]<br />

ep<br />

′<br />

µ1<br />

ep<br />

′<br />

µn<br />

p ′ · · · · k 1 p ′ · · · (I.73)<br />

· k n<br />

und analog für ISR mit k i → (−k i ) und p ′ → p.<br />

Fassen wir dann sämtliche Kombinationen von Photonen im Anfangs- und/oder Endzustand<br />

zusammen, ergibt sich für die Streuamplitude<br />

n∏<br />

( p<br />

iM ≃ ū(p ′ ′µ i<br />

)<br />

) iM hart u(p) · e<br />

p<br />

i=1<br />

′ − pµ i<br />

· k i p · k i<br />

(I.74)<br />

d.h. die Streuamplitude “faktorisiert” in einen harten Anteil iM (welcher die kurzreichweitigen<br />

Strahlungskorrekturen beinhaltet) und einen Anteil, der die Effekte weicher<br />

Photonen berücksichtigt. (Dieses Konzept der Faktorisierung wird insbesondere bei der<br />

Berechnung von Prozessen der starken Wechselwirkung in der QCD eine wesentliche<br />

Rolle spielen.)<br />

Obige Formel lässt sich sowohl für reelle als auch für virtuelle weiche Photonen anwenden:<br />

• Für virtuelle Photonen müssen wir jeweils 2 Photonen (i und j) identifizieren,<br />

mit Photonpropagator mit Impuls k j = −k i ≡ k multiplizieren und über alle 4er-<br />

Impulse integrieren. Damit wir nicht doppelt zählen für i ↔ j, gibt es noch einen<br />

Faktor 1/2. Für jedes virtuelle weiche Photon erhalten wir dann einen Faktor<br />

∫<br />

X v = e2<br />

2<br />

d 4 k<br />

(2π) 4<br />

(<br />

i p<br />

′<br />

k 2 + iɛ p ′ · k − p ) 2<br />

= − α p · k 4π I(v, v′ ) ln −q2<br />

µ 2 , (I.75)<br />

wie wir ihn bereits in der Vertexkorrektur berechnet hatten.<br />

Summieren wir dann über alle virtuellen Korrekturen dieser Art und berücksichtigen<br />

einen kombinatorischen Faktor 1/m! um Mehrfachzählung zu vermeiden, ergibt<br />

sich für die korrigierte Amplitude<br />

M(p → p ′ ) = M 0 (p → p ′ ) ·<br />

∞∑<br />

m=0<br />

1<br />

m! Xm v = M 0 (p → p ′ ) · exp [X v ] . (I.76)<br />

In der Tat können wir also die Effekte von beliebig vielen weichen virtuellen Photonen<br />

(d.h. die Beiträge mit dem Sudakov-Doppel-Logarithmus) explizit in eine<br />

Exponentialreihe aufsummieren.<br />

– preliminary –<br />

• Analog erhalten wir für jedes reelle Photon:<br />

– Kontraktion mit dem dazugehörigen Polarisationsvektor,<br />

– Polarisationssumme nach Quadrieren der Amplitude ausführen,<br />

– Phasenraum für jedes Photon integrieren.<br />

23


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

Damit ergibt sich für jedes reelle Photon ein Faktor<br />

∫ Emin<br />

X R = −<br />

µ<br />

d 3 (<br />

k 1 p<br />

(2π) 3 e 2 ′<br />

2ω k p ′ · k −<br />

p<br />

p · k<br />

) 2<br />

= α 2π I(v, v′ ) ln E2 min<br />

µ 2 , (I.77)<br />

wie bereits für die reellen Korrekturen mit n = 1 berechnet wurde. Mit dem<br />

entsprechenden Symmetriefaktor für n identische Photonen im Endzustand, erhalten<br />

wir den aufsummierten Wirkungsquerschnitt<br />

∞∑ dσ<br />

dΩ (p → p′ + nγ soft ) = dσ<br />

∞∑<br />

dΩ (p → 1<br />

p′ )<br />

n! Xn r = dσ<br />

dΩ (p → p′ ) exp [X r ]<br />

n=0<br />

n=0<br />

– preliminary –<br />

(I.78)<br />

Fassen wir nun also reelle und virtuelle Korrekturen zusammen, ergibt sich für den<br />

gemessenen Wirkungsquerschnitt<br />

dσ<br />

dΩ = dσ 0<br />

dΩ (p → p′ ) · exp [X r ] · |exp [X v ]| 2 = dσ 0<br />

dΩ (p → p′ ) exp [X r + 2X v ]<br />

= dσ [<br />

0<br />

dΩ (p → p′ )<br />

∣ exp − α ]∣ ∣∣∣∣<br />

4π I(v, v′ ) ln −q2<br />

2<br />

• Das Ergebnis ist IR endlich.<br />

E 2 min<br />

• Der Korrekturfaktor nimmt nur physikalische Werte zwischen 0 und 1 an.<br />

(I.79)<br />

• Die Entwicklung der Exponentialfunktion reproduziert (per Konstruktion) das Resultat<br />

in erster Ordnung in α ln 2 [..].<br />

]<br />

• Der Faktor S ≡ exp<br />

[− α 4π I(v, v′ ) ln −q2 heisst Sudakov-Formfaktor und stellt<br />

Emin<br />

2<br />

eine universelle Eigenschaft des jeweils betrachteten Wechselwirkungsvertex dar.<br />

Ein Corollar der obigen Rechnung ergibt die Wahrscheinlichkeit, dass gerade genau n<br />

weiche Photonen im (festen) Energieintervall E a ≤ ω k ≤ E b emittiert werden, nämlich<br />

⎡ ∣ ⎤<br />

1 ∣∣∣∣<br />

E min →E b<br />

n<br />

⎣X r ⎦ · Normierungsfaktor<br />

n!<br />

µ→E a<br />

= 1 [ ] n [<br />

α<br />

n! 2π I(v, v′ ) ln E2 b<br />

exp − α ]<br />

2π I(v, v′ ) ln E2 b<br />

(I.80)<br />

E 2 a<br />

Das entspricht gerade einer Poisson-Verteilung<br />

P (n) = 1 n! λn e −λ<br />

E 2 a<br />

(I.81)<br />

mit der mittleren Anzahl von emittierten Photonen (im vorgegebenen Energieintervall)<br />

λ ≡ 〈n〉 = α π ln E b<br />

I(v, v ′ )<br />

E a<br />

(I.82)<br />

Das gleiche Resultat für 〈n〉 lässt sich auch durch eine semi-klassische Rechnung reproduzieren<br />

(siehe Diskussion in [1]).<br />

24


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

I.1.4 2-Punkt–Funktion des Elektrons in der QED-Störungstheorie<br />

Für Dirac-Teilchen hatten wir in TTP1 die folgende Überlegung zur analytischen Struktur<br />

der 2-Punkt-Funktion gemacht:<br />

∫<br />

d 4 x e ipx 〈Ω|T ψ α (x) ¯ψ β (0)|Ω〉 = Z 2 ·<br />

i (p/ + m) αβ<br />

p 2 − m 2 + iɛ +<br />

– preliminary –<br />

∫∞<br />

dM 2<br />

2π<br />

∼m 2<br />

i ρ αβ (M 2 )<br />

p 2 − M 2 + iɛ<br />

(I.83)<br />

Den Renormierungsfaktor für die 1-Teilchen-Fermionzustände bezeichnen wir in der<br />

QED als Z 2 . Er ist definiert über<br />

〈Ω|ψ(0)|p, s〉 = √ Z 2 u(p, s)<br />

(I.84)<br />

und analog für Antiteilchen-Zustände mit ¯v(p, s). Die Summation über alle Spin-Zustände<br />

für Teilchen und Antiteilchen ergibt dann wie im Falle des freien Propagators den Term<br />

(p/ + m) im Zähler des 1-Teilchen–Beitrags. m ist wieder die physikalische Masse (im<br />

Gegensatz zum Massenparameter m 0 in der Dirac-Lagrangedichte).<br />

Die 2-Punkt–Funktion des Elektrons lässt sich als geometrische Reihe über 1-Teilchenirreduzible<br />

Diagramme (1PI) darstellen:<br />

∫<br />

– Diagramme –<br />

d 4 x e ip·x 〈Ω|T Ψ(x) ¯Ψ(0)|Ω〉<br />

= i(p/ + m 0)<br />

p 2 − m 2 0 + iɛ + i(p/ + m 0)<br />

p 2 − m 2 0 + iɛ (−iΣ) i(p/ + m 0 )<br />

p 2 − m 2 0 + iɛ + . . .<br />

i<br />

=<br />

p/ − m 0 − Σ + iɛ<br />

wobei wir die Elektron-Selbstenergie<br />

−iΣ(p/) = Summe über alle 1-Teilchen irreduziblen (amputierten) 2-Punkt–Diagramme<br />

(I.85)<br />

als Matrix im Spinorraum eingeführt haben (als Funktion von p/, wobei p 2 = p/p/). In<br />

führender Ordnung der Kopplung α erhalten wir somit<br />

−iΣ(p/) = (−ie) 2 ∫<br />

– Diagramme –<br />

d 4 k i(p/ − k/ + m 0 )<br />

(2π) 4 γµ (p − k) 2 − m 2 0 + iɛ γ −i<br />

µ<br />

k 2 − µ 2 + iɛ<br />

(I.86)<br />

Das Integral lässt sich mit den bereits diskutierten Methoden ausführen. Die UV-Divergenz<br />

wird wieder mit Pauli-Villars (Subtraktionsmasse M) regularisiert. Für die auftretenden<br />

IR-Divergenzen haben wir wieder eine Photonmasse µ als Regulator eingeführt. Nach<br />

kurzer Rechnung erhält man<br />

Σ(p/) = α 2π<br />

∫ 1<br />

0<br />

xM 2<br />

dx (2m 0 − xp/) ln<br />

(1 − x)m 2 0 + xµ2 − x(1 − x)p 2 (I.87)<br />

Uns interessiert für die Bestimmung der Spektraldichte insbesondere das analytische<br />

Verhalten bzgl. p 2 :<br />

25


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

• Der Schnitt beginnt, wenn Argument des Logarithmus negativ, also bei<br />

(1 − x)m 2 0 + xµ 2 − x(1 − x)p 2 !<br />

= 0<br />

Der minimale Wert von p 2 , bei der die obige Gleichung Lösungen für x Lösungen<br />

im Integrationsgebiet [0, 1] besitzt, ist gerade<br />

p 2 min = (m 0 + µ) 2<br />

im Einklang mit der allgemeinen Diskussion, denn der leichteste 2-Teilchenzustand<br />

ist gerade<br />

|eγ〉 mit m 2 eγ ≥ (m 0 + µ) 2<br />

Man beachte, dass sich für µ → 0 Subtilitäten aufgrund der IR-Divergenzen mit<br />

masselosen Photonen ergeben.<br />

• Wir erhalten keine Beiträge von Bindungszuständen, weil das Photon selbst elektrisch<br />

neutral ist.<br />

• Der (verschobene) 1-Teilchen-Pol ergibt sich für<br />

∣<br />

p/ − m 0 − Σ(p/) = 0 (I.88)<br />

∣ p/=m<br />

!<br />

als implizite Gleichung für die physikalische Polmasse m. In erster Ordung Störungstheorie<br />

ergibt sich die Massenrenormierung zu<br />

m − m 0 = Σ(p/ = m) ≃ Σ(p/ = m 0 )<br />

= α 2π m 0<br />

∫ 1<br />

0<br />

xM 2 M→∞<br />

dx (2 − x) ln<br />

(1 − x) 2 m 2 0 + ←<br />

3α<br />

xµ2 4π m 0 ln M 2<br />

(I.89)<br />

Man beachte, dass das Integral sowohl UV- als auch IR-divergent ist.<br />

• Die Normierung Z 2 für das Elektron erhalten wir aus dem Residuum der 2-Punkt-<br />

Funktion am Pol. Entwicklung der Selbstenergiefunktion um p/ = m ergibt<br />

1<br />

p/ − m 0 − Σ(p/) = 1<br />

p/ − m 0 − Σ(m) − dΣ<br />

∣ (p/ − m) + . . .<br />

p/=m<br />

1<br />

!<br />

= (<br />

) = Z 2<br />

(p/ − m) 1 − dΣ<br />

p/ − m ,<br />

∣ + . . .<br />

p/=m<br />

⇔<br />

In erster Ordnung erhalten wir<br />

Z −1<br />

– preliminary –<br />

0<br />

dp/<br />

2 = 1 − dΣ<br />

∣<br />

dp/<br />

dp/<br />

∣ p/=m<br />

δZ 2 = Z 2 − 1 ≃ dΣ<br />

dp/ (m)<br />

= α ∫ [ 1<br />

xM 2<br />

dx −x ln<br />

2π<br />

(1 − x) 2 m 2 + xµ 2 + 2(2 − x) x(1 − x)m 2 ]<br />

(1 − x) 2 m 2 + xµ 2<br />

m 2 0<br />

(I.90)<br />

= · · · = −δF 1 (0) (I.91)<br />

26


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

d.h. nach Vergleich der Parameterintegrale ergibt sich das gleiche Resultat wie aus<br />

der Vertexkorrektur, aber mit umgekehrten Vorzeichen, was unsere ad-hoc Vorgehensweise<br />

zur Renormierung des Formfaktors F 1 (q 2 ) im Nachhinein rechtfertigt.<br />

Wir werden später noch systematischer untersuchen, in welchem Sinne das Produkt von<br />

kleiner Kopplungskonstante und (für M → ∞) unendlich großer UV-Divergenz in der<br />

Störungstheorie zu interpretieren ist.<br />

I.1.5 Renormierung der elektrischen Ladung<br />

In unserer Betrachtung von e − µ − → e − µ − (+nγ soft ) fehlt noch ein Typ von Diagrammen<br />

– Diagramm —<br />

bei denen der Photonpropagator eine Quantenkorrektur durch eine virtuelle Elektron-<br />

Positron–Schleife erfährt. Das entsprechende Sub-Diagramm trägt zur sogenannten Vakuum-<br />

Polarisation bei (entspricht der Selbstenergie des Photonfelds). Die Korrekturen zur<br />

Vakuum-Polarisation<br />

• ändern die effektive Feldstärke des 4er-Potentials A µ (x),<br />

• ändern die q 2 -Abhängigkeit des (effektiven) Photonpropagators.<br />

Wir definieren (analog zur Selbstenergiefunktion Σ(p/) bei Elektronen) den Vakuumpolarisationstensor<br />

i Π µν (q) ≡ ∑ – 1PI-Diagramme – = 1-Loop-Diagramm + O(α 2 )<br />

(I.92)<br />

Wie im Falle der Vertexfunktion Γ µ (p ′ , p) übertragen sich die Eigenschaften des Dirac-<br />

Stroms ¯ψγ µ ψ, an den das Photon koppelt, auf den Vakuumpolarisationstensor,<br />

Deshalb können wir schreiben<br />

q µ Π µν (q) = q ν Π µν (q) = 0 (Ward-Identität) (I.93)<br />

Π µν (q) = (q 2 g µν − q µ q ν ) Π(q 2 ) ≡ q 2 P µν<br />

T Π(q2 ) . (I.94)<br />

Hierbei ist P µν<br />

T ein transversaler Projektor mit q µP µν<br />

T<br />

= 0 und (P T ) 2 = P T , und Π(q 2 ) ist<br />

eine skalare Vakuumpolarisationsfunktion, die nur vom Betrag des 4er-Impulsübertrags<br />

q 2 abhängt.<br />

Mit dieser Definition lässt sich die geometrische Reihe aus Produkten von 1PI-Diagrammen<br />

und freien Photonpropagatoren wieder explizit aufsummieren (hier in Feynman-Eichung)<br />

Voller Propagator = freier Propagator + Produkt von 1PI Diagrammen<br />

D tot(q) µν = −igµν<br />

q 2 + −igµρ [<br />

]<br />

q 2 iq 2 P T Π(q 2 −ig σν<br />

)<br />

ρσ q 2 + . . .<br />

= −igµν µν<br />

µν<br />

iP<br />

T<br />

q 2 −<br />

q 2 Π(q 2 iP ( 2<br />

T<br />

) −<br />

q 2 Π(q )) 2 + . . .<br />

(<br />

)<br />

= P µν −i<br />

T<br />

q 2 (1 − Π(q 2 + −i ( q µ q ν )<br />

) q 2 q 2 } {{ } } {{ }<br />

– preliminary –<br />

transversaler Anteil longitudinaler Anteil (I.95)<br />

27


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

Folgende Beobachtungen sind zu machen:<br />

• Der Pol des vollen Propagators ist immer noch bei q 2 = 0. Damit bleibt das Photon<br />

masselos in jeder Ordnung Störungstheorie, als Konsequenz der Eichsymmetrie<br />

(welche ja einen Massenterm m 2 γA µ A µ verbietet) und der damit verbundenen<br />

Ward-Identität.<br />

• Der longitudinale Anteil bleibt unverändert.<br />

• Das Residuum des Pols bei q 2 = 0 definiert den Renormierungsfaktor für physikalische<br />

(d.h. transversale) Photonen<br />

1<br />

1 − Π(0) ≡ Z 3 . (I.96)<br />

In elektromagnetischen Prozessen wird somit effektiv im Photonpropagator 2<br />

−ie 2 0 P µν<br />

T<br />

q 2 → −iZ 3e 2 0 P µν<br />

T<br />

+ iɛ q 2 + iɛ<br />

d.h. effektiv verändert sich die gemessene Stärke der Elementarladung<br />

d 2 0 → Z 3 e 2 0 ≡ e 2 ,<br />

– preliminary –<br />

(I.97)<br />

(I.98)<br />

wobei e 2 0 der Ladungsparameter in der Lagrangedichte und e2 die (messbare) physikalische<br />

Ladung e = √ Z 3 e 0 = e 0 (1+O(α)) darstellt. Man beachte, dass sich im Falle mehrerer<br />

(verschieden geladener) Fermionen die Vakuumpolarisation als Summe über Diagramme<br />

mit allen virtuellen Fermionen (gewichtet mit den entsprechenden Ladungsfaktoren q 2 i )<br />

ergibt, d.h. zur Ordnung α:<br />

Vakuumpolarisation = ∑ i<br />

q 2 i (Schleifendiagramm mit Fermion i)<br />

(I.99)<br />

d.h. alle geladenen Teilchen tragen zu Π(q 2 ) und damit zu Z 3 bei, aber Z 3 bleibt universell,<br />

d.h. die Verhältnisse von Ladungen bleiben unverändert.<br />

Weiterhin ergibt sich die modifizierte q 2 -Abhängigket des (transversalen Anteils) des<br />

effektiven Photon-Propagators aus<br />

e 2 0 D µν<br />

µν<br />

−iP<br />

eff (q2 T<br />

e 2 µν<br />

0 −iP<br />

T<br />

e 2 0<br />

) T =<br />

q 2 + iɛ 1 − Π(q 2 =<br />

) q 2 + iɛ 1 − Π(0) − (Π(q 2 ) − Π(0))<br />

µν<br />

−iP<br />

T<br />

e 2<br />

≈<br />

q 2 + iɛ 1 − (Π(q 2 ) − Π(0)) + . . . (I.100)<br />

Hierbei generiert der erste Faktor im nicht-relativistischen Limes das übliche Coulomb-<br />

Potential, welches durch die zusätzliche q 2 Abhängigkeit des zweiten Faktors modifiziert<br />

wird.<br />

2 Das gilt zunächst für q 2 nahe bei Null. Die zusätzliche q 2 -Abhängigkeit wird im folgenden diskutiert.<br />

28


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

I.1.5.1 Berechnung von Π(q 2 ) in der Störungstheorie<br />

Aus dem Feynmandiagramm zur Ordnung α erhalten wir (hier haben wir m 0 ≃ m<br />

benutzt)<br />

∫<br />

iΠ µν (q) = −(−ie 0 ) 2 d 4 [<br />

]<br />

k<br />

(2π) 4 tr γ µ i(k/ + m) i(k/ + q/ + m)<br />

k 2 − m 2 + iɛ γν (k + q) 2 − m 2 (I.101)<br />

+ iɛ<br />

(Man beachte, dass zusätzliche Minuszeichen und die Dirac-Spur für die geschlossene<br />

Fermionschleife.) Die Auswertung der Dirac-Spur ist elementar, und es ergibt sich<br />

iΠ µν (q) = −4e 2 0<br />

∫<br />

d 4 k k µ (k + q) ν + k ν (k + q) µ − g µν (k · (k + q) − m 2 )<br />

(2π) 4 (k 2 − m 2 + iɛ)((k + q) 2 − m 2 . (I.102)<br />

+ iɛ)<br />

Das verbleibende Integral kann mit unseren bereits erarbeiteten Standardmethoden<br />

berechnet werden. Ohne explizite Berechnung des Integrals lässt sich an dieser Stelle<br />

bereits die Bedinung q µ Π µν = 0 nachprüfen,<br />

∫<br />

q µ Π µν (q) ∝ d 4 k (q · k)(k + q)ν + k ν (k + q) · q − q ν (k · (k + q) − m 2 )<br />

(k 2 − m 2 + iɛ)((k + q) 2 − m 2 + iɛ)<br />

∫<br />

= d 4 k ν (2q · k + q 2 ) − q ν (k 2 − m 2 )<br />

k<br />

(k 2 − m 2 + iɛ)((k + q) 2 − m 2 + iɛ) . (I.103)<br />

Ein üblicher Trick an dieser Stelle besteht nun darin, die Terme im Zähler als Linearkombination<br />

von den Faktoren im Nenner zu schreiben. Für den Koeffizienten vor k ν<br />

ergibt sich<br />

2q · k + q 2 = ((k + q) 2 − m 2 ) − (k 2 − m 2 ) ;<br />

(I.104)<br />

der Koeffizient vor q ν hat bereits die Form eines Propagatornenners. Damit ergibt sich<br />

nach Kürzen der Brüche<br />

∫ {<br />

}<br />

q µ Π µν ∝ d 4 k k ν 1<br />

k 2 − m 2 + iɛ − 1<br />

kν<br />

(k + q) 2 − m 2 + iɛ − 1<br />

qν<br />

(k + q) 2 − m 2 .<br />

+ iɛ<br />

(I.105)<br />

Falls wir im 2. und 3. Term (k + q) → k substituieren dürfen, ergibt sich in der Tat insgesamt<br />

Null. Aber das Integral ist wieder divergent! Damit dürfen wir die Variablensubstitution<br />

erst nach der Regularisierung erlaubt.<br />

• Für eine cut-off Regularisierung funktioniert dies offensichtlich nicht.<br />

• Pauli-Villars–Regularisierung wäre wieder eine Option. Allerdings ist die Situation<br />

hier etwas komplizierter, weil die führende Divergenz bereits quadratisch ist, d.h.<br />

man braucht 2 PV-Subtraktionen.<br />

– preliminary –<br />

• Das Verfahren dimensionaler Regularisierung ist hier günstig, da wir in obiger Herleitung<br />

nur D = 4 → 4 − 2ɛ ändern müssen und Variablensubstituionen weiterhin<br />

erlaubt sind, und damit q µ Π µν = 0 garantiert ist. (Man beachte, dass sich die<br />

Regeln für die Dirac-Spur in D ≠ 4 Dimensionen nicht verändern.)<br />

29


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

Setzen wir die Berechnung von Π(q 2 ) fort: Nach Einführen von Feynman-Parametern<br />

ergibt sich (nach Wick-Rotation),<br />

∫ 1 ∫ d<br />

iΠ µν (q) = −4ie 2 D k E<br />

0 dx<br />

0 (2π) D<br />

×<br />

{(− 2 ) }<br />

D k2 E + kE 2 + m 2 + x(1 − x)q 2 g µν − 2x(1 − x) q µ q ν : (kE 2 + ∆ 2 ) 2<br />

– preliminary –<br />

(I.106)<br />

mit ∆ 2 = m 2 − x(1 − x)q 2 . Betrachten wir die einzelnen Terme in der geschweiften<br />

Klammer, so fällt auf, dass sich für den Term mit g µν aufgrund des expliziten Faktors<br />

kE 2 im Limes k E → ∞ anscheinend eine quadratische Divergenz ergibt, während der Term<br />

mit q µ q ν offensichtlich nur logarithmisch divergent ist. Wir werden gleich sehen, wie sich<br />

trotzdem die beiden Terme zu einem Ergebnis proportional zum transversalen Projektor<br />

kombinieren lassen. Weiterhin bemerken wir, dass sich keine IR-Divergenzen bei<br />

x → 0, 1 ergeben, was daran liegt, dass die Elektronen in der Schleife von vorneherein<br />

massiv sind.<br />

P µν<br />

T<br />

• Berechnen wir zunächst den (vermeintlich) quadratisch divergenten Beitrag (siehe<br />

Masterintegrale in der Übung )<br />

∫<br />

d D k E (−2/D + 1) kE<br />

2<br />

(2π) D (kE 2 + ∆2 ) 2 = − 1<br />

( ) 1 1−D/2<br />

(4π) D/2 (1 − D/2) Γ[1 − D/2] ∆ 2 .<br />

(I.107)<br />

Die in dimensionaler Regularisierung auftauchenden Γ-Funktionen haben Pole bei<br />

ganzzahligen, nicht-positivem Argument<br />

Γ(z) hat Pole bei z = 0, −1, −2, . . . (I.108)<br />

d.h. die im obigen Integral auftretende Γ-Funktion divergiert für D = 2, 4, 6, . . .<br />

Im Vergleich dazu ergibt sich für ein logarithmisch divergentes Integral<br />

∫<br />

d D ( )<br />

k 1<br />

(2π) D (k 2 + ∆ 2 ) 2 = 1 Γ(2 − D/2) 1 2−D/2<br />

(4π) D/2 Γ(2) ∆ 2 (I.109)<br />

und die auftauchende Γ-Funktion divergiert nur für D = 4, 6, . . .. D.h. in dimensionaler<br />

Regularisierung signalisieren die Pole der Γ-Funktion den Grad der Divergenz.<br />

In unserem konkreten Beispiel wird Γ(z) aber explizit mit z multipliziert. Unter<br />

Verwendung von<br />

z Γ(z) = Γ(z + 1)<br />

(I.110)<br />

wird damit aus dem vermeintlich quadratisch divergenten Beitrag tatsächlich ein<br />

logarithmisch divergenter Term mit Polen bei D = 4, 6, . . ..<br />

∫ d D k E (−2/D + 1) kE<br />

2<br />

(2π) D (kE 2 + ∆2 ) 2 = − 1<br />

( ) 1 1−D/2<br />

(4π) D/2 Γ[2 − D/2] ∆ 2 . (I.111)<br />

30


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

Die Entwicklung der Γ-Funktion für D = 4 − 2ɛ ergibt dann 3<br />

Γ(2 − D/2) = Γ(ɛ) = 1 ɛ − γ E + O(ɛ) (I.112)<br />

so dass die logarithmische Divergenz durch einen Pol 1/ɛ für ɛ → 0 repräsentiert<br />

wird. Hierbei ist die numerische Konstante γ E = 0.5772 . . . die Euler-Mascheroni–<br />

Zahl.<br />

• Fassen wir die weiteren Beiträge zu Π µν (q) zusammen, lässt sich nun explizit der<br />

transversale Projektor identifizieren,<br />

∫ 1<br />

( )<br />

iΠ µν (q) = −4ie 2 1<br />

1 2−D/2<br />

0 dx<br />

0 (4π) D/2 Γ(2 − D/2) ∆ 2<br />

×<br />

{g µν (−∆ 2 ) + g µν (m 2 + x(1 − x)q 2 ) − 2x(1 − x)q µ q ν}<br />

= −4ie 2 0<br />

∫ 1<br />

0<br />

Γ(ɛ) ( dx 2x(1 − x)<br />

(4π) D/2 (∆2 ) −ɛ q 2 g µν − q µ q ν) .<br />

(I.113)<br />

Damit lässt sich die Vakuumpolarisationsfunktion Π(q 2 ) in dimensionaler Regularisierung<br />

extrahieren,<br />

∫<br />

Π(q 2 ) = −8e2 1<br />

0<br />

(4π) D/2 dx x(1 − x) Γ(ɛ)<br />

0<br />

(∆ 2 ) ɛ<br />

= − 2α ∫ 1<br />

{ }<br />

0<br />

1<br />

dx x(1 − x)<br />

π<br />

ɛ − ln ∆2 − γ E + ln 4π<br />

Insbesondere erhalten wir für q 2 = 0 das Resultat<br />

0<br />

∫<br />

Π(0) = − 8e2 1<br />

0<br />

(4π) D/2 dx x(1 − x) Γ(ɛ)<br />

m 2ɛ = − α {<br />

0 1<br />

3π ɛ − ln m2 − γ E + ln 4π}<br />

0<br />

(I.114)<br />

(I.115)<br />

Das Resultat sieht nach der ɛ-Entwicklung etwas seltsam aus, da der Logarithmus einer<br />

dimensionsbehafteten Größe auftaucht. Der Grund hierfür liegt in der Modifikation der<br />

Massendimension des Feynman-Integrals d 4 k → d D k. Um dies zu korrigieren, führen wir<br />

eine Referenzskala µ ein und schreiben<br />

∫<br />

Π(0) = − 8e2 0 µ−2ɛ 1<br />

Γ(ɛ) µ2ɛ<br />

(4π) D/2 dx x(1 − x)<br />

0<br />

m 2ɛ = − α 0µ −2ɛ { }<br />

1 µ2<br />

+ ln<br />

3π ɛ m 2 − γ E + ln 4π .<br />

(I.116)<br />

– preliminary –<br />

3 Die Entwicklung der Γ-Funktion ergibt sich z.B. aus der Darstellung<br />

1<br />

Γ(z) = z eγ E z<br />

∞∏<br />

(1 + z/n) e −z/n .<br />

n=1<br />

31


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

Wir werden später sehen, dass wir die Kombination α 0 µ −2ɛ = α(1 + Oα 2 ) als dimensionlosen<br />

nackten Kopplungsparameter auffassen müssen (im Gegensatz dazu is α 0 = e2 0<br />

4π<br />

selbst dimensionsbehaftet für D ≠ 4). Während Π(0) den Z 3 -Faktor bestimmt,<br />

Z 3 =<br />

1<br />

1 − Π(0) ≃ 1 + α 3π<br />

– preliminary –<br />

{<br />

1<br />

ɛ<br />

+ ln<br />

µ2<br />

m 2 − γ E + ln 4π<br />

ergibt sich für die physikalisch observable modifizierte q 2 -Abhängigkeit<br />

Π(q 2 ) − Π(0) = − 2α π<br />

∫ 1<br />

0<br />

m 2<br />

dx x(1 − x) ln<br />

m 2 − x(1 − x)q 2 + . . . ,<br />

}<br />

, (I.117)<br />

(I.118)<br />

welche UV-endlich ist und die richtige Massendimension besitzt.<br />

Für Hochenergiestreuexperimente nähern wir wieder, −q 2 ≫ m 2 ,<br />

Π(q 2 ) − Π(0) ≈ 2α ∫ (<br />

)<br />

1<br />

dx x(1 − x) ln −q2<br />

π 0<br />

m 2 + ln x(1 − x) + . . .<br />

= α (<br />

ln −q2<br />

3π m 2 − 5 )<br />

3 + . . . . (I.119)<br />

Den effektiven Photonpropagator können wir in diesem Fall auch durch eine effektive<br />

q 2 -abhängige Feinstruktur“konstante” ausdrücken,<br />

α eff (q 2 α<br />

) ≃<br />

, (k = exp(5/3)) (I.120)<br />

1 − α −q2<br />

3π<br />

ln<br />

k m 2<br />

Insbesondere steigt die effektive Wechselwirkung für grössere Impulsüberträge (d.h.<br />

feinere Ortsauflösung) an.<br />

Die Tatsache, dass das das elektromagnetische Potential in der Nähe der Ladungsquelle<br />

effektiv grösser ist als weiter entfernt davon, kann man auch semi-klassisch verstehen:<br />

Die Möglichkeit, in der relativistischen Theorie virtuelle e + e − –Paare aus dem Vakuum<br />

zu erzeugen, führt auf eine effektive Abschirmung der (nackten) Elektronladung. Dieses<br />

Bild erklärt damit auch den Begriff “Vakuumpolarisation”.<br />

Als Fazit stellen wir fest, dass aufgrund der Quantenfluktuationen die elektromagnetische<br />

Kopplungsstärke davon abhängt, bei welchen Abständen/Impulsüberträgen wir messen!<br />

In Hochenergieexperimenten betrachten wir insbesondere α eff (q 2 ). Wenn man die Quantenfluktuationen<br />

aller Fermionen (Quarks, Myonen, Taus) mit berücksichtigt, ergibt sich<br />

z.B. für die relevante Kopplung bei LEP-Experimenten an der Z 0 -Masse:<br />

α eff (q 2 = MZ) 2 ≃ 1<br />

128<br />

(I.121)<br />

(im Vergleich zu 1/137 bei kleinen Energien).<br />

Wir können auch die Modifikation der elektromagnetischen Wechselwirkung im NR<br />

Limes betrachten. Das NR Potential ergibt sich aus der Fouriertransformation des Propagators<br />

für q 2 = −|⃗q| 2 zu<br />

∫<br />

V (|⃗x|) =<br />

d 3 q<br />

ei⃗q·⃗x −e 2<br />

(2π) 3 |⃗q| 2 [1 − Π(−|⃗q| 2 ) + Π(0))] .<br />

(I.122)<br />

32


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

Als grobe Näherung können wir den Integranden für |⃗q| 2 ≪ m 2 entwickeln und erhalten<br />

Π(−|⃗q| 2 ) − Π(0) ≃ − 2α ∫ (<br />

)<br />

1<br />

dx x(1 − x) −x(1 − x) |⃗q|2<br />

π<br />

m 2 = α |⃗q| 2<br />

15π m 2 . (I.123)<br />

0<br />

Damit ergibt sich für das Potential<br />

V (x) ≃ − α r − α ∫<br />

15π<br />

d 3 q<br />

(2π)<br />

3<br />

ei⃗q·⃗x e2<br />

m 2 = −α r − 4 α2<br />

15 m 2 δ(3) (⃗x) + . . . (I.124)<br />

D.h. zusätzlich zum Coulomb-Potential haben wir eine Verstärkung des Potentials bei<br />

kleinen Abständen ⃗x → 0. Der Effekt gibt u.a. einen kleinen Zusatzbeitrag zur Lamb-<br />

Shift im H-Atom (siehe QMII)<br />

∫<br />

(<br />

∆E = d 3 x |ψ(x)| 2 − 4 )<br />

α2<br />

15 m 2 δ(3) (⃗x) = − 4 α2<br />

15 m 2 |ψ(0)|2 , (I.125)<br />

und trägt damit insbesondere für S-Wellen bei. Man kann die obige Näherung noch<br />

verbessern und erhält dann das sog. Uehling-Potential<br />

δV (r) = − α α<br />

r 4 √ π (mr) 3/2 .<br />

e −2mr<br />

(I.126)<br />

An diesem Ausdruck erkennt man, dass die tatsächliche Reichweite des Potentials von<br />

der Grössenordnung der Compton-Wellenlänge des Elektrons, 1/m, ist.<br />

I.1.6 Symmetrien im Pfadintegralformalismus<br />

Bei der Diskussion der Strahlungskorrekturen haben wir an mehreren Stellen von Ward-<br />

Identitäten Gebrauch gemacht, welche von der Erhaltung des elektromagnetischen Stroms<br />

in der QED herrühren. In diesem Abschnitt wollen wir beispielhaft zeigen, wie sich solche<br />

Symmetrierelation für Korrelationsfunktionen direkt aus dem Pfadintegral der QED herleiten<br />

lassen.<br />

Wir betrachten dazu infinitesimale Variablensubstitutionen der Fermionfelder im Pfadintegral,<br />

ψ(x) → ψ ′ (x) = ψ(x) + ieα(x) ψ(x) , ¯ψ(x) → ¯ψ ′ (x) = ¯ψ(x) − ieα(x) ¯ψ(x) ,<br />

(I.127)<br />

welche gerade lokalen Phasentransformationen entsprechen. Das Eichfeld A µ (x) im Pfadintegral<br />

lassen wir allerdings jetzt unverändert. Dann ändert sich die Lagrangedichte<br />

gemäß:<br />

– preliminary –<br />

L → L − e(∂ µ α) ¯ψγ µ ψ = L − (∂ µ α) j µ ,<br />

wobei j µ der elektromagnetische Strom ist.<br />

Der Ausdruck für z.B. die 2-Punkt–Funktion im PI-Formalismus,<br />

∫<br />

1<br />

D<br />

Z<br />

¯ψ Dψ DA ψ(x 1 ) ¯ψ(x ∫ 2 ) e i d 4xL ,<br />

(I.128)<br />

(I.129)<br />

33


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

muss unter Variablensubstitutionen invariant bleiben. Für die linearen Terme in α(x)<br />

ergibt das:<br />

0 = ! 1 ∫<br />

D<br />

Z<br />

¯ψ Dψ DA ψ(x 1 ) ¯ψ(x ∫ {<br />

}<br />

2 ) e i d 4 xL δL<br />

+i<br />

δ∂ µ α(x) (∂ µα)(x) + ieα(x 1 ) − ieα(x 2 ) .<br />

(I.130)<br />

δL<br />

Setzen wir<br />

δ∂ = −j µα(x) µ(x) ein und bilden die Funktionalableitung δ/δα(y), erhalten<br />

wir<br />

0 = ! 1 ∫<br />

D<br />

Z<br />

¯ψ Dψ DA ψ(x 1 ) ¯ψ(x ∫ 2 ) e i d 4xL {+i∂ µ j µ (y) + ieδ(y − x 1 ) − ieδ(y − x 2 )} .<br />

(I.131)<br />

Für jeden der 3 Summanden in der geschweiften Klammer lässt sich das Ergebnis wieder<br />

als 3- bzw 2-Punkt–Funktion interpretieren, und wir erhalten<br />

i∂ y µ 〈0|T j µ (y)ψ(x 1 ) ¯ψ(x 2 )|0〉<br />

= −ieδ(y − x 1 ) 〈0|T ψ(x 1 ) ¯ψ(x 2 )|0〉 + ieδ(y − x 2 ) 〈0|T ψ(x 1 ) ¯ψ(x 2 )|0〉 . (I.132)<br />

Die Herleitung lässt sich offensichtlich für beliebige n-Punkt–Funktionen verallgemeinern.<br />

Beziehungen dieser Art (Divergenz ein (n + 1)-Punkt–Funktion mit dem Noether-<br />

Strom als Differenz(en) von n-Punkt–Funktionen) bezeichnet man allgemein als Ward-<br />

Takahashi–Identitäten. Sie stellen das Pendant zur klassischen Stromerhaltung<br />

∂ µ j µ (x) = 0<br />

auf dem Niveau der Korrelationsfunktionen dar.<br />

Wir können die Identität noch in eine etwas intuitivere Form bringen, indem wir in den<br />

Impulraum transformieren mittels<br />

∫ ∫<br />

∫<br />

d 4 y e −iqy d 4 x 1 e ip′ x 1<br />

d 4 x 2 e −ipx 2<br />

mit q = p ′ − p. Dies führt auf<br />

∫<br />

−q µ d 4 yd 4 x 1 d 4 x 2 e ip′ (x 1 −y) e ip(x−x2) 〈0|T j µ (y)ψ(x 1 ) ¯ψ(x 2 )|0〉 = ie ( S tot (p ′ ) − S tot (p) )<br />

– preliminary –<br />

(I.133)<br />

wobei S tot (p) den vollen Propagator (inklusive Strahlungskorrekturen) bezeichnet. Die<br />

linke Seite der Gleichung enthält gerade unserer Definition der Vertexfunktion, was man<br />

direkt einsieht, wenn man sich die Störungsreihe für das Matrixelement anschaut,<br />

∫<br />

− q µ d 4 yd 4 x 1 d 4 x 2 e ip′ (x 1 −y) e ip(x−x2) 〈0|T ψ(x 1 ) ¯ψ(y)eγ µ ψ(y) ¯ψ(x 2 )|0〉<br />

= S F (p ′ )eγ µ S F (p) + Strahlungskorrekturen<br />

= S tot (p ′ ) eΓ µ (p ′ , p) S tot (p) (I.134)<br />

34


I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />

Nach Multiplizieren mit den inversen Propagatoren erhalten wir so<br />

−q µ Γ µ (p ′ , p) = −iS −1<br />

tot(p ′ ) + iS −1<br />

tot(p)<br />

(I.135)<br />

(Hierbei ist zu beachten, dass wir bisher nicht spezifiziert haben, ob p und p ′ die<br />

Energie-Impuls-Beziehung erfüllen sollen, d.h. die obige Gleichung gilt auch für “offshell”–Vertexfunktionen.)<br />

Weitere Diskussion:<br />

• Auf Baumgraphen-Niveau ergibt sich mit iS −1 (p) = p/ − m und Γ µ (p ′ , p) = γ µ die<br />

triviale Identität:<br />

−q µ γ µ = (−p/ ′ √<br />

+ m) + (p/ − m) = −q/<br />

(I.136)<br />

• Fassen wir die Strahlungskorrekturen zum Fermionpropagator wieder durch die<br />

Selbstenergiematrix Σ(p) zusammen, haben wir allgemein iStot(p) −1 = p/−m−Σ(p).<br />

Daraus ergibt sich<br />

q µ Γ µ (p ′ , p) = q/ − ( Σ(p/ ′ ) − Σ(p/) )<br />

(I.137)<br />

In dieser Form verknüpft die WT-Identität also die Vertexfunktion mit der Differenz<br />

der Selbstenergiefunktionen.<br />

• Werten wir die Vertexfunktion jetzt speziell zwischen externen on-shell–Spinoren<br />

aus, so ergibt sich gerade die Ward-Identität:<br />

q µ ū(p ′ ) Γ µ (p ′ , p) u(p) = ū(p ′ ) ( q/ − Σ(p/ ′ ) + Σ(p/) ) u(p)<br />

= ū(p ′ ) (m − m − Σ(m) + Σ(m)) u(p) = 0<br />

√ (I.138)<br />

• Wir können uns auch die Entwicklung der WT-Identität um q µ = 0 anschauen<br />

(und dann wieder p 2 = m 2 setzen),<br />

q µ Γ µ ∂Σ ∣<br />

(p, p) ∣ = q/ −<br />

p 2 =m2 ∂p/ q/ ∣∣p<br />

= q/ Z−1<br />

2 =m2 2 . (I.139)<br />

Hier taucht also genau der Renormierungsfaktor Z 2 für die externen Elektronlinien<br />

auf. Wir definieren nun analog einen Renormierungsfaktor für die Vertexfunktion<br />

bei q = 0,<br />

so dass obige Relation äquivalent ist zu<br />

Γ µ (p, p) ≡ Z1 −1 γ µ , (I.140)<br />

Z 1 ≡ Z 2 .<br />

(I.141)<br />

– preliminary –<br />

Vergleichen wir mit dem (renormierten) Formfaktor F 1 (q 2 = 0), erhalten wir<br />

F 1 (0)γ µ ≡ Z 2 Γ µ (p, p) = Z 2 Z −1<br />

1 γµ W.I<br />

= γ µ , (I.142)<br />

d.h. die Relation F 1 (0) = 1 gilt zu allen Ordnungen Störungstheorie und ist eine<br />

Konsequenz der Ladungserhaltung in der QED, die sich in den WT-Identitäten für<br />

Korrelationsfunktionen manifestiert.<br />

35


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

Die Diskussion funktioniert analog für beliebige Amplituden mit externen Photonlinien:<br />

Schreiben wir die Amplitude für solche Prozesse als<br />

ɛ µ (k) M µ (k; p 1 , · · · , p n ) ,<br />

wobei ɛ µ (k) der Polarisationsvektor des externen Photons mit Impuls k µ ist, und p 1 · · · p n<br />

weitere externe (on-shell) Impulse sind, dann gilt aufgrund der Ward-Identität stets<br />

k µ M µ (k; p 1 , · · · , p n ) ∣ ∣ p 2<br />

i =m 2 i<br />

I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung<br />

Störungstheorie<br />

= 0 . (I.143)<br />

In den vorherigen Abschnitten hatten wir UV-divergente Schleifendiagramme zur Ordnung<br />

α (1-Schleifen-Diagramme) betrachtet, und die daraus resultierenden Strahlungskorrekturen<br />

zu den klassischen Größen durch Z-Renormierungsfaktoren beschrieben:<br />

• Die Korrekturen zur Vertexfunktion Γ µ (p ′ , p) beinhalten einen divergenten Beitrag<br />

zu Z 1 = 1 + δZ 1 .<br />

• Die Korrekturen zur Elektronselbstenergie Σ(p/) beinhalten einen divergenten Beitrag<br />

zur Normierung der Elektronzustände Z 2 = 1 + δZ 2 und zur Masse m = m 0 + δm.<br />

• Die Korrekturen zur Vakuumpolarisation des Photons Π(q 2 ) involvieren Z 3 = 1 +<br />

δZ 3 .<br />

D.h. wir haben 3 UV-divergente Diagramme (für 3 Arten von Korrelationsfunktionen)<br />

und 4 logarithmisch UV-divergente Renormierungskoeffizienten. Wir wollen uns nun die<br />

Frage stellen, wie und ob sich diese Beobachtungen auch für höhere Ordnungen der<br />

Störungstheorie verallgmeinern lassen.<br />

• Dazu werden wir allgemeine Diagramme hinsichtlich ihres UV-Verhaltens klassifizieren.<br />

• Daraus werden wir allgemeine Kriterien zur Charakterisierung von Theorien bzgl.<br />

der Anzahl zu renormierender Parameter ableiten.<br />

I.2.1 Oberflächlicher Divergenzgrad<br />

Allgemein können wir ein Diagramm charakterisieren durch<br />

– preliminary –<br />

• die Anzahl externer Linien: E e und E γ ,<br />

• die Anzahl interner Propagatoren: P e und P γ ,<br />

• die Anzahl der QED-Vertizes: V ,<br />

• die Anzahl der Schleifen: L.<br />

36


I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />

Zählen wir nun den Beitrag von Potenzen von Schleifenimpulsen k i im Zähler (positive<br />

Potenz) und Nenner (negative Potenz), erhalten wir<br />

Schleife: d 4 k i gibt 4 positive Potenzen pro Schleife ⇒ 4L;<br />

Elektronpropagator: (k/ i + . . .) −1 gibt 1 negative Potenz ⇒ −P e ;<br />

Photonpropagator: (ki 2 + . . .)−1 gibt 2 negative Potenzen ⇒ −2P γ .<br />

Damit ergibt sich der sog. “oberflächliche Divergenzgrad”<br />

d = 4L − P e − 2P γ ,<br />

(I.144)<br />

so dass für große Schleifenimpulse k i oberflächlich logarithmisch (d = 0), linear (d = 1),<br />

quadratisch (d = 2), divergente Diagramme (etc.) von konvergenten (d < 0) Diagrammen<br />

unterschieden werden können. (Anmerkung: in D ≠ 4 Dimensionen gilt d = D L − P e −<br />

2P γ ).<br />

Die Größe d sagt allerdings noch nichts über den tatsächlichen Divergenzgrad aus. Dies<br />

liegt daran, dass<br />

• Diagramme ohne Schleifen (L = 0) stets konvergent sind. Z.B. ergibt das einfache<br />

Vertexdiagramm auf Baumgraphenniveau d = 0, ist aber natürlich nicht logarithmisch<br />

divergent.<br />

• Diagramme mit hinreichend vielen Propagatoren können d < 0 erzeugen, obwohl<br />

einige Sub-diagramme für sich genommen UV-divergent sind. Z.B. ergibt das 1-<br />

Schleifen–Vakuumpolarisationsdiagramm, eingesetzt in das Diagramm für e + e − →<br />

µ + µ − formal<br />

d = 4 · 1 − 2 − 2 · 2 = −2 ,<br />

obwohl das Vakuumpolarisations-Subdiagramm selbst logarithmisch divergent ist.<br />

• Schließlich können zusätzliche Symmetrien den Divergenzgrad verringern, z.B. würde<br />

sich für die Vakuumpolarisation<br />

d = 4 · 1 − 2 = 2<br />

ergeben, aber das Endresultat für Π µν (q) war nur logarithmisch divergent.<br />

Konzentrieren wir uns im Folgenden also auf die potentiell divergenten Subdiagramme.<br />

Wir formen d nun so um, dass nur noch externe Linien auftauchen. Dazu benutzen wir<br />

die folgenden Identitäten:<br />

• Die Anzahl von Schleifen in einem Diagramm ergibt sich zu<br />

L = P e + P γ − V + 1 ,<br />

(I.145)<br />

denn:<br />

– jeder Propagator führt einen neuen Integrationsimpuls ein<br />

– preliminary –<br />

37


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

– jeder Vertex kompensiert eine Impulsintegration aufgrund der Impulserhaltung<br />

δ( ∑ p i ) an jedem Vertex.<br />

– eine der Impuls-δ–Funktionen ist trivial erfüllt (bzw. bezieht sich nur auf<br />

externe Impulse) und darf nicht mitgezählt werden.<br />

• Die Anzahl der Vertizes ergibt sich aus<br />

denn:<br />

V = 2P γ + E γ ,<br />

und 2V = 2P e + E e , (I.146)<br />

– jeder Vertex involviert 2 interne oder externe Elektronlinie und 1 interne oder<br />

externe Photonlinie,<br />

– jede externe Linie berührt genau 1 Vertex, und jede interne Linie berührt<br />

genau 2 Vertizes.<br />

(Man kann sich die Gültigkeit der Formeln leicht an einfachen Mehrschleifendiagrammen<br />

klar machen.) Setzen wir diese Ergebnisse in die Definition des oberflächlichen Divergenzgrad<br />

ein, erhalten wir<br />

d = 4 (P e + P γ − V + 1) − P e − 2P γ<br />

= 4 (V − E e /2 + V/2 − E γ /2 − V + 1) − (V − E e /2) − (V − E γ )<br />

= 4 − E γ − 3 2 E e (D = 4) . (I.147)<br />

Für D = 4 − 2ɛ ergibt sich entsprechend<br />

d = D − ɛ V − (1 − ɛ) E γ − ( 3 2 − ɛ) E e .<br />

– preliminary –<br />

(I.148)<br />

Die Faktoren vor den einzelnen Termen ergeben sich tatsächlich aus der Massendimension<br />

der entsprechenden Felder und Kopplungsparameter in der Lagrangedichte. Dies liegt<br />

daran, dass die Massendimension der n-Punktfunktionen durch die Massendimension<br />

der Feldoperatoren und der Kopplungskonstanten in der Störungstheorie gegeben ist. 4<br />

Für die QED-Lagrangedichte mit D ≠ 4 erhalten wir insbesondere<br />

∫<br />

∫ (<br />

S = d D x L (D) = d D x ¯ψ(x) (iD/ − m 0 ) ψ(x) − 1 )<br />

4 F µνF µν (I.149)<br />

4 Betrachten wir z.B. den elementaren QED-Vertex e 0 ¯ψAµψ, wobei e 0 die Massendimension<br />

dim[e 0] = D − E e dim[ψ] − E γ dim[A]<br />

hat. Die dazugehörige Vertexfunktion ergibt sich durch Amputieren der entsprechenden Diagramme<br />

und hat demnach die gleiche Massendimension. Andererseits ergibt sich im UV-Limes (k i ∝ Λ →<br />

∞) die gesamte Massendimension des Diagramms aus der Anzahl V der (dimensionsbehafteten)<br />

Kopplungskonstanten und dem oberflächlichen Divergenzgrad, d.h.<br />

Gleichsetzen der beiden Ausdrücke ergibt (I.150).<br />

dim[e 0] = dim [ e V 0 · Λ d] = dim[e 0] V + d .<br />

38


I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />

• Die Wirkung ist dimensionslos, d D x hat Massendimension −D. Daraus folgt, dass<br />

die Lagragedichte die Massendimension D hat.<br />

• i∂/ hat Massendimension 1, damit haben e 0 A µ und m 0 auch Massendimension 1.<br />

• Damit haben ψ und ¯ψ Massendimension (D − 1)/2 = 3 2 − ɛ.<br />

• Und F µν hat Massendimension D/2 = 2 − ɛ, d.h. A µ hat Massendimension D/2 −<br />

1 = 1 − ɛ.<br />

• Damit hat die (nackte) Kopplung e 0 die Massendimension (4 − D)/2 = ɛ.<br />

Der oberflächliche Divergenzgrad kann also geschrieben werden als<br />

d = D − dim[e 0 ] V − dim[A] E γ − dim[ψ] E e .<br />

(I.150)<br />

Da alle Felder positive Massendimension tragen, heisst das, dass der oberflächliche Divergenzgrad<br />

mit zunehmender Anzahl an externen Linien abnimmt. Ab einer bestimmten<br />

Anzahl von externen Linien ist also d < 0 und damit gibt es nur endlich viele Arten von<br />

n-Punkt-Subdiagrammen, die potentiell UV-divergent sind. Diese können wir der Reihe<br />

nach (für D = 4) identifizieren:<br />

• Für die 0-Punkt–Funktion (E γ = E e = 0) ergibt sich d = 4. Damit werden alle<br />

Vakuum-Subdiagramme beschrieben, deren Beitrag zur Vakuumenergie also offensichtlich<br />

(oberflächlich) quartisch divergent ist. Bei der Berechnung von Streuamplituden<br />

trägt die Vakuumenergie allerdings nicht bei (siehe Diskussion in TTP1),<br />

und deshalb sind diese Diagramme in der weiteren Diskussion nicht relevant.<br />

• Die 1-Punkt-Funktion mit einem externen Photon (E γ = 1, E e = 0) verschwindet<br />

aufgrund von Symmetrieüberlegungen. Sie beschreibt gerade das Vakuum-Matrixlement<br />

des elmg. Stroms<br />

〈Ω|j µ (x)|Ω〉 .<br />

Dieses verschwindet zum Einen aufgrund der Lorentz-Symmetrie (denn im Vakuum<br />

ist keine Richtung e µ ausgezeichnet); zum Anderen transformiert der elektrische<br />

Strom under Ladungskonjugation wie j µ (x) → −j µ (x), während das Vakuum elektrisch<br />

neutral, also invariant ist.<br />

• Für E γ = 2, E e = 0 erhalten wir als 2-Punkt-Funktion die Vakuumpolarisation,<br />

für die sich d = 2 ergibt.<br />

• Für E γ = 0, E e = 2 ergibt sich entsprechend die Elektronselbstenergie, welche auf<br />

d = 1 führt.<br />

• Die 3-Punkt–Funktion mit 3 Photonen (E γ = 3, E e = 0) verschwindet aus den<br />

gleichen Gründen wie die 1-Punkt-Funktion. Allgemein gilt, dass Diagramme mit<br />

ungerader Anzahl von externen Photonen verschwinden (“Furry’s Theorem”).<br />

– preliminary –<br />

• Für E e = 2 und E γ = 1 ergibt sich gerade die Vertexfunktion mit d = 0.<br />

39


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

• Ebenfalls d = 0 erhält man für die 4-Punkt–Funktion, welche die Streuung von 2<br />

Photonen beschreibt (E γ = 4, E e = 0).<br />

Alle weiteren n-Punkt–Funktionen haben d < 0, und die entsprechenden Subdiagramme<br />

sind somit UV-konvergent. Abgesehen von den Vakuumenergiediagrammen und den<br />

bereits bekannten Vakuumpolarisation-, Selbstenergie- und Vertexdiagrammen bleibt also<br />

eine Klasse von potentiell UV-divergenten Diagrammen für Photon-Photon–Streuung<br />

übrig. Wie im Falle der Vakuumpolarisation reduziert sich hier allerdings wieder der<br />

tatsächliche Divergenzgrad, da die Amplitude transversal bzgl. der äußeren Impulse k i<br />

sein muss,<br />

( µνρσ<br />

Amplitude für Photon-Photon-Streuung ∝ O(ki )) 4 F (ki · k j )<br />

Jede externe Photonlinie reduziert den Divergenzgrad somit um 1, so dass die verbleibende<br />

Funktion F (k i · k j ) UV-endlich ist.<br />

Damit ergeben sich in der Tat auch im allgemeinen Fall genau die 3 Klassen von UVdivergenten<br />

Diagrammen, die wir bereits zur Ordnung α identifiziert hatten. Für diese<br />

bleibt zu untersuchen, welches der tatsächliche Divergenzgrad ist, und wieviele divergente<br />

Renormierungskoeffizienten wir allgemein einführen müssen:<br />

1. Für die Selbstenergiediagramme (mit d = 1) betrachten wir die Taylor-Entwicklung<br />

in p/,<br />

Σ(p/) = A 0 + A 1 p/ + A 2 p 2 + . . .<br />

– preliminary –<br />

(I.151)<br />

mit Koeffizienten A n = 1 d n<br />

n! dp/<br />

Σ| n p/=0 . Die Abhängigkeit von p/ wird über die Feynman-<br />

Propagatoren induziert, also<br />

d 1<br />

∣<br />

1<br />

dp/ k/ + p/ − m p/=0<br />

= −<br />

(k/ − m) 2 ,<br />

(I.152)<br />

d.h. jede Ableitung nach p/ verringert den Divergenzgrad um 1. Somit gilt für die<br />

Koeffizienten in der Taylorentwicklung:<br />

• A 0 ist potentiell linear divergent;<br />

• A 1 ist potentiell logarithmisch divergent;<br />

• A n>1 ist endlich.<br />

Im Falle von A 0 wird der Divergenzgrad weiterhin um 1 verringert, da die Dirac-<br />

Lagrangedichte für m → 0 eine sog. chirale Symmetrie besitzt, d.h. mit ψ =<br />

1+γ 5<br />

2<br />

ψ + 1−γ 5<br />

2<br />

ψ ≡ ψ R + ψ L gilt<br />

L = ¯ψ(iD/ − m)ψ = ¯ψ R iD/ ψ R + ¯ψ<br />

(<br />

L iD/ ψ L − m ¯ψL ψ R + ¯ψ<br />

)<br />

R ψ L (I.153)<br />

und für m = 0 entkoppeln die links- und rechtshändigen Projektionen ψ L und ψ R .<br />

Diese Eigenschaft bleiben in der Störungstheorie erhalten – somit muss<br />

δm = 0 wenn m = 0 , bzw. A 0 = m a 0 (I.154)<br />

40


I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />

gelten, und somit kann die verbleibende Funktion a 0 nur noch logarithmisch divergent<br />

sein (aus Dimensionsgründen, bzw. aufgrund der Tatsache, dass mindestens<br />

ein Fermionpropagator in der Form eingehen muss).<br />

m<br />

(p+k) 2 −m 2<br />

Die Selbstenergiediagramme induzieren also genau die 2 logarithmisch Divergenten<br />

Koeffizienten δm und Z 2 , die wir bereits zur Ordnung α berechnet hatten.<br />

2. Mit dem gleichen Argument wie vorher entwickeln wir die Vertexfunktion in den<br />

externen Impulsen und erhalten<br />

Γ µ (p ′ , p) = b 0 γ µ + . . .<br />

(I.155)<br />

mit genau einem logarithmisch divergenten Koeffizienten b 0 , den wir mit dem<br />

Renormierungskoeffizienten Z 1 beschreiben.<br />

3. Für die Vakuumpolarisation ergibt sich – wie bereits diskutiert – mit der Ward-<br />

Identität<br />

(<br />

Π µν (q) = g µν q 2 − q µ q ν) Π(q 2 )<br />

(I.156)<br />

d.h. in der Taylorentwicklung von Π µν (q) sind der potentiell quadratisch und linear<br />

divergente Term jeweils exakt Null, und die verbleibende Entwicklung der Vakuumpolarisationsfunktion<br />

Π(q 2 ) = Π(0) + Π ′ (0) q 2 + . . .<br />

(I.157)<br />

enthält nur einen logarithmisch divergenten Koeffizienten Π(0), welcher durch die<br />

Renormierungskonstante Z 3 berücksichtigt wird.<br />

Es bleibt also in allgemeiner Ordnung Störungstheorie bei genau 4 logarithmisch divergenten<br />

Koeffizienten Z 1,2,3 und δm.<br />

Diese Art von Überlegungen lassen sich für beliebige Theorien wiederholen (siehe Übung ).<br />

Wir unterscheiden i.A. folgende Fälle:<br />

Super-renormierbare Theorien: besitzen nur eine endliche Anzahl von divergenten Feynman-<br />

Diagrammen.<br />

Renormierbare Theorien: besitzen eine endliche Anzahl von Renormierungskoeffizienten<br />

(d.h. es gibt nur eine endliche Anzahl von divergenten (1PI) n-Punkt–Funktionen.<br />

– preliminary –<br />

Nicht-renormierbare Theorien: Hier haben ab einer genügend hohen Ordnung der Störungstheorie<br />

alle n-Punktfunktionen divergente Beiträge, und dementsprechend benötigt<br />

man unendlich viele Renormierungskoeffizienten.<br />

Ausgehend von (I.150) hängt die obige Klassifizierung direkt mit dem Vorzeichen von<br />

dim[e 0 ], also der Massendimension der Kopplungskonstanten zusammen. Z.B.<br />

41


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

• QED mit D = 3 Dimensionen (und somit dim[e 0 ] = 1/2) ist super-renormierbar,<br />

weil für festes E γ und E e ab einer gewissen Ordnung Störungstheorie (also für V ><br />

V 0 ) immer ein negativer Divergenzgrad d < 0 erreicht werden kann. (Allgemein,<br />

Theorien mit Kopplungsparametern positiver Massendimension).<br />

• QED mit D = 4 ist renormierbar, mit 4 Renormierungskoeffizienten. (Allgemein,<br />

Theorien mit dimensionslosen Kopplungsparametern).<br />

• QED mit D > 4 und dim[e 0 ] < 0 (allgemein Theorien mit Kopplungskonstanten<br />

negativer Massendimension) ist nicht-renormierbar, weil immer d > 0 erreicht<br />

werden kann. (Ein anderes bekanntes Beispiel für nicht-renormierbare Theorien ist<br />

das Fermi-Modell für den Myonzerfall, bei der die effektive Wechselwirkung durch<br />

eine Kopplungskonstante G F mit Massendimension −2 beschrieben wird. Gleiches<br />

gilt für die Gravitationswechselwirkung.)<br />

I.2.2 Renormierte Störungstheorie<br />

Unser Ziel ist es im Folgenden, die Störungstheorie so umzuformulieren, dass sich UV-<br />

Divergenzen zwischen den einzelnen Diagrammen einer gegebenen Ordnung in α systematisch<br />

kompensieren. Dazu werden die Felder und Parameter in der Lagrangedichte<br />

geeignet umdefiniert und auf diese Weise Korrekturterme (“counter terms”) in der Lagrangedichte<br />

erzeugt.<br />

Z.B. können wird die Renormierungskonstante Z 2 in der Relation<br />

〈Ω|ψ(0)|λ p,s 〉 = √ Z 2 u(p, s)<br />

benutzen, um renormierte Feldoperatoren für Fermionen ψ r (s) via<br />

ψ(x) ≡ √ Z 2 ψ r (x)<br />

– preliminary –<br />

(I.158)<br />

einzuführen, so dass die Matrixelement mit den renormierten Feldern wieder wie die<br />

freien Felder normiert sind,<br />

〈Ω|ψ r (0)|λ p,s 〉 = u(p, s) .<br />

Ebenso behandeln wir das Eichfeld und definieren<br />

A µ (x) ≡ √ Z 3 A r µ(x) .<br />

Ausgedrückt durch die neuen Felder lautet die QED-Lagrangedichte dann<br />

L = − 1 4 F µν F µν + ¯ψ(i∂/ − m 0 )ψ − e 0 ¯ψγ µ ψ A µ<br />

= − 1 4 Z 3 F r µν Fµν r + Z 2 ¯ψr (i∂/ − m 0 ) ψ r − e 0 Z 2 Z 1/2 ¯ψ r γ µ ψ r A r µ .<br />

3<br />

(I.159)<br />

(I.160)<br />

(I.161)<br />

Weiterhin führen wir den Renormierungsfaktor Z 1 durch die Bedingung<br />

Γ µ (q = 0) ∣ ≡ γ µ ⇔ e 0 Z 2 Z 1/2<br />

3 = eZ 1 (I.162)<br />

renorm.<br />

42


I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />

ein. Aufgrund der QED–Ward-Identität vereinfacht sich dies – wie bereits oben diskutiert<br />

– zu<br />

e 0<br />

√<br />

Z3 = e .<br />

(I.163)<br />

Wenn wir jetzt die Lagrangedichte durch renormierte Felder und die renormierte Kopplung<br />

e ausdrücken, ergibt sich<br />

L = − 1 4 Z 3 F r µν Fµν r + Z 2 ¯ψr (i∂/ − m 0 ) ψ r − e Z 1 ¯ψr γ µ ψ r A r µ . (I.164)<br />

Dies schreiben wir jetzt noch um, indem wir die Z-Faktoren als<br />

Z i = 1 + (Z i − 1) ≡ 1 + δZ i<br />

schreiben, erhalten wir die QED-Lagrangedichte in der Form<br />

L = − 1 4 F r µν Fµν r + ¯ψ r (i∂/ − m) ψ r − e ¯ψ r γ µ ψ r A r µ<br />

− 1 4 δZ 3 F r µν Fµν r + ¯ψ r (δZ 2 i∂/ − δm) ψ r − e δZ 1 ¯ψr γ µ ψ r A r µ , (I.165)<br />

wobei wir jetzt noch den Massen–counter-term<br />

δm ≡ Z 2 m 0 − m<br />

definiert haben 5 .<br />

In dieser Form setzt sich die Lagrangedichte also aus 2 Teilen zusammen,<br />

L(ψ, ¯ψ, A µ ; e 0 , m 0 ) = L(ψ r , ¯ψ r , A r µ; e, m) + L c.t. ,<br />

(I.166)<br />

(I.167)<br />

wobei der erste Term die gleiche funktionale Form wie die ursprüngliche Lagrangedichte<br />

hat, während der zweite Term die counter-terme enthält, die wir nun aber als zusätzlichen<br />

Beitrag zur Wechselwirkungs-Lagrangedichte L int auffassen wollen. Daraus ergeben sich<br />

dann entsprechend neue Feynmanregeln für die renormierte Störungstheorie:<br />

Counter-term–Einsetzung in Photonlinie : −i (g µν − q µ q ν ) δZ 3 ,<br />

Counter-term-Einsetzung in Fermionlinie : i (p/ δZ 2 − δm) ,<br />

Counter-term-Einsetzung in Vertex : −ieγ µ δZ 1 .<br />

(I.168)<br />

(I.169)<br />

(I.170)<br />

Hierbei müssen die Werte der Counterterm-Parameter δZ i und δm gerade so gewählt<br />

werden, dass die entsprechenden Renormierungsbedingungen Ordnung für Ordnung erfüllt<br />

sind. Unser bisher diskutiertes Vorgehen entspricht gerade den Renormierungsbedingungen:<br />

Σ r (p/ = m) = 0 (bestimmt δm ,<br />

d<br />

dp/ Σr (m) = 0 (bestimmt δZ 2 ) ,<br />

– preliminary –<br />

Π r (q 2 = 0) = 0 (bestimmt δZ 3 ) ,<br />

−ieΓ µ r (p ′ = p) = −ieγ µ (bestimmt δZ 1 ) . (I.171)<br />

5 Achtung: Diese Definition entspricht nicht der weiter oben diskutierten Massenänderung δm.<br />

43


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

Entsprechend unserer Klassifizierung als renormierbare Theorie, erwarten wir, dass die<br />

4 Counterterme ausreichend sind, damit jede n-Punkt-Funktion in gegebener Ordnung<br />

der renormierten Störungstheorie UV-konvergent ist. Hierbei ist hervorzuheben, dass<br />

die Counterterme lokalen Operatoren in der Lagrangedichte (also Produkten von Feldoperatoren<br />

am gleichen Raumzeitpunkt x µ ) entsprechen. Dies entspricht der Tatsache,<br />

dass die UV-Divergenzen von Feldkonfigurationen mit unendlich hohen Impulsen herrühren.<br />

Für 1-Schleifen-Diagramme ist dies sofort einsichtig; bei Mehrschleifendiagrammen<br />

müssen wir aber gewährleisten, dass Konfigurationen, bei denen nur einige der<br />

Schleifenimpulse gross werden, keine UV-Divergenzen erzeugen, die nicht bereits durch<br />

die Renormierungsbedingungen der vorgehenden Ordnung kompensiert werden.<br />

Dazu betrachten wir als Beispiel ein 2-Schleifendiagramm, dass zur Vakuumpolarisation<br />

Π(q 2 ) des Photons zur Ordnung α 2 beiträgt.<br />

Hierbei wird über 2 interne Impulse d 4 p (Fermionimpuls im linken oberen Fermionpropagator)<br />

und d 4 k (interner Photonimpuls) integriert, während der externe Impuls q endlich<br />

ist.<br />

Fall 1: Der interne Photonimpuls k sei groß; der interne Fermionimpuls p sei endlich.<br />

• Der rechte Teil des Diagramms lässt sich in p, q entwickeln.<br />

• Die d 4 k Integration erzeugt dann die gleichen UV-Divergenzen wie in einem<br />

Vertexdiagramm mit den externen Fermionimpulsen p und p − q.<br />

• Diese UV-Divergenz wird dann automatisch kompensiert durch das entsprechende<br />

Counterterm-Diagramm mit der Einsetzung von δZ 1 am rechten Vertex.<br />

Fall 2: Der interne Fermionimpuls p sei groß; aber (p + k) und q klein. Hier erfolgt die<br />

Argumentation analog zu Fall 1, nun für den linken Vertex.<br />

Fall 3: Der Photonimpuls k sei klein; und p sei groß.<br />

• Der Integrand skaliert wie 1/(p/ + · · · ) 4 .<br />

– preliminary –<br />

• Die Ward-Identität für die Photon-Vakuumpolarisation verringert den oberflächlichen<br />

Divergenzgrad wieder um 2 Einheiten.<br />

• Damit ergibt die d 4 p Integration einen UV-endlichen Beitrag.<br />

Fall 4: Sämtliche internen Impulse p, p + k und k seien groß.<br />

• Wir können wieder im kleinen Impuls q entwickeln.<br />

44


I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />

• Damit erhalten wir gemäß unserer allgemeinen Diskussion einen UV-divergenten<br />

Beitrag zu Π(0) der Ordnung α 2 , welcher einem lokalen Counterterm entspricht.<br />

Mit der entsprechenden Renormierungsbedingung definiert dieser den Beitrag<br />

der Ordnung α 2 zu δZ 2 .<br />

Im obigen Beispiel haben die im 2-Schleifen–Integral auftretenden UV-Divergenzen also<br />

entweder die Form<br />

• eines Produkts: (1-loop–Integral) × (1-loop UV-Divergenz);<br />

wobei das erste Integral noch eine allgemeine Funktion von den externen Impulsen<br />

sein kann, und deshalb einem nicht-lokalen Term in der Lagrangedichte<br />

entsprechen würde. Dieser Beitrag wird aber gerade durch die Einsetzung des (1-<br />

loop)–Counterterm kompensiert.<br />

• einer genuinen (2-loop–Divergenz), die durch einen lokalen (2-loop)–Counterterm<br />

kompensiert werden kann.<br />

Wir kommen also tatsächlich mit den identifizierten lokalen Countertermen in der Lagrangedichte<br />

der renormierten Störungstheorie aus. Der Beweis, das dies für jede Ordnung<br />

der Störungstheorie tatsächlich immer funktioniert, ist kompliziert und wurde von<br />

Bogoliubov, Parasiuk, Hepp, Zimmermann erbracht. Das sogenannte BHPZ-Theorem<br />

liefert somit die theoretische Grundlage für die Renormierbarkeit der QED.<br />

I.2.3 Das MS–Renormierungsschema<br />

Die Renormierungsbedingungen für die Counterterme δZ i und δm, die wir oben diskutiert<br />

haben, sind zu einem gewissen Grade willkürlich, in dem Sinne, dass wir beliebige<br />

endliche Terme hinzu addieren können, ohne die Kompensation der UV-divergenten<br />

Terme in der Störungstheorie zu beeinflussen:<br />

• <strong>Physik</strong>alische Observable sollten dabei invariant unter solchen endlichen Renormierungen<br />

der theoretischen Parameter sein.<br />

• Aber der Zusammenhang zwischen physikalischen Messgrößen und den Parametern<br />

in der Lagrangedichte ändert sich.<br />

• Dies impliziert, dass sich i.A. auch der störungstheoretische Zusammenhang zwischen<br />

zwei verschiedenen Observablen über die Abhängigkeit von den theoretischen<br />

Parametern verändert. (Der Unterschied darf dabei allerdings höchstens von der<br />

Ordnung α n+1 sein, wenn die Störungsrechnung zur Ordnung α n explizit durchgeführt<br />

wurde).<br />

– preliminary –<br />

Im Zusammenhang mit der dimensionalen Regularisierung benutzen wir insbesondere<br />

häufig das sogenannte MS-Schema (sprich “MS-bar”, für “minimal subtraction”). Ausgangspunkt<br />

ist dabei die Beobachtung, dass die Pole in den Impulsintegralen in der<br />

Form<br />

( )<br />

1<br />

Koeffizient ×<br />

ɛ − γ E + ln 4π + endliche Terme<br />

45


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

auftauchen.<br />

• Im MS-Schema: δZ i und δm enthalten gerade nur die 1/ɛ Terme.<br />

• Im MS-Schema: δZ i und δm enthalten gerade nur die 1ˆɛ ≡ ( 1 ɛ − γ E + ln 4π) Terme.<br />

Zum Beispiel lautet die renormierte Vakuumpolarisation in dimensionaler Regularisierung 6<br />

zur Ordnung α mit ∆ 2 = m 2 − x(1 − x)q 2<br />

Π ren (q 2 ) = − 8e2 µ 2ɛ ∫ 1<br />

(4π) D/2 dx x(1 − x) Γ(ɛ)<br />

∆ 2ɛ − δZ 3<br />

– preliminary –<br />

0<br />

(I.175)<br />

• Im bisher betrachteten (sogenannten “on-shell”-) Schema haben wir Π ren (q 2 =<br />

0) ! = 0 gefordert, woraus sich<br />

ergibt.<br />

∣ ∣∣on−shell<br />

δZ 3 = − 8e2 µ 2ɛ ∫ 1<br />

(4π) D/2 dx x(1 − x) Γ(ɛ)<br />

m 2ɛ<br />

0<br />

(I.176)<br />

• Allgemein hätten wir die Vakuumpolarisation auch um einen beliebigen Punkt<br />

q 2 = −q 2 0 entwickeln und Πren (q 2 = −q 2 0 ) ! = 0 fordern können. Entsprechend ergäbe<br />

sich<br />

∣ ∣∣modifiziert<br />

δZ 3 = − 8e2 µ 2ɛ ∫ 1<br />

Γ(ɛ)<br />

(4π) D/2 dx x(1 − x)<br />

(m 2 + x(1 − x)q0 2 (I.177)<br />

)ɛ<br />

0<br />

• Im MS-Schema ergibt sich dagegen ein sehr einfacher Ausdruck für Z 3 , nämlich<br />

∣ ∣∣MS<br />

δZ 3 = − 8e2 µ 2ɛ ∫ 1<br />

(4π) D/2 dx x(1 − x) Γ(ɛ) ∣ ∣∣1/ɛ<br />

∆ 2ɛ = − α 1<br />

3π ɛ<br />

• Entsprechend erhält man für das MS-Schema<br />

∣ ∣∣MS<br />

δZ 3 = − α 1<br />

3π ˆɛ = − α ( 1<br />

3π ɛ − γ E + ln 4π)<br />

0<br />

(I.178)<br />

(I.179)<br />

6 Hierbei müssen wir beachten, dass in der renormierten Störungstheorie, die Dimensionen der<br />

renormierten Felder und Parameter in der Lagrangedichte durch Einführen einer willkürlichen Hilfsskala<br />

µ (“Renormierungskala”) korrigiert werden müssen. Entsprechend lautet der Zusammenhang<br />

zwischen den ursprünglichen (“nackten”) und renormierten Größen nun<br />

und<br />

ψ(x) ≡ √ Z 2 µ −ɛ ψ r(x) ,<br />

A µ(x) ≡ √ Z 3 µ −ɛ A r µ(x) ,<br />

e 0<br />

√<br />

Z3 µ −ɛ ≡ e ,<br />

(I.172)<br />

(I.173)<br />

(I.174)<br />

und die Impulsintegrale von der Fouriertransformationen ergeben sich aus d D k µ 2ɛ .<br />

46


I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />

In der Praxis ist es somit meist einfacher, den divergenten Anteil zu berechnen, da sich<br />

die Feynman-Parameter–Integrale vereinfachen. Für die Berechnung der renormierten<br />

Vakuumpolarisation selbst ändert sich hinsichtlich des Rechenaufwands zunächst nichts.<br />

Um Rechnungen in dem einen oder anderen Schema zu vergleichen, können wir also<br />

schreiben<br />

wobei die Differenz<br />

Π ren (q 2 )| MS<br />

= Π ren (q 2 )| on−shell + δZ 3 | on−shell − δZ 3 | MS<br />

,<br />

δZ 3 | on−shell − δZ 3 | MS<br />

(I.180)<br />

einen endlichen Renormierungskoeffizienten darstellt. Wie im obigen Beispiel mit dem<br />

modifizierten on-shell Schema, lässt sich innerhalb eines bestimmten Schemas i.A. eine<br />

Referenzskala µ frei wählen. Im MS-Schema ergibt sich die Skalenabhängigkeit dabei<br />

insbesondere aus dem Zusammenhang der nackten Kopplung e 0 und der renormierten<br />

Kopplungskonstante e in der renormierten Störungstheorie,<br />

e 0<br />

√<br />

Z3 µ −ɛ ≡ e .<br />

(I.181)<br />

Hierbei ist die Massendimension der nackten Kopplung dim[e 0 ] = ɛ, während die renormierte<br />

Kopplung dimensionslos ist. Schreiben wir für den Renormierungskoeffizienten<br />

Z 3 | MS<br />

(α) = 1 + α 4π<br />

ergibt sich für die renormierte Feinstrukturkonstante<br />

1<br />

ˆɛ δz(1) + O(α 2 ) , mit δz (1) = −4/3 (I.182)<br />

α = α 0 Z 3 µ −2ɛ = α 0 Z 3 (α(µ)) µ −2ɛ ≡ α(µ) ,<br />

(I.183)<br />

wobei – wie angedeutet – die Skalenabhängigkeit der effektiven Kopplung zum einen<br />

implizit durch die Abhängigkeit von Z 3 (α(µ)), sowie explizit durch den Faktor µ −2ɛ<br />

induziert wird. Wegen µ −2ɛ = exp ( −ɛ ln µ 2) ist die Abhängigkeit α(µ) logarithmisch,<br />

Die explizite Berechnung in der Störungstheorie ergibt<br />

dα dα<br />

≡ µ2<br />

d ln µ 2 dµ 2 ≠ 0 (I.184)<br />

dα<br />

d ln µ 2 = d (<br />

d ln µ 2 α 0 Z 3 (α(µ)) exp<br />

(−ɛ ln µ 2))<br />

– preliminary –<br />

dα dZ 3<br />

= −ɛ α(µ) + α 0<br />

d ln µ 2<br />

dα µ−2ɛ<br />

≃ −ɛ α(µ) + α 0 (−ɛα(µ) + . . .) µ −2ɛ 1<br />

≃ −ɛ α(µ) + α2<br />

4π<br />

( ) −ɛ<br />

δz (1) + O(α 3 )<br />

ˆɛ<br />

4πˆɛ δz(1)<br />

(I.185)<br />

47


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

Für ɛ → 0 ergibt sich somit 7<br />

dα<br />

d ln µ 2 | ɛ→0 = α2<br />

4π (−δz(1) ) + . . . = α2<br />

3π + O(α3 )<br />

(I.186)<br />

Allgemein definieren wir die sog. Betafunktion als 8<br />

dα<br />

d ln µ 2 | ɛ→0 ≡ β(α) = β 0 α 2 + . . .<br />

– preliminary –<br />

(I.187)<br />

so dass β 0 | QED = 1/3π. Die Betafunktion beschreibt also das Skalenverhalten der effektiven<br />

Kopplung in der Lagrangedichte für die renormierte Störungstheorie. Im MS-<br />

Schema können wir die Skalenabhängigkeit der theoretischen Parameter in der Störungstheorie<br />

dann stets auf α(µ) zurückführen.<br />

In gegebener Ordnung lässt sich die Differentialgleichung, welche die Betafunktion definiert,<br />

explizit integrieren,<br />

dα<br />

α 2 ≃ β 0 d ln µ 2 ⇔ − 1<br />

α(µ) + 1<br />

α(µ 0 ) = β 0 ln µ2<br />

α(µ 0 )<br />

⇒ α(µ) =<br />

. (I.188)<br />

1 − α(µ 0 ) β 0 ln µ2<br />

Vergleichen wir dies mit der weiter oben aus Π(q 2 ) − Π(0) konstruierten effektiven Kopplung<br />

für Hochenergie–Elektron-Myon-Streuung,<br />

α eff (q 2 α<br />

) ≃<br />

1 − α 3π<br />

,<br />

−q2<br />

ln<br />

e 5/3 m 2<br />

ergibt sich Übereinstimmung von α(µ) und α eff (q 2 ), wenn wir q 2 → −µ 2 , µ 2 0 → e5/3 m 2<br />

und α(µ 0 ) → α identifizieren.<br />

Die Skalenabhängigkeit von theoretischen Parametern<br />

spiegelt also anscheinend<br />

die Impulsabhängigkeit von physikalischen Observablen<br />

wider!<br />

Analog können wir auch den Massenparameter m = m(µ)| MS<br />

im MS-bar–Schema behandeln,<br />

dm<br />

(<br />

)<br />

d ln µ 2 ≡ γ m(α) m = m γ 1 α + γ 2 α 2 + . . . , (I.189)<br />

wobei die Funktion γ(α) als anomale Massendimension bezeichnet wird. Im Gegensatz<br />

zur vorher definierten Polmasse m pol ist die MS-bar–Masse also auch skalenabhängig.<br />

7 Für ɛ ≠ 0 definieren wir entsprechend die Funktion β ɛ(α).<br />

8 Die Normierungskonventionen sind hierbei in der Literatur nicht eindeutig: Manchmal werden Faktoren<br />

2 oder 4π in die Betafunktion absorbiert.<br />

µ 2 0<br />

µ 2 0<br />

48


I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />

Diese kann in der Störungstheorie wieder explizit berechnet werden (siehe Übung ). In<br />

führender nicht-trivialer Ordnung erhält man<br />

( ) α(µ)<br />

γ1 /β 0<br />

m(µ) =<br />

m(µ 0 ) (I.190)<br />

α(µ 0 )<br />

I.2.4 Renormierungsgruppe<br />

Wir wollen nun den Zusammenhang zwischen der Skalenabhängigkeit der theoretischen<br />

Parametern und der Impulsabhängigkeit von Streuamplituden oder allgemein von Greenschen<br />

Funktionen von einem etwas formaleren Standpunkt aus beleuchten. Dazu betrachten<br />

wir eine beliebige n-Punkt–Funktion in der renormierten Störungstheorie,<br />

Γ ren (· · · ) = Z Γ 0 (· · · )<br />

(I.191)<br />

wobei Γ 0 die nackte Greensfunktion bezeichnet, und Z der dazugehörige Renormierungsfaktor<br />

ist. Die Abhängigkeit von externen Raumzeitpunkten (oder Impulsen) haben wir<br />

hier nur durch Punkte angedeutet. In jedem Renormierungsschema R (mit jeweils beliebiger<br />

Renormierungsskala µ) ergibt sich jeweils ein anderer Z-Faktor und somit auch<br />

ein anderes Resultat für Γ ren ≡ Γ R ,<br />

Γ R (· · · ) = Z(R) Γ 0 (· · · ) ,<br />

Γ R ′(· · · ) = Z(R ′ ) Γ 0 (· · · ) .<br />

(I.192)<br />

D.h. beim Wechsel zwischen 2 Renormierungsvorschriften R und R ′ ergibt sich i.A. ein<br />

Zusammenhang<br />

Γ R ′(· · · ) = Z(R)<br />

Z(R ′ ) Γ R(· · · ) ≡ Z(R ′ , R) Γ R (· · · ) ,<br />

(I.193)<br />

wobei die (endliche) Funktion Z(R ′ , R) vom einen in das andere Renormierungsschema<br />

(bzw -skala) transformiert. Die Menge {Z(R ′ , R)} aller möglichen solcher Transformationen<br />

hat gruppoide Eigenschaften:<br />

• Komposition: Z(R ′′ , R) = Z(R ′′ , R ′ ) Z(R ′ , R)<br />

• inverses Element: Z −1 (R ′ , R) = Z(R, R ′ )<br />

• neutrales Element: Z(R, R) = 1.<br />

• Assoziativgesetz.<br />

I.A. (d.h. für beliebige Schemen) gibt es nicht immer eine Verknüpfungsvorschrift für<br />

beliebige Elemente, Z(R i , R j )·Z(R k , R l ) mit j ≠ k, die wieder als Z(R m , R n ) geschrieben<br />

werden kann. Beschränken wir uns allerdings auf z.B. das MS-Schema, unterscheiden sich<br />

die Elemente R i nur durch die Wahl der Renormierungsskala µ, so dass<br />

– preliminary –<br />

Z(R i , R j ) = Z(µ i , µ j ) = Z(µ i /µ j )<br />

(I.194)<br />

und die Elemente {Z(µ i , µ j )} bilden tatsächlich eine Gruppe, die sog. Renormierungsgruppe<br />

(RG).<br />

49


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

• Auf den Parametern der Lagrangedichte sind die RG-Transformationen dann dargestellt<br />

als α(µ) → α(µ ′ ), m(µ) → m(µ ′ ) etc.<br />

• <strong>Physik</strong>alische Observable sind dagegen RG-invariant (triviale Darstellung).<br />

• Das RG-Verhalten von n-Punkt–Funktionen werden wir weiter unten studieren.<br />

Betrachten wir zunächst die Berechnung einer Observablen O als Funktion von externen<br />

Impulsen p, Massenparametern m(µ), der laufenden Kopplung α(µ) und der expliziten<br />

µ-Abhängigkeit im MSbar-Schema,<br />

Invarianz gegenüber RG-Trafos heisst<br />

O = O(p, m(µ), α(µ); µ) .<br />

{<br />

dO<br />

d ln µ = µ ∂<br />

∂µ + µdα ∂<br />

dµ ∂α + µ dm<br />

m dµ m ∂ }<br />

O<br />

∂m<br />

{<br />

= µ ∂<br />

∂µ + 2β(µ) ∂<br />

∂α + 2γ m(µ) m ∂ }<br />

O = ! 0 ,<br />

∂m<br />

– preliminary –<br />

(I.195)<br />

wobei wieder die Betafunktion der laufenden Kopplung, sowie die anomale Massendimension<br />

γ m auftauchen. Was kann man mit dieser Gleichung anfangen? – Betrachten<br />

wir dazu zunächst ein einfaches Beispiel: Sei O eine dimensionslose Observable (z.B.<br />

das Verhältnis zweier Streuquerschnitte), die von einer Impulsvariablen q 2 abhängt. Im<br />

Hochenergielimes q 2 ≫ m 2 (µ) erhalten wir dann<br />

[ ]<br />

q<br />

O → O(q 2 2<br />

, α(µ); µ) ≡ F<br />

µ 2 , α(µ) , (I.196)<br />

wobei die Funktion F aus Dimensionsgründen nur von dem Verhältnis der beiden dimensionsbehafteten<br />

Größen q 2 und µ 2 abhängen kann. Wir nehmen weiter an, dass F<br />

im Limes α → 0 einen konstanten Wert F 0 ergibt (klassisches Resultat). Dann können<br />

wir die Störungstheorie für F allgemein schreiben<br />

[ ] ( [ ] [ ]<br />

)<br />

q<br />

2<br />

q<br />

2<br />

q<br />

2<br />

F<br />

µ 2 , α(µ) = F 0 1 + c 1<br />

µ 2 α(µ) + c 2<br />

µ 2 α 2 (µ) + . . .<br />

Die Koeffizientenfunktionen c i<br />

[ q 2<br />

µ 2 ]<br />

(I.197)<br />

ergeben sich dann durch die konkrete Rechnung, z.B.<br />

im MS-Schema. Allerdings bestehen aufgrund der RG-Invarianz von O (und damit von<br />

F ) bereits Einschränkungen. Aus dF/d ln µ = 0 folgt nämlich<br />

[ ] [ ]<br />

[ ] [ ]<br />

− 2q2 q<br />

2<br />

q<br />

2<br />

µ 2 c′ 1<br />

µ 2 α + 2c 1<br />

µ 2 β(α) − 2q2 q<br />

2<br />

q<br />

µ 2 c′ 2<br />

µ 2 α 2 2<br />

+ 4c 2<br />

µ 2 β(α) α + O(α 3 ) = 0 .<br />

(I.198)<br />

50


I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />

Wenn wir verwenden, dass β(α) = β 0 α 2 + . . ., und die Koeffizienten vor α und α 2<br />

vergleichen, ergeben sich die Bedingungen (x = q 2 /µ 2 )<br />

c ′ 1[x] = 0 ⇒ c 1 = const. ≡ C 1 , (I.199)<br />

β 0 c 1 [x] = x c ′ 2[x] ⇒ c 2 [x] =<br />

∫ x<br />

dx ′<br />

x 0<br />

x ′<br />

C 1 β 0 = C 1 β 0 ln q2<br />

µ 2 + C 2 , (I.200)<br />

d.h. die q 2 -Abhängigkeit der Koeffizientenfunktion zum O(α 2 )-Beitrag c 2 (x) ist bereits<br />

durch den Koeffizienten der vorherigen Ordnung C 1 festgelegt, während die Integrationskonstante<br />

C 2 durch die konkrete Rechnung bestimmt werden muss. Dimensionsanalyse<br />

und RG-Invarianz schränken die Observable also auf die Form<br />

[ ]<br />

(<br />

)<br />

)<br />

q<br />

2<br />

F<br />

µ 2 , α(µ) = F 0<br />

(1 + C 1 α(µ) + C 1 β 0 ln q2<br />

µ 2 + C 2 α 2 (µ) + . . . (I.201)<br />

ein, wobei die Wahl der Renormierungsskala µ zunächst willkürlich ist. Wir können uns<br />

nun aber fragen, unter welchen Bedingungen die Störungsreihe am besten konvergiert:<br />

Für q 2 ≫ µ 2 : ist der Koeffizient zur Ordnung α 2 logarithmisch vergrössert.<br />

Für q 2 ≪ µ 2 : ebenso.<br />

Für q 2 ∼ µ 2 : ergibt sich “normale” Zahlenkoeffizienten 9 C 1,2,... ∼ O(1).<br />

Für Observablen mit einer (dominanten) Impulsskala ist es also sinnvoll, die Renormierungsskala<br />

von der Ordnung der externen Impulsskala zu wählen, speziell für µ 2 ≡ q 2 erhält man<br />

dann<br />

)<br />

F = F (1, α(q)) = F 0<br />

(1 + C 1 α(q) + C 2 α 2 (q) + . . .<br />

(I.202)<br />

und α(q) ist der maßgebliche Wert der laufenden (effektiven) Kopplungskonstante. Anders<br />

betrachtet resummiert die geometrische Reihe<br />

α(µ 0 )<br />

α(q) =<br />

1 − β 0 ln q2<br />

α(µ 0 ) = α(µ 0) + β 0 ln q2<br />

α 2 (µ 0 ) + . . .<br />

µ 2 0<br />

– preliminary –<br />

µ 2 0<br />

(I.203)<br />

gerade die (führenden) großen Logarithmen, die bei der Verwendung einer anderen Referenzskala<br />

µ 0 in der Störungsreihe für F entstanden wären. Die laufende Kopplung<br />

repräsentiert also das einfachste Beispiel für die Resummation von großen Logarithmen<br />

in der Störungsreihe (vgl. die Diskussion zum Sudakov-Formfaktor).<br />

Aus der resummierten (d.h. RG-verbesserten) Störungstheorie können wir dann präzise<br />

Aussagen über die Abhängigkeit der Observablen von externen Massen- oder Impulsskalen<br />

machen. Im obigen Beispiel erwarten wir naiv (d.h. klassisch)<br />

O = O(m 2 /q 2 ) q2 →∞<br />

−→ F 0 = const.<br />

9 Allerdings können die Zahlen faktoriell mit der Ordnung n in der Störungsreihe anwachsen.<br />

51


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

Quantenkorrekturen induzieren eine nicht-triviale q 2 -Abhängigkeit aufgrund der Skalenabhängigkeit<br />

der laufenden Kopplung,<br />

O → O(α(q)) mit q 2 dO (<br />

)<br />

dq 2 = F 0 C 1 β 0 α 2 (q) + . . . , (I.204)<br />

wobei es offensichtlich für die Bestimmung der dominanten q 2 -Abhängigkeit ausreichend<br />

ist,<br />

• den Koeffizienten C 1 aus der 1-Schleifen-Rechnung der Observablen,<br />

• den Koeffizienten β 0 aus der 1-Schleifen-Rechung für Π(0) bzw. Z 3<br />

zu bestimmen.<br />

Man beachte, dass in fester Ordnung Störungstheorie, O(α n ), die Observable nicht exakt<br />

µ-unabhängig ist,<br />

dF<br />

d ln µ = F 0 O(α n+1 (q)) .<br />

Durch Variation von µ (typischerweise im Bereich eines Faktor 2 bis 4 um µ = q) kann<br />

man die Größe der rechten Seite numerisch bestimmen und erhält daraus eine grobe<br />

Abschätzung für den theoretischen Fehler, der durch die Vernachlässigung der höheren<br />

Ordnungen entsteht.<br />

I.2.4.1 RG-Verhalten von Green-Funktionen<br />

Wenden wir uns nun dem RG-Verhalten von Green-Funktionen zu. Betrachten wir<br />

zunächst die nackten Ortsraum–Green-Funktionen<br />

G (0)<br />

n = 〈0|T φ 0 (x 1 ) · · · φ 0 (x n )|0〉 = Z n/2<br />

φ<br />

G n (α(µ), m(µ), µ) (I.205)<br />

wobei wir auf der rechten Seite die renormierte Green-Funktion als Funktion der laufenden<br />

Parameter geschrieben haben, so dass sich aufgrund des Zusammenhanges zwischen<br />

nackten und renormierten Feldern die entsprechende Potenz der Feldrenormierungsfaktoren<br />

Z φ ergibt. Da G (0) nicht von µ abhängt, gilt wieder<br />

n<br />

µ dG n<br />

dµ = µ d<br />

dµ (Z−n/2<br />

φ<br />

) G (0)<br />

n = − n 2 µ d<br />

dµ ln Z φ Z −n/2<br />

φ<br />

G (0)<br />

n<br />

} {{ }<br />

} {{ }<br />

≡ − n 2 γ φ(α) G n ,<br />

– preliminary –<br />

(I.206)<br />

wobei wir die anomale Dimension der Felder γ φ (α) eingeführt haben, welche wieder<br />

störungstheoretisch aus den Z φ berechnet werden kann. Andererseits gilt erneut<br />

µ dG (<br />

n<br />

dµ = µ ∂<br />

∂µ + 2β ∂<br />

∂α + 2γ m m ∂ )<br />

G n ,<br />

∂m<br />

(I.207)<br />

52


I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />

also insgesamt<br />

(<br />

µ ∂<br />

∂µ + 2β ∂<br />

∂α + 2γ m m ∂<br />

∂m + n )<br />

2 γ φ G n = 0 .<br />

(I.208)<br />

Die RG-Gleichung hat die formale Lösung (siehe Übung )<br />

[<br />

G n (α(µ), m(µ), µ) = exp − n 2<br />

d.h. der RG-Faktor<br />

[<br />

exp − n 2<br />

∫ µ0<br />

µ<br />

dµ ′ ]<br />

µ 0<br />

µ ′ γ φ (α(µ ′ )) G n (α(µ 0 ), m(µ 0 ), µ 0 )<br />

∫ µ<br />

dµ ′ ] [<br />

µ ′ γ φ (α(µ ′ )) = exp − n 2<br />

∫ α(µ)<br />

(I.209)<br />

– preliminary –<br />

α(µ 0 )<br />

dα ′ ]<br />

2β(α ′ ) γ φ(α ′ )<br />

bestimmt das Verhalten der Green-Funktion unter RG-Trafos, zusätzlich zu der “naiven”<br />

Erwartung bzgl. der Änderung von µ → µ ′ im Argument von G n .<br />

Wenn wir nun entsprechend Green-Funktionen im Impulsraum (nach Fourier-Transformation),<br />

˜G n (p i , α(µ), m(µ), µ)<br />

betrachten, können wir wieder das Skalierungsverhalten hinsichtlich der externen Impulse<br />

p i studieren, d.h. was passiert für p i → λp i ?<br />

• Wie oben beginnen wir mit einer Dimensionsanalyse. ˜G n selbst habe die Massendimension<br />

d G . Damit gilt<br />

[<br />

˜G n (λp i , α(µ), m(µ), µ) ≡ (λp 1 ) d G<br />

F α(µ), m(µ) µ<br />

, , p ]<br />

i≠1<br />

λp 1 λp 1 p 1<br />

[<br />

= λ d G<br />

p d G<br />

1 F α(µ), m(µ)/λ , µ/λ , p ]<br />

i≠1<br />

p 1 p 1 p 1<br />

(<br />

= λ d G ˜Gn p i , α(µ), m(µ)<br />

λ<br />

, µ )<br />

, (I.210)<br />

λ<br />

wobei wir willkürlich einen Impuls p 1 benutzt haben, um die Massendimension von<br />

˜G n zu gewährleisten, so dass die verbleibende Funktion F dimensionslos ist und<br />

damit wieder nur von Verhältnissen von dimensionsbehafteten Größen abhängen<br />

kann.<br />

Damit können wir ausrechnen<br />

λ ∂<br />

(<br />

∂λ ˜G n (λp i , α(µ), m(µ), µ) = d G − m(µ) ∂<br />

∂m − µ ∂ )<br />

,<br />

∂µ<br />

˜G n (λp i , α(µ), m(µ), µ) .<br />

(I.211)<br />

• Andererseits können wir die Ableitung µ ∂<br />

∂µ<br />

wieder aus der RG-Gleichung durch<br />

die Betafunktion und die anomalen Dimensionen ausdrücken. In obige Gleichung<br />

53


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

eingesetzt ergibt das<br />

λ ∂<br />

∂λ ˜G n (λp i , α(µ), m(µ), µ)<br />

(<br />

= d G − m(µ) ∂<br />

∂m + 2β ∂<br />

∂α + 2γ m m ∂<br />

∂m + n )<br />

2 γ φ<br />

˜G n (λp i , α(µ), m(µ), µ) .<br />

Zusammengefasst ergibt sich die sog. Callan-Symanzik–Gleichung<br />

(<br />

λ ∂<br />

∂λ − 2β ∂<br />

∂α + (1 − 2γ m) m ∂<br />

∂m − (d G + n )<br />

2 γ φ) ˜G n (λp i , α(µ), m(µ), µ) = ! 0 .<br />

Im Vergleich zum naiven (klassischen) Skalierungsverhalten<br />

λ ∂<br />

∂λ ˜G n = d G ˜Gn − m ∂<br />

∂m ˜G n<br />

– preliminary –<br />

(I.212)<br />

(I.213)<br />

aufgrund der “normalen” Massendimension der Felder und Massenparameter, erhalten<br />

wir also Quantenkorrekturen aufgrund<br />

• der laufenden Kopplung: 2β ∂<br />

∂α<br />

• der anomalen Massendimension: γ m m ∂<br />

∂m<br />

• der anomalen Dimension der Felder: n 2 γ φ<br />

Dies erklärt insbesondere den Begriff “anomale Dimension”. Die Lösung der Gleichung<br />

lässt sich wieder formal konstruieren mit dem Ergebnis (siehe Übung )<br />

˜G n (λp i , α, m, µ) = λ d G<br />

[<br />

n<br />

exp<br />

2<br />

∫ λ<br />

1<br />

dλ ′<br />

]<br />

λ ′ γ φ (α(µλ ′ )) · ˜G n (p i , m(α(µλ)) , α(µλ), µ) .<br />

λ<br />

(I.214)<br />

Eine analoge Diskussion lässt sich auch für amputierte Green-Funktionen führen.<br />

I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT<br />

Wir hatten im vorherigen Abschnitt gesehen, wie Quantenkorrekturen in der QFT unsere<br />

“naive” (klassische) Erwartung für die Skalenabhängigkeit von Observablen modifizieren.<br />

In der renormierten Störungstheorie tauchen solche “Skalenverletzungen” in der Form<br />

ln q 2 /µ 2 auf und lassen sich durch das Skalenverhalten der laufenden Kopplungskonstanten<br />

ausdrücken.<br />

Ein weiterer nicht-trivialer Effekt, der mit dem UV-Verhalten von QFTs zusammenhängt,<br />

bezieht sich auf bestimmte Symmetrien der klassischen Lagrangedichte. Allgemein<br />

bezeichnen wir folgenden Sachverhalt als “Anomalie”:<br />

54


I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT<br />

“Symmetrien der klassischen Lagrangedichte<br />

sind nicht notwendigerweise<br />

Symmetrien der wechselwirkenden Quantenfeldtheorie.”<br />

Betrachten wir als Beispiel die Lagrangedichte der QED mit masselosen Fermionen,<br />

L fermion = ¯ψ i /Dψ = ¯ψ L i /D ψ L + ¯ψ R i /D ψ R .<br />

(I.215)<br />

In diesem Fall entkoppeln die Beiträge der links- und rechtshändigen Felder, so dass wir<br />

2 unabhängige Noetherströme identifizieren können,<br />

mit klassischen Kontinunitätsgleichungen,<br />

j µ = ¯ψγ µ ψ = ¯ψ R γ µ ψ R + ¯ψ L γ µ ψ L ,<br />

j µ5 = ¯ψγ µ γ 5 ψ = ¯ψ R γ µ ψ R − ¯ψ L γ µ ψ L ,<br />

∂ µ j µ = ∂ µ j µ5 = 0 ,<br />

und erhaltenen Ladungen,<br />

∫<br />

∫<br />

Q = d 3 x j 0 = Q R + Q L , Q 5 = d 3 x j 05 = Q R − Q L .<br />

(I.216)<br />

(I.217)<br />

(I.218)<br />

Wir hatten bei der Durchführung des Renormierungsprogramms bereits gesehen, dass die<br />

QFT bei kleinen Abständen (großen Impulsen) regularisiert werden muss, d.h. Objekte<br />

wie ¯ψ(x) . . . ψ(x) in der QFT sind potentiell “gefährlich”, da Feldoperatoren am exakt<br />

gleichen Ort korreliert werden. Für den Vektorstrom j µ (x) hatten wir explizit gesehen,<br />

dass die Regularisierung (z.B. durch dim-reg.) die Ward-Identität respektiert und die<br />

dazugehörige elektrische Ladung ˆQ auch nach Berücksichtigung von Quantenkorrekturen<br />

eine Erhaltungsgröße bleibt.<br />

Für den Axialvektorstrom j µ5 (x) untersuchen wir die Kontinuitätsgleichung explizit,<br />

sind aber zunächst vorsichtig und definieren den Strom als Grenzwert,<br />

j µ5 (x) := lim ¯ψ(x + ɛ 2 ) γµ γ 5 U P (x + ɛ 2 , x − ɛ 2 ) ψ(x − ɛ }<br />

2 ) . (I.219)<br />

ɛ→0<br />

{<br />

Hierbei haben wir einen sog. “gauge-link” U P eingefügt, der dafür sorgt, dass die Definition<br />

auch für ɛ µ ≠ 0 eichinvariant bleibt. Den gauge-link kann man durch eine sog.<br />

“Wilson-Linie” darstellen,<br />

[ ∫ z ]<br />

U P (z, y) = exp −ie dx µ A µ (x) , (I.220)<br />

– preliminary –<br />

welche unter Eichtransformationen gerade so transformiert,<br />

U P (z, y) → e −iα(z) U P (z, y) e iα(y) ,<br />

y<br />

(I.221)<br />

dass das Transformationsverhalten der Fermionfelder kompensiert wird (→ Übung).<br />

55


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

Neben der Eichinvarianz wollen wir auch den Grenzübergang ɛ µ → 0 so durchführen,<br />

dass Lorentzinvarianz manifest bleibt, d.h. es soll (im Sinne einer Mittelung über alle<br />

möglichen Pfade ɛ µ → 0) gelten<br />

ɛ µ<br />

lim<br />

ɛ→0 ɛ 2 = 0 ,<br />

lim ɛ µ ɛ ν<br />

ɛ→0 ɛ 2<br />

= gµν<br />

4<br />

Damit können wir den Grenzwert von ∂ µ j µ5 explizit ausrechnen,<br />

{(<br />

)<br />

∂ µ j µ5 ɛ<br />

= lim ∂ µ ¯ψ(x +<br />

ɛ→0 2 ) γ µ γ 5 U P (x + ɛ 2 , x − ɛ 2 ) ψ(x − ɛ 2 )<br />

– preliminary –<br />

etc.<br />

+ ¯ψ(x + ɛ 2 ) γµ γ 5 U P (x + ɛ 2 , x − ɛ 2 ) ∂ µψ(x − ɛ 2 )<br />

+ ¯ψ(x + ɛ (<br />

2 ) γµ γ 5 ∂ µ U P (x + ɛ 2 , x − ɛ )<br />

2 ) ψ(x − ɛ }<br />

2 )<br />

(I.222)<br />

(I.223)<br />

Die Ableitungen auf die Fermionfelder lassen sich mittels der Dirac-Gleichung durch das<br />

Eichfeld ausdrücken. Die Ableitung auf den gauge-link ergibt zur O(ɛ)<br />

⎡<br />

⎤<br />

x+ɛ ∫ 2<br />

⎢<br />

∂ µ exp ⎣−ie dz ν A ν ⎥<br />

(z) ⎦ ≃ ∂ µ exp [−ieɛ ν A ν (x)] ≃ −ieɛ ν ∂ µ A ν (x) . (I.224)<br />

x−ɛ/2<br />

Setzen wir das oben ein, erhalten wir<br />

∂ µ j µ5 ≃ lim<br />

ɛ→0<br />

¯ψ(x + ɛ/2)<br />

( ie /A(x + ɛ/2) − ie /A(x − ɛ/2) − ieɛ ν ∂ µ A ν (x) ) γ 5 ψ(x − ɛ/2)<br />

≃ lim<br />

ɛ→0<br />

¯ψ(x + ɛ/2) (−ieγ µ ɛ ν (∂ µ A ν (x) − ∂ ν A µ (x)) γ 5 ψ(x − ɛ/2)<br />

= −ie lim<br />

ɛ→0<br />

¯ψ(x + ɛ/2)γ µ ɛ ν F µν (x) γ 5 ψ(x − ɛ/2) .<br />

(I.225)<br />

Wir sehen insbesondere, dass sich die Terme aus den partiellen Ableitungen der Dirac-<br />

Felder und des gauge-links gerade zum eichinvarianten Feldstärketensor kombinieren.<br />

Auf den ersten Blick verschwindet (I.225) linear mit ɛ ν → 0. Aber, wie oben diskutiert,<br />

kann der Grenzwert von ¯ψ(x + ɛ/2)ψ(x − ɛ/2) für ɛ → 0 divergieren. Das einfachste<br />

Beispiel ergibt sich, wenn wir den Beitrag von den Wick-kontrahierten Felder betrachten,<br />

dann ergibt sich als Fourier-Transformation des masselosen Dirac-Propagators S F (y −z)<br />

gerade<br />

∫<br />

d 4 ( )<br />

k i/k i<br />

e−ik(y−z)<br />

(2π) 4 k 2 = − 1<br />

/∂<br />

4π 2 (y − z) 2 = − i γ α (y − z) α<br />

2π 2 (y − z) 4 , (I.226)<br />

was für y → z singulär wird. 10 Dieser Term trägt allerdings nicht zu ∂ µ j µ5 bei, da die<br />

Dirac-Struktur, eingesetzt in obigen Ausdruck, verschwindet,<br />

tr [γ µ ɛ ν γ α ɛ α γ 5 ] = 0 .<br />

10 In der masselosen Theorie folgt der Divergenzgrad für ɛ → 0 einfach aus der Betrachtung der Massendimension:<br />

Das Produkt von 2 Fermionfeldern hat Massendimension 3, d.h. der Ausdruck auf der<br />

rechten Seite muss wie (y − z) −3 divergieren. – Die Dirac- und Lorentz-Struktur ist dabei durch das<br />

Transformationsverhalten des Propagators festgelegt. – Der Vorfaktor folgt aus der Berechnung des<br />

Winkelintegrals.<br />

56


I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT<br />

Wir brauchen also einen komplizierteren Beitrag zu ¯ψ(z)ψ(y) (mit 2 zusätzlichen Dirac-<br />

Matrizen). Dazu definieren wir die systematische Entwicklung von ¯ψ(z)ψ(y) um den<br />

Punkt y = z als sog. “Operator-Produkt-Entwicklung” (OPE),<br />

ˆφ(x + ɛ/2) ˆφ(x − ɛ/2) → ∑ i<br />

C i (ɛ) Ôi(x) ,<br />

d.h. wir erhalten auf der rechten Seite lokale Operatoren Ôi, multipliziert mit Koeffizienten<br />

C i (ɛ), die für ɛ → 0 das UV-Verhalten des Operatorprodukts beinhalten. Im obigen<br />

Beispiel mit dem Propagator wäre also<br />

¯ψ(x + ɛ/2) β ψ(x − ɛ/2) α = − i (ɛ/) αβ<br />

2π 2 ɛ 4 1-Operator + . . . (I.227)<br />

Die weiteren Terme entsprechen nicht-trivialen Operatoren mit weiteren Fermion- oder<br />

Eichfeldern. Da jedes weitere Feld eine positive Massendimension zum Operator Ôi<br />

beiträgt, haben die entsprechenden Koeffizienten C i einen kleineren Divergenzgrad für<br />

ɛ → 0. Der nächst-führende Term ergibt sich damit für ein zusätzliches Eichfeld. Den Koeffizienten<br />

erhalten wir durch Vergleich eines entsprechenden Feynman-Diagramms mit<br />

einem zusätzlichen externen Photon, das an die Fermionlinie koppelt, mit dem Ergebnis,<br />

∫<br />

d 4 k<br />

(2π) 4<br />

d 4 p<br />

(2π) 4 ei(k+p)y e ikz i(/k + /p)<br />

i/k<br />

(−ie˜/A(p))<br />

(k + p) 2 k 2 .<br />

(I.228)<br />

bzw. unter Berücksichtigung der Anti-Vertauschungsrelationen der fermionischen Feldoperatoren<br />

〈 ¯ψ(x + ɛ/2)γ µ γ 5 ψ(x − ɛ/2)<br />

∫<br />

d 4 k d 4 [<br />

]<br />

p<br />

=<br />

(2π) 4 (2π) 4 e−ikɛ e −ip(x−ɛ/2) tr −γ µ i(/k + /p)<br />

i/k<br />

γ 5 (−ie˜/A(p))<br />

(k + p) 2 k 2<br />

∫<br />

d 4 k d 4 p<br />

=<br />

(2π) 4 (2π) 4 e−ikɛ e −ip(x−ɛ/2) 4e ɛµαβγ p α Ã β k γ<br />

k 2 (k + p) 2 . (I.229)<br />

Wir interessieren uns für das Verhalten bei ɛ → 0, was in obigem Fourier-Integral dem<br />

Limes k → ∞ entspricht, d.h. es reicht das UV-Verhalten des d 4 k-Integrals zu betrachten,<br />

|p| ≪ |k| ∼ 1/ɛ. Dann faktorisiert das Ergebnis,<br />

〈 ¯ψ(x + ɛ/2)γ µ γ 5 ψ(x − ɛ/2)<br />

∫<br />

≃ 4e ɛ µαβγ d 4 ∫<br />

p<br />

d 4 k<br />

(2π) 4 e−ipx p α Ã β (p)<br />

k (2π) 4 e−ikɛ γ<br />

k 4<br />

= 4e ɛ µαβγ (∂ α A β (x)) ∂ (<br />

−<br />

i<br />

∂ɛ γ 16π 2 ln 1 )<br />

ɛ 2 (<br />

= 2e ɛ αβµγ F αβ (x) − i<br />

8π 2 ln ɛ )<br />

γ<br />

ɛ 2 . (I.230)<br />

– preliminary –<br />

Wir sehen, dass die Eichinvarianz wieder einen Ausdruck proportional zum Feldstärketensor<br />

erfordert. Entsprechend ist die Massendimension des Operators gleich 2, und<br />

57


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

die verbleibende Divergenz des Koeffizienten O(1/ɛ). Somit erhalten wir tatsächlich einen<br />

endlichen Beitrag zur Divergenz des Axialvektorstroms,<br />

{ } e<br />

∂ µ j µ5 = lim<br />

ɛ→0 4π 2 ɛαβµγ F αβ (−ieɛ ν F µν ) = − e2<br />

16π 2 ɛαβµγ F αβ F µν ≠ 0 .<br />

(I.231)<br />

Die entsprechende Ladung ˆQ 5 = ˆQ R − ˆQ L ist also nicht erhalten. Dieses spezielle Beispiel<br />

bezeichnet man auch als “Adler-Bell-Jackiw”–Anomalie.<br />

Fassen wir noch einmal die Gründe für dieses zunächst unerwartete Ergebnis zusammen:<br />

• Wir brauchen einen UV-Regulator, um das Produkt von ¯ψ(x)ψ(x) zu definieren.<br />

• Wir wollen durch den Regulator die Eichinvarianz nicht verletzen.<br />

• Wir wollen durch den Regulator die Lorentz-Invarianz nicht verletzen.<br />

Anscheinend erfüllt dann der Regulator nicht mir die Axiavektorstrom-Erhaltung. 11<br />

I.3.1 ABJ-Anomalie in der Störungstheorie<br />

Wir hatten im Falle des Vektorstroms gesehen, dass die dimensionale Regularisierung<br />

gerade ein Verfahren liefert, welches die Ward-Identität für die QED-Vektorstromerhaltung<br />

manifest respektiert. Es stellt sich deshalb die Frage, warum dieses Verfahren für den Axialvektorstrom<br />

nicht ein äquivalentes Ergebnis liefert. Dazu betrachten wir eine einfache<br />

Übergangsamplitude, ausgedrückt durch das Matrixelement<br />

∫<br />

d 4 x e −iqx 〈γ(p)γ(k)|j µ5 (x)|0〉 ≡ (2π) 4 δ (4) (p + k − q) ε ∗ ν(p)ε ∗ λ(k) M µνλ (p, k) , (I.232)<br />

was gerade der Produktion von 2 Photonen durch Anwendung des Axialvektorstrom-<br />

Operators auf das Vakuum entspricht. Die führenden Ausdrücke in der Störungstheorie<br />

entsprechen einer Fermionschleife, mit 3 Vertizes (Axialvektorstrom + 2 QED-Vertizes),<br />

was zwei “Dreiecks-Diagrammen” entspricht - mit jeweils vertauschten Rollen der beiden<br />

Photonen. Übersetzt mit Feynman-Regeln ergibt das<br />

∫<br />

M µνλ = (−1) (−ie) 2 d 4 [<br />

l<br />

(2π) 4 tr γ µ i(/l − /k)<br />

γ i /l i( ]<br />

/l + /p)<br />

5<br />

(l − k) 2 γλ l 2 γν (l + p) 2 + (p ↔ k, ν ↔ λ) .<br />

– preliminary –<br />

(I.233)<br />

Naiv würden wir q µ M µνλ = 0 erwarten, analog zur entsprechenden Diskussion für den<br />

Vektorstrom.<br />

Die explizite Rechnung ergibt unter Verwedung von /qγ 5 = (/p + /l)γ 5 + γ 5 (/l − /k) und<br />

Kürzen der entsprechenden Fermion-Propagatoren<br />

∫<br />

iq µ M µνλ = e 2 d 4 l tr<br />

[γ 5 (/l − /k)γ λ /lγ ν] [<br />

]<br />

(2π) 4 (l − k) 2 l 2 + tr γ 5 γ λ /lγ ν (/l + /p)<br />

l 2 (l + p) 2 + crossed (I.234)<br />

11 Da weiterhin ∂ µj µ = 0 gilt, sind die Divergenzen der chiralen Ströme separat nicht-erhalten, ∂ µj µ L =<br />

−∂ µj µ R ≠ 0. – Deshalb auch “chirale Anomalie”.<br />

58


I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT<br />

Falls wir im ersten Term l → l + k substituieren könnten, wären die ersten beiden Terme<br />

anti-symmetrisch bezüglich der Vertauschung der Photonen und würden sich somit mit<br />

dem gekreuzten Diagram aufheben.<br />

Allerdings müssen wir wieder beachten, dass die d 4 l-Integration UV-divergent ist, und<br />

somit müssen wir den obigen Ausdruck zunächst konsistent regularisieren. Hierbei tritt in<br />

dimensionaler Regularisierung das in der Übung diskutierte Problem auf, dass die naive<br />

Fortsetzung einer mit allen anderen Dirac-Matrizen vertauschenden Matrix γ 5 keinen<br />

kontiuierlichen Limes ɛ → 0 hat. Als Ausweg benutzen wir ein Verfahren nach ’t Hooft<br />

und Veltman, bei dem die Matrix γ 5 nur mittels der 4-dim. Dirac-Matrizen definiert<br />

wird,<br />

so dass<br />

γ 5 ≡ iγ 0 γ 1 γ 2 γ 3 für alle D , (I.235)<br />

{γ 5 , γ µ } = 0 für µ = 0 . . . 3 ,<br />

[γ 5 , γ µ ] = 0 für µ ≠ 0 . . . 3 . (I.236)<br />

Entsprechend müssen alle internen Schleifenimpulse l µ in Komponenten l µ ‖ (für µ =<br />

0 . . . 3) und l µ ⊥<br />

(für µ ≠ 0 . . . 3) zerlegt werden, wobei externe Impulse und Polarisationsvektoren<br />

keine ⊥ Komponenten haben.<br />

In obiger Herleitung ändert sich somit<br />

/qγ 5 = (/p + /k + /l − /l ‖ − /l ⊥ )γ 5<br />

= (/p + /l)γ 5 + γ 5 (/l ‖ − /l ⊥ − /k)<br />

= (/p + /l)γ 5 + γ 5 (/l − /k) − 2γ 5 /l ⊥ , (I.237)<br />

wobei der letzte Term wegen [γ 5 , /l ⊥ ] = 0 auftritt und – per Konstruktion – für D → 4<br />

verschwindet. Die ersten beiden Terme verschwinden in der Summe der beiden Diagramme<br />

in den nun dimensional regularisierten Integralen, während der Extra-Term von<br />

der dimensionalen Fortsetzung von γ 5 auf<br />

[<br />

]<br />

∫<br />

iq µ M µνλ = e 2 d D l tr −2γ 5 /l ⊥ (/l − /k)γ λ /lγ ν (/l + /p)<br />

(2π) D µ2ɛ (l − k) 2 l 2 (l + p) 2 + crossed (I.238)<br />

führt. Dieses Integral kann mit unseren Standardmethoden berechnet werden, wobei wir<br />

wieder nur das UV-Verhalten benötigen. Als Zwischenschritt brauchen wir Integrale mit<br />

l ⊥ der Form<br />

– preliminary –<br />

∫<br />

d D l<br />

(2π) D<br />

/l ⊥<br />

/l ⊥<br />

(l 2 − ∆ 2 ) 3 = D − 4 ∫<br />

D<br />

d D l l 2 ɛ→0<br />

(2π) D (l 2 − ∆ 2 ) 3 −→ −<br />

i<br />

32π 2 ,<br />

(I.239)<br />

was sofort einsichtig ist, wenn man die Skalarprodukte in kartesischen Koordinaten<br />

schreibt. Der Vorfaktor des Integrals verschwindet dabei linear für D → 4, während<br />

das Integral selbst wieder wie 1/ɛ divergiert, so dass das Endergebnis endlich ist, wie<br />

angegeben.<br />

59


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

Die Integrale mit 4 Potenzen von l ⊥ tragen nicht bei, da dann die Dirac-Spur tr[γ 5 γ λ γ ν ] =<br />

0 ergibt. Somit verbleibt ein Ausdruck proportional zur Spur mit γ 5 γ λ γ ν /p/k, was gerade<br />

den einfachen Ausdruck<br />

iq µ M µνλ = e2<br />

4π 2 ɛαλβν k α p β + crossed<br />

– preliminary –<br />

(I.240)<br />

ergibt, was bereits manifest symmetrisch unter Photonvertauschung ist. Vergleich mit<br />

〈γ(p)γ(k)|F αν F βλ |0〉 liefert<br />

〈γ(p)γ(k)|∂ µ j µ5 |0〉 = − e2<br />

16π 2 ɛανβλ 〈γ(p)γ(k)|F αν F βλ |0〉 ,<br />

(I.241)<br />

im Einklang mit der vorherigen Herleitung der ABJ-Anomalie. Damit haben wir bestätigt,<br />

dass die dimensionale Regularisierung die gleichen (postulierten) Eigenschaften hat:<br />

Eich- und Lorentz-Invarianz manifest, aber ∂ µ j µ5 ≠ 0.<br />

Ein weiteres Verfahren, um den Anomalieterm herzuleiten und eine wiederum unabhängige<br />

Regularisierungsmethode einzuführen ergibt sich aus der Pfadintegraldarstellung<br />

der QED, analog zur Herleitung der Ward-Identität für den QED-Vektorstrom.<br />

Wir betrachten nun Transformationen der Fermionfelder im Pfadintegral gemäß<br />

ψ L (x) → (1 − iα(x)) ψ L (x) , ψ R (x) → (1 + iα(x)) ψ R (x) . (I.242)<br />

Während das Transformationsverhalten der Lagrangedichte wieder trivial ist, ergibt sich<br />

bei der Berechnung der Jakobi-Funktionaldeterminante wieder die Notwendigkeit der<br />

Regularisierung mit dem nicht-trivialen Ergebnis, dass<br />

[ ∫<br />

J = exp −i d 4 e 2<br />

]<br />

x α(x)<br />

32π 2 ɛµνλσ F µν F λσ . (I.243)<br />

Funktionalableitung nach δα(x) ergibt dann gerade die rechte Seite der Anomalie-Gleichung.<br />

Die genaue Herleitung kann man in [1], S. 664ff. finden.<br />

I.3.2 Anwedung 1:<br />

Anomaliefreiheit von Fermiondarstellungen in chiralen Eichtheorien<br />

Wir hatten gesehen, dass Symmetrien und die damit verbundenen Ward-Identitäten für<br />

die Renormierbarkeit (d.h. für eine konsistente Beschreibung des Hochenergieverhaltens)<br />

von QFTs sind. In der QED hatten wir die Kontinuitätsgleichung des elektromagnetischen<br />

Stroms (und damit die Erhaltung der elektrischen Ladung) explizit auf 1-Schleifen-<br />

Niveau nachgeprüft. Die chirale Anomalie hebt sich dabei zwischen den rechts- und<br />

linkshändigen Fermionkomponenten auf.<br />

Andererseits koppelt die schwache Wechselwirkung unterschiedlich an links- und rechtshändige<br />

Fermionen. Damit ergeben sich potentiell anomale Beiträge zur Kontinuitätsgleichung<br />

der links- und rechtshändigen Eichströme. Eine Möglichkeit, dies zu umgehen,<br />

resultiert aus der Bedingung, dass sich bei der Summation über alle Fermionspezies im<br />

SM-Spektrum wieder die individuellen Beiträge zur Anomalie aufheben. Gemäß unserer<br />

60


I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT<br />

allgemeinen Diskussion reicht es, die einzelnen Fermionen in der Dreiecksdiagrammen<br />

mit dem zu überprüfenden Eichstrom und zwei beliebigen externen Eichfeldern zu untersuchen,<br />

wobei der Beitrag der rechtshändigen Fermionen von denen der linkshändigen<br />

abzuziehen ist.<br />

Betrachten wir als Beispiel das Dreiecksdiagramm mit dem U(1) Y -Eichstrom<br />

j µ Y = ¯ψγ µ Y ψ<br />

und 2 externen SU(2) L -Eichbosonen W A und W B . Die Summe der beiden gekreuzten<br />

Dreiecksdiagramme gibt dann einen Beitrag, der proportional zu ɛ µναβ WµνW A αβ B ist, mit<br />

einem Vorfaktor, der sich aus den Gruppenfaktoren an den Vertizes ergibt,<br />

[<br />

∝ tr Y<br />

{T A , T B}] = Y δAB<br />

2 .<br />

Hierbei tragen nur linkshändige Quarks und Leptonen bei, gewichtet mit ihrer jeweiligen<br />

Hyperladung und dem Entartungsgrad, also<br />

( )<br />

UL<br />

• Für linkshändige Quarks Q L = mit Y = 1/6:<br />

D L<br />

– 3-fache Farbentartung<br />

– 3 Generationen<br />

– 2 Komponenten im SU(2) L -Dublett (bereits durch die Spur berücksichtigt)<br />

ergibt<br />

∑<br />

Y δAB<br />

2<br />

Q L<br />

• Für linkshändige Leptonen L L =<br />

– keine Farbentartung<br />

– 3 Generationen<br />

= 3 · 3 · 1<br />

6<br />

(<br />

νL<br />

E L<br />

)<br />

δ AB<br />

– preliminary –<br />

2<br />

= 3 4 δAB<br />

mit Y = −1/2:<br />

– 2 Komponenten im SU(2) L -Dublett (bereits durch die Spur berücksichtigt)<br />

ergibt<br />

∑<br />

Y δAB<br />

2<br />

L L<br />

= 3 · −1<br />

2<br />

δ AB<br />

2<br />

= − 3 4 δAB<br />

Somit kompensieren sich im SM in der Tat die Beiträge von Leptonen und Quarks für<br />

dieses Beispiel (weitere potentielle Beiträge zu ∂ µ j µ Y<br />

und zu den anderen Eichströmen<br />

werden in der Übung untersucht).<br />

Wir schließen also, dass die Quantenzahlen der Fermionmultipletts in der SM-Eichgruppe<br />

nicht willkürlich sind! Insbesondere<br />

61


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

• benötigen wir vollständige Lepton- und Quarkgenerationen 12 (so wurde z.B. die<br />

Existenz des Top-Quarks als Partner vom Bottom-Quark bzw. von der dritten Leptongeneration<br />

bereits lange vor seiner experimentellen Entdeckung vorhergesagt);<br />

• hängt die 1/3-zahlige (Hyper-)Ladung der Quarks mit den 3 Farben in der QCD-<br />

Eichgruppe zusammen, was letztendlich dafür sorgt, dass Protonen (aus 3 Quarks)<br />

und Elektronen entgegengesetzt gleiche elektrische Ladungen haben und somit die<br />

uns vertraute Bio-Chemie ermöglichen.<br />

Es stellt sich unmittelbar die Frage, ob es einen tieferen Grund für diesen Sachverhalt<br />

gibt. Ein theoretischer Ansatzpunkt ergibt sich aus der Einbettung der SM-Eichgruppe<br />

in sog. “Grand <strong>Uni</strong>fied Theories”. Ein einfaches Beispiel ist die Einbettung<br />

SU(3) × SU(2) × U(1) ⊂ SU(5) .<br />

Die Generatoren der SU(5) werden durch spurlose, hermitesche 5×5-Matrizen beschrieben,<br />

wobei man die Generatoren der SU(3) in den linken oberen 3 × 3-Block schreiben kann,<br />

die Generatoren der SU(2) in den rechten unteren 2 × 2-Block, und die Hyperladung als<br />

Diagonalmatrix<br />

T Y = diag (Y q , Y q , Y q , Y l , Y l )<br />

mit den Generatoren von SU(3) und SU(2) vertauscht und als Generator von SU(5)<br />

spurlos sein muss, so dass gerade 3Y q = −2Y l und somit der gewünschte Zusammenhang<br />

zwischen Quark und Leptonladungen erzwungen wird (Details werden in der Übung<br />

diskutiert). 13<br />

I.3.3 Anwendung 2: Der Zerfall π 0 → 2γ<br />

Um den Zusammenhang des Zerfalls des neutralen Pions und der ABJ-Anomalie zu<br />

verstehen, müssen wir zunächst einige wichtige und besondere Eigenschaften der Pionen<br />

verstehen.<br />

Dazu betrachten wir die QCD-Lagrangedichte für die leichten Quarks im Limes m u,d →<br />

0. Die Lagrangedichte hat dann offensichtlich eine (globale) chirale Symmetrie im Isospin-<br />

Raum, SU(2) L × SU(2) R . Im hadronischen Spektrum werden allerdings keine Symmetriemultipletts,<br />

die dieser (approximativen) Symmetrie entsprächen, beobachtet (z.B. hat<br />

das Vektormeson ρ eine deutlich andere Masse als das entsprechende Axialvektormeson<br />

a 1 ). Die Symmetrie, die im hadronischen Spektrum realisiert wird, ist vielmehr<br />

die Isospin-Symmetrie, die der diagonalen Untergruppe (L = R) entspricht (z.B. ist<br />

die Masse der geladenen und ungeladenen Pionen gleich, was einem SU(2) I -Triplett<br />

– preliminary –<br />

12 Die Anzahl der Generationen ist dabei willkürlich.<br />

13 Ein weiterer Aspekt der Einbettung des SM in SU(5) ergibt sich aus der Tatsache, dass es in der SU(5)<br />

nur noch eine universelle Kopplungskonstante g 5 gibt. Dabei muss T Y kanonisch normiert werden,<br />

so dass tr[T Y T Y ] = 1/2 gilt. Die so normierten Kopplungen g 1, g 2, g 3 sollten sich dann bei einer<br />

gemeinsamen Skala treffen und in die Kopplung g 5 übergehen. In der Tat treffen sich die laufenden<br />

Kopplungen des SM annähernd in der Nähe von 10 14−15 GeV. – Bei dieser Skala sollten dann auch<br />

die Massen der Eichbosonen anzusiedeln sein, die den off-diagonalen 2 × 3 und 3 × 2 Blöcken in der<br />

Eichbosonmatrix entsprechen (sog. Leptoquarks).<br />

62


I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT<br />

entspricht). Wir folgern also, dass die chirale Symmetrie der QCD-Lagrangedichte durch<br />

den Grundzustand der QCD spontan gebrochen ist,<br />

SU(2) L × SU(2) R<br />

QCD Vakuum<br />

−→ SU(2) I .<br />

Gemäß des Goldstone-Theorems gehören zu den spontan gebrochenen Generatoren einer<br />

globalen Symmetrie masselose Goldstone-Bosonen mit den entsprechenden Quantenzahlen.<br />

Tatsächlich stellt das Triplett von geladenen und ungeladenen Pionen gerade<br />

diese Goldstone-Bosonen dar, mit Massen, die im Limes verschwindender Quarkmassen<br />

auch gegen Null gehen.<br />

Um dies einzusehen, betrachten wir den Axialvektorstrom im Isospin-Raum,<br />

j µ5,a (x) = ¯ψ(x) γ µ σ a<br />

γ 5 ψ(x) mit ψ = (u, d)T<br />

2<br />

und definieren das Übergangsmatrixelement<br />

〈0|j µ5,a (x)|π b (q)〉 ≡ −iq µ δ ab e −iqx f π ,<br />

(I.244)<br />

was aus Lorentz- und Isospin-Symmetrie-Gründen durch eine einzige hadronische Unbekannte<br />

f π beschrieben wird. Letztere kann als sog. Pion-Zerfallskonstante im Zerfall<br />

π − → µ −¯ν µ gemessen werden, f π ≃ 93 MeV.<br />

Bezüglich der QCD-Wechselwirkungen gilt nun aber für die Divergenz des Axialvektorstroms<br />

(im Limes masseloser Quarks)<br />

∂ µ j µ5,a = tr[τ a ]<br />

(<br />

− g2 s<br />

16π 2 ɛαβµν G αβ G µν<br />

)<br />

= 0 , (I.245)<br />

weil die Spur über eine der Pauli-Matrizen gerade Null ergibt. Mit obiger Definition ist<br />

das aber äquivalent zu<br />

〈0|∂ µ j µ5,a (0)|π b (q)〉 ≡ −q 2 δ ab f π = −m 2 πf π δ ab = 0 ,<br />

(I.246)<br />

woraus in der Tat m 2 π = 0 (für f π ≠ 0) folgt (→ Manifestation des Goldstone-Theorems<br />

für m u,d → 0 – die Pionzerfallskonstante spielt dabei eine ähnliche Rolle wie der Higgs-<br />

Vakuumerwartungswert bei der elektroschwachen Symmetriebrechung). 14<br />

14 Für den Isosingulett-Strom j µ,0 = ¯ψγ µ γ 5ψ verschwindet der Anomalie-Beitrag gerade nicht, so dass<br />

der entsprechende Isosingulett-Partner des Pions, das η-Meson durch eine Masse<br />

– preliminary –<br />

g 2 s<br />

m a ηf η ∝ 〈0|<br />

16π G ˜G|η〉 ≠ 0<br />

2<br />

charakterisiert wird. Das nicht-verschwindende Matrixelement auf der rechten Seite ist dabei selbst<br />

ein Maß für nicht-triviale Gluonkonfigurationen im QCD-Vakuum. Aus dieser Überlegung ergibt sich<br />

somit ein Argument für die experimentelle Tatsache, dass m 2 η ≫ m 2 π, obwohl beide Teilchen ansonsten<br />

gleiche Quantenzahlen und Quark-Konstituenten haben.<br />

63


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

Wir betrachten nun entsprechend die Divergenz des Axialvektorstroms in Anwesenheit<br />

des elektromagnetischen Feldes. Da die elektromagnetische WW zwischen up- und down-<br />

Quarks unterscheidet, verschwindet die Spur von σ 3 und Q 2 nicht, und wir erhalten einen<br />

Beitrag von der Anomalie gemäß<br />

∂ µ j µ5,3 = − e2<br />

16π 2 ɛαβµν F αβ F µν tr[τ 3 Q 2 ] N c .<br />

– preliminary –<br />

(I.247)<br />

Mit Q = diag(2/3, −1/3) ergeben die letzten beiden Term zusammen gerade einen Faktor<br />

1/2. Wenn wir jetzt wie oben für das Matrixelement definieren<br />

hatten wir bereits berechnet, dass<br />

〈γ(p)γ(k)|j µ5,3 (0)|0〉 = ɛ ∗ ν(p)ɛ ∗ λ(k) M µνλ (p, k) ,<br />

iq µ M µνλ (p, k) = − e2<br />

4π 2 ɛνλαβ p α k β<br />

(I.248)<br />

(I.249)<br />

aufgrund der Anomalie gilt.<br />

Andererseits können wir die Amplitude aber auch wieder ganz allgemein parametrisieren<br />

aufgrund von Lorentz-Symmetrie, Parität und Vektorstromerhaltung in der QCD (analog<br />

z.B. zum elektromagnetischen Formfaktor)<br />

M µνλ (p, k) ≡ q µ ɛ νλαβ p α k β M 1 (q 2 )<br />

(<br />

+ ɛ µναβ k λ − ɛ µλαβ p ν) k α p β M 2 (q 2 )<br />

[(<br />

+ ɛ µναβ p λ − ɛ µλαβ k ν) ]<br />

k α p β − ɛ µνλσ (p − k) σ p · k M 3 (q 2 ) ,<br />

(I.250)<br />

wobei aufgrund der Bose-Symmetrie der Photonen p ν M µνλ = k λ M µνλ = 0 gelten muss.<br />

Für diese Parametrisierung folgt (mit q 2 = 2 p · k)<br />

iq µ M µνλ = iq 2 ɛ νλαβ p α k β M 1 (q 2 )<br />

− iɛ µνλσ q µ (p − k) σ p · k M 3 (q 2 )<br />

)<br />

= iq 2 ɛ νλαβ p α k β<br />

(M 1 (q 2 ) + M 3 (q 2 )<br />

(I.251)<br />

Damit das im Limes q 2 → 0 ungleich Null wird (wie aufgrund der Anomalie festgelegt),<br />

müssen die Formfaktoren M 1 +M 3 wie 1/q 2 divergieren. Das entspricht aber dem Beitrag<br />

eines masselosen Propagators für einen Zwischenzustand mit den Quantenzahlen des<br />

betrachteten Axialvektorstroms j µ5,3 . Nach unseren Vorüberlegungen ist dies gerade<br />

das Goldstone-Boson, was dem π 0 entspricht. Demnach können wir für q 2 → 0 das<br />

Matrixelement faktorisieren<br />

〈γ(p)γ(k)|j µ5,3 (0)|0〉 q2 →0<br />

−→ 〈γ(p)γ(k)|π 0 (q)〉 i<br />

q 2 〈π0 (q)|j µ5,3 (0)|0〉<br />

= (iA ɛ νλαβ p α k β ) i<br />

q 2 (iqµ f π )<br />

(I.252)<br />

64


I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT<br />

Dabei parametrisiert das erste Matrixelement auf der rechten Seite gerade die Übergangsamplitude<br />

A für den π 0 → 2γ Zerfall und das zweite Matrixelement die bereits<br />

eingeführte Pionzerfallskonstante. Vergleich mit dem allgemeinen Ausdruck für M µνλ<br />

liefert dann<br />

A(π 0 → 2γ) = e2<br />

4π 2 1<br />

f π<br />

,<br />

(I.253)<br />

bzw. zusammen mit dem Phasenraumfaktor (bei dem wir die endliche Pionmasse beibehalten<br />

müssen, da ansonsten der Zerfall natürlich kinematisch nicht möglich wäre),<br />

Γ[π 0 → 2γ] =<br />

α2 m 3 (<br />

)<br />

π<br />

64π 3 1 + O(m 2 π) . (I.254)<br />

Wir erhalten also mit Hilfe der ABJ-Anomalie und der Goldstone-Natur des Pion-<br />

Isospin-Tripletts einen direkten Zusammenhang zwischen dem schwachen Zerfall der<br />

geladenen Pionen π ± → µ ± ν (proportional zu f π ) und dem anomalen Zerfall der neutralen<br />

Pionen π 0 → 2γ in der QED (proportional zu 1/f π ). Die theoretisch vorhergesagte<br />

Rate stimmt dabei sehr gut mit der experimentell gemessenen Rate überein.<br />

I.3.4 Kurzzusammenfassung<br />

f 2 π<br />

• Strahlungskorrekturen in der QED in der Störungstheorie führen zunächst auf<br />

divergente Impulsintegrale.<br />

• Infrarotdivergenzen heben sich zwischen virtuellen Korrekturen und reeller Photonabstrahlung<br />

auf. Die Effekte weicher Photonen lassen sich in sog. Sudakov-<br />

Formfaktoren resummieren.<br />

• Ultraviolettdivergenzen lassen sich durch Renormierung der Störungstheorie systematisch<br />

berüchsichtigen, indem eine laufende (skalen-abhängige) Kopplungskonstante<br />

definiert wird. Als Konsequenz führen Strahlungskorrekturen zu nicht-trivialem<br />

Skalierungsverhalten von Observablen mit den externen Impulsen.<br />

• Zum Überprüfen der Renormierbarkeit von Quantenfeldtheorien wie der QED<br />

haben wir den Zusammenhang zwischen oberflächlichem Divergenzgrad von Schleifendiagrammen<br />

und der Massendimension der Operatoren in der Lagrangedichte untersucht<br />

(Operatoren mit dim> 4 sind zunächst nicht renormierbar). Für die<br />

Renormierbarkeit der QED spielen weiterhin die Ward-Identitäten eine entscheidende<br />

Rolle.<br />

– preliminary –<br />

• Die Freiheit in der Wahl der Renormierungsskala (insbesondere für das MSbar-<br />

Schema) lässt sich durch eine Renormierungsgruppe beschreiben. Das Skalenverhalten<br />

von Observablen und Korrelationsfunktionen wird durch Differentialgleichungen<br />

bestimmt, deren Lösung einer Aufsummation von großen Logarithmen in<br />

den Koeffizienten der Störungstheorie entspricht.<br />

65


I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />

• Das UV-Verhalten von QFTs kann dazu führen, dass klassische Symmetrien nicht<br />

mehr erhalten sind (→ Anomalien). Als Beispiel hatten wir die Adler-Bell-Jackiw<br />

Anomalie für den Axialvektorstrom in der QED disktutiert. Zum Einen stellt dies<br />

Anforderungen an die Konsistenz von Eichtheorien, wie z.B. an das Spektrum von<br />

chiralen Fermionen. Zum Anderen erklären Anomalien physikalische Effekte wie<br />

den π 0 → 2γ Zerfall oder die Massenhierarchie zwischen dem η-Meson und den<br />

Pionen.<br />

– preliminary –<br />

66


II<br />

Kapitel II<br />

Strahlungskorrekturen in der<br />

starken Wechselwirkung (QCD)<br />

II.1 1-Schleifenkorrekturen in nichtabelschen Eichtheorien<br />

Wir gehen im Folgenden kurz auf die Berechnung von Schleifenkorrekturen in nichtabelschen<br />

Eichtheorien, wie z.B. der QCD, im Vergleich zur QED ein. Dabei können<br />

wir einige Techniken und Ergebnisse aus der QED direkt verallgemeinern, wobei wir<br />

zusätzliche Faktoren (C F , C A ) aus der nichtabelschen Symmetriealgebra erwarten (C A =<br />

N C = 3 und C F = N C 2 −1<br />

2N C<br />

= 4/3 in der QCD). Einige Rechnungen werden aber subtiler<br />

und komplexer aufgrund der zusätzlichen Diagramme mit Eichboson-Selbstwechselwirkungen<br />

und Geistfeldern. Es ist dabei häufig zweckmäßig, eine allgemeine kovariante<br />

Eichung zu wählen, bei dem der Eichparameter ξ variabel gelassen wird. Da ξ in<br />

physikalischen Amplituden herausfallen muss, hat man so eine zusätzliche nicht-triviale<br />

Kontrolle für die Richtigkeit der Rechnung. Für das Renormierungsprogramm ist die<br />

dimensionale Regularisierung zu favorisieren.<br />

Wir stellen nun einige 1-Schleifen–Resultate zusammen (Kopplungskonstante g s mit α s =<br />

gs/4π):<br />

2<br />

• Die Vakuumpolarisation (besser: Eichboson-Selbstenergie) wird analog zur Vakuum-Polarisation<br />

des Photons in der QED diskutiert. Zusätzlich zum Diagramm<br />

mit einem Fermion-Antifermion–Paar in der Schleife, gibt es zur Ordnung gs 2 drei<br />

zusätzliche 1PI–Diagramme mit virtuellen Eichbosonen oder Geistern:<br />

– preliminary –<br />

67


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Aufsummation der geometrischen Reihe von 1PI–Diagrammen ergibt wie in der<br />

QED einen transversalen Selbstenergie–Tensor:<br />

)<br />

Π µν (q 2 ) = i<br />

(q 2 g µν − q µ q ν Π(q 2 ) δ ab .<br />

(II.1)<br />

Die Transversalität ist wieder eine Folge der Eichsymmetrie, wobei die BRST-<br />

Invarianz (siehe TTP-1) dafür sorgt, dass die longitudinalen Beiträge durch die<br />

Berücksichtigung des Geist-Diagramms kompensiert werden. Der zusätzliche Faktor<br />

δ ab drückt lediglich die Tatsache aus, dass der Propagator diagonal bezüglich<br />

der Eichfeld-Komponenten in der adjungierten Darstellung bleibt.<br />

– Betrachten wir zunächst den Beitrag der Fermionschleife: Im Vergleich zur<br />

QED-Rechnung ergibt sich ein zusätzlicher Symmetriefaktor aus den beiden<br />

Matrizen t a,b am Fermionvertex, also<br />

tr[t a t b ] × (wie QED-Resultat) = 1 2 δab × (wie QED-Resultat)<br />

Im allgemeinen haben wir n f verschiedene Fermionen (z.B. 6 Quarksorten<br />

in der QCD), die in der nichtabelschen Theorie jeweils den gleichen Beitrag<br />

liefern, also<br />

Π(q 2 1<br />

) ∣ = n f Fermionen 2 (wie QED-Resultat) α→α s,m→m f<br />

(<br />

1<br />

= n f − α )<br />

s 4<br />

2 4π 3 Γ(ɛ) + . . . . (II.2)<br />

Analog können wir daraus den führenden Beitrag der Fermionen zur β–<br />

Funktion ablesen,<br />

1<br />

β(α s ) ∣ = n f Fermionen 2 (wie QED-Resultat) α→α s<br />

. (II.3)<br />

– Aufgrund der nichtabelschen Natur ergeben sich zusätzliche Diagramme mit<br />

Selbstwechselwirkungen der Eichbosonen und mit Geistfeldern. Für den Beitrag<br />

der Eichbosonschleife (zweites Diagramm oben) müssen wir zusätzlich zu<br />

den Feynman-Regeln für den 3-Eichbosonen–Vertex noch beachten, dass aufgrund<br />

der Ununterscheidbarkeit der Eichbosonen in der Schleife ein topologischer<br />

Symmetriefaktor 1/2 zu beachten ist (analog zu den Symmetriefaktoren<br />

in der φ 4 –Theorie). Wir erhalten somit ein Feynmanintegral der Form<br />

– preliminary –<br />

∫<br />

1<br />

2<br />

d D p<br />

(2π) D<br />

−i<br />

p 2 + iɛ<br />

−i<br />

(p + q) 2 + iɛ g2 s f acd f bdc × (Lorentz-Struktur) , (II.4)<br />

wobei wir die Lorentz-Struktur, die sich aus Propagatorzählern und Vertexfaktoren<br />

ergibt, nicht explizit angegeben haben. Die konkrete Rechnung zeigt,<br />

dass i.A. der entsprechende Beitrag zur Eichbosonselbstenergie nicht transversal<br />

ist; allerdings gilt dies wieder für die Summe aller Diagramme (aufgrund<br />

68


II.1 1-Schleifenkorrekturen in nichtabelschen Eichtheorien<br />

der BRST-Invarianz). Das Produkt der Strukturkonstanten der nichtabelschen<br />

Theorie vereinfacht sich hier zu<br />

∑<br />

[ ]<br />

f acd f bdc ≡ tr t a At b A = C A δ ab . (II.5)<br />

cd<br />

Die Berechnung der Diagramme ist aufwändiger als in der QED, aber z.B.<br />

wieder mittels Feynman-Parametern elementar lösbar. Obiges Diagramm liefert<br />

dabei zunächst auch quadratisch divergente Beiträge (d.h. Pole bei D =<br />

2, 4, . . . in dim-reg.).<br />

– Für das Schleifendiagramm, welches die 4-Eichbosonen–Kopplung involviert,<br />

erhält man entsprechend (in Feynman-Eichung)<br />

∫<br />

1 d D p −ig ρσ<br />

2 (2π) D p 2 + iɛ δcd (−igs)<br />

2<br />

[<br />

]<br />

× f abe f cde (g µρ g νσ − g µσ g νρ ) + 2× zyklisch . (II.6)<br />

Der 1. Term in eckigen Klammern verschwindet hierbei wegen δ cd f cde = 0.<br />

Der 2. und 3. Term ergeben jeweils den gleichen Beitrag,<br />

δ cd f dae f bce = −C A δ ab ,<br />

g ρσ (g σν g µρ − g σρ g µν ) = g µν (1 − D) .<br />

Damit ergibt sich für das Feynman-Integral:<br />

−g 2 s C A δ ab ∫<br />

d D p 1<br />

(2π) D p 2 − µ 2 IR + iɛ gµν (D − 1) .<br />

(II.7)<br />

(II.8)<br />

Dabei wird gerade der quadratisch divergente Beitrag des vorherigen Diagramms<br />

kompensiert.<br />

– Beim Diagramm mit der Geist-Schleife müssen wir schließlich beachten, dass<br />

sich aufgrund der Antikommutativität der Geistfelder ein zusätzliches Minuszeichen<br />

ergibt,<br />

∝(−1) · tr[t a At b A] g 2 s<br />

∫<br />

d D p<br />

(2π) D<br />

wobei sich wieder der gleiche Farbfaktor C A ergibt.<br />

i i<br />

p 2 + iɛ (p + q) 2 + iɛ (p + q)µ p ν = . . . (II.9)<br />

– Zusammengefasst ergeben die 3 Diagramme, die die nichtabelschen Kopplungen<br />

enthalten, einen UV-divergenten Beitrag der Form<br />

Π(q 2 ) ∣ = − α (<br />

s<br />

− 13<br />

nichtabelsch 4π 6 + ξ )<br />

C A Γ(ɛ) + . . . (II.10)<br />

2<br />

– preliminary –<br />

wobei wir das Resultat für einen beliebigen Eichparameter ξ (in kovarianten<br />

Eichungen) angegeben haben (in Feynman-Eichung, ξ = 1, ergibt sich für den<br />

Ausdruck in Klammern −5/3).<br />

69


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

• D.h. die Selbstenergie in nichtabelschen Eichtheorien ist eich-abhängig! Das ist kein<br />

Widerspruch, denn Π(q 2 ) ist keine physikalische Observable, d.h. die ξ-Abhängigkeit<br />

muss sich erst kompensieren, wenn die Selbstenergie in eine physikalische<br />

Streuamplitude eingesetzt wird.<br />

• Zusammengefasst erhalten wir für den Z 3 –Counterterm in der nichtabelschen Theorie<br />

mit n f Fermionen in der fundamentalen Darstellung also<br />

∣ ∣∣ξ=1<br />

δZ 3 =<br />

g2 s 1<br />

(4π) 2 ˆɛ<br />

( 5<br />

3 C A − 2 3 n f<br />

)<br />

+ (endliche Terme) , (II.11)<br />

wobei die genaue Form der endlichen Terme – wie in der QED – vom gewählten<br />

Renormierungsschema abhängt.<br />

• Betrachten wir nun die Selbstenergie der Fermionen: Hier ist die Situation völlig<br />

analog zur QED, bis auf den Symmetriefaktor t a t a = C F . Wir erhalten also für<br />

den Z 2 –Counterterm der Fermionfelder<br />

δZ 2 = −<br />

g2 s 1<br />

(4π) 2 ˆɛ C F ,<br />

und analog einen Faktor C F für den Massen-Counterterm.<br />

– preliminary –<br />

(II.12)<br />

• Im Falle der Korrektur zum Fermion-Eichboson–Vertex gibt es ein Diagramm, bei<br />

dem – analog zur QED – ein nichtabelsches Eichboson zwischen den Fermionen<br />

vor und nach der Wechselwirkung ausgetauscht wird. Zusätzlich kann das Fermion<br />

mit 2 Eichbosonen wechselwirken, welche sich dann über den 3-Eichbosonvertex<br />

mit dem externen Gluon wechselwirken.<br />

– Für das erste Diagramm müssen wir wieder nur den zusätzlichen nichtabelschen<br />

Symmetriefaktor berechnen, welcher sich aus<br />

ergibt.<br />

t b t a t b = t b t b t a + t b [t a , t b ] = C F t a + it b f abc t c<br />

= C F t a + i ( )<br />

2 f abc [t b , t c ] + {t b , t c } = C F t a − 1 2 C A t a (II.13)<br />

– Der Beitrag zur Vertexkorrektur vom 3-Eichbosonvertex erhält dagegen einen<br />

Symmetriefaktor<br />

f abc t b t c = i 2 C At a .<br />

Zusammengefasst erhält man für den Z 1 –Counterterm des Fermionvertex<br />

δZ 1 = −<br />

g2 s 1<br />

(4π) 2 ˆɛ (C F + C A ) + (endliche Terme) ≠ δZ 2 .<br />

(II.14)<br />

(II.15)<br />

70


II.1 1-Schleifenkorrekturen in nichtabelschen Eichtheorien<br />

Im Gegensatz zur QED sind in der nichtabelschen Theorie also die Renormierungsfaktoren<br />

für die Fermionfelder und die Fermionvertizes nicht gleich! — Das ist<br />

allerdings kein Widerspruch zur Eichsymmetrie, da der Eichstrom j a µ = ¯ψγ µ t a ψ der<br />

QCD selbst kein Eichsingulett ist, sondern selbst als Oktett (adjungierte Darstellung)<br />

transformiert. Dementsprechend gibt es keine erhaltene additive Farbladung,<br />

und der Formfaktor des QCD-Stroms hat keine natürliche Normierung. Andererseits<br />

werden wir gleich sehen, dass die nichtabelsche Eichsymmetrie erzwingt, dass<br />

die effektive (laufende) Kopplungskonstante für alle Vertizes in der nichtabelschen<br />

Theorie universell bleibt.<br />

Fassen wir die der QED entsprechenden Counterterme explizit zusammen, erhalten wir<br />

analoge Ausdrücke wie in der QED:<br />

• C.T. für Gluonpropagator: −i(k 2 g µν − k µ k ν )δ ab δZ 3<br />

• C.T. für Quarkpropagator: i/p δZ 2 − i δm f<br />

• C.T. für Quark-Gluon-Vertex: ig s t a γ µ δZ 1<br />

Wegen δZ 1 ≠ δZ 2 ergibt sich in der QCD für die laufende Kopplung<br />

gs 0 = Z g µ ɛ g s mit Zg<br />

−1 = √ Z 3 Z 2 Z1 −1 . (II.16)<br />

Wie oben bereits angedeutet, müssen wir aber sicher stellen, dass die so definierte<br />

laufende Kopplung g s identisch ist mit der effektiven Kopplung, die für die anderen<br />

QCD-Vertizes auftritt. Dazu müssen noch folgende Renormierungsfaktoren und Counter-<br />

Terme berechnet werden:<br />

• Korrekturen zum 3-Gluon-Vertex<br />

• Korrekturen zum 4-Gluon-Vertex<br />

−→ Z 3g<br />

– preliminary –<br />

1<br />

−→ Z 4g<br />

• Korrekturen zum Geist-Gluon-Vertex −→ Z c 1<br />

• Korrekturen zum Geist-Propagator −→ Z c 2<br />

Daraus ergeben sich folgende Bedingungen (die für ein eich-invariantes Renormierungsschema<br />

erfüllt sein müssen):<br />

• Aus dem 3-Gluon Vertex erhält man<br />

Z −1<br />

g = Z 3/2<br />

3 (Z 3g<br />

1 )−1 !<br />

= √ Z 3 Z 2 (Z 1 ) −1 . (II.17)<br />

In führender Ordnung kann man in δZ i entwickeln und erhält<br />

δZ 3 − δZ 3g ≃ δZ 2 − δZ 1 .<br />

1<br />

!<br />

1<br />

(II.18)<br />

Hierdurch werden also die divergenten Beiträge von diversen verschiedenen 1-<br />

Schleifendiagramme durch die Eichsymmetrie miteinander verknüpft.<br />

71


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

• Entsprechend für den 4-Gluon–Vertex (wobe wir beachten müssen, dass dieser 2<br />

Potenzen der Kopplungskonstanten trägt):<br />

Z −2<br />

g<br />

⇔<br />

= Z 2 3 (Z 4g<br />

1 )−1 !<br />

= Z 3 (Z 2 ) 2 (Z 1 ) −2<br />

δZ 3 − δZ 4g<br />

1<br />

• und schließlich für den Geist-Gluon–Vertex:<br />

Zg<br />

−1<br />

!<br />

≃ 2 (δZ 2 − δZ 1 ) .<br />

= √ Z 3 Z c 2 (Z c 1) −1<br />

⇔ δZ2 c − δZ1<br />

c ≃ δZ 2 − δZ 1 .<br />

Insgesamt haben wir dann also 8 Counter-Terme,<br />

δZ 1 , δZ 2 , , δm , δZ 3 ,<br />

– preliminary –<br />

!<br />

δZ c 1 , δZ 3g<br />

1 , δZ4g<br />

1 , δZc 2 ,<br />

(II.19)<br />

(II.20)<br />

mit 3 Relationen aufgrund der Eichsymmetrie. Somit bleiben 5 unabhängige Renormierungsfaktoren,<br />

was genau der Anzahl von frei normierbaren Größen (3 Sorten von Feldern<br />

[Gluon, Quark, Geist], 1 Kopplung, 1 Massenparameter [pro Quark]) in der QCD-<br />

Lagrangedichte entspricht. 1<br />

II.2 Laufende Kopplung in der QCD<br />

Aus dem Zusammenhang zwischen g s und g 0 s können wir wieder die QCD β-Funktion<br />

bestimmen, wobei wir wieder nur die divergenten Beiträge der Z-Faktoren in Z g benötigen.<br />

Für ɛ → 0 finden wir analog zur Rechnung in der QED<br />

β(α s ) = µ 2 dα (<br />

s<br />

dµ 2 = −α2 s<br />

δz (1)<br />

3 + 2δz (1)<br />

2 − 2δz (1) )<br />

1 + O(α 3<br />

4π<br />

s)<br />

(<br />

= − α2 s 5<br />

4π 3 C A − 2 3 n f + 2(−C F ) − 2(−C F − C A ))<br />

+ . . .<br />

(<br />

= − α2 s 11<br />

4π 3 C A − 2 )<br />

3 n f + . . . (II.21)<br />

Hierbei ist zu bemerken, dass sich der Beitrag proportional zu C F zwischen Z1 −1 und<br />

Z 2 aufhebt, die β-Funktion ist also unabhängig von der Darstellung der Fermionen bgzl.<br />

der Eichgruppe. Vergleich mit der QED (wo β(α) = α2 4<br />

4π 3 n f + . . . > 0) zeigt, dass die<br />

β-Funktion in der nicht-abelschen Theorie auch negatives Vorzeichen haben kann, wenn<br />

n f < 11<br />

2 C A ,<br />

1 Genau genommen, müssen wir für beliebige Eichungen auch einen Counterterm δZ ξ einführen, der<br />

den Eichfixierungsterm renormiert.<br />

72


II.2 Laufende Kopplung in der QCD<br />

was insbesondere für die QCD mit n f = 6 und C A = 3 erfüllt ist. Wir schreiben deshalb<br />

in der QCD<br />

β(α s ) = α2 s<br />

4π (−b 0) + O(α 3 s) mit b 0 = 11 − 2 3 n f > 0 (II.22)<br />

und lösen die DGL für α s (µ) analog zur QCD, so dass<br />

Diskussion/Interpretation:<br />

α s (µ) = g2 s(µ)<br />

4π ≃ α s (µ 0 )<br />

1 + b 0<br />

4π α s(µ 0 ) ln µ2<br />

– preliminary –<br />

µ 2 0<br />

(II.23)<br />

• Für µ → ∞ geht α s (µ) → 0. Dies bezeichnen wir als “asymptotische Freiheit”<br />

der QCD, d.h. bei großen Impulsübeträgen bzw. kleinen Abständen ist die<br />

“starke” Wechselwirkung zwischen Quarks und Gluonen tatsächlich eher schwach!<br />

Das heisst:<br />

→ In diesem Bereich ist QCD-Störungstheorie anwendbar.<br />

→ Die QCD lässt sich am einfachsten in Hochenergieexperimenten testen/erforschen.<br />

→ Die Erkenntnis rechtfertigt einen Nobelpreis (Politzer/Gross/Wilczek 2004).<br />

Erfolgreiche Tests der QCD wurden insbesondere in tief-inelastischer e − -Proton–<br />

Streuung (z.B. bei HERA@DESY) und in e + e − → Jets (z.B. bei den LEP-Experimenten<br />

am CERN) durchgeführt. Eine übliche Referenzskala für α s (µ 0 ) ist dabei die<br />

Masse des Z-Bosons (siehe Übung).<br />

• Im Gegensatz zur QED wird die Abschirmung der QCD-“Ladung” durch virtuelle<br />

q¯q–Paare offensichtlich überkompensiert durch die nicht-abelschen Beiträge von<br />

gluonischen Fluktuationen (5/3C A von Z g 3 , und 2C A von 2(δZ 2 −δZ 1 )). Bei großen<br />

Abständen haben wir also einen “Anti-Screening”–Effekt für Farbladungen.<br />

Damit gibt es einen bestimmten Wert µ ≡ Λ QCD < µ 0 , bei dem α s (µ) (in der<br />

Störungstheorie) formal divergiert, 1/α s (Λ QCD ) → 0. In führender Ordnung ist<br />

das gerade für<br />

1 + b 0<br />

4π α s(µ 0 ) ln Λ2 QCD<br />

= 0 (II.24)<br />

der Fall. Durch Auflösen nach α s (µ 0 ) erhalten wir eine alternative Darstellung der<br />

1-Schleifen-Näherung,<br />

µ 2 0<br />

α s (µ 0 ) ≃ 4π<br />

b 0<br />

1<br />

ln µ 2 0 /Λ2 QCD<br />

(II.25)<br />

73


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Der Wert von Λ QCD hängt dabei von der betrachteten Ordnung in der Störungstheorie<br />

ab (siehe Übung).<br />

• Obwohl wir mit einer dimensionlosen Kopplung g s in der Lagrangedichte gestartet<br />

sind, enthält die Theorie anscheinend Information über eine intrinsische Referenzskla<br />

Λ QCD , welche unabhängig von den Massenparametern der Fermionen ist.<br />

Diesen Effekt nennt man auch “dimensionale Transmutation”.<br />

Durch experimentelle Bestimmung von α s (q 2 ) bei hohen Energien findet man, dass<br />

Λ QCD ∼ 200 − 300 MeV ≃ 1/3 · Protonmasse<br />

In der Tat wird die Protonmasse größtenteils durch QCD-Effekte erzeugt (und<br />

nicht durch den elektroschwachen Higgs-Mechanismus!).<br />

• Die Effekte, die mit der (nicht-trivialen) QCD-Vakuumstruktur zusammenhängen,<br />

sind selbst nicht-störungstheoretischer Natur. Die typischen Korrelationslängen<br />

dieser Strukturen (die man z.B. auf Gitter-QCD-Simulationen studieren kann)<br />

sind dann gerade von der Ordnung 1/Λ QCD .<br />

Das Ziel der Theorie der starken Wechselwirkung ist deshalb die Trennung der verschiedenen<br />

dynamischen Effekte, so dass die kurzreichweitigen Fluktuationen (in der Praxis µ <br />

1 − 2 GeV) störungstheoretisch beschrieben werden können, während lang-reichweitige<br />

Korrelationen mittels möglichst universeller hadronischer Größen zu parametrisieren<br />

sind. Beispiele für solche Parameter sind<br />

• Eigenschaften des Vakuums, z.B. 〈0|¯qq|0〉,<br />

• Zerfallskonstanten von Mesonen, wie z.B. f π ,<br />

• hadronische Formfaktoren (z.B. 〈p ′ |j µ elm |p〉)<br />

• Partonverteilungsfunktionen des Protons (s.u.)<br />

• . . .<br />

Ein Beispiel, bei dem in erster Näherung keine hadronischen Parameter eingehen, ist der<br />

totale Wirkungsquerschnitt für e + e − → Hadronen (siehe TTP-1),<br />

⎛ ⎞<br />

σ(s) = σ 0<br />

⎝3 ∑ (<br />

Q 2 ⎠<br />

f 1 + α )<br />

s(µ)<br />

+ O(α 2<br />

π<br />

s) , (II.26)<br />

f<br />

wobei sich die angegebene α s -Korrektur durch die Berechnung der reellen und virtuellen<br />

Strahlungskorrekturen zum Prozess e + e − → q¯q(g) ergibt. Gemäß unserer allgemeinen<br />

Diskussion können wir potentiell große Logarithmen ln s/µ 2 wieder effektiv aufsummieren,<br />

indem wir die Störungsreihe durch α s ( √ s) entwickeln. Damit erwarten wir kleine<br />

Abweichungen vom klassischen Skalenverhalten bei √ s > 1 − 2 GeV (abgesehen vom<br />

Bereich in dem hadronische Vektorresonanzen auftreten, siehe Dikussion in TTP-1).<br />

Daraus lässt sich im Prinzip die Funktion α s ( √ s) aus dem Experiment bestimmen und<br />

mit der theoretischen Erwartung vergleichen.<br />

– preliminary –<br />

74


II.3 Einschub: Laufende Kopplung und RG-Fixpunkte<br />

II.3 Einschub: Laufende Kopplung und RG-Fixpunkte<br />

Wir fügen an dieser Stelle eine kleine allgemeine Diskussion zum möglichen Verhalten<br />

von laufenden Kopplungen in der QFT ein. Definieren wir allgemein<br />

β(g) = µ ∂g<br />

∂µ<br />

gibt es offensichtlich für kleine Werte von g drei Möglichkeiten:<br />

(a) β(g) > 0 (wie z.B. in der QED)<br />

für g = g(µ) , (II.27)<br />

(b) β(g) ≡ 0 (braucht “mehr” Symmetrien, z.B. erweiterte “Supersymmetrien”)<br />

(c) β(g) < 0 (wie z.B. in der QCD)<br />

Im Fall (a) können wir in die Störungstheorie für hinreichend kleine Skalen µ 2 ≪ Λ 2 UV anwenden;<br />

bei großem µ ∼ Λ UV divergiert die störungstheoretische Kopplung (→ “Landau-<br />

Pol”) Im Fall (b) erhalten wir eine “endliche QFT”, die aber für die Teilchenphysik bisher<br />

keine Relevanz hat. Im Fall (c) erhalten wir Störungstheorie für µ 2 ≫ Λ 2 IR (asymptotische<br />

Freiheit) und einen Landau-Pol bei kleinen Skalen µ ∼ Λ IR .<br />

Was passiert nun für große Kopplungen g ≫ 1 mit der β-Funktion (d.h. ohne störungstheoretische<br />

Näherung) ? — Wir betrachten dazu die β-Funktion als Funktion der Kopplungskonstante.<br />

Im Fall (a) können wir uns zwei Szenarien vorstellen<br />

(a1) Die β-Funktion bleibt positiv für alle Werte von g:<br />

Skizze: β(g) mit β(g = 0) = 0 und β(g) > 0 für alle g<br />

(a2) Die β-Funktion nimmt für große Werte von g wieder ab und wird negativ für<br />

g > g ∗ :<br />

Skizze: β(g) mit β(g = 0) = 0 und β(g) > 0(< 0) für g < g ∗ (g > g ∗ )<br />

D.h. zusätzlich zur trivialen Nullstelle β(g = 0) = 0 gibt es ein g ∗ ≠ 0 mit β(g ∗ ) =<br />

0. In diesem Fall können wir die β-Funktion um g = g ∗ entwickeln,<br />

dg<br />

d ln µ = β(g) ≃ −B (g − g∗ ) mit B > 0 , (II.28)<br />

so dass die approximative Lösung für die laufende Kopplung in der Nähe von g ∗<br />

als<br />

– preliminary –<br />

g(µ) = g ∗ + C<br />

( µ<br />

µ 0<br />

) −B<br />

(II.29)<br />

geschrieben werden kann (mit c = g(µ 0 ) − g ∗ ). Dann strebt g(µ) → g ∗ für µ → ∞:<br />

“Die Theorie besitzt dann einen (nicht-trivialen) UV-Fixpunkt, welcher durch<br />

den Wert von g ∗ und die Steigung −B klassifiziert ist.”<br />

75


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Aus der Lösung für g(µ) in der Nähe des UV-Fixpunktes können wir wieder<br />

analytische Aussagen über das Skalierungsverhalten von Greenschen Funktionen<br />

machen (allgemein ist das für große Kopplungen nicht möglich). Betrachten wir<br />

dazu z.B. den RG-Faktor<br />

[ ∫ n λ<br />

dλ ′<br />

]<br />

exp<br />

2 λ ′ γ φ (α(µλ ′ )) ,<br />

– preliminary –<br />

1<br />

mit der anomalen Dimension der Felder als Funktion der laufenden Kopplung mit<br />

einem Skalierungsparamter λ (siehe allgemeine Diskussion oben). Für große Werte<br />

von λ ist das Integral gerade dominiert von Werten von λ ′ , bei denen<br />

α(µλ ′ ) ≃ α ∗ = (g∗ ) 2<br />

4π ,<br />

denn nach Variablensubstitution haben wir<br />

dg(µλ ′ )<br />

dλ ′ = ˜µ dg(˜µ)<br />

∣<br />

β(˜g = g(˜µ))<br />

λ ′ =<br />

d˜µ<br />

λ ′<br />

∣˜µ=µλ ′<br />

Somit vereinfacht sich der RG-Faktor zu<br />

[ ∫ n λ<br />

dλ ′ ]<br />

exp<br />

2 λ ′ γ φ (α ∗ ) = λ n 2 γ∗ ,<br />

1<br />

⇔<br />

dλ ′<br />

λ ′ = d˜g<br />

β(˜g) .<br />

(II.30)<br />

d.h. die anomale Dimension am RG-Fixpunkt bestimmt das Skalenverhalten für<br />

große Werte von λ.<br />

Analoge Betrachtungen können wir für den Fall (c) machen. In diesem Fall erhalten wir<br />

einen nicht-trivialen IR-Fixpunkt, wenn β(g) < 0(> 0) für g < g ∗ (g > g ∗ ) mit<br />

g(µ) ≃ g ∗ + c<br />

( µ<br />

µ 0<br />

) B<br />

(B > 0) (II.31)<br />

und g(µ → 0) = g ∗ . In diesem Fall bestimmt γ φ (g ∗ ) das Skalierungsverhalten für kleine<br />

Werte von λ.<br />

Anmerkungen: Die genaue Form von β(g) und der Wert von g ∗ hängen vom Renormierungsschema<br />

ab. Allerdings sind β 0 , die Existenz von g ∗ , die Steigung B bei g ∗ und der Wert von γ ∗ φ<br />

unabhängig von der Renormierungskonvention.<br />

II.4 Operatorproduktentwicklung in e + e − → Hadronen<br />

II.4.1 Das Optische Theorem<br />

Ausgangspunkt ist der Streuoperator Ŝ, den wir bereits in TTP-1 kennen gelernt hatten<br />

und als<br />

Ŝ = ˆ1 + i ˆT<br />

(II.32)<br />

76


II.4 Operatorproduktentwicklung in e + e − → Hadronen<br />

geschrieben hatten, wobei der Operator ˆT gerade die Übergangsamplituden der Form<br />

〈p 1 p 2 . . . |i ˆT |k A k B 〉 = (2π) 4 δ (4) (k A + k B − ∑ p i ) iM(k A k B → p 1 p 2 . . .) (II.33)<br />

beschreibt. Die <strong>Uni</strong>tarität des Operators Ŝ impliziert<br />

ŜŜ† = ˆ1 ⇔ −i( ˆT − ˆT † ) = ˆT † ˆT . (II.34)<br />

Wenn wir dies z.B. zwischen 2-Teilchen-Zuständen auswerten, erhalten wir durch Einfügen<br />

eines kompletten Satzes von Zwischenzuständen auf der rechten Seite der Gleichung<br />

〈p 1 p 2 | ˆT † ˆT |k1 k 2 〉 = ∑ n<br />

= ∑ n<br />

(<br />

Π n i=1<br />

∫<br />

Π n i=1<br />

Entsprechend für die linke Seite direkt<br />

∫<br />

d 3 )<br />

q i 1<br />

(2π) 3 〈p 1 p 2 |<br />

2E ˆT † |{q i }〉〈{q i }| ˆT |k 1 k 2 〉<br />

i<br />

d 3˜q i M ∗ (p 1 p 2 → {q i }) M(k 1 k 2 → {q i })<br />

(2π) 4 δ (4) (p 1 + p 2 − ∑ q i ) (2π) 4 δ (4) (k 1 + k 2 − ∑ q i ) .<br />

−i〈p 1 p 2 |( ˆT − ˆT † )|k 1 k 2 〉 = −i (M(k 1 k 2 → p 1 p 2 ) − M ∗ (p 1 p 2 → k 1 k 2 ))<br />

(2π) 4 δ (4) (k 1 + k 2 − p 1 − p 2 ) .<br />

Gleichsetzen der beiden Ausdrücke und Ausklammern eines gemeinsamen Faktors<br />

(2π) 4 δ (4) (k 1 + k 2 − p 1 − p 2 )<br />

(II.35)<br />

(II.36)<br />

liefert dann eine Beziehung zwischen den Streuamplituden. Die Herleitung gilt so für beliebige<br />

Matrixelemente. Wir können insbesondere den Grenzfall p 1 p 2 → k 1 k 2 betrachten 2<br />

Dann erhalten wir<br />

2 ImM(k 1 k 2 → k 1 k 2 ) = ∑ ∫ ∫<br />

Π n i=1 d 3˜q i |M(k 1 k 2 → {q i })| 2 (2π) 4 δ (4) (k 1 + k 2 − ∑ q i ) .<br />

n<br />

(II.37)<br />

Die linke Seite entspricht dabei der “Vorwärts-Streuamplitude” für den Prozess k 1 k 2 →<br />

k 1 k 2 , und die rechte Seite gibt bis auf den Flussfaktor den Ausdruck für den totalen<br />

Wirkungsquerschnitt k 1 k 2 → X,<br />

– preliminary –<br />

ImM(k 1 k 2 → k 1 k 2 ) = 2E cm |⃗p| cm σ tot (k 1 k 2 → X) .<br />

(II.38)<br />

Dies ist das sog. “Optische Theorem” (ausgewertet für Streuamplituden zwischen<br />

Impulseigenzuständen).<br />

— graphische Illustration —<br />

2 Unter der Annahme, dass die Amplituden in diesem Limes stetige Funktionen der Impulse sind.<br />

77


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Wir können also den totalen Wirkungsquerschnitt (Summe und Phasenraumintegration<br />

über alle Endzustände) alternativ auch über die Berechnung des Imaginärteils der<br />

Vorwärtsstreuamplitude herleiten. In der Störungstheorie resultiert der Imaginärteil aus<br />

der iɛ-Vorschrift der Feynman-Propgatoren für die Teilchen in den virtuellen Zwischenzuständen<br />

(inlusive Schleifenintegrationen). Für die physikalischen Zwischenzustände in<br />

der wechselwirkenden Theorie erhalten wir auch Beiträge von Bindungszuständen (Pole<br />

in der komplexen Ebene gemäss Masse und Breite von Resonanzen etc.). Das optische<br />

Theorem gilt dabei allgemein, unabhängig von der Berechnungsmethode, und kann<br />

somit als Grundlage für systematische Berücksichtigung von störungstheoretischen und<br />

nicht-störungstheoretischen Korrekturen benutzt werden.<br />

II.4.2 Anwendung auf e + e − → Hadronen<br />

Für den Prozess e + e − → Hadronen bei großen Energien ( √ s ≫ m e , m q ) lautet das opt.<br />

Theorem<br />

σ(e + e − → hadrons) = 1 2s ImM(e+ e − → e + e − ) viahadrons<br />

– preliminary –<br />

(II.39)<br />

Die rechte Seite entspricht dabei gerade dem hadronischen Beitrag zur QED-Vakuumpolarisation,<br />

mit (s = q 2 )<br />

iM = (−ie) 2 ū(k 1 )γ µ v(k 2 ) −i<br />

s (iΠµν had(q)) −i<br />

s ¯v(k 2)γ ν u(k 1 ) .<br />

(II.40)<br />

Aufgrund der QED-Ward-Identitäten ist der hadronische Beitrag zum Polarisationstensor<br />

wieder transversal, so dass<br />

Π µν had(q) = (q 2 g µν − q µ q ν ) Π had (s) .<br />

(II.41)<br />

Wir mitteln wieder über die Spineinstellungen im Anfangszustand, so dass sich aus den<br />

Fermionspinoren<br />

L µν := 1 ∑<br />

ū(k 1 )γ µ v(k 2 ) ¯v(k 2 )γ ν u(k 1 ) = 1 4<br />

4 tr[k/ 1γ µ k/ 2 γ ν ] = k µ 1 kν 2 + k µ 2 kν 1 − (k 1 · k 2 ) g µν<br />

spin<br />

(II.42)<br />

ergibt. Da das wieder transversal bzgl. q µ ist, brauchen wir nur die Kontraktion des<br />

obigen Ausdrucks mit g µν und erhalten<br />

so dass sich insgesamt<br />

g µν L µν = −2 k 1 · k 2 = −s ,<br />

σ(e + e − → hadrons) = − 4πα<br />

s ImΠ had(s) (II.43)<br />

ergibt. Wie oben erläutert enthält der Imaginärteil von Π had (s) die Information über<br />

sämtliche hadronische Zwischenzustände. Für große Werte von s erwarten wir, dass<br />

sich die Zwischenzustände durch asymptotisch freie Quarks und Gluonen in der QCD-<br />

Störungstheorie abbilden lassen (“Dualität” zwischen Hadronen und Quarks/Gluonen).<br />

78


II.4 Operatorproduktentwicklung in e + e − → Hadronen<br />

II.4.2.1 Störungstheoretische Beschreibung<br />

Für die störungstheoretische Beschreibung können wir direkt das Resultat für den 1-<br />

Schleifenbeitrag zur Vakuumpolarisation in der QED verwenden, mit m e → m q und<br />

einem entsprechenden Farb- und Ladungsfaktor für Quarks statt Elektronen, so dass<br />

∑<br />

Π had (s) = −N c Q<br />

2 8e 2<br />

∫ 1<br />

q<br />

(4π) D/2 Γ(ɛ)µ2ɛ dx x(1 − x) (∆ 2 ) −ɛ ,<br />

– preliminary –<br />

0<br />

(II.44)<br />

wobei ∆ 2 = m 2 q − x(1 − x)s − i0 + ≃ −x(1 − x) − i0 + , wobei wir den kleinen Imaginärteil<br />

explizit gemacht haben, der daher resultiert, dass die Massen in den Feynmanprogatoren<br />

in der Form p 2 − m 2 + i0 + auftreten.<br />

Wir berechnen zunächst den Imaginärteil von (∆ 2 ) −ɛ aus (für m q → 0)<br />

(<br />

(∆ 2 ) −ɛ = exp −ɛ ln ∆ 2) ( [<br />

])<br />

= exp −ɛ ln |∆ 2 | − iπ θ(s)<br />

( )<br />

⇔ Im(∆ 2 ) −ɛ = exp −ɛ ln |∆ 2 | sin(ɛπ) θ(s) ≃ ɛπ θ(s) .<br />

(II.45)<br />

Somit ergibt sich nach Multiplikation mit Γ(ɛ) ein endliches Resultat für den Imaginärteil,<br />

∑<br />

ImΠ had (s)| mq→0 = −π N c Q<br />

2 8e 2 ∫ 1<br />

∑<br />

q<br />

(4π) 2 dx x(1 − x) θ(s) = −N c Q<br />

2 α<br />

q<br />

3<br />

0<br />

(II.46)<br />

und somit für den totalen Wirkungsquerschnitt das bereits in TTP-1 berechnete Ergebnis,<br />

σ tot (e + e − → hadrons) = 4πα2<br />

3s<br />

N ∑ √<br />

c Q<br />

2<br />

q<br />

= σ(e + e − → µ + µ − ) R 0 . (II.47)<br />

Die Berechnung über das optische Theorem liefert nicht nur eine alternative Rechenmethode,<br />

sondern erlaubt auch, systematisch Korrekturen zur störungstheoretischen Beschreibung<br />

zu definieren.<br />

II.4.2.2 Operatordarstellung<br />

Um systematisch Korrekturen zum Limes q 2 → ∞ zu berücksichtigen, betrachten wir die<br />

Operatordarstellung des hadronischen Beitrags zur Vakuumpolarisation, welcher sich aus<br />

dem zeitgeordneten Produkt zweier elektromagnetischer Ströme mit Quarks schreiben<br />

lässt,<br />

∫<br />

iΠ µν<br />

had (q) = −e2 d 4 x e i q·x 〈0|T J µ (x)J ν (0)|0〉<br />

(II.48)<br />

mit<br />

J µ (x) = J µ had (x) =<br />

∑<br />

Q f ¯q f (x)γ µ q f (x) .<br />

(II.49)<br />

f=u,d,s,...<br />

79


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Die Operatordarstellung erlaubt es uns nun, um den Hochenergielimes zu entwickeln. Im<br />

obigen Fourierintegral entspricht dies gerade der Entwicklung um kleine Abstände x, die<br />

wir bereits im Zusammenhang mit den Anomalien als Operatorproduktentwicklung<br />

kennen gelernt hatten. Die OPE für das Produkt der beiden elektromagnetischen Ströme<br />

lautet demnach<br />

J µ (x)J ν (0) = C µν(x) [1] ˆ1 + C µν [¯qq] (x) ¯q(0)q(0) + C [G2 ]<br />

µν (x) G 2 (0) + . . . (II.50)<br />

wobei aus der Dimensionsanalyse wieder das Verhalten für x → 0 folgt,<br />

C [1]<br />

µν(x) ∼ x −6 ,<br />

C [¯qq]<br />

µν (x) ∼ m q x −2 , C [G2 ]<br />

µν (x) ∼ x −2 , (II.51)<br />

wobei wir wieder verwendet haben, dass der Koeffizient vor dem Operator ¯qq = ¯q L q R +<br />

¯q R q L aufgrund der chiralen Symmetrie der QCD mit der Quarkmasse m q gegen Null<br />

gehen muss. Analog können wir die Fouriertransformierten der Koeffizienten betrachten<br />

und erhalten unter Verwendung von q µ Π µν = 0, dass<br />

∫<br />

− e 2 d 4 x e iq·x J µ (x)J ν (0)<br />

{<br />

}<br />

= −ie 2 (q 2 g µν − q µ q ν ) ˜c [1] (q 2 ) ˆ1 + c [¯qq] (q 2 ) m q ¯qq + c [G2] (q 2 ) G 2 + . . . . (II.52)<br />

Der Koeffizient des führenden Terms (proportional zum Eins-Operator) entspricht dabei<br />

gerade unsere störungstheoretischen Rechnung (Schleifendiagramme ohne externe Quarkoder<br />

Gluonfelder). Für große q 2 also gerade<br />

c [1] (q 2 ) = −(N C<br />

∑<br />

Q<br />

2<br />

f ) α 3π<br />

(<br />

−q 2 )<br />

+ iɛ<br />

µ 2 + O(α s ) ,<br />

Imc [1] (q 2 ) = −(N C<br />

∑<br />

Q<br />

2<br />

f ) α 3 θ[q2 ] + O(α s ) .<br />

– preliminary –<br />

(II.53)<br />

Wenn wir die Massendimensionen vergleichen, ergibt sich für den Koeffizienten c [1] (q 2 )<br />

gerade ein dimensionsloser Wert. Dagegen entsprechen die höheren Terme in der OPE<br />

Koeffizienten, die mit zunehmenden Potenzen von 1/q 2 unterdrückt sind. Die Koeffizienten<br />

lassen sich wieder störungstheoretisch berechnen, wenn man Feynman-Diagramme<br />

mit zusätzlichen externen Quark- und Gluonfeldern, die den lokalen Operatoren in der<br />

OPE entsprechen vergleicht,<br />

c [¯qq] (q 2 ) ∼ 1 aus<br />

(q 2 ) 2<br />

c [G2] (q 2 ) ∼ 1<br />

(q 2 ) 2 aus<br />

80


II.4 Operatorproduktentwicklung in e + e − → Hadronen<br />

Während die Beiträge dieser sogenannten “Quark- und Gluon-Kondensate” für hinreichend<br />

große Impulsüberträge unterdrückt sind, lassen sicher andererseits deren Werte –<br />

im Prinzip – aus Daten bei mittleren Werten von q 2 extrahieren. Gemäß unserer Überlegungen<br />

über die typischen Korrelationslängen im nicht-störungstheoretischen QCD-<br />

Vakuum erwarten wir dabei<br />

〈¯qq〉 ∼ Λ 3 QCD , 〈G 2 〉 ∼ Λ 4 QCD . (II.54)<br />

Die OPE liefert als in unserem (einfachen) Beispiel die gewünschte Trennung von kurzund<br />

langreichweitiger Dynamik (“Faktorisierung”).<br />

• Die kurzreichweitige <strong>Physik</strong> steckt dabei in den Koeffizienten (“Wilson-Koeffizienten”)<br />

C i (q 2 ) = C i (q 2 , µ) ,<br />

welche für µ ≫ Λ QCD störungstheoretisch berechenbar sind.<br />

• Die langreichweitige <strong>Physik</strong> steckt in den Erwartungswerten der (lokalen) Operatoren<br />

〈O i 〉 = 〈O i 〉(µ) ,<br />

in unserem Fall charakterisiert durch die nicht-trivialen Korrelationen zwischen<br />

Quark- und Gluonfeldern im QCD-Vakuum.<br />

Insbesondere können wir wieder das RG-Verhalten unter Änderung der RG-Skala µ<br />

bestimmen: Damit lassen sich wieder potentiell große Logarithmen ln q 2 /µ 2 in C i oder<br />

〈O i 〉 absorbieren (während die Observable σ tot natürlich nicht von µ abhängt). Wir<br />

bezeichnen die Skala µ in der OPE deswegen in diesem Zusammenhang auch als “Faktorisierungsskala”,<br />

da sie aussagt, welche Effekte bei der Faktorisierung in den Wilson-<br />

Koeffizienten oder in den Operatoren berücksichtigt sind (wie genau die Skalenabhängigkeit<br />

zu berechnen ist, werden wir noch an einem anderen Beispiel im Detail diskutieren).<br />

II.4.2.3 Das Problem mit zeitartigen Impulsüberträgen<br />

Wir hatten bisher die Dualität zwischen perturbativer Rechnung (Quarks und Gluonen<br />

in Zwischenzuständen zur Berechnung von ImΠ(q 2 )) und hadronischen Observablen<br />

(physikalische Endzustände in σ tot ) angenommen. Dabei hatten wir argumentiert, dass<br />

wegen |q 2 | ≫ Λ 2 QCD die Quarks und Gluonen asymptotisch frei sind und deshalb die<br />

QCD-Störungstheorie (mit den (1/q 2 ) n -Korrekturen aus der OPE) Sinn ergibt.<br />

Allerdings haben wir hierbei einen logischen Denkfehler eingebaut, denn für zeitartige<br />

Impulsüberträge, q 2 > 0, gibt es Möglichkeiten: (i) Produktion weniger Quarks und<br />

Gluonen mit (in der Tat) dann großen Relativimpulsen (d.h. kurzreichweitige Korrelationen);<br />

(ii) Produktion vieler Quarks und Gluonen mit dann kleinen Relativimpulsen<br />

(d.h. langreichweitigen Korrelationen). Der zweite Fall entspricht gerade der physikalischen<br />

Situation in den hadronischen Bindungszuständen (relativistisches Vielteilchenproblem)<br />

und die Störungstheorie ist in dieser Form nicht direkt anwendbar. Tatsächlich<br />

hatten wir ja gesehen, dass das R-ratio für e + e − →hadrons (lokal) nicht gut durch die<br />

– preliminary –<br />

81


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Störungstheorie beschrieben wird, da das physikalische Spektrum vielmehr hadronische<br />

Resonanzen zeigt, als Oszillationen auf einem “perturbativen Kontinuum”.<br />

Dieses Problem würde nicht auftauchen, wenn wir es mit raumartigen Impulsüberträgen<br />

q 2 ≪ 0 zu tun hätten, da in diesem Fall keine reellen hadronischen Zwischenzustände<br />

möglich sind. Die Frage ist also, ob es eine Möglichkeit gibt, den Bereich physikalischer<br />

Endzustände (Π(q 2 > 0)) mit dem störungstheoretisch zugänglichen (unphysikalischen)<br />

Bereich (Π(q 2 < 0)) in Beziehung zu setzen. Dazu fassen wir Π had (q 2 ) als analytische<br />

Funktion in der komplexen q 2 -Ebene auf, mit Polen und Schnitten gemäß der hadronischen<br />

1- und Mehrteilchenzustände entlang der reellen Achse für q 2 > 0 (genauer: für<br />

q 2 4m 2 π). An der reellen positiven Achse hat Π had (q 2 ) demnach eine Diskontinuität,<br />

die durch den entsprechenden Imaginärteil gegeben ist,<br />

Disc Π had (q 2 ) = 2i Im Π had (q 2 ) ,<br />

und somit direkt mit dem totalen hadronischen Wirkungsquerschnitt verknüpft ist.<br />

Die analytischen Eigenschaften von Π had (q 2 ) erlauben es uns, Aussagen über das Verhalten<br />

bei zeitartigen Impulsen aus theoretischer Information bei q 2 ≪ 0 zu rekonstruieren.<br />

Gemäß obiger Diskussion funktioniert das aber nicht mehr lokal (für einzelne Werte von<br />

q 2 > 0), sondern nur auf dem Niveau von integrierten Größen. Dazu betrachten wir die<br />

Contour-Integrale der Form<br />

∮<br />

I n = −4πα<br />

mit einer Contour C, die den Punkt<br />

C<br />

dq 2<br />

2πi<br />

1<br />

(q 2 + Q 2 0 )n+1 Π had(q 2 ) (II.55)<br />

q 2 = −Q 2 0 < 0 mit Q 2 0 ≫ Λ 2 QCD<br />

einschließt. Die Integration lässt sich auf 2 Arten durchführen:<br />

• Nach dem Satz von Cauchy ergibt sich einfach<br />

I n = −4πα 1 ( ) d n ∣ ∣∣q<br />

n! dq 2 Π had , (II.56)<br />

2 =−Q 2 0<br />

wobei wir nur Information über Π had in der Nähe von Q 2 0 brauchen, wo nach<br />

Voraussetzung Störungstheorie und die OPE anwendbar sind.<br />

• Andererseits können wir die Contour ins Unendliche deformieren, wobei ein Integral<br />

unterhalb und oberhalb der reellen Achse übrig bleibt, wenn wir für n ≥ 1 den<br />

Beitrag im Unendlichen vernachlässigen können. Die Differenz der beiden Integrale<br />

ergibt aber gerade die Diskontinuität des hadronischen Tensors entlang der reellen<br />

Achse, und somit<br />

– preliminary –<br />

I n = −4πα<br />

= −4α<br />

= 1 π<br />

∫ ∞<br />

0<br />

∫ ∞<br />

0<br />

∫ ∞<br />

0<br />

ds<br />

dq 2 1<br />

2πi (q 2 + Q 2 Disc Π had(q 2 )<br />

0 )n+1<br />

dq 2 1<br />

(q 2 + Q 2 Im Π had(q 2 )<br />

0 )n+1<br />

s<br />

(s + Q 2 σ tot(s) . (II.57)<br />

0 )n+1<br />

82


II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />

Dieses Integral ist aus dem gemessenen Wirkungsquerschnitt zu bestimmen.<br />

Wir erhalten somit einen Satz von Integralbeziehungen (“Dispersionsrelationen”) zwischen<br />

theoretischen Rechnungen in der OPE und hadronischen Observablen im Experiment<br />

(→ “QCD-Summenregeln” [Novikov, Shifman, Voloshin, Vainshtein, Zakharov<br />

1978]).<br />

Wir überprüfen die Summenregel wieder am einfachsten Beispiel, d.h. wenn wir in der<br />

theoretischen Rechnung nur den führenden Beitrag zu c [1] (q 2 ) in der OPE mitnehmen.<br />

Dann ergibt sich aus den Ableitungen von ln(−q 2 )<br />

∫ ∞<br />

0<br />

s<br />

ds<br />

(s + Q 2 σ(s) ≃ ! 4πα2 ∑<br />

0 )n+1 n (Q 2 0 )n<br />

– preliminary –<br />

f<br />

Q 2 f<br />

(II.58)<br />

Diese Beziehungen werden gerade für alle n erfüllt, wenn wir für σ(s) den asymptotischen<br />

Werte σ 0 (s) ∝ 1/s einsetzen. Insofern reproduzieren die Summenregeln also das<br />

asymptotische Resultat für sehr große Werte von s.<br />

Die Korrekturen zur OPE (von α s (Q 2 0 ) und Λ2 QCD /Q2 0 ) bei endlichen Werten von Q2 0<br />

tragen aber zu den verschiedenen I n unterschiedlich bei, so dass die entsprechenden<br />

Korrekturen zu σ(s) nicht direkt abzulesen sind. D.h. um σ(s) lokal zu rekonstruieren<br />

benötigt man genaue Informationen über alle I n . Da diese aber mit höherem n aufgrund<br />

der zunehmenden Potenzen des Ableitungsoperators immer sensitiver auf die höheren<br />

Terme in der OPE werden, hieße das unendliche Genauigkeit in der störungstheoretischen<br />

OPE. 3 Für hinreichend globale (d.h. über endliche Intervalle von s gemittelte Größen)<br />

sollte dagegen die OPE für hinreichend große Werte von s eine vernünftige Beschreibung<br />

liefern.<br />

II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />

Im Folgenden diskutieren wir die Effekte von QCD-Strahlungskorrekturen in der quantitativen<br />

Beschreibung von elektroschwachen Übergängen zwischen Quarks. Als Referenzprozess<br />

benutzen wir wieder einen leptonischen Referenzprozess: den Myon-Zerfall<br />

µ − → ν µ e −¯ν e . Auf Baumgraphenniveau 4 wird der Zerfall durch den Austausch eines<br />

geladenen W-Bosons zwischen zwei (elektrisch geladenen, linkshändigen) leptonischen<br />

Strömen vermittelt, so dass sich die Zerfallsamplitude durch<br />

( ) ig 2<br />

−i<br />

√<br />

2 q 2 − m 2 J α<br />

(µ) J (e)α<br />

W<br />

mit<br />

J (µ)<br />

1 − γ 5<br />

α = ū νµ γ α u µ , J (e)α = ū e γ α 1 − γ 5<br />

2<br />

2<br />

v νe<br />

(II.59)<br />

3 Insbesondere kann die OPE bei “euklidischem” q 2 ≪ 0 in endlicher Ordnung nicht das oszillierende<br />

Verhalten von σ(s) im physikalischen Bereich reproduzieren.<br />

4 Wir konzentrieren uns in diesem Kapitel auf Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung,<br />

welche den Myonzerfall nicht betreffen. Zur akkuraten Beschreibung des Zerfalls müssen aber auch<br />

elektromagnetische Korrekturen zum Myonzerfall in der QED berücksichtigt werden.<br />

83


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

beschreiben lässt, wobei g die Kopplungskonstante (in gegebener Normierung) der schwachen<br />

Eichgruppe SU(2) L sei. Da die Myon-Masse klein ist gegenüber m W , gilt auch für den<br />

Impulsübertrag q 2 ,<br />

q 2 < m 2 µ ≪ m 2 W<br />

und somit können wir obigen Ausdruck nähern als<br />

wobei wir die Fermi-Konstante<br />

−i G F<br />

)<br />

√<br />

(ūνµ γ α (1 − γ 5 ) u µ (ūe γ α (1 − γ 5 ) v νe )<br />

2<br />

G F<br />

√<br />

2<br />

≡<br />

– preliminary –<br />

g2<br />

8m 2 W<br />

(II.60)<br />

(II.61)<br />

als effektive Kopplungskonstante eingeführt haben. G F = 1.166 · 10 −5 GeV −2 quantifiziert<br />

die Stärke der schwachen Wechselwirkung bei kleinen Energieüberträgen.<br />

Wir können die Näherung für die Zerfallsamplitude als Resultat einer effektiven Wechselwirkung,<br />

vermittelt durch einen Operator<br />

O eff = G ( ) ( )<br />

F<br />

√ ¯ψe γ α (1 − γ 5 )ψ νe ¯ψνµ γ α (1 − γ 5 )ψ µ<br />

2<br />

(II.62)<br />

in einer effektiven Hamiltondichte ∆H int auffassen. Die kanonische Massendimension<br />

solch eines 4-Fermion-Operators ist 6.<br />

Der Operator entspricht gerade dem führenden Term in einer OPE für das zeitgeordnete<br />

Produkt der beiden leptonischen Ströme<br />

∫<br />

[<br />

d 4 x e iqx T<br />

J α<br />

(µ)<br />

]<br />

(x)J α (e) (0)<br />

(II.63)<br />

in der schwachen Wechselwirkung, wobei sich der Wilson-Koeffizient aus obiger Matching-<br />

Rechnung gerade durch die Fermi-Konstante ausdrücken lässt. Effektiv reduziert sich<br />

der W-Boson–Austausch somit auf eine punkt-förmige (d.h. kurz-reichweitige) Wechselwirkung.<br />

5<br />

Für Quarks 6 können wir das entsprechend verallgemeinern. Dabei können wir zunächst<br />

zwei Fälle unterscheiden:<br />

• semi-leptonische Zerfälle, z.B. b → ce¯ν e mit<br />

O = G ( ) ( )<br />

F<br />

√ ¯ψe γ α (1 − γ 5 )ψ νe ¯ψc γ α (1 − γ 5 )ψ b V cb ,<br />

2<br />

(II.64)<br />

wobei wir lediglich zu berüchsichtigen haben, dass zusätzlich das CKM-Element<br />

V cb für den b → c Übergang auftritt;<br />

5 Dies erklärt die Eigenschaften der schwachen Kernkraft.<br />

6 Genauer gesagt, für q = b, c, s, u, d mit m 2 q ≪ m 2 W – Zerfälle des Top-Quarks sind separat zu betrachten.<br />

84


II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />

• (geladene) nicht-leptonische Zerfälle, z.B. b → cūd mit<br />

O = G F<br />

√<br />

2<br />

( ¯ψd γ α (1 − γ 5 )ψ u<br />

) ( ¯ψc γ α (1 − γ 5 )ψ b<br />

)<br />

V cb V ∗ ud ,<br />

(II.65)<br />

mit entsprechenden CKM-Faktoren für beide Quark-Ströme.<br />

Im Folgende wollen wir anhand des Beispiels b → cūd im Detail die Frage klären, wie man<br />

eine Theorie mit effektiven Wechselwirkungsoperatoren höherer Dimension (dim> 4)<br />

renormiert, obwohl ja – gemäß unserer allgemeinen Diskussion – der oberflächliche Divergenzgrad<br />

der Feynman-Diagramme dann in solch einer Theorie mit steigender Ordnung<br />

in der Störungstheorie ansteigt. Verknüpft damit ist die Frage, welche relevante<br />

Skala für die laufende starke Kopplung α s (µ) zu wählen ist, wenn wir es mit mehreren,<br />

hierarchisch geordneten externen Skalen zu tun haben,<br />

m W ≫ m b > m c ≫ Λ QCD ≫ m u ∼ m d .<br />

Wir werden sehen, dass die Renormierungsgruppe es uns gerade ermöglicht, die Effekte<br />

der verschiedenen Skalen systematisch voneinander zu trennen (→ Faktorisierung in der<br />

effektiven Theorie).<br />

II.5.1 Strahlungskorrekturen zu schwachen Zerfällen<br />

Zur Beschreibung der schwachen Zerfälle von Quarks mit m q ≪ m W haben wir zunächst<br />

zwei alternative Zugänge:<br />

• Zum Einen können wir SM-Feynmandiagramme in der renormierten Störungstheorie<br />

für die SM-Eichgruppe SU(3) C × SU(2) L × U(1) Y analysieren.<br />

• Zun Anderen können wir Diagramme in der Niederenergie-Approximation basierend<br />

auf der renormierten Störungstheorie für die Eichgruppe SU(3) C × U(1) Q mit den<br />

zusätzlichen lokalen Wechselwirkungsoperatoren in ∆H int betrachten.<br />

Dabei sind zwei Situationen zu unterscheiden:<br />

(a) Effekte virtuellen Teilchen, die große Impulse tragen, |q µ | ∼ m W<br />

(b) Effekte virtueller Teilchen, die kleine Impulse tragen, |q µ | ≪ m W<br />

Die SM-Sichtweise beinhaltet offensichtlich sowohl (a) als auch (b), während die effektive<br />

Theorie nur den Fall (b) diagrammatisch reproduziert. Die Beiträge der hoch-virtuellen<br />

Quantenfluktuationen (a) sind im Rahmen des Renormierungsprogramms als Korrekturterme<br />

für die Wilson-Koeffizienten der Operatoren in der effektiven Theorie (bzw.<br />

OPE) zu berücksichtigen.<br />

(i) Im Sinne der obigen Unterscheidung “triviale” Korrekturen kommen von Schleifendiagrammen,<br />

7 bei denen der W-Boson-Propagator selbst nicht von einem Schleifenimpuls<br />

abhängt, das sind gerade die Selbstenergiediagramme und Vertexkorrekturen zu<br />

– preliminary –<br />

7 Ähnliches gilt für reelle Abstrahlung von den externen Fermionlinien<br />

85


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

den einzelnen schwachen Strömen, die bereits in der renormierten Störungstheorie für<br />

die SM-Eichgruppe durch entsprechende Z-Faktoren berüchsichtigt werden. Der Impuls,<br />

der vom W-Boson übertragen wird, ist dabei wieder allein durch die externe<br />

Kinematik bestimmt, und kann somit wieder direkt durch die effektive punktförmige<br />

Wechselwirkung ersetzt werden. Die Renormierung dieser Beiträge führt dann lediglich<br />

auf die bereits bekannte Verwendung von laufenden Kopplungen g(µ) etc. Insbesondere<br />

für semi-leptonische Zerfälle gibt es nur diese Klasse von Korrekturen, wenn wir uns<br />

auf QCD-Korrekturen beschränken, da die hadronischen und leptonischen Ströme dann<br />

nicht untereinander wechselwirken und unabhängig voneinander renormiert werden.<br />

(ii) Die nicht-trivalen Korrekturen kommen von Diagrammen wie dem Folgenden,<br />

bei denen der W-Boson–Propagator Teil der Schleife ist. Für Schleifenimpulse |q µ | ≪<br />

m W kann man den W-Boson-Propagator wieder durch −1/m 2 W nähern, und erhält das<br />

entsprechende Schleifendiagramm in der effektiven Theorie. Für große Schleifenimpulse<br />

gilt die Näherung nicht, und der entsprechende Beitrag wird zunächst nicht in der effektiven<br />

Theorie reproduziert. 8 Da dies per Konstruktion aber gerade kurzreichweitigen<br />

Quantenfluktuationen entspricht, können wir diese Effekte explizit in der Störungstheorie<br />

berechnen und die effektive Theorie entsprechend korrigieren. Das Ergebnis dieser<br />

Korrektur können wir wieder durch einen lokalen Operator beschreiben, der folgende<br />

Form hat (siehe Übung)<br />

(¯c L T a γ µ b L )( ¯d L T a γ µ u L ) α s<br />

[SM-Integral − ET-Integral]<br />

4π (II.67)<br />

– preliminary –<br />

• Aufgrund der QCD-Wechselwirkung zwischen verschiedenen Quarkströmen hat<br />

sich nun eine neue Farbstruktur ergeben (Oktett×Oktett).<br />

8 Der Unterschied ergibt sich aus der Tatsache, dass schematisch für die entsprechende Schleifenintegrale<br />

gilt, dass<br />

∫<br />

d D 1<br />

q f(q) ≠ −1 ∫ (<br />

d D q 1 + q2<br />

q 2 − m 2 W<br />

m 2 W<br />

m 2 W<br />

+ . . .<br />

)<br />

f(q) .<br />

(II.66)<br />

wobei die Funktion f(q) alle Terme außer des W-Propagators zusammenfasst. Die linke Seite (SM)<br />

generiert dabei i.A. eine nicht-analytische Abhängigkeit von m W , z.B. in der Form ln m 2 W /m 2 b. Die<br />

rechte Seite dagegen hat in beliebiger (endlicher) Ordnung der 1/m 2 W -Entwicklung nur analytische<br />

Abhängigkeiten von m W in der Form von inversen Potenzen. Andererseits haben beide Ausdrücke für<br />

das Integral die gleichen nicht-analytischen Abhängigkeiten von den IR-Parametern (externe Massen<br />

und Impulse). Die in den Matching-Koeffizienten absorbierte Differenz der beiden Ausdrücke ergibt<br />

sich somit i.A. als Funktion von ln µ 2 /m 2 W und α s(µ), mit einer Matchingskala µ, die durch ein<br />

geeignetes Regularisierungsverfahren definiert werden muss, s.u.<br />

86


II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />

• Die Quarkfelder im Korrekturterm bleiben linkshändig, da die Differenz von SM<br />

und ET, wie oben erläutert, nur von hoch-energetischen Gluonen herrührt, für<br />

die |q µ | m W ≫ m q . D.h. die Quarkmassen können hier vernächlässigt werden<br />

und somit bleibt die Chiralität der Quarks (aus der ursprünglichen linkshändigen<br />

schwachen Wechselwirkung im SM) erhalten.<br />

Somit müssen wir für den Fall von nicht-leptonischen Zerfällen wie b → cdū die Operatorbasis<br />

erweitern. Eine übliche Konvention, die historisch begründet ist, definiert die<br />

Operatoren 9<br />

O 1 = 4G F<br />

√ V cb Vud ∗ (¯c i Lγ µ b j<br />

2<br />

L ) ( ¯d j L γµ u i L) ,<br />

O 2 = 4G F<br />

√ V cb Vud ∗ (¯c i Lγ µ b i L) ( ¯d j<br />

2<br />

L γµ u j L ) ,<br />

(II.68)<br />

wobei wir die Fierz-Identitäten für die SU(3)-Farbmatrizen ausgenutzt haben (siehe<br />

Übung). Die kurzreichweitigen Korrekturterme absorbieren wir wieder in Wilson-Koeffizienten<br />

für diese Operatoren, so dass<br />

C 1 = 0 + O(α s ) , C 2 = 1 + O(α s ) . (II.69)<br />

Das Prinzip dieser “Matching”-Rechnung ist in folgendem Diagramm noch einmal illustriert:<br />

volle Theorie (SM) = IR-Region (M W → ∞) + UV-Region (m b,c → 0)<br />

I(α s ;<br />

m b<br />

M w<br />

, mc<br />

≃ +<br />

m b<br />

) ≃ 〈O〉 loop (α s ; m b<br />

↕<br />

µ , mc<br />

1-Schleifen Matrixelement des<br />

Operators O in Eff. Th.<br />

• unabhängig von M W<br />

(bis auf G F )<br />

• UV-divergent<br />

→ Regulator µ<br />

m b<br />

) + C ′ (α s ;<br />

– preliminary –<br />

µ<br />

m W<br />

) × 〈O ′ 〉 tree<br />

↕<br />

1-Schleifenkoeffizient für<br />

neuen Operator O ′ in ET<br />

• unabhängig von m b,c<br />

• IR-divergent<br />

→ Regulator µ<br />

Die Trennung der IR- und UV-Beiträge im SM-Integral kann dabei besonders einfach<br />

realisiert werden, wenn man dimensionale Regularisierung verwendet und dann – wie<br />

angegeben – den Integranden entsprechend entwickelt (m q , p q → 0 für die Matching-<br />

Koeffizienten; m W → ∞ für die Diagramme in der ET), vergleiche mit Übung. Die<br />

9 Wir werden später die Faktoren 4G F √<br />

2<br />

V cb V ∗ ud explizit in die Definition von ∆H int absorbieren.<br />

87


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Matching-Koeffizienten ergeben sich dabei aus der Differenz der Diagramme im SM und<br />

in der effektiven Theorie im Grenzfall, dass alle externen Quarkmassen und Impulse<br />

vernachlässigt (bzw. zur führenden Ordnung Taylor-entwickelt) werden. Das Feynman-<br />

Integral für die Diagramme der effektiven Theorie ist in diesem Limes aber skalenlos<br />

(da die W -Masse nur als globaler Faktor G F auftaucht) und verschwindet somit<br />

(genauer gesagt ist das Integral proportional zu 1/ɛ UV − 1/ɛ IR ). Damit müssen wir in<br />

der Tat nur den Limes m q , p q → 0 der SM-Diagramme betrachten. Damit hängen die<br />

Matching-Koeffizienten nur noch von den UV-Parametern der Theorie (hier m W ) und<br />

der Matchingskala µ ab und sind somit Funktionen von α s (µ) und ln m 2 W /µ2 (und damit<br />

einfacher zu berechnen, als die Diagramme der vollen SM-Theorie). Die Abhängigkeit<br />

von der Matchingskala kommt dann gerade daher, dass die Vernachlässigung der externen<br />

Massen und Impulse zu neuen IR-Divergenzen führt, die in D = 4 − 2ɛ Dimensionen<br />

für ɛ < 0 regularisiert werden. 10 Die UV-Divergenzen in dem SM-Diagrammen werden<br />

dagegen bereits durch die renormierte Störungstheorie der vollen Theorie berücksichtigt.<br />

Für unser konkretes Beispiel erhält man so aus der Summe der relevanten Feynman-<br />

Diagramme nach MS-Renormierung folgende Ausdrücke:<br />

C 2 (µ) = 1 + α (<br />

s(µ)<br />

4π<br />

C 1 (µ) = 0 − 3 α (<br />

s(µ)<br />

4π<br />

µ 2 − 11<br />

)<br />

+ O(α 2<br />

6<br />

s) ,<br />

µ 2 − 11<br />

)<br />

+ O(α 2<br />

6<br />

s) , (II.70)<br />

ln m2 W<br />

ln m2 W<br />

wobei sich der relative Faktor (−3) aus der Fierz-Identität für die Farbalgebra ergibt.<br />

Die Störungsreihe für die Matchingrechnung konvergiert demnach gut, wenn wir die<br />

Matchingskala von der Ordnung m W wählen, so dass keine großen Logarithmen auftreten<br />

und α s (m W ) ≪ 1.<br />

Umgekehrt erhalten die Diagramme in der ET (jetzt mit endlichen IR-Parametern ausgerechnet)<br />

zusätzliche UV-Divergenzen, da ja der genäherte W -Propagator 1/(q 2 −<br />

m 2 W ) → −1/m2 W große Werte von |qµ | nicht mehr unterdrückt und somit den oberflächlichen<br />

Divergenzgrad der Diagramme im Vergleich zum SM erhöht. 11 Somit müssen<br />

wir gemäß unserer allgemeinen Diskussion neue Z-Faktoren für die Operatoren in ∆H int<br />

einführen, die die UV-Divergenzen in den Matrixlementen 〈O i 〉 kompensieren. Da die Operatoren<br />

O 1 und O 2 unter Strahlungskorrekturen mischen, ergeben sich die Z-Faktoren<br />

dann als Matrix, so dass<br />

〈O i 〉 ren (µ) = Z ij 〈O j 〉 mit Z ij = δ ij + δZ ij . (II.71)<br />

– preliminary –<br />

Die UV-Divergenzen von 〈O i 〉 sind dabei mit den IR-Divergenzen der C i korreliert,<br />

und entsprechend müssen sich die µ-Abhängigkeiten zwischen den renormierten Wilson-<br />

Koeffizienten und den renormierten Operatoren in physikalischen Amplituden gerade<br />

10 Diese IR-Divergenzen kompensieren gerade den 1/ɛ IR Anteil der skalenlosen Integrale in der ET. Dort<br />

bleibt dann eine UV-Divergenz übrig, die wir als neuen Z-Faktor für den entsprechenden Operator<br />

in der ET interpretieren werden.<br />

11 Dies entspricht gerade dem 1/ɛ UV -Anteil der oben diskutierten skalenlosen Integrale - vgl. Übung.<br />

88


II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />

aufheben, 12 so dass<br />

〈SM〉 ≃ C 1 (µ) 〈O 1 〉(µ) + C 2 (µ) 〈O 2 〉(µ) = µ-unabhängig<br />

(II.73)<br />

II.5.1.1 Z-Faktoren und anomale Dimensionen<br />

Aus der obigen Diskussion folgt, dass wir für die Berechnung der Z-Faktoren der Operatoren<br />

O 1 und O 2 im MS-Schema lediglich die UV-divergenten Terme der entsprechenden<br />

Schleifendiagramme in der effektiven Theorie benötigen, so dass<br />

O 2 | ren. = O (0)<br />

2 + δZ 21 O (0)<br />

1 + δZ 22 O (0)<br />

2 (II.74)<br />

und entsprechend für O 1 . Aufgrund der Symmetrie des Problems gilt dabei<br />

δZ 11 = δZ 22 und δZ 12 = δZ 21 (II.75)<br />

Wir suchen die Matrix der anomalen Dimensionen gemäß<br />

d<br />

d ln µ 〈O i〉(µ) ≡ −γ ij 〈O j 〉(µ) ,<br />

(II.76)<br />

wobei γ ij wieder als Störungsreihe in α s (µ) zu entwickeln ist. In 1-Schleifen-Näherung<br />

gilt dabei (analog zu z.B. der Berechnung des führenden Term in der β-Funktion)<br />

γ ij ≃<br />

d (<br />

−δZ ij) .<br />

d ln µ<br />

(II.77)<br />

Insbesondere benötigen wir also zur Berechnung von γ ij nur das UV-Verhalten der effektiven<br />

Theorie. D.h. die γ ij sind unabhängig von den IR-Beiträgen zu den Operatormatrixelementen,<br />

die z.B. sensitiv auf nicht-perturbative Hadronisierungseffekte sind. Zum<br />

anderen ist γ ij aber auch unabhängig von der exakten Form der zugrunde liegenden<br />

Hochenergietheorie (in unserem Fall dem SM). Letzteres heisst insbesondere, dass das<br />

Verfahren der effektiven Theorie auch funktioniert, wenn wir die “volle Theorie” nicht<br />

kennen (“bottom-up”-Zugang, z.B. für neue <strong>Physik</strong> jenseits des SM). Wir gehen dann<br />

i.A. so vor, dass wir die für die Niederenergietheorie relevanten Teilchenfreiheitsgrade<br />

identifizieren (hier: leichte Quarks, Gluonen, Leptonen, Photonen) und alle Operatoren<br />

12 Eine triviale Illustration liefert folgendes Integral in einer “vollen Theorie” mit hierarchischen Skalen<br />

p 2 ≪ M 2 ∫ M<br />

2<br />

– preliminary –<br />

dk 2<br />

k<br />

p 2<br />

2<br />

} {{ }<br />

=<br />

∫ M<br />

2<br />

dk 2<br />

k<br />

µ 2<br />

2<br />

} {{ }<br />

ln M 2<br />

= ln M 2<br />

p 2<br />

+<br />

∫ µ<br />

2<br />

dk 2<br />

k<br />

p 2 2<br />

} {{ }<br />

+ ln µ2<br />

µ 2 p 2<br />

“großer Log” Beitrag zu C(µ) Beitrag zu 〈O〉(µ)<br />

Matching + IR-Regulator ET + UV-Regulator (II.72)<br />

89


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

zu einer gegebenen Massendimension (hier: 6), die aufgrund von empirischen oder postulierten<br />

Symmetrien erlaubt sind (hier z.B. Linkshändigkeit der Ströme) aufschreiben.<br />

Wir erhalten dann einen effektiven Wechselwirkungs-Hamiltonian der Form<br />

H eff = ∑ i<br />

∑<br />

– preliminary –<br />

n<br />

C (n)<br />

i (µ) 1<br />

Λ n O(n) i . (II.78)<br />

Die dimensionsbehaftete Skala Λ (hier: Λ 2 ∼ G −1<br />

F<br />

∼ m2 W ) bestimmt hierbei den Gültigkeitsbereich<br />

der effektiven Theorie. Letzteres kann man einsehen, wenn wir Diagramme mit<br />

mehrerern Einsetzungen der Operatoren O i betrachten:<br />

• Die Koeffizienten liefern jeweils einen Faktor 1/Λ n1 · 1/Λ n2 · · ·<br />

• Die Matrixelemente können aber nur mit den Massen und Impulsen der leichten<br />

Freiheitsgrade skalieren.<br />

• D.h. so lange m i , p i ≪ Λ können wir Terme mit höheren Potenzen von 1/Λ vernachlässigen<br />

und brauchen nur eine endliche Anzahl von Z-Faktoren für eine endliche<br />

Anzahl von Operatoren zu einer gegebenen Massendimension.<br />

In diesem Sinne sind effektive Theorien mit höher-dimensionalen Operatoren weiterhin<br />

renormierbar (obwohl der oberflächliche Divergenzgrad der Diagramme ansteigt, aber<br />

eben nur für solche Diagramme, die in der Niederenergietheorie unterdrückt sind).<br />

II.5.1.2 Lösung der RG-Gleichung für die Wilson-Koeffizienten<br />

Wegen<br />

folgt mit unserer Konvention<br />

d ∑<br />

C i (µ) 〈O i 〉(µ) = ! 0<br />

d ln µ<br />

i<br />

(II.79)<br />

d<br />

d ln µ C j(µ) = C i (µ) γ ij (α s (µ)) oder ⃗ C(µ) = ˆγ T (α s (µ)) ⃗ C(µ) . (II.80)<br />

Für gegebene Matrix ˆγ kann man das RG-Verhalten der Wilson-Koeffizienten dann<br />

wieder durch Lösen der DGL bestimmen. Mit der üblichen Variablensubstitution schreiben<br />

wir<br />

d<br />

⃗ ˆγ T (α s )<br />

C = C<br />

dα s 2β(α s ) ⃗ .<br />

(II.81)<br />

Um die Gleichung formal zu lösen, müssen wir beachten, dass bei der Störungsentwicklung<br />

von Matrizen<br />

ˆγ = ˆγ 0<br />

α s<br />

4π + ˆγ 1<br />

( ) 2 αs<br />

+ . . . (II.82)<br />

4π<br />

90


II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />

die Koeffizientenmatrizen i.A. nicht kommutieren. Gleiches gilt somit auch für Matrizen<br />

bei unterschiedlichem Argument α s ,<br />

[ˆγ(α 1 ), ˆγ(α 2 )] ≠ 0 .<br />

(II.83)<br />

Formal lässt sich das analog zum Problem des Zeitentwicklungsoperators lösen, wobei<br />

jetzt α s die Rolle der Zeit in der Operator- bzw. Matrizen-DGL übernimmt. Wenn wir<br />

also einen Ordnungsoperator bzgl. α s definieren, gemäß,<br />

{<br />

T αs ˆf(α1 ) · ˆf(α<br />

ˆf(α1 ) ·<br />

k ) =<br />

ˆf(α k ) für α 1 > . . . > α k<br />

(II.84)<br />

ansonsten entsprechend permutiert<br />

Ergibt sich<br />

⃗C(µ) = T αs<br />

[ ∫ αs(µ)<br />

exp dα ′ ˆγ T (α ′ ]<br />

s)<br />

s<br />

⃗C(µ<br />

α s(µ 0 ) 2β(α s) ′ 0 )<br />

(II.85)<br />

In der Praxis lösen wir die DGL iterativ (siehe Übung). Zur führenden Ordnung stellt sich<br />

das Problem der Matrixordnung nicht, und wir erhalten das Ergebnis für die Leading-<br />

Log-Approximation in der üblichen Form (für z.B. µ = m b und µ 0 = m W )<br />

( αs (m b )<br />

⃗C(m b ) ≃<br />

α s (m W )<br />

) −ˆγT 0<br />

2β 0 ⃗C(mW ) , (II.86)<br />

wobei das Exponential einer Matrix wie üblich in deren Eigenbasis definiert ist.<br />

Was haben wir gewonnen?<br />

• Die Koeffizieten C i (m W ) lassen sich als Störungsreihe in α s (m W ) aus der Matching-<br />

Rechnung bestimmen.<br />

• Die mit obiger Formel berechneten Koeffizienten C i (m b ) berücksichtigen die aufsummierte<br />

Reihe der führenden Logarithmen ln m b /m W .<br />

• An der neuen Skala µ ∼ m b hängen die Operatormatrixelemente nur noch von der<br />

Dynamik bei Skalen unterhalb von m b ab.<br />

Somit enthält das so bestimmte Ergebnis die dominanten nicht-analytischen Effekte in<br />

der W-Boson-Masse.<br />

In unserem Beispiel mit O 1 und O 2 für b → cdū ergibt sich (vgl. mit µ-Abhängigkeit von<br />

C i aus Matching-Rechnung)<br />

ˆγ ≃ α ( )<br />

s −2 6<br />

(II.87)<br />

4π 6 −2<br />

– preliminary –<br />

Als Eigenwerte/-vektoren ergibt sich einfach<br />

C ± = 1 √<br />

2<br />

(C 1 ± C 2 ) , γ ± = +4, −8 , (II.88)<br />

91


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

so dass<br />

Numerisch ergibt sich<br />

( ) αs (m b ) −4<br />

C + (m b ) ≃<br />

2β 0 C + (m W ) ,<br />

α s (m W )<br />

( ) αs (m b ) 8<br />

C − (m b ) ≃<br />

2β 0 C + (m W ) . (II.89)<br />

α s (m W )<br />

C 2 (m b ) ≃ 1.026 (LL)<br />

C 1 (m b ) ≃ −0.514 (LL)<br />

≃ −0.303 (NLL) .<br />

– preliminary –<br />

(II.90)<br />

Insbesondere sehen wir, dass die Strahlungskorrekturen und die Resummation essentiell<br />

für die genaue Bestimmung des Wilson-Koeffizienten C 1 (m b ) sind (naiv war ja C 1 Null).<br />

II.5.1.3 Zur Notation L(eading)L(og) vs. N(ext-to)L(eading)L(og):<br />

Die störungstheoretische Konstruktion der Wilson-Koeffizienten beinhaltet zwei Faktoren,<br />

den Wilson-Koeffizienten aus der Matching-Rechnung C(m W ) und den RG-Faktor<br />

U(m b , m W ) aus der Lösung der DGL,<br />

mit der allgemeinen Form<br />

C(m b ) = U(m b , m W ) C(m W ) ,<br />

U(m b , m W ) = 1 + ∑ a n αs n (m W ) ln n + ∑ b n αs n+1 (m W ) ln n m b<br />

+ . . .<br />

m<br />

n=1<br />

W m<br />

n=0<br />

W<br />

und<br />

m b<br />

C(m W ) = c 0 + c 1 α s (m W ) + c 2 α s (m W ) 2 + . . .<br />

Die LL-Approximation summiert alle Terme der Form αs n ln n auf, d.h.<br />

(<br />

c 0 1 + ∑ a n αs n (m W ) ln n m )<br />

b<br />

m<br />

n=1<br />

W<br />

(II.91)<br />

(II.92)<br />

(II.93)<br />

Die NLL-Approximation summiert (zusätzlich) alle Terme der Form α n+1 ln n auf, d.h.<br />

und<br />

∑<br />

c 0 b n αs n+1 (m W ) ln n m b<br />

n=0<br />

m W<br />

(<br />

c 1 α s 1 + ∑ a n αs n (m W ) ln n m )<br />

b<br />

.<br />

m<br />

n=1<br />

W<br />

D.h. die endlichen Terme αs 11<br />

4π 6 in der Matching-Rechnung für die C i(m W ) zählen erst<br />

zur NLL-Approximation mit.<br />

s<br />

92


II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />

II.5.2 Anwendung auf hadronischen Zerfall ¯B0 → D + π −<br />

Der Quark-Übergang b → cdū induziert entsprechende hadronische Zerfälle. Als Beispiel<br />

betrachten wir hier den nicht-leptonischen 2-Körper-Zerfall eines B-Mesons im Kanal<br />

¯B 0 → D + π − . Wir veranschaulichen den Zerfall durch Illustration der sog. “Flavour-<br />

Topologien”, welchen den Fluss der entsprechenden Flavour-Quantenzahlen angeben<br />

(dies sind zunächst keine Feynman-Diagramme im Sinne der QFT).<br />

Der hadronische Zerfall wird dann durch die Amplitude<br />

〈D + π − |H eff | ¯B 0 〉 ∼ ∑<br />

i=1,2<br />

C i (m b ) 〈D + π − |O i | ¯B 0 〉 µ=mb<br />

(II.94)<br />

} {{ }<br />

beschrieben, wobei die hadronischen Übergangsmatrixelement der effektiven Operatoren<br />

noch beliebige Quark- und Gluonfluktuationen mit Virtualitäten m 2 b (bzw. auf Abständen<br />

1/m b ) beinhalten.<br />

Ein Teil dieser Fluktuationen “faktorisiert” in dem Sinne, dass Gluonen jeweils nur<br />

zwischen den Konstituenten im Pion oder zwischen den Konstituenten im ¯B 0 → D + –<br />

Übergang ausgetauscht werden, aber nicht überkreuz.<br />

– preliminary –<br />

93


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Beschränken wir uns auf solche Beiträge können wir die benötigten Operatormatrixelemente<br />

vereinfachen (→ “naive Faktorisierung”), z.B. für O 2 (vgl. Übung)<br />

〈D + π − |(¯c L γ µ b L )( ¯d L γ µ u L )| ¯B 0 〉 ≃ 〈D + |(¯c L γ µ b L )| ¯B 0 〉<br />

} {{ }<br />

× 〈π − |( ¯d L γ µ u L )|0〉<br />

} {{ }<br />

hadr. Übergangsformfaktor × Zerfallskonstante<br />

– preliminary –<br />

(II.95)<br />

Hierbei sind die beiden Faktoren, in die sich das Matrixelement zerlegen lässt, universell:<br />

Der Übergangsformfaktor F B→D (q 2 ) bestimmt auch den semi-leptonischen Zerfall B →<br />

Dlν. Die Pion-Zerfallskonstante f π hatten wir bereits in den Zerfällen π + → µ + ν µ und<br />

π 0 → γγ als relevanten hadronischen Parameter identifiziert.<br />

Zusätzlich gibt es aber auch nicht-faktorisierende Beiträge, die von Gluonaustausch zwischen<br />

den Konstituenten im Pion und im B → D–Übergang herrühren.<br />

(i) Ein Beispiel ist in folgendem Diagramm illustriert<br />

. . . etc.<br />

Hierbei fungiert das ¯d-Antiquark als “Spektator” und nimmt nicht an der (explizit<br />

betrachteten) Wechselwirkung teil. Diese Beiträge beinhalten also gerade<br />

den Niederenergie-Anteil jener Feynman-Diagramme, deren Hochenergie-Anteil in<br />

den Wilson-Koeffizienten absorbiert wurde. Entsprechend erwarten wir, dass die<br />

µ-Abhängigkeit der Wilson-Koeffizienten von der µ-Abhängigkeit der nicht-faktorisierend<br />

en Beiträge zu 〈Dπ|O i |B〉 kompensiert wird (während in naiver Faktorisierung<br />

die hadronischen Größen F B→D und f π ja skalen-unabhängige Observable<br />

sind).<br />

(ii) Eine zweite Klasse von Diagrammen betrachtet Korrelationen durch Gluonaustausch<br />

zwischen dem Spektator-Quark im B → D–Übergang und den Konstituenten<br />

im Pion.<br />

• In beiden Fällen sind implizit zusätzlich lang-reichweitige Wechselwirkungen angenommen,<br />

die nicht durch perturbativen Gluon-Austausch approximiert werden<br />

können und u.a. für die hadronische Bindung verantwortlich sind.<br />

94


II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />

Es stellt sich die Frage, was wir qualitativ oder quantitativ über die Größe der nichtfaktorisierenden<br />

Beiträge aussagen können. Dazu stellen wir fest, dass für die in dem<br />

betrachteten Zerfall beteiligten Massen,<br />

m B ≈ 5.3 GeV , m D ≈ 1.9 GeV , m π ≈ 0 ,<br />

die Energie des Pions (im Ruhesystem des zerfallenden B-Mesons) deutlich größer als<br />

die QCD-Skala ist,<br />

E π ≃ m2 B − m2 D<br />

≫ Λ QCD . (II.96)<br />

2m B<br />

<strong>Physik</strong>alisch heisst das, dass Gluonen, die vom b → c–Übergang abgestrahlt werden,<br />

die Konstituenten des Pions effektiv als kleinen Farbdipol sehen, mit ∆x ∼ 1/E π .<br />

Das entspricht Gluonen mit entsprechend kurzen Wellenlängen, deren Wechselwirkung<br />

somit durch α s (E π ) störungstheoretisch beschreibbar sein sollte (mit diesen Überlegungen<br />

macht unsere diagrammatische Illustration oben dann auch Sinn).<br />

Wir können dann die Propagatoren in dem partonischen Sub-Diagramm explizit ausrechnen,<br />

wenn wir die Impulse der beteiligten Quarks entsprechend der kinematischen<br />

Überlegungen approximieren. Dazu schreiben wir<br />

p µ B ≡ m B v µ mit v 2 = 1 ,<br />

p µ D ≡ m D v ′µ mit v ′2 = 1 ,<br />

E π ≃ |⃗p π | mit p 2 π = m 2 π ≃ 0 , (II.97)<br />

und berücksichtigen, dass die Schwerpunktsbewegung eines schweren B- oder D-Mesons<br />

in erster Näherung durch das beteiligte schwere Quark gegeben ist und sich die Konstituenten<br />

in einem geboosteten Pion weitgehend parallel zum Pion bewegen und sich<br />

den Impuls entsprechend aufteilen. Somit<br />

p µ b ≃ m b v µ , p µ c ≃ m c v ′µ ,<br />

p µ d ≃ x pµ π , p µ ū ≃ (1 − x) p µ π mit 0 ≤ x ≤ 1 . (II.98)<br />

Bezeichnet man in obigem Diagramm den Gluon-Impuls mit l µ , so lauten die beiden<br />

beteiligten Propagatornenner<br />

((1 − x)p π + l) 2 und (m c v ′ + l) 2 .<br />

– preliminary –<br />

• Die zur Klasse (i) von nicht-faktorisierenden Diagrammen gehörenden Schleifenintegrale<br />

sind somit allgemein Funktionen der kinematischen Variablen<br />

m 2 c, m 2 b, v · p π , v ′ · p π ≫ Λ QCD<br />

und somit in der Tat durch Skalen der Größenordnung E π dominiert.<br />

95


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

• Als neues Feature erhalten wir jetzt aber auch eine Abhängigkeit vom angenommenen<br />

Impulsbruchteil x der Quark-Konstituenten im Pion. D.h. zusätzlich zu unserem<br />

perturbativen Resultat bei gegebenem x benötigen wir die entsprechende<br />

Wahrscheinlichkeitsamplitude φ π (x) einen Quark-Antiquark–Zustand mit Impulsaufteilung<br />

x im Pion zu finden. Die Funktion φ π (x) wird offensichtlich durch<br />

nicht-perturbative <strong>Physik</strong> bestimmt, die die hadronische Bindung der Quarks im<br />

Pion beschreibt. Als solches repräsentiert φ π (x) aber wieder eine universelle Eigenschaft<br />

des Pions (in gleichem Sinne wie f π ), die auch in anderen Prozessen mit<br />

schnellen Pionen relevant ist.<br />

Somit lässt sich die naive Faktorisierungsformel verbessern 13<br />

〈D + π − |O i | ¯B 0 〉 ≃ F B→D (q 2 = m 2 π)<br />

mit<br />

∫ 1<br />

0<br />

– preliminary –<br />

∫ 1<br />

0<br />

dx φ π (x; µ) ≡ 1 .<br />

dx t i (x, m c , m b ; µ)<br />

} {{ } · f π φ π (x; µ)<br />

} {{ }<br />

(II.99)<br />

• Hierbei bezeichnet t i den kurzreichweitigen Anteil, der sich aus der perturbativen<br />

Amplitude des partonischen Diagramms mit dem entsprechenden Operator O 1,2<br />

ergibt. Wir können dies als Verallgemeinerung von Wilson-Koeffizienten auffassen,<br />

wobei wir es jetzt mit perturbativen Koeffizientenfunktionen t i (x) zu tun haben.<br />

• Entsprechend lässt sich φ π (x) als Matrixelemente eines kontinuierlichen Satzes von<br />

Niederenergie-Operatoren (bei gegebenem x) interpretieren. Anstelle der Summe<br />

über diskrete Operatoren mit Koeffizienten erhält man dann wie angegeben ein<br />

(Konvolutions-)Integral über x. Die Operatoren haben i.A. wieder anomale Dimensionen,<br />

die die µ-Abhängigkeit der Funktion φ π (x; µ) bestimmen.<br />

• Auf tree-level, sind die Koeffizientenfunktionen t i unabhängig von x, und mit der<br />

angegebenen Normierungsvorschrift für φ π (x) reproduziert man die naive Faktorisierungsformel.<br />

• Zusammen mit den Wilson-Koeffizienten C 1,2 (µ) aus H eff erhält man dann ein Resultat<br />

für die physikalische hadronische Amplitude, was (in der gegebenen Ordnung<br />

Störungstheorie) nicht mehr von µ abhängt.<br />

Auf diese Weise haben wir die relevanten physikalischen Skalen voneinander getrennt:<br />

• Die Effekte von der kurzreichweitigen Dynamik mit der relevanten elektroschwachen<br />

Skala m W sind in den Wilson-Koeffizienten C i .<br />

• Die Effekte von intermediären Skalen E π ∼ m b ∼ m c sind in den Koeffizientenfunktionen<br />

t i .<br />

13 gemäß [Beneke/Buchalla/Neubert/Sachrajda 1999/2000]<br />

96


II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />

• Die langreichweitigen hadronischen Effekte sind in den (universellen) Formfaktoren,<br />

Zerfallskonstanten und Distributionsamplituden φ π (x) parametrisiert.<br />

• Die Trennung der dynamischen Skalen wird durch die RG-Gleichungen für die<br />

einzelnen Faktoren störungstheoretisch kontrolliert.<br />

Obige Faktorisierungsformel (für (exklusive) hadronische Zerfallskanäle) erhält aber noch<br />

weitere Korrekturen von den oben erwähnten Diagrammen der Klasse (ii), bei denen das<br />

Spektatorquark involviert ist, sowie einer weiteren Flavour-Topologie (“Annihilation”),<br />

Da in diesen Fällen (mindestens) alle 6 Konstituenten beteiligt sind (im Gegensatz zu den<br />

4 Konstituenten im Fall (i)), sind die Beiträge dieser Diagramme tatsächlich mit 1/E π<br />

unterdrückt. Die quantitative theoretische Abschätzung dieser Beiträge (sog. “power<br />

corrections”) ist aber extrem schwierig. Aus der detaillierten Analyse der experimentellen<br />

Messungen für verschiedene B → Dπ Zerfälle ergibt sich, dass die power corrections in<br />

exklusiven B-Zerfällen typischerweise von der Größenordnung 30-35% sein können.<br />

II.5.3 “Pinguin”-Operatoren<br />

Der bisher betrachtete Flavour-Übergang b → cdū war speziell, in der Hinsicht, dass alle<br />

beteiligten Quarkflavours unterschiedlich gewählt waren. Komplexere Situationen sind<br />

möglich, wenn ein q¯q-Paar mit gleichem Flavour beteiligt ist. Als Beispiele betrachten<br />

wir im Folgenden<br />

b → suū und b → sc¯c .<br />

(Analog kann man b → dq¯q diskutieren.) Aus den schwachen SM-Strömen erhalten wir<br />

wieder effektive Operatoren mit der Struktur<br />

4G<br />

√ F<br />

V ub Vus ∗ (ū L γ µ b L )(¯s L γ µ u L ) −→ λ u O (u)<br />

2<br />

– preliminary –<br />

2 ,<br />

4G<br />

√ F<br />

V cb Vcs ∗ (¯c L γ µ b L )(¯s L γ µ c L ) −→ λ c O (c)<br />

2 , (II.100)<br />

2<br />

wobei wir die Abkürzung λ x = V xb Vxs ∗ eingeführt haben. QCD-Korrekturen erzeugen<br />

auch wieder entsprechende Operatoren O (u,c)<br />

1 mit entgegengesetzter Farbstruktur.<br />

Da die starke Wechselwirkung aber nicht zwischen<br />

¯qq = ūu, ¯dd, ¯ss, ¯cs, ¯bb<br />

97


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

oder zwischen<br />

¯qT A q = ūT A u, ¯dT A d, ¯sT A s, ¯cT A s, ¯bT A b und G A µν<br />

unterscheiden kann, müssen wir alle Operatoren mit den gleichen Quantenzahlen wie b →<br />

sq¯q und b → sg simultan betrachten. Unter Berücksichtigung von QCD-Wechselwirkungen<br />

können solche Prozesse aber nicht nur durch W -Bosonaustausch zwischen elementaren<br />

schwachen Strömen wie in O (u,c)<br />

2 induziert werden, sondern auch durch sog. “Pinguin-<br />

Diagramme”<br />

wobei virtuelle u, c, t-Quarks in einer Schleife mit dem W-Boson laufen und ein virtuelles<br />

Gluon abstrahlen, welches demokratisch in q¯q zerfallen kann. Die Matching-Rechnung für<br />

den entsprechenden effektiven Hamiltonian liefert dann 2 Klassen von neuen Operatoren:<br />

“strong penguins” O 3−6<br />

“chromomagnetic penguin” O g 8<br />

Die Operatorstruktur der Pinguin-Operatoren kann folgendermaßen gewählt werden:<br />

O 3,5 ∝ (¯s L γ µ b L )<br />

– preliminary –<br />

O 4,6 ∝ (¯s i Lγ µ b j L )<br />

∑<br />

q=u,d,s,c,b<br />

∑<br />

q=u,d,s,c,b<br />

(¯qγ µ 1 ∓ γ 5<br />

q) ,<br />

2<br />

(¯q j γ µ 1 ∓ γ 5<br />

q i ) ,<br />

2<br />

(II.101)<br />

wobei die entsprechenden Wilson-Koeffizienten C 3,5 gegenüber C 1,2 mit α s (und einem<br />

typischen Schleifenfaktor von 1/(4π) 2 ) unterdrückt sind, und C 4,6 wieder erst durch<br />

zusätzlichen gluonischen Farbaustausch entstehen.<br />

98


II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

Die Form des chromomagnetischen Operators ist durch Eich- und Lorentz-Invarianz<br />

festgelegt,<br />

O g 8 ∝ g sm b<br />

4π 2 (¯s Lσ µν T A b R ) G A µν . (II.102)<br />

Hierbei fällt auf, dass aufgrund der notwendigen Lorentz-Struktur ein rechtsändiges b-<br />

Quark-Feld auftaucht, weswegen ein zusätzlicher Faktor m b berücksichtigt werden muss,<br />

welcher den Chiralitäts-Flip des b-Quarks reflektiert (ein entsprechender Operator mit<br />

rechtshändigen s-Quark ist dann mit m s /m b ≪ 1 unterdrückt und wird üblicherweise<br />

vernachlässigt). Zusammen mit der Massendimension der 2 Fermionfelder und dem gluonischen<br />

Feldstärketensor ergibt sich dann wieder ein effektiver dim-6 Operator, mit der<br />

gleichen Dimension wie die 4-Quark-Operatoren.<br />

Der CKM-Faktor für die Pinguin-Operatoren ergibt sich aus folgender Überlegung. Das<br />

Schleifenintegral mit q = u, c, t-Quarks in den Pinguin-Diagrammen ist eine Funktion<br />

I(x q = m q /m W ). Die Summe über die 3 Beiträge ergibt mit m u,c ≡ 0 in der Matching-<br />

Rechnung,<br />

∑<br />

V qb Vqs ∗ I(x q ) = λ t I(x t ) + (λ u + λ c ) I(0) = λ t (I(x t ) − I(0)) , (II.103)<br />

q=u,c,t<br />

wobei wir λ u + λ c + λ t = 0 aus der <strong>Uni</strong>tarität der CKM-Matrix benutzt haben.<br />

• Der gesuchte CKM-Faktor ist also λ t .<br />

• Die Wilson-Koeffizienten, die durch die Integrale I(x t ) − I(0) definiert werden,<br />

sind direkt sensitiv auf die Top-Quark–Masse (oder, im Falle von neuer <strong>Physik</strong><br />

im elektroschwachen Sektor, auf Massen von hypothetischen neuen Teilchen). Insbesondere,<br />

konnte man durch das Studium von solchen Top-Quark-induzierten<br />

hadronischen Übergängen bereits Abschätzungen von m t vor dessen direkter Entdeckung<br />

am Tevatron gewinnen.<br />

Zusammengefasst ergibt sich dann für den relevanten effektiven Hamiltonian als Summe<br />

über alle beitragenden Operatoren mit dim-6 der Ausdruck<br />

H eff (b → sq¯q, b → sg) = 4G 2∑ (<br />

F<br />

√ C i (µ) λ u O (u)<br />

2<br />

i + λ c O (c) )<br />

i<br />

i=1<br />

− 4G ( 6∑<br />

)<br />

F<br />

√ λ t C i (µ, x t ) O i + C 8 (µ, x t ) O g 8 . (II.104)<br />

2<br />

i=3<br />

Unter Renormierung können die Operatoren wieder mischen, und die Lösung der RG-<br />

Gleichung beinhaltet eine entsprechend große Matrix von anomalen Dimensionen.<br />

– preliminary –<br />

II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

Als weiteres wichtiges Anwendungsgebiet der störungstheoretischen Behandlung von<br />

kurzreichweitiger QCD-Dynamik in Hochenergieprozessen betrachten wir die sog. tief-<br />

99


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

inelastische Streuung von hochenergetischen Elektronen an Protonen, wobei ein beliebiger<br />

(d.h. “inklusiver”) hadronischer Endzustand |X〉 ̸= |p〉 erzeugt wird. Wir beschränken<br />

uns zunächst auf Streuung durch Austausch eines virtuellen Photons (der<br />

Zugang ist direkt verallgemeinerbar auf den Austausch elektroschwacher Eichbosonen,<br />

der bei Energien m W,Z relevant wird).<br />

Für die Beschreibung der Kinematik ist folgende Notation üblich:<br />

Elektron: k µ bzw. k ′µ , mit k 2 = k ′2 ≃ 0 ,<br />

Photon: q µ = k µ − k ′µ , mit Q 2 = −q 2 > 0 ,<br />

Proton: p µ , mit p 2 = m 2 ≪ Q 2 . (II.105)<br />

Weiterhin definieren wir die Abkürzungen<br />

ν ≡ p · q → m (E − E ′ ) ,<br />

Q2<br />

(Energieübertrag im Ruhesystem des Protons)<br />

x ≡<br />

2 p · q , “Bjorken-Variable”<br />

y ≡ p · q<br />

p · k → 1 − E′<br />

E .<br />

Bjorken limit: Q 2 , p · q → ∞ ,<br />

Mit dieser Notation können wir allgemein die Streuamplitude angeben:<br />

iM(ep → eX) = −ie ū(k ′ )γ α u(k) · −i<br />

q 2 ie 〈X|j α|p〉<br />

mit dem hadronischen Anteil des elektromagnetischen Stroms,<br />

j α = ∑ q<br />

e q ¯qγ α q .<br />

x = const.<br />

(II.106)<br />

(II.107)<br />

(II.108)<br />

– preliminary –<br />

Daraus erhalten wir wie üblich den differentiellen Wirkungsquerschnitt (Amplitudenquadrat<br />

gemittelt über die Spineinstellungen, Flussfaktor, Phasenraum)<br />

dσ = 1 4s e2 tr<br />

(k/ ′ γ α k/γ β) 4πe 2<br />

Q 4 W αβ(p, q) ˜dk ′ (II.109)<br />

100


II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

wobei wir die hadronischen Anteile in den sog. “hadronischen Tensor”<br />

W αβ ≡ 1<br />

4π<br />

∑ ∫ (2π) 4 δ (4) (p + q − p X ) 〈p|j † β |X〉〈X|j α|p〉<br />

(II.110)<br />

definiert haben, welcher die Phasenraumintegration für die (beliebigen) Endzustände |X〉<br />

enthält, und bei dem im hadronischen Matrixelement implizit über die Spineinstellungen<br />

des Protons zu mitteln ist. Den Flussfaktor s = (p + k) 2 = Q 2 /xy und die Spur für den<br />

leptonischen Tensor,<br />

(<br />

L αβ = e 2 tr k/ ′ γ α k/γ β) ( = 4e 2 k α k ′β + k β k ′α − k · k ′ g αβ) , (II.111)<br />

können wir explizit ausrechnen. Die Form des hadronischen Tensors, welcher die zunächst<br />

unbekannte Information über die Hadronisierung der “Bruchteile” des Protons zum<br />

Endzustand enthält, kónnen wir analog zu z.B. den elektromagnetischen Formfaktoren<br />

wieder durch Symmetriebetrachtungen einschränken (Lorentz-Invarianz, Symmetrie bzg.<br />

α ↔ β, Stromerhaltung q α W αβ = 0, Paritätserhaltung in der QED). Daraus ergibt sich<br />

folgende Zerlegung, 14<br />

[<br />

W αβ (p, q) = −g αβ + q ]<br />

αq β<br />

q 2 F 1 (x, Q 2 )<br />

[<br />

+ p α − p · q ] [<br />

p β − p · q<br />

q 2<br />

q α<br />

q 2<br />

– preliminary –<br />

q β<br />

]<br />

1<br />

p · q F 2(x, Q 2 ) .<br />

(II.112)<br />

Sämtliche hadronische Information steckt somit in 2 unabhängigen<br />

“Proton-Strukturfunktionen” F 1,2 (x, Q 2 ) ,<br />

die wir als Verallgemeinerung des Konzepts von Formfaktoren auffassen können, wobei<br />

allerdings jetzt<br />

• F 1,2 von zwei kinematischen Variablen, x, Q 2 , abhängen.<br />

• Die Strukturfunktionen nun den Streuquerschnitt (Wahrscheinlichkeit) parametrisieren,<br />

und nicht die Streuamplitude (Wahrscheinlichkeitsamplitude) wie im Falle der<br />

Formfaktoren.<br />

Mit diesen Konventionen lässt sich das allgemeine Resultat für den differentiellen Streuquerschnitt<br />

als Funktion von x, Q 2 relativ einfach notieren,<br />

[<br />

dσ<br />

(<br />

dx dQ 2 = 4πα2<br />

Q 4 1 + (1 − y) 2) F 1 + 1 − y<br />

]<br />

x (F 2 − xF 1 ) , (II.113)<br />

wobei der letzte Term in eckigen Klammern gerade dem longitudinalen Anteil des Photon-<br />

Propagators entspricht (siehe Übung). Aus der experimentellen Messung von dσ (z.B.<br />

am SLAC (Stanford) oder bei HERA@DESY (Hamburg)) lassen sich somit die Strukturfunktionen<br />

als Observable ausmessen.<br />

14 Im Falle der schwachen WW ergibt sich eine weitere Struktur, siehe Übung.<br />

101


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

II.6.1 Partonbild<br />

Für die theoretische Interpretation können wir die Tatsache benutzen, dass das Elektron<br />

für große Streuenergien ein Lorentz-kontrahiertes Proton “sieht” und somit quasi<br />

einen “Schnappschuss” der Quarkverteilung im Proton. Während der kurzen Wechselwirkungszeit<br />

des Elektrons mit dem Proton erwarten wir deshalb, dass wir den Streuprozess<br />

durch elementare Photon-Wechselwirkungen mit einem der asymptotisch quasifreien<br />

Quarks (allg. → “Partonen”) approximieren können, wobei die Wahrscheinlichkeit,<br />

ein Quark mit einem bestimmten Impuls(bruchteil) im Proton zu finden, zunächst unbekannt<br />

ist. Wir schreiben deshalb in erster Näherung<br />

W αβ (p, q) ≃ ∑ q<br />

∫ 1<br />

– preliminary –<br />

0<br />

dξ f q (ξ) 1 ξ W part.<br />

αβ<br />

(ξp, q) , (II.114)<br />

wobei f q (ξ) dξ die Wahrscheinlichkeit bezeichnet, ein Quark mit (longitudinalem) Impulsbruchteil<br />

ξ im Proton zu finden, mit 0 ≤ ξ ≤ 1. Der Faktor 1/ξ berücksichtigt den<br />

Unterschied des Flussfaktors für ep und eq-Streuung, wegen ŝ = (ξp + k) 2 ≃ ξ s. Den<br />

verbleibenden partonischen Tensor für eq-Streuung können wir versuchen, perturbativ<br />

zu berechnen. Das führende Diagramm für Elektron-Quark-Streuung (mit einlaufendem<br />

Quarkimpuls ξp und auslaufendem Impuls p ′ = ξp + q, sowie dem Ladungsanteil e q )<br />

ergibt dann<br />

W part<br />

αβ<br />

= 1 ∫<br />

4π<br />

˜dp ′ (2π) 4 δ (4) (ξp + q − p ′ ) e 2 1 ∑ [<br />

] [ū(ξp)γ<br />

q ū(p ′ )γ β u(ξp)<br />

α u(p ′ ) ]<br />

2N c<br />

(II.115)<br />

Betrachten wir die On-shell–Bedingung δ(p ′2 ) in ˜dp ′ für das auslaufende Quark, ergibt<br />

sich insbesondere, dass<br />

δ(p 2 ) = δ((ξp + q) 2 ) = δ(2ξ p · q − Q 2 ) = 1 δ(ξ − x) , (II.116)<br />

2 p · q<br />

d.h. in führender Ordnung der Störungstheorie entspricht der Impulsanteil ξ des Quarks<br />

im (theoretischen) Partonbild gerade der (experimentellen) kinematischen Variablen x !<br />

Die restlichen Faktoren lassen sich explizit zusammen fassen, und wir erhalten als Näherung<br />

für den differentiellen Wirkungsquerschnitt<br />

dσ<br />

dx dQ 2 ≃ 4πα2 ∑<br />

Q 4 e 2 q f q (ξ = x) 1 2<br />

q<br />

(<br />

1 + (1 − y) 2) . (II.117)<br />

Vergleich mit der allgemeinen Formel liefert dann die Näherung für die Strukturfunktionen<br />

im Partonbild<br />

F 2 (x, Q 2 ) ≃ 2xF 1 (x, Q 2 ) ≃ ∑ q<br />

e 2 q x f q (x) .<br />

(II.118)<br />

102


II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

Diskussion:<br />

• Die Strukturfunktionen sind (approx.) unabhängig von Q 2 . Dies rührt zum einen<br />

daher, dass wir m 2 /Q 2 → 0 approximiert haben, zum anderen, dass wir die Streuung<br />

an punktförmigen, strukturlosen freien Quarks betrachtet haben. Somit steht<br />

(klassisch) keine Referenzskala für die dimensionslosen Strukturfunktionen zur<br />

Verfügung. Diesen Sachverhalt bezeichnet man als<br />

“Bjorken-Scaling”<br />

• F 1 und F 2 sind (approximativ) linear abhängig<br />

“Callan-Gross–Relation”<br />

Die Relation besagt gerade, dass die longitudinalen Photon-Polarisationen in eq-<br />

Streuung nicht beitragen, was eine Konsequenz der Streuung an masselosen Spin-<br />

1/2 Fermionen ist. Die experimentelle Überprüfung der Callan-Gross-Relation liefert<br />

also einen Hinweis auf den Spin von Quarks im Proton.<br />

• Die Strukturfunktion F 2 (x) liefert ein direktes Maß für die Impulsverteilung x f q (x)<br />

der Quarks im Proton.<br />

• Die Näherung für F 1,2 (x) ist experimentell über viele Größenordnungen von Q 2<br />

im Rahmen der erwarteten Genauigkeit erfüllt. Abweichungen werden allerdings<br />

beobachtet. In der perturbative QCD erwarten wir Abweichungen, die wieder über<br />

das logarithmische Laufen der starken Kopplung α s (Q 2 ) ins Spiel kommen,<br />

F 1,2 (x) → F 1,2 (x, α s (Q 2 ))<br />

• Ein detailliertes Bild der einzelnen Quarkflavours im Proton kann über Kombination<br />

mit Daten für tief-inelastische Streuung mit W/Z-Bosonen, an Neutronen<br />

(in Kernen) oder mit polarisierten Teilchen gewonnen werden. Die Ergebnisse numerischer<br />

Fits an die Daten findet man u.a. unter<br />

http://durpdg.dur.ac.uk/HEPDATA/PDF<br />

Man beachte, dass in der relativistischen Beschreibung des Protons die Teilchenzahl<br />

nicht erhalten ist. Somit können die (hier zunächst heuristisch eingeführten) Partonverteilungsfunktionen<br />

(“parton distribution functions”, PDFs) im Rahmen der QCD<br />

unabhängig für Quarks, Antiquarks (für jeweils verschiedene Flavours, q = u, d, s, . . .)<br />

und auch Gluonen im Proton definiert werden. Diese erfüllen jedoch gewisse “Summenregeln”,<br />

welche z.T. das naive (nicht-relativistische) Konstituentenbild des Protons<br />

widerspiegeln.<br />

– preliminary –<br />

• Die (Gesamt)-Ladung des Protons ist Eins. Deshalb gilt<br />

∫<br />

dξ<br />

∑<br />

∫<br />

e i f i (ξ) = dξ ∑ e q (f q (ξ) − f¯q (ξ))<br />

i=q,q ′ q } {{ } = 1 (II.119)<br />

wobei wir die Kombination von (f q (ξ) − f¯q (ξ)) als “Valenzquarkverteilung”<br />

bezeichnen.<br />

103


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

• Die Integrale über die Valenzverteilungen der einzelnen Flavours ergeben gerade<br />

die Zahl der Valenzquarks im naiven Konstituentenmodell,<br />

⎧<br />

∫<br />

⎪⎨ 2 für q = u<br />

dξ (f q (ξ) − f¯q (ξ)) = 1 für q = d<br />

(II.120)<br />

⎪⎩ 0 für q = s, c, . . .<br />

und deren Summe ergibt entsprechend 3 (entspricht der Erhaltung der Baryonzahl).<br />

• Den (normierten) Gesamtimpuls des Protons erhalten wir aus<br />

⎛<br />

⎞<br />

∫<br />

1 = dξ ξ ⎝ ∑<br />

f i (ξ) + f g (ξ) ⎠<br />

– preliminary –<br />

i=q,¯q<br />

(II.121)<br />

Vergleich mit dem Experiment zeigt, dass tatsächlich ca. 50% des Protonimpuls in<br />

tief-inelastischen Streuprozessen von Gluonen beigetragen werden !<br />

II.6.2 Operatordefinition der Partonverteilungsfunktionen<br />

Für die formale Diskussion der PDFs benötigen wir eine Operatordefinition, die wir im<br />

Folgenden aus der Definition des hadronischen Tensors ableiten werden, indem wir die<br />

physikalischen Approximationen, die zum Partonbild geführt hatten, in feldtheoretische<br />

Aussagen übersetzen. Ausgangspunkt ist die Definition<br />

W αβ (p, q) = 1 ∫<br />

d 4 z e i(q+p−p ∑<br />

∫<br />

X)·z<br />

〈p|j † β<br />

4π<br />

(0)|X〉〈X|j α(0)|p〉 ∣ (II.122)<br />

spin−avg.<br />

X<br />

wobei wir die δ-Funktion für die Impulserhaltung als Fourierintegral dargestellt haben.<br />

Durch Ausnutzen der Translationsinvarianz der hadronischen Matrixelemente können<br />

wir die Wirkung von e i(p−pX) z als Translation in z für z.B. das ersten Matrixelement<br />

interpretieren, und somit<br />

W αβ (p, q) = 1 ∫ ∑<br />

∫ d 4 z e i q·z 〈p|j † β<br />

4π<br />

(z)|X〉〈X|j α(0)|p〉 ∣ (II.123)<br />

spin−avg.<br />

X<br />

Wenn wir jetzt berüchsichtigen, dass |X > ja einem vollständigen Satz von (möglichen)<br />

Endzuständen darstellt, ergibt sich eine Form, die ähnlich aussieht, wie wir es bereits<br />

bei der Diskussion für die OPE mittels des optischen Theorems für das R-ratio gesehen<br />

hatten,<br />

W αβ (p, q) = 1 ∫<br />

d 4 z e i q·z 〈p|j † β<br />

4π<br />

(z)j α(0)|p〉 ∣ (II.124)<br />

spin−avg.<br />

Die Streuung am Quark im Partonbild, entspricht dann gerade dem Imaginärteil von<br />

folgendem sogenannten “Handbag”-Diagramm 15<br />

15 Um das optische Theorem zu erfüllen, müssten wir formal das zeitgeordnete Produkt der beiden Ströme<br />

betrachten. Da wir uns an dieser Stelle aber sowieso auf eine Zeitordnung für Quarkpropagation von<br />

0 nach z beschränken, macht das keinen Unterschied.<br />

104


II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

Für<br />

√<br />

die Berechnung des Diagramms vernachlässigen wir wieder die Protonmasse gegenüber<br />

Q 2 und führen sog. Lichtkegelvektoren ein gemäß<br />

so dass<br />

p µ = p (1, 0, 0, 1) , p 2 = 0 ,<br />

n µ ≡ 1<br />

2p (1, 0, 0, −1) , n2 = 0 , (II.125)<br />

n · p = 1 .<br />

Wir betrachten dann ein Bezugsystem, in dem n · q ≡ 0, so dass wir den Impulsübertrag<br />

schreiben können als<br />

mit<br />

q µ ≡ p · q n µ + q µ ⊥ , q2 = q 2 ⊥ < 0 (II.126)<br />

a ⊥ · n = a ⊥ · p = 0 ,<br />

(II.127)<br />

so dass a ⊥ einen 2-dimensionalen, raumartigen Vektor beschreibt.<br />

Die Streuung am freien Quark entspricht dann gerade der folgenden Faktorisierung des<br />

hadronischen Tensors W αβ ,<br />

W αβ → 1 ∫<br />

d 4 z e i q·z ∑ 4π<br />

q<br />

e 2 q 〈p|¯q(z) a i q(0) b j|p〉 spin<br />

× γkjγ α β il 〈0|q(z)a l ¯q k(0)|0〉<br />

b } {{ } . (II.128)<br />

Der letzte Term repräsentiert gerade den Imaginärteil des Quarkpropagators im Handbag-<br />

Diagramm, mit dem bekannten Ergebnis<br />

∫<br />

〈0|q(z) a l ¯q k(0)|0〉 b =<br />

˜dp ′ e −ip′·z δ ab (/p ′ ) lk .<br />

(II.129)<br />

– preliminary –<br />

Für die weitere Diskussion ist es nützlich, auch den anderen Faktor als Fourierintegral<br />

zu schreiben,<br />

∫<br />

〈p|¯q(z) a i q(0) b j|p〉 spin ≡<br />

d 4 k<br />

(2π) 4 eikz B ab<br />

ji (p, k) (für jedes Quark q) (II.130)<br />

105


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Damit können wir die z-Integration explizit ausführen und erhalten<br />

W αβ (p, q) = 1 ∫<br />

4π<br />

d 4 k<br />

(2π) 4 [γ α (/k + /q)γ β] ij (2π) δ((q + k)2 ) ∑ q<br />

e 2 q B aa<br />

ji (p, k) .<br />

(II.131)<br />

Wir können auf den Beitrag zur Strukturfunktion F 2 projizieren, indem wir<br />

F 2 (x, Q 2 ) = (p · q) n µ n ν W µν (p, q)<br />

(II.132)<br />

benutzen (siehe Übung). Weiterhin zerlegen wir den Fourierimpuls k µ in Lichtkegelkomponenten,<br />

k µ ≡ ξ p µ + k2 + |k⊥ 2 | n µ + k µ ⊥<br />

2ξ<br />

Hierbei ist der erste Term groß, weil |p µ | groß und ξ endlich. Die beiden anderen<br />

Terme sind klein, so lange die transversalen Impulskomponenten sowie die Virtualität k 2<br />

beschränkt sind, was durch die Funktionen B(p, k) gewährleistet sein muss (und unserem<br />

Bild von kollinearen Partonen im schnellen Proton entspricht). Somit können wir das<br />

Argument der on-shell δ-Funktion wieder approximieren,<br />

δ((q + k) 2 ) ≈ δ(2ξ p · q − Q 2 ) = 1 δ(ξ − x) mit ξ = n · k (II.133)<br />

2 p · q<br />

Damit vereinfacht sich auch der Ausdrück für die Strukturfunktion weiter,<br />

F 2 (x, Q 2 ) = ∑ q<br />

= ∑ q<br />

!<br />

= ∑ q<br />

∫<br />

e 2 1<br />

q<br />

4<br />

∫<br />

e 2 1<br />

q<br />

4<br />

e 2 q x f q (x)<br />

d 4 k<br />

[<br />

]<br />

(2π) 4 δ(n · k − x) /n (/k + /q) /n<br />

ij Baa<br />

ji (p, k)<br />

d 4 k<br />

(2π) 4 δ(n · k − x)2 n · k tr [/n Baa (p, k)]<br />

(II.134)<br />

Durch Vergleich finden wir so den gewünschten Zusammenhang zwischen der Partonverteilungsfunktion<br />

und dem Operatormatrixelement B(p, k),<br />

f q (x) = 1 ∫<br />

d 4 k<br />

2 (2π) 4 δ(x − n · k) tr[/n Baa (p, k)]<br />

= 1 ∫<br />

d 4 k<br />

2 (2π) 4 d4 z e −ikz δ(x − n · k) 〈p|¯q(z) /n q(0)|p〉 spin<br />

∫ dλ<br />

=<br />

4π e−iλx 〈p|¯q(z) /n q(0)|p〉 spin ,<br />

– preliminary –<br />

(II.135)<br />

wobei wir im letzten Schritt δ(x − nk) = ∫ dλ<br />

2π e−iλ(x−nk) verwendet haben und die dann<br />

verbleibenden trivialen Integrationen explizit ausgeführt haben.<br />

Interpretation:<br />

106


II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

• f q (x) ergibt sich also als Fourier-Transformierte des Protonmatrixelements eines<br />

nicht-lokalen Operators. Genauer gesagt sind die beiden Quarkfelder entlang des<br />

Lichtkegels separiert, der durch unseren Lichtkegelvektor n µ definiert wird.<br />

Wir können dies als eine Erweiterung des OPE-Konzepts ansehen, wobei wir jetzt<br />

also das Produkt der elektromagnetischen Ströme auf dem Lichtkegel entwickeln,<br />

j † (z)j(0) −→ O i (λn)<br />

(Lichtkegel-OPE)<br />

Begründung für die Anwendbarkeit der Lichtkegel-OPE war dabei, dass die transversalen<br />

Impulse und die Virtualitäten der Partonen im Proton klein gegenüber Q 2<br />

sind, die Impulskomponente n · k = ξ aber von der Ordnung 1 ist.<br />

• Wie im Fall der lokalen OPE erwarten wir wieder, dass die nicht-triviale Renormierung<br />

der Lichtkegel-Operatoren eine Skalen-Abhängigkeit induziert, so dass<br />

f q (ξ) → f(ξ, µ 2 ) mit µ 2 ∼ Q 2<br />

Für hinreichend große Werte von Q 2 sollte die Skalenabhängigkeit perturbativ<br />

berechenbar sein.<br />

• Abgesehen davon sind die so definierten Partonverteilungsfunktionen universelle<br />

hadronische Funktionen, die die Struktur des Protons (in einem gegebenen Renormierungsschema)<br />

charakterisieren.<br />

Wir können insbesondere die Wahrscheinlichkeitsinterpretation der so definierten Funktion<br />

f q (ξ) nachprüfen. Es gilt mit der Def. von n µ<br />

¯q(λn) /n q(0) = 1 [<br />

]<br />

2p 0 ¯q(λn)γ 0 q(0) + ¯q(λn)γ 3 q(0) = 1 [<br />

]<br />

p 0 ¯q(λn)γ 0 q(0) , (II.136)<br />

wobei aufgrund der Dirac-Gleichung, 0 = /p q = p 0 (γ 0 − γ 3 ) q, so dass die Ausdrücke mit<br />

γ 0 und γ 3 gleich beitragen. Damit erhalten wir<br />

∫<br />

dξ f q (ξ) = 1 1<br />

〈p|¯q(0)γ 0 q(0)|p〉 = 1<br />

√<br />

2 p 0 2p 0 〈p|¯q† (0)q(0)|p〉<br />

(II.137)<br />

welches gerade den Anzahloperator für (freie) Quarks enthält, sowie die korrekte relativistische<br />

Normierung des Protonmatrixelements mit 1/2p 0 .<br />

II.6.3 Strahlungskorrekturen zum Partonbild<br />

– preliminary –<br />

In der Herleitung des Partonbilds für die tief-inelastische Streuung hatten wir implizit<br />

eine Faktorisierung der Dynamik in einen partonischen Subprozess (“harte Streuung”<br />

des Partons am Elektron, eq → eq) und eine (nicht-perturbative) Partonverteilung im<br />

Proton (“weiche” Dynamik) angenommen. Wenn wir den WQ als Imaginärteil der Vorwärtsstreuamplitude<br />

betrachten, entspricht das gerade dem oberen bzw. unteren Teil des<br />

Handbag-Diagramms,<br />

107


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

↑ harte (partonische) Streuung<br />

↓ (nicht-perturbative) Partonverteilungsfunktion<br />

Wenn wir jetzt zusätzliche (reelle und virtuelle) Gluonabstrahlung berücksichtigen, stellt<br />

sich offensichtlich wieder die Frage, ob wir die dadurch beschriebenen Quantenfluktuationen<br />

dem partonischen Streuprozess oder den Partonverteilungen zuordnen.<br />

Qualtitative Diskussion:<br />

Betrachten wir z.B. das folgende Diagramm für reelle Gluonabstrahlung vom einlaufenden<br />

Quark,<br />

Dies kann zum Einen als Teil des partonischen Subprozess eq → eq+g aufgefasst werden,<br />

siehe Fall (a) in nachfolgender Abbildung (in der Abb. entspricht x → ξ und x B → x).<br />

Andererseits kann es als Modifikation der ursprünglichen Quarkverteilung aufgefasst<br />

werden (Fall (b)).<br />

Offensichtlich brauchen wir als Kriterium wieder eine Referenzskala, die festlegt, ob die<br />

Virtualität der intermediären Propagatoren (hier l 2 = (ξp − p 2 ) 2 ) als groß (hart) oder<br />

klein (weich) aufgefasst werden soll.<br />

– preliminary –<br />

• Für (ξp−p 2 ) 2 > µ 2 absorbieren wir die Korrektur dann in Koeffizientenfunktionen<br />

für die harte Streuung. Da das zusätzliche reelle Gluon einen positiven Impulsbruchteil<br />

trägt, gilt für diese Beiträge nicht mehr ξ = x, sondern vielmehr die<br />

Ungleichung<br />

0 ≤ x ≤ ξ ≤ 1 .<br />

108


II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

• Für (ξp−p 2 ) 2 < µ 2 berücksichtigen wir die Korrektur durch die Renormierung der<br />

Operatormatrixelemente auf dem Lichtkegel 〈p|¯q(λn)/nq(0)|p〉.<br />

Für die Struktur der korrigierten Faktorisierungsformel, die den Zusammenhang zwischen<br />

der Strukturfunktion und den Partonverteilungsfunktionen (für ein gegebenes Quark<br />

mit Flavour q) beschreibt, erwarten wir deshalb die folgende Form. Ausgehend von der<br />

LO-Formel (naives Partonbild)<br />

LO: F 2 (x, Q 2 ) LO = x e 2 q f q<br />

(0) (x) = x e 2 q<br />

erhalten wir zur Ordnung α s<br />

NLO:<br />

= x e 2 q<br />

F 2 (x, Q 2 ) LO = x e 2 q<br />

∫ 1<br />

0<br />

+ α s<br />

2π<br />

{<br />

αs<br />

dξ<br />

(1<br />

ξ δ − x ξ<br />

2π<br />

∫ 1<br />

x<br />

∫ 1<br />

∫ 1<br />

0<br />

)<br />

dξ δ(ξ − x) f (0) (ξ)<br />

f q (ξ) ,<br />

( )<br />

dξ x<br />

x ξ δC(1) ξ , Q2<br />

µ 2 f q<br />

(0) (ξ)<br />

dξ<br />

(1<br />

ξ δ − x ) ( )}<br />

δf q<br />

(1) µ<br />

ξ,<br />

ξ<br />

Λ QCD<br />

– preliminary –<br />

q<br />

(II.138)<br />

(II.139)<br />

Bei der perturbativen Berechnung der Korrektur zu den Koeffizientenfunktionen δC (1)<br />

(für die angenommene Lichtkegelkinematik) sollten wieder IR-Divergenzen auftreten, die<br />

gerade mit den UV-Divergenzen bei der Renormierung des Lichtkegeloperators (aus der<br />

Korrektur zur PDF, δf q ) korrespondieren, so dass die induzierte µ-Abhängigkeit in der<br />

Summe der beiden Beiträge herausfällt.<br />

Wenn wir das allgemein zusammenfassen, lautet die verbesserte Faktorisierungsformel<br />

also<br />

F 2 (x, Q 2 ) = x ∑ q<br />

Hierbei ist zu betonen, dass<br />

e 2 q<br />

∫ 1<br />

• die Strukturfunktion nicht von µ abhängt;<br />

x<br />

( )<br />

)<br />

dξ x<br />

ξ C ξ , Q2 µ<br />

µ 2 f q<br />

(ξ, + . . . (II.140)<br />

Λ QCD<br />

• die Koeffizientenfunktionen nur von den dimensionslosen Verhältnissen x/ξ und<br />

Q 2 /µ 2 (und implizit von α s (µ)) abhängen;<br />

• die Partonverteilungsfunktionen nicht von Q 2 (aber implizit von Λ QCD ) abhängen.<br />

Man beachte, dass in führender Ordnung<br />

( )<br />

x<br />

C<br />

ξ , Q2<br />

µ 2 = δ(1 − x/ξ) + O(α s ) (II.141)<br />

bereits eine mathematische Distribution darstellt. Wir erwarten deshalb auch für die<br />

Korrekturterme mathematische Distributionen in der Variablen z = x/ξ.<br />

109


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Wir erwarten weiterhin, dass die Störungsreihe für die Koeffizientenfunktionen mit der<br />

Wahl µ ∼ Q gut konvergiert (keine großen Logarithmen ln Q2<br />

). Wie im Falle der<br />

µ 2<br />

lokalen OPE erlaubt uns die Faktorisierungsformel somit wieder, eine RG-Gleichung<br />

aufzustellen, die große Logarithmen der Form ln Q2<br />

resummiert, so dass wir die theoretischen<br />

Vorhersagen für F 2 (x, Q 2 ) bei verschiedenen Impulsüberträgen vergleichen kön-<br />

Q 2 0<br />

nen. Damit sollten sich logarithmische Korrekturen zum Bjorken-Scaling ergeben,<br />

die störungstheoretisch berechenbar sind.<br />

II.6.3.1 Explizite Berechnung der Korrekturen<br />

Zur Berechnung der gluonischen Korrekturen ist es günstig, ein ganz bestimmte physikalische<br />

Eichung für die Gluonfelder zu wählen. Wir definieren eine axiale Eichung bzgl. des<br />

Lichtkegelvektors n µ , so dass<br />

n µ A µ !<br />

= 0 , (II.142)<br />

und die Polarisationssumme im Gluonpropagator lautet dann entsprechend<br />

∑<br />

ɛ ∗ µ(k, λ)ɛ ν (k, λ) = −g µν + k µn ν + k ν n µ<br />

. (II.143)<br />

n · k<br />

λ<br />

Die spezielle Rolle dieser Eichung wird klar, wenn wir uns noch einmal den Operator<br />

betrachten, der die Quark-PDF in LO definiert: Da der Ausdruck ¯q(λn)/nq(0) nicht-lokal<br />

ist, ist er auch nicht eichinvariant unter lokalen Phasentransformationen der Quarkfelder<br />

in der SU(3) C . Eine eichinvariante Definition erhält man, wenn man (siehe Übung) eine<br />

Wilsonlinie U P einfügt, die die Punkte (λ, n) und 0 verbindet,<br />

mit<br />

¯q(λn)/nq(0) −→ ¯q(λn)/n W (λn, 0) q(0)<br />

[ ∫ ]<br />

λ<br />

W (nλ, 0) = P exp ig s ds n · A(sn) , (II.144)<br />

wobei P die Farbmatrizen A(sn) = A A (s, n)T A im Integranden entlang des Pfades ds<br />

ordnet (“Pfadordnung” analog zur Zeitordnung im Zeitentwicklungsoperator). In der<br />

obigen Eichung ergibt die Wilsonlinie gerade Eins, und die Interpretation (sowie die<br />

Rechnung) der gluonischen Korrekturen wird relativ einfach.<br />

Die Diagramme zur Ordnung α s lassen sich in 4 Klassen einteilen. Dafür betrachten wir<br />

die Korrekturen zur Vorwärtstreuamplitude ep → ep:<br />

– preliminary –<br />

(1) Reelle Gluonabstrahlung vom einlaufenden Quark. Imaginärteil entspricht Beitrag<br />

zu eq → eq + g.<br />

(2) Vertexkorrektur am Quark-Photon-Vertex. Imaginärteil entspricht zwei verschiedenen<br />

Möglichkeiten, das Diagramm in reelle Zwischenzustände zu “schneiden”: (a)<br />

Beitrag zu eq → eq + g von der Interferenz der Gluonabstrahlung vom Quark im<br />

Anfangs- bzw. Endzustand; (b) virtuelle Korrektur zu eq → eq.<br />

0<br />

110


II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

(3) Selbstenergiekorrektur zur internen Quarklinie. Hier gibt es drei Möglichkeiten,<br />

das Diagramm zu schneiden: (a) Beitrag zu eq → eq + g von Gluonabstrahlung im<br />

Endzustand; (b,c) virtuelle Selbstenergiekorrektur zum Quark im Endzustand.<br />

(4) Selbstenergiekorrektur zum Quark im Anfangszustand.<br />

Wir beginnen mit dem Diagramm (1) und betrachten den Beitrag zur Strukturfunktion<br />

F 2 = p · q n µ n ν W µν<br />

Aus den elementaren Feynman-Regeln für das oben bereits skizzierte Diagramm für die<br />

Gluonabstrahlung vom einlaufenden Quark erhalten wir für die partonische Amplitude<br />

ig s e q ū(q + ξp − k)γ µ i<br />

ξ/p − /k γρ T A u(ξp) · ɛ ρ (k, λ) ,<br />

(II.145)<br />

wobei wir den Impuls des Gluons k µ und den dazugehörigen Polarisationsvektor ɛ ρ (k, λ)<br />

eingeführt haben. Quadrieren der Amplitude und Mittelung/Summation über die Spinund<br />

Farbfreiheitsgrade ergibt<br />

|M| 2 µν = 1<br />

( )<br />

e 2 q gs 2 tr[T A T A 1 2 (<br />

]<br />

2N C (ξp − k) 2 −g ρσ + k )<br />

ρn σ + k σ n ρ<br />

n · k<br />

[<br />

]<br />

× tr γ ν (/q + ξ/p − k)γ µ (ξ/p − /k)γ ρ ξ/p γ σ (ξ/p − /k) . (II.146)<br />

Wir zerlegen den Gluonimpuls wieder in Lichtkegelkoordinaten und schreiben<br />

k µ ≡ ξ(1 − ξ ′ ) p µ |k⊥ 2 +<br />

|<br />

2ξ(1 − ξ ′ ) nµ + k µ ⊥<br />

mit k⊥ 2 < 0, k2 = 0 und 0 ≤ ξ ′ ≤ 1.<br />

Entsprechend gilt dann für den Quarkimpuls nach der Gluonabstrahlung<br />

(II.147)<br />

(ξp − k) µ ≡ ξξ ′ p µ |k⊥ 2 −<br />

|<br />

2ξ(1 − ξ ′ ) nµ − k µ ⊥ . (II.148)<br />

Nach Ausführen der Spuren nimmt die für F 2 relevante Projektion dann eine relative<br />

einfache Form an,<br />

n µ n ν |M| 2 µν = e2 q gs 2 8ξ ′ (1 + ξ ′2 )<br />

C F<br />

|k ⊥ | 2 ξ 2 . (II.149)<br />

– preliminary –<br />

Wir sehen an dieser Stelle schon, dass der Ausdruck für kleine Transversalimpulse des<br />

Gluons, k⊥<br />

2 → 0, divergiert, was unserer Erwartung gemäß der obigen allgemeinen<br />

Diskussion entspricht.<br />

Für die Berechnung des partonischen Wirkungsquerschnitts benötigen wir weiterhin den<br />

Phasenraum für den q + g Endzustand,<br />

˜dp ′ ˜dk (2π) 4 δ (4) (ξp + q − k − p ′ ) = ˜dk 2π θ(k 0 − ξp 0 − q 0 ) δ((q + ξp − k) 2 ) . (II.150)<br />

111


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Das Integrationsmaß für den Gluonimpuls schreiben wir auf die Lichtkegelkomponenten<br />

ξ ′ und k ⊥ um,<br />

2π ˜dk = 1<br />

8π 2 dξ ′<br />

1 − ξ ′ |k ⊥|d|k ⊥ | dθ (II.151)<br />

Das Argument der delta-Funktion für die Impulserhaltung ergibt zunächst einen relativ<br />

komplizierten Ausdruck,<br />

(q + ξp − k) 2 = −Q 2 + 2ξ p · q − 2 k · q − 2ξ p · k<br />

( )<br />

= −Q 2 1 − ξξ′ + 2 |k ⊥ |Q cos θ − |k2 ⊥ |<br />

x<br />

1 − ξ ′<br />

= Q 2 ξ (<br />

ξ ′ − x (<br />

|k⊥ 2 1 +<br />

|<br />

x ξ (1 − ξ ′ )Q 2 − 2|k ))<br />

⊥| cos θ<br />

. (II.152)<br />

Q<br />

Wenn wir die Terme zusammenfassen und entsprechend der LO-Rechnung wieder den<br />

partonischen Flussfaktor mit 1/ξ korrigieren, erhalten wir somit einen Beitrag zur Strukturfunktion<br />

F 2 ,<br />

∫ 1 ∫<br />

2 (x, Q 2 ) = e 2 q α s C F dξ f q<br />

(0) d|k⊥ | 2 dξ ′ dθ 8ξ ′ (1 + ξ ′2 )<br />

(ξ)<br />

0<br />

32π 2 32π<br />

(<br />

2<br />

× δ ξ ′ − x (<br />

|k⊥ 2 1 +<br />

|<br />

ξ (1 − ξ ′ )Q 2 − 2|k ))<br />

⊥| cos θ<br />

. (II.153)<br />

Q<br />

F diag1<br />

Gemäß unserer allgemeinen Diskussion sollten wir das k ⊥ -Integral in 2 Regionen unterteilen:<br />

• |k ⊥ | 2 < µ 2 F<br />

−→ Beitrag zu f<br />

(1)<br />

q ,<br />

• |k ⊥ | 2 > µ 2 F −→ Beitrag zu δC(1) .<br />

Konzentrieren wir uns zunächst auf den Bereich |k⊥ 2 | ≤ µ2 F und wählen µ F ≪ Q 2 . Dann<br />

vereinfacht sich das Argument der δ-Funktion,<br />

(<br />

δ(. . .) → δ ξ ′ − x )<br />

,<br />

ξ<br />

und wir erhalten<br />

2 (x, Q 2 ) |k ⊥| 2 ≤µ 2 F<br />

= e 2 α s C F<br />

q<br />

2π<br />

F diag1<br />

∫ 1<br />

0<br />

dξ f (0) (ξ)<br />

q<br />

– preliminary –<br />

∫ 1<br />

0<br />

(<br />

dξ ′ δ ξ ′ − x ξ<br />

) ξ ′ (1 + ξ ′2 )<br />

1 − ξ ′ ∫ µ 2<br />

F d|k ⊥ | 2<br />

|k ⊥ | 2 ,<br />

(II.154)<br />

welches abzubilden ist auf den f q<br />

(1) -Term in unserem allgemeinen Faktorisierungsansatz,<br />

so dass wir als perturbatives Resultat erhalten,<br />

f (1,diag1)<br />

q (x, µ 2 F ) = f q<br />

(0) (x) + α sC F<br />

2π<br />

∫ 1<br />

x<br />

∫<br />

dξ<br />

µ 2<br />

ξ f q<br />

(0)<br />

F d|k ⊥ | 2<br />

(ξ) F (x/ξ)<br />

|k ⊥ | 2 , (II.155)<br />

112


II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

wobei wir eine Funktion<br />

F (z) ≡ C F<br />

1 + z 2<br />

1 − z<br />

(II.156)<br />

definiert haben, die die Abhängigkeit von z = x/ξ beschreibt. Hierbei ergibt sich der<br />

Zähler im Wesentlichen aus der Dirac-Spur (ist also typisch für QCD mit Spin-1/2-<br />

Quarks und Vektorgluonen), und der Term 1−z im Nenner kommt aus dem gluonischen<br />

Phasenraum (das vermeintlich divergente Verhalten bei z → 1 werden wir noch genauer<br />

untersuchen). Der gesamte Ausdruck ist proportional zu dem IR-divergenten Integral<br />

∫ µ 2<br />

F d|k ⊥ | 2<br />

|k ⊥<br />

und somit sensitiv auf die durch Λ<br />

| 2 QCD charakterisierte nicht-perturbative<br />

Dynamik im Proton. Aus diesem Grunde macht es also Sinn, diesen (nicht explizit<br />

berechenbaren) Beitrag in die Quark-PDF zu absorbieren. Um die Beiträge der anderen<br />

Diagramme zu f q<br />

(1) zu bestimmen, reicht es demnach aus, in den Diagrammen<br />

2-4 die Beiträge zu suchen, die ebenfalls wie d|k ⊥| 2<br />

|k ⊥<br />

divergieren. Dies entspricht gerade<br />

den “kollinearen Divergenzen”, die wir bereits bei der Diskussion des Sudakov-<br />

| 2<br />

Formfaktors in der QED kennengelernt hatten.<br />

• Betrachten wir dazu die Diagrammklasse (2) mit der Vertexkorrektur am Photonvertex.<br />

Die beiden k-abhängigen Quarkpropagatoren verhalten sich wie<br />

1 1<br />

(ξp − k) 2 (ξp − k + q) 2 ∼ 1<br />

k⊥ 2 ,<br />

Q2<br />

können also potentiell wieder eine kollineare Divergenz erzeugen, wenn k ‖ p.<br />

Allerdings zeigt sich, dass die zu berechnende Dirac-Spur mit den Propagatorzählern<br />

ebenfalls für k ⊥ → 0 verschwindet, denn in<br />

∑ [<br />

]<br />

tr /n(ξ/p + /q)/ɛ(/q + ξp − /k)/n(ξp − /k)/ɛ ∗ ξ/p<br />

(II.157)<br />

λ<br />

gilt für k ‖ p, dass ɛ · p ∝ ɛ · k = 0, und damit ist<br />

(ξ/p − /k)/ɛ ∗ ξ/p → 0 .<br />

Damit liefern die Diagramme (2a,b) keine Beiträge der Form d|k ⊥| 2<br />

|k ⊥<br />

, sondern höchstens<br />

Terme, die für kleine k ⊥ wie k⊥ 2 /Q2 unterdrückt sind, oder die für große k ⊥<br />

| 2<br />

zu δC (1) gehören (und explizit in der Störungstheorie berechnet werden können).<br />

• In der Diagrammklasse (3) ist die Situation noch einfacher, denn für kleine Werte<br />

von k ⊥ verhalten sich die Propagatornenner selbst schon wie (1/Q 2 ) 2 .<br />

– preliminary –<br />

• Es bleibt das Diagramm (4) mit der Selbstenergiekorrektur in der einlaufenden<br />

Quarklinie. Hier erwarten wir in der Tat, dass sich eine “softe” IR-Divergenz ergibt,<br />

die zusammen mit der reellen Gluonabstrahlung aus Diagramm (1) ein endliches<br />

Resultat im Limes k µ → 0 ergibt. Da in diesen virtuellen Diagrammen der Impulsbruchteil<br />

des Quarks nicht geändert wird, muss der Beitrag proportional zu<br />

δ(1 − x/ξ) sein und gleichzeitig die Divergenz von Diagramm (1) im Limes ξ → x<br />

kompensieren.<br />

113


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Das Nettoergebnis für f (1)<br />

q<br />

hat dann die Form<br />

mit<br />

q (x, µ 2 F ) = f q<br />

(0) (x) + α sC F<br />

2π<br />

f (1)<br />

∫ 1<br />

x<br />

∫<br />

dξ<br />

µ 2<br />

ξ f q (0) (ξ) P qq (0)<br />

F d|k ⊥ | 2<br />

(x/ξ)<br />

|k ⊥ | 2 , (II.158)<br />

[ ]<br />

1 + z<br />

F (z) → P qq (0)<br />

2<br />

(z) = C F<br />

1 − z + const. δ(1 − z)<br />

(II.159)<br />

Die Funktion P qq (z) bezeichnen wir als (Quark-)Splitting-Funktion. Sie beinhaltet die<br />

(universelle) Information über die kollinearen Divergenzen in der Aufspaltung eines<br />

Quarks, q → qg. Die Konstante werden wir weiter unten mittels einer physikalischen<br />

Überlegung bestimmen.<br />

Die restlichen (nicht kollinear divergenten) Beiträge können explizit als Funktion von Q 2<br />

und µ 2 F berechnet werden. Aufgrund der willkürlichen Wahl von µ F , muss das Ergebnis<br />

für F 2 dann folgende Form haben<br />

F 2 (x, Q 2 ) = x ∑ q<br />

e 2 q<br />

(<br />

P (0)<br />

f q<br />

(0)<br />

qq (x/ξ)<br />

+ P qq (0) (x/ξ)<br />

(x) + α s<br />

2π<br />

∫ µ 2<br />

F<br />

– preliminary –<br />

∫ 1<br />

x<br />

d|k ⊥ | 2<br />

|k ⊥ | 2<br />

Λ 2 IR<br />

∫ k 2<br />

max ∝Q 2<br />

µ 2 F<br />

dξ {<br />

ξ f q<br />

(0) (x)<br />

d|k ⊥ | 2<br />

|k ⊥ | 2 + ˜C(x/ξ)<br />

} ) + O(αs) 2 (II.160)<br />

wobei der Koeffizient ˜C(z) die endlichen Beiträge zusammenfasst, die nicht explizit von<br />

Q 2 /µ 2 F abhängen. Die obere Grenze k2 max ergibt sich aus der expliziten Auswertung der<br />

Nullstellen der δ-Funktion unter Berücksichtigung von 0 ≤ ξ ′ ≤ 1 (vgl. Übung).<br />

Wir können die Rechnung auch wieder in dimensionaler Regularisierung durchführen.<br />

Dann wird die kollineare Divergenz im k ⊥ -Integral entsprechend regularisiert, was der<br />

Ersetzung<br />

( ∫ µ 2<br />

P qq (0)<br />

F d|k ⊥ | 2 ∫ k 2<br />

(z)<br />

Λ 2 |k<br />

IR ⊥ | 2 + max d|k ⊥ | 2 )<br />

µ 2 |k<br />

F ⊥ | 2<br />

∫ k 2<br />

→P qq (0) (z) µ 2ɛ max d|k ⊥ | 2<br />

(<br />

(0)<br />

F<br />

(|k ⊥ | 2 = P<br />

) 1+ɛ qq (z) − 1ˆɛ<br />

)<br />

+ P qq (0) (z) ln k2 max<br />

µ<br />

} {{ }<br />

2 (II.161)<br />

F<br />

} {{ }<br />

Im MS-Schema absorbieren wir den ersten (IR-divergenten) Term in die PDF f q (1) .<br />

Der (−1/ɛ)-Term wird dann gerade kompensiert durch die 1/ɛ UV-Divergenz, die aus<br />

der Renormierung des nicht-lokalen Operator herrührt. Den zweiten (endlichen) Term<br />

definieren wir dann als Beitrag zu C (1) im MS-Schema. In dieser Weise können wir also<br />

die Splitting-Funktion als Faktor vor dem 1/ɛ-Term, der der kollinearen Divergenz<br />

entspricht, ablesen. Im Folgenden verstehen wir deshalb die Ausdrücke für f q (1) und C (1)<br />

114


II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

immer im MS-Schema (obwohl man manchmal in der Literatur auch andere Definitionen<br />

findet).<br />

Es bleibt noch die Aufgabe, die Konstante in P qq (z) zu bestimmen. Dazu betrachten wir<br />

die Korrektur zur Valenzverteilung der Quarks, f val = f q − f¯q . Aufgrund der Erhaltung<br />

der (Netto-)Quarkzahl, hatten wir bereits begründet, dass<br />

∫ 1<br />

0<br />

dξ f val (ξ) = const<br />

Da sich Quarks und Antiquarks gleich unter Splitting verhalten, folgt daraus, dass<br />

∫ 1<br />

0<br />

dξ<br />

∫ 1<br />

ξ<br />

dξ ′<br />

ξ ′ f (0)<br />

val (ξ′ ) P qq (0) (ξ/ξ ′ ) = 0<br />

(II.162)<br />

(II.163)<br />

gelten muss. In obiger Gleichung können wir die Reihenfolge der Integration umstellen,<br />

indem wir die untere Grenze als θ(ξ ′ − ξ) berücksichtigen und die Variablensubstitution<br />

ξ → z = ξ/ξ ′ durchführen,<br />

0 =<br />

∫ 1<br />

0<br />

dξ ′<br />

ξ ′ f (0)<br />

val (ξ′ )<br />

∫ ξ ′<br />

0<br />

dξ P qq (0) (ξ/ξ ′ ) =<br />

∫ 1<br />

0<br />

dξ ′ f (0)<br />

val (ξ′ ) dz P qq (0) (z) . (II.164)<br />

0<br />

} {{ }<br />

Da der erste Faktor verschwindet, muss das Integral über die Quark-Splittingfunktion<br />

also gerade Null werden. Hierbei müssen wir allerdings beachten, dass das Integral bei<br />

z → 1 nicht konvergiert, was gerade der soften Divergenz (Gluonenergie → 0) entspricht.<br />

Wir hatten schon argumentiert, dass wir die Splitting-Funktion als mathematische Distribution<br />

in z = x/ξ auffassen müssen. Dementsprechend ist der Ausdruck 1/(1 − z) für<br />

z → 1 zu modifizieren (im Sinne eines Grenzwerts, bzw. über das entsprechende Resultat<br />

nach Integration mit einer Testfunktion). Wir suchen also eine Distribution, die für<br />

z ≠ 1 der normalen Funktion 1/(1 − z) entspricht und deren Integral über bei z = 1<br />

reguläre Testfunktionen existiert. Die Lösung sind sogenannte “Plus-Distributionen”,<br />

die über<br />

∫ 1<br />

0<br />

1<br />

dz f(z) ≡<br />

[1 − z] +<br />

∫ 1<br />

0<br />

– preliminary –<br />

∫ 1<br />

f(z) − f(1)<br />

dz<br />

1 − z<br />

(II.165)<br />

definiert sind. Offensichtlich existiert das Integral, und für Testfunktionen, die bei z = 1<br />

verschwinden, ergibt sich das Integral über die “normale” Funktion. Mit dem Ansatz<br />

[ ]<br />

1 + z<br />

P qq (0)<br />

2<br />

(z) := C F + c δ(1 − z)<br />

(II.166)<br />

[1 − z] +<br />

ergibt sich dann<br />

∫ [ 1<br />

∫ 1<br />

dz P qq (0) (z) = C F dz (1 + ]<br />

z2 ) − 2<br />

+ c = C F (−3/2 + c) = ! 0 (II.167)<br />

1 − z<br />

0<br />

0<br />

so dass unser endgültiges Ergebnis für die Quark-Splittingfunktion<br />

115


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

P (0)<br />

qq (z) = C F<br />

[<br />

1 + z<br />

2<br />

[1 − z] +<br />

+ 3 2 δ(1 − z) ]<br />

(II.168)<br />

lautet. In dimensionaler Regularisierung kann man die Plus-Distribution explizit als<br />

Grenzwert einer Schar von Funktionen für ɛ → 0 − identifizieren, siehe Übung. Die Form<br />

der Splitting-Funktion ist universell und wird allgemein für die Faktorisierung von inkulsiven<br />

Prozessen mit hoch-energetischen (kollinearen) Quarks in der QCD benötigt.<br />

Die Berechnung der endlichen Beiträge zur Koeffizientenfunktion C (1) (z, Q 2 /µ 2 F ) ist<br />

aufwendiger und beinhaltet Beiträge von sämtlichen 4 Diagrammklassen. Wir geben hier<br />

nur das Endergebnis für die Faktorisierung der Strukturfunktion F 2 (x, Q 2 ) an (im MS-<br />

Schema; wir schreiben C (1)<br />

2 um den Koeffizienten von den entsprechend unabhängigen<br />

Koeffizienten für F 1 (x, Q 2 ) oder F L (x, Q 2 ) zu kennzeichnen),<br />

C (1)<br />

2 (z, Q2 /µ 2 ) = δ(1 − z) + α {<br />

s<br />

P qq (0) (z) ln Q2<br />

2π<br />

µ 2<br />

[ ] ln(1 − z)<br />

+C F<br />

[2<br />

− 3 1<br />

− (1 + z) ln(1 − z)<br />

1 − z + 2 [1 − z] +<br />

− 1 + ( z2<br />

π<br />

2<br />

1 − z ln z + 3 + 2z − 3 + 9 ) ]}<br />

δ(1 − z) (II.169)<br />

2<br />

(siehe z.B. [6]). Analog erhalten wir für die longitudinale Kombination von Strukturfunktionen<br />

F L = F 2 − 2xF 1 = 4x 2 pµ p ν<br />

p·q W µν ein endliches Resultat zur Ordnung α s , was<br />

sich durch die Faktorisierungsformel<br />

F L (x, Q 2 ) = x ∑ ∫ ( )<br />

1<br />

e 2 dξ<br />

x<br />

q<br />

q x ξ f q(ξ, µ F ) C L<br />

ξ , Q2<br />

µ 2 mit C L (z) ≃ α sC F<br />

2z (II.170)<br />

F<br />

2π<br />

widerspiegelt. Die Callan-Gross–Relation erhält also berechenbare endliche α s -Korrekturen.<br />

II.6.3.2 Beiträge von Gluon-PDFs<br />

Bisher waren wir bei der Berechnung von α s -Korrekturen von einer ursprünglichen<br />

Verteilung von Quarks (und Antiquarks) im Proton ausgegangen. Wenn wir allgemein<br />

Quantenkorrekturen zulassen, müssen wir aber auch Prozesse folgender Art berücksichtigen,<br />

bei der als Ausgangspunkt eine Gluonverteilung f q<br />

(0) (ξ) steht, das Gluon in ein q¯q-<br />

Paar fluktuiert und das Elektron dann elektromagnetisch an einem der Quarks streut.<br />

– preliminary –<br />

(II.171)<br />

116


II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

Dementsprechend lässt sich das Diagramm wieder in 2 Beiträge faktorisieren:<br />

• Wenn das gestreute Quark einen großen Transversalimpuls hat, betrachten wir<br />

das Diagramm als Beitrag zur harten Amplitude eg → qq, die wir durch eine<br />

Koeffizientenfunktion C (1)g<br />

2 (x/ξ) beschreiben, die mit der Gluonverteilung f g<br />

(0) (ξ)<br />

gefaltet wird.<br />

• Wenn das gestreute Quark einen kleinen Transversalimpuls hat, betrachten wir das<br />

Diagramm als Beitrag der ursprünglichen Gluon PDF f g (0) (ξ) zur Korrektur f q<br />

(1) (ξ)<br />

des entsprechenden Quarks, welche wie vorher mit der LO Koeffizientenfunktion<br />

C (0)q<br />

2 (x/ξ) gefaltet wird.<br />

Die entsprechend komplettierte Faktorisierungsformel (mit entsprechend angepasster Notation)<br />

für die Strukturfunktion F 2 (x, Q 2 ) lautet dann<br />

F 2 (x, Q 2 ) = x ∑ q<br />

{ ∫ ( )<br />

1<br />

e 2 dξ<br />

q<br />

x ξ f q(ξ, µ F ) C q x<br />

2<br />

ξ , Q2<br />

µ 2 F<br />

∫ ( )}<br />

1<br />

dξ<br />

+<br />

x ξ f g(ξ, µ F ) C g x<br />

2<br />

ξ , Q2<br />

µ 2 F<br />

(II.172)<br />

Hierbei definiert die kollineare Divergenz für das Gluon-Splitting g → q¯q wieder gerade<br />

den gluonischen Beitrag zu f (1) (ξ, µ F ), so dass im MS-Schema<br />

f (1)<br />

q (ξ, µ F ) = f q<br />

(0) (ξ)<br />

+ α (<br />

s<br />

− 1ˆɛ<br />

) ∫ 1<br />

dξ ′ {<br />

2π<br />

ξ ′<br />

q<br />

ξ<br />

}<br />

qq (ξ/ξ ′ ) f q (0) (ξ ′ ) + P qg (0) (ξ/ξ ′ ) f g (0) (ξ ′ )<br />

P (0)<br />

+ O(α 2 s) (II.173)<br />

Die Splitting-Funktion für Gluonen in Quarks (oder Antiquarks) lässt sich dabei wieder<br />

aus der kollinearen Divergenz des obigen Diagramms ablesen und ergibt sich zu<br />

P qg (0) (z) = 1 [<br />

z 2 + (1 − z) 2]<br />

2<br />

(II.174)<br />

(Die Symmetrie bzgl. z → (1 − z) spiegelt die Äquivalenz von Quarks und Antiquarks<br />

in g → q¯q wider.)<br />

Für eine gegebene wechselwirkende Theorie können wir also offensichtlich ganz allgemein<br />

alle möglichen, sog. “Altarelli-Parisi”-Splittingfunktionen definieren und berechnen.<br />

Dabei beschreibt P ij (z) jeweils die Wahrscheinlichkeit, durch kollineares Splitting<br />

ein Parton i mit Impulsbruchteil z vom ursprünglichen Parton j zu generieren. Für die<br />

QCD erhalten wir dann neben den bereits diskutierten Splitting-Funktionen P qq (z) und<br />

P qg (z) auch noch<br />

– preliminary –<br />

117


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

[<br />

P gg (0)<br />

z<br />

(z) = 2C A + 1 − z<br />

[1 − z] + z<br />

P gq (0) 1 + (1 − z) 2<br />

(z) = C F<br />

z<br />

]<br />

+ z(1 − z) + 11C A − 2n f<br />

δ(1 − z) aus g → gg<br />

6<br />

aus q → gq<br />

(II.175)<br />

Die Tatsache, dass die Splitting-Funktionen in Gluonen wie 1/z divergieren hat die<br />

phänomenologisch wichtige Konsequenz, dass die Gluon-PDFs bei kleinen Werten von<br />

ξ stärker als 1/ξ anwachsen (siehe Diskussion weiter unten). Man beachte, dass der<br />

zweite Term in P gg gerade dem führenden Koeffizienten der QCD β-Funktion entspricht,<br />

und dass der Ausdruck für P qg aus P qq folgt, wenn man z → (1 − z) ersetzt und den<br />

Selbstenergiebeitrag proportinal zu δ(1 − z) weglässt.<br />

II.6.4 Skalenverletzung und DGLAP-Evolutionsgleichungen<br />

Auf der Basis der kompletten Faktorisierungsformel können wir nun die Verletzung des<br />

Bjorken-Scaling in der Strukturfunktion F 2 (x, Q 2 ) quantitativ beschreiben. Betrachten<br />

wir nämlich die (logarithmische) Q 2 -Abhängigkeit von F 2 , so erhalten wir<br />

Q 2 ∂<br />

∂Q 2 F 2(x, Q 2 ) = x ∑ { ∫ ( )<br />

}<br />

1<br />

e 2 dξ<br />

q<br />

q ξ ξ f ∂ x<br />

q(ξ, µ F )<br />

∂ ln Q 2 Cq 2<br />

ξ , Q2<br />

+ gluonisch<br />

µ F<br />

= x ∑ { ∫ ( )<br />

}<br />

1<br />

e 2 dξ<br />

q<br />

q ξ ξ f −∂<br />

q(ξ, µ F )<br />

∂ ln µ 2 C q x<br />

2<br />

F<br />

ξ , Q2<br />

+ gluonisch<br />

µ F<br />

(II.176)<br />

Hierbei haben wir benutzt, dass die PDFs in der Faktorisierungsformel nur von µ F (aber<br />

nicht von Q) abhängen und dass die Koeffizientenfunktionen nur vom dimensionslosen<br />

Verhältnis Q 2 /µ 2 F abhängen können. Weiterhin erfüllt F 2(x, Q 2 ) aber die RG-Gleichung,<br />

∂<br />

0 =<br />

∂ ln µ 2 F 2 (x, Q 2 )<br />

F<br />

= x ∑ ∫ {( ) ( ) }<br />

1<br />

e 2 dξ ∂<br />

q<br />

q x ξ ∂ ln µ 2 f q C q ∂<br />

2 + f q<br />

F<br />

∂ ln µ 2 C q + gluonisch<br />

F<br />

Durch Kombination der beiden Gleichung erhalten wir also<br />

(II.177)<br />

– preliminary –<br />

Q 2<br />

∂<br />

∂Q 2 F 2(x, Q 2 ) = x ∑ q<br />

{ ∫ ( ) ( )<br />

}<br />

1<br />

e 2 dξ ∂<br />

q<br />

ξ ξ ∂ ln µ 2 f q (ξ, µ F ) C q x<br />

2<br />

F<br />

ξ , Q2<br />

+ gluonisch<br />

µ F<br />

(II.178)<br />

so dass die Q 2 -Abhängigkeit der Strukturfunktionen gerade durch die µ-Abhängigkeit<br />

der PDFs beschrieben wird. Letztere wiederum folgt aus den Splitting-Funktionen, die<br />

die kollinear divergenten Beiträge zu den Koeffizientenfunktionen beschreiben.<br />

118


II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

II.6.4.1 DGLAP-Gleichungen<br />

Die Evolutionsgleichungen für die Partonverteilungsfunktionen (nach Dokshitzer, Gribov-<br />

Lipatov, Altarelli-Parisi als DGLAP-Gleichungen benannt) folgen aus der Zerlegung<br />

der störungstheoretischen Entwicklung der Quark und Gluon-PDFs nach Absorption<br />

der entsprechenden kollinearen Divergenzen. Bei der Berechnung von<br />

∂f i<br />

∂ ln µ 2 F<br />

setzen wir<br />

die Renormierungsskala für α s = α s (µ R ) und die Faktorisierungsskala µ F gleich und<br />

schreiben µ = µ R = µ F . Dann gilt<br />

so dass<br />

( )<br />

∂ fq (ξ, µ)<br />

∂ ln µ 2 = α ∫<br />

s(µ) 1<br />

f g (ξ, µ) 2π ξ<br />

∂α s (µ)<br />

lim<br />

(− 1ˆɛ<br />

)<br />

(<br />

ɛ→0 ∂ ln µ 2 = lim(−ɛα s ) − 1ˆɛ<br />

)<br />

= α s (µ) , (II.179)<br />

ɛ→0<br />

+ O(α 2 s)<br />

dξ ′ (<br />

ξ ′<br />

P qq (0) (ξ/ξ ′ ) P qg (0) ) ( )<br />

(ξ/ξ ′ ) fq (ξ ′ , µ)<br />

∑q,¯q P gq (0) (ξ/ξ ′ ) P gg (0) (ξ/ξ ′ ) f g (ξ ′ , µ)<br />

(II.180)<br />

Hierbei ist zu beachten, dass der Beitrag zur Gluonverteilung die Summe über alle<br />

Quarks (und Antiquarks) enthält.<br />

Für die folgende Diskussion ist es günstig, die Quark und Antiquarkverteilungen in sog.<br />

Singulett– und Nicht-Singulett–(Valenz–)Beiträge zu unterteilen<br />

Nicht-Singulett:<br />

Singulett:<br />

f val<br />

q = f q − f¯q (oder auch f u − f d , f u + f d − 2f s etc.) (II.181)<br />

f Σ = ∑ q<br />

(f q + f¯q ) (II.182)<br />

In den Nicht-Singulett-Kombinationen kürzt sich der gluonische Beitrag gerade heraus,<br />

so dass sich die DGLAP-Gleichungen vereinfachen zu<br />

∂<br />

∂ ln µ 2 f q<br />

val (ξ, µ) ≃ α s(µ)<br />

2π<br />

∫ 1<br />

ξ<br />

dξ ′ ( ) ξ<br />

ξ ′ P qq<br />

(0)<br />

ξ ′<br />

– preliminary –<br />

f val<br />

q (ξ ′ , µ) (II.183)<br />

Die Singulett-Kombination, welche den “See” von q¯q-Paaren beschreibt, mischt dagegen<br />

mit der Gluon-PDF gemäß<br />

( )<br />

∂ fΣ (ξ, µ)<br />

∂ ln µ 2 ≃ α ∫<br />

s(µ) 1<br />

f g (ξ, µ) 2π ξ<br />

Bemerkungen:<br />

dξ ′ (<br />

(0) P qq (ξ/ξ ′ ) 2n f P (0) ) ( )<br />

qg (ξ/ξ ′ ) fΣ (ξ ′ , µ)<br />

ξ ′ P gq (0) (ξ/ξ ′ ) P gg (0) (ξ/ξ ′ ) f g (ξ ′ , µ)<br />

(II.184)<br />

• Die P (0)<br />

ij<br />

in den DGLAP-Gleichungen sind unabhängig vom Ren.Schema.<br />

119


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

• Die exakte Definition der PDFs f i (ξ, µ) ist aber Ren.Schemen-abhängig.<br />

• Die Splitting-Funktionen selbst erhalten (berechenbare) Korrekturen höherer Ordnung<br />

P ij (z) = P (0) αs<br />

ij (z) + ij (z) + . . .<br />

2π P (1)<br />

Für die phänomenologische Anwendung der DGLAP-Gleichungen, müssen wir also folgende<br />

Prozedur lösen:<br />

1. Finde einen (sinnvollen) Ansatz für die PDFs f i (ξ, µ 0 ) bei einer Referenzskala µ 0<br />

(z.B. µ 0 = 4 GeV)<br />

2. Evolviere die PDFs zu µ ∼ √ Q 2 . Damit werden große Logarithmen αs n ln n Q2<br />

µ 2 0<br />

die PDFs resummiert (vergleiche Diskussion für Sudakov-Formfaktor).<br />

3. Einsetzen der so gewonnen PDFs in die Faktorisierungsformel für F 2 (x, Q 2 ).<br />

4. Vergleich mit experimentellen Daten → Fit der Parameter im Ansatz (Schritt 1).<br />

Dazu benötigen wir offensichtlich (numerische oder analytische) Lösungen der DGLAP-<br />

Gleichungen.<br />

II.6.4.2 Lösung der DGLAP-Gleichungen<br />

Prinzipiell (und auch häufig in der Praxis) kann man die DGLAP-Gleichungen numerisch<br />

lösen. Analytische Aussagen lassen sich insbesondere durch die Betrachtung von sog.<br />

“Mellin-Momenten” der Partonverteilungen gewinnen. Dazu definieren wir z.B.<br />

F val (N, µ) ≡<br />

– preliminary –<br />

∫ 1<br />

0<br />

dξ ξ N−1 f val (ξ, µ)<br />

in<br />

(II.185)<br />

Für die so definierten Mellin-Momente folgt dann eine einfache RG-Gleichung gemäß<br />

∂<br />

∂ ln µ 2 F val(N, µ) = α s<br />

2π<br />

= α s<br />

2π<br />

∫ 1<br />

0<br />

∫ 1<br />

∫ 1<br />

dξ ξ N−1 dξ ′<br />

0<br />

} {{ }<br />

0<br />

dξ ′ (ξ ′ ) N−1 f val (ξ ′ , µ)<br />

ξ ′ θ(ξ ′ − ξ) P qq (ξ/ξ ′ ) f val (ξ ′ , µ)<br />

·<br />

∫ 1<br />

dz z N−1 P qq (z)<br />

0<br />

} {{ }<br />

F val (N, µ) · γ qq (N) (II.186)<br />

D.h. im Mellin-Raum nimmt die DGL wieder die aus der lokalen OPE bekannte Form<br />

an, wobei sich die anomalen Dimensionen als Mellin-Momente der Splitting-Funktionen<br />

ergeben. Die Lösung in der Leading-Log-Approximation lautet dann einfach wieder,<br />

F val (N, µ) =<br />

( ) αs (µ) −γqq(N)/|β0 |<br />

F val (N, µ 0 ) .<br />

α s (µ 0 )<br />

(II.187)<br />

120


II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

Wir können die Mellin-Transformation auch direkt auf die Struktur-Funktionen anwenden<br />

(was natürlich verlangt, dass wir diese bei gegebenem Q 2 über den gesamten x-<br />

Bereich vermessen haben),<br />

˜F 2 (N, Q 2 ) ≡<br />

=<br />

∫ 1<br />

0<br />

∫ 1<br />

0<br />

dx x N−1 F 2 (x, Q 2 )<br />

dx x N ∑ { ∫ ( )<br />

}<br />

1<br />

e 2 dξ<br />

q<br />

q 0 ξ θ(ξ − x) f q(ξ, µ) C q x<br />

2<br />

ξ , Q2<br />

µ 2 + gluonisch<br />

(II.188)<br />

Mit den gleichen Umformungen wie vorher faktorisieren die Mellin-Momente der Strukturfunktion<br />

wieder in Mellin-Momente der PDFs und (berechenbare) Mellin-Momente<br />

der Koeffizientenfunktionen,<br />

˜F 2 (N, Q 2 ) = ∑ q<br />

{<br />

∫ 1<br />

}<br />

e 2 q F q (N + 1, µ) dz z N C q 2 (z, Q2 /µ 2 ) + gluonisch<br />

0<br />

(II.189)<br />

In der Praxis kann man so eine Handvoll Momente, für die die experimentellen Daten<br />

ausreichend genaue Messungen ergeben, an die entsprechenden Mellin-Momente der<br />

PDFs fitten.<br />

Beispiel: N = 1<br />

• Für die Valenzquarks ergibt sich<br />

γ qq (N = 1) ≡ 0 ,<br />

was wir ja bereits als physikalische Bedingung (Ladungserhaltung) bei der Bestimmung<br />

von P qq (z) verwendet hatten. D.h. insbesondere, dass die Valenzverteilungen<br />

normierbar sind und somit bei ξ → 0 schwächer als 1/ξ divergieren.<br />

– preliminary –<br />

• In den entsprechenden Momenten für die See-Quarks und die Gluonen ergibt sich,<br />

dass γ gq (N = 1) und γ gg (N = 1) divergieren, aufgrund der 1/z-Terme in den<br />

entsprechenden Splittingfunktionen (s.o.). Die entsprechenden PDFs wachsen deshalb<br />

bei kleinen Impulsanteilen ξ stark an.<br />

In der Praxis zeichnet man meistens das Produkt x f i (x). Qualitativ ergibt sich<br />

damit folgendes Verhalten:<br />

121


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Beispiel: N = 2<br />

• Für die Valenzverteilung ergibt sich (siehe auch Übung)<br />

γ qq (N = 2) =<br />

∫ 1<br />

Das Vorzeichen von γ qq (2) impliziert, dass<br />

weil α s (µ)/α s (µ 0 ) < 1.<br />

– preliminary –<br />

0<br />

dz z P qq (0) (z) = − 4 3 C F < 0 .<br />

F val (N = 2, µ) < F val (N = 2, µ 0 < µ) ,<br />

(II.190)<br />

D.h. dass die Valenzquarks im Mittel kleinere Impulsanteile ξ haben, wenn die Faktorisierungsskala<br />

größer wird, was intuitiv klar ist, denn dann steht mehr Energie<br />

für Seequarks und Gluonen zur Verfügung.<br />

Somit erwarten wir folgendes Verhalten, wenn wir die Valenz-PDFs von Up- und<br />

Down-Quarks bei verschiedenen Werten von µ 2 = Q 2 vergleichen:<br />

122


II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

d.h. die Verteilung verschiebt sich (leicht) zu kleineren Werten von x.<br />

• Für das gekoppelte System aus Seequarks und Gluonen sind die anomalen Dimensionen<br />

der Mellin-Momente für N ≥ 2 endlich, und speziell für N = 2 lautet die<br />

DGL (siehe Übung)<br />

( )<br />

∂ FΣ (2, µ)<br />

∂ ln µ 2 = α (<br />

s −<br />

4<br />

3 C 1<br />

F 3 n f<br />

4<br />

F g (2, µ) 2π 3 C F − 1 3 n f<br />

Die Eigenvektoren lauten<br />

– F Σ + F g mit Eigenwert Null.<br />

– F Σ − n f<br />

4C F<br />

F g mit Eigenwert −( 4 3 C F + 1 3 n f ) < 0<br />

Das heisst, dass<br />

– Die Summe von F Σ (2) + F g (2) ist RG-invariant,<br />

) (<br />

FΣ (2, µ)<br />

F g (2, µ)<br />

F Σ (2, µ) + F g (2, µ) = F Σ (2, µ 0 ) + F g (2, µ 0 ) ,<br />

was gerade der Erhaltung des Gesamtimpulses entspricht.<br />

– preliminary –<br />

)<br />

(II.191)<br />

– Die Kombination F Σ − n f<br />

4C F<br />

F g geht für große Skalen µ → ∞ asymptotisch<br />

gegen Null, d.h. das Verhältnis der beiden Momente strebt gegen eine Konstante,<br />

µ→∞<br />

n f<br />

F Σ (2, µ)<br />

lim<br />

F g (2, µ) = = 3n f<br />

= O(1) (II.192)<br />

4C F 16<br />

Das ist konsistent mit der empirischen Beobachtung, dass die Quarks und<br />

Gluonen in etwa jeweils 50% des Protonimpulses tragen.<br />

II.6.4.3 “Polarisierte Partonverteilungen”<br />

Bisher hatten wir bei der Betrachtung der Wirkungsquerschnitte für die tief-inelastische<br />

Elektron-Proton-Streuung über die Spinfreiheitsgrade der Protonen und Elektronen gemittelt.<br />

Experimentell lässt sich aber auch separat der Wirkungsquerschnitt für verschieden<br />

relativ zueinander polarisierte Elektronen und Protonen messen. Über das Partonbild<br />

kann man daraus Rückschlüsse über die Spin-Korrelationen der Quarks im Proton erhalten<br />

(manchmal wird das etwas ungenau als “spin content of the nucleon” tituliert).<br />

Wir stellen hier kurz die wesentlichen Ergebnisse zusammen.<br />

Als Messgröße definieren wir also eine Spin-Asymmetrie<br />

A(x, Q 2 ) ≡ dσ↑↓ − dσ ↑↑<br />

dσ ↑↓ + dσ ↑↑<br />

(II.193)<br />

wobei dσ ↑↓ = dσ ↓↑ den differentiellen Wirkungsquerschnitt für entgegengesetzt polarisierte<br />

Protonen und Elektronen, und dσ ↑↑ = dσ ↓↓ den differentiellen Wirkungsquerschnitt<br />

für gleich polarisierte Protonen und Elektronen bezeichnet. Die Summe der bei-<br />

123


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

den Fälle ergibt gerade den bisherigen (unpolarisierten) Fall. Die Differenz der Wirkungsquerschnitte<br />

können wir wieder durch Strukturfunktionen ausdrücken,<br />

d 2 σ ↑↓ − d 2 σ ↑↑<br />

[<br />

= 8πα2 mE<br />

dx dy Q 4 (2y − y 2 − mxy2<br />

E ) 2x g 1(x, Q 2 ) − 4m ]<br />

E x2 y g 2 (x, Q 2 ) ,<br />

(II.194)<br />

was für m/E → 0 durch die Strukturfunktion g 1 (x, Q 2 ) dominiert ist. Im Wesentlichen<br />

misst die Spin-Asymmetrie dann gerade das Verhältnis zweier Strukturfunktionen<br />

A(x, Q 2 ) ≃ g 1(x, Q 2 )<br />

F 1 (x, Q 2 )<br />

(II.195)<br />

Im Partonbild lässt sich die Asymmetrie auf die Streuung an polarisierten Quarks zurückführen.<br />

Dazu müssen wir die Partonverteilung entsprechend spezifizieren für Quarks die<br />

parallel oder anti-parallel zum Proton polarisiert sind,<br />

• f ↑ q (ξ): Wahrscheinlichkeit für Quark mit Impulsbruchteil ξ und Spin parallel zum<br />

Proton.<br />

• f ↓ q (ξ): Wahrscheinlichkeit für Quark mit Impulsbruchteil ξ und Spin anti-parallel<br />

zum Proton.<br />

Entsprechend definieren wir<br />

f q = fq ↑ + fq ↓ (unpolarisierte PDFs)∆f q = fq ↑ − fq ↓ (polarisierte PDFs)<br />

(II.196)<br />

Dann ergibt sich für die Strukturfunktionen in LO (naives Partonbild) gerade<br />

F 1 (x) ≃ 1 ∑<br />

e 2 q [f q (x) + f¯q (x)] ,<br />

2<br />

g 1 (x) ≃ 1 2<br />

q<br />

∑<br />

q<br />

e 2 q [∆f q (x) + ∆f¯q (x)] ,<br />

(II.197)<br />

Die Operatordefinition der polarisierten PDFs ergibt sich analog zum unpolarisierten<br />

Fall, mit dem einzigen Unterschied, dass nun anstelle des Vektorstroms der (mit n µ<br />

projizierte) Axialvektorstrom auftaucht, so dass Quarks mit verschiedener Chiralität<br />

mit unterschiedlichem Vorzeichen gezählt werden,<br />

∫ dλ<br />

∆f q (x) =<br />

4π e−iλx 〈p|¯q(λn) /nγ 5 q(0)|p〉 spin−avg .<br />

(II.198)<br />

Die ersten Momente der polarisierten PDFs entsprechen dann wieder Matrixelementen<br />

von lokalen Operatoren 〈p|¯q/nγ 5 q|p〉, welche unter Verwendung der SU(3)-Flavoursymmetrie<br />

für das leichteste Baryon-Oktett mit den Axialvektor-Kopplungskonstanten in Hyperon-<br />

Zerfällen in Beziehung gesetzt werden können. Aus der Kombination dieser Daten mit<br />

den Ergebnissen der polarisierten Elektron-Proton–Streuung ergibt sich, dass der Beitrag<br />

der Quarks in ∆f q zum Gesamtspin des Protons relativ klein ist. Demnach muss ein erheblicher<br />

Anteil des Spins wieder von Gluonen und/oder vom Bahndrehimpuls der Quarks<br />

(d.h. der Bewegung senkrecht zur Impulsrichtung des Protons) herrühren.<br />

– preliminary –<br />

124


II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />

II.6.4.4 Verwandte Größen<br />

Der spezielle und wesentliche Aspekt der tief-inelastischen Streuung war die Identifikation<br />

der Lichtkegel-Kinematik für Prozesse mit kollinearen Partonen in Hadronen. Daraus<br />

resultierte die Faktorisierung von kurz- und langreichtweitiger <strong>Physik</strong> mittels der<br />

Lichtkegel-OPE, so dass die relevante hadronische Information durch nicht-lokalen Operatoren<br />

z.B. der Form<br />

O = ¯q(λn) /n Γ [Wilson-Linie] q(0)<br />

oder Operatoren mit anderen/mehr Feldern und/oder mehr Ableitungen repräsentiert<br />

wird. Die Partonverteilungsfunktion ergaben sich dabei als Fourier-Transformierte des<br />

Matrixelements des Lichtkegeloperators zwischen zwei (identischen) Protonzuständen,<br />

PDF = F.T. 〈p|O|p〉 . (II.199)<br />

Die gleiche Lichtkegelkinematik und die gleiche Art von Operatoren tritt aber z.B. auch<br />

in hadronischen Zerfällen von schweren B-Meson in leichte Hadronen, z.B. ππ, auf. Wie<br />

wir im entsprechenden Kapitel diskutiert hatten, beinhalten die entsprechenden Faktorisierungstheoreme<br />

Informationen über die Impulsverteilung von q¯q-Paaren im Pion.<br />

Diese können als sog. “Lichtkegeldistributionsamplituden” (light-cone distribution<br />

amplitudes – LCDAs) als Operatormatrixelemente,<br />

Pion-LCDA = F.T. 〈π|O|0〉 , (II.200)<br />

definiert werden, d.h. der Anfangs- und Endzustand im Operatormatrixelement sind nun<br />

verschieden, und die Interpretation im Partonbild ist ebenfalls unterschiedlich.<br />

Wir können das noch weiter verallgemeinern für beliebige Anfangs- und Endzustände,<br />

GPD = F.T. 〈p ′ |O|p〉 , (II.201)<br />

was sog. “verallgemeinerten Partonverteilungen” (generalized parton distributions – GPDs)<br />

entspricht. Oder auch<br />

GDA = F.T. 〈ππ|O|0〉 , (II.202)<br />

für hadronische Zustände mit mehr als einem Teilchen (→ generalized distribution amplitudes<br />

– GDAs).<br />

In all diesen Fällen kann die Evolution der entsprechenden Matrixelemente aus der<br />

Renormierung des Operators O abgeleitet werden. Hierbei sind aber die unterschiedlichen<br />

kinematischen Fälle zu unterscheiden:<br />

• Beschreibt der Operator der Übergang eines Quarks mit Impuls ξp in ein Quark<br />

mit ξ ′ p ′ , so ergibt sich eine Struktur ähnlich wie in der tief-inelastischen Streuung<br />

(DGLAP-Region).<br />

– preliminary –<br />

• Beschreibt der Operator die Vernichtung eines Quark-Antiquark-Paars mit Impulsen<br />

ξp und (1 − ξ)p, so ergibt sich die Evolutionsgleichung für LCDAs, die<br />

z.B. in B → ππ relevant ist (ERBL-Region, nach Efremov-Radyushkin-Brodsky-<br />

Lepage).<br />

125


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />

II.7.1 IR-Divergenzen und Jet-Definition<br />

Wir hatten bereits die Vernichtung von e + e − –Paaren in hadronische Endzustände diskutiert<br />

und den totalen Wirkungsquerschnitt bestimmt. Bezüglich der Quantenkorrekturen<br />

durch die starke Wechselwirkung hatten wir argumentiert, dass – so lange wir uns nicht<br />

auf spezifische Eigenschaften des Endzustands konzentrieren – die Details der Hadronisierung<br />

des aus dem elementaren QED-Prozess resultierenden Quark-Antiquark–Paars<br />

nicht benötigt werden, um die α s –Korrekturen zu σ tot auszurechnen. D.h. der totale<br />

Wirkungsquerschnitt ergibt sich aus der Summe der partonischen Wirkungsquerschnitte,<br />

σ(e + e − → hadrons) = σ(e + e − → q¯q) + σ(e + e − → q¯qg) + σ(e + e − → q¯qgg) + . . .<br />

(II.203)<br />

die wir mittels QCD-Störungstheorie ausrechnen. Wir betrachten dabei q 2 gross, d.h.<br />

die Teilchen im Endzustand haben i.A. große Energie, so dass wir deren Masse vernachlässigen<br />

können. Durch Betrachten der beitragenden Feynman-Diagramme ergibt sich<br />

offensichtlich<br />

σ(e + e − → q¯q) = σ 0 + α s<br />

σ(e + e − → q¯qg) = 0 + α s<br />

1 + . . . ,<br />

2π σvirtuell<br />

2π σreeell<br />

1 + . . . ,<br />

. . . (II.204)<br />

Wir wissen bereits aus der Berechnung der QED-Korrekturen zur Elektron-Myon–Streuung,<br />

dass sich in diesem Fall IR-Divergenzen ergeben, die zum einen von der Schleifenintegration<br />

in den virtuellen Korrekturen (z.B. zu e + e − → q¯q), zum anderen aus der Phasenraumintegration<br />

der reellen Korrekturen (z.B. e + e − → q¯qg) resultieren:<br />

• “kollineare Divergenzen” treten auf, wenn die Impulse zweier Teilchen parallel<br />

zueinander sind,<br />

• “softe Divergenzen” treten auf, wenn Energie/Impuls eines Teilchens gegen Null<br />

geht.<br />

Im totalen Wirkungsquerschnitt fallen diese IR-Divergenzen heraus — die individuellen<br />

Wirkungsquerschnitte in (II.203) sind allerdings nur mit einem IR-Regulator definiert.<br />

Auf der experimentellen Seite kann man analog den totalen Wirkungsquerschnitt als<br />

Summe von 2-Jet-, 3-Jet, 4-Jet, etc. - Raten auffassen, wobei die genaue Unterscheidung<br />

zwischen n-Jet und (n-1)-Jet-Raten noch zu definieren ist (wie wir sehen werden,<br />

hängt die Freiheit in der Jet-Definition mit der Ambiguität der IR-Regularisierung im<br />

Partonbild zusammen).<br />

Wir rekapitulieren im Folgenden die Berechnung der partonischen Wirkungsquerschnitte:<br />

– preliminary –<br />

• In führender Ordnung gibt es nur den WQ für e + e − → q¯q mit<br />

R (0) (q 2 ) = − 1<br />

∑<br />

3q 2 Rµ µ (0) (q 2 ) = N C Q 2 f .<br />

f<br />

126


II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />

• Die reellen Korrekturen der Ordnung α s entsprechen dem Betragsquadrat der Amplitude für den<br />

Prozess e + e − → q¯qg, wobei das Gluon entweder vom Quark oder vom Antiquark abgestrahlt<br />

werden kann. Durch Anwenden der Feynman-Regeln ergibt sich<br />

R (reell) (q 2 ) = − 1<br />

3q 2 Rµ µ (reell) (q 2 ) = − 1<br />

∑ 3q 6π 2 g2 s trT A T a f<br />

[ tr(γ µ (p/ 1 + k/)γ ρ p/ 1γ σ (p/ 1 + k/)γ µp/ 2)<br />

×<br />

[(p 1 + k) 2 ] 2<br />

Hierbei ist<br />

∫<br />

dLiPS(p 1, p 2, k) =<br />

+ tr(γµ p/ 1γ µ(−p/ 2 + k/)γ ρ p/ 2γ σ (−p/ 2 − k/))<br />

[(p 2 + k) 2 ] 2<br />

+ tr(γµ p/ 1γ ρ (p/ 1 + k/)γ µp/ 2γ σ (−p/ 2 − k/))<br />

[(p 1 + k) 2 (−p 2 − k) 2 ]<br />

]<br />

+ tr(γµ (p/ 1 + k/)γ ρ p/ 1γ µ(−p/ 2 − k/)γ σ p/ 2) ∑<br />

[(p 1 + k) 2 (−p 2 − k) 2 ]<br />

λ<br />

∫<br />

– preliminary –<br />

Q 2 f<br />

∫<br />

dLiPS(p 1, p 2, k)<br />

ɛ ρ(λ)ɛ ∗ σ(λ)<br />

d 3 p 1 d 3 p 2 d 3 k<br />

(2π) 3 2p 0 1 (2π) 3 2p 0 2 (2π) 3 2k 0 (2π)4 δ (4) (q − p 1 − p 2 − k)<br />

(II.205)<br />

(II.206)<br />

der Phasenraumfaktor mit der Impulserhaltung. Weiterhin ergibt die Spur über die Farbfreiheitsgrade<br />

tr[T A T A ] = C F N C, und die Summe über die Gluonpolarisationen kann (da die unphysikalischen<br />

Polarisationen sowieso nicht beitragen) durch ∑ λ ɛρ(λ)ɛ∗ σ(λ) = −η ρσ ersetzt werden.<br />

Zur Beschreibung der Kinematik für masselose Teilchen vereinfachen sich die Ausdrücke<br />

erheblich, wenn man folgende dimensionslose Größen einführt:<br />

x 1,2 = 2 p 1,2 · q<br />

q 2<br />

→ 2E q,¯q<br />

√ , s<br />

x 3 = 2 k · q<br />

q 2<br />

→ 2E g<br />

√ , s<br />

(II.207)<br />

welche, wie angegeben, im Schwerpunktsystem gerade die auf die Gesamtenergie bezogenen<br />

Energiebruchteile bezeichnen. Damit ergibt sich für die diversen Skalarprodukte<br />

mit<br />

k · p 1 = 1 2 (k + p 1) 2 = 1 2 (q − p 2) 2 = q2<br />

2 (1 − x 2) ,<br />

k · p 2 = 1 2 (k + p 2) 2 = 1 2 (q − p 1) 2 = q2<br />

2 (1 − x 1) ,<br />

p 1 · p 2 = q2<br />

2 (1 − x 3) , (II.208)<br />

x 1 + x 2 + x 3 = 2(p 1 + p 2 + k) · q<br />

q 2 = 2 . (II.209)<br />

127


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

→ Übung<br />

Nach Ausführung der Dirac-Spuren und Kontraktion der Lorentz-Indizes ergibt sich<br />

daraus<br />

R (reell) (q 2 ∑<br />

∫<br />

) = N C Q 2 F gsC 2 −6π<br />

F<br />

3q 2 dLiPS(x 1 , x 2 , x 3 )<br />

f<br />

[<br />

× − 8(1 − x 1)<br />

− 8(1 − x 2)<br />

+ 16(1 − x ]<br />

1 − x 2 )<br />

1 − x 2 1 − x 1 (1 − x 1 )(1 − x 2 )<br />

∫<br />

= R (0) gsC 2 16π<br />

x 2 1 F<br />

q 2 dLiPS(x 1 , x 2 , x 3 )<br />

+ x2 2<br />

(1 − x 1 )(1 − x 2 ) . (II.210)<br />

Die Phasenraumintegration kann man bis auf x 1 und x 2 explizit ausführen,<br />

∫<br />

dLiPS(x 1 , x 2 , x 3 ) →<br />

128π 3<br />

und somit ergibt sich schließlich<br />

R (reell) (q 2 ) = R (0) (q 2 ) α sC F<br />

2π<br />

– preliminary –<br />

∫<br />

q2<br />

0≤x 1 ,x 2 ≤1, x 1 +x 2 ≥1<br />

∫<br />

0≤x 1 ,x 2 ≤1, x 1 +x 2 ≥1<br />

Offensichtlich divergiert das Integral bei x 1 → 1 und/oder x 2 → 1.<br />

Skizze des Phasenraums in der x 1 –x 2 –Ebene (→ Übung)<br />

(a) Für x 1 → 1 und x 2 → 1:<br />

dx 1 dx 2<br />

(II.211)<br />

dx 1 dx 2<br />

x 2 1 + x2 2<br />

(1 − x 1 )(1 − x 2 ) . (II.212)<br />

Folgt x 3 → 0, d.h. die Gluonenergie verschwindet; man sagt das Gluon ist weich<br />

(“soft”) und deshalb spricht man von der soften Divergenz im Phasenraumintegral.<br />

(b) Für x 1 → 1 und x 2 ≠ 1:<br />

Gilt<br />

k · p 2 = E k E 2 (1 − cos θ(k, p 2 )) = q2<br />

2 (1 − x 1) → 0<br />

d.h. der Winkel zwischen dem Gluon und dem Antiquark wird Null; d.h. die Impulsvektoren<br />

sind parallel (“kollinear”) und man spricht von der kollinearen Divergenz<br />

im Phasenraumintegral.<br />

128


II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />

(c) Analog erhält man eine kollineare Divergenz für x 2 → 1 und x 1 ≠ 1, bei der das<br />

Gluon parallel zum Quark abgestrahlt wird.<br />

Interpretation: In allen 3 Fällen werden wir im Experiment den Phasenraumbereich,<br />

bei denen die soften oder kollinearen Divergenzen auftreten, nicht von einem Ereignis<br />

der Form e + e − → q¯q unterscheiden können. Das Argument hatten wir bereits bei den<br />

QED-Korrekturen zur Elektron-Myon–Streuung verwendet.<br />

In der QCD müssen wir zusätzlich berücksichtigen, dass die erzeugten Quarks und Gluonen<br />

hadronisieren, d.h.<br />

• Ereignisse e + e − → q¯q sind der Ausgangspunkt für hadronische Endzustände, bei<br />

denen die Teilchen in 2 hadronischen “Jets” gebündelt sind, die (im Schwerpunktsystem)<br />

in entgegengesetzter Richtung orientiert sind.<br />

• Ereignisse e + e − → q¯qg mit x 1,2 “genügend” weit entfernt vom Phasenraumbereich<br />

mit kollinearen oder soften Divergenzen, werden als 3-Jet Ereignisse beobachtet.<br />

• Die Endpunktbereiche des Phasenraums für e + e − → q¯qg tragen zu den 2-Jet<br />

Ereignissen bei und müssen mit den virtuellen Korrekturen zu e + e − → q¯q kombiniert<br />

werden, um IR-endliche Vorhersagen zu erhalten.<br />

Offensichtlich ist in dieser Bestimmung ein gewisser Grad an Willkür, d.h. wir müssen<br />

zunächst eine genaue Definition geben, was wir unter einem 2-, 3-, oder N-Jet–Ereignis<br />

verstehen wollen, welche sich sowohl auf die partonischen Wirkungsquerschnitte als auch<br />

auf die beobachteten hadronischen Ereignisse anwenden lässt.<br />

Für eine sinnvolle Jet-Definition erwarten wir z.B., dass die 3-Jet–Raten in e + e − –<br />

Vernichtung nach Hadronen gegenüber 2-Jet–Raten mit einem Faktor α s (µ) unterdrückt<br />

ist, und wir µ ∼ √ s wählen können. Eine einfache Jet-Definition wird durch den sog.<br />

JADE-Algorithmus gegeben:<br />

• Betrachte alle invarianten Massen (p i + p j ) 2 von Paaren von Teilchen (Partonen in<br />

der störungstheoretischen Rechnung, bzw. Hadronen im Experiment)<br />

• Falls<br />

(p i + p j ) 2 = 2E i E j (1 − cos θ ij ) ≥ y q 2<br />

mit einem vorgegebenen Parameter y, werden die 2 Teilchen als individuelle Jets<br />

gezählt. Anderenfalls gehören sie zu dem gleichen Jet.<br />

– preliminary –<br />

Für unseren Fall können wir also Beiträge zu 2- und 3-Jet–Events unterscheiden gemäß<br />

3-Jet: (p 1 + k) 2 = q 2 (1 − x 2 ) ≥ yq 2<br />

(p 2 + k) 2 = q 2 (1 − x 1 ) ≥ yq 2<br />

(p 1 + p 2 ) 2 = q 2 (x 1 + x 2 − 1) ≥ yq 2<br />

2-Jet: sonst (II.213)<br />

129


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Damit ergibt sich die 3-Jet–Rate in führender Ordnung Störungstheorie zu<br />

R (3-jet)<br />

JADE<br />

= R(0) (q 2 ) α sC F<br />

2π<br />

∫<br />

dx 1 dx 2<br />

x 2 1 + x2 2<br />

(1 − x 1 )(1 − x 2 )<br />

× θ[0 ≤ x 1 , x 2 ≤ 1 − y] θ[x 1 + x 2 > 1 + y]<br />

∫ 1−y<br />

= R (0) (q 2 ) α ∫<br />

sC 1−y<br />

F<br />

x 2 1<br />

dx 2 dx + x2 2<br />

1<br />

2π 2y 1+y−x 2<br />

(1 − x 1 )(1 − x 2 )<br />

= R (0) (q 2 ) α (<br />

( )<br />

sC F<br />

2 ln 2 y<br />

2π 1 − y + (3 − 6y) ln y<br />

y<br />

1 − 2y + 4Li 2<br />

1 − y<br />

+ 5 2 − 6y − 9 )<br />

2 y2 − π2<br />

, (II.214)<br />

3<br />

wobei Li 2 (z) der Polylogarithmus<br />

Li 2 (z) = −<br />

– preliminary –<br />

∫ z<br />

0<br />

ln(1 − ξ)<br />

dξ<br />

ξ<br />

(II.215)<br />

ist. Daraus erhält man die 3- und 2-Jet–Raten in dieser Ordnung Störungstheorie also<br />

f 3 ( √ s, y) ≡ R(3-jet) ( √ s)<br />

R( √ ≃ α (<br />

( )<br />

sC F<br />

2 ln 2 y<br />

s) 2π 1 − y + (3 − 6y) ln y<br />

y<br />

1 − 2y + 4Li 2<br />

1 − y<br />

+ 5 2 − 6y − 9 )<br />

2 y2 − π2<br />

,<br />

3<br />

(II.216)<br />

f 2 ( √ s, y) ≡ R(2-jet) ( √ s)<br />

R( √ ≃ 1 − f 3 ( √ s, y) .<br />

s)<br />

(II.217)<br />

Die 2-Jet–Rate ist hierbei per Konstruktion endlich, wobei wir natürlich benutzt haben,<br />

dass sich im Gesamt-Wirkungsquerschnitt die kollinearen und soften Divergenzen zwischen<br />

reellen und virtuellen Korrekturen aufheben (das hatten wir im QED-Beispiel explizit<br />

gesehen – der QCD–Fall funktioniert analog).<br />

Plotted man dies als Funktion von y ergibt sich folgendes Bild:<br />

130


II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />

• Für y → 0 erhalten wir wieder die kollinearen und soften Divergenzen, so dass wir<br />

das physikalisch unsinnige Ergebnis<br />

f 3 → α (<br />

sC F<br />

2 ln 2 y + 3 ln y + 5 )<br />

2π<br />

2 − Π2<br />

3 + . . . → +∞<br />

und f 2 → −∞ erhalten. D.h. in der Praxis muss y groß genug gewählt werden,<br />

so dass zumindest f 3 < f 2 . Bzw., wenn wir beachten, dass die Raten mit ln y 2<br />

divergieren, fordern wir<br />

α s C F<br />

ln 2 y < 1<br />

π<br />

• Für y > 1/3 verschwindet das Integrationsgebiet für die 3-Jet–Rate und f 3 = 0,<br />

d.h. in diesem Bereich wird jedes Ereignis als 2-Jet–Ereignis gezählt.<br />

Die Konstruktion lässt sich offensichtlich auf n-Jet–Raten verallgemeinern: Wir betrachten<br />

dazu ein hadronisches Ereignis mit N Hadronen (bzw. partonischen Endzustand<br />

mit N Quarks oder Gluonen)<br />

1. Bilde<br />

M = min (p i + p j ) 2<br />

i,j<br />

2. Wenn M > ys, dann ist das Ereignis ein N–Jet–Ereignis.<br />

3. Wenn M < ys, dann kombiniere die Teilchen i und j, die das minimale M gebildet<br />

haben, zu einem neuen Quasiteilchen mit Impuls p i + p j .<br />

4. Wiederhole das Verfahren für jetzt N − 1 Teilchen, bis es abbricht (bzw. N = 2)<br />

Die Zahl N ≥ 2 definiert die Anzahl der Jets. Das störungstheoretische Ergebnis für die<br />

(N = n + 2)-Jet–Raten hat dann die allgemeine Form<br />

f n+2 ( √ ( ) αs (µ) n ∑ ∞ ( ) ( ) s<br />

s, y) =<br />

C nk<br />

2π<br />

µ 2 , y αs (µ) k<br />

(II.218)<br />

2π<br />

k=0<br />

mit ∑ ∞<br />

n=2 f n = 1. Für “vernünftige” Werte von y können wir die Logarithmen ln s in<br />

µ 2<br />

den Koeffizienten C nk klein halten, wenn wir µ = √ s wählen. Damit lässt sich umgekehrt<br />

aus der Messung der Jet–Raten bei verschiedenen Werten von s die laufende Kopplung<br />

der QCD testen. Allerdings müssen wir dabei bedenken, dass sich für die Hadronisierung<br />

der Quarks und Gluonen auch nicht-perturbative Korrekturen der Ordnung Λ QCD / √ s<br />

ergeben (für einige Jet-Algorithmen kann man zeigen, dass die Korrekturen erst bei<br />

Λ 2 QCD /s beginnen). In der Praxis werden solche Korrekturen durch Hadronisierungsmodelle<br />

abgeschätzt und sind Teil des systematischen Fehlers.<br />

Abbildungen für Vergleich von Theorie und Experiment in Jet-Raten kann man in dem<br />

Buch von Ellis/Stirling/Webber [6] finden.<br />

Eine Modifikation des JADE-Algorithms, der sog. Durham–Algorithmus, ersetzt die invariante Masse<br />

durch<br />

2 min ( )<br />

Ei 2 , Ej 2 (1 − cos θij) > ys<br />

– preliminary –<br />

mit Energien/Winkeln im Schwerpunktsystem.<br />

131


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

II.7.2 Event-Shapes<br />

Ein wichtiges Theorem der QCD nach Bloch/Nordsieck und Kinoshita/Lee/Nauenberg<br />

besagt:<br />

(→ Übung)<br />

“Für “genügend“ inklusive Observable heben sich die soften und kollinearen<br />

Divergenzen auf”<br />

“Inklusiv” heisst dabei, dass wir keine Details über die spezifische Hadronisierung der<br />

Quarks in der Messgröße berücksichtigen. Der totale Wirkungsquerschnitt ist offensichtlich<br />

eine inklusive Observable.<br />

Wir wollen nun weitere inklusive Observablen konstruieren, die wie der Wirkungsquerschnitt<br />

(bzw. R(s)) für gegebene Schwerpunktsenergie durch eine einfache Zahl dargestellt<br />

werden, aber zusätzlich Information über die Jet–Topologie der Reaktion beinhalten. Um<br />

die Anwendbarkeit des obigen Theorems zu gewährleisten, müssen diese Observablen<br />

“IR-safe” sein. Ein intuitives Kriterium dafür ist, dass<br />

• Observable sind IR-safe, wenn sie sich nicht ändern unter der Ersetzung von 4er-<br />

Impulsen<br />

p i → p j + p k ,<br />

so lange ⃗p j ||⃗p k (kollineare Emission) oder E k ≪ E j (softe Emission).<br />

Beispiele für solche IR-sicheren “Event-Shape”–Variablen sind:<br />

∑<br />

i<br />

Thrust: T ≡ max<br />

|⃗p i · ⃗n|<br />

∑<br />

⃗n i |⃗p , (II.219)<br />

i|<br />

( ) 4 2 (∑<br />

i<br />

Spherocity: S ≡ min<br />

|⃗p )<br />

i × ⃗n| 2<br />

∑<br />

π ⃗n i |⃗p , (II.220)<br />

i|<br />

C-Parameter: C ≡ 3 ∑ [<br />

i,j |⃗pi ||⃗p j | − (⃗p i · ⃗p j ) 2 /(|⃗p i ||⃗p j |) ]<br />

2<br />

( ∑ i |⃗p i|) 2 . (II.221)<br />

Hierbei ist ⃗n ein Einheitsvektor, der anhand der Minimierung/Maximierung zu bestimmen<br />

ist. Für 2-jet–artige Ergeignisse ist ⃗n gerade die Jet-Achse. Testen wir die IR-safety<br />

für die Thrust-Variable:<br />

• Für kollinear Emission ist ⃗p j ‖ ⃗p k und deshalb<br />

– preliminary –<br />

|⃗p i · ⃗n| = |⃗p j · ⃗n| + |⃗p k · ⃗n| und |⃗p i | = |⃗p j + ⃗p k | = |⃗p j | + |⃗p k |<br />

Damit bleibt der Wert von T unverändert.<br />

• Für softe Emission trägt das Teilchen mit |⃗p k | → 0 nicht bei, während |⃗p j | → |⃗p i |.<br />

(→ Übung)<br />

Für einfache Topologien ergeben sich folgende Werte:<br />

132


II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />

Topologie T S C<br />

2-jet 1 0 0<br />

sphärisch symm. 1/2 1 1<br />

∏<br />

∏<br />

q¯qg max{x i } 4 · 16<br />

π 2<br />

i (1−x i)<br />

max{x 2 i } 6<br />

i (1−x i)<br />

x 1 x 2 x 3<br />

Aus der letzten Zeile können wir insbesondere die Thrust–Verteilung aus den einzelnen<br />

partonischen differentiellen Wirkungsquerschnitten berechnen, gemäß<br />

dσ = dσ(q¯q) dT δ(T − 1) + dσ(q¯qg) dx 1 dx 2 dT δ(T − max{x i }) + . . .<br />

(II.222)<br />

Für die normierte Thurst-Verteilung erhalten wir dann durch Integration der partonischen<br />

Phasenraumbereiche mit der entsprechenden Einschränkung durch T ,<br />

1 dσ<br />

σ dT = δ(T − 1) + α sC F<br />

2π [F (T )] + + . . . (II.223)<br />

Die Beiträge der reellen und virtuellen α s -Korrekturen kombinieren sich dabei (analog<br />

zur Diskussion der Splitting-Funktion in DIS) zu einer Plus-Distributionen:<br />

• Für reguläre Testfunktionen g(T ) gilt wieder<br />

∫ 1<br />

1/2<br />

dT [F (T )] + g(T ) ≡<br />

∫ 1<br />

1/2<br />

dT F (T ) (g(T ) − g(1)) .<br />

• Für T ≠ 1 entspricht [F (T )] + = F (T ). Da die virtuellen Korrekturen zum 2-<br />

Teilchen-WQ nur zu T = 1 beitragen, kann man F (T ) aus den reellen Korrekturen<br />

bestimmen.<br />

• Das Integral ∫ 1<br />

1/2 dT [F (T )] + = 0 verschwindet, so dass ∫ dT 1 dσ<br />

σ dT ≡ 1.<br />

Um die Funktion F (T ) zu berechnen, müssen wir den Phasenraum in dσ(q¯qg) in drei<br />

Teile aufteilen, welche den Situation x max = x 1 , x 2 , x 3 entsprechen (man mache sich dies<br />

an einer einfachen Skizze klar):<br />

• Im 1. Bereich gilt x 1 > x 2 und x 1 > x 3 = 2 − x 1 − x 2 . Somit<br />

∫<br />

x 2 1<br />

F (T ) 1 = dx 1 dx + x2 2<br />

2<br />

(1 − x 1 )(1 − x 2 ) δ(T − x 1) θ(x 1 − x 2 ) θ(2x 1 − 2 + x 2 )<br />

=<br />

∫ T<br />

2(1−T )<br />

T 2 + x 2 2<br />

dx 2<br />

(1 − T )(1 − x 2 )<br />

– preliminary –<br />

= 1 + T 2 2T − 1<br />

ln<br />

1 − T 1 − T + 4 − 7T + 3T 2 /2<br />

.<br />

1 − T<br />

(II.224)<br />

Man beachte, dass die Beiträge von diesen reellen Korrekturen wieder IR-singulär<br />

sind, sich aber – wie oben diskutiert – für IR-sichere Observable gerade durch die<br />

Hinzunahme der virtuellen Korrekturen zu einer IR-regulären Plus-Distribution<br />

ergänzen.<br />

133


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

• Im 2. Bereich gilt analog x 2 > x 1 und x 2 > 2 − x 1 − x 2 mit F (T ) 1 = F (T ) 2 .<br />

• Im 3. Bereich, x 3 > x 1 , x 3 > x 2 ergibt sich nach Variablensubstitution x 1 =<br />

2 − x 2 − x 3<br />

∫<br />

F (T ) 3 =<br />

dx 2 dx 3<br />

(2 − x 2 − x 3 ) 2 + x 2 2<br />

(x 2 + x 3 − 1)(1 − x 2 ) δ(T − x 3) θ(x 3 − x 2 ) θ(2x 3 − 2 + x 2 )<br />

= 2(2 − 3T ) + 2(2 − 2T + T 2 ) ln<br />

T<br />

2T −1<br />

1−T<br />

– preliminary –<br />

.<br />

(II.225)<br />

Hierbei ist das Ergebnis bei T → 1 nur logarithmisch divergent (und damit direkt<br />

integrabel mit regulären Testfunktionen).<br />

• Die 3 Bereiche treffen sich im symmetrischen Punkt x 1 = x 2 = x 3 = 2/3, was<br />

gerade dem minimal möglichen Wert für eine 3-Teilchen-Konfiguration entspricht,<br />

d.h. F (T ) = F (T )θ(T − 2/3).<br />

Insgesamt erhält man somit<br />

F (T ) = 2(3T 2 − 3T + 2)<br />

ln 2T − 1 3(3T − 2)(2 − T )<br />

− . (II.226)<br />

T (1 − T ) 1 − T 1 − T<br />

Betrachten wir obiges Beispiel für die Thrust-Variable, erkennen wir wieder, dass für<br />

T nahe (aber nicht gleich) eins — d.h. also 2-Jet–artige Events — große Logarithmen<br />

in der Form ln(1−T )<br />

1−T<br />

auftreten. Eine genaue Analyse der höheren Ordnungen ergibt das<br />

allgemeinere Resultat, dass in n-ter Ordnung Störungstheorie das Verhalten bei T → 1<br />

durch<br />

∝ [α s (µ)] n ln 2n−1 (1 − T )<br />

1 − T<br />

gegeben ist, d.h. in jeder Ordnung kommt ein Faktor α s ln 2 (1 − T ) dazu, so dass die<br />

Störungsreihe wieder nur für Werte von T mit<br />

α s (µ) ln 2 (1 − T ) ≪ 1<br />

verlässliche Voraussagen liefert.<br />

Wir hatten bereits bei der Diskussion von Sudakov-Logarithmen in der QED gesehen, wie<br />

sich solche Logarithmen aufsummieren lassen. Die physikalische Vorstellung ist dabei,<br />

dass die Wahrscheinlichkeit, dass das auslaufende Quark-Antiquark–Paar keine soften<br />

oder kollinearen Gluonen abstrahlt im Hochenergielimes exponentiell klein sein sollte,<br />

d.h. die Thrust-Verteilung (genauso wie die 2-Jet–Rate) sollte für T → 1 regulär sein,<br />

anstatt ins Unendliche anzuwachsen. Für den traditionellen Zugang zur Resummation<br />

von großen Logarithmen in Event-Shapes verweisen wir auf Kapitel 6.5 in [6]. Wir werden<br />

im Folgenden einen alternativen Zugang kennenlernen, der das Problem im Rahmen einer<br />

effektiven Quantenfeldtheorie löst.<br />

134


II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />

Ausgangspunkt der Überlegung ist die Beobachtung, dass für kleine Werte von<br />

τ ≡ 1 − T ≪ 1<br />

der physikalische Prozess durch mehrere verschiedene Energieskalen charakterisiert ist.<br />

Betrachten wir dazu eine Konfiguration mit 2 deutlich separierten Jets entlang der z-<br />

Achse, d.h. die einzelnen kollinearen Teilchen haben Impulskomponenten<br />

⃗p ≡ (⃗p ⊥ , p z ) = (p x , p y , p z ) , mit |p x | ∼ |p y | ≪ |p z | ∼ √ s ,<br />

wobei wir im Folgenden mit ⃗p ⊥ immer die 2 Impulskomponenten senkrecht zur Jet-Achse<br />

meinen. Für die Thrust-Variable ergibt sich dann entsprechend aus der Definition mit<br />

⃗n = ⃗e z und<br />

√<br />

(<br />

|p z | = |⃗p| 2 − |⃗p ⊥ | 2 ≃ |⃗p| 1 − 1 |⃗p ⊥ | 2 )<br />

2 |⃗p| 2<br />

⇒ 1 − T ∼ O(|p ⊥ | 2 /s) . (II.227)<br />

Genauso gilt für die invariante Masse der Jets entsprechend<br />

p 2 ∼ O(|p ⊥ | 2 ) ∼ (1 − T ) s = τ s .<br />

Zusätzlich können wir noch weiche Teilchen im Jet betrachten: Aus Konsistenzgründen<br />

dürfen diese das Skalierungsverhalten der invarianten Jetmasse nicht ändern. Mit<br />

(p + p soft ) 2 ∼ O(p 2 ) + O (|p z ||⃗p soft |)<br />

ergibt das also |⃗p soft | ∼ (1 − T ) √ s = τ √ s. Die physikalische Situation wird somit durch<br />

3 verschiedene Skalen beschrieben<br />

• Harte Skala (Skala der externen Quelle für die Erzeugung von Partonen): √ s,<br />

√<br />

• Jet-Skala (Skala der kollinearen Teilchen im Jet): p 2 coll ∼ √ τ √ s,<br />

√<br />

• Weiche Skala (Skala der soften Teilchen im Jet): p 2 soft ∼ τ √ s,<br />

welche für τ ≪ 1 hierarchisch separiert sind.<br />

√ s ≫<br />

√ τ<br />

√ s ≫ τ<br />

√ s .<br />

(II.228)<br />

– preliminary –<br />

Die Idee ist nun wieder, die Effekte der harten Moden in Koeffizientenfunktionen C(s, µ)<br />

zu absorbieren, welche für µ ∼ √ s perturbativ in QCD berechenbar sind. Die verbleibenden<br />

Effekte der weichen und kollinearen Teilchen sollen durch eine effektive Theorie<br />

beschrieben werden, deren Operatoren RG-Gleichungen gehorchen, die wir perturbativ<br />

lösen können, um große Logarithmen zu summieren. Weiterhin wollen wir die Effekte<br />

der Jet-Skala von der weichen <strong>Physik</strong> (inkl. der Hadronisierungseffekte) trennen.<br />

135


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

II.7.3 Einige Features der Soft-collinear effective theory (SCET)<br />

Im Rahmen einer effektiven Theorie können wir nun zunächst versuchen, die kurzreichweitigen<br />

Effekte, welcher mit der harten Skala √ s zusammenhängen, auszuintegrieren.<br />

Dazu stellen wir uns vor, dass wir die Fourier-Moden der Quark- und Gluonfelder<br />

entsprechend aufteilen in harte, kollineare und softe Moden,<br />

harte Moden: |p µ | ∼ √ s , p 2 ∼ s ,<br />

kollineare Moden: E ∼ √ s , p 2 ∼ τs ,<br />

weiche Moden: |p µ | ∼ τ √ s , p 2 ∼ τ 2 s . (II.229)<br />

Wir führen im Folgenden lichtartige Referenzvektoren ein,<br />

n µ ± = (1, 0, 0, ±1) , n 2 ± = 0 , n + · n − = 2 ,<br />

so dass wir einen beliebigen 4er-Vektor zerlegen können gemäß<br />

v µ = (n + v) nµ −<br />

2 + (n −v) nµ +<br />

2 + vµ ⊥<br />

(II.230)<br />

mit v ⊥ · n ± ≡ 0. Somit gilt für ein kollineares Teilchen mit grosser Impulskomponente<br />

entgegengesetzt zur z-Richtung<br />

n + p = E + |p z | ∼ √ s ≫ p ⊥ ∼ √ τ √ s ≫ n − p = E − |p z | = p2 − p 2 ⊥<br />

2E ∼ τ √ s .<br />

(II.231)<br />

Somit repräsentieren die so definierten Impulskomponenten gerade die Skalenhierarchie.<br />

Während in der vollen QCD-Rechnung alle diese Moden beitragen, wollen wir im Folgenden<br />

eine effektive Theorie konstruieren, welche nur noch die soften und kollinearen<br />

Moden enthält, während die Effekte der harten (kurzreichweitigen) Moden in Koeffizienten<br />

(bzw. genauer gesagt in Koeffizientenfunktionen) absorbiert werden sollen. Per Konstruktion<br />

reproduzieren die weichen und kollinearen Moden dann die IR-Singularitäten<br />

im Phasenraumintegral bzw. in den virtuellen Korrekturen, während die Koeffizientenfunktionen<br />

unabhängig von der IR-<strong>Physik</strong> berechnet werden können.<br />

Betrachten wir zunächst die Dynamik der kollinearen Quarks wie sie z.B. aus der ursprünglichen<br />

e + e − -Annihilation resultieren. Es erweist sich hier als zweckmässig, die Hierarchie<br />

zwischen den einzelnen Impulskomponenten auszunutzen, um kleine und große<br />

Spinorkomponenten der Quarkfelder zu identifizieren. Schreiben wir dafür die Dirac-<br />

Gleichung eines kollinearen Quarks mit (n + p) ≫ p ⊥ ≫ (n − p) im Impulsraum,<br />

(<br />

(n + p) n/ −<br />

2 + p/ ⊥ + (n − p) n/ )<br />

+<br />

u(p) = 0 .<br />

(II.232)<br />

2<br />

– preliminary –<br />

Wir führen nun 2 Projektoren ein, via<br />

1 = n/ −n/ +<br />

+ n/ ( ) 2<br />

+n/ − /n± /n<br />

,<br />

∓<br />

= /n ± /n ∓<br />

4 4 4 4<br />

,<br />

/n ±<br />

/n ∓<br />

4<br />

/n ∓<br />

/n ±<br />

4<br />

= 0 , (II.233)<br />

136


II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />

und definieren<br />

ξ(p) ≡ n/ −n/ +<br />

4<br />

u(p) ,<br />

Projektion der Dirac-Gleichung ergibt dann<br />

n/ +<br />

2<br />

n/ + n/ −<br />

4<br />

η(p) ≡ n/ +n/ −<br />

4<br />

u(p) .<br />

: (n + p) η(p) + n/ +<br />

2 p/ ⊥ ξ(p) = 0 ,<br />

(II.234)<br />

: p/ ⊥ η(p) + (n − p) n/ +<br />

ξ(p) = 0 . (II.235)<br />

2<br />

Berücksichtigen wir das Skalierungsverhalten der Impulse |p ⊥ |/(n + p) ∼ (n − p)/|p ⊥ | ∼<br />

√ τ, ergibt sich somit<br />

η(p) ∼ O( √ τ) ξ(p) , (II.236)<br />

d.h. ξ(p) ist die große und η(p) die kleine Spinorkomponente für ein kollineares Quark.<br />

Wir können weiterhin die erste Gleichung mit n/ +<br />

2<br />

multiplizieren und nach η(p) auflösen,<br />

und erhalten<br />

η(p) = − 1 n/ +<br />

n + p 2 p/ ⊥ ξ(p) . (II.237)<br />

Wenn wir dass in die zweite Gleichung einsetzen, ergibt sich die Dirac-Gleichung für die<br />

grosse Spinorkomponente zu<br />

(<br />

)<br />

1<br />

(n − p) + p/ ⊥<br />

n + p p/ n/+<br />

⊥ ξ(p) = 0 . (II.238)<br />

2<br />

Der Ausdruck in Klammern entspricht gerade p 2 /(n + p), was für ein on-shell-Teilchen<br />

offensichtlich direkt Null ergibt. Im Ortsraum entspricht dies offensichtlich einer Lagrangedichte<br />

für kollineare Quarkfelder 16<br />

(<br />

)<br />

L ξ = ¯ξ(x)<br />

1<br />

in − ∂ + i/∂ ⊥<br />

in + ∂ i /n+<br />

/∂ ⊥<br />

2 ξ(x) ,<br />

(II.239)<br />

Die Kopplung der kollinearen Quarkfelder an Gluonen ergibt sich – wie üblich – mit der<br />

kovarianten Ableitung,<br />

i∂ µ → i∂ µ + gA µ .<br />

(II.240)<br />

– preliminary –<br />

16 Man beachte, dass die Lagrangedichte das Inverse eines Ableitungsoperators entlang der durch die<br />

kollinearen Teilchen definierten Jet-Richtung enthält. Diese sind durch nicht-lokale Integralausdrücke<br />

definiert, z.B.<br />

∫ x<br />

1<br />

“<br />

i d/dx ” f(x) ≡ −i dy f(y) ,<br />

wobei die “richtigen” Randbedingungen aus der iɛ-Vorschrift im Feynman-Propagator und dem Vorzeichen<br />

für Teilchen oder Antiteilchen-Lösungen zu bestimmen sind.<br />

−∞<br />

137


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Das Skalierungsverhalten der kollinearen Gluonen A = A c ist dabei korreliert mit dem<br />

der Ortsableitungen bzw. Impulse, also<br />

(n + A c ) ∼ (in + ∂) ∼ √ s , A c ⊥ ∼ i∂ ⊥ ∼ √ τs , (n − A c ) ∼ (in − ∂) ∼ τ √ s . (II.241)<br />

Im Vergleich dazu skalieren die weichen Gluonen in allen Komponenten wie A s ∼ τ √ s,<br />

und somit sind die Komponenten (n + A s ) und A ⊥ s im Vergleich zu den kollinearen Gluonfeldern<br />

in der kovarianten Ableitung (für Kopplungen an kollineare Teilchen) in erster<br />

Ordnung vernachlässigbar. Somit lautet die effektive Lagrangedichte für kollineare<br />

Quarks in erster Näherung<br />

(<br />

)<br />

L ξ → ¯ξ(x)<br />

1<br />

in − ∂ + gn − A + gn − A s + i /D ⊥<br />

in + D i /n+<br />

/D ⊥<br />

2 ξ(x) + . . . ,<br />

(II.242)<br />

wobei die kovarianten Ableitungen D µ = i∂ µ +gA µ c rechts in der Klammer nur kollineare<br />

Gluonfelder enthalten. 17<br />

Übung: Leiten Sie die Lagrangedichte für kollineare Quarks aus der QCD-Lagrangedichte<br />

ab, indem Sie die klassischen Bewegungsgleichungen für die Feldkomponenten η(x) herleiten<br />

und in die ursprüngliche Lagrangedichte einsetzen. Wie lautet demnach der Propagator<br />

für das Feld ξ im Impulsraum? – Vergleichen Sie mit dem führenden Term des QCD-<br />

Quarkpropagators!<br />

Tatsächlich kann man mit einem weiteren Trick die weichen Gluonfelder vollständig aus<br />

der führenden kollinearen Lagrangedichte entfernen. Dazu betrachten wir eine Wilsonlinie<br />

18 (vgl. Definition der PDFs),<br />

(<br />

Y s (x) ≡ ¯P exp −ig<br />

welche die Differentialgleichung<br />

– preliminary –<br />

∫ ∞<br />

0<br />

)<br />

ds n − A s (x + sn − ) , (II.243)<br />

(in − ∂ + g n − A s ) Y s (x) = 0 , bzw. (in − ∂ + g n − A s ) Y s (x) f(x) = Y s (x) (in − ∂) f(x)<br />

(II.244)<br />

erfüllt und unitär ist, Y †<br />

s Y s = 1. Weiterhin gilt unter Eichtransformationen der weichen<br />

Gluonfelder,<br />

Y s (x) → U s (x) Y s (x) U s (x + ∞ n − ) ≡ U s (x) Y s (x) ,<br />

(II.245)<br />

17 Die genaue Ordnung der Gluonfelder ergibt sich erst, wenn man direkt die Bewegungsgleichungen für<br />

die Felder η(x) löst, siehe Übung.<br />

18 Hierbei steht P( ¯P) für (Anti-)-Pfadordnung der Farbmatrizen, d.h.<br />

P A(x)A(x + sn −) =<br />

{<br />

A(x)A(x + sn−) s < 0<br />

A(x + sn −)A(x) s > 0<br />

138


II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />

d.h. die Wilson-Linien Y s (x) transformieren in der fundamentalen Darstellung, bis auf<br />

eine globale Trafo im Unendlichen, die man o.B.d.A. auf Eins setzen kann.<br />

Wenn wir jetzt die kollinearen Quark- und Gluonfelder umdefinieren gemäß<br />

ξ(x) → Ξ(x) ≡ Y †<br />

s (x)ξ(x) ,<br />

A c (x) → A(x) ≡ Y †<br />

s (x) A c (x) Y s (x) ,<br />

lautet die Lagrangedichte in den neuen Feldern<br />

(<br />

)<br />

L ξ → ¯Ξ(x)<br />

1<br />

in − D + i /D ⊥<br />

in + D i /n+<br />

/D ⊥<br />

2 Ξ(x) + . . . ,<br />

wobei iD = i∂ + g A nur noch kollineare Gluonfelder beinhaltet. 19<br />

Den kollinearen Gluonsektor schreiben wir entsprechend als<br />

L Ac = − 1 4 Gµν,A G µν,A + gauge-fixing + . . .<br />

(II.246)<br />

(II.247)<br />

(II.248)<br />

wobei die Feldstärketensoren G µν durch die umdefinierten Felder A auszudrücken sind.<br />

Durch die Umdefinition der kollinearen Felder haben wir somit die weichen Gluonfelder<br />

vollständig aus dem führenden Term in der effektiven Lagrangedichte eliminiert. Wir<br />

wir im Folgenden sehen werden, tauchen die weichen Wilsonlinien dann aber wieder in<br />

den effektiven Operatoren auf, welche für die Erzeugung der energetischen Jets selbst<br />

verantwortlich sind (in unserem Fall der elektromagnetische Strom aus der e + e − -<br />

Vernichtung). Die kollineare Lagrangedichte beschreibt somit alleine die Dynamik der<br />

kollinearen Jets unter Berücksichtigung von kollinearer Abstrahlung von Gluonen (oder,<br />

in höherer Ordnung, auch kollinearen q¯q-Paaren). Die kollinearen Quarkfelder werden<br />

dabei durch die führenden Spinorkomponenten Ξ(x) repräsentiert. Die entsprechenden<br />

Impulsraum-Feynman-Regeln lassen sich wie gewohnt aus L herleiten.<br />

II.7.3.1 Elektromagnetischer Strom für e + e − → q¯q in SCET<br />

In unserem Beispiel mit T → 1 müssen wir 2 unterschiedliche kollineare Moden für die<br />

2 Jets in unterschiedlichen Richtungen betrachten, d.h. wir schreiben für die kollinearen<br />

Teilchen im entgegengesetzen Jet (“anti-kollinear”),<br />

(<br />

)<br />

L eff ∋ L quark<br />

¯c = ¯ξ¯c<br />

1 n/−<br />

(x) in + D¯c + iD/¯c,⊥ iD/¯c,⊥<br />

in − D¯c 2 ξ¯c(x) , (II.249)<br />

wobei einfach n + und n − ihre Rolle vertauscht haben. Entsprechend für die anti-kollinearen<br />

Gluonen.<br />

Wenden wir uns nun dem Matching der externen Stromoperatoren zu: In unserem Fall<br />

starten wir mit dem elektromagnetischen Strom in der vollen Theorie. Naiv würden wir<br />

erwarten, dass<br />

– preliminary –<br />

¯ψ γ µ ψ → C ¯ξ¯c γ µ ξ c + h.c. + . . .<br />

(II.250)<br />

19 Die Felder ξ und Ξ sind in der freien Theorie, g → 0, identisch. In der wechselwirkenden Theorie haben<br />

die entsprechenden Propagatoren aber offensichtlich unterschiedliche Spektren, die sich gerade durch<br />

die Effekte der Abstrahlung von weichen Gluonen aus den Wilson-Linien unterscheiden.<br />

139


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

zu ersetzen ist. Das ist allerdings noch nicht ganz das richtige Ergebnis:<br />

• Ein formales Argument ist, dass der Ausdruck auf der rechten Seite nicht invariant<br />

unter separaten Eichtransformationen für kollineare oder anti-kollineare Gluonfelder<br />

ist (während die separaten Lagrangedichten diese Eigenschaft haben).<br />

(Skizze)<br />

• Ein physikalisches Argument folgt aus der Betrachtung der möglichen reellen Abstrahlung<br />

von z.B. kollinearen Gluonen mit Polarisation (n + A c ) vom antikollinearen<br />

Quark (bzw. (n − A¯c ) vom kollinearen Quark):<br />

– Solche Prozesse entsprechen harten Fluktuationen auf Baumgraphen-Niveau<br />

(die internen Propagatoren sind off-shell vom Betrag (p¯c + p c ) 2 ≃ s) und<br />

gehören somit zum Operatormatching, da die effektive Lagrangedichte keine<br />

harten Wechselwirkungen zwischen kollinearen und anti-kollinearen Teilchen<br />

mehr beinhalten soll.<br />

– Da (n + A c ) ∼ (n − A¯c ) ∼ √ s, sind solche Diagramme nicht unterdrückt im<br />

Limes τ → 0, obwohl sie naiv höher-dimensionalen Operatoren entsprächen.<br />

– Die Abstrahlung lässt sich somit beliebig iterieren, inklusive anti-kollineare<br />

Gluonabstrahlung von kollinearen Gluonen und umgekehrt.<br />

Tatsächlich lässt sich die geometrische Reihe von beliebig vielen kollinearen Gluon-<br />

Abstrahlungen explizit aufsummieren. Das Resultat beschreibt genau wieder Wilson-<br />

Linien, W c (x) und W¯c (x),welche nun gerade durch die (anti-)kollinearen Gluonfelder<br />

(n + A c ) und (n − A¯c ) konstruiert werden, so dass<br />

W † c W c = 1 , (in + D c )W c = 0 , W c (x) → U c (x)W c (x) , (II.251)<br />

und analog für die entgegengesetzte Richtung. Da die kollinearen Gluonfelder selbst<br />

in der vollen Theorie wieder anti-kollineare Gluonfelder abstrahlen können ergibt<br />

sich zunächst eine komplizierte Struktur der Farbmatrizen. Ohne in die Details zu<br />

gehen, geben wir hier nur das (einfache) Endresultat an,<br />

) )<br />

¯ψ γ µ ψ → C(µ, s)<br />

(¯ξ¯c W¯c<br />

(W c † ξ c + h.c. + . . . (II.252)<br />

wobei wir auch benutzt haben, dass die Spinor-Projektoren der kollinearen und<br />

anti-kollinearen Quarks nur die transversale Komponente des Vektorstroms übrig<br />

lassen.<br />

• Insbesondere ist dieses Resultat nun manifest eich-invariant. Wenn wir jetzt die<br />

Feldredefinitionen durchführen, ergibt sich<br />

)<br />

)<br />

¯ψ γ µ ψ → C(µ, s)<br />

(¯Ξ¯c W¯c Ȳ s † γµ ⊥ Y s<br />

(W c † Ξ c +h.c. + . . . (II.253)<br />

} {{ } } {{ } } {{ } } {{ }<br />

– preliminary –<br />

Durch die Konstruktion der effektiven Theorie haben wir somit die Separation der verschiedenen<br />

dynamischen Moden (hart, kollinear, anti-kolllinear, soft) auf dem Level von<br />

γ µ ⊥<br />

140


II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />

Feldoperatoren erreicht. Dies stellt die Grundlage für das noch zu definierende Faktorisierungstheorem<br />

dar und erlaubt es uns, die den verschiedenen physikalischen Skalen<br />

zugeordnete Dynamik separat zu berechnen. Die Propagatoren der Teilchen in der effektiven<br />

Theorie folgen dabei aus den (in führender Ordnung separaten) Lagrangedichten<br />

für softe und kollineare (bzw. anti-kollineare) Felder.<br />

II.7.3.2 Harter Matching-Koeffizient<br />

Der Matching-Koeffizient C(µ, s) ist wie angegeben eine Funktion der Renormierungsskala<br />

sowie der harten Impulsskala s. Dieser kann für µ ∼ √ s störungstheoretisch berechnet<br />

werden, indem man in den entsprechenden Diagrammen der vollen Theorie die kleinen<br />

Impulskomponenten der externen Quarks vernachlässigt. Die soften und kollinearen IR-<br />

Divergenzen in den (unrenormierten) Koeffizienten C(s, µ) haben dabei in dimensionaler<br />

Regularisierung die typische Struktur<br />

{ }<br />

1<br />

µ 2ɛ 2 { }<br />

1 1<br />

, =<br />

ɛ ɛ ɛ 2 , 1<br />

ɛ ln 1<br />

µ2 , .<br />

ɛ<br />

In der effektiven Theorie entspricht dies zusätzlichen UV-Divergenzen für den effektiven<br />

Stromoperator. Aufgrund der Struktur der IR-Divergenzen in C(µ, s) ergibt sich i.A.<br />

eine µ-Abhängigkeit der Form<br />

[<br />

d<br />

d ln µ C(µ, s) = Γ cusp (α s ) ln s ]<br />

µ 2 + γ C(α s ) C(µ, s) (II.254)<br />

Hierbei ist Γ cusp die sog. “cusp”-anomale Dimension, 20 welche nur von universellen Eigenschaften<br />

(Eichdarstellung, Spin) der am Strom beteiligten Teilchen abhängt und mit<br />

einem expliziten Faktor ln µ 2 in die RG-Gleichung eingeht. Die Grösse γ C parametrisiert<br />

die verbleibenden (normalen) Beiträge zur anomalen Dimension, welche vom spezifischen<br />

Strom J abhängen. Beide Größen haben, wie angedeutet, eine perturbative Entwicklung<br />

in α s (µ).<br />

Die RG-Gleichung für die Koeffizientenfunktionen C(µ, s) lässt sich wieder formal lösen,<br />

wenn wir d ln µ = dα/β(α) substituieren:<br />

( ) −AΓ (µ h ,µ)<br />

s<br />

C(µ, s) = C(µ h , s) exp [2S(µ h , µ) − A C (µ h , µ)]<br />

(II.255)<br />

mit<br />

S(µ h , µ) = −<br />

∫ αs(µ)<br />

α s(µ h )<br />

∫ αs(µ)<br />

dα Γ cusp(α)<br />

β(α)<br />

– preliminary –<br />

A C (µ h , µ) = −<br />

A Γ (µ h , µ) = −<br />

α s(µ h )<br />

∫ αs(µ)<br />

α s(µ h )<br />

dα γ C(α)<br />

β(α) ,<br />

∫ α<br />

µ 2 h<br />

α s(µ h )<br />

dα ′<br />

β(α ′ ) ,<br />

dα Γ cusp(α)<br />

. (II.256)<br />

β(α)<br />

20 Der Name resultiert aus einer geometrischen Interpretation: Die cusp-anomalen Dimensionen treten<br />

immer dann auf, wenn sich am Strom Wilsonlinien in verschiedenen Richtungen treffen.<br />

→ Übung<br />

141


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Man überprüft dies am Einfachsten, indem man die Lösung in die RGE einsetzt und<br />

benutzt, dass<br />

∫<br />

dS<br />

αs(µ)<br />

d ln µ = −Γ dα ′<br />

cusp(α s (µ))<br />

β(α ′ )<br />

= −Γ cusp (α s (µ))<br />

dA C<br />

d ln µ = −γ C(µ) .<br />

α s(µ h )<br />

∫ ln µ<br />

ln µ h<br />

d ln µ ′ = −Γ cusp (α s (µ)) ln µ µ h<br />

,<br />

(II.257)<br />

Wenn wir uns auf die Beiträge der größten Logarithmen beschränken wollen, reicht es,<br />

α<br />

den ersten Term in der Entwicklung von Γ cusp = Γ s 0 4π + . . . und β = − α2 s<br />

2π β 0 + . . . zu<br />

berücksichtigen, während γ C = O(α s ) vernachlässigt werden kann. Dann erhält man<br />

S(µ h , µ) ≃ − πΓ 0<br />

β 2 0<br />

1<br />

α s (µ) (1 − z + ln z) , z ≡ α s(µ h )<br />

α s (µ) .<br />

(II.258)<br />

Für die natürliche Wahl für die Matching-Skala, µ h = √ s, so dass C(µ h = √ s, s) ≈ 1,<br />

ergibt sich dann die Leading-Log-Approximation für den Koeffizienten zu<br />

[<br />

C(µ, s) ≃ exp − 2πΓ ]<br />

0 1<br />

α s (µ) (1 − z + ln z) , z = α s( √ s)<br />

α s (µ) . (II.259)<br />

β 2 0<br />

Damit können wir große Logarithmen der Form ln p 2 /s ∼ ln τ in die Koeffizienten aufsummieren,<br />

wenn wir µ ∼ √ τs wählen.<br />

Auf diese Weise generieren wir also eine nicht-analytische s-Abhängigkeit des Koeffizienten<br />

C(µ, s), ähnlich wie wir es (diagrammatisch) bei der Resummation von soften und<br />

kollinearen Abstrahlungen im Sudakov-Formfaktor der QED diskutiert hatten.<br />

II.7.4 Faktorisierungstheorem für Thrust-Verteilung nahe τ → 0<br />

Die Konstruktion der effektiven Theorie erlaubt uns, die Thrust-Verteilung in Beiträge<br />

der harten, kollinearen und weichen <strong>Physik</strong> zu zerlegen (“faktorisieren”). Im vorherigen<br />

Paragraph hatten wir bereits die Beiträge der harten Gluonen in die Koeffizientenfunktion<br />

C(µ, s) absorbiert. Die entsprechenden Ströme tauchen im Wirkungsquerschnitt<br />

quadratisch auf, so dass wir<br />

dσ<br />

dτ = σ 0 · H(µ, s) · F (µ, s, τ)<br />

(II.260)<br />

– preliminary –<br />

schreiben können mit<br />

[<br />

d<br />

d ln µ H(µ, s) = 2 Γ cusp (α s ) ln s ]<br />

µ 2 + γ C(α s ) H(µ, s)<br />

(II.261)<br />

und entsprechender Lösung der RGE. Um die kollineare und softe Skala zu trennen (und<br />

somit weitere Logarithmen ln τ zu summieren), müssen wir die Funktion F (µ, s, τ) in<br />

kolllineare und softe Bereiche aufteilen [7].<br />

142


II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />

Wir betrachten zunächst noch einmal die Kinematik: Wir betrachten ein 2-Jet–Event<br />

mit Jet-Impulsen p µ L und pµ R entlang der z-Achse und p2 L,R ∼ O(τs) für kleine τ = 1 − T .<br />

Für die Thrust-Variable haben wir dann also<br />

T = |⃗e z · ⃗p L | + |⃗e z · ⃗p R |<br />

E L + E R<br />

= |n +p L − n − p L | + |n + p R − n − p R |<br />

|n + p L + n − p L | + |n + p R + n − p R |<br />

(II.262)<br />

Nehmen wir an, dass (n + p L ) ≫ (n − p L ) und (n − p R ) ≫ (n + p R ) und entwickeln zur<br />

Ordnung τ, so ergibt sich<br />

T ≃ 1 − 2 n −p L + n + p R<br />

≃ 1 − p2 L + p2 R<br />

, (II.263)<br />

n − p R + n + p L s<br />

wobei wir benutzt haben, dass (n + p L ) ≃ (n − p R ) ≃ √ s und (n ± p L,R ) = p 2 L,R /(n ∓p L,R ).<br />

Wenn wir jetzt die Jet-Impulse (beliebig) in kollineare Impule (p und p ′ ) und weiche<br />

Impulse(k L und k R ) aufteilen, so gilt<br />

so dass<br />

p L ≃ (n + p) n −<br />

2 + (n −p + n − k L ) n +<br />

2 ,<br />

p R ≃ (n − p ′ ) n +<br />

2 + (n +p ′ + n + k R ) n −<br />

2 , (II.264)<br />

τ = 1 − T = p2 L + p2 R<br />

= p2 + p ′ 2<br />

+ (n +p)(n − k L ) + (n − p ′ )(n + k R )<br />

s s<br />

s<br />

≃ p2 + p ′ 2<br />

+ (n −k L ) + (n + k R )<br />

√ . (II.265)<br />

s<br />

s<br />

Für die gesuchte Funktion F (µ, s, τ) erwarten wir deshalb eine Faktorisierung gemäß<br />

folgender Konvolution<br />

∫<br />

∫<br />

F (µ, s, τ) = dp 2 d(p ′ ) 2 J(µ, p 2 ) J(µ, (p ′ ) 2 ) dk S T (µ, k)<br />

(<br />

× δ τ − p2 + p ′ 2<br />

− k )<br />

√ , (II.266)<br />

s s<br />

welche (für gegebenen Wert von τ) über alle Möglichkeiten integriert, den Jet-Impuls in<br />

kollineare und weiche Freiheitsgrade aufzuteilen, wobei k ≡ (n − k L ) + (n + k R ).<br />

• Die sog. Jet-Funktion J(µ, p 2 ) beschreibt dabei die Propagation der kollinearen<br />

(und anti-kollinearen) Teilchen und hängt nur von der invarianten Masse des<br />

kollinearen Teilchens ab. Für µ ∼ √ p 2 ∼ √ τ √ s ≫ Λ QCD können wir die Jet-<br />

Funktion perturbativ ausrechnen, ohne dass große Logarithmen auftreten können.<br />

– preliminary –<br />

• Die Funktion S T (µ, k) beschreibt die Dynamik der weichen Freiheitsgrade, wobei<br />

wir durch den Index T angedeutet haben, dass diese Funktion spezifisch für die<br />

Observable Thrust definiert/gemessen werden muss.<br />

143


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

II.7.4.1 Die Jet-Funktion J(µ, p 2 )<br />

Um obige Faktorisierung im Detail zu verstehen, können wir das optische Theorem für<br />

die Erzeugung von soften und kollinearen Partonen durch den effektiven Strom in SCET<br />

verwenden, d.h. wir gehen vom Imaginärteil der Vorwärtsstreuamplitude aus. Wenn wir<br />

die redefinierten Felder Ξ c,¯c (x) verwenden, wissen wir, dass in führender Ordnung bzgl.<br />

√ τ die weichen, kollinearen und anti-kollinearen Felder entkoppeln. Demnach ergibt<br />

sich die Jet-Funktion aus (der Fourier-Transformierten von) dem Erwartungswert der<br />

beteiligten kollinearen Felder in J eff (0) und J † eff<br />

(x), so dass<br />

J(µ, p 2 ) ∝ 1 ∫<br />

{<br />

[i<br />

π Im d 4 xe −ipx 〈|T (¯Ξ c W c )(x) n/ } ]<br />

+<br />

2 (W† c Ξ c )(0) |0〉 , (II.267)<br />

wobei wir auch in den Wilson-Linien W jeweils die redefinierten Gluon-Felder benutzen.<br />

In führender Ordnung Störungstheorie können wir die Wilson-Linien zunächst vernachlässigen,<br />

und wir erhalten nichts weiter als den Imaginärteil des Quarkpropagators in<br />

SCET. Wenn wir insbesondere den Normierungsfaktor zu 1/(n + p) wählen, erhalten wir<br />

eine Lorentz-Boost–invariante Definition, die sich zu<br />

J(µ, p 2 ) ≃ 1<br />

[<br />

]<br />

1<br />

n + p π Im −1<br />

n − p + p 2 ⊥ /(n = 1<br />

+p) + iɛ n + p δ(n −p + p 2 ⊥/(n + p)) = δ(p 2 )<br />

(II.268)<br />

ergibt, was gerade die Tatsache reflektiert, dass in führender Ordnung p 2 = m 2 q = 0 gilt,<br />

so dass sich die Faktorisierungsformel zu<br />

∫<br />

F (µ, s, τ) = dk S T (µ, k) δ<br />

(τ − √ k )<br />

= S T (µ, τ √ s) + O(α s ) (II.269)<br />

s<br />

reduziert.<br />

Wir sehen bereits aus dem führenden Ausdruck, dass die Jet-Funktion als mathematische<br />

Distribution in der Faktorisierungsformel auftritt, d.h. immer nur bezüglich Konvolution<br />

mit einer Testfunktion (in unserem Fall der soften Funktion S(k, µ) mit k = k(p 2 , (p ′ ) 2 ))<br />

zu verstehen ist, mit potentiell singulärem Verhalten bei p 2 = m 2 q = 0. Die Strahlungskorrekturen<br />

zur Jet-Funktion ergeben sich aus der Taylor-Entwicklung der Wilson-Linien<br />

sowie den Feynman-Regeln der kollinearen Lagrangedichte,<br />

– preliminary –<br />

Die Rechnung für die O(α s ) Korrekturen in dimensionaler Regularisierung liefert divergente<br />

Terme der Form<br />

[ { }]<br />

1<br />

π Im 1 1<br />

p 2 + i0 ɛ 2 , 1<br />

ɛ , 1<br />

ɛ ln −p2 − i0<br />

µ 2 ,<br />

144


II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />

wobei die quadratischen Terme in 1/ɛ, sowie die 1/ɛ ln µ 2 –Terme (in Feynman-Eichung)<br />

gerade aus den Diagrammen mit den Wilson-Linien resultieren. Entsprechend ergeben<br />

sich nach Renormierung endliche Terme der Form<br />

[ {<br />

}]<br />

1<br />

π Im 1<br />

p 2 1 , ln −p2 − i0<br />

+ i0 µ 2 , ln 2 −p2 − i0<br />

µ 2 .<br />

An dieser Stelle müssen wir bedenken, dass das Ergebnis für die Jet-Funktion noch<br />

in die Konvolutionsformel einzusetzen ist, d.h. noch mit einer (bei p 2 → 0 regulären)<br />

Testfunktion f(p 2 ) integriert wird. Ein Standardtrick besteht darin, die Testfunktion<br />

als [ f(p 2 ) − f(0) ] + f(0) zu schreiben. Für den ersten Summand ergibt sich dann ein<br />

reguläres Integral bei p 2 → 0; im zweiten Summand können wir die p 2 -Integration explizit<br />

ausführen, wobei die Singularität bei p 2 → 0 im Beitrag zum Imaginärteil integrabel ist.<br />

Z.B. erhält man für den einfach logarithmischen Term einen Beitrag, der sich als “plus”–<br />

Distribution schreiben lässt:<br />

∫ [<br />

1 M 2<br />

f(p<br />

π Im dp 2 2 ]<br />

∫ [<br />

) − f(0)<br />

p 2 ln −p2 − iɛ M 2<br />

f(p<br />

µ 2 = − dp 2 2 ]<br />

) − f(0)<br />

p 2 (II.270)<br />

≤0<br />

und einen Beitrag, bei dem das Integral<br />

f(0) 1 ∫ M 2<br />

π Im dp 2 1<br />

p 2 + iɛ ln −p2 − iɛ<br />

µ 2 = f(0) 1 ∫ x0<br />

π Im = M2<br />

µ 2 ln(−x − iɛ)<br />

dx<br />

x + iɛ<br />

≤0<br />

– preliminary –<br />

0<br />

≤0<br />

(II.271)<br />

zu berechnen ist.<br />

Wir können dazu z.B. ln(−x − iɛ)/(x + iɛ) = − 1 2 d ln2 (−x − iɛ + a)/da| a→0 mit 0 ≤ a < x 0<br />

schreiben, so dass<br />

∫<br />

1<br />

x0<br />

π Im ln(−x − iɛ)<br />

dx = − d ∫<br />

1<br />

x0<br />

x + iɛ da π Im dx 1 2 ln2 (−x − iɛ + a) ∣ a→0<br />

≤0<br />

∫ x0<br />

≤0<br />

= d dx ln(x − a) θ(x − a)<br />

da ≤0<br />

= d<br />

da {(x 0 − a)(ln(x 0 − a) − 1)} a→0<br />

= − ln(x 0 − a) a→0 = − ln x 0 . (II.272)<br />

Somit erhalten wir zusammengefasst, für den trivialen Term:<br />

− 1 ∫ M 2<br />

∫<br />

π Im dp 2 1<br />

p 2 + iɛ f(p2 ) = f(0) ≡ dp 2 δ(p 2 ) f(p 2 ) ,<br />

≤0<br />

und für den einfach logarithmischen Term in ln(−p 2 ),<br />

− 1 ∫ M 2<br />

π Im dp 2 f(p2 )<br />

p 2 + iɛ ln −p2 − iɛ<br />

µ 2<br />

=<br />

≡<br />

∫ M 2<br />

0<br />

∫<br />

≤0<br />

f(p 2 ) − f(0)<br />

p 2 + f(0) ln M 2<br />

µ 2<br />

[ ] 1 [µ 2<br />

dp 2 ]<br />

p 2 f(p 2 ) ,<br />

∗<br />

(II.273)<br />

(II.274)<br />

145


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

→ Übung<br />

wobei wir als Abkürzung eine sog. modifizierte Plus-Distribution definiert haben.<br />

Analog erhält man für den quadratisch logarithmischen Term<br />

− 1 ∫ M 2<br />

π Im dp 2 f(p2 )<br />

≤0 p 2 + iɛ ln2 −p2 − iɛ<br />

µ 2<br />

∫ M 2<br />

f(p 2 (<br />

) − f(0)<br />

=<br />

0 p 2 2 ln p2<br />

µ 2 + f(0) ln 2 M 2 )<br />

µ 2 − π2<br />

3<br />

⎛<br />

∫ [<br />

ln p<br />

≡ dp 2 ⎝2<br />

2 /µ 2 ] ⎞<br />

[µ 2 ]<br />

p 2 − π2<br />

3 δ(p2 ) ⎠ f(p 2 ) .<br />

– preliminary –<br />

∗<br />

(II.275)<br />

Mit diesen Vorüberlegungen können wir das Ergebnis für die α s Korrekturen zur Jet-<br />

Funktion (nach Renormierung) allgemein schreiben als<br />

⎡<br />

J(µ, p 2 ) = δ(p 2 ) (1 + c J ) + ⎣ Γ ⎤<br />

J ln p2<br />

+ γ<br />

µ 2 J<br />

⎦<br />

Aus der konkreten Rechnung der 3 Diagramme ergibt sich zur Ordnung α s<br />

p 2<br />

[µ 2 ]<br />

∗<br />

, (II.276)<br />

c J ≃ α (<br />

sC F<br />

7 − π 2) , Γ J ≃ α sC F<br />

4π<br />

4π 4 , γ J ≃ − α sC F<br />

4π 3 . (II.277)<br />

Hierbei hängt die Funktion Γ J = Γ cusp wieder mit der cusp-anomalen Dimension zusammen.<br />

Da die 1/ɛ–Terme in der Berechnung der unrenormierten Jet-Funktion ebenfalls von<br />

ln(−p 2 /µ 2 ) abhängen, ergibt sich für die Jet-Funktion eine RG-Gleichung der Form<br />

dJ(µ, p 2 [<br />

] ∫<br />

)<br />

d ln µ = −2Γ J ln p2<br />

p 2<br />

µ 2 − 2γ J J(µ, p 2 ) + 2Γ J<br />

0<br />

dq 2 J(µ, p2 ) − J(µ, q 2 )<br />

p 2 − q 2 . (II.278)<br />

Man beachte, dass im 2. Term die Jet-Funktionen J(µ, q 2 ) für alle Jet-Funktionen mit<br />

q 2 ≤ p 2 in die RG-Gleichung eingehen, d.h. die RG-Gleichungen sind nicht mehr lokal<br />

in der Impulsvariablen p 2 . Ein analoges Verhalten kennen wir auch aus den Partonverteilungsfunktionen<br />

in der DIS, bei der die Evolutionsgleichungen nicht-lokal in der<br />

Björken-Variablen (Partonimpulsbruchteil) x sind.<br />

Anstelle mit Distributionen J(µ, p 2 ) zu rechnen, können wir die Laplace-Transformierten<br />

˜j(µ, ν) =<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dp 2 e −νp2 J(p 2 , µ)<br />

(II.279)<br />

betrachten, welche gewöhnliche Funktionen des zu p 2 Laplace-konjugierten Parameters<br />

ν sind, wobei in führender Ordnung einfach ˜j(µ, ν) = 1 (man beachte, dass J(p 2 , µ) nur<br />

Impulse p 2 ≥ 0 involviert). Die inverse Laplace–Transformation lautet dabei<br />

J(µ, p 2 ) = 1<br />

2πi<br />

∫ c+i∞<br />

c−i∞<br />

dν ′ e ν′ p 2 ˜j(µ, ν ′ )<br />

(II.280)<br />

146


II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />

mit c > 0 (allgemein: Kontur rechts von allen Diskontinuitäten).<br />

Schauen wir uns zunächst die Laplace-Transformierte des O(α s )-korrigierten Resultats<br />

für die Jet-Funktion an:<br />

∫ ∞<br />

˜j(µ, ν) ≃ (1 + c J ) + dp 2 e −νp2<br />

0<br />

⎡<br />

⎣ Γ ⎤<br />

J ln p2<br />

+ γ<br />

µ 2 J<br />

⎦<br />

– preliminary –<br />

p 2<br />

[µ 2 ]<br />

∗<br />

(II.281)<br />

Um das Integral zu berechnen, müssen wir das Integrationsintervall künstlich aufteilen,<br />

∫<br />

˜j(µ, ν) ≃ 1 + c J +<br />

M 2<br />

0<br />

⎡<br />

dp 2 e −νp2 ⎣ Γ ⎤<br />

J ln p2<br />

+ γ<br />

µ 2 J<br />

⎦<br />

p 2<br />

[µ 2 ]<br />

∗<br />

+<br />

∫∞<br />

M 2<br />

Γ<br />

dp 2 J ln p2<br />

+ γ<br />

e −νp2 µ 2 J<br />

p 2 ,<br />

(II.282)<br />

wobei wir im 2. Term verwendet haben, dass der Pol bei p 2 = 0 nicht im Integrationsgebiet<br />

liegt, und wir deshalb die modifizierte Plus-Distribution wieder durch die normale<br />

Funktion ersetzen können. Für die einzelnen Beiträge sind dann wohldefiniert,<br />

und<br />

∫ M 2<br />

0<br />

=<br />

⎡<br />

dp 2 e −νp2 ⎣ Γ ⎤<br />

J ln p2<br />

+ γ<br />

µ 2 J<br />

⎦<br />

∫ M 2<br />

0<br />

p 2<br />

[µ 2 ]<br />

∗<br />

( ) ⎛<br />

dp 2 e −νp2 − 1 ⎝ Γ ⎞<br />

J ln p2<br />

+ γ<br />

µ 2 J 1<br />

⎠<br />

p 2 + Γ M 2<br />

J<br />

2 ln2 µ 2 + γ J ln M 2<br />

µ 2 (II.283)<br />

∫ ∞<br />

Γ<br />

dp 2 J ln p2<br />

+ γ<br />

e −νp2 µ 2 J<br />

M 2 p 2 . (II.284)<br />

Zusammengefasst erhält man durch Bestimmung der Integrale<br />

( )<br />

1<br />

˜j(µ, ν) ≃ 1 + c J + Γ J<br />

2 ln2 (µ 2 e γ E<br />

ν) + π2<br />

− γ J ln(µ 2 e γ E<br />

ν) .<br />

12<br />

(II.285)<br />

Damit hat die Laplace-Transformierte eine analoge Form wie die harte Koeffizientenfunktion,<br />

und entsprechend erhält man wieder eine lokale Evolutionsgleichung,<br />

(<br />

)<br />

d˜j(µ, ν)<br />

d ln µ = 1<br />

−2Γ J ln<br />

µ 2 ν e γ − 2γ J<br />

˜j(µ, ν) ,<br />

(II.286)<br />

E<br />

mit der entsprechenden Lösung wie für die harte Funktion.<br />

Um daraus wieder das resummierte Resultat für die ursprüngliche Jet-Funktion zu erhalten,<br />

muss man eine inverse Laplace-Transformation durchführen. Dies lässt sich bewerkstelligen,<br />

wenn man realisiert, dass die Laplace-Transformierte Jet-Funktion eine<br />

1<br />

Funktion der logarithmischen Variable L = ln ist, so dass<br />

µ 2 νe γ E<br />

˜j(µ, ν) −→ ˜j(µ, L = ln<br />

1<br />

µ 2 νe γ E ) . 147


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Weiterhin soll die Potenzreihe in der Variable L durch Ableitungen bzgl. der Variablen<br />

η j ≡ 2A Γ (µ j , µ) = −Γ J ln µ2<br />

µ 2 j<br />

≥ 0 (für µ ≤ µ j ∼ √ p 2 ) ,<br />

generiert werden, wobei die Funktion A Γ (µ j , µ) bereits bei der Evolution des Matching-<br />

Koeffizienten definiert wurde.<br />

Behauptung: Das allgemeine Ergebnis hat dann die Form<br />

J(µ, p 2 ) = exp [−4S(µ j , µ) + 2A J (µ j , µ)] ˜j(µ j , L → ∂ ηj ) 1 ( )<br />

p<br />

2 ηj<br />

e<br />

−γ E η j<br />

p 2 Γ(η j ) , (II.287)<br />

wobei die Funktion A J analog zu A C mit γ J anstelle von γ C zu berechnen ist.<br />

Beweis: Wir berechnen ˜j(µ, ν) aus der obigen Formel für J(µ, p 2 ) durch Laplace-Trafo<br />

und zeigen, dass die so berechnete Funktion die DGL für ˜j mit gegebener Anfangsbedingung<br />

bei µ j ∼ √ τs erfüllt. Somit<br />

˜j(µ, ν) = exp[−4S + 2A J ] ˜j(µ j , L → ∂ ηj ) e−γ Eη j<br />

Γ(η j )<br />

= exp[−4S + 2A J ] ˜j(µ j , L → ∂ ηj ) e−γ Eη j<br />

Γ(η j )<br />

– preliminary –<br />

µ 2 j<br />

∫ ∞<br />

dp 2 e 1 ( )<br />

p<br />

2 ηj<br />

−νp2<br />

0<br />

p 2 µ 2 j<br />

} {{ }<br />

(<br />

1<br />

µ 2 j ν ) ηj<br />

Γ(η j )<br />

= exp [−4S + 2A J ] ˜j(µ j , L → ∂ ηj ) exp[η j · L] . (II.288)<br />

Da der Ableitungsoperator jetzt einfach auf die Exponentialfunktion mit innerer Ableitung<br />

L wirkt, können wir ∂ ηj wieder durch L ersetzen (und den Wert von η j dann wieder durch<br />

A J ausdrücken) und erhalten somit<br />

˜j(µ, ν) = exp [−4S + 2A J ] ˜j(µ j , L) exp[2A J L]<br />

( )<br />

1 −2AJ<br />

= exp [−4S + 2A J ] ˜j(µ j , L)<br />

, (II.289)<br />

µ 2 νe γ E<br />

was gerade der analogen Form der Lösung wie im Fall des harten Matchingkoeffizienten<br />

entspricht.<br />

In der LLA können wir ˜j = 1 und A J = 0 setzen (aber η j ≠ 0), und erhalten<br />

J(µ, p 2 ) ≃ exp [−4S(µ j , µ)] 1 ( )<br />

p<br />

2 ηj<br />

e<br />

−γ E η j<br />

p 2 Γ(η j ) .<br />

(II.290)<br />

Anmerkungen:<br />

• Die Definition der Jet–Funktion und die störungstheoretische Berechnung der α s –<br />

Korrekturen sowie die Aufsummation der Logarithmen ln p 2 /µ 2 ist völlig allgemein.<br />

Das Resultat für J(µ, p 2 ) kann deshalb in allen Anwendungen benutzt werden,<br />

bei denen (masselose) Quarks mit grossem Relativimpuls erzeugt werden und als<br />

hadronische Jets beobachtet werden (Beispiel: Der inklusive Zerfall B → X s γ oder<br />

B → X u lν).<br />

µ 2 j<br />

148


II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />

• Für µ → µ j in (II.290) erhalten wir wieder<br />

J(µ j , p 2 ) ≃ lim<br />

ηj →0<br />

(<br />

1 p<br />

2<br />

p 2 µ 2 j<br />

) ηj<br />

e<br />

−γ E η j<br />

Γ(η j ) = δ(p2 )<br />

(II.291)<br />

• Die RG-Evolution von µ j ∼ √ p 2 ∼ √ τs nach µ ≃ µ s ∼ τ √ s generiert aus der<br />

ursprünglich um p 2 = 0 konzentrierten Jetkonfiguration J(µ j , p 2 ) ≃ δ(p 2 ) dann<br />

also eine Funktion mit einer kontinuierlichen Verteilung in p 2 , die bei p 2 → 0<br />

schwächer als 1/p 2 divergiert.<br />

II.7.4.2 Die softe Funktion S T (µ, k)<br />

In der soften Funktion S T absorbieren wir die effekte der weichen Gluonen (und Quarks).<br />

In führender Ordnung tragen dabei zum zeitgeordneten Produkt der Stromoperatoren<br />

nur die soften Wilson-Linien bei, die wir benutzt hatten, um die soften und kollinearen<br />

Felder in der führenden SCET-Lagrangedichte zu entkoppeln. D.h.<br />

S T (µ, k) = ∑ ∣<br />

∣〈X|Y s †<br />

Y¯s |0〉 ∣ 2 δ(k − n − p X − n + p X ) (II.292)<br />

X<br />

• Wenn die softe Skala µ s ∼ τ √ s noch groß gegen Λ QCD ist, können wir die softe<br />

Funktion perturbativ berechnen.<br />

• In jedem Fall erhalten wir aus dem UV-Verhalten des definierenden Operators<br />

wieder eine RG-Gleichung für S T (µ, k). Diese muss insbesondere gewährleisten,<br />

dass die µ-Abhängigkeit der harten Koeffizientenfunktionen und der Jet-Funktionen<br />

kompensiert wird. (vgl. mit Übung). Man erhält wieder eine nicht-lokale Gleichung<br />

[<br />

dS T (µ, k)<br />

= 4Γ cusp ln k ] ∫ k<br />

d ln µ<br />

µ − 2γ S S T (µ, k) − 4Γ cusp dk ′ S T (µ, k) − S T (µ, k ′ )<br />

0<br />

k − k ′ ,<br />

(II.293)<br />

die analog zur Jet-Funktion gelöst werden kann. Hierbei muss<br />

γ S = γ H − 2γ J und entsprechend A S (µ ′ , µ) = A H (µ ′ , µ) − 2A J (µ ′ , µ) (II.294)<br />

gelten.<br />

• Wenn die softe Skala nicht-perturbativ ist, kann man die softe Funktion parametrisieren<br />

und an die experimentellen Observablen fitten. Da die softe Funktion wieder universell<br />

ist, ergeben sich dadurch nicht-triviale Vorhersagen für Messungen bei verschiedenen<br />

Werten von s. Eine einfache Möglichkeit, das bekannte perturbative<br />

Verhalten mit einer nicht-perturbativen Funktion zu reproduzieren, besteht darin,<br />

das perturbative Ergebnis (d.h. die softe Funktion für quasi-freie gluonische Partonen)<br />

mit einer einfachen Ansatzfunktion zu falten,<br />

∫<br />

S(µ, k) := dk ′ S pert. (k − k ′ , µ) f NP (k ′ )<br />

– preliminary –<br />

149


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

Ein einfaches 1-Parameter Modell ergibt sich z.B. aus f NP (k ′ ) = δ(k ′ − λ), so dass<br />

S(µ, k) = S pert. (µ, k − λ), was einer einfachen Verschiebung entlang k um einen<br />

Betrag λ ∼ O(100 MeV) entspräche. 2-Parameter–Modelle lassen sich entsprechend<br />

aus einer Gauss-Verteilung für f NP (k ′ ) konstruieren.<br />

II.7.4.3 Zusammenfassung:<br />

Mit den obigen Ingredienzien können wir die Faktorisierung der Thrust-Verteilung und<br />

die Resummation der großen Logarithmen in τ in der Störungstheorie analytisch beschreiben.<br />

Insbesondere ergibt sich für die Laplace-Transformierte der Thrust-Verteilung aus<br />

∫<br />

∫<br />

(<br />

1 dσ<br />

σ 0 dτ = H(µ, s) dp 2 d(p ′ ) 2 J(µ, p 2 ) J(µ, p ′2 ) dk S T (µ, k) δ τ − p2 + p ′ 2<br />

− k )<br />

√ ,<br />

s s<br />

das Resultat<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dτ e −ˆντ 1 ∫<br />

∫<br />

(<br />

dσ<br />

σ 0 dτ = H(µ, s) dp 2 d(p ′ ) 2 J(µ, p 2 ) J(µ, p ′2 ) dk S T (µ, k) e −ˆν<br />

= H(µ, s)<br />

(˜j(µ, ˆν/s)) 2<br />

˜sT (µ, ˆν/ √ s) ,<br />

p 2 +p ′2<br />

s + k √ s<br />

)<br />

(II.295)<br />

d.h. im Laplace-Raum wird die Faktorisierung durch ein einfaches Produkt von harten<br />

Koeffizientenfunktion und Laplace-transformierten Jet- und Soften-Funktionen beschrieben.<br />

Hierbei ist<br />

ˆν ∼ 1/τ .<br />

Die RG-Evolution der einzelnen Funktionen zwischen den typsichen Skalen lautet<br />

H(µ, s) = H(µ h , s) exp [4S(µ h , µ) − 2A H (µ h , µ)]<br />

(II.296)<br />

– preliminary –<br />

(<br />

s<br />

µ 2 h<br />

(<br />

s<br />

) −2AΓ (µ h ,µ)<br />

˜j(µ, ˆν s ) = ˜j(µ j , ˆν s ) exp [−4S(µ j, µ) + 2A J (µ j , µ)]<br />

µ 2 j ˆνeγ E<br />

(<br />

ˆν<br />

ˆν<br />

s<br />

˜s T (µ, √ ) = ˜s T (µ s , √ ) exp [4S(µ s , µ) + 2A S (µ s , µ)]<br />

s s µ 2 s ˆν 2 e 2γ E<br />

,<br />

) 2AΓ (µ j ,µ)<br />

) −2AΓ (µ s,µ)<br />

(II.297)<br />

Aufgrund der Kompositionseigenschaft der Evolutionsfunktionen, S(µ 1 , µ 3 ) = S(µ 1 , µ 2 )+<br />

S(µ 2 , µ 3 ) vereinfachen sich die Terme im Produkt entsprechend, z.B.<br />

4S(µ h , µ) − 2 · 4S(µ j , µ) + 4S(µ s , µ) = 4S(µ h , µ j ) − 4S(µ j , µ s ) ,<br />

(II.298)<br />

so dass sich die µ-Abhängigkeit explizit aufhebt. Mit A S = A H −2A J ergibt sich weiterhin<br />

−2A H (µ h , µ) + 2 · 2A J (µ j , µ) + 2A S (µ s , µ) = −2A H (µ h , µ s ) + 4A J (µ j , µ s )<br />

= −2A H (µ h , µ j ) − 2A S (µ j , µ s ) , (II.299)<br />

150


II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />

was wiederum unabhängig von µ ist. Entsprechend erhalten wir für die s- und ν-Abhängigkeit<br />

s −2A Γ(µ h ,µ)+4A Γ (µ j ,µ)−2A Γ (µ s,µ) = s −2A Γ(µ h ,µ j )+2A Γ (µ j ,µ s) ,<br />

(νe γ E<br />

) −4A Γ(µ j ,µ)+4A Γ (µ s,µ) = (νe γ E<br />

) −4A Γ(µ j ,µ s) .<br />

(II.300)<br />

Bestimmung von α s aus Thrust-Verteilung bei LEP: Eine aktuelle Anwendung dieser<br />

Methoden (zur N 3 LL Genauigkeit) führt zu einer sehr genauen Bestimmung der starken<br />

Kopplungskonstanten aus den bei LEP gemessenen Thrust-Verteilungen [7],<br />

– preliminary –<br />

α s (m Z ) = 0.1772 ± 0.0010 stat. ± 0.0008 sys. ± 0.0012 had ± 0.0012 pert.<br />

151


II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />

II.8 Ausblick / Weiter Anwendungen der renormierten<br />

Störungstheorie und Faktorisierung<br />

• Hadronen mit schweren Quarks (Faktorisierung von harten Fluktuationen des<br />

schweren Quarks von weichen Effekten einer quasi-statischen Farbquelle → “heavy<br />

quark effective theory” – HQET)<br />

• Strahlungskorrekturen zu elektroschwachen Präzisionsobservablen, z.B. m W /m Z<br />

vs. cos θ W .<br />

• Präzisionsvorhersagen für Erzeugung und Zerfall von Teilchen am LHC.<br />

– preliminary –<br />

152


Literaturverzeichnis<br />

[1] Michael E. Peskin, Daniel V. Schroeder, An introduction to Quantum Field Theory,<br />

Westview Press, 1995.<br />

[2] Steven Weinberg, The Quantum theory of fields, Cambridge <strong>Uni</strong>v. Press, 1995.<br />

[3] Lewis H. Ryder, Quantum Field Theory, Cambridge <strong>Uni</strong>v. Press, 1996.<br />

[4] John C. Collins, Renormalization: An introduction to renormalization group, and<br />

the operator-product expansion, Cambridge <strong>Uni</strong>v. Press, 1984.<br />

[5] Claude Itzykson and Jean-Bernard Zuber, Quantum field theory, McGraw-Hill,<br />

1980.<br />

[6] R.K. Ellis, W.J. Stirling, B.R. Webber, QCD and collider physics, Cambridge <strong>Uni</strong>v.<br />

Press, 1996.<br />

[7] T. Becher, M. D. Schwartz, A Precise determination of α s from LEP thrust data<br />

using effective field theory, JHEP 0807 (2008) 034 [arXiv:0803.0342 [hep-ph]].<br />

– preliminary –<br />

153

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