Skript - Theoretische Physik 1 (Elementarteilchenphysik) / Uni ...
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<strong>Uni</strong>versität Siegen WiSe 12/13<br />
Fachbereich <strong>Physik</strong><br />
Vorlesungsskript<br />
<strong>Theoretische</strong> Teilchenphysik 2<br />
Vorab-Version<br />
27. März 2013<br />
Gelesen von Prof. Dr. Thorsten Feldmann<br />
– preliminary –
– preliminary –<br />
Dieses <strong>Skript</strong> wurde mit Hilfe von KOMA-Script und L A TEX gesetzt.<br />
Kommentare und Fehlermeldungen bitte an thorsten.feldmann@uni-siegen.de.
Inhaltsverzeichnis<br />
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED 5<br />
I.1 Radiative Korrekturen in der QED . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
I.1.1 Bremsstrahlung mit “weichen” Photonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
I.1.2 Berechnung der Elektron-Vertexkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
I.1.2.1 Berechnung des Formfaktor B(q 2 ) bzw. F 2 (q 2 ) . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
I.1.2.2 Berechnung des Formfaktors A(q 2 ) bzw. F 1 (q 2 ) . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
I.1.3 Aufsummation und Interpretation der IR-Divergenzen . . . . . . . . . . . 21<br />
I.1.4 2-Punkt–Funktion des Elektrons in der QED-Störungstheorie . . . . . . . 25<br />
I.1.5 Renormierung der elektrischen Ladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
I.1.5.1 Berechnung von Π(q 2 ) in der Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
I.1.6 Symmetrien im Pfadintegralformalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie . . . . . . 36<br />
I.2.1 Oberflächlicher Divergenzgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
I.2.2 Renormierte Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />
I.2.3 Das MS–Renormierungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
I.2.4 Renormierungsgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />
I.2.4.1 RG-Verhalten von Green-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />
I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />
I.3.1 ABJ-Anomalie in der Störungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />
I.3.2 Anwedung 1:<br />
Anomaliefreiheit von Fermiondarstellungen in chiralen Eichtheorien . . . . 60<br />
I.3.3 Anwendung 2: Der Zerfall π 0 → 2γ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />
I.3.4 Kurzzusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD) 67<br />
II.1 1-Schleifenkorrekturen in nichtabelschen Eichtheorien . . . . . . . . . . . . 67<br />
II.2 Laufende Kopplung in der QCD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />
II.3 Einschub: Laufende Kopplung und RG-Fixpunkte . . . . . . . . . . . . . . 75<br />
II.4 Operatorproduktentwicklung in e + e − → Hadronen . . . . . . . . . . . . . 76<br />
II.4.1 Das Optische Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />
II.4.2 Anwendung auf e + e − → Hadronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />
II.4.2.1 Störungstheoretische Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />
II.4.2.2 Operatordarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />
II.4.2.3 Das Problem mit zeitartigen Impulsüberträgen . . . . . . . . . . . . . . . . 81<br />
– preliminary –<br />
3
Inhaltsverzeichnis<br />
II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks . . . . . . . . . . . . . . . . 83<br />
II.5.1 Strahlungskorrekturen zu schwachen Zerfällen . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />
II.5.1.1 Z-Faktoren und anomale Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />
II.5.1.2 Lösung der RG-Gleichung für die Wilson-Koeffizienten . . . . . . . . . . . 90<br />
II.5.1.3 Zur Notation L(eading)L(og) vs. N(ext-to)L(eading)L(og): . . . . . . . . . 92<br />
II.5.2 Anwendung auf hadronischen Zerfall ¯B0 → D + π − . . . . . . . . . . . . . . 93<br />
II.5.3 “Pinguin”-Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />
II.6.1 Partonbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102<br />
II.6.2 Operatordefinition der Partonverteilungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . 104<br />
II.6.3 Strahlungskorrekturen zum Partonbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107<br />
II.6.3.1 Explizite Berechnung der Korrekturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110<br />
II.6.3.2 Beiträge von Gluon-PDFs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />
II.6.4 Skalenverletzung und DGLAP-Evolutionsgleichungen . . . . . . . . . . . . 118<br />
II.6.4.1 DGLAP-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />
II.6.4.2 Lösung der DGLAP-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120<br />
II.6.4.3 “Polarisierte Partonverteilungen” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123<br />
II.6.4.4 Verwandte Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126<br />
II.7.1 IR-Divergenzen und Jet-Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126<br />
II.7.2 Event-Shapes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />
II.7.3 Einige Features der Soft-collinear effective theory (SCET) . . . . . . . . . 136<br />
II.7.3.1 Elektromagnetischer Strom für e + e − → q¯q in SCET . . . . . . . . . . . . . 139<br />
II.7.3.2 Harter Matching-Koeffizient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141<br />
II.7.4 Faktorisierungstheorem für Thrust-Verteilung nahe τ → 0 . . . . . . . . . 142<br />
II.7.4.1 Die Jet-Funktion J(µ, p 2 ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />
II.7.4.2 Die softe Funktion S T (µ, k) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149<br />
II.7.4.3 Zusammenfassung: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150<br />
II.8 Ausblick / Weiter Anwendungen der renormierten Störungstheorie und<br />
Faktorisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152<br />
– preliminary –<br />
4
I<br />
Kapitel I<br />
Radiative Korrekturen und<br />
Renormierung in der QED<br />
Wiederholung: Zentrale Ergebnisse der QED aus TTP 1<br />
Wir fassen noch einmal kurz die Lagrangedichte der QED und die daraus resultierenden<br />
Feynman-Regeln zusammen:<br />
(a) Die Lagrangedichte der QED setzt sich zusammen aus<br />
mit<br />
L QED = L Fermion + L Eichfeld + L Eichfixierung<br />
– preliminary –<br />
(I.1)<br />
– fermionischer Anteil für Dirac-Fermionen mit Masse m (z.B. Elektron/Positron,<br />
oder auch Quark/Antiquark)<br />
wobei die kovariante Ableitung durch<br />
L Fermion = ¯ψ (iD/ − m) ψ ,<br />
iD µ = i∂ µ − e A µ (x)<br />
(I.2)<br />
(I.3)<br />
gegeben ist. Wir benutzen dabei die Konvention von [1], bei der e = −|e|.<br />
(Für Quarks muss hier der entsprechende relative Ladungsfaktor eingefügt<br />
werden, Q u /Q e = −2/3 bzw. Q d /Q e = +1/3.)<br />
Die kovariante Ableitung garantiert die Eichinvarianz der Lagrangedichte<br />
unter lokalen Phasentransformationen der Materiefelder und gleichzeitiger<br />
Transformation des Eichfeldes,<br />
ψ(x) → e iα(x) ψ(x) ,<br />
A µ (x) → A µ (x) − 1 e ∂ µα(x) .<br />
(I.4)<br />
Die Transformationen bilden eine unitäre (Eich-)gruppe U(1).<br />
5
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
– Die Dynamik der Eichfelder wird durch<br />
L Eichfeld = − 1 4 F µνF µν<br />
(I.5)<br />
beschrieben, mit dem Feldstärketensor F µν = ∂ µ A ν − ∂ ν A µ . Zusammen mit<br />
L Fermion ergeben die Euler-Lagrange–Gleichungen dann gerade die (inhomogenen)<br />
Maxwell-Gleichungen.<br />
– In der quantisierten Theorie müssen wir zusätzlich einen Eichfixierungsterm<br />
hinzunehmen. Für allgemeine kovariante Eichungen lautet dieser<br />
L Eichfix. = − 1 2ξ (∂ µA µ ) 2 .<br />
– preliminary –<br />
(I.6)<br />
Damit lässt sich der Photonpropagator durch Invertieren des quadratischen<br />
Terms in den Eichfeldern ablesen. <strong>Physik</strong>alische Observable hängen nicht vom<br />
Eichparameter ξ ab. In der QED benutzen wir deshalb meistens die Feynman-<br />
Eichung (ξ = 1).<br />
(b) Aus der QED-Lagrangedichte ergeben sich die Feynman-Regeln der QED (Impulsraum):<br />
– Photonpropagator (meistens Feynman-Eichung, ξ = 1):<br />
D µν<br />
F (k) = i<br />
(−g µν<br />
k 2 + (1 − ξ) kµ k ν )<br />
+ iɛ<br />
k 2<br />
– Dirac-Propagator (Pfeilrichtung bezeichnet Ladungsfluss):<br />
[ ]<br />
i(p/ + m)<br />
[S F (p)] αβ<br />
=<br />
p 2 − m 2 + iɛ<br />
– QED-Vertex:<br />
– externe Teilchen:<br />
– weitere Regeln:<br />
externes Photon :<br />
externes Fermion :<br />
externes Antifermion :<br />
(−ieγ µ ) αβ<br />
ɛ (∗)<br />
(–)<br />
µ (k, σ = ±1) ,<br />
u (p, s) ,<br />
(–)<br />
v (p, s) .<br />
∗ Multiplikation von Dirac-Matrizen entgegengesetzt zum Ladungsfluss<br />
∗ Faktor (-1) für geschlossene Fermionlinien<br />
∗ Impulserhaltung an jedem Vertex<br />
∗ Integration ∫ über unbestimmte (Schleifen-)Impulse<br />
d 4 p<br />
(2π) 4<br />
αβ<br />
(I.7)<br />
(I.8)<br />
(I.9)<br />
(I.10)<br />
6
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
Wir betrachten als Beispiel die Streuung eines Elektrons an einem anderen geladenen<br />
Teilchen (z.B. einem Myon). Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass m µ ≫ m e .<br />
Klassisch erwarten wir, dass die während der Streuung beschleunigten Ladungen elektromagnetische<br />
Strahlung aussenden, wobei die Strahlungskorrekturen von den schweren<br />
Teilchen kleiner sein sollten als jene von den leichten Teilchen.<br />
In führender Ordnung (entspricht Bornscher Näherung) hatten wir den Streuquerschnitt<br />
in TTP 1 aus dem Baumgraphen-Diagramm (“tree-level”)<br />
hergeleitet. Die 2 QED-Vertizes implizieren, dass die Streuamplitude von der Ordnung<br />
e 2 = 4πα ist, wobei α = α em ≃ 1/137 die Feinstrukturkonstante bezeichnet.<br />
Für die Korrekturen höherer Ordnung in α betrachten wir alle Feynman-Diagramme mit<br />
2 zusätzlichen Vertizes (wobei wir uns aufgrund der obigen Argumentation auf Vertizes<br />
mit Elektronen beschränken können).<br />
} {{ } } {{ } } {{ }<br />
“Vertexkorrektur” “Korrektur zu ext. Linien” “Vakuum-Polarisation”<br />
Die Korrekturen zu den externen Linien stellen keine amputierten Diagramme dar (siehe<br />
Diskussion in TTP 1) und gehören deshalb nicht zur S-Matrix – wir kommen später aber<br />
noch auf deren Bedeutung zurück.<br />
Bevor wir die Diagramme explizit berechnen, wollen wir schon einen kurzen Ausblick<br />
auf die zu erwartenden neuen Phänomene geben:<br />
• Das Ergebnis für jedes individuelle Diagramm ist mathematisch nicht wohl-definiert!<br />
• Man unterscheidet 2 Arten von Effekten:<br />
– preliminary –<br />
(i) Ultraviolett-Divergenzen in Schleifendiagrammen aus der Integration über die<br />
(unbestimmten) Schleifenimpulse, schematisch:<br />
∫<br />
d 4 k (k 2 ) m<br />
(2π) 4 (k 2 − ∆ 2 + iɛ) n (I.11)<br />
Für n − m ≤ 2 fällt der Integrand für große Impulse (|k| → ∞) nicht schnell<br />
genug ab.<br />
7
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
(ii) Infrarot-Divergenzen können auftreten, wenn masselose Teilchen in den Schleifendiagrammen<br />
propagieren, und der Integrand für k → 0 wie 1/k 4 oder stärker<br />
ansteigt.<br />
• Der Ausweg aus dem anscheinenden Dilemma ergibt sich durch folgende physikalische<br />
Überlegungen:<br />
Für (i): Der Grenzwert k → ∞ entspricht einer Ortsauflösung von ∆x → 0, d.h. wir<br />
wenden unsere Theorie für (virtuelle) Teilchen mit beliebig hohem Impuls<br />
(bzw. unendlich hoher Ortsauflösung) an. [Ein ähnliches Problem erhalten<br />
wir bereits bei der klassischen Berechnung der Wechselwirkungsenergie des<br />
Elektrons mit seinem eigenen elektromagnetischen Feld.] Die physikalischen<br />
Messgrößen beziehen sich dagegen auf endliche Impulse/Ortsauflösung. Die<br />
UV-Divergenzen müssen deshalb in eine Redefinition (→ Renormierung) der<br />
ursprünglichen Parameter in der Lagrangedichte absorbiert werden.<br />
Die Grundidee der Renormierung ist dabei die Parameter der Theorie, so<br />
anzupassen, dass:<br />
<strong>Theoretische</strong> Ausdrücke zu gegebener Ordnung der Störungstheorie<br />
– preliminary –<br />
!<br />
≡<br />
Referenz-Experiment(e) bei endlicher Ortsauflösung (i.e. Referenz-Energie).<br />
Sind die Parameter der Theorie durch endlich viele experimentelle Größen<br />
fixiert, so können für andere experimentelle Observablen und/oder andere<br />
Kinematik eindeutige theoretische Vorhersagen berechnet werden.<br />
Für (ii): Wir müssen auch “reelle” Strahlungskorrekturen berücksichtigen, welche dem<br />
Prozess e − µ − → e − µ − + γ(k) entsprechen und (zur relativen Ordnung α)<br />
durch folgende Diagramme beschrieben werden:<br />
} {{ } } {{ }<br />
“initial-state radiation (ISR)” “final-state radiation (FSR)” (I.12)<br />
Betrachten wir hierbei jeweils den Nenner des intermediären Elektronpropagators,<br />
(p − k) 2 − m 2 + iɛ = −2 p · k + iɛ ,<br />
8
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
so verschwindet dieser für k → 0, was zusammen mit der Phasenraumintegration<br />
über den Photonimpuls<br />
∫<br />
d 3 k<br />
(2π) 3 2ω k<br />
(mit ω k = k 0 = | ⃗ k|)<br />
wieder eine IR-Divergenz erzeugt (s.u.). Wir werden sehen, dass diese Divergenz<br />
gerade jene von den virtuellen Korrekturen aufhebt, wenn wir die Summe<br />
der Wirkungsquerschnitte<br />
betrachten.<br />
dσ(e − µ − → e − µ − ) + dσ(e − µ − → e − µ − + γ)<br />
In der Tat können wir experimentell nur Photonen mit einer Minimalenergie<br />
E min detektieren, d.h. prinzipiell messen wir<br />
dσ 1 = dσ(e − µ − → e − µ − ) + dσ(e − µ − → e − µ − + γ(k)) ∣ k 0
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
zu<br />
[<br />
iM = −ie ū(p ′ ) M 0 (p ′ , p − k)<br />
+γ µ ɛ ∗ µ(k)<br />
i(p/ − k/ + m)<br />
(p − k) 2 − m 2 + iɛ γµ ɛ ∗ µ(k)<br />
]<br />
u(p) ,<br />
i(p/ ′ + k/ + m)<br />
(p ′ + k) 2 − m 2 + iɛ M 0(p ′ + k, p)<br />
– preliminary –<br />
(I.15)<br />
wobei k µ den Impuls des abgestrahlten Photons bezeichnet und ɛ ∗ µ den zugehörigen<br />
Polarisationsvektor.<br />
Aufgrund der Vorbemerkungen interessieren wir uns insbesonder für den Fall weicher<br />
Photonen,<br />
|k µ | ≪ |p µ |, |p ′µ | .<br />
Dann können wir nähern:<br />
sowie<br />
M 0 (p ′ , p − k) ≈ M 0 (p ′ + k, p) ≈ M 0 (p ′ , p)<br />
p/ − k/ ≈ p/ und p/ ′ + k/ ≈ p/ ′ ,<br />
während wir im Nenner k ≠ 0 belassen müssen. Weiterhin können wir die Dirac-Struktur<br />
im Zähler durch Anwendung der Dirac-Gleichung vereinfachen, z.B.<br />
(p/ + m) ɛ/ ∗ u(p) = (2p · ɛ ∗ + ɛ/ ∗ (−p/ + m)) u(p) = 2 p · ɛ ∗ u(p)<br />
und analog für ū(p ′ ). Damit ergibt sich ingesamt<br />
{ (<br />
iM = ū(p ′ ) M 0 (p ′ p′ · ɛ ∗<br />
, p) u(p) × e<br />
p ′ · k − p · )}<br />
ɛ∗<br />
p · k<br />
(I.16)<br />
(I.17)<br />
d.h. das Ergebnis faktorisiert in ursprüngliche Amplitude × einer universellen Funktion<br />
für Photonabstrahlung. Damit faktorisiert auch der differentielle Wirkungsquerschnitt<br />
(nach Quadrieren der Streuamplitude und Mittelung/Summierung über Spins/Helizitäten),<br />
∫soft<br />
dσ(p → p ′ + γ soft ) = dσ(p → p ′ d 3 k 1<br />
) ×<br />
(2π) 3 2ω k<br />
} {{ }<br />
≡ dσ(p → p ′ ) × dσ soft<br />
Phasenraum für weiche Photonen<br />
∑<br />
∣ ∣∣∣<br />
e 2 p ′ · ɛ<br />
p ′ · k − p · ɛ<br />
2<br />
p · k ∣<br />
λ=±<br />
(I.18)<br />
Die Summe über die Photon-Helizitäten kann explizit ausgeführt werden<br />
∑<br />
ɛ (λ)<br />
µ ɛ ∗ ν(λ) → −g µν (I.19)<br />
λ=±<br />
(wobei ( die Terme mit k µ k ν aufgrund der Eichinvarianz explizit herausfallen,<br />
)<br />
k µ p ′ µ<br />
= 0). Damit ergibt sich<br />
pµ<br />
p ′·k<br />
−<br />
p·k<br />
∫<br />
dσ soft =<br />
(<br />
p<br />
˜dk (−e 2 ′<br />
µ<br />
)<br />
p ′ · k − p ) 2 ∫<br />
µ<br />
= e 2<br />
p · k<br />
(<br />
2 p ˜dk<br />
′ )<br />
· p<br />
(p ′ · k)(p · k) − m2<br />
(p ′ · k) 2 − m2<br />
(p · k) 2<br />
(I.20)<br />
10
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
Wir zerlegen nun die externen Impulse in “Betrag” und Richtungsvektoren (in einem<br />
Bezugsystem, in dem E = E ′ ),<br />
k µ = k 0<br />
(1, ˆk<br />
)<br />
, p µ = E (1, ⃗v) , p ′µ = E ( 1, ⃗v ′) ,<br />
so dass wir die Winkelintegration im Photonphasenraum separieren können,<br />
∫soft<br />
(<br />
dσ soft = ˜dk e2 2(1 − ⃗v · ⃗v ′ )<br />
k 2 (1 − ⃗v · ˆk)(1 − ⃗v ′ · ˆk) − m2 /E 2<br />
(1 − ⃗v · ˆk) − m2 /E 2 )<br />
2 (1 − ⃗v ′ · ˆk) 2<br />
= α ∫ Emin<br />
∫ dk<br />
π × dΩk<br />
×<br />
k 4π (· · · )<br />
} {{ } } {{ }<br />
IR-divergent = I(⃗v, ⃗v ′ )<br />
(I.21)<br />
Das Winkelintegral I(⃗v, ⃗v ′ ) ist elementar berechenbar (siehe Übung ). Das Integral über<br />
die Photonenergie ist IR-divergent und kann z.B. durch eine untere Schranke µ (“cutoff”)<br />
oder alternativ durch eine fiktive Photonmasse regularisiert werden,<br />
Damit ergibt sich<br />
∫ Emin<br />
∫ dk Emin<br />
k → dk<br />
k = ln E min<br />
µ .<br />
µ<br />
dσ soft = α π ln E min<br />
µ I(⃗v, ⃗v′ ) . (I.22)<br />
Im relativistischen Limes, E 2 ≫ m 2 , trägt im Winkelintegral nur der erste Term in<br />
runden Klammern bei, wobei das Resultat von den Nullstellen des Nenners,<br />
1 − ⃗v · ˆk = 0 oder (1 − ⃗v ′ · ˆk) = 0<br />
dominiert wird. Man erhält dann das approximative Resultat<br />
I(⃗v, ⃗v ′ ) ≃ 2 ln −q2<br />
m 2 mit q 2 = (p ′ − p) 2 < 0 (I.23)<br />
Damit erhalten wir für den relativistischen Grenzfall<br />
dσ(p → p ′ + γ soft ) E2 ≫m<br />
= 2<br />
dσ(p → p ′ ) × α ( ) ( )<br />
E<br />
2<br />
π ln min −q<br />
2<br />
µ 2 ln<br />
m 2<br />
– preliminary –<br />
(I.24)<br />
Das Ergebnis ist in der Literatur als sog. “Sudakov-Doppel-Logarithmus” bekannt. Hierbei<br />
divergiert der erste Logarithmus für µ → 0 und der zweite Logarithmus für q 2 → ∞<br />
bzw. m → 0.<br />
11
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
I.1.2 Berechnung der Elektron-Vertexkorrektur<br />
– Diagramm – mit q 2 = (p ′ − p) 2<br />
Bevor wir den Ausdruck für das Vertexdiagramm explizit berechnen, überlegen wir uns<br />
zunächst einige allgemeine Eigenschaften:<br />
• Die Streuamplitude unter Berücksichtigung aller Korrekturen zum Elektron-Photon-<br />
Vertex kann allgemein geschrieben werden als<br />
iM = ie 2 ( ū(p ′ ) Γ µ (p ′ , p) u(p) ) 1 q 2 J muon<br />
µ , (I.25)<br />
wobei der erste Term die sog. Vertexfunktion<br />
Γ µ (p ′ , p) = γ µ + O(α)<br />
– preliminary –<br />
(I.26)<br />
einführt, während die restlichen Faktoren den Photonpropagator und den (klassisch<br />
angenommenen) Myon-Strom darstellen.<br />
• Die Vertexfunktion erfüllt alle Symmetrien: Lorentz-Symmetrie, Parität, Eichsymmetrie<br />
(Stromerhaltung)<br />
• Die Lorentz-Symmetrie erlaubt die Entwicklung der Vertexfunktion in skalare<br />
Funktionen und elementare Lorentz-Vektoren:<br />
Γ µ (p ′ , p) := A(q 2 ) γ µ + B(q 2 ) (p ′µ + p µ ) + C(q 2 ) (p ′µ − p µ )<br />
(I.27)<br />
Hierbei bezeichnen A, B, C sog. Formfaktoren, welche nur von Lorentz-Invarianten<br />
q 2 (und implizit auch m 2 ) abhängen.<br />
Anm.: Weitere Lorentzstrukturen, die auf der rechten Seite auftauchen könnten:<br />
– σ µν (p ′ ν + p ν ) — trägt nicht bei nach Anwendung der Dirac-Gleichung.<br />
– σ µν (p ′ ν − p ν ) — ist zwischen den Dirac-Spinoren ū(p ′ )[..]u(p) linear abhängig<br />
von γ µ und (p ′µ + p µ ) (siehe unten).<br />
– ɛ µνρσ γ ν p ′ ρp σ oder γ µ γ 5 haben die falsche (negative) Pariät.<br />
• Die Eichsymmetrie impliziert die Stromerhaltung ∂ µ j µ = 0. Auf Born-Level gilt<br />
demnach<br />
q µ ( ū(p ′ )γ µ u(p) ) = 0 ,<br />
was sich auf die Vertexfunktion verallgemeinert<br />
q µ ( ū(p ′ )Γ µ (p ′ , p)u(p) ) = 0 .<br />
(I.28)<br />
Relationen dieser Art bezeichnet man allgemein als Ward-Identitäten (eine formale<br />
Diskussion folgt später). U.a. hat dies zur Folge, dass die Abhängigkeit vom<br />
Eichparameter in phys. Amplituden verschwindet, denn<br />
(ū(p ′ )Γ µ (p ′ , p)u(p) ) i (<br />
q 2 −g µν + (1 − ξ) q )<br />
µq ν<br />
q 2 = ( ū(p ′ )Γ ν (p ′ , p)u(p) ) −i<br />
q 2 .<br />
12
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
Für unsere allgemeine Parametrisierung heisst das<br />
(<br />
ū(p ′ ) A q/ + B q · (p ′ + p) + C q 2) u(p) = ! 0<br />
(I.29)<br />
– q/ = p/ ′ − p/ → m − m = 0 verschwindet zwischen on-shell Dirac-Spinoren.<br />
– q · (p ′ + p) = (p ′ ) 2 − p 2 = m 2 − m 2 = 0 verschwindet ebenfalls.<br />
– Im letzten Term ist allerdings i.A. q 2 ≠ 0, d.h. wir müssen<br />
fordern.<br />
C(q 2 ) ≡ 0<br />
Wir verbleiben also mit genau 2 unabhängigen Formfaktoren A(q 2 ), B(q 2 ).<br />
• Meistens schreibt man mittels der sog. Gordon-Identiät,<br />
[ p<br />
ū(p ′ )γ µ u(p) = ū(p ′ ′µ + p µ ]<br />
)<br />
2m<br />
+ iσµν q ν<br />
u(p)<br />
2m<br />
den Term mit (p ′µ + p µ ) um, und führt neue Formfaktoren F 1,2 (q 2 ) ein,<br />
(I.30)<br />
Γ µ (p ′ , p) = γ µ F 1 (q 2 ) + iσµν q ν<br />
2m F 2(q 2 ) . (I.31)<br />
Unser Ziel ist also, die Vertexkorrekturen zu den Formfaktoren<br />
zu berechnen.<br />
F 1 (q 2 ) = 1 + O(α) , F 2 (q 2 ) = O(α) (I.32)<br />
• Der Vergleich mit dem nicht-relativistischen Limes zeigt<br />
– F 1 (0) ≡ 1 entspricht gerade der elektr. Ladung in Einheiten von e.<br />
– und F 1 (0) + F 2 (0) = g 2<br />
= 1 + O(α) ergibt gerade die Korrektur zum Landé-<br />
Faktor, der das sog. anomale magnetische Moment des Elektrons bestimmt.<br />
• Anm.: Die Zerlegung der elektromagnetischen Vertexfunktion gilt allgemein, z.B.<br />
auch für komplexere Systeme wie das Proton, wo allerdings aufgrund der starken<br />
Wechselwirkung zwischen den Quarks die Formfaktoren F 1 und F 2 nicht in der<br />
Störungstheorie berechenbar sind.<br />
Aus dem Vertexdiagramm erhalten wir mit Hilfe der QED-Feynmanregeln die Korrektur<br />
zur Vertexfunktion (Γ µ := γ µ + δΓ µ ),<br />
∫<br />
ū(p ′ )δΓ µ d 4 k −ig νρ<br />
u(p) =<br />
(2π) 4 k 2 + iɛ ū(p′ ) (−ieγ ν i(p/ ′ − k/ + m)<br />
)<br />
(p ′ − k) 2 − m 2 + iɛ γµ<br />
– preliminary –<br />
i(p/ − k/ + m)<br />
×<br />
(p − k) 2 − m 2 + iɛ (−ieγρ ) u(p) (I.33)<br />
Um diesen Ausdruck zu vereinfachen und insbesondere die 4er-Impulsintegration durchführen<br />
zu können, betrachten wir am besten den Nenner, den Zähler der Feynmanpropagatoren,<br />
sowie die Impulsintegration separat.<br />
13
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
Nenner: Als Rechentrick zur Behandlung des Nenners (wir führen an dieser Stelle schon<br />
eine fiktive Photonmasse als IR-Regulator ein),<br />
1 [<br />
−1<br />
N = (k 2 − µ 2 + iɛ)((p ′ − k) 2 − m 2 + iɛ)((p − k) 2 − m 2 + iɛ)]<br />
, (I.34)<br />
führen wir die sog. Feynman-Parameter ein (→ Übung ). Allgemein können wir<br />
damit Produkte von Nennern folgendermaßen umformen,<br />
∫<br />
1<br />
1<br />
n∑ (n − 1)!<br />
= dx 1 · · · dx n δ(1 − x i )<br />
A 1 A 2 · · · A n [x 1 A 1 + . . . + x n A n ] n , (I.35)<br />
0<br />
so dass nur noch ein gemeinsamer Nenner auftritt, allerdings dafür jetzt zusätzliche<br />
Parameter-Integrale ausgeführt werden müssen. (Wir werden sehen, dass dadurch<br />
aber das 4er-Impulsintegral elementar wird.)<br />
In unserem Fall erhalten wir<br />
∫<br />
1 1<br />
N = dxdydz δ(1 − x − y − z) 2 D 3<br />
mit (q 2 = 2m 2 − 2p · p ′ )<br />
mit also<br />
0<br />
D = xk 2 − xµ 2 + y(p ′ − k) 2 − ym 2 + z(p − k) 2 − zm 2 + iɛ<br />
– preliminary –<br />
i=1<br />
= k 2 − 2yp ′ · k − 2zp · k − xµ 2 + iɛ<br />
= (k − yp ′ − zp) 2 − (yp ′ + zp) 2 − xµ 2 + iɛ<br />
= ˜k 2 − (y 2 + z 2 )m 2 − 2yzp · p ′ − xµ 2 + iɛ<br />
= ˜k 2 − (y + z) 2 m 2 + yzq 2 − xµ 2 + iɛ<br />
≡ ˜k 2 − ∆ 2 + iɛ<br />
(I.36)<br />
(I.37)<br />
∆ 2 = (1 − x) 2 m 2 − yzq 2 + xµ 2 , ˜k = k − yp ′ − zp . (I.38)<br />
Die zu erwartenden IR-Divergenzen hängen mit den Nullstellen von ∆ 2 (bei Abwesenheit<br />
der Regulatormasse µ) zusammen. Die IR-Divergenzen rühren also von<br />
bestimmten Regionen im Feynman-Parameter-Integral zusammen, in unserem Fall<br />
mit der Region<br />
x → 1 und y, z → 0 .<br />
Zähler: Im Zähler führen wir ebenfalls die Variablensubstitution k → ˜k durch. Dann<br />
müssen wir die Lorentzstrukturen gemäß der Formfaktoren A, B, C identifizieren.<br />
Um die Kette von Dirac-Matrizen zwischen ū(p ′ )[..]u(p) zu vereinfachen, benutzen<br />
wir die Relationen für Dirac-Matrizen: 1<br />
γ ν γ µ γ ν = −2γ µ ,<br />
γ ν γ µ a/γ ν = 4a µ ,<br />
γ ν a/γ µ b/γ ν = −2b/γ µ a/ .<br />
(I.39)<br />
1 Die angegebenen Relationen gelten für 4 Raumzeitdimensionen. Wir werden später die Methode der<br />
dimensionalen Regularisierung kennen lernen, wo diese Relationen verallgemeinert werden müssen.<br />
14
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
Weiterhin können wir die Dirac-Gleichung verwenden, nachdem wir alle Terme<br />
p/ nach rechts und p/ ′ nach links (anti-)kommutieren (p/u(p) = mu(p), ū(p ′ )p/ ′ =<br />
mū(p ′ )).<br />
Bei der Integration verschwinden die Integrale mit ungeraden Potenzen von ˜k im<br />
Zähler,<br />
∫<br />
d 4˜k ˜kµ<br />
(2π) 4 (˜k 2 − ∆ 2 + iɛ) = 0 n (wg. Antisymmetrie unter ˜k → −˜k) . (I.40)<br />
Für Tensorintegrale mit ˜k µ˜kν im Zähler ergibt sich aufgrund der Lorentzsymmetrie:<br />
∫<br />
d 4˜k<br />
∫<br />
˜kµ˜kν<br />
(2π) 4 (˜k 2 − ∆ 2 + iɛ) = X d 4˜k<br />
n gµν , mit: X =<br />
˜k2 /4<br />
(2π) 4 (˜k 2 − ∆ 2 + iɛ) . n<br />
(I.41)<br />
Nach einigen Rechenschritten (die nicht schwierig aber etwas aufwendig sind, und<br />
deshalb am besten mit Hilfe von Computer-Algebra-Programmen wie Mathematica<br />
durchgeführt/kontrolliert werden, siehe Übung ) ergibt sich<br />
Zähler = −i 8πα ū(p ′ )<br />
{ (1<br />
2 ˜k 2 − (1 − 2x − x 2 )m 2 − (1 − y)(1 − z)q 2 )<br />
+ x(1 − x)m (p ′µ + p µ )<br />
+ (z − y)(1 + y + z)m q µ }u(p) (I.42)<br />
An dieser Stelle lassen sich schon einige Eigenschaften der Beiträge zu den verschiedenen<br />
Formfaktoren ablesen:<br />
• Beim Beitrag zum FF A(q 2 ) gibt es aufgrund des Terms ˜k 2 im Zähler eine<br />
UV-Divergenz bei der ˜k–Integration,<br />
d 4˜k ˜k2<br />
(˜k 2 − ∆ 2 + iɛ) 3<br />
divergiert für ˜k → ∞<br />
Weiterhin verschwindet der Zähler nicht im für potentielle IR-Divergenzen<br />
relevanten Bereich x → 1, y, z → 0, d.h. wir werden auch IR-Divergenzen im<br />
Formfaktor A(q 2 ) erhalten.<br />
• Im Gegensatz dazu, erhält der Term vor (p ′µ + p µ ), der dem Formfaktor<br />
B(q 2 ) entspricht, keine Terme mit ˜k 2 ; und außerdem verschwindet in diesem<br />
Fall der Zähler für x → 1. Wir erwarten also weder UV- noch IR-Divergenzen<br />
im O(α)–Beitrag zu B(q 2 ).<br />
– preliminary –<br />
• Schließlich ist der Zähler im Term vor q µ , der dem Formfaktor C(q 2 ) entspricht,<br />
antisymmetrisch unter Vertauschung von y ↔ z, während der Rest des Integrals<br />
(inklusive des Terms ∆ 2 ) symmetrisch ist, so dass C(q 2 ) = 0 nach<br />
Parameterintegration, im Einklang mit unseren allgemeinen Überlegungen.<br />
γ µ<br />
15
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
d 4˜k–Integration: Wie bereits in TTP1 diskutiert, transformieren auf euklidische Impulse<br />
mittels der sog. Wick-Rotation:<br />
˜k 0 = ik 4 E , ⃗ k = ⃗ kE , mit k 4 E ∈ (−∞, +∞)<br />
d.h. wir ersetzen d 4˜k → id 4 k E und ˜k 2 = −kE<br />
2 < 0. Die iɛ–Vorschrift sagt uns<br />
gerade, in welcher Richtung in der komplexen Ebene wir die Wick-Rotation der<br />
Integrationskontur durchführen müssen. Für ∆ 2 > 0 können wir danach den iɛ<br />
Term im Nenner weglassen.<br />
Weiterhin können wir 4-dimensionale Kugelkoordinaten benutzen, so dass (siehe<br />
Übung )<br />
d 4 k E = dΩ 4 k 3 dk = 2π 2 k 3 dk<br />
I.1.2.1 Berechnung des Formfaktor B(q 2 ) bzw. F 2 (q 2 )<br />
Kombination des Zählers, Nenners und Integrationsmaß ergibt<br />
B(q 2 ) = − 2α π<br />
∫ 1<br />
0<br />
dx dy dz δ(1 − x − y − z)<br />
– preliminary –<br />
∫ ∞<br />
0<br />
k 3 dk<br />
Die k-Integration ist nun elementar und führt auf Integrale der Form<br />
und damit<br />
∫ ∞<br />
0<br />
B(q 2 ) = − α 2π<br />
k 3<br />
m x(1 − x)<br />
(k 2 + ∆ 2 ) 3 (I.43)<br />
dk<br />
(k 2 + ∆ 2 ) n = (∆2 ) 2−n<br />
4 − 6n + 2n 2 (I.44)<br />
∫ 1<br />
0<br />
dx dy dz δ(1 − x − y − z)<br />
Uns interessiert zunächst insbesondere der Term<br />
F 2 (0) = −2mB(0) = α π<br />
∫ 1<br />
0<br />
dx dy dz δ(1 − x − y − z)<br />
m x(1 − x)<br />
∆ 2 . (I.45)<br />
m 2 x(1 − x)<br />
(1 − x) 2 m 2 + xµ 2 . (I.46)<br />
Da keine IR-Divergenzen für x → 1 auftreten, können wir µ → 0 setzen und erhalten<br />
einfach<br />
F 2 (0) = α π<br />
∫ 1<br />
0<br />
dx dy θ(1 − x − y)<br />
x<br />
1 − x = α π<br />
∫ 1<br />
0<br />
dx x = α 2π<br />
(I.47)<br />
Die IR-Endlichkeit des Resultats ist dabei zwingend, denn wir hatten ja durch die reelle<br />
Abstrahlung nur Korrekturen zu der Dirac-Struktur γ µ des führenden Diagramms erhalten<br />
(haben also keine IR-Divergenzen zum kompensieren). [Analog haben wir auch<br />
keinen Beitrag vom führenden Diagramm durch dessen Renormierung (s.u.) wir eine<br />
etwaige UV-Divergenz in F 2 (0) ausgleichen könnten.]<br />
Insgesamt bekommen wir also eine eindeutige QED-Vorhersage für die führende Quantenkorrektur<br />
zum anomalen magnetischen Moment des Elektrons,<br />
a e = g − 2<br />
2<br />
= α 2π ≈ 0.0011614 .<br />
16
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
Für endliche Impulsüberträge q 2 lässt sich das Parameterintegral immer noch elementar<br />
berechnen und man erhält<br />
F 2 (q 2 ) = α 2π<br />
√<br />
τ 1 − τ − 1<br />
2 √ 1 − τ ln √ 1 − τ + 1<br />
für τ = 4m2<br />
q 2 < 0 . (I.48)<br />
(Um das analytische Verhalten für 0 < τ < 1, d.h. oberhalb der Schwelle q 2 > 4m 2 für 2-<br />
Teilchen-Produktion, zu erhalten, muss man die iɛ-Vorschrift in der Form m 2 → m 2 − iɛ<br />
beibehalten.)<br />
I.1.2.2 Berechnung des Formfaktors A(q 2 ) bzw. F 1 (q 2 )<br />
Wie bereits oben erwähnt ergibt sich bei der Berechnung der Vertexkorrektur zum Formfaktor<br />
A(q 2 ) eine UV-Divergenz, die entsprechend regularisiert werden muss (die IR-<br />
Divergenz haben wir bereits durch die fiktive Photonmasse µ regularisiert). Dazu gibt<br />
es verschiedene Methoden, von denen wir ein einige kurz diskutieren wollen:<br />
• Das einfachste Verfahren besteht im Einführen eines Energie-Impuls–Abschneideparameters<br />
(“cut-off”), so dass |˜k µ | ≤ Λ UV . Die UV-Divergenzen treten dann in<br />
der Form<br />
ln Λ UV (log. Divergenz) , Λ UV (lineare Divergenz) , Λ 2 UV (quadrat. Divergenz) . . .<br />
auf (für Λ UV → ∞). Diese Methode hat allerdings den Nachteil, dass sie nicht<br />
invariant bzgl. Variablensubstitution ˜k µ → ˜k µ + a µ ist.<br />
• Ein für die QED häufig verwendetes Verfahren, welches wir im Folgenden auch benutzen<br />
wollen, besteht darin, vom UV-divergenten Diagramm einen analogen Ausdruck<br />
zu subtrahieren, bei dem das Photon eine fiktive große Masse M bekommt,<br />
so dass die führende Divergenz für |˜k| → ∞ wegfällt. Dies bezeichnet man als<br />
“Pauli-Villars”-Regularisierung. In unserem Fall ergibt sich<br />
∫<br />
d 4˜k<br />
(<br />
)<br />
− i 8πα<br />
(2π) ˜k 2 1<br />
4 (˜k 2 − ∆ 2 ) − (µ → M) 3<br />
= α ∫ (<br />
)<br />
dk E kE<br />
5 1<br />
π<br />
(˜k<br />
E 2 + ∆2 ) − (µ → M) 3<br />
= α 2π ln ∆2 (µ → M)<br />
∆ 2 ≃ α 2π ln xM 2<br />
(1 − x) 2 m 2 − yzq 2 + xµ 2 . (I.49)<br />
Das Problem dieser Methode ist, dass die Photonmasse die Eichinvarianz verletzt<br />
und damit gewisse Symmetrien des Problems nicht mehr (automatisch) manifest<br />
sind.<br />
– preliminary –<br />
• Eine elegante (aber mathematisch subtilere) Methode ist die sog. “Dimensionale<br />
Regularisierung”, bei der nicht wie oben der Integrand, sondern das Integrationsmaß<br />
modifiziert wird, und zwar<br />
d 4 k<br />
(2π) 4 →<br />
dD k<br />
(2π) D mit D < 4 , (I.50)<br />
17
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
d.h. wir betrachten alle Impulsintegrale in einer fiktiven Raumzeit mit weniger<br />
als 3 Raumdimensionen. Insbesondere können wir die erhaltenen Ergebnisse als<br />
Funktion von D auch zu nicht ganzzahligen Dimensionen<br />
D = 4 − 2ɛ<br />
analytisch fortsetzen (dies ist nur ein mathematischer Trick und hat keine physikalische<br />
Bedeutung). Die UV-Divergenzen treten dann für ɛ → 0 + in der Form<br />
1<br />
ɛ , 1<br />
ɛ 2 , . . .<br />
auf. (Die Methode kann auch zur Regularisierung von IR-divergenten Integralen<br />
verwendet werden, wenn man ɛ → 0 − betrachtet. In diesem Fall müssen auch<br />
die Phasenraumintegrale d 3 k für die reellen Strahlungskorrekturen entsprechend<br />
modifiziert werden.) Um mathematisch konsistente Ergebnisse zu erhalten, müssen<br />
wir auch die Regeln für die Dirac-Matrizen entsprechend anpassen (siehe Übung ).<br />
Insbesondere gilt<br />
γ µ γ µ = g µ µ = 4 −→ D − 2ɛ .<br />
Trotz dieser Subtilitäten überwiegen – insbesondere bei der Anwendung in der<br />
Quantenchromodynamik (QCD) für die starke Wechselwirkung – die Vorteile dieser<br />
Methode. So kann man die Modifikation direkt in der QFT-Wirkung als<br />
∫<br />
∫<br />
d 4 x L (4) (φ, ∂ µ φ) −→ d D x L (D) (φ, ∂ µ φ)<br />
(I.51)<br />
einführen, ohne innere Symmetrien oder Lorentz-Symmetrie zu verletzen.<br />
Kehren wir zur identifizierten UV-Divergenz in (I.49) und deren Interpretation zurück.<br />
Fassen wir die (regularisierte) d 4˜k-Integration in A(q 2 ) zusammen (unter Verwendung<br />
der gleichen Methoden wie für den Formfaktor B(q 2 )), ergibt sich<br />
∫ 1<br />
A(q 2 ) = 1 + α dx dy dz δ(1 − x − y − z)<br />
2π 0<br />
{<br />
× ln xM 2<br />
∆ 2 + (1 − 2x − x2 )m 2 + (1 − y)(1 − z)q 2 }<br />
∆ 2<br />
bzw. mit F 1 (q 2 ) = 1 + δF 1 (q 2 ) = A(q 2 ) + 2mB(q 2 )<br />
∫ 1<br />
– preliminary –<br />
(I.52)<br />
F 1 (q 2 ) = 1 + α dx dy dz δ(1 − x − y − z)<br />
2π 0<br />
{<br />
× ln xM 2<br />
∆ 2 + (1 − 4x + x2 )m 2 + (1 − y)(1 − z)q 2 }<br />
∆ 2 . (I.53)<br />
Aus der experimentellen Messung der Ladung des Elektrons im statischen elektrischen<br />
Feld “wissen” wir, dass F 1 (q 2 = 0) ! = 1 sein muss. Das offensichtlich “falsche” Resultat für<br />
18
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
F 1 (q 2 ) rührt daher, dass wir die externen 1-Teilchen–Zustände in der wechselwirkenden<br />
Theorie naiv durch die der freien Theorie ersetzt haben. Wir wissen, dass für Streuamplituden<br />
in der wechselwirkenden Theorie die externen Zustände durch entsprechende<br />
Z-Faktoren aus der Spektraldarstellung der entsprechenden 2-Punkt-Funktionen (vgl.<br />
TTP1 und siehe unten) korrigiert werden müssen,<br />
u(p) → √ Z u(p) , ū(p) → √ Z ū(p) , (I.54)<br />
mit Z = 1+O(α) in der Störungstheorie. Damit ändert sich die Vorhersage auf Baumgraphen-<br />
Niveau, und das Gesamtergebnis zur Ordnung α lautet<br />
(<br />
)<br />
(<br />
Z ū(p)γ µ u(p) 1 + δF 1 (q 2 ) = ū(p)γ µ u(p) 1 + δZ + δF 1 (q 2 ) + O(α )) 2 !<br />
= ū(p)γ µ u(p) .<br />
Daraus ergibt sich die Bedingung (die wir weiter unten testen werden)<br />
Z = 1 − δF 1 (0)<br />
} {{ } , ⇒ F 1(q 2 ) renorm. = 1 + δF 1 (q 2 ) − δF 1 (0)<br />
} {{ }<br />
(I.55)<br />
q 2 -unabhängig UV-endlich (I.56)<br />
Der so definierte “renormierte” Formfaktor ist nun UV-endlich, weil der divergente Anteil<br />
proportional zu ln M 2 in δF 1 (q 2 ) unabhängig von q 2 ist und sich damit in der Differenz<br />
heraushebt. Der (unphysikalische, weil nicht beobachtbare) Renormierungsfaktor<br />
Z dagegen ist UV-divergent, aber unabhängig von q 2 .<br />
Der renormierte Formfaktor F 1 (q 2 ) kann nun explizit berechnet werden (wir lassen das<br />
Label “renorm.” im Folgenden wieder weg):<br />
∫ 1<br />
F 1 (q 2 ) = 1 + α dx dy θ(1 − x − y)<br />
2π 0<br />
{<br />
m 2 (1 − x) 2 + xµ 2<br />
× ln<br />
m 2 (1 − x) 2 + xµ 2 − y(1 − x − y)q 2<br />
+ m2 (1 − 4x + x 2 ) + (1 − y)(x + y)q 2<br />
}<br />
m 2 (1 − x) 2 + xµ 2 − y(1 − x − y)q 2 − (q2 → 0) . (I.57)<br />
Wir bemerken, dass wir im logarithmischen Term in Klammern den IR-Regulator vernachlässigen<br />
können, da das Argument des Logarithmus für x → 1 und y → 0 regulär<br />
bleibt. Das lässt sich noch expliziter machen, wenn wir die Variablensubstitution<br />
y = (1 − x)ξ<br />
– preliminary –<br />
durchführen, mit dem Resultat<br />
F 1 (q 2 ) = 1 + α 2π<br />
∫ 1<br />
0<br />
dx (1 − x)<br />
∫ 1<br />
0<br />
dξ<br />
{<br />
m 2<br />
ln<br />
m 2 − ξ(1 − ξ)q 2<br />
+ m2 (1 − 4x + x 2 ) + (1 − ξ + xξ)(x + ξ − xξ)q 2<br />
m 2 (1 − x) 2 + xµ 2 − (1 − x) 2 ξ(1 − ξ)q 2 − (q 2 → 0)<br />
}<br />
. (I.58)<br />
19
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
Im 2. Term haben wir den IR-Regulator µ beibehalten, da der Zähler im Limes x → 1<br />
nicht verschwindet und das Parameterintegral sonst wie ∫ 1 dx<br />
0 1−x<br />
divergieren würde.<br />
Zur Lösung der Parameterintegrale ist es nützlich, das Resultat in einen IR-divergenten<br />
und einen IR-endlichen Anteil aufzuteilen. In F 1 | div. (q 2 ) setzen wir im Zähler, sowie im<br />
Vorfaktor bei µ 2 den Parameter x = 1 und erhalten<br />
F 1 (q 2 )| div. = α ∫ 1<br />
∫ { 1<br />
−2m 2 + q 2<br />
}<br />
dx (1 − x) dξ<br />
2π 0<br />
0 m 2 (1 − x) 2 + µ 2 − (1 − x) 2 ξ(1 − ξ)q 2 − (q2 → 0)<br />
(I.59)<br />
Im restlichen Anteil, F 1 (q 2 )| reg. = F 1 (q 2 ) − F 1 | div. (q 2 ), kann dann µ = 0 gesetzt werden,<br />
so dass sich der Integrand etwas vereinfacht (das explizite Resultat geben wir nicht an;<br />
es kann aber ohne große Schwierigkeiten hergeleitet werden). Das x-Integral in (I.59) ist<br />
nun elementar (man setze einfach ω = (1 − x) 2 ), und man erhält<br />
F 1 (q 2 )| div. = α ∫ [ 1<br />
−2m 2 + q 2<br />
dξ<br />
4π m 2 − ξ(1 − ξ)q 2 ln m2 − q 2 ]<br />
ξ(1 − ξ)<br />
µ 2 + 2 ln m2<br />
µ 2 . (I.60)<br />
0<br />
Wir interessieren uns insbesondere für den µ-abhängigen Term (der sich ja mit der<br />
reellen IR-Divergenz kompensieren soll). Dieser lässt sich separieren durch Einführen<br />
einer Hilfsskala µ 0 ,<br />
F 1 (q 2 )| div. = α ∫ [ 1<br />
−2m 2 + q 2<br />
]<br />
dξ<br />
4π 0 m 2 − ξ(1 − ξ)q 2 ln µ2 0<br />
µ 2 + 2 ln µ2 0<br />
µ 2 + (µ-unabhängige Terme) .<br />
(I.61)<br />
Vergleich mit dem im Phasenraum der reellen Photonabstrahlung auftauchenden Winkelintegral<br />
I(v ′ , v) (siehe Übung ) ergibt dann<br />
F 1 (q 2 ) = 1 − α 4π ln µ2 0<br />
µ 2 · I(v′ , v) + (IR-endliche, µ-unabhängige Terme). (I.62)<br />
Damit ergeben die virtuellen Korrekturen zum differentiellen Wirkungsquerschnitt dσ(p →<br />
p ′ ) einen Faktor<br />
∣<br />
∣F 1 (q 2 ) ∣ 2 =<br />
∣ 1 − α 4π ln µ2 2<br />
0<br />
µ 2 · I(v′ , v) + . . .<br />
= 1 − α ∣ 2π ln µ2 0<br />
µ 2 · I(v′ , v) + . . . (I.63)<br />
während die reellen Korrekturen in dσ(p → p ′ + γ soft ) den Beitrag<br />
α<br />
2π ln E2 min<br />
µ 2 · I(v ′ , v) (I.64)<br />
– preliminary –<br />
ergaben. In der Summe ergibt sich ein IR-endliches Resultat<br />
dσ(p → p ′ , p → p ′ + γ soft )<br />
(<br />
= dσ 0 1 + α )<br />
2π ln E2 min<br />
µ 2 · I(v ′ , v) + endliche Terme f(m 2 , q 2 , µ 2 0 )<br />
0<br />
(I.65)<br />
20
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
Für große Werte von q 2 (bzw. m 2 → 0) wählen wir µ 2 0 = −q2 , so dass im endlichen<br />
Anteil f(m 2 , q 2 , µ 2 0 ) → f(−q2 /µ 2 0 ) = f(−1) keine logarithmischen Terme in q2 mehr<br />
auftauchen. Dann ergibt sich im Hochenergielimes<br />
dσ(p → p ′ , p → p ′ + γ soft ) |−q2 |≫m 2<br />
= dσ 0<br />
[<br />
1 − α π<br />
Anmerkungen:<br />
ln<br />
−q2<br />
m 2<br />
]<br />
−q2<br />
ln<br />
Emin<br />
2 + . . .<br />
(I.66)<br />
• Wir haben schließlich einen endlichen Wirkungsquerschnitt erhalten, der (prinzipiell)<br />
mit dem Experiment verglichen werden kann.<br />
• Allerdings bricht die angenommene Störungsentwicklung in α/π offensichtlich zusammen,<br />
wenn der Impulsübertrag so groß wird, dass<br />
α −q2 −q2<br />
ln<br />
π m 2 ln<br />
E 2 min<br />
∼ O(1) .<br />
(I.67)<br />
Insbesondere lassen sich dann anscheinend sogar negative Wirkungsquerschnitte<br />
erzielen, was physikalisch unsinnig ist.<br />
• Die Kompensierung von IR-Divergenzen haben wir nur zur führenden Ordnung<br />
in α gezeigt. Damit das obige Resultat zuverlässig ist, würden wir gerne sicher<br />
sein, dass die Cancellierung in beliebiger Ordnung der Störungstheorie tatsächlich<br />
funktioniert.<br />
Im folgenden Abschnitt werden wir sehen, wie diese Probleme zu lösen sind.<br />
I.1.3 Aufsummation und Interpretation der IR-Divergenzen<br />
Den Wirkungsquerschnitt, den wir eigentlich messen, beinhaltet eine beliebige Anzahl<br />
von weichen Photonen mit k 0 < E min . In der Störungstheorie erwarten wir für n weiche<br />
Photonen ein Verhalten des WQ wie<br />
[ n<br />
α<br />
∝<br />
π ln E2 min<br />
I(v, v )] ′ (I.68)<br />
µ 2 0<br />
Falls der Ausdruck in Klammern von der Ordnung 1 oder größer ist (d.h. die logarithmisch<br />
verstärkten Koeffizienten in der Störungstheorie die kleine Kopplungskonstante<br />
α kompensieren), dann konvergiert die Störungsreihe nicht und wir müssen alle diese<br />
Beiträge für n = 0, 1, . . . , ∞ aufsummieren, um ein physikalisch sinnvolles Resultat zu<br />
bekommen.<br />
Um zu verstehen, wie und warum diese Aufsummation funktioniert, stellen wir zunächst<br />
einige Vorüberlegungen an. Wir betrachten dazu die Abstrahlung von 2 Photonen von<br />
einer Fermionlinie im Endzustand (Impuls p ′ ), die mit dem eigentlichen Wechselwirkungsvertex<br />
verbunden ist.<br />
– preliminary –<br />
– Diagramme –<br />
21
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
Im ersten Fall wird nach der Wechselwirkung erst ein hartes Photon (mit Impuls k 1 )<br />
und dann ein weiches Photon (k 2 ) abgestrahlt. Im zweiten Fall umgekehrt. Betrachten<br />
wir die Virtualitäten der intermediären Fermionpropagatoren, finden wir:<br />
Fall 1:<br />
Fall 2:<br />
äußeres Elektron: p ′ 2 = p ′ + k 2 , (p ′ 2) 2 − m 2 = 2p ′ · k 2 → 0 ,<br />
inneres Elektron: p ′ 1 = p ′ 2 + k 2 = p ′ + k 1 + k 2 ,<br />
(p ′ 1) 2 − m 2 = 2p ′ · (k 1 + k 2 ) + (k 1 + k 2 ) 2 ≈ 2p ′ · k 1 ≠ 0<br />
– preliminary –<br />
(I.69)<br />
In diesem Fall bleibt der innere Propagator stets off-shell (d.h. produziert keine<br />
IR-Divergenz) und kann als “normale” perturbative Korrektur zum eigentlichen<br />
Wechselwirkungsprozess behandelt werden. Der äußere Propagator produziert eine<br />
IR-Divergenz, die aber unabhängig vom Impuls des harten Photons ist.<br />
äußeres Elektron: p ′ 2 = p ′ + k 2 , (p ′ 2) 2 − m 2 = 2p ′ · k 2 ≠ 0 ,<br />
inneres Elektron: p ′ 1 = p ′ + k 1 + k 2 , (p ′ 1) 2 − m 2 ≈ 2p ′ · k 2 ≠ 0 (I.70)<br />
In diesem Fall sind beide Propagatoren stets off-shell, d.h. die Abstrahlung von<br />
einem weichen Photon innerhalb des harten Sub-Prozess generiert keine neue IR-<br />
Divergenz, und Diagramme dieser Art müssen für die Aufsummation nicht betrachtet<br />
werden (liefern natürlich aber trotzdem O(α) Korrekturen zum WQ).<br />
Damit haben wir eine wesentliche Vereinfachung geschaffen: Wir können uns für die<br />
Aufsummation auf die Abstrahlung von weichen Photonen von den externen Linien im<br />
Anfangs- und/oder Endzustand konzentrieren. Für n weiche Photonen aus FSR erhalten<br />
wir mit den Näherungen für die Fermionpropagatoren, die wir bereits im n = 1 Beispiel<br />
hergleitet hatten<br />
[ ( ) (<br />
ep<br />
ū(p ′ ′<br />
µ1<br />
ep ′ ) (<br />
µ<br />
)<br />
2<br />
ep ′ )<br />
]<br />
µ<br />
p ′ · k 1 p ′ · · ·<br />
n<br />
· (k 1 + k 2 ) p ′ × (Rest des Diagramms)<br />
· (k 1 + . . . k n )<br />
(I.71)<br />
Da die Photonen ununterscheidbare Bosonen sind, müssen wir über alle Permutationen<br />
der zugeordneten Impulse (k 1 ,. . . ,k n ) summieren. Das Ergebnis ist (Beweis durch<br />
Induktion → Übung )<br />
∑<br />
alle Permutationen π<br />
1<br />
1<br />
·<br />
p · k π(1) p · (k π(1) + k π(2) ) · · · 1<br />
p · (k π(1) + . . . + k π(n) )<br />
= 1 1 1<br />
· · · ·<br />
p · k 1 p · k 2 p · k n<br />
(I.72)<br />
22
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
Damit vereinfacht sie das Ergebnis für n weiche Photonen aus FSR wie folgt<br />
– Diagramm – =<br />
[<br />
ū(p ′ )<br />
( ) ( )]<br />
ep<br />
′<br />
µ1<br />
ep<br />
′<br />
µn<br />
p ′ · · · · k 1 p ′ · · · (I.73)<br />
· k n<br />
und analog für ISR mit k i → (−k i ) und p ′ → p.<br />
Fassen wir dann sämtliche Kombinationen von Photonen im Anfangs- und/oder Endzustand<br />
zusammen, ergibt sich für die Streuamplitude<br />
n∏<br />
( p<br />
iM ≃ ū(p ′ ′µ i<br />
)<br />
) iM hart u(p) · e<br />
p<br />
i=1<br />
′ − pµ i<br />
· k i p · k i<br />
(I.74)<br />
d.h. die Streuamplitude “faktorisiert” in einen harten Anteil iM (welcher die kurzreichweitigen<br />
Strahlungskorrekturen beinhaltet) und einen Anteil, der die Effekte weicher<br />
Photonen berücksichtigt. (Dieses Konzept der Faktorisierung wird insbesondere bei der<br />
Berechnung von Prozessen der starken Wechselwirkung in der QCD eine wesentliche<br />
Rolle spielen.)<br />
Obige Formel lässt sich sowohl für reelle als auch für virtuelle weiche Photonen anwenden:<br />
• Für virtuelle Photonen müssen wir jeweils 2 Photonen (i und j) identifizieren,<br />
mit Photonpropagator mit Impuls k j = −k i ≡ k multiplizieren und über alle 4er-<br />
Impulse integrieren. Damit wir nicht doppelt zählen für i ↔ j, gibt es noch einen<br />
Faktor 1/2. Für jedes virtuelle weiche Photon erhalten wir dann einen Faktor<br />
∫<br />
X v = e2<br />
2<br />
d 4 k<br />
(2π) 4<br />
(<br />
i p<br />
′<br />
k 2 + iɛ p ′ · k − p ) 2<br />
= − α p · k 4π I(v, v′ ) ln −q2<br />
µ 2 , (I.75)<br />
wie wir ihn bereits in der Vertexkorrektur berechnet hatten.<br />
Summieren wir dann über alle virtuellen Korrekturen dieser Art und berücksichtigen<br />
einen kombinatorischen Faktor 1/m! um Mehrfachzählung zu vermeiden, ergibt<br />
sich für die korrigierte Amplitude<br />
M(p → p ′ ) = M 0 (p → p ′ ) ·<br />
∞∑<br />
m=0<br />
1<br />
m! Xm v = M 0 (p → p ′ ) · exp [X v ] . (I.76)<br />
In der Tat können wir also die Effekte von beliebig vielen weichen virtuellen Photonen<br />
(d.h. die Beiträge mit dem Sudakov-Doppel-Logarithmus) explizit in eine<br />
Exponentialreihe aufsummieren.<br />
– preliminary –<br />
• Analog erhalten wir für jedes reelle Photon:<br />
– Kontraktion mit dem dazugehörigen Polarisationsvektor,<br />
– Polarisationssumme nach Quadrieren der Amplitude ausführen,<br />
– Phasenraum für jedes Photon integrieren.<br />
23
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
Damit ergibt sich für jedes reelle Photon ein Faktor<br />
∫ Emin<br />
X R = −<br />
µ<br />
d 3 (<br />
k 1 p<br />
(2π) 3 e 2 ′<br />
2ω k p ′ · k −<br />
p<br />
p · k<br />
) 2<br />
= α 2π I(v, v′ ) ln E2 min<br />
µ 2 , (I.77)<br />
wie bereits für die reellen Korrekturen mit n = 1 berechnet wurde. Mit dem<br />
entsprechenden Symmetriefaktor für n identische Photonen im Endzustand, erhalten<br />
wir den aufsummierten Wirkungsquerschnitt<br />
∞∑ dσ<br />
dΩ (p → p′ + nγ soft ) = dσ<br />
∞∑<br />
dΩ (p → 1<br />
p′ )<br />
n! Xn r = dσ<br />
dΩ (p → p′ ) exp [X r ]<br />
n=0<br />
n=0<br />
– preliminary –<br />
(I.78)<br />
Fassen wir nun also reelle und virtuelle Korrekturen zusammen, ergibt sich für den<br />
gemessenen Wirkungsquerschnitt<br />
dσ<br />
dΩ = dσ 0<br />
dΩ (p → p′ ) · exp [X r ] · |exp [X v ]| 2 = dσ 0<br />
dΩ (p → p′ ) exp [X r + 2X v ]<br />
= dσ [<br />
0<br />
dΩ (p → p′ )<br />
∣ exp − α ]∣ ∣∣∣∣<br />
4π I(v, v′ ) ln −q2<br />
2<br />
• Das Ergebnis ist IR endlich.<br />
E 2 min<br />
• Der Korrekturfaktor nimmt nur physikalische Werte zwischen 0 und 1 an.<br />
(I.79)<br />
• Die Entwicklung der Exponentialfunktion reproduziert (per Konstruktion) das Resultat<br />
in erster Ordnung in α ln 2 [..].<br />
]<br />
• Der Faktor S ≡ exp<br />
[− α 4π I(v, v′ ) ln −q2 heisst Sudakov-Formfaktor und stellt<br />
Emin<br />
2<br />
eine universelle Eigenschaft des jeweils betrachteten Wechselwirkungsvertex dar.<br />
Ein Corollar der obigen Rechnung ergibt die Wahrscheinlichkeit, dass gerade genau n<br />
weiche Photonen im (festen) Energieintervall E a ≤ ω k ≤ E b emittiert werden, nämlich<br />
⎡ ∣ ⎤<br />
1 ∣∣∣∣<br />
E min →E b<br />
n<br />
⎣X r ⎦ · Normierungsfaktor<br />
n!<br />
µ→E a<br />
= 1 [ ] n [<br />
α<br />
n! 2π I(v, v′ ) ln E2 b<br />
exp − α ]<br />
2π I(v, v′ ) ln E2 b<br />
(I.80)<br />
E 2 a<br />
Das entspricht gerade einer Poisson-Verteilung<br />
P (n) = 1 n! λn e −λ<br />
E 2 a<br />
(I.81)<br />
mit der mittleren Anzahl von emittierten Photonen (im vorgegebenen Energieintervall)<br />
λ ≡ 〈n〉 = α π ln E b<br />
I(v, v ′ )<br />
E a<br />
(I.82)<br />
Das gleiche Resultat für 〈n〉 lässt sich auch durch eine semi-klassische Rechnung reproduzieren<br />
(siehe Diskussion in [1]).<br />
24
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
I.1.4 2-Punkt–Funktion des Elektrons in der QED-Störungstheorie<br />
Für Dirac-Teilchen hatten wir in TTP1 die folgende Überlegung zur analytischen Struktur<br />
der 2-Punkt-Funktion gemacht:<br />
∫<br />
d 4 x e ipx 〈Ω|T ψ α (x) ¯ψ β (0)|Ω〉 = Z 2 ·<br />
i (p/ + m) αβ<br />
p 2 − m 2 + iɛ +<br />
– preliminary –<br />
∫∞<br />
dM 2<br />
2π<br />
∼m 2<br />
i ρ αβ (M 2 )<br />
p 2 − M 2 + iɛ<br />
(I.83)<br />
Den Renormierungsfaktor für die 1-Teilchen-Fermionzustände bezeichnen wir in der<br />
QED als Z 2 . Er ist definiert über<br />
〈Ω|ψ(0)|p, s〉 = √ Z 2 u(p, s)<br />
(I.84)<br />
und analog für Antiteilchen-Zustände mit ¯v(p, s). Die Summation über alle Spin-Zustände<br />
für Teilchen und Antiteilchen ergibt dann wie im Falle des freien Propagators den Term<br />
(p/ + m) im Zähler des 1-Teilchen–Beitrags. m ist wieder die physikalische Masse (im<br />
Gegensatz zum Massenparameter m 0 in der Dirac-Lagrangedichte).<br />
Die 2-Punkt–Funktion des Elektrons lässt sich als geometrische Reihe über 1-Teilchenirreduzible<br />
Diagramme (1PI) darstellen:<br />
∫<br />
– Diagramme –<br />
d 4 x e ip·x 〈Ω|T Ψ(x) ¯Ψ(0)|Ω〉<br />
= i(p/ + m 0)<br />
p 2 − m 2 0 + iɛ + i(p/ + m 0)<br />
p 2 − m 2 0 + iɛ (−iΣ) i(p/ + m 0 )<br />
p 2 − m 2 0 + iɛ + . . .<br />
i<br />
=<br />
p/ − m 0 − Σ + iɛ<br />
wobei wir die Elektron-Selbstenergie<br />
−iΣ(p/) = Summe über alle 1-Teilchen irreduziblen (amputierten) 2-Punkt–Diagramme<br />
(I.85)<br />
als Matrix im Spinorraum eingeführt haben (als Funktion von p/, wobei p 2 = p/p/). In<br />
führender Ordnung der Kopplung α erhalten wir somit<br />
−iΣ(p/) = (−ie) 2 ∫<br />
– Diagramme –<br />
d 4 k i(p/ − k/ + m 0 )<br />
(2π) 4 γµ (p − k) 2 − m 2 0 + iɛ γ −i<br />
µ<br />
k 2 − µ 2 + iɛ<br />
(I.86)<br />
Das Integral lässt sich mit den bereits diskutierten Methoden ausführen. Die UV-Divergenz<br />
wird wieder mit Pauli-Villars (Subtraktionsmasse M) regularisiert. Für die auftretenden<br />
IR-Divergenzen haben wir wieder eine Photonmasse µ als Regulator eingeführt. Nach<br />
kurzer Rechnung erhält man<br />
Σ(p/) = α 2π<br />
∫ 1<br />
0<br />
xM 2<br />
dx (2m 0 − xp/) ln<br />
(1 − x)m 2 0 + xµ2 − x(1 − x)p 2 (I.87)<br />
Uns interessiert für die Bestimmung der Spektraldichte insbesondere das analytische<br />
Verhalten bzgl. p 2 :<br />
25
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
• Der Schnitt beginnt, wenn Argument des Logarithmus negativ, also bei<br />
(1 − x)m 2 0 + xµ 2 − x(1 − x)p 2 !<br />
= 0<br />
Der minimale Wert von p 2 , bei der die obige Gleichung Lösungen für x Lösungen<br />
im Integrationsgebiet [0, 1] besitzt, ist gerade<br />
p 2 min = (m 0 + µ) 2<br />
im Einklang mit der allgemeinen Diskussion, denn der leichteste 2-Teilchenzustand<br />
ist gerade<br />
|eγ〉 mit m 2 eγ ≥ (m 0 + µ) 2<br />
Man beachte, dass sich für µ → 0 Subtilitäten aufgrund der IR-Divergenzen mit<br />
masselosen Photonen ergeben.<br />
• Wir erhalten keine Beiträge von Bindungszuständen, weil das Photon selbst elektrisch<br />
neutral ist.<br />
• Der (verschobene) 1-Teilchen-Pol ergibt sich für<br />
∣<br />
p/ − m 0 − Σ(p/) = 0 (I.88)<br />
∣ p/=m<br />
!<br />
als implizite Gleichung für die physikalische Polmasse m. In erster Ordung Störungstheorie<br />
ergibt sich die Massenrenormierung zu<br />
m − m 0 = Σ(p/ = m) ≃ Σ(p/ = m 0 )<br />
= α 2π m 0<br />
∫ 1<br />
0<br />
xM 2 M→∞<br />
dx (2 − x) ln<br />
(1 − x) 2 m 2 0 + ←<br />
3α<br />
xµ2 4π m 0 ln M 2<br />
(I.89)<br />
Man beachte, dass das Integral sowohl UV- als auch IR-divergent ist.<br />
• Die Normierung Z 2 für das Elektron erhalten wir aus dem Residuum der 2-Punkt-<br />
Funktion am Pol. Entwicklung der Selbstenergiefunktion um p/ = m ergibt<br />
1<br />
p/ − m 0 − Σ(p/) = 1<br />
p/ − m 0 − Σ(m) − dΣ<br />
∣ (p/ − m) + . . .<br />
p/=m<br />
1<br />
!<br />
= (<br />
) = Z 2<br />
(p/ − m) 1 − dΣ<br />
p/ − m ,<br />
∣ + . . .<br />
p/=m<br />
⇔<br />
In erster Ordnung erhalten wir<br />
Z −1<br />
– preliminary –<br />
0<br />
dp/<br />
2 = 1 − dΣ<br />
∣<br />
dp/<br />
dp/<br />
∣ p/=m<br />
δZ 2 = Z 2 − 1 ≃ dΣ<br />
dp/ (m)<br />
= α ∫ [ 1<br />
xM 2<br />
dx −x ln<br />
2π<br />
(1 − x) 2 m 2 + xµ 2 + 2(2 − x) x(1 − x)m 2 ]<br />
(1 − x) 2 m 2 + xµ 2<br />
m 2 0<br />
(I.90)<br />
= · · · = −δF 1 (0) (I.91)<br />
26
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
d.h. nach Vergleich der Parameterintegrale ergibt sich das gleiche Resultat wie aus<br />
der Vertexkorrektur, aber mit umgekehrten Vorzeichen, was unsere ad-hoc Vorgehensweise<br />
zur Renormierung des Formfaktors F 1 (q 2 ) im Nachhinein rechtfertigt.<br />
Wir werden später noch systematischer untersuchen, in welchem Sinne das Produkt von<br />
kleiner Kopplungskonstante und (für M → ∞) unendlich großer UV-Divergenz in der<br />
Störungstheorie zu interpretieren ist.<br />
I.1.5 Renormierung der elektrischen Ladung<br />
In unserer Betrachtung von e − µ − → e − µ − (+nγ soft ) fehlt noch ein Typ von Diagrammen<br />
– Diagramm —<br />
bei denen der Photonpropagator eine Quantenkorrektur durch eine virtuelle Elektron-<br />
Positron–Schleife erfährt. Das entsprechende Sub-Diagramm trägt zur sogenannten Vakuum-<br />
Polarisation bei (entspricht der Selbstenergie des Photonfelds). Die Korrekturen zur<br />
Vakuum-Polarisation<br />
• ändern die effektive Feldstärke des 4er-Potentials A µ (x),<br />
• ändern die q 2 -Abhängigkeit des (effektiven) Photonpropagators.<br />
Wir definieren (analog zur Selbstenergiefunktion Σ(p/) bei Elektronen) den Vakuumpolarisationstensor<br />
i Π µν (q) ≡ ∑ – 1PI-Diagramme – = 1-Loop-Diagramm + O(α 2 )<br />
(I.92)<br />
Wie im Falle der Vertexfunktion Γ µ (p ′ , p) übertragen sich die Eigenschaften des Dirac-<br />
Stroms ¯ψγ µ ψ, an den das Photon koppelt, auf den Vakuumpolarisationstensor,<br />
Deshalb können wir schreiben<br />
q µ Π µν (q) = q ν Π µν (q) = 0 (Ward-Identität) (I.93)<br />
Π µν (q) = (q 2 g µν − q µ q ν ) Π(q 2 ) ≡ q 2 P µν<br />
T Π(q2 ) . (I.94)<br />
Hierbei ist P µν<br />
T ein transversaler Projektor mit q µP µν<br />
T<br />
= 0 und (P T ) 2 = P T , und Π(q 2 ) ist<br />
eine skalare Vakuumpolarisationsfunktion, die nur vom Betrag des 4er-Impulsübertrags<br />
q 2 abhängt.<br />
Mit dieser Definition lässt sich die geometrische Reihe aus Produkten von 1PI-Diagrammen<br />
und freien Photonpropagatoren wieder explizit aufsummieren (hier in Feynman-Eichung)<br />
Voller Propagator = freier Propagator + Produkt von 1PI Diagrammen<br />
D tot(q) µν = −igµν<br />
q 2 + −igµρ [<br />
]<br />
q 2 iq 2 P T Π(q 2 −ig σν<br />
)<br />
ρσ q 2 + . . .<br />
= −igµν µν<br />
µν<br />
iP<br />
T<br />
q 2 −<br />
q 2 Π(q 2 iP ( 2<br />
T<br />
) −<br />
q 2 Π(q )) 2 + . . .<br />
(<br />
)<br />
= P µν −i<br />
T<br />
q 2 (1 − Π(q 2 + −i ( q µ q ν )<br />
) q 2 q 2 } {{ } } {{ }<br />
– preliminary –<br />
transversaler Anteil longitudinaler Anteil (I.95)<br />
27
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
Folgende Beobachtungen sind zu machen:<br />
• Der Pol des vollen Propagators ist immer noch bei q 2 = 0. Damit bleibt das Photon<br />
masselos in jeder Ordnung Störungstheorie, als Konsequenz der Eichsymmetrie<br />
(welche ja einen Massenterm m 2 γA µ A µ verbietet) und der damit verbundenen<br />
Ward-Identität.<br />
• Der longitudinale Anteil bleibt unverändert.<br />
• Das Residuum des Pols bei q 2 = 0 definiert den Renormierungsfaktor für physikalische<br />
(d.h. transversale) Photonen<br />
1<br />
1 − Π(0) ≡ Z 3 . (I.96)<br />
In elektromagnetischen Prozessen wird somit effektiv im Photonpropagator 2<br />
−ie 2 0 P µν<br />
T<br />
q 2 → −iZ 3e 2 0 P µν<br />
T<br />
+ iɛ q 2 + iɛ<br />
d.h. effektiv verändert sich die gemessene Stärke der Elementarladung<br />
d 2 0 → Z 3 e 2 0 ≡ e 2 ,<br />
– preliminary –<br />
(I.97)<br />
(I.98)<br />
wobei e 2 0 der Ladungsparameter in der Lagrangedichte und e2 die (messbare) physikalische<br />
Ladung e = √ Z 3 e 0 = e 0 (1+O(α)) darstellt. Man beachte, dass sich im Falle mehrerer<br />
(verschieden geladener) Fermionen die Vakuumpolarisation als Summe über Diagramme<br />
mit allen virtuellen Fermionen (gewichtet mit den entsprechenden Ladungsfaktoren q 2 i )<br />
ergibt, d.h. zur Ordnung α:<br />
Vakuumpolarisation = ∑ i<br />
q 2 i (Schleifendiagramm mit Fermion i)<br />
(I.99)<br />
d.h. alle geladenen Teilchen tragen zu Π(q 2 ) und damit zu Z 3 bei, aber Z 3 bleibt universell,<br />
d.h. die Verhältnisse von Ladungen bleiben unverändert.<br />
Weiterhin ergibt sich die modifizierte q 2 -Abhängigket des (transversalen Anteils) des<br />
effektiven Photon-Propagators aus<br />
e 2 0 D µν<br />
µν<br />
−iP<br />
eff (q2 T<br />
e 2 µν<br />
0 −iP<br />
T<br />
e 2 0<br />
) T =<br />
q 2 + iɛ 1 − Π(q 2 =<br />
) q 2 + iɛ 1 − Π(0) − (Π(q 2 ) − Π(0))<br />
µν<br />
−iP<br />
T<br />
e 2<br />
≈<br />
q 2 + iɛ 1 − (Π(q 2 ) − Π(0)) + . . . (I.100)<br />
Hierbei generiert der erste Faktor im nicht-relativistischen Limes das übliche Coulomb-<br />
Potential, welches durch die zusätzliche q 2 Abhängigkeit des zweiten Faktors modifiziert<br />
wird.<br />
2 Das gilt zunächst für q 2 nahe bei Null. Die zusätzliche q 2 -Abhängigkeit wird im folgenden diskutiert.<br />
28
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
I.1.5.1 Berechnung von Π(q 2 ) in der Störungstheorie<br />
Aus dem Feynmandiagramm zur Ordnung α erhalten wir (hier haben wir m 0 ≃ m<br />
benutzt)<br />
∫<br />
iΠ µν (q) = −(−ie 0 ) 2 d 4 [<br />
]<br />
k<br />
(2π) 4 tr γ µ i(k/ + m) i(k/ + q/ + m)<br />
k 2 − m 2 + iɛ γν (k + q) 2 − m 2 (I.101)<br />
+ iɛ<br />
(Man beachte, dass zusätzliche Minuszeichen und die Dirac-Spur für die geschlossene<br />
Fermionschleife.) Die Auswertung der Dirac-Spur ist elementar, und es ergibt sich<br />
iΠ µν (q) = −4e 2 0<br />
∫<br />
d 4 k k µ (k + q) ν + k ν (k + q) µ − g µν (k · (k + q) − m 2 )<br />
(2π) 4 (k 2 − m 2 + iɛ)((k + q) 2 − m 2 . (I.102)<br />
+ iɛ)<br />
Das verbleibende Integral kann mit unseren bereits erarbeiteten Standardmethoden<br />
berechnet werden. Ohne explizite Berechnung des Integrals lässt sich an dieser Stelle<br />
bereits die Bedinung q µ Π µν = 0 nachprüfen,<br />
∫<br />
q µ Π µν (q) ∝ d 4 k (q · k)(k + q)ν + k ν (k + q) · q − q ν (k · (k + q) − m 2 )<br />
(k 2 − m 2 + iɛ)((k + q) 2 − m 2 + iɛ)<br />
∫<br />
= d 4 k ν (2q · k + q 2 ) − q ν (k 2 − m 2 )<br />
k<br />
(k 2 − m 2 + iɛ)((k + q) 2 − m 2 + iɛ) . (I.103)<br />
Ein üblicher Trick an dieser Stelle besteht nun darin, die Terme im Zähler als Linearkombination<br />
von den Faktoren im Nenner zu schreiben. Für den Koeffizienten vor k ν<br />
ergibt sich<br />
2q · k + q 2 = ((k + q) 2 − m 2 ) − (k 2 − m 2 ) ;<br />
(I.104)<br />
der Koeffizient vor q ν hat bereits die Form eines Propagatornenners. Damit ergibt sich<br />
nach Kürzen der Brüche<br />
∫ {<br />
}<br />
q µ Π µν ∝ d 4 k k ν 1<br />
k 2 − m 2 + iɛ − 1<br />
kν<br />
(k + q) 2 − m 2 + iɛ − 1<br />
qν<br />
(k + q) 2 − m 2 .<br />
+ iɛ<br />
(I.105)<br />
Falls wir im 2. und 3. Term (k + q) → k substituieren dürfen, ergibt sich in der Tat insgesamt<br />
Null. Aber das Integral ist wieder divergent! Damit dürfen wir die Variablensubstitution<br />
erst nach der Regularisierung erlaubt.<br />
• Für eine cut-off Regularisierung funktioniert dies offensichtlich nicht.<br />
• Pauli-Villars–Regularisierung wäre wieder eine Option. Allerdings ist die Situation<br />
hier etwas komplizierter, weil die führende Divergenz bereits quadratisch ist, d.h.<br />
man braucht 2 PV-Subtraktionen.<br />
– preliminary –<br />
• Das Verfahren dimensionaler Regularisierung ist hier günstig, da wir in obiger Herleitung<br />
nur D = 4 → 4 − 2ɛ ändern müssen und Variablensubstituionen weiterhin<br />
erlaubt sind, und damit q µ Π µν = 0 garantiert ist. (Man beachte, dass sich die<br />
Regeln für die Dirac-Spur in D ≠ 4 Dimensionen nicht verändern.)<br />
29
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
Setzen wir die Berechnung von Π(q 2 ) fort: Nach Einführen von Feynman-Parametern<br />
ergibt sich (nach Wick-Rotation),<br />
∫ 1 ∫ d<br />
iΠ µν (q) = −4ie 2 D k E<br />
0 dx<br />
0 (2π) D<br />
×<br />
{(− 2 ) }<br />
D k2 E + kE 2 + m 2 + x(1 − x)q 2 g µν − 2x(1 − x) q µ q ν : (kE 2 + ∆ 2 ) 2<br />
– preliminary –<br />
(I.106)<br />
mit ∆ 2 = m 2 − x(1 − x)q 2 . Betrachten wir die einzelnen Terme in der geschweiften<br />
Klammer, so fällt auf, dass sich für den Term mit g µν aufgrund des expliziten Faktors<br />
kE 2 im Limes k E → ∞ anscheinend eine quadratische Divergenz ergibt, während der Term<br />
mit q µ q ν offensichtlich nur logarithmisch divergent ist. Wir werden gleich sehen, wie sich<br />
trotzdem die beiden Terme zu einem Ergebnis proportional zum transversalen Projektor<br />
kombinieren lassen. Weiterhin bemerken wir, dass sich keine IR-Divergenzen bei<br />
x → 0, 1 ergeben, was daran liegt, dass die Elektronen in der Schleife von vorneherein<br />
massiv sind.<br />
P µν<br />
T<br />
• Berechnen wir zunächst den (vermeintlich) quadratisch divergenten Beitrag (siehe<br />
Masterintegrale in der Übung )<br />
∫<br />
d D k E (−2/D + 1) kE<br />
2<br />
(2π) D (kE 2 + ∆2 ) 2 = − 1<br />
( ) 1 1−D/2<br />
(4π) D/2 (1 − D/2) Γ[1 − D/2] ∆ 2 .<br />
(I.107)<br />
Die in dimensionaler Regularisierung auftauchenden Γ-Funktionen haben Pole bei<br />
ganzzahligen, nicht-positivem Argument<br />
Γ(z) hat Pole bei z = 0, −1, −2, . . . (I.108)<br />
d.h. die im obigen Integral auftretende Γ-Funktion divergiert für D = 2, 4, 6, . . .<br />
Im Vergleich dazu ergibt sich für ein logarithmisch divergentes Integral<br />
∫<br />
d D ( )<br />
k 1<br />
(2π) D (k 2 + ∆ 2 ) 2 = 1 Γ(2 − D/2) 1 2−D/2<br />
(4π) D/2 Γ(2) ∆ 2 (I.109)<br />
und die auftauchende Γ-Funktion divergiert nur für D = 4, 6, . . .. D.h. in dimensionaler<br />
Regularisierung signalisieren die Pole der Γ-Funktion den Grad der Divergenz.<br />
In unserem konkreten Beispiel wird Γ(z) aber explizit mit z multipliziert. Unter<br />
Verwendung von<br />
z Γ(z) = Γ(z + 1)<br />
(I.110)<br />
wird damit aus dem vermeintlich quadratisch divergenten Beitrag tatsächlich ein<br />
logarithmisch divergenter Term mit Polen bei D = 4, 6, . . ..<br />
∫ d D k E (−2/D + 1) kE<br />
2<br />
(2π) D (kE 2 + ∆2 ) 2 = − 1<br />
( ) 1 1−D/2<br />
(4π) D/2 Γ[2 − D/2] ∆ 2 . (I.111)<br />
30
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
Die Entwicklung der Γ-Funktion für D = 4 − 2ɛ ergibt dann 3<br />
Γ(2 − D/2) = Γ(ɛ) = 1 ɛ − γ E + O(ɛ) (I.112)<br />
so dass die logarithmische Divergenz durch einen Pol 1/ɛ für ɛ → 0 repräsentiert<br />
wird. Hierbei ist die numerische Konstante γ E = 0.5772 . . . die Euler-Mascheroni–<br />
Zahl.<br />
• Fassen wir die weiteren Beiträge zu Π µν (q) zusammen, lässt sich nun explizit der<br />
transversale Projektor identifizieren,<br />
∫ 1<br />
( )<br />
iΠ µν (q) = −4ie 2 1<br />
1 2−D/2<br />
0 dx<br />
0 (4π) D/2 Γ(2 − D/2) ∆ 2<br />
×<br />
{g µν (−∆ 2 ) + g µν (m 2 + x(1 − x)q 2 ) − 2x(1 − x)q µ q ν}<br />
= −4ie 2 0<br />
∫ 1<br />
0<br />
Γ(ɛ) ( dx 2x(1 − x)<br />
(4π) D/2 (∆2 ) −ɛ q 2 g µν − q µ q ν) .<br />
(I.113)<br />
Damit lässt sich die Vakuumpolarisationsfunktion Π(q 2 ) in dimensionaler Regularisierung<br />
extrahieren,<br />
∫<br />
Π(q 2 ) = −8e2 1<br />
0<br />
(4π) D/2 dx x(1 − x) Γ(ɛ)<br />
0<br />
(∆ 2 ) ɛ<br />
= − 2α ∫ 1<br />
{ }<br />
0<br />
1<br />
dx x(1 − x)<br />
π<br />
ɛ − ln ∆2 − γ E + ln 4π<br />
Insbesondere erhalten wir für q 2 = 0 das Resultat<br />
0<br />
∫<br />
Π(0) = − 8e2 1<br />
0<br />
(4π) D/2 dx x(1 − x) Γ(ɛ)<br />
m 2ɛ = − α {<br />
0 1<br />
3π ɛ − ln m2 − γ E + ln 4π}<br />
0<br />
(I.114)<br />
(I.115)<br />
Das Resultat sieht nach der ɛ-Entwicklung etwas seltsam aus, da der Logarithmus einer<br />
dimensionsbehafteten Größe auftaucht. Der Grund hierfür liegt in der Modifikation der<br />
Massendimension des Feynman-Integrals d 4 k → d D k. Um dies zu korrigieren, führen wir<br />
eine Referenzskala µ ein und schreiben<br />
∫<br />
Π(0) = − 8e2 0 µ−2ɛ 1<br />
Γ(ɛ) µ2ɛ<br />
(4π) D/2 dx x(1 − x)<br />
0<br />
m 2ɛ = − α 0µ −2ɛ { }<br />
1 µ2<br />
+ ln<br />
3π ɛ m 2 − γ E + ln 4π .<br />
(I.116)<br />
– preliminary –<br />
3 Die Entwicklung der Γ-Funktion ergibt sich z.B. aus der Darstellung<br />
1<br />
Γ(z) = z eγ E z<br />
∞∏<br />
(1 + z/n) e −z/n .<br />
n=1<br />
31
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
Wir werden später sehen, dass wir die Kombination α 0 µ −2ɛ = α(1 + Oα 2 ) als dimensionlosen<br />
nackten Kopplungsparameter auffassen müssen (im Gegensatz dazu is α 0 = e2 0<br />
4π<br />
selbst dimensionsbehaftet für D ≠ 4). Während Π(0) den Z 3 -Faktor bestimmt,<br />
Z 3 =<br />
1<br />
1 − Π(0) ≃ 1 + α 3π<br />
– preliminary –<br />
{<br />
1<br />
ɛ<br />
+ ln<br />
µ2<br />
m 2 − γ E + ln 4π<br />
ergibt sich für die physikalisch observable modifizierte q 2 -Abhängigkeit<br />
Π(q 2 ) − Π(0) = − 2α π<br />
∫ 1<br />
0<br />
m 2<br />
dx x(1 − x) ln<br />
m 2 − x(1 − x)q 2 + . . . ,<br />
}<br />
, (I.117)<br />
(I.118)<br />
welche UV-endlich ist und die richtige Massendimension besitzt.<br />
Für Hochenergiestreuexperimente nähern wir wieder, −q 2 ≫ m 2 ,<br />
Π(q 2 ) − Π(0) ≈ 2α ∫ (<br />
)<br />
1<br />
dx x(1 − x) ln −q2<br />
π 0<br />
m 2 + ln x(1 − x) + . . .<br />
= α (<br />
ln −q2<br />
3π m 2 − 5 )<br />
3 + . . . . (I.119)<br />
Den effektiven Photonpropagator können wir in diesem Fall auch durch eine effektive<br />
q 2 -abhängige Feinstruktur“konstante” ausdrücken,<br />
α eff (q 2 α<br />
) ≃<br />
, (k = exp(5/3)) (I.120)<br />
1 − α −q2<br />
3π<br />
ln<br />
k m 2<br />
Insbesondere steigt die effektive Wechselwirkung für grössere Impulsüberträge (d.h.<br />
feinere Ortsauflösung) an.<br />
Die Tatsache, dass das das elektromagnetische Potential in der Nähe der Ladungsquelle<br />
effektiv grösser ist als weiter entfernt davon, kann man auch semi-klassisch verstehen:<br />
Die Möglichkeit, in der relativistischen Theorie virtuelle e + e − –Paare aus dem Vakuum<br />
zu erzeugen, führt auf eine effektive Abschirmung der (nackten) Elektronladung. Dieses<br />
Bild erklärt damit auch den Begriff “Vakuumpolarisation”.<br />
Als Fazit stellen wir fest, dass aufgrund der Quantenfluktuationen die elektromagnetische<br />
Kopplungsstärke davon abhängt, bei welchen Abständen/Impulsüberträgen wir messen!<br />
In Hochenergieexperimenten betrachten wir insbesondere α eff (q 2 ). Wenn man die Quantenfluktuationen<br />
aller Fermionen (Quarks, Myonen, Taus) mit berücksichtigt, ergibt sich<br />
z.B. für die relevante Kopplung bei LEP-Experimenten an der Z 0 -Masse:<br />
α eff (q 2 = MZ) 2 ≃ 1<br />
128<br />
(I.121)<br />
(im Vergleich zu 1/137 bei kleinen Energien).<br />
Wir können auch die Modifikation der elektromagnetischen Wechselwirkung im NR<br />
Limes betrachten. Das NR Potential ergibt sich aus der Fouriertransformation des Propagators<br />
für q 2 = −|⃗q| 2 zu<br />
∫<br />
V (|⃗x|) =<br />
d 3 q<br />
ei⃗q·⃗x −e 2<br />
(2π) 3 |⃗q| 2 [1 − Π(−|⃗q| 2 ) + Π(0))] .<br />
(I.122)<br />
32
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
Als grobe Näherung können wir den Integranden für |⃗q| 2 ≪ m 2 entwickeln und erhalten<br />
Π(−|⃗q| 2 ) − Π(0) ≃ − 2α ∫ (<br />
)<br />
1<br />
dx x(1 − x) −x(1 − x) |⃗q|2<br />
π<br />
m 2 = α |⃗q| 2<br />
15π m 2 . (I.123)<br />
0<br />
Damit ergibt sich für das Potential<br />
V (x) ≃ − α r − α ∫<br />
15π<br />
d 3 q<br />
(2π)<br />
3<br />
ei⃗q·⃗x e2<br />
m 2 = −α r − 4 α2<br />
15 m 2 δ(3) (⃗x) + . . . (I.124)<br />
D.h. zusätzlich zum Coulomb-Potential haben wir eine Verstärkung des Potentials bei<br />
kleinen Abständen ⃗x → 0. Der Effekt gibt u.a. einen kleinen Zusatzbeitrag zur Lamb-<br />
Shift im H-Atom (siehe QMII)<br />
∫<br />
(<br />
∆E = d 3 x |ψ(x)| 2 − 4 )<br />
α2<br />
15 m 2 δ(3) (⃗x) = − 4 α2<br />
15 m 2 |ψ(0)|2 , (I.125)<br />
und trägt damit insbesondere für S-Wellen bei. Man kann die obige Näherung noch<br />
verbessern und erhält dann das sog. Uehling-Potential<br />
δV (r) = − α α<br />
r 4 √ π (mr) 3/2 .<br />
e −2mr<br />
(I.126)<br />
An diesem Ausdruck erkennt man, dass die tatsächliche Reichweite des Potentials von<br />
der Grössenordnung der Compton-Wellenlänge des Elektrons, 1/m, ist.<br />
I.1.6 Symmetrien im Pfadintegralformalismus<br />
Bei der Diskussion der Strahlungskorrekturen haben wir an mehreren Stellen von Ward-<br />
Identitäten Gebrauch gemacht, welche von der Erhaltung des elektromagnetischen Stroms<br />
in der QED herrühren. In diesem Abschnitt wollen wir beispielhaft zeigen, wie sich solche<br />
Symmetrierelation für Korrelationsfunktionen direkt aus dem Pfadintegral der QED herleiten<br />
lassen.<br />
Wir betrachten dazu infinitesimale Variablensubstitutionen der Fermionfelder im Pfadintegral,<br />
ψ(x) → ψ ′ (x) = ψ(x) + ieα(x) ψ(x) , ¯ψ(x) → ¯ψ ′ (x) = ¯ψ(x) − ieα(x) ¯ψ(x) ,<br />
(I.127)<br />
welche gerade lokalen Phasentransformationen entsprechen. Das Eichfeld A µ (x) im Pfadintegral<br />
lassen wir allerdings jetzt unverändert. Dann ändert sich die Lagrangedichte<br />
gemäß:<br />
– preliminary –<br />
L → L − e(∂ µ α) ¯ψγ µ ψ = L − (∂ µ α) j µ ,<br />
wobei j µ der elektromagnetische Strom ist.<br />
Der Ausdruck für z.B. die 2-Punkt–Funktion im PI-Formalismus,<br />
∫<br />
1<br />
D<br />
Z<br />
¯ψ Dψ DA ψ(x 1 ) ¯ψ(x ∫ 2 ) e i d 4xL ,<br />
(I.128)<br />
(I.129)<br />
33
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
muss unter Variablensubstitutionen invariant bleiben. Für die linearen Terme in α(x)<br />
ergibt das:<br />
0 = ! 1 ∫<br />
D<br />
Z<br />
¯ψ Dψ DA ψ(x 1 ) ¯ψ(x ∫ {<br />
}<br />
2 ) e i d 4 xL δL<br />
+i<br />
δ∂ µ α(x) (∂ µα)(x) + ieα(x 1 ) − ieα(x 2 ) .<br />
(I.130)<br />
δL<br />
Setzen wir<br />
δ∂ = −j µα(x) µ(x) ein und bilden die Funktionalableitung δ/δα(y), erhalten<br />
wir<br />
0 = ! 1 ∫<br />
D<br />
Z<br />
¯ψ Dψ DA ψ(x 1 ) ¯ψ(x ∫ 2 ) e i d 4xL {+i∂ µ j µ (y) + ieδ(y − x 1 ) − ieδ(y − x 2 )} .<br />
(I.131)<br />
Für jeden der 3 Summanden in der geschweiften Klammer lässt sich das Ergebnis wieder<br />
als 3- bzw 2-Punkt–Funktion interpretieren, und wir erhalten<br />
i∂ y µ 〈0|T j µ (y)ψ(x 1 ) ¯ψ(x 2 )|0〉<br />
= −ieδ(y − x 1 ) 〈0|T ψ(x 1 ) ¯ψ(x 2 )|0〉 + ieδ(y − x 2 ) 〈0|T ψ(x 1 ) ¯ψ(x 2 )|0〉 . (I.132)<br />
Die Herleitung lässt sich offensichtlich für beliebige n-Punkt–Funktionen verallgemeinern.<br />
Beziehungen dieser Art (Divergenz ein (n + 1)-Punkt–Funktion mit dem Noether-<br />
Strom als Differenz(en) von n-Punkt–Funktionen) bezeichnet man allgemein als Ward-<br />
Takahashi–Identitäten. Sie stellen das Pendant zur klassischen Stromerhaltung<br />
∂ µ j µ (x) = 0<br />
auf dem Niveau der Korrelationsfunktionen dar.<br />
Wir können die Identität noch in eine etwas intuitivere Form bringen, indem wir in den<br />
Impulraum transformieren mittels<br />
∫ ∫<br />
∫<br />
d 4 y e −iqy d 4 x 1 e ip′ x 1<br />
d 4 x 2 e −ipx 2<br />
mit q = p ′ − p. Dies führt auf<br />
∫<br />
−q µ d 4 yd 4 x 1 d 4 x 2 e ip′ (x 1 −y) e ip(x−x2) 〈0|T j µ (y)ψ(x 1 ) ¯ψ(x 2 )|0〉 = ie ( S tot (p ′ ) − S tot (p) )<br />
– preliminary –<br />
(I.133)<br />
wobei S tot (p) den vollen Propagator (inklusive Strahlungskorrekturen) bezeichnet. Die<br />
linke Seite der Gleichung enthält gerade unserer Definition der Vertexfunktion, was man<br />
direkt einsieht, wenn man sich die Störungsreihe für das Matrixelement anschaut,<br />
∫<br />
− q µ d 4 yd 4 x 1 d 4 x 2 e ip′ (x 1 −y) e ip(x−x2) 〈0|T ψ(x 1 ) ¯ψ(y)eγ µ ψ(y) ¯ψ(x 2 )|0〉<br />
= S F (p ′ )eγ µ S F (p) + Strahlungskorrekturen<br />
= S tot (p ′ ) eΓ µ (p ′ , p) S tot (p) (I.134)<br />
34
I.1 Radiative Korrekturen in der QED<br />
Nach Multiplizieren mit den inversen Propagatoren erhalten wir so<br />
−q µ Γ µ (p ′ , p) = −iS −1<br />
tot(p ′ ) + iS −1<br />
tot(p)<br />
(I.135)<br />
(Hierbei ist zu beachten, dass wir bisher nicht spezifiziert haben, ob p und p ′ die<br />
Energie-Impuls-Beziehung erfüllen sollen, d.h. die obige Gleichung gilt auch für “offshell”–Vertexfunktionen.)<br />
Weitere Diskussion:<br />
• Auf Baumgraphen-Niveau ergibt sich mit iS −1 (p) = p/ − m und Γ µ (p ′ , p) = γ µ die<br />
triviale Identität:<br />
−q µ γ µ = (−p/ ′ √<br />
+ m) + (p/ − m) = −q/<br />
(I.136)<br />
• Fassen wir die Strahlungskorrekturen zum Fermionpropagator wieder durch die<br />
Selbstenergiematrix Σ(p) zusammen, haben wir allgemein iStot(p) −1 = p/−m−Σ(p).<br />
Daraus ergibt sich<br />
q µ Γ µ (p ′ , p) = q/ − ( Σ(p/ ′ ) − Σ(p/) )<br />
(I.137)<br />
In dieser Form verknüpft die WT-Identität also die Vertexfunktion mit der Differenz<br />
der Selbstenergiefunktionen.<br />
• Werten wir die Vertexfunktion jetzt speziell zwischen externen on-shell–Spinoren<br />
aus, so ergibt sich gerade die Ward-Identität:<br />
q µ ū(p ′ ) Γ µ (p ′ , p) u(p) = ū(p ′ ) ( q/ − Σ(p/ ′ ) + Σ(p/) ) u(p)<br />
= ū(p ′ ) (m − m − Σ(m) + Σ(m)) u(p) = 0<br />
√ (I.138)<br />
• Wir können uns auch die Entwicklung der WT-Identität um q µ = 0 anschauen<br />
(und dann wieder p 2 = m 2 setzen),<br />
q µ Γ µ ∂Σ ∣<br />
(p, p) ∣ = q/ −<br />
p 2 =m2 ∂p/ q/ ∣∣p<br />
= q/ Z−1<br />
2 =m2 2 . (I.139)<br />
Hier taucht also genau der Renormierungsfaktor Z 2 für die externen Elektronlinien<br />
auf. Wir definieren nun analog einen Renormierungsfaktor für die Vertexfunktion<br />
bei q = 0,<br />
so dass obige Relation äquivalent ist zu<br />
Γ µ (p, p) ≡ Z1 −1 γ µ , (I.140)<br />
Z 1 ≡ Z 2 .<br />
(I.141)<br />
– preliminary –<br />
Vergleichen wir mit dem (renormierten) Formfaktor F 1 (q 2 = 0), erhalten wir<br />
F 1 (0)γ µ ≡ Z 2 Γ µ (p, p) = Z 2 Z −1<br />
1 γµ W.I<br />
= γ µ , (I.142)<br />
d.h. die Relation F 1 (0) = 1 gilt zu allen Ordnungen Störungstheorie und ist eine<br />
Konsequenz der Ladungserhaltung in der QED, die sich in den WT-Identitäten für<br />
Korrelationsfunktionen manifestiert.<br />
35
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
Die Diskussion funktioniert analog für beliebige Amplituden mit externen Photonlinien:<br />
Schreiben wir die Amplitude für solche Prozesse als<br />
ɛ µ (k) M µ (k; p 1 , · · · , p n ) ,<br />
wobei ɛ µ (k) der Polarisationsvektor des externen Photons mit Impuls k µ ist, und p 1 · · · p n<br />
weitere externe (on-shell) Impulse sind, dann gilt aufgrund der Ward-Identität stets<br />
k µ M µ (k; p 1 , · · · , p n ) ∣ ∣ p 2<br />
i =m 2 i<br />
I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung<br />
Störungstheorie<br />
= 0 . (I.143)<br />
In den vorherigen Abschnitten hatten wir UV-divergente Schleifendiagramme zur Ordnung<br />
α (1-Schleifen-Diagramme) betrachtet, und die daraus resultierenden Strahlungskorrekturen<br />
zu den klassischen Größen durch Z-Renormierungsfaktoren beschrieben:<br />
• Die Korrekturen zur Vertexfunktion Γ µ (p ′ , p) beinhalten einen divergenten Beitrag<br />
zu Z 1 = 1 + δZ 1 .<br />
• Die Korrekturen zur Elektronselbstenergie Σ(p/) beinhalten einen divergenten Beitrag<br />
zur Normierung der Elektronzustände Z 2 = 1 + δZ 2 und zur Masse m = m 0 + δm.<br />
• Die Korrekturen zur Vakuumpolarisation des Photons Π(q 2 ) involvieren Z 3 = 1 +<br />
δZ 3 .<br />
D.h. wir haben 3 UV-divergente Diagramme (für 3 Arten von Korrelationsfunktionen)<br />
und 4 logarithmisch UV-divergente Renormierungskoeffizienten. Wir wollen uns nun die<br />
Frage stellen, wie und ob sich diese Beobachtungen auch für höhere Ordnungen der<br />
Störungstheorie verallgmeinern lassen.<br />
• Dazu werden wir allgemeine Diagramme hinsichtlich ihres UV-Verhaltens klassifizieren.<br />
• Daraus werden wir allgemeine Kriterien zur Charakterisierung von Theorien bzgl.<br />
der Anzahl zu renormierender Parameter ableiten.<br />
I.2.1 Oberflächlicher Divergenzgrad<br />
Allgemein können wir ein Diagramm charakterisieren durch<br />
– preliminary –<br />
• die Anzahl externer Linien: E e und E γ ,<br />
• die Anzahl interner Propagatoren: P e und P γ ,<br />
• die Anzahl der QED-Vertizes: V ,<br />
• die Anzahl der Schleifen: L.<br />
36
I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />
Zählen wir nun den Beitrag von Potenzen von Schleifenimpulsen k i im Zähler (positive<br />
Potenz) und Nenner (negative Potenz), erhalten wir<br />
Schleife: d 4 k i gibt 4 positive Potenzen pro Schleife ⇒ 4L;<br />
Elektronpropagator: (k/ i + . . .) −1 gibt 1 negative Potenz ⇒ −P e ;<br />
Photonpropagator: (ki 2 + . . .)−1 gibt 2 negative Potenzen ⇒ −2P γ .<br />
Damit ergibt sich der sog. “oberflächliche Divergenzgrad”<br />
d = 4L − P e − 2P γ ,<br />
(I.144)<br />
so dass für große Schleifenimpulse k i oberflächlich logarithmisch (d = 0), linear (d = 1),<br />
quadratisch (d = 2), divergente Diagramme (etc.) von konvergenten (d < 0) Diagrammen<br />
unterschieden werden können. (Anmerkung: in D ≠ 4 Dimensionen gilt d = D L − P e −<br />
2P γ ).<br />
Die Größe d sagt allerdings noch nichts über den tatsächlichen Divergenzgrad aus. Dies<br />
liegt daran, dass<br />
• Diagramme ohne Schleifen (L = 0) stets konvergent sind. Z.B. ergibt das einfache<br />
Vertexdiagramm auf Baumgraphenniveau d = 0, ist aber natürlich nicht logarithmisch<br />
divergent.<br />
• Diagramme mit hinreichend vielen Propagatoren können d < 0 erzeugen, obwohl<br />
einige Sub-diagramme für sich genommen UV-divergent sind. Z.B. ergibt das 1-<br />
Schleifen–Vakuumpolarisationsdiagramm, eingesetzt in das Diagramm für e + e − →<br />
µ + µ − formal<br />
d = 4 · 1 − 2 − 2 · 2 = −2 ,<br />
obwohl das Vakuumpolarisations-Subdiagramm selbst logarithmisch divergent ist.<br />
• Schließlich können zusätzliche Symmetrien den Divergenzgrad verringern, z.B. würde<br />
sich für die Vakuumpolarisation<br />
d = 4 · 1 − 2 = 2<br />
ergeben, aber das Endresultat für Π µν (q) war nur logarithmisch divergent.<br />
Konzentrieren wir uns im Folgenden also auf die potentiell divergenten Subdiagramme.<br />
Wir formen d nun so um, dass nur noch externe Linien auftauchen. Dazu benutzen wir<br />
die folgenden Identitäten:<br />
• Die Anzahl von Schleifen in einem Diagramm ergibt sich zu<br />
L = P e + P γ − V + 1 ,<br />
(I.145)<br />
denn:<br />
– jeder Propagator führt einen neuen Integrationsimpuls ein<br />
– preliminary –<br />
37
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
– jeder Vertex kompensiert eine Impulsintegration aufgrund der Impulserhaltung<br />
δ( ∑ p i ) an jedem Vertex.<br />
– eine der Impuls-δ–Funktionen ist trivial erfüllt (bzw. bezieht sich nur auf<br />
externe Impulse) und darf nicht mitgezählt werden.<br />
• Die Anzahl der Vertizes ergibt sich aus<br />
denn:<br />
V = 2P γ + E γ ,<br />
und 2V = 2P e + E e , (I.146)<br />
– jeder Vertex involviert 2 interne oder externe Elektronlinie und 1 interne oder<br />
externe Photonlinie,<br />
– jede externe Linie berührt genau 1 Vertex, und jede interne Linie berührt<br />
genau 2 Vertizes.<br />
(Man kann sich die Gültigkeit der Formeln leicht an einfachen Mehrschleifendiagrammen<br />
klar machen.) Setzen wir diese Ergebnisse in die Definition des oberflächlichen Divergenzgrad<br />
ein, erhalten wir<br />
d = 4 (P e + P γ − V + 1) − P e − 2P γ<br />
= 4 (V − E e /2 + V/2 − E γ /2 − V + 1) − (V − E e /2) − (V − E γ )<br />
= 4 − E γ − 3 2 E e (D = 4) . (I.147)<br />
Für D = 4 − 2ɛ ergibt sich entsprechend<br />
d = D − ɛ V − (1 − ɛ) E γ − ( 3 2 − ɛ) E e .<br />
– preliminary –<br />
(I.148)<br />
Die Faktoren vor den einzelnen Termen ergeben sich tatsächlich aus der Massendimension<br />
der entsprechenden Felder und Kopplungsparameter in der Lagrangedichte. Dies liegt<br />
daran, dass die Massendimension der n-Punktfunktionen durch die Massendimension<br />
der Feldoperatoren und der Kopplungskonstanten in der Störungstheorie gegeben ist. 4<br />
Für die QED-Lagrangedichte mit D ≠ 4 erhalten wir insbesondere<br />
∫<br />
∫ (<br />
S = d D x L (D) = d D x ¯ψ(x) (iD/ − m 0 ) ψ(x) − 1 )<br />
4 F µνF µν (I.149)<br />
4 Betrachten wir z.B. den elementaren QED-Vertex e 0 ¯ψAµψ, wobei e 0 die Massendimension<br />
dim[e 0] = D − E e dim[ψ] − E γ dim[A]<br />
hat. Die dazugehörige Vertexfunktion ergibt sich durch Amputieren der entsprechenden Diagramme<br />
und hat demnach die gleiche Massendimension. Andererseits ergibt sich im UV-Limes (k i ∝ Λ →<br />
∞) die gesamte Massendimension des Diagramms aus der Anzahl V der (dimensionsbehafteten)<br />
Kopplungskonstanten und dem oberflächlichen Divergenzgrad, d.h.<br />
Gleichsetzen der beiden Ausdrücke ergibt (I.150).<br />
dim[e 0] = dim [ e V 0 · Λ d] = dim[e 0] V + d .<br />
38
I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />
• Die Wirkung ist dimensionslos, d D x hat Massendimension −D. Daraus folgt, dass<br />
die Lagragedichte die Massendimension D hat.<br />
• i∂/ hat Massendimension 1, damit haben e 0 A µ und m 0 auch Massendimension 1.<br />
• Damit haben ψ und ¯ψ Massendimension (D − 1)/2 = 3 2 − ɛ.<br />
• Und F µν hat Massendimension D/2 = 2 − ɛ, d.h. A µ hat Massendimension D/2 −<br />
1 = 1 − ɛ.<br />
• Damit hat die (nackte) Kopplung e 0 die Massendimension (4 − D)/2 = ɛ.<br />
Der oberflächliche Divergenzgrad kann also geschrieben werden als<br />
d = D − dim[e 0 ] V − dim[A] E γ − dim[ψ] E e .<br />
(I.150)<br />
Da alle Felder positive Massendimension tragen, heisst das, dass der oberflächliche Divergenzgrad<br />
mit zunehmender Anzahl an externen Linien abnimmt. Ab einer bestimmten<br />
Anzahl von externen Linien ist also d < 0 und damit gibt es nur endlich viele Arten von<br />
n-Punkt-Subdiagrammen, die potentiell UV-divergent sind. Diese können wir der Reihe<br />
nach (für D = 4) identifizieren:<br />
• Für die 0-Punkt–Funktion (E γ = E e = 0) ergibt sich d = 4. Damit werden alle<br />
Vakuum-Subdiagramme beschrieben, deren Beitrag zur Vakuumenergie also offensichtlich<br />
(oberflächlich) quartisch divergent ist. Bei der Berechnung von Streuamplituden<br />
trägt die Vakuumenergie allerdings nicht bei (siehe Diskussion in TTP1),<br />
und deshalb sind diese Diagramme in der weiteren Diskussion nicht relevant.<br />
• Die 1-Punkt-Funktion mit einem externen Photon (E γ = 1, E e = 0) verschwindet<br />
aufgrund von Symmetrieüberlegungen. Sie beschreibt gerade das Vakuum-Matrixlement<br />
des elmg. Stroms<br />
〈Ω|j µ (x)|Ω〉 .<br />
Dieses verschwindet zum Einen aufgrund der Lorentz-Symmetrie (denn im Vakuum<br />
ist keine Richtung e µ ausgezeichnet); zum Anderen transformiert der elektrische<br />
Strom under Ladungskonjugation wie j µ (x) → −j µ (x), während das Vakuum elektrisch<br />
neutral, also invariant ist.<br />
• Für E γ = 2, E e = 0 erhalten wir als 2-Punkt-Funktion die Vakuumpolarisation,<br />
für die sich d = 2 ergibt.<br />
• Für E γ = 0, E e = 2 ergibt sich entsprechend die Elektronselbstenergie, welche auf<br />
d = 1 führt.<br />
• Die 3-Punkt–Funktion mit 3 Photonen (E γ = 3, E e = 0) verschwindet aus den<br />
gleichen Gründen wie die 1-Punkt-Funktion. Allgemein gilt, dass Diagramme mit<br />
ungerader Anzahl von externen Photonen verschwinden (“Furry’s Theorem”).<br />
– preliminary –<br />
• Für E e = 2 und E γ = 1 ergibt sich gerade die Vertexfunktion mit d = 0.<br />
39
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
• Ebenfalls d = 0 erhält man für die 4-Punkt–Funktion, welche die Streuung von 2<br />
Photonen beschreibt (E γ = 4, E e = 0).<br />
Alle weiteren n-Punkt–Funktionen haben d < 0, und die entsprechenden Subdiagramme<br />
sind somit UV-konvergent. Abgesehen von den Vakuumenergiediagrammen und den<br />
bereits bekannten Vakuumpolarisation-, Selbstenergie- und Vertexdiagrammen bleibt also<br />
eine Klasse von potentiell UV-divergenten Diagrammen für Photon-Photon–Streuung<br />
übrig. Wie im Falle der Vakuumpolarisation reduziert sich hier allerdings wieder der<br />
tatsächliche Divergenzgrad, da die Amplitude transversal bzgl. der äußeren Impulse k i<br />
sein muss,<br />
( µνρσ<br />
Amplitude für Photon-Photon-Streuung ∝ O(ki )) 4 F (ki · k j )<br />
Jede externe Photonlinie reduziert den Divergenzgrad somit um 1, so dass die verbleibende<br />
Funktion F (k i · k j ) UV-endlich ist.<br />
Damit ergeben sich in der Tat auch im allgemeinen Fall genau die 3 Klassen von UVdivergenten<br />
Diagrammen, die wir bereits zur Ordnung α identifiziert hatten. Für diese<br />
bleibt zu untersuchen, welches der tatsächliche Divergenzgrad ist, und wieviele divergente<br />
Renormierungskoeffizienten wir allgemein einführen müssen:<br />
1. Für die Selbstenergiediagramme (mit d = 1) betrachten wir die Taylor-Entwicklung<br />
in p/,<br />
Σ(p/) = A 0 + A 1 p/ + A 2 p 2 + . . .<br />
– preliminary –<br />
(I.151)<br />
mit Koeffizienten A n = 1 d n<br />
n! dp/<br />
Σ| n p/=0 . Die Abhängigkeit von p/ wird über die Feynman-<br />
Propagatoren induziert, also<br />
d 1<br />
∣<br />
1<br />
dp/ k/ + p/ − m p/=0<br />
= −<br />
(k/ − m) 2 ,<br />
(I.152)<br />
d.h. jede Ableitung nach p/ verringert den Divergenzgrad um 1. Somit gilt für die<br />
Koeffizienten in der Taylorentwicklung:<br />
• A 0 ist potentiell linear divergent;<br />
• A 1 ist potentiell logarithmisch divergent;<br />
• A n>1 ist endlich.<br />
Im Falle von A 0 wird der Divergenzgrad weiterhin um 1 verringert, da die Dirac-<br />
Lagrangedichte für m → 0 eine sog. chirale Symmetrie besitzt, d.h. mit ψ =<br />
1+γ 5<br />
2<br />
ψ + 1−γ 5<br />
2<br />
ψ ≡ ψ R + ψ L gilt<br />
L = ¯ψ(iD/ − m)ψ = ¯ψ R iD/ ψ R + ¯ψ<br />
(<br />
L iD/ ψ L − m ¯ψL ψ R + ¯ψ<br />
)<br />
R ψ L (I.153)<br />
und für m = 0 entkoppeln die links- und rechtshändigen Projektionen ψ L und ψ R .<br />
Diese Eigenschaft bleiben in der Störungstheorie erhalten – somit muss<br />
δm = 0 wenn m = 0 , bzw. A 0 = m a 0 (I.154)<br />
40
I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />
gelten, und somit kann die verbleibende Funktion a 0 nur noch logarithmisch divergent<br />
sein (aus Dimensionsgründen, bzw. aufgrund der Tatsache, dass mindestens<br />
ein Fermionpropagator in der Form eingehen muss).<br />
m<br />
(p+k) 2 −m 2<br />
Die Selbstenergiediagramme induzieren also genau die 2 logarithmisch Divergenten<br />
Koeffizienten δm und Z 2 , die wir bereits zur Ordnung α berechnet hatten.<br />
2. Mit dem gleichen Argument wie vorher entwickeln wir die Vertexfunktion in den<br />
externen Impulsen und erhalten<br />
Γ µ (p ′ , p) = b 0 γ µ + . . .<br />
(I.155)<br />
mit genau einem logarithmisch divergenten Koeffizienten b 0 , den wir mit dem<br />
Renormierungskoeffizienten Z 1 beschreiben.<br />
3. Für die Vakuumpolarisation ergibt sich – wie bereits diskutiert – mit der Ward-<br />
Identität<br />
(<br />
Π µν (q) = g µν q 2 − q µ q ν) Π(q 2 )<br />
(I.156)<br />
d.h. in der Taylorentwicklung von Π µν (q) sind der potentiell quadratisch und linear<br />
divergente Term jeweils exakt Null, und die verbleibende Entwicklung der Vakuumpolarisationsfunktion<br />
Π(q 2 ) = Π(0) + Π ′ (0) q 2 + . . .<br />
(I.157)<br />
enthält nur einen logarithmisch divergenten Koeffizienten Π(0), welcher durch die<br />
Renormierungskonstante Z 3 berücksichtigt wird.<br />
Es bleibt also in allgemeiner Ordnung Störungstheorie bei genau 4 logarithmisch divergenten<br />
Koeffizienten Z 1,2,3 und δm.<br />
Diese Art von Überlegungen lassen sich für beliebige Theorien wiederholen (siehe Übung ).<br />
Wir unterscheiden i.A. folgende Fälle:<br />
Super-renormierbare Theorien: besitzen nur eine endliche Anzahl von divergenten Feynman-<br />
Diagrammen.<br />
Renormierbare Theorien: besitzen eine endliche Anzahl von Renormierungskoeffizienten<br />
(d.h. es gibt nur eine endliche Anzahl von divergenten (1PI) n-Punkt–Funktionen.<br />
– preliminary –<br />
Nicht-renormierbare Theorien: Hier haben ab einer genügend hohen Ordnung der Störungstheorie<br />
alle n-Punktfunktionen divergente Beiträge, und dementsprechend benötigt<br />
man unendlich viele Renormierungskoeffizienten.<br />
Ausgehend von (I.150) hängt die obige Klassifizierung direkt mit dem Vorzeichen von<br />
dim[e 0 ], also der Massendimension der Kopplungskonstanten zusammen. Z.B.<br />
41
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
• QED mit D = 3 Dimensionen (und somit dim[e 0 ] = 1/2) ist super-renormierbar,<br />
weil für festes E γ und E e ab einer gewissen Ordnung Störungstheorie (also für V ><br />
V 0 ) immer ein negativer Divergenzgrad d < 0 erreicht werden kann. (Allgemein,<br />
Theorien mit Kopplungsparametern positiver Massendimension).<br />
• QED mit D = 4 ist renormierbar, mit 4 Renormierungskoeffizienten. (Allgemein,<br />
Theorien mit dimensionslosen Kopplungsparametern).<br />
• QED mit D > 4 und dim[e 0 ] < 0 (allgemein Theorien mit Kopplungskonstanten<br />
negativer Massendimension) ist nicht-renormierbar, weil immer d > 0 erreicht<br />
werden kann. (Ein anderes bekanntes Beispiel für nicht-renormierbare Theorien ist<br />
das Fermi-Modell für den Myonzerfall, bei der die effektive Wechselwirkung durch<br />
eine Kopplungskonstante G F mit Massendimension −2 beschrieben wird. Gleiches<br />
gilt für die Gravitationswechselwirkung.)<br />
I.2.2 Renormierte Störungstheorie<br />
Unser Ziel ist es im Folgenden, die Störungstheorie so umzuformulieren, dass sich UV-<br />
Divergenzen zwischen den einzelnen Diagrammen einer gegebenen Ordnung in α systematisch<br />
kompensieren. Dazu werden die Felder und Parameter in der Lagrangedichte<br />
geeignet umdefiniert und auf diese Weise Korrekturterme (“counter terms”) in der Lagrangedichte<br />
erzeugt.<br />
Z.B. können wird die Renormierungskonstante Z 2 in der Relation<br />
〈Ω|ψ(0)|λ p,s 〉 = √ Z 2 u(p, s)<br />
benutzen, um renormierte Feldoperatoren für Fermionen ψ r (s) via<br />
ψ(x) ≡ √ Z 2 ψ r (x)<br />
– preliminary –<br />
(I.158)<br />
einzuführen, so dass die Matrixelement mit den renormierten Feldern wieder wie die<br />
freien Felder normiert sind,<br />
〈Ω|ψ r (0)|λ p,s 〉 = u(p, s) .<br />
Ebenso behandeln wir das Eichfeld und definieren<br />
A µ (x) ≡ √ Z 3 A r µ(x) .<br />
Ausgedrückt durch die neuen Felder lautet die QED-Lagrangedichte dann<br />
L = − 1 4 F µν F µν + ¯ψ(i∂/ − m 0 )ψ − e 0 ¯ψγ µ ψ A µ<br />
= − 1 4 Z 3 F r µν Fµν r + Z 2 ¯ψr (i∂/ − m 0 ) ψ r − e 0 Z 2 Z 1/2 ¯ψ r γ µ ψ r A r µ .<br />
3<br />
(I.159)<br />
(I.160)<br />
(I.161)<br />
Weiterhin führen wir den Renormierungsfaktor Z 1 durch die Bedingung<br />
Γ µ (q = 0) ∣ ≡ γ µ ⇔ e 0 Z 2 Z 1/2<br />
3 = eZ 1 (I.162)<br />
renorm.<br />
42
I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />
ein. Aufgrund der QED–Ward-Identität vereinfacht sich dies – wie bereits oben diskutiert<br />
– zu<br />
e 0<br />
√<br />
Z3 = e .<br />
(I.163)<br />
Wenn wir jetzt die Lagrangedichte durch renormierte Felder und die renormierte Kopplung<br />
e ausdrücken, ergibt sich<br />
L = − 1 4 Z 3 F r µν Fµν r + Z 2 ¯ψr (i∂/ − m 0 ) ψ r − e Z 1 ¯ψr γ µ ψ r A r µ . (I.164)<br />
Dies schreiben wir jetzt noch um, indem wir die Z-Faktoren als<br />
Z i = 1 + (Z i − 1) ≡ 1 + δZ i<br />
schreiben, erhalten wir die QED-Lagrangedichte in der Form<br />
L = − 1 4 F r µν Fµν r + ¯ψ r (i∂/ − m) ψ r − e ¯ψ r γ µ ψ r A r µ<br />
− 1 4 δZ 3 F r µν Fµν r + ¯ψ r (δZ 2 i∂/ − δm) ψ r − e δZ 1 ¯ψr γ µ ψ r A r µ , (I.165)<br />
wobei wir jetzt noch den Massen–counter-term<br />
δm ≡ Z 2 m 0 − m<br />
definiert haben 5 .<br />
In dieser Form setzt sich die Lagrangedichte also aus 2 Teilen zusammen,<br />
L(ψ, ¯ψ, A µ ; e 0 , m 0 ) = L(ψ r , ¯ψ r , A r µ; e, m) + L c.t. ,<br />
(I.166)<br />
(I.167)<br />
wobei der erste Term die gleiche funktionale Form wie die ursprüngliche Lagrangedichte<br />
hat, während der zweite Term die counter-terme enthält, die wir nun aber als zusätzlichen<br />
Beitrag zur Wechselwirkungs-Lagrangedichte L int auffassen wollen. Daraus ergeben sich<br />
dann entsprechend neue Feynmanregeln für die renormierte Störungstheorie:<br />
Counter-term–Einsetzung in Photonlinie : −i (g µν − q µ q ν ) δZ 3 ,<br />
Counter-term-Einsetzung in Fermionlinie : i (p/ δZ 2 − δm) ,<br />
Counter-term-Einsetzung in Vertex : −ieγ µ δZ 1 .<br />
(I.168)<br />
(I.169)<br />
(I.170)<br />
Hierbei müssen die Werte der Counterterm-Parameter δZ i und δm gerade so gewählt<br />
werden, dass die entsprechenden Renormierungsbedingungen Ordnung für Ordnung erfüllt<br />
sind. Unser bisher diskutiertes Vorgehen entspricht gerade den Renormierungsbedingungen:<br />
Σ r (p/ = m) = 0 (bestimmt δm ,<br />
d<br />
dp/ Σr (m) = 0 (bestimmt δZ 2 ) ,<br />
– preliminary –<br />
Π r (q 2 = 0) = 0 (bestimmt δZ 3 ) ,<br />
−ieΓ µ r (p ′ = p) = −ieγ µ (bestimmt δZ 1 ) . (I.171)<br />
5 Achtung: Diese Definition entspricht nicht der weiter oben diskutierten Massenänderung δm.<br />
43
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
Entsprechend unserer Klassifizierung als renormierbare Theorie, erwarten wir, dass die<br />
4 Counterterme ausreichend sind, damit jede n-Punkt-Funktion in gegebener Ordnung<br />
der renormierten Störungstheorie UV-konvergent ist. Hierbei ist hervorzuheben, dass<br />
die Counterterme lokalen Operatoren in der Lagrangedichte (also Produkten von Feldoperatoren<br />
am gleichen Raumzeitpunkt x µ ) entsprechen. Dies entspricht der Tatsache,<br />
dass die UV-Divergenzen von Feldkonfigurationen mit unendlich hohen Impulsen herrühren.<br />
Für 1-Schleifen-Diagramme ist dies sofort einsichtig; bei Mehrschleifendiagrammen<br />
müssen wir aber gewährleisten, dass Konfigurationen, bei denen nur einige der<br />
Schleifenimpulse gross werden, keine UV-Divergenzen erzeugen, die nicht bereits durch<br />
die Renormierungsbedingungen der vorgehenden Ordnung kompensiert werden.<br />
Dazu betrachten wir als Beispiel ein 2-Schleifendiagramm, dass zur Vakuumpolarisation<br />
Π(q 2 ) des Photons zur Ordnung α 2 beiträgt.<br />
Hierbei wird über 2 interne Impulse d 4 p (Fermionimpuls im linken oberen Fermionpropagator)<br />
und d 4 k (interner Photonimpuls) integriert, während der externe Impuls q endlich<br />
ist.<br />
Fall 1: Der interne Photonimpuls k sei groß; der interne Fermionimpuls p sei endlich.<br />
• Der rechte Teil des Diagramms lässt sich in p, q entwickeln.<br />
• Die d 4 k Integration erzeugt dann die gleichen UV-Divergenzen wie in einem<br />
Vertexdiagramm mit den externen Fermionimpulsen p und p − q.<br />
• Diese UV-Divergenz wird dann automatisch kompensiert durch das entsprechende<br />
Counterterm-Diagramm mit der Einsetzung von δZ 1 am rechten Vertex.<br />
Fall 2: Der interne Fermionimpuls p sei groß; aber (p + k) und q klein. Hier erfolgt die<br />
Argumentation analog zu Fall 1, nun für den linken Vertex.<br />
Fall 3: Der Photonimpuls k sei klein; und p sei groß.<br />
• Der Integrand skaliert wie 1/(p/ + · · · ) 4 .<br />
– preliminary –<br />
• Die Ward-Identität für die Photon-Vakuumpolarisation verringert den oberflächlichen<br />
Divergenzgrad wieder um 2 Einheiten.<br />
• Damit ergibt die d 4 p Integration einen UV-endlichen Beitrag.<br />
Fall 4: Sämtliche internen Impulse p, p + k und k seien groß.<br />
• Wir können wieder im kleinen Impuls q entwickeln.<br />
44
I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />
• Damit erhalten wir gemäß unserer allgemeinen Diskussion einen UV-divergenten<br />
Beitrag zu Π(0) der Ordnung α 2 , welcher einem lokalen Counterterm entspricht.<br />
Mit der entsprechenden Renormierungsbedingung definiert dieser den Beitrag<br />
der Ordnung α 2 zu δZ 2 .<br />
Im obigen Beispiel haben die im 2-Schleifen–Integral auftretenden UV-Divergenzen also<br />
entweder die Form<br />
• eines Produkts: (1-loop–Integral) × (1-loop UV-Divergenz);<br />
wobei das erste Integral noch eine allgemeine Funktion von den externen Impulsen<br />
sein kann, und deshalb einem nicht-lokalen Term in der Lagrangedichte<br />
entsprechen würde. Dieser Beitrag wird aber gerade durch die Einsetzung des (1-<br />
loop)–Counterterm kompensiert.<br />
• einer genuinen (2-loop–Divergenz), die durch einen lokalen (2-loop)–Counterterm<br />
kompensiert werden kann.<br />
Wir kommen also tatsächlich mit den identifizierten lokalen Countertermen in der Lagrangedichte<br />
der renormierten Störungstheorie aus. Der Beweis, das dies für jede Ordnung<br />
der Störungstheorie tatsächlich immer funktioniert, ist kompliziert und wurde von<br />
Bogoliubov, Parasiuk, Hepp, Zimmermann erbracht. Das sogenannte BHPZ-Theorem<br />
liefert somit die theoretische Grundlage für die Renormierbarkeit der QED.<br />
I.2.3 Das MS–Renormierungsschema<br />
Die Renormierungsbedingungen für die Counterterme δZ i und δm, die wir oben diskutiert<br />
haben, sind zu einem gewissen Grade willkürlich, in dem Sinne, dass wir beliebige<br />
endliche Terme hinzu addieren können, ohne die Kompensation der UV-divergenten<br />
Terme in der Störungstheorie zu beeinflussen:<br />
• <strong>Physik</strong>alische Observable sollten dabei invariant unter solchen endlichen Renormierungen<br />
der theoretischen Parameter sein.<br />
• Aber der Zusammenhang zwischen physikalischen Messgrößen und den Parametern<br />
in der Lagrangedichte ändert sich.<br />
• Dies impliziert, dass sich i.A. auch der störungstheoretische Zusammenhang zwischen<br />
zwei verschiedenen Observablen über die Abhängigkeit von den theoretischen<br />
Parametern verändert. (Der Unterschied darf dabei allerdings höchstens von der<br />
Ordnung α n+1 sein, wenn die Störungsrechnung zur Ordnung α n explizit durchgeführt<br />
wurde).<br />
– preliminary –<br />
Im Zusammenhang mit der dimensionalen Regularisierung benutzen wir insbesondere<br />
häufig das sogenannte MS-Schema (sprich “MS-bar”, für “minimal subtraction”). Ausgangspunkt<br />
ist dabei die Beobachtung, dass die Pole in den Impulsintegralen in der<br />
Form<br />
( )<br />
1<br />
Koeffizient ×<br />
ɛ − γ E + ln 4π + endliche Terme<br />
45
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
auftauchen.<br />
• Im MS-Schema: δZ i und δm enthalten gerade nur die 1/ɛ Terme.<br />
• Im MS-Schema: δZ i und δm enthalten gerade nur die 1ˆɛ ≡ ( 1 ɛ − γ E + ln 4π) Terme.<br />
Zum Beispiel lautet die renormierte Vakuumpolarisation in dimensionaler Regularisierung 6<br />
zur Ordnung α mit ∆ 2 = m 2 − x(1 − x)q 2<br />
Π ren (q 2 ) = − 8e2 µ 2ɛ ∫ 1<br />
(4π) D/2 dx x(1 − x) Γ(ɛ)<br />
∆ 2ɛ − δZ 3<br />
– preliminary –<br />
0<br />
(I.175)<br />
• Im bisher betrachteten (sogenannten “on-shell”-) Schema haben wir Π ren (q 2 =<br />
0) ! = 0 gefordert, woraus sich<br />
ergibt.<br />
∣ ∣∣on−shell<br />
δZ 3 = − 8e2 µ 2ɛ ∫ 1<br />
(4π) D/2 dx x(1 − x) Γ(ɛ)<br />
m 2ɛ<br />
0<br />
(I.176)<br />
• Allgemein hätten wir die Vakuumpolarisation auch um einen beliebigen Punkt<br />
q 2 = −q 2 0 entwickeln und Πren (q 2 = −q 2 0 ) ! = 0 fordern können. Entsprechend ergäbe<br />
sich<br />
∣ ∣∣modifiziert<br />
δZ 3 = − 8e2 µ 2ɛ ∫ 1<br />
Γ(ɛ)<br />
(4π) D/2 dx x(1 − x)<br />
(m 2 + x(1 − x)q0 2 (I.177)<br />
)ɛ<br />
0<br />
• Im MS-Schema ergibt sich dagegen ein sehr einfacher Ausdruck für Z 3 , nämlich<br />
∣ ∣∣MS<br />
δZ 3 = − 8e2 µ 2ɛ ∫ 1<br />
(4π) D/2 dx x(1 − x) Γ(ɛ) ∣ ∣∣1/ɛ<br />
∆ 2ɛ = − α 1<br />
3π ɛ<br />
• Entsprechend erhält man für das MS-Schema<br />
∣ ∣∣MS<br />
δZ 3 = − α 1<br />
3π ˆɛ = − α ( 1<br />
3π ɛ − γ E + ln 4π)<br />
0<br />
(I.178)<br />
(I.179)<br />
6 Hierbei müssen wir beachten, dass in der renormierten Störungstheorie, die Dimensionen der<br />
renormierten Felder und Parameter in der Lagrangedichte durch Einführen einer willkürlichen Hilfsskala<br />
µ (“Renormierungskala”) korrigiert werden müssen. Entsprechend lautet der Zusammenhang<br />
zwischen den ursprünglichen (“nackten”) und renormierten Größen nun<br />
und<br />
ψ(x) ≡ √ Z 2 µ −ɛ ψ r(x) ,<br />
A µ(x) ≡ √ Z 3 µ −ɛ A r µ(x) ,<br />
e 0<br />
√<br />
Z3 µ −ɛ ≡ e ,<br />
(I.172)<br />
(I.173)<br />
(I.174)<br />
und die Impulsintegrale von der Fouriertransformationen ergeben sich aus d D k µ 2ɛ .<br />
46
I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />
In der Praxis ist es somit meist einfacher, den divergenten Anteil zu berechnen, da sich<br />
die Feynman-Parameter–Integrale vereinfachen. Für die Berechnung der renormierten<br />
Vakuumpolarisation selbst ändert sich hinsichtlich des Rechenaufwands zunächst nichts.<br />
Um Rechnungen in dem einen oder anderen Schema zu vergleichen, können wir also<br />
schreiben<br />
wobei die Differenz<br />
Π ren (q 2 )| MS<br />
= Π ren (q 2 )| on−shell + δZ 3 | on−shell − δZ 3 | MS<br />
,<br />
δZ 3 | on−shell − δZ 3 | MS<br />
(I.180)<br />
einen endlichen Renormierungskoeffizienten darstellt. Wie im obigen Beispiel mit dem<br />
modifizierten on-shell Schema, lässt sich innerhalb eines bestimmten Schemas i.A. eine<br />
Referenzskala µ frei wählen. Im MS-Schema ergibt sich die Skalenabhängigkeit dabei<br />
insbesondere aus dem Zusammenhang der nackten Kopplung e 0 und der renormierten<br />
Kopplungskonstante e in der renormierten Störungstheorie,<br />
e 0<br />
√<br />
Z3 µ −ɛ ≡ e .<br />
(I.181)<br />
Hierbei ist die Massendimension der nackten Kopplung dim[e 0 ] = ɛ, während die renormierte<br />
Kopplung dimensionslos ist. Schreiben wir für den Renormierungskoeffizienten<br />
Z 3 | MS<br />
(α) = 1 + α 4π<br />
ergibt sich für die renormierte Feinstrukturkonstante<br />
1<br />
ˆɛ δz(1) + O(α 2 ) , mit δz (1) = −4/3 (I.182)<br />
α = α 0 Z 3 µ −2ɛ = α 0 Z 3 (α(µ)) µ −2ɛ ≡ α(µ) ,<br />
(I.183)<br />
wobei – wie angedeutet – die Skalenabhängigkeit der effektiven Kopplung zum einen<br />
implizit durch die Abhängigkeit von Z 3 (α(µ)), sowie explizit durch den Faktor µ −2ɛ<br />
induziert wird. Wegen µ −2ɛ = exp ( −ɛ ln µ 2) ist die Abhängigkeit α(µ) logarithmisch,<br />
Die explizite Berechnung in der Störungstheorie ergibt<br />
dα dα<br />
≡ µ2<br />
d ln µ 2 dµ 2 ≠ 0 (I.184)<br />
dα<br />
d ln µ 2 = d (<br />
d ln µ 2 α 0 Z 3 (α(µ)) exp<br />
(−ɛ ln µ 2))<br />
– preliminary –<br />
dα dZ 3<br />
= −ɛ α(µ) + α 0<br />
d ln µ 2<br />
dα µ−2ɛ<br />
≃ −ɛ α(µ) + α 0 (−ɛα(µ) + . . .) µ −2ɛ 1<br />
≃ −ɛ α(µ) + α2<br />
4π<br />
( ) −ɛ<br />
δz (1) + O(α 3 )<br />
ˆɛ<br />
4πˆɛ δz(1)<br />
(I.185)<br />
47
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
Für ɛ → 0 ergibt sich somit 7<br />
dα<br />
d ln µ 2 | ɛ→0 = α2<br />
4π (−δz(1) ) + . . . = α2<br />
3π + O(α3 )<br />
(I.186)<br />
Allgemein definieren wir die sog. Betafunktion als 8<br />
dα<br />
d ln µ 2 | ɛ→0 ≡ β(α) = β 0 α 2 + . . .<br />
– preliminary –<br />
(I.187)<br />
so dass β 0 | QED = 1/3π. Die Betafunktion beschreibt also das Skalenverhalten der effektiven<br />
Kopplung in der Lagrangedichte für die renormierte Störungstheorie. Im MS-<br />
Schema können wir die Skalenabhängigkeit der theoretischen Parameter in der Störungstheorie<br />
dann stets auf α(µ) zurückführen.<br />
In gegebener Ordnung lässt sich die Differentialgleichung, welche die Betafunktion definiert,<br />
explizit integrieren,<br />
dα<br />
α 2 ≃ β 0 d ln µ 2 ⇔ − 1<br />
α(µ) + 1<br />
α(µ 0 ) = β 0 ln µ2<br />
α(µ 0 )<br />
⇒ α(µ) =<br />
. (I.188)<br />
1 − α(µ 0 ) β 0 ln µ2<br />
Vergleichen wir dies mit der weiter oben aus Π(q 2 ) − Π(0) konstruierten effektiven Kopplung<br />
für Hochenergie–Elektron-Myon-Streuung,<br />
α eff (q 2 α<br />
) ≃<br />
1 − α 3π<br />
,<br />
−q2<br />
ln<br />
e 5/3 m 2<br />
ergibt sich Übereinstimmung von α(µ) und α eff (q 2 ), wenn wir q 2 → −µ 2 , µ 2 0 → e5/3 m 2<br />
und α(µ 0 ) → α identifizieren.<br />
Die Skalenabhängigkeit von theoretischen Parametern<br />
spiegelt also anscheinend<br />
die Impulsabhängigkeit von physikalischen Observablen<br />
wider!<br />
Analog können wir auch den Massenparameter m = m(µ)| MS<br />
im MS-bar–Schema behandeln,<br />
dm<br />
(<br />
)<br />
d ln µ 2 ≡ γ m(α) m = m γ 1 α + γ 2 α 2 + . . . , (I.189)<br />
wobei die Funktion γ(α) als anomale Massendimension bezeichnet wird. Im Gegensatz<br />
zur vorher definierten Polmasse m pol ist die MS-bar–Masse also auch skalenabhängig.<br />
7 Für ɛ ≠ 0 definieren wir entsprechend die Funktion β ɛ(α).<br />
8 Die Normierungskonventionen sind hierbei in der Literatur nicht eindeutig: Manchmal werden Faktoren<br />
2 oder 4π in die Betafunktion absorbiert.<br />
µ 2 0<br />
µ 2 0<br />
48
I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />
Diese kann in der Störungstheorie wieder explizit berechnet werden (siehe Übung ). In<br />
führender nicht-trivialer Ordnung erhält man<br />
( ) α(µ)<br />
γ1 /β 0<br />
m(µ) =<br />
m(µ 0 ) (I.190)<br />
α(µ 0 )<br />
I.2.4 Renormierungsgruppe<br />
Wir wollen nun den Zusammenhang zwischen der Skalenabhängigkeit der theoretischen<br />
Parametern und der Impulsabhängigkeit von Streuamplituden oder allgemein von Greenschen<br />
Funktionen von einem etwas formaleren Standpunkt aus beleuchten. Dazu betrachten<br />
wir eine beliebige n-Punkt–Funktion in der renormierten Störungstheorie,<br />
Γ ren (· · · ) = Z Γ 0 (· · · )<br />
(I.191)<br />
wobei Γ 0 die nackte Greensfunktion bezeichnet, und Z der dazugehörige Renormierungsfaktor<br />
ist. Die Abhängigkeit von externen Raumzeitpunkten (oder Impulsen) haben wir<br />
hier nur durch Punkte angedeutet. In jedem Renormierungsschema R (mit jeweils beliebiger<br />
Renormierungsskala µ) ergibt sich jeweils ein anderer Z-Faktor und somit auch<br />
ein anderes Resultat für Γ ren ≡ Γ R ,<br />
Γ R (· · · ) = Z(R) Γ 0 (· · · ) ,<br />
Γ R ′(· · · ) = Z(R ′ ) Γ 0 (· · · ) .<br />
(I.192)<br />
D.h. beim Wechsel zwischen 2 Renormierungsvorschriften R und R ′ ergibt sich i.A. ein<br />
Zusammenhang<br />
Γ R ′(· · · ) = Z(R)<br />
Z(R ′ ) Γ R(· · · ) ≡ Z(R ′ , R) Γ R (· · · ) ,<br />
(I.193)<br />
wobei die (endliche) Funktion Z(R ′ , R) vom einen in das andere Renormierungsschema<br />
(bzw -skala) transformiert. Die Menge {Z(R ′ , R)} aller möglichen solcher Transformationen<br />
hat gruppoide Eigenschaften:<br />
• Komposition: Z(R ′′ , R) = Z(R ′′ , R ′ ) Z(R ′ , R)<br />
• inverses Element: Z −1 (R ′ , R) = Z(R, R ′ )<br />
• neutrales Element: Z(R, R) = 1.<br />
• Assoziativgesetz.<br />
I.A. (d.h. für beliebige Schemen) gibt es nicht immer eine Verknüpfungsvorschrift für<br />
beliebige Elemente, Z(R i , R j )·Z(R k , R l ) mit j ≠ k, die wieder als Z(R m , R n ) geschrieben<br />
werden kann. Beschränken wir uns allerdings auf z.B. das MS-Schema, unterscheiden sich<br />
die Elemente R i nur durch die Wahl der Renormierungsskala µ, so dass<br />
– preliminary –<br />
Z(R i , R j ) = Z(µ i , µ j ) = Z(µ i /µ j )<br />
(I.194)<br />
und die Elemente {Z(µ i , µ j )} bilden tatsächlich eine Gruppe, die sog. Renormierungsgruppe<br />
(RG).<br />
49
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
• Auf den Parametern der Lagrangedichte sind die RG-Transformationen dann dargestellt<br />
als α(µ) → α(µ ′ ), m(µ) → m(µ ′ ) etc.<br />
• <strong>Physik</strong>alische Observable sind dagegen RG-invariant (triviale Darstellung).<br />
• Das RG-Verhalten von n-Punkt–Funktionen werden wir weiter unten studieren.<br />
Betrachten wir zunächst die Berechnung einer Observablen O als Funktion von externen<br />
Impulsen p, Massenparametern m(µ), der laufenden Kopplung α(µ) und der expliziten<br />
µ-Abhängigkeit im MSbar-Schema,<br />
Invarianz gegenüber RG-Trafos heisst<br />
O = O(p, m(µ), α(µ); µ) .<br />
{<br />
dO<br />
d ln µ = µ ∂<br />
∂µ + µdα ∂<br />
dµ ∂α + µ dm<br />
m dµ m ∂ }<br />
O<br />
∂m<br />
{<br />
= µ ∂<br />
∂µ + 2β(µ) ∂<br />
∂α + 2γ m(µ) m ∂ }<br />
O = ! 0 ,<br />
∂m<br />
– preliminary –<br />
(I.195)<br />
wobei wieder die Betafunktion der laufenden Kopplung, sowie die anomale Massendimension<br />
γ m auftauchen. Was kann man mit dieser Gleichung anfangen? – Betrachten<br />
wir dazu zunächst ein einfaches Beispiel: Sei O eine dimensionslose Observable (z.B.<br />
das Verhältnis zweier Streuquerschnitte), die von einer Impulsvariablen q 2 abhängt. Im<br />
Hochenergielimes q 2 ≫ m 2 (µ) erhalten wir dann<br />
[ ]<br />
q<br />
O → O(q 2 2<br />
, α(µ); µ) ≡ F<br />
µ 2 , α(µ) , (I.196)<br />
wobei die Funktion F aus Dimensionsgründen nur von dem Verhältnis der beiden dimensionsbehafteten<br />
Größen q 2 und µ 2 abhängen kann. Wir nehmen weiter an, dass F<br />
im Limes α → 0 einen konstanten Wert F 0 ergibt (klassisches Resultat). Dann können<br />
wir die Störungstheorie für F allgemein schreiben<br />
[ ] ( [ ] [ ]<br />
)<br />
q<br />
2<br />
q<br />
2<br />
q<br />
2<br />
F<br />
µ 2 , α(µ) = F 0 1 + c 1<br />
µ 2 α(µ) + c 2<br />
µ 2 α 2 (µ) + . . .<br />
Die Koeffizientenfunktionen c i<br />
[ q 2<br />
µ 2 ]<br />
(I.197)<br />
ergeben sich dann durch die konkrete Rechnung, z.B.<br />
im MS-Schema. Allerdings bestehen aufgrund der RG-Invarianz von O (und damit von<br />
F ) bereits Einschränkungen. Aus dF/d ln µ = 0 folgt nämlich<br />
[ ] [ ]<br />
[ ] [ ]<br />
− 2q2 q<br />
2<br />
q<br />
2<br />
µ 2 c′ 1<br />
µ 2 α + 2c 1<br />
µ 2 β(α) − 2q2 q<br />
2<br />
q<br />
µ 2 c′ 2<br />
µ 2 α 2 2<br />
+ 4c 2<br />
µ 2 β(α) α + O(α 3 ) = 0 .<br />
(I.198)<br />
50
I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />
Wenn wir verwenden, dass β(α) = β 0 α 2 + . . ., und die Koeffizienten vor α und α 2<br />
vergleichen, ergeben sich die Bedingungen (x = q 2 /µ 2 )<br />
c ′ 1[x] = 0 ⇒ c 1 = const. ≡ C 1 , (I.199)<br />
β 0 c 1 [x] = x c ′ 2[x] ⇒ c 2 [x] =<br />
∫ x<br />
dx ′<br />
x 0<br />
x ′<br />
C 1 β 0 = C 1 β 0 ln q2<br />
µ 2 + C 2 , (I.200)<br />
d.h. die q 2 -Abhängigkeit der Koeffizientenfunktion zum O(α 2 )-Beitrag c 2 (x) ist bereits<br />
durch den Koeffizienten der vorherigen Ordnung C 1 festgelegt, während die Integrationskonstante<br />
C 2 durch die konkrete Rechnung bestimmt werden muss. Dimensionsanalyse<br />
und RG-Invarianz schränken die Observable also auf die Form<br />
[ ]<br />
(<br />
)<br />
)<br />
q<br />
2<br />
F<br />
µ 2 , α(µ) = F 0<br />
(1 + C 1 α(µ) + C 1 β 0 ln q2<br />
µ 2 + C 2 α 2 (µ) + . . . (I.201)<br />
ein, wobei die Wahl der Renormierungsskala µ zunächst willkürlich ist. Wir können uns<br />
nun aber fragen, unter welchen Bedingungen die Störungsreihe am besten konvergiert:<br />
Für q 2 ≫ µ 2 : ist der Koeffizient zur Ordnung α 2 logarithmisch vergrössert.<br />
Für q 2 ≪ µ 2 : ebenso.<br />
Für q 2 ∼ µ 2 : ergibt sich “normale” Zahlenkoeffizienten 9 C 1,2,... ∼ O(1).<br />
Für Observablen mit einer (dominanten) Impulsskala ist es also sinnvoll, die Renormierungsskala<br />
von der Ordnung der externen Impulsskala zu wählen, speziell für µ 2 ≡ q 2 erhält man<br />
dann<br />
)<br />
F = F (1, α(q)) = F 0<br />
(1 + C 1 α(q) + C 2 α 2 (q) + . . .<br />
(I.202)<br />
und α(q) ist der maßgebliche Wert der laufenden (effektiven) Kopplungskonstante. Anders<br />
betrachtet resummiert die geometrische Reihe<br />
α(µ 0 )<br />
α(q) =<br />
1 − β 0 ln q2<br />
α(µ 0 ) = α(µ 0) + β 0 ln q2<br />
α 2 (µ 0 ) + . . .<br />
µ 2 0<br />
– preliminary –<br />
µ 2 0<br />
(I.203)<br />
gerade die (führenden) großen Logarithmen, die bei der Verwendung einer anderen Referenzskala<br />
µ 0 in der Störungsreihe für F entstanden wären. Die laufende Kopplung<br />
repräsentiert also das einfachste Beispiel für die Resummation von großen Logarithmen<br />
in der Störungsreihe (vgl. die Diskussion zum Sudakov-Formfaktor).<br />
Aus der resummierten (d.h. RG-verbesserten) Störungstheorie können wir dann präzise<br />
Aussagen über die Abhängigkeit der Observablen von externen Massen- oder Impulsskalen<br />
machen. Im obigen Beispiel erwarten wir naiv (d.h. klassisch)<br />
O = O(m 2 /q 2 ) q2 →∞<br />
−→ F 0 = const.<br />
9 Allerdings können die Zahlen faktoriell mit der Ordnung n in der Störungsreihe anwachsen.<br />
51
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
Quantenkorrekturen induzieren eine nicht-triviale q 2 -Abhängigkeit aufgrund der Skalenabhängigkeit<br />
der laufenden Kopplung,<br />
O → O(α(q)) mit q 2 dO (<br />
)<br />
dq 2 = F 0 C 1 β 0 α 2 (q) + . . . , (I.204)<br />
wobei es offensichtlich für die Bestimmung der dominanten q 2 -Abhängigkeit ausreichend<br />
ist,<br />
• den Koeffizienten C 1 aus der 1-Schleifen-Rechnung der Observablen,<br />
• den Koeffizienten β 0 aus der 1-Schleifen-Rechung für Π(0) bzw. Z 3<br />
zu bestimmen.<br />
Man beachte, dass in fester Ordnung Störungstheorie, O(α n ), die Observable nicht exakt<br />
µ-unabhängig ist,<br />
dF<br />
d ln µ = F 0 O(α n+1 (q)) .<br />
Durch Variation von µ (typischerweise im Bereich eines Faktor 2 bis 4 um µ = q) kann<br />
man die Größe der rechten Seite numerisch bestimmen und erhält daraus eine grobe<br />
Abschätzung für den theoretischen Fehler, der durch die Vernachlässigung der höheren<br />
Ordnungen entsteht.<br />
I.2.4.1 RG-Verhalten von Green-Funktionen<br />
Wenden wir uns nun dem RG-Verhalten von Green-Funktionen zu. Betrachten wir<br />
zunächst die nackten Ortsraum–Green-Funktionen<br />
G (0)<br />
n = 〈0|T φ 0 (x 1 ) · · · φ 0 (x n )|0〉 = Z n/2<br />
φ<br />
G n (α(µ), m(µ), µ) (I.205)<br />
wobei wir auf der rechten Seite die renormierte Green-Funktion als Funktion der laufenden<br />
Parameter geschrieben haben, so dass sich aufgrund des Zusammenhanges zwischen<br />
nackten und renormierten Feldern die entsprechende Potenz der Feldrenormierungsfaktoren<br />
Z φ ergibt. Da G (0) nicht von µ abhängt, gilt wieder<br />
n<br />
µ dG n<br />
dµ = µ d<br />
dµ (Z−n/2<br />
φ<br />
) G (0)<br />
n = − n 2 µ d<br />
dµ ln Z φ Z −n/2<br />
φ<br />
G (0)<br />
n<br />
} {{ }<br />
} {{ }<br />
≡ − n 2 γ φ(α) G n ,<br />
– preliminary –<br />
(I.206)<br />
wobei wir die anomale Dimension der Felder γ φ (α) eingeführt haben, welche wieder<br />
störungstheoretisch aus den Z φ berechnet werden kann. Andererseits gilt erneut<br />
µ dG (<br />
n<br />
dµ = µ ∂<br />
∂µ + 2β ∂<br />
∂α + 2γ m m ∂ )<br />
G n ,<br />
∂m<br />
(I.207)<br />
52
I.2 Renormierung der QED in beliebiger Ordnung Störungstheorie<br />
also insgesamt<br />
(<br />
µ ∂<br />
∂µ + 2β ∂<br />
∂α + 2γ m m ∂<br />
∂m + n )<br />
2 γ φ G n = 0 .<br />
(I.208)<br />
Die RG-Gleichung hat die formale Lösung (siehe Übung )<br />
[<br />
G n (α(µ), m(µ), µ) = exp − n 2<br />
d.h. der RG-Faktor<br />
[<br />
exp − n 2<br />
∫ µ0<br />
µ<br />
dµ ′ ]<br />
µ 0<br />
µ ′ γ φ (α(µ ′ )) G n (α(µ 0 ), m(µ 0 ), µ 0 )<br />
∫ µ<br />
dµ ′ ] [<br />
µ ′ γ φ (α(µ ′ )) = exp − n 2<br />
∫ α(µ)<br />
(I.209)<br />
– preliminary –<br />
α(µ 0 )<br />
dα ′ ]<br />
2β(α ′ ) γ φ(α ′ )<br />
bestimmt das Verhalten der Green-Funktion unter RG-Trafos, zusätzlich zu der “naiven”<br />
Erwartung bzgl. der Änderung von µ → µ ′ im Argument von G n .<br />
Wenn wir nun entsprechend Green-Funktionen im Impulsraum (nach Fourier-Transformation),<br />
˜G n (p i , α(µ), m(µ), µ)<br />
betrachten, können wir wieder das Skalierungsverhalten hinsichtlich der externen Impulse<br />
p i studieren, d.h. was passiert für p i → λp i ?<br />
• Wie oben beginnen wir mit einer Dimensionsanalyse. ˜G n selbst habe die Massendimension<br />
d G . Damit gilt<br />
[<br />
˜G n (λp i , α(µ), m(µ), µ) ≡ (λp 1 ) d G<br />
F α(µ), m(µ) µ<br />
, , p ]<br />
i≠1<br />
λp 1 λp 1 p 1<br />
[<br />
= λ d G<br />
p d G<br />
1 F α(µ), m(µ)/λ , µ/λ , p ]<br />
i≠1<br />
p 1 p 1 p 1<br />
(<br />
= λ d G ˜Gn p i , α(µ), m(µ)<br />
λ<br />
, µ )<br />
, (I.210)<br />
λ<br />
wobei wir willkürlich einen Impuls p 1 benutzt haben, um die Massendimension von<br />
˜G n zu gewährleisten, so dass die verbleibende Funktion F dimensionslos ist und<br />
damit wieder nur von Verhältnissen von dimensionsbehafteten Größen abhängen<br />
kann.<br />
Damit können wir ausrechnen<br />
λ ∂<br />
(<br />
∂λ ˜G n (λp i , α(µ), m(µ), µ) = d G − m(µ) ∂<br />
∂m − µ ∂ )<br />
,<br />
∂µ<br />
˜G n (λp i , α(µ), m(µ), µ) .<br />
(I.211)<br />
• Andererseits können wir die Ableitung µ ∂<br />
∂µ<br />
wieder aus der RG-Gleichung durch<br />
die Betafunktion und die anomalen Dimensionen ausdrücken. In obige Gleichung<br />
53
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
eingesetzt ergibt das<br />
λ ∂<br />
∂λ ˜G n (λp i , α(µ), m(µ), µ)<br />
(<br />
= d G − m(µ) ∂<br />
∂m + 2β ∂<br />
∂α + 2γ m m ∂<br />
∂m + n )<br />
2 γ φ<br />
˜G n (λp i , α(µ), m(µ), µ) .<br />
Zusammengefasst ergibt sich die sog. Callan-Symanzik–Gleichung<br />
(<br />
λ ∂<br />
∂λ − 2β ∂<br />
∂α + (1 − 2γ m) m ∂<br />
∂m − (d G + n )<br />
2 γ φ) ˜G n (λp i , α(µ), m(µ), µ) = ! 0 .<br />
Im Vergleich zum naiven (klassischen) Skalierungsverhalten<br />
λ ∂<br />
∂λ ˜G n = d G ˜Gn − m ∂<br />
∂m ˜G n<br />
– preliminary –<br />
(I.212)<br />
(I.213)<br />
aufgrund der “normalen” Massendimension der Felder und Massenparameter, erhalten<br />
wir also Quantenkorrekturen aufgrund<br />
• der laufenden Kopplung: 2β ∂<br />
∂α<br />
• der anomalen Massendimension: γ m m ∂<br />
∂m<br />
• der anomalen Dimension der Felder: n 2 γ φ<br />
Dies erklärt insbesondere den Begriff “anomale Dimension”. Die Lösung der Gleichung<br />
lässt sich wieder formal konstruieren mit dem Ergebnis (siehe Übung )<br />
˜G n (λp i , α, m, µ) = λ d G<br />
[<br />
n<br />
exp<br />
2<br />
∫ λ<br />
1<br />
dλ ′<br />
]<br />
λ ′ γ φ (α(µλ ′ )) · ˜G n (p i , m(α(µλ)) , α(µλ), µ) .<br />
λ<br />
(I.214)<br />
Eine analoge Diskussion lässt sich auch für amputierte Green-Funktionen führen.<br />
I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT<br />
Wir hatten im vorherigen Abschnitt gesehen, wie Quantenkorrekturen in der QFT unsere<br />
“naive” (klassische) Erwartung für die Skalenabhängigkeit von Observablen modifizieren.<br />
In der renormierten Störungstheorie tauchen solche “Skalenverletzungen” in der Form<br />
ln q 2 /µ 2 auf und lassen sich durch das Skalenverhalten der laufenden Kopplungskonstanten<br />
ausdrücken.<br />
Ein weiterer nicht-trivialer Effekt, der mit dem UV-Verhalten von QFTs zusammenhängt,<br />
bezieht sich auf bestimmte Symmetrien der klassischen Lagrangedichte. Allgemein<br />
bezeichnen wir folgenden Sachverhalt als “Anomalie”:<br />
54
I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT<br />
“Symmetrien der klassischen Lagrangedichte<br />
sind nicht notwendigerweise<br />
Symmetrien der wechselwirkenden Quantenfeldtheorie.”<br />
Betrachten wir als Beispiel die Lagrangedichte der QED mit masselosen Fermionen,<br />
L fermion = ¯ψ i /Dψ = ¯ψ L i /D ψ L + ¯ψ R i /D ψ R .<br />
(I.215)<br />
In diesem Fall entkoppeln die Beiträge der links- und rechtshändigen Felder, so dass wir<br />
2 unabhängige Noetherströme identifizieren können,<br />
mit klassischen Kontinunitätsgleichungen,<br />
j µ = ¯ψγ µ ψ = ¯ψ R γ µ ψ R + ¯ψ L γ µ ψ L ,<br />
j µ5 = ¯ψγ µ γ 5 ψ = ¯ψ R γ µ ψ R − ¯ψ L γ µ ψ L ,<br />
∂ µ j µ = ∂ µ j µ5 = 0 ,<br />
und erhaltenen Ladungen,<br />
∫<br />
∫<br />
Q = d 3 x j 0 = Q R + Q L , Q 5 = d 3 x j 05 = Q R − Q L .<br />
(I.216)<br />
(I.217)<br />
(I.218)<br />
Wir hatten bei der Durchführung des Renormierungsprogramms bereits gesehen, dass die<br />
QFT bei kleinen Abständen (großen Impulsen) regularisiert werden muss, d.h. Objekte<br />
wie ¯ψ(x) . . . ψ(x) in der QFT sind potentiell “gefährlich”, da Feldoperatoren am exakt<br />
gleichen Ort korreliert werden. Für den Vektorstrom j µ (x) hatten wir explizit gesehen,<br />
dass die Regularisierung (z.B. durch dim-reg.) die Ward-Identität respektiert und die<br />
dazugehörige elektrische Ladung ˆQ auch nach Berücksichtigung von Quantenkorrekturen<br />
eine Erhaltungsgröße bleibt.<br />
Für den Axialvektorstrom j µ5 (x) untersuchen wir die Kontinuitätsgleichung explizit,<br />
sind aber zunächst vorsichtig und definieren den Strom als Grenzwert,<br />
j µ5 (x) := lim ¯ψ(x + ɛ 2 ) γµ γ 5 U P (x + ɛ 2 , x − ɛ 2 ) ψ(x − ɛ }<br />
2 ) . (I.219)<br />
ɛ→0<br />
{<br />
Hierbei haben wir einen sog. “gauge-link” U P eingefügt, der dafür sorgt, dass die Definition<br />
auch für ɛ µ ≠ 0 eichinvariant bleibt. Den gauge-link kann man durch eine sog.<br />
“Wilson-Linie” darstellen,<br />
[ ∫ z ]<br />
U P (z, y) = exp −ie dx µ A µ (x) , (I.220)<br />
– preliminary –<br />
welche unter Eichtransformationen gerade so transformiert,<br />
U P (z, y) → e −iα(z) U P (z, y) e iα(y) ,<br />
y<br />
(I.221)<br />
dass das Transformationsverhalten der Fermionfelder kompensiert wird (→ Übung).<br />
55
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
Neben der Eichinvarianz wollen wir auch den Grenzübergang ɛ µ → 0 so durchführen,<br />
dass Lorentzinvarianz manifest bleibt, d.h. es soll (im Sinne einer Mittelung über alle<br />
möglichen Pfade ɛ µ → 0) gelten<br />
ɛ µ<br />
lim<br />
ɛ→0 ɛ 2 = 0 ,<br />
lim ɛ µ ɛ ν<br />
ɛ→0 ɛ 2<br />
= gµν<br />
4<br />
Damit können wir den Grenzwert von ∂ µ j µ5 explizit ausrechnen,<br />
{(<br />
)<br />
∂ µ j µ5 ɛ<br />
= lim ∂ µ ¯ψ(x +<br />
ɛ→0 2 ) γ µ γ 5 U P (x + ɛ 2 , x − ɛ 2 ) ψ(x − ɛ 2 )<br />
– preliminary –<br />
etc.<br />
+ ¯ψ(x + ɛ 2 ) γµ γ 5 U P (x + ɛ 2 , x − ɛ 2 ) ∂ µψ(x − ɛ 2 )<br />
+ ¯ψ(x + ɛ (<br />
2 ) γµ γ 5 ∂ µ U P (x + ɛ 2 , x − ɛ )<br />
2 ) ψ(x − ɛ }<br />
2 )<br />
(I.222)<br />
(I.223)<br />
Die Ableitungen auf die Fermionfelder lassen sich mittels der Dirac-Gleichung durch das<br />
Eichfeld ausdrücken. Die Ableitung auf den gauge-link ergibt zur O(ɛ)<br />
⎡<br />
⎤<br />
x+ɛ ∫ 2<br />
⎢<br />
∂ µ exp ⎣−ie dz ν A ν ⎥<br />
(z) ⎦ ≃ ∂ µ exp [−ieɛ ν A ν (x)] ≃ −ieɛ ν ∂ µ A ν (x) . (I.224)<br />
x−ɛ/2<br />
Setzen wir das oben ein, erhalten wir<br />
∂ µ j µ5 ≃ lim<br />
ɛ→0<br />
¯ψ(x + ɛ/2)<br />
( ie /A(x + ɛ/2) − ie /A(x − ɛ/2) − ieɛ ν ∂ µ A ν (x) ) γ 5 ψ(x − ɛ/2)<br />
≃ lim<br />
ɛ→0<br />
¯ψ(x + ɛ/2) (−ieγ µ ɛ ν (∂ µ A ν (x) − ∂ ν A µ (x)) γ 5 ψ(x − ɛ/2)<br />
= −ie lim<br />
ɛ→0<br />
¯ψ(x + ɛ/2)γ µ ɛ ν F µν (x) γ 5 ψ(x − ɛ/2) .<br />
(I.225)<br />
Wir sehen insbesondere, dass sich die Terme aus den partiellen Ableitungen der Dirac-<br />
Felder und des gauge-links gerade zum eichinvarianten Feldstärketensor kombinieren.<br />
Auf den ersten Blick verschwindet (I.225) linear mit ɛ ν → 0. Aber, wie oben diskutiert,<br />
kann der Grenzwert von ¯ψ(x + ɛ/2)ψ(x − ɛ/2) für ɛ → 0 divergieren. Das einfachste<br />
Beispiel ergibt sich, wenn wir den Beitrag von den Wick-kontrahierten Felder betrachten,<br />
dann ergibt sich als Fourier-Transformation des masselosen Dirac-Propagators S F (y −z)<br />
gerade<br />
∫<br />
d 4 ( )<br />
k i/k i<br />
e−ik(y−z)<br />
(2π) 4 k 2 = − 1<br />
/∂<br />
4π 2 (y − z) 2 = − i γ α (y − z) α<br />
2π 2 (y − z) 4 , (I.226)<br />
was für y → z singulär wird. 10 Dieser Term trägt allerdings nicht zu ∂ µ j µ5 bei, da die<br />
Dirac-Struktur, eingesetzt in obigen Ausdruck, verschwindet,<br />
tr [γ µ ɛ ν γ α ɛ α γ 5 ] = 0 .<br />
10 In der masselosen Theorie folgt der Divergenzgrad für ɛ → 0 einfach aus der Betrachtung der Massendimension:<br />
Das Produkt von 2 Fermionfeldern hat Massendimension 3, d.h. der Ausdruck auf der<br />
rechten Seite muss wie (y − z) −3 divergieren. – Die Dirac- und Lorentz-Struktur ist dabei durch das<br />
Transformationsverhalten des Propagators festgelegt. – Der Vorfaktor folgt aus der Berechnung des<br />
Winkelintegrals.<br />
56
I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT<br />
Wir brauchen also einen komplizierteren Beitrag zu ¯ψ(z)ψ(y) (mit 2 zusätzlichen Dirac-<br />
Matrizen). Dazu definieren wir die systematische Entwicklung von ¯ψ(z)ψ(y) um den<br />
Punkt y = z als sog. “Operator-Produkt-Entwicklung” (OPE),<br />
ˆφ(x + ɛ/2) ˆφ(x − ɛ/2) → ∑ i<br />
C i (ɛ) Ôi(x) ,<br />
d.h. wir erhalten auf der rechten Seite lokale Operatoren Ôi, multipliziert mit Koeffizienten<br />
C i (ɛ), die für ɛ → 0 das UV-Verhalten des Operatorprodukts beinhalten. Im obigen<br />
Beispiel mit dem Propagator wäre also<br />
¯ψ(x + ɛ/2) β ψ(x − ɛ/2) α = − i (ɛ/) αβ<br />
2π 2 ɛ 4 1-Operator + . . . (I.227)<br />
Die weiteren Terme entsprechen nicht-trivialen Operatoren mit weiteren Fermion- oder<br />
Eichfeldern. Da jedes weitere Feld eine positive Massendimension zum Operator Ôi<br />
beiträgt, haben die entsprechenden Koeffizienten C i einen kleineren Divergenzgrad für<br />
ɛ → 0. Der nächst-führende Term ergibt sich damit für ein zusätzliches Eichfeld. Den Koeffizienten<br />
erhalten wir durch Vergleich eines entsprechenden Feynman-Diagramms mit<br />
einem zusätzlichen externen Photon, das an die Fermionlinie koppelt, mit dem Ergebnis,<br />
∫<br />
d 4 k<br />
(2π) 4<br />
d 4 p<br />
(2π) 4 ei(k+p)y e ikz i(/k + /p)<br />
i/k<br />
(−ie˜/A(p))<br />
(k + p) 2 k 2 .<br />
(I.228)<br />
bzw. unter Berücksichtigung der Anti-Vertauschungsrelationen der fermionischen Feldoperatoren<br />
〈 ¯ψ(x + ɛ/2)γ µ γ 5 ψ(x − ɛ/2)<br />
∫<br />
d 4 k d 4 [<br />
]<br />
p<br />
=<br />
(2π) 4 (2π) 4 e−ikɛ e −ip(x−ɛ/2) tr −γ µ i(/k + /p)<br />
i/k<br />
γ 5 (−ie˜/A(p))<br />
(k + p) 2 k 2<br />
∫<br />
d 4 k d 4 p<br />
=<br />
(2π) 4 (2π) 4 e−ikɛ e −ip(x−ɛ/2) 4e ɛµαβγ p α Ã β k γ<br />
k 2 (k + p) 2 . (I.229)<br />
Wir interessieren uns für das Verhalten bei ɛ → 0, was in obigem Fourier-Integral dem<br />
Limes k → ∞ entspricht, d.h. es reicht das UV-Verhalten des d 4 k-Integrals zu betrachten,<br />
|p| ≪ |k| ∼ 1/ɛ. Dann faktorisiert das Ergebnis,<br />
〈 ¯ψ(x + ɛ/2)γ µ γ 5 ψ(x − ɛ/2)<br />
∫<br />
≃ 4e ɛ µαβγ d 4 ∫<br />
p<br />
d 4 k<br />
(2π) 4 e−ipx p α Ã β (p)<br />
k (2π) 4 e−ikɛ γ<br />
k 4<br />
= 4e ɛ µαβγ (∂ α A β (x)) ∂ (<br />
−<br />
i<br />
∂ɛ γ 16π 2 ln 1 )<br />
ɛ 2 (<br />
= 2e ɛ αβµγ F αβ (x) − i<br />
8π 2 ln ɛ )<br />
γ<br />
ɛ 2 . (I.230)<br />
– preliminary –<br />
Wir sehen, dass die Eichinvarianz wieder einen Ausdruck proportional zum Feldstärketensor<br />
erfordert. Entsprechend ist die Massendimension des Operators gleich 2, und<br />
57
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
die verbleibende Divergenz des Koeffizienten O(1/ɛ). Somit erhalten wir tatsächlich einen<br />
endlichen Beitrag zur Divergenz des Axialvektorstroms,<br />
{ } e<br />
∂ µ j µ5 = lim<br />
ɛ→0 4π 2 ɛαβµγ F αβ (−ieɛ ν F µν ) = − e2<br />
16π 2 ɛαβµγ F αβ F µν ≠ 0 .<br />
(I.231)<br />
Die entsprechende Ladung ˆQ 5 = ˆQ R − ˆQ L ist also nicht erhalten. Dieses spezielle Beispiel<br />
bezeichnet man auch als “Adler-Bell-Jackiw”–Anomalie.<br />
Fassen wir noch einmal die Gründe für dieses zunächst unerwartete Ergebnis zusammen:<br />
• Wir brauchen einen UV-Regulator, um das Produkt von ¯ψ(x)ψ(x) zu definieren.<br />
• Wir wollen durch den Regulator die Eichinvarianz nicht verletzen.<br />
• Wir wollen durch den Regulator die Lorentz-Invarianz nicht verletzen.<br />
Anscheinend erfüllt dann der Regulator nicht mir die Axiavektorstrom-Erhaltung. 11<br />
I.3.1 ABJ-Anomalie in der Störungstheorie<br />
Wir hatten im Falle des Vektorstroms gesehen, dass die dimensionale Regularisierung<br />
gerade ein Verfahren liefert, welches die Ward-Identität für die QED-Vektorstromerhaltung<br />
manifest respektiert. Es stellt sich deshalb die Frage, warum dieses Verfahren für den Axialvektorstrom<br />
nicht ein äquivalentes Ergebnis liefert. Dazu betrachten wir eine einfache<br />
Übergangsamplitude, ausgedrückt durch das Matrixelement<br />
∫<br />
d 4 x e −iqx 〈γ(p)γ(k)|j µ5 (x)|0〉 ≡ (2π) 4 δ (4) (p + k − q) ε ∗ ν(p)ε ∗ λ(k) M µνλ (p, k) , (I.232)<br />
was gerade der Produktion von 2 Photonen durch Anwendung des Axialvektorstrom-<br />
Operators auf das Vakuum entspricht. Die führenden Ausdrücke in der Störungstheorie<br />
entsprechen einer Fermionschleife, mit 3 Vertizes (Axialvektorstrom + 2 QED-Vertizes),<br />
was zwei “Dreiecks-Diagrammen” entspricht - mit jeweils vertauschten Rollen der beiden<br />
Photonen. Übersetzt mit Feynman-Regeln ergibt das<br />
∫<br />
M µνλ = (−1) (−ie) 2 d 4 [<br />
l<br />
(2π) 4 tr γ µ i(/l − /k)<br />
γ i /l i( ]<br />
/l + /p)<br />
5<br />
(l − k) 2 γλ l 2 γν (l + p) 2 + (p ↔ k, ν ↔ λ) .<br />
– preliminary –<br />
(I.233)<br />
Naiv würden wir q µ M µνλ = 0 erwarten, analog zur entsprechenden Diskussion für den<br />
Vektorstrom.<br />
Die explizite Rechnung ergibt unter Verwedung von /qγ 5 = (/p + /l)γ 5 + γ 5 (/l − /k) und<br />
Kürzen der entsprechenden Fermion-Propagatoren<br />
∫<br />
iq µ M µνλ = e 2 d 4 l tr<br />
[γ 5 (/l − /k)γ λ /lγ ν] [<br />
]<br />
(2π) 4 (l − k) 2 l 2 + tr γ 5 γ λ /lγ ν (/l + /p)<br />
l 2 (l + p) 2 + crossed (I.234)<br />
11 Da weiterhin ∂ µj µ = 0 gilt, sind die Divergenzen der chiralen Ströme separat nicht-erhalten, ∂ µj µ L =<br />
−∂ µj µ R ≠ 0. – Deshalb auch “chirale Anomalie”.<br />
58
I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT<br />
Falls wir im ersten Term l → l + k substituieren könnten, wären die ersten beiden Terme<br />
anti-symmetrisch bezüglich der Vertauschung der Photonen und würden sich somit mit<br />
dem gekreuzten Diagram aufheben.<br />
Allerdings müssen wir wieder beachten, dass die d 4 l-Integration UV-divergent ist, und<br />
somit müssen wir den obigen Ausdruck zunächst konsistent regularisieren. Hierbei tritt in<br />
dimensionaler Regularisierung das in der Übung diskutierte Problem auf, dass die naive<br />
Fortsetzung einer mit allen anderen Dirac-Matrizen vertauschenden Matrix γ 5 keinen<br />
kontiuierlichen Limes ɛ → 0 hat. Als Ausweg benutzen wir ein Verfahren nach ’t Hooft<br />
und Veltman, bei dem die Matrix γ 5 nur mittels der 4-dim. Dirac-Matrizen definiert<br />
wird,<br />
so dass<br />
γ 5 ≡ iγ 0 γ 1 γ 2 γ 3 für alle D , (I.235)<br />
{γ 5 , γ µ } = 0 für µ = 0 . . . 3 ,<br />
[γ 5 , γ µ ] = 0 für µ ≠ 0 . . . 3 . (I.236)<br />
Entsprechend müssen alle internen Schleifenimpulse l µ in Komponenten l µ ‖ (für µ =<br />
0 . . . 3) und l µ ⊥<br />
(für µ ≠ 0 . . . 3) zerlegt werden, wobei externe Impulse und Polarisationsvektoren<br />
keine ⊥ Komponenten haben.<br />
In obiger Herleitung ändert sich somit<br />
/qγ 5 = (/p + /k + /l − /l ‖ − /l ⊥ )γ 5<br />
= (/p + /l)γ 5 + γ 5 (/l ‖ − /l ⊥ − /k)<br />
= (/p + /l)γ 5 + γ 5 (/l − /k) − 2γ 5 /l ⊥ , (I.237)<br />
wobei der letzte Term wegen [γ 5 , /l ⊥ ] = 0 auftritt und – per Konstruktion – für D → 4<br />
verschwindet. Die ersten beiden Terme verschwinden in der Summe der beiden Diagramme<br />
in den nun dimensional regularisierten Integralen, während der Extra-Term von<br />
der dimensionalen Fortsetzung von γ 5 auf<br />
[<br />
]<br />
∫<br />
iq µ M µνλ = e 2 d D l tr −2γ 5 /l ⊥ (/l − /k)γ λ /lγ ν (/l + /p)<br />
(2π) D µ2ɛ (l − k) 2 l 2 (l + p) 2 + crossed (I.238)<br />
führt. Dieses Integral kann mit unseren Standardmethoden berechnet werden, wobei wir<br />
wieder nur das UV-Verhalten benötigen. Als Zwischenschritt brauchen wir Integrale mit<br />
l ⊥ der Form<br />
– preliminary –<br />
∫<br />
d D l<br />
(2π) D<br />
/l ⊥<br />
/l ⊥<br />
(l 2 − ∆ 2 ) 3 = D − 4 ∫<br />
D<br />
d D l l 2 ɛ→0<br />
(2π) D (l 2 − ∆ 2 ) 3 −→ −<br />
i<br />
32π 2 ,<br />
(I.239)<br />
was sofort einsichtig ist, wenn man die Skalarprodukte in kartesischen Koordinaten<br />
schreibt. Der Vorfaktor des Integrals verschwindet dabei linear für D → 4, während<br />
das Integral selbst wieder wie 1/ɛ divergiert, so dass das Endergebnis endlich ist, wie<br />
angegeben.<br />
59
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
Die Integrale mit 4 Potenzen von l ⊥ tragen nicht bei, da dann die Dirac-Spur tr[γ 5 γ λ γ ν ] =<br />
0 ergibt. Somit verbleibt ein Ausdruck proportional zur Spur mit γ 5 γ λ γ ν /p/k, was gerade<br />
den einfachen Ausdruck<br />
iq µ M µνλ = e2<br />
4π 2 ɛαλβν k α p β + crossed<br />
– preliminary –<br />
(I.240)<br />
ergibt, was bereits manifest symmetrisch unter Photonvertauschung ist. Vergleich mit<br />
〈γ(p)γ(k)|F αν F βλ |0〉 liefert<br />
〈γ(p)γ(k)|∂ µ j µ5 |0〉 = − e2<br />
16π 2 ɛανβλ 〈γ(p)γ(k)|F αν F βλ |0〉 ,<br />
(I.241)<br />
im Einklang mit der vorherigen Herleitung der ABJ-Anomalie. Damit haben wir bestätigt,<br />
dass die dimensionale Regularisierung die gleichen (postulierten) Eigenschaften hat:<br />
Eich- und Lorentz-Invarianz manifest, aber ∂ µ j µ5 ≠ 0.<br />
Ein weiteres Verfahren, um den Anomalieterm herzuleiten und eine wiederum unabhängige<br />
Regularisierungsmethode einzuführen ergibt sich aus der Pfadintegraldarstellung<br />
der QED, analog zur Herleitung der Ward-Identität für den QED-Vektorstrom.<br />
Wir betrachten nun Transformationen der Fermionfelder im Pfadintegral gemäß<br />
ψ L (x) → (1 − iα(x)) ψ L (x) , ψ R (x) → (1 + iα(x)) ψ R (x) . (I.242)<br />
Während das Transformationsverhalten der Lagrangedichte wieder trivial ist, ergibt sich<br />
bei der Berechnung der Jakobi-Funktionaldeterminante wieder die Notwendigkeit der<br />
Regularisierung mit dem nicht-trivialen Ergebnis, dass<br />
[ ∫<br />
J = exp −i d 4 e 2<br />
]<br />
x α(x)<br />
32π 2 ɛµνλσ F µν F λσ . (I.243)<br />
Funktionalableitung nach δα(x) ergibt dann gerade die rechte Seite der Anomalie-Gleichung.<br />
Die genaue Herleitung kann man in [1], S. 664ff. finden.<br />
I.3.2 Anwedung 1:<br />
Anomaliefreiheit von Fermiondarstellungen in chiralen Eichtheorien<br />
Wir hatten gesehen, dass Symmetrien und die damit verbundenen Ward-Identitäten für<br />
die Renormierbarkeit (d.h. für eine konsistente Beschreibung des Hochenergieverhaltens)<br />
von QFTs sind. In der QED hatten wir die Kontinuitätsgleichung des elektromagnetischen<br />
Stroms (und damit die Erhaltung der elektrischen Ladung) explizit auf 1-Schleifen-<br />
Niveau nachgeprüft. Die chirale Anomalie hebt sich dabei zwischen den rechts- und<br />
linkshändigen Fermionkomponenten auf.<br />
Andererseits koppelt die schwache Wechselwirkung unterschiedlich an links- und rechtshändige<br />
Fermionen. Damit ergeben sich potentiell anomale Beiträge zur Kontinuitätsgleichung<br />
der links- und rechtshändigen Eichströme. Eine Möglichkeit, dies zu umgehen,<br />
resultiert aus der Bedingung, dass sich bei der Summation über alle Fermionspezies im<br />
SM-Spektrum wieder die individuellen Beiträge zur Anomalie aufheben. Gemäß unserer<br />
60
I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT<br />
allgemeinen Diskussion reicht es, die einzelnen Fermionen in der Dreiecksdiagrammen<br />
mit dem zu überprüfenden Eichstrom und zwei beliebigen externen Eichfeldern zu untersuchen,<br />
wobei der Beitrag der rechtshändigen Fermionen von denen der linkshändigen<br />
abzuziehen ist.<br />
Betrachten wir als Beispiel das Dreiecksdiagramm mit dem U(1) Y -Eichstrom<br />
j µ Y = ¯ψγ µ Y ψ<br />
und 2 externen SU(2) L -Eichbosonen W A und W B . Die Summe der beiden gekreuzten<br />
Dreiecksdiagramme gibt dann einen Beitrag, der proportional zu ɛ µναβ WµνW A αβ B ist, mit<br />
einem Vorfaktor, der sich aus den Gruppenfaktoren an den Vertizes ergibt,<br />
[<br />
∝ tr Y<br />
{T A , T B}] = Y δAB<br />
2 .<br />
Hierbei tragen nur linkshändige Quarks und Leptonen bei, gewichtet mit ihrer jeweiligen<br />
Hyperladung und dem Entartungsgrad, also<br />
( )<br />
UL<br />
• Für linkshändige Quarks Q L = mit Y = 1/6:<br />
D L<br />
– 3-fache Farbentartung<br />
– 3 Generationen<br />
– 2 Komponenten im SU(2) L -Dublett (bereits durch die Spur berücksichtigt)<br />
ergibt<br />
∑<br />
Y δAB<br />
2<br />
Q L<br />
• Für linkshändige Leptonen L L =<br />
– keine Farbentartung<br />
– 3 Generationen<br />
= 3 · 3 · 1<br />
6<br />
(<br />
νL<br />
E L<br />
)<br />
δ AB<br />
– preliminary –<br />
2<br />
= 3 4 δAB<br />
mit Y = −1/2:<br />
– 2 Komponenten im SU(2) L -Dublett (bereits durch die Spur berücksichtigt)<br />
ergibt<br />
∑<br />
Y δAB<br />
2<br />
L L<br />
= 3 · −1<br />
2<br />
δ AB<br />
2<br />
= − 3 4 δAB<br />
Somit kompensieren sich im SM in der Tat die Beiträge von Leptonen und Quarks für<br />
dieses Beispiel (weitere potentielle Beiträge zu ∂ µ j µ Y<br />
und zu den anderen Eichströmen<br />
werden in der Übung untersucht).<br />
Wir schließen also, dass die Quantenzahlen der Fermionmultipletts in der SM-Eichgruppe<br />
nicht willkürlich sind! Insbesondere<br />
61
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
• benötigen wir vollständige Lepton- und Quarkgenerationen 12 (so wurde z.B. die<br />
Existenz des Top-Quarks als Partner vom Bottom-Quark bzw. von der dritten Leptongeneration<br />
bereits lange vor seiner experimentellen Entdeckung vorhergesagt);<br />
• hängt die 1/3-zahlige (Hyper-)Ladung der Quarks mit den 3 Farben in der QCD-<br />
Eichgruppe zusammen, was letztendlich dafür sorgt, dass Protonen (aus 3 Quarks)<br />
und Elektronen entgegengesetzt gleiche elektrische Ladungen haben und somit die<br />
uns vertraute Bio-Chemie ermöglichen.<br />
Es stellt sich unmittelbar die Frage, ob es einen tieferen Grund für diesen Sachverhalt<br />
gibt. Ein theoretischer Ansatzpunkt ergibt sich aus der Einbettung der SM-Eichgruppe<br />
in sog. “Grand <strong>Uni</strong>fied Theories”. Ein einfaches Beispiel ist die Einbettung<br />
SU(3) × SU(2) × U(1) ⊂ SU(5) .<br />
Die Generatoren der SU(5) werden durch spurlose, hermitesche 5×5-Matrizen beschrieben,<br />
wobei man die Generatoren der SU(3) in den linken oberen 3 × 3-Block schreiben kann,<br />
die Generatoren der SU(2) in den rechten unteren 2 × 2-Block, und die Hyperladung als<br />
Diagonalmatrix<br />
T Y = diag (Y q , Y q , Y q , Y l , Y l )<br />
mit den Generatoren von SU(3) und SU(2) vertauscht und als Generator von SU(5)<br />
spurlos sein muss, so dass gerade 3Y q = −2Y l und somit der gewünschte Zusammenhang<br />
zwischen Quark und Leptonladungen erzwungen wird (Details werden in der Übung<br />
diskutiert). 13<br />
I.3.3 Anwendung 2: Der Zerfall π 0 → 2γ<br />
Um den Zusammenhang des Zerfalls des neutralen Pions und der ABJ-Anomalie zu<br />
verstehen, müssen wir zunächst einige wichtige und besondere Eigenschaften der Pionen<br />
verstehen.<br />
Dazu betrachten wir die QCD-Lagrangedichte für die leichten Quarks im Limes m u,d →<br />
0. Die Lagrangedichte hat dann offensichtlich eine (globale) chirale Symmetrie im Isospin-<br />
Raum, SU(2) L × SU(2) R . Im hadronischen Spektrum werden allerdings keine Symmetriemultipletts,<br />
die dieser (approximativen) Symmetrie entsprächen, beobachtet (z.B. hat<br />
das Vektormeson ρ eine deutlich andere Masse als das entsprechende Axialvektormeson<br />
a 1 ). Die Symmetrie, die im hadronischen Spektrum realisiert wird, ist vielmehr<br />
die Isospin-Symmetrie, die der diagonalen Untergruppe (L = R) entspricht (z.B. ist<br />
die Masse der geladenen und ungeladenen Pionen gleich, was einem SU(2) I -Triplett<br />
– preliminary –<br />
12 Die Anzahl der Generationen ist dabei willkürlich.<br />
13 Ein weiterer Aspekt der Einbettung des SM in SU(5) ergibt sich aus der Tatsache, dass es in der SU(5)<br />
nur noch eine universelle Kopplungskonstante g 5 gibt. Dabei muss T Y kanonisch normiert werden,<br />
so dass tr[T Y T Y ] = 1/2 gilt. Die so normierten Kopplungen g 1, g 2, g 3 sollten sich dann bei einer<br />
gemeinsamen Skala treffen und in die Kopplung g 5 übergehen. In der Tat treffen sich die laufenden<br />
Kopplungen des SM annähernd in der Nähe von 10 14−15 GeV. – Bei dieser Skala sollten dann auch<br />
die Massen der Eichbosonen anzusiedeln sein, die den off-diagonalen 2 × 3 und 3 × 2 Blöcken in der<br />
Eichbosonmatrix entsprechen (sog. Leptoquarks).<br />
62
I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT<br />
entspricht). Wir folgern also, dass die chirale Symmetrie der QCD-Lagrangedichte durch<br />
den Grundzustand der QCD spontan gebrochen ist,<br />
SU(2) L × SU(2) R<br />
QCD Vakuum<br />
−→ SU(2) I .<br />
Gemäß des Goldstone-Theorems gehören zu den spontan gebrochenen Generatoren einer<br />
globalen Symmetrie masselose Goldstone-Bosonen mit den entsprechenden Quantenzahlen.<br />
Tatsächlich stellt das Triplett von geladenen und ungeladenen Pionen gerade<br />
diese Goldstone-Bosonen dar, mit Massen, die im Limes verschwindender Quarkmassen<br />
auch gegen Null gehen.<br />
Um dies einzusehen, betrachten wir den Axialvektorstrom im Isospin-Raum,<br />
j µ5,a (x) = ¯ψ(x) γ µ σ a<br />
γ 5 ψ(x) mit ψ = (u, d)T<br />
2<br />
und definieren das Übergangsmatrixelement<br />
〈0|j µ5,a (x)|π b (q)〉 ≡ −iq µ δ ab e −iqx f π ,<br />
(I.244)<br />
was aus Lorentz- und Isospin-Symmetrie-Gründen durch eine einzige hadronische Unbekannte<br />
f π beschrieben wird. Letztere kann als sog. Pion-Zerfallskonstante im Zerfall<br />
π − → µ −¯ν µ gemessen werden, f π ≃ 93 MeV.<br />
Bezüglich der QCD-Wechselwirkungen gilt nun aber für die Divergenz des Axialvektorstroms<br />
(im Limes masseloser Quarks)<br />
∂ µ j µ5,a = tr[τ a ]<br />
(<br />
− g2 s<br />
16π 2 ɛαβµν G αβ G µν<br />
)<br />
= 0 , (I.245)<br />
weil die Spur über eine der Pauli-Matrizen gerade Null ergibt. Mit obiger Definition ist<br />
das aber äquivalent zu<br />
〈0|∂ µ j µ5,a (0)|π b (q)〉 ≡ −q 2 δ ab f π = −m 2 πf π δ ab = 0 ,<br />
(I.246)<br />
woraus in der Tat m 2 π = 0 (für f π ≠ 0) folgt (→ Manifestation des Goldstone-Theorems<br />
für m u,d → 0 – die Pionzerfallskonstante spielt dabei eine ähnliche Rolle wie der Higgs-<br />
Vakuumerwartungswert bei der elektroschwachen Symmetriebrechung). 14<br />
14 Für den Isosingulett-Strom j µ,0 = ¯ψγ µ γ 5ψ verschwindet der Anomalie-Beitrag gerade nicht, so dass<br />
der entsprechende Isosingulett-Partner des Pions, das η-Meson durch eine Masse<br />
– preliminary –<br />
g 2 s<br />
m a ηf η ∝ 〈0|<br />
16π G ˜G|η〉 ≠ 0<br />
2<br />
charakterisiert wird. Das nicht-verschwindende Matrixelement auf der rechten Seite ist dabei selbst<br />
ein Maß für nicht-triviale Gluonkonfigurationen im QCD-Vakuum. Aus dieser Überlegung ergibt sich<br />
somit ein Argument für die experimentelle Tatsache, dass m 2 η ≫ m 2 π, obwohl beide Teilchen ansonsten<br />
gleiche Quantenzahlen und Quark-Konstituenten haben.<br />
63
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
Wir betrachten nun entsprechend die Divergenz des Axialvektorstroms in Anwesenheit<br />
des elektromagnetischen Feldes. Da die elektromagnetische WW zwischen up- und down-<br />
Quarks unterscheidet, verschwindet die Spur von σ 3 und Q 2 nicht, und wir erhalten einen<br />
Beitrag von der Anomalie gemäß<br />
∂ µ j µ5,3 = − e2<br />
16π 2 ɛαβµν F αβ F µν tr[τ 3 Q 2 ] N c .<br />
– preliminary –<br />
(I.247)<br />
Mit Q = diag(2/3, −1/3) ergeben die letzten beiden Term zusammen gerade einen Faktor<br />
1/2. Wenn wir jetzt wie oben für das Matrixelement definieren<br />
hatten wir bereits berechnet, dass<br />
〈γ(p)γ(k)|j µ5,3 (0)|0〉 = ɛ ∗ ν(p)ɛ ∗ λ(k) M µνλ (p, k) ,<br />
iq µ M µνλ (p, k) = − e2<br />
4π 2 ɛνλαβ p α k β<br />
(I.248)<br />
(I.249)<br />
aufgrund der Anomalie gilt.<br />
Andererseits können wir die Amplitude aber auch wieder ganz allgemein parametrisieren<br />
aufgrund von Lorentz-Symmetrie, Parität und Vektorstromerhaltung in der QCD (analog<br />
z.B. zum elektromagnetischen Formfaktor)<br />
M µνλ (p, k) ≡ q µ ɛ νλαβ p α k β M 1 (q 2 )<br />
(<br />
+ ɛ µναβ k λ − ɛ µλαβ p ν) k α p β M 2 (q 2 )<br />
[(<br />
+ ɛ µναβ p λ − ɛ µλαβ k ν) ]<br />
k α p β − ɛ µνλσ (p − k) σ p · k M 3 (q 2 ) ,<br />
(I.250)<br />
wobei aufgrund der Bose-Symmetrie der Photonen p ν M µνλ = k λ M µνλ = 0 gelten muss.<br />
Für diese Parametrisierung folgt (mit q 2 = 2 p · k)<br />
iq µ M µνλ = iq 2 ɛ νλαβ p α k β M 1 (q 2 )<br />
− iɛ µνλσ q µ (p − k) σ p · k M 3 (q 2 )<br />
)<br />
= iq 2 ɛ νλαβ p α k β<br />
(M 1 (q 2 ) + M 3 (q 2 )<br />
(I.251)<br />
Damit das im Limes q 2 → 0 ungleich Null wird (wie aufgrund der Anomalie festgelegt),<br />
müssen die Formfaktoren M 1 +M 3 wie 1/q 2 divergieren. Das entspricht aber dem Beitrag<br />
eines masselosen Propagators für einen Zwischenzustand mit den Quantenzahlen des<br />
betrachteten Axialvektorstroms j µ5,3 . Nach unseren Vorüberlegungen ist dies gerade<br />
das Goldstone-Boson, was dem π 0 entspricht. Demnach können wir für q 2 → 0 das<br />
Matrixelement faktorisieren<br />
〈γ(p)γ(k)|j µ5,3 (0)|0〉 q2 →0<br />
−→ 〈γ(p)γ(k)|π 0 (q)〉 i<br />
q 2 〈π0 (q)|j µ5,3 (0)|0〉<br />
= (iA ɛ νλαβ p α k β ) i<br />
q 2 (iqµ f π )<br />
(I.252)<br />
64
I.3 “Anomalien” durch Quantenkorrekturen in QFT<br />
Dabei parametrisiert das erste Matrixelement auf der rechten Seite gerade die Übergangsamplitude<br />
A für den π 0 → 2γ Zerfall und das zweite Matrixelement die bereits<br />
eingeführte Pionzerfallskonstante. Vergleich mit dem allgemeinen Ausdruck für M µνλ<br />
liefert dann<br />
A(π 0 → 2γ) = e2<br />
4π 2 1<br />
f π<br />
,<br />
(I.253)<br />
bzw. zusammen mit dem Phasenraumfaktor (bei dem wir die endliche Pionmasse beibehalten<br />
müssen, da ansonsten der Zerfall natürlich kinematisch nicht möglich wäre),<br />
Γ[π 0 → 2γ] =<br />
α2 m 3 (<br />
)<br />
π<br />
64π 3 1 + O(m 2 π) . (I.254)<br />
Wir erhalten also mit Hilfe der ABJ-Anomalie und der Goldstone-Natur des Pion-<br />
Isospin-Tripletts einen direkten Zusammenhang zwischen dem schwachen Zerfall der<br />
geladenen Pionen π ± → µ ± ν (proportional zu f π ) und dem anomalen Zerfall der neutralen<br />
Pionen π 0 → 2γ in der QED (proportional zu 1/f π ). Die theoretisch vorhergesagte<br />
Rate stimmt dabei sehr gut mit der experimentell gemessenen Rate überein.<br />
I.3.4 Kurzzusammenfassung<br />
f 2 π<br />
• Strahlungskorrekturen in der QED in der Störungstheorie führen zunächst auf<br />
divergente Impulsintegrale.<br />
• Infrarotdivergenzen heben sich zwischen virtuellen Korrekturen und reeller Photonabstrahlung<br />
auf. Die Effekte weicher Photonen lassen sich in sog. Sudakov-<br />
Formfaktoren resummieren.<br />
• Ultraviolettdivergenzen lassen sich durch Renormierung der Störungstheorie systematisch<br />
berüchsichtigen, indem eine laufende (skalen-abhängige) Kopplungskonstante<br />
definiert wird. Als Konsequenz führen Strahlungskorrekturen zu nicht-trivialem<br />
Skalierungsverhalten von Observablen mit den externen Impulsen.<br />
• Zum Überprüfen der Renormierbarkeit von Quantenfeldtheorien wie der QED<br />
haben wir den Zusammenhang zwischen oberflächlichem Divergenzgrad von Schleifendiagrammen<br />
und der Massendimension der Operatoren in der Lagrangedichte untersucht<br />
(Operatoren mit dim> 4 sind zunächst nicht renormierbar). Für die<br />
Renormierbarkeit der QED spielen weiterhin die Ward-Identitäten eine entscheidende<br />
Rolle.<br />
– preliminary –<br />
• Die Freiheit in der Wahl der Renormierungsskala (insbesondere für das MSbar-<br />
Schema) lässt sich durch eine Renormierungsgruppe beschreiben. Das Skalenverhalten<br />
von Observablen und Korrelationsfunktionen wird durch Differentialgleichungen<br />
bestimmt, deren Lösung einer Aufsummation von großen Logarithmen in<br />
den Koeffizienten der Störungstheorie entspricht.<br />
65
I Radiative Korrekturen und Renormierung in der QED<br />
• Das UV-Verhalten von QFTs kann dazu führen, dass klassische Symmetrien nicht<br />
mehr erhalten sind (→ Anomalien). Als Beispiel hatten wir die Adler-Bell-Jackiw<br />
Anomalie für den Axialvektorstrom in der QED disktutiert. Zum Einen stellt dies<br />
Anforderungen an die Konsistenz von Eichtheorien, wie z.B. an das Spektrum von<br />
chiralen Fermionen. Zum Anderen erklären Anomalien physikalische Effekte wie<br />
den π 0 → 2γ Zerfall oder die Massenhierarchie zwischen dem η-Meson und den<br />
Pionen.<br />
– preliminary –<br />
66
II<br />
Kapitel II<br />
Strahlungskorrekturen in der<br />
starken Wechselwirkung (QCD)<br />
II.1 1-Schleifenkorrekturen in nichtabelschen Eichtheorien<br />
Wir gehen im Folgenden kurz auf die Berechnung von Schleifenkorrekturen in nichtabelschen<br />
Eichtheorien, wie z.B. der QCD, im Vergleich zur QED ein. Dabei können<br />
wir einige Techniken und Ergebnisse aus der QED direkt verallgemeinern, wobei wir<br />
zusätzliche Faktoren (C F , C A ) aus der nichtabelschen Symmetriealgebra erwarten (C A =<br />
N C = 3 und C F = N C 2 −1<br />
2N C<br />
= 4/3 in der QCD). Einige Rechnungen werden aber subtiler<br />
und komplexer aufgrund der zusätzlichen Diagramme mit Eichboson-Selbstwechselwirkungen<br />
und Geistfeldern. Es ist dabei häufig zweckmäßig, eine allgemeine kovariante<br />
Eichung zu wählen, bei dem der Eichparameter ξ variabel gelassen wird. Da ξ in<br />
physikalischen Amplituden herausfallen muss, hat man so eine zusätzliche nicht-triviale<br />
Kontrolle für die Richtigkeit der Rechnung. Für das Renormierungsprogramm ist die<br />
dimensionale Regularisierung zu favorisieren.<br />
Wir stellen nun einige 1-Schleifen–Resultate zusammen (Kopplungskonstante g s mit α s =<br />
gs/4π):<br />
2<br />
• Die Vakuumpolarisation (besser: Eichboson-Selbstenergie) wird analog zur Vakuum-Polarisation<br />
des Photons in der QED diskutiert. Zusätzlich zum Diagramm<br />
mit einem Fermion-Antifermion–Paar in der Schleife, gibt es zur Ordnung gs 2 drei<br />
zusätzliche 1PI–Diagramme mit virtuellen Eichbosonen oder Geistern:<br />
– preliminary –<br />
67
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Aufsummation der geometrischen Reihe von 1PI–Diagrammen ergibt wie in der<br />
QED einen transversalen Selbstenergie–Tensor:<br />
)<br />
Π µν (q 2 ) = i<br />
(q 2 g µν − q µ q ν Π(q 2 ) δ ab .<br />
(II.1)<br />
Die Transversalität ist wieder eine Folge der Eichsymmetrie, wobei die BRST-<br />
Invarianz (siehe TTP-1) dafür sorgt, dass die longitudinalen Beiträge durch die<br />
Berücksichtigung des Geist-Diagramms kompensiert werden. Der zusätzliche Faktor<br />
δ ab drückt lediglich die Tatsache aus, dass der Propagator diagonal bezüglich<br />
der Eichfeld-Komponenten in der adjungierten Darstellung bleibt.<br />
– Betrachten wir zunächst den Beitrag der Fermionschleife: Im Vergleich zur<br />
QED-Rechnung ergibt sich ein zusätzlicher Symmetriefaktor aus den beiden<br />
Matrizen t a,b am Fermionvertex, also<br />
tr[t a t b ] × (wie QED-Resultat) = 1 2 δab × (wie QED-Resultat)<br />
Im allgemeinen haben wir n f verschiedene Fermionen (z.B. 6 Quarksorten<br />
in der QCD), die in der nichtabelschen Theorie jeweils den gleichen Beitrag<br />
liefern, also<br />
Π(q 2 1<br />
) ∣ = n f Fermionen 2 (wie QED-Resultat) α→α s,m→m f<br />
(<br />
1<br />
= n f − α )<br />
s 4<br />
2 4π 3 Γ(ɛ) + . . . . (II.2)<br />
Analog können wir daraus den führenden Beitrag der Fermionen zur β–<br />
Funktion ablesen,<br />
1<br />
β(α s ) ∣ = n f Fermionen 2 (wie QED-Resultat) α→α s<br />
. (II.3)<br />
– Aufgrund der nichtabelschen Natur ergeben sich zusätzliche Diagramme mit<br />
Selbstwechselwirkungen der Eichbosonen und mit Geistfeldern. Für den Beitrag<br />
der Eichbosonschleife (zweites Diagramm oben) müssen wir zusätzlich zu<br />
den Feynman-Regeln für den 3-Eichbosonen–Vertex noch beachten, dass aufgrund<br />
der Ununterscheidbarkeit der Eichbosonen in der Schleife ein topologischer<br />
Symmetriefaktor 1/2 zu beachten ist (analog zu den Symmetriefaktoren<br />
in der φ 4 –Theorie). Wir erhalten somit ein Feynmanintegral der Form<br />
– preliminary –<br />
∫<br />
1<br />
2<br />
d D p<br />
(2π) D<br />
−i<br />
p 2 + iɛ<br />
−i<br />
(p + q) 2 + iɛ g2 s f acd f bdc × (Lorentz-Struktur) , (II.4)<br />
wobei wir die Lorentz-Struktur, die sich aus Propagatorzählern und Vertexfaktoren<br />
ergibt, nicht explizit angegeben haben. Die konkrete Rechnung zeigt,<br />
dass i.A. der entsprechende Beitrag zur Eichbosonselbstenergie nicht transversal<br />
ist; allerdings gilt dies wieder für die Summe aller Diagramme (aufgrund<br />
68
II.1 1-Schleifenkorrekturen in nichtabelschen Eichtheorien<br />
der BRST-Invarianz). Das Produkt der Strukturkonstanten der nichtabelschen<br />
Theorie vereinfacht sich hier zu<br />
∑<br />
[ ]<br />
f acd f bdc ≡ tr t a At b A = C A δ ab . (II.5)<br />
cd<br />
Die Berechnung der Diagramme ist aufwändiger als in der QED, aber z.B.<br />
wieder mittels Feynman-Parametern elementar lösbar. Obiges Diagramm liefert<br />
dabei zunächst auch quadratisch divergente Beiträge (d.h. Pole bei D =<br />
2, 4, . . . in dim-reg.).<br />
– Für das Schleifendiagramm, welches die 4-Eichbosonen–Kopplung involviert,<br />
erhält man entsprechend (in Feynman-Eichung)<br />
∫<br />
1 d D p −ig ρσ<br />
2 (2π) D p 2 + iɛ δcd (−igs)<br />
2<br />
[<br />
]<br />
× f abe f cde (g µρ g νσ − g µσ g νρ ) + 2× zyklisch . (II.6)<br />
Der 1. Term in eckigen Klammern verschwindet hierbei wegen δ cd f cde = 0.<br />
Der 2. und 3. Term ergeben jeweils den gleichen Beitrag,<br />
δ cd f dae f bce = −C A δ ab ,<br />
g ρσ (g σν g µρ − g σρ g µν ) = g µν (1 − D) .<br />
Damit ergibt sich für das Feynman-Integral:<br />
−g 2 s C A δ ab ∫<br />
d D p 1<br />
(2π) D p 2 − µ 2 IR + iɛ gµν (D − 1) .<br />
(II.7)<br />
(II.8)<br />
Dabei wird gerade der quadratisch divergente Beitrag des vorherigen Diagramms<br />
kompensiert.<br />
– Beim Diagramm mit der Geist-Schleife müssen wir schließlich beachten, dass<br />
sich aufgrund der Antikommutativität der Geistfelder ein zusätzliches Minuszeichen<br />
ergibt,<br />
∝(−1) · tr[t a At b A] g 2 s<br />
∫<br />
d D p<br />
(2π) D<br />
wobei sich wieder der gleiche Farbfaktor C A ergibt.<br />
i i<br />
p 2 + iɛ (p + q) 2 + iɛ (p + q)µ p ν = . . . (II.9)<br />
– Zusammengefasst ergeben die 3 Diagramme, die die nichtabelschen Kopplungen<br />
enthalten, einen UV-divergenten Beitrag der Form<br />
Π(q 2 ) ∣ = − α (<br />
s<br />
− 13<br />
nichtabelsch 4π 6 + ξ )<br />
C A Γ(ɛ) + . . . (II.10)<br />
2<br />
– preliminary –<br />
wobei wir das Resultat für einen beliebigen Eichparameter ξ (in kovarianten<br />
Eichungen) angegeben haben (in Feynman-Eichung, ξ = 1, ergibt sich für den<br />
Ausdruck in Klammern −5/3).<br />
69
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
• D.h. die Selbstenergie in nichtabelschen Eichtheorien ist eich-abhängig! Das ist kein<br />
Widerspruch, denn Π(q 2 ) ist keine physikalische Observable, d.h. die ξ-Abhängigkeit<br />
muss sich erst kompensieren, wenn die Selbstenergie in eine physikalische<br />
Streuamplitude eingesetzt wird.<br />
• Zusammengefasst erhalten wir für den Z 3 –Counterterm in der nichtabelschen Theorie<br />
mit n f Fermionen in der fundamentalen Darstellung also<br />
∣ ∣∣ξ=1<br />
δZ 3 =<br />
g2 s 1<br />
(4π) 2 ˆɛ<br />
( 5<br />
3 C A − 2 3 n f<br />
)<br />
+ (endliche Terme) , (II.11)<br />
wobei die genaue Form der endlichen Terme – wie in der QED – vom gewählten<br />
Renormierungsschema abhängt.<br />
• Betrachten wir nun die Selbstenergie der Fermionen: Hier ist die Situation völlig<br />
analog zur QED, bis auf den Symmetriefaktor t a t a = C F . Wir erhalten also für<br />
den Z 2 –Counterterm der Fermionfelder<br />
δZ 2 = −<br />
g2 s 1<br />
(4π) 2 ˆɛ C F ,<br />
und analog einen Faktor C F für den Massen-Counterterm.<br />
– preliminary –<br />
(II.12)<br />
• Im Falle der Korrektur zum Fermion-Eichboson–Vertex gibt es ein Diagramm, bei<br />
dem – analog zur QED – ein nichtabelsches Eichboson zwischen den Fermionen<br />
vor und nach der Wechselwirkung ausgetauscht wird. Zusätzlich kann das Fermion<br />
mit 2 Eichbosonen wechselwirken, welche sich dann über den 3-Eichbosonvertex<br />
mit dem externen Gluon wechselwirken.<br />
– Für das erste Diagramm müssen wir wieder nur den zusätzlichen nichtabelschen<br />
Symmetriefaktor berechnen, welcher sich aus<br />
ergibt.<br />
t b t a t b = t b t b t a + t b [t a , t b ] = C F t a + it b f abc t c<br />
= C F t a + i ( )<br />
2 f abc [t b , t c ] + {t b , t c } = C F t a − 1 2 C A t a (II.13)<br />
– Der Beitrag zur Vertexkorrektur vom 3-Eichbosonvertex erhält dagegen einen<br />
Symmetriefaktor<br />
f abc t b t c = i 2 C At a .<br />
Zusammengefasst erhält man für den Z 1 –Counterterm des Fermionvertex<br />
δZ 1 = −<br />
g2 s 1<br />
(4π) 2 ˆɛ (C F + C A ) + (endliche Terme) ≠ δZ 2 .<br />
(II.14)<br />
(II.15)<br />
70
II.1 1-Schleifenkorrekturen in nichtabelschen Eichtheorien<br />
Im Gegensatz zur QED sind in der nichtabelschen Theorie also die Renormierungsfaktoren<br />
für die Fermionfelder und die Fermionvertizes nicht gleich! — Das ist<br />
allerdings kein Widerspruch zur Eichsymmetrie, da der Eichstrom j a µ = ¯ψγ µ t a ψ der<br />
QCD selbst kein Eichsingulett ist, sondern selbst als Oktett (adjungierte Darstellung)<br />
transformiert. Dementsprechend gibt es keine erhaltene additive Farbladung,<br />
und der Formfaktor des QCD-Stroms hat keine natürliche Normierung. Andererseits<br />
werden wir gleich sehen, dass die nichtabelsche Eichsymmetrie erzwingt, dass<br />
die effektive (laufende) Kopplungskonstante für alle Vertizes in der nichtabelschen<br />
Theorie universell bleibt.<br />
Fassen wir die der QED entsprechenden Counterterme explizit zusammen, erhalten wir<br />
analoge Ausdrücke wie in der QED:<br />
• C.T. für Gluonpropagator: −i(k 2 g µν − k µ k ν )δ ab δZ 3<br />
• C.T. für Quarkpropagator: i/p δZ 2 − i δm f<br />
• C.T. für Quark-Gluon-Vertex: ig s t a γ µ δZ 1<br />
Wegen δZ 1 ≠ δZ 2 ergibt sich in der QCD für die laufende Kopplung<br />
gs 0 = Z g µ ɛ g s mit Zg<br />
−1 = √ Z 3 Z 2 Z1 −1 . (II.16)<br />
Wie oben bereits angedeutet, müssen wir aber sicher stellen, dass die so definierte<br />
laufende Kopplung g s identisch ist mit der effektiven Kopplung, die für die anderen<br />
QCD-Vertizes auftritt. Dazu müssen noch folgende Renormierungsfaktoren und Counter-<br />
Terme berechnet werden:<br />
• Korrekturen zum 3-Gluon-Vertex<br />
• Korrekturen zum 4-Gluon-Vertex<br />
−→ Z 3g<br />
– preliminary –<br />
1<br />
−→ Z 4g<br />
• Korrekturen zum Geist-Gluon-Vertex −→ Z c 1<br />
• Korrekturen zum Geist-Propagator −→ Z c 2<br />
Daraus ergeben sich folgende Bedingungen (die für ein eich-invariantes Renormierungsschema<br />
erfüllt sein müssen):<br />
• Aus dem 3-Gluon Vertex erhält man<br />
Z −1<br />
g = Z 3/2<br />
3 (Z 3g<br />
1 )−1 !<br />
= √ Z 3 Z 2 (Z 1 ) −1 . (II.17)<br />
In führender Ordnung kann man in δZ i entwickeln und erhält<br />
δZ 3 − δZ 3g ≃ δZ 2 − δZ 1 .<br />
1<br />
!<br />
1<br />
(II.18)<br />
Hierdurch werden also die divergenten Beiträge von diversen verschiedenen 1-<br />
Schleifendiagramme durch die Eichsymmetrie miteinander verknüpft.<br />
71
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
• Entsprechend für den 4-Gluon–Vertex (wobe wir beachten müssen, dass dieser 2<br />
Potenzen der Kopplungskonstanten trägt):<br />
Z −2<br />
g<br />
⇔<br />
= Z 2 3 (Z 4g<br />
1 )−1 !<br />
= Z 3 (Z 2 ) 2 (Z 1 ) −2<br />
δZ 3 − δZ 4g<br />
1<br />
• und schließlich für den Geist-Gluon–Vertex:<br />
Zg<br />
−1<br />
!<br />
≃ 2 (δZ 2 − δZ 1 ) .<br />
= √ Z 3 Z c 2 (Z c 1) −1<br />
⇔ δZ2 c − δZ1<br />
c ≃ δZ 2 − δZ 1 .<br />
Insgesamt haben wir dann also 8 Counter-Terme,<br />
δZ 1 , δZ 2 , , δm , δZ 3 ,<br />
– preliminary –<br />
!<br />
δZ c 1 , δZ 3g<br />
1 , δZ4g<br />
1 , δZc 2 ,<br />
(II.19)<br />
(II.20)<br />
mit 3 Relationen aufgrund der Eichsymmetrie. Somit bleiben 5 unabhängige Renormierungsfaktoren,<br />
was genau der Anzahl von frei normierbaren Größen (3 Sorten von Feldern<br />
[Gluon, Quark, Geist], 1 Kopplung, 1 Massenparameter [pro Quark]) in der QCD-<br />
Lagrangedichte entspricht. 1<br />
II.2 Laufende Kopplung in der QCD<br />
Aus dem Zusammenhang zwischen g s und g 0 s können wir wieder die QCD β-Funktion<br />
bestimmen, wobei wir wieder nur die divergenten Beiträge der Z-Faktoren in Z g benötigen.<br />
Für ɛ → 0 finden wir analog zur Rechnung in der QED<br />
β(α s ) = µ 2 dα (<br />
s<br />
dµ 2 = −α2 s<br />
δz (1)<br />
3 + 2δz (1)<br />
2 − 2δz (1) )<br />
1 + O(α 3<br />
4π<br />
s)<br />
(<br />
= − α2 s 5<br />
4π 3 C A − 2 3 n f + 2(−C F ) − 2(−C F − C A ))<br />
+ . . .<br />
(<br />
= − α2 s 11<br />
4π 3 C A − 2 )<br />
3 n f + . . . (II.21)<br />
Hierbei ist zu bemerken, dass sich der Beitrag proportional zu C F zwischen Z1 −1 und<br />
Z 2 aufhebt, die β-Funktion ist also unabhängig von der Darstellung der Fermionen bgzl.<br />
der Eichgruppe. Vergleich mit der QED (wo β(α) = α2 4<br />
4π 3 n f + . . . > 0) zeigt, dass die<br />
β-Funktion in der nicht-abelschen Theorie auch negatives Vorzeichen haben kann, wenn<br />
n f < 11<br />
2 C A ,<br />
1 Genau genommen, müssen wir für beliebige Eichungen auch einen Counterterm δZ ξ einführen, der<br />
den Eichfixierungsterm renormiert.<br />
72
II.2 Laufende Kopplung in der QCD<br />
was insbesondere für die QCD mit n f = 6 und C A = 3 erfüllt ist. Wir schreiben deshalb<br />
in der QCD<br />
β(α s ) = α2 s<br />
4π (−b 0) + O(α 3 s) mit b 0 = 11 − 2 3 n f > 0 (II.22)<br />
und lösen die DGL für α s (µ) analog zur QCD, so dass<br />
Diskussion/Interpretation:<br />
α s (µ) = g2 s(µ)<br />
4π ≃ α s (µ 0 )<br />
1 + b 0<br />
4π α s(µ 0 ) ln µ2<br />
– preliminary –<br />
µ 2 0<br />
(II.23)<br />
• Für µ → ∞ geht α s (µ) → 0. Dies bezeichnen wir als “asymptotische Freiheit”<br />
der QCD, d.h. bei großen Impulsübeträgen bzw. kleinen Abständen ist die<br />
“starke” Wechselwirkung zwischen Quarks und Gluonen tatsächlich eher schwach!<br />
Das heisst:<br />
→ In diesem Bereich ist QCD-Störungstheorie anwendbar.<br />
→ Die QCD lässt sich am einfachsten in Hochenergieexperimenten testen/erforschen.<br />
→ Die Erkenntnis rechtfertigt einen Nobelpreis (Politzer/Gross/Wilczek 2004).<br />
Erfolgreiche Tests der QCD wurden insbesondere in tief-inelastischer e − -Proton–<br />
Streuung (z.B. bei HERA@DESY) und in e + e − → Jets (z.B. bei den LEP-Experimenten<br />
am CERN) durchgeführt. Eine übliche Referenzskala für α s (µ 0 ) ist dabei die<br />
Masse des Z-Bosons (siehe Übung).<br />
• Im Gegensatz zur QED wird die Abschirmung der QCD-“Ladung” durch virtuelle<br />
q¯q–Paare offensichtlich überkompensiert durch die nicht-abelschen Beiträge von<br />
gluonischen Fluktuationen (5/3C A von Z g 3 , und 2C A von 2(δZ 2 −δZ 1 )). Bei großen<br />
Abständen haben wir also einen “Anti-Screening”–Effekt für Farbladungen.<br />
Damit gibt es einen bestimmten Wert µ ≡ Λ QCD < µ 0 , bei dem α s (µ) (in der<br />
Störungstheorie) formal divergiert, 1/α s (Λ QCD ) → 0. In führender Ordnung ist<br />
das gerade für<br />
1 + b 0<br />
4π α s(µ 0 ) ln Λ2 QCD<br />
= 0 (II.24)<br />
der Fall. Durch Auflösen nach α s (µ 0 ) erhalten wir eine alternative Darstellung der<br />
1-Schleifen-Näherung,<br />
µ 2 0<br />
α s (µ 0 ) ≃ 4π<br />
b 0<br />
1<br />
ln µ 2 0 /Λ2 QCD<br />
(II.25)<br />
73
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Der Wert von Λ QCD hängt dabei von der betrachteten Ordnung in der Störungstheorie<br />
ab (siehe Übung).<br />
• Obwohl wir mit einer dimensionlosen Kopplung g s in der Lagrangedichte gestartet<br />
sind, enthält die Theorie anscheinend Information über eine intrinsische Referenzskla<br />
Λ QCD , welche unabhängig von den Massenparametern der Fermionen ist.<br />
Diesen Effekt nennt man auch “dimensionale Transmutation”.<br />
Durch experimentelle Bestimmung von α s (q 2 ) bei hohen Energien findet man, dass<br />
Λ QCD ∼ 200 − 300 MeV ≃ 1/3 · Protonmasse<br />
In der Tat wird die Protonmasse größtenteils durch QCD-Effekte erzeugt (und<br />
nicht durch den elektroschwachen Higgs-Mechanismus!).<br />
• Die Effekte, die mit der (nicht-trivialen) QCD-Vakuumstruktur zusammenhängen,<br />
sind selbst nicht-störungstheoretischer Natur. Die typischen Korrelationslängen<br />
dieser Strukturen (die man z.B. auf Gitter-QCD-Simulationen studieren kann)<br />
sind dann gerade von der Ordnung 1/Λ QCD .<br />
Das Ziel der Theorie der starken Wechselwirkung ist deshalb die Trennung der verschiedenen<br />
dynamischen Effekte, so dass die kurzreichweitigen Fluktuationen (in der Praxis µ <br />
1 − 2 GeV) störungstheoretisch beschrieben werden können, während lang-reichweitige<br />
Korrelationen mittels möglichst universeller hadronischer Größen zu parametrisieren<br />
sind. Beispiele für solche Parameter sind<br />
• Eigenschaften des Vakuums, z.B. 〈0|¯qq|0〉,<br />
• Zerfallskonstanten von Mesonen, wie z.B. f π ,<br />
• hadronische Formfaktoren (z.B. 〈p ′ |j µ elm |p〉)<br />
• Partonverteilungsfunktionen des Protons (s.u.)<br />
• . . .<br />
Ein Beispiel, bei dem in erster Näherung keine hadronischen Parameter eingehen, ist der<br />
totale Wirkungsquerschnitt für e + e − → Hadronen (siehe TTP-1),<br />
⎛ ⎞<br />
σ(s) = σ 0<br />
⎝3 ∑ (<br />
Q 2 ⎠<br />
f 1 + α )<br />
s(µ)<br />
+ O(α 2<br />
π<br />
s) , (II.26)<br />
f<br />
wobei sich die angegebene α s -Korrektur durch die Berechnung der reellen und virtuellen<br />
Strahlungskorrekturen zum Prozess e + e − → q¯q(g) ergibt. Gemäß unserer allgemeinen<br />
Diskussion können wir potentiell große Logarithmen ln s/µ 2 wieder effektiv aufsummieren,<br />
indem wir die Störungsreihe durch α s ( √ s) entwickeln. Damit erwarten wir kleine<br />
Abweichungen vom klassischen Skalenverhalten bei √ s > 1 − 2 GeV (abgesehen vom<br />
Bereich in dem hadronische Vektorresonanzen auftreten, siehe Dikussion in TTP-1).<br />
Daraus lässt sich im Prinzip die Funktion α s ( √ s) aus dem Experiment bestimmen und<br />
mit der theoretischen Erwartung vergleichen.<br />
– preliminary –<br />
74
II.3 Einschub: Laufende Kopplung und RG-Fixpunkte<br />
II.3 Einschub: Laufende Kopplung und RG-Fixpunkte<br />
Wir fügen an dieser Stelle eine kleine allgemeine Diskussion zum möglichen Verhalten<br />
von laufenden Kopplungen in der QFT ein. Definieren wir allgemein<br />
β(g) = µ ∂g<br />
∂µ<br />
gibt es offensichtlich für kleine Werte von g drei Möglichkeiten:<br />
(a) β(g) > 0 (wie z.B. in der QED)<br />
für g = g(µ) , (II.27)<br />
(b) β(g) ≡ 0 (braucht “mehr” Symmetrien, z.B. erweiterte “Supersymmetrien”)<br />
(c) β(g) < 0 (wie z.B. in der QCD)<br />
Im Fall (a) können wir in die Störungstheorie für hinreichend kleine Skalen µ 2 ≪ Λ 2 UV anwenden;<br />
bei großem µ ∼ Λ UV divergiert die störungstheoretische Kopplung (→ “Landau-<br />
Pol”) Im Fall (b) erhalten wir eine “endliche QFT”, die aber für die Teilchenphysik bisher<br />
keine Relevanz hat. Im Fall (c) erhalten wir Störungstheorie für µ 2 ≫ Λ 2 IR (asymptotische<br />
Freiheit) und einen Landau-Pol bei kleinen Skalen µ ∼ Λ IR .<br />
Was passiert nun für große Kopplungen g ≫ 1 mit der β-Funktion (d.h. ohne störungstheoretische<br />
Näherung) ? — Wir betrachten dazu die β-Funktion als Funktion der Kopplungskonstante.<br />
Im Fall (a) können wir uns zwei Szenarien vorstellen<br />
(a1) Die β-Funktion bleibt positiv für alle Werte von g:<br />
Skizze: β(g) mit β(g = 0) = 0 und β(g) > 0 für alle g<br />
(a2) Die β-Funktion nimmt für große Werte von g wieder ab und wird negativ für<br />
g > g ∗ :<br />
Skizze: β(g) mit β(g = 0) = 0 und β(g) > 0(< 0) für g < g ∗ (g > g ∗ )<br />
D.h. zusätzlich zur trivialen Nullstelle β(g = 0) = 0 gibt es ein g ∗ ≠ 0 mit β(g ∗ ) =<br />
0. In diesem Fall können wir die β-Funktion um g = g ∗ entwickeln,<br />
dg<br />
d ln µ = β(g) ≃ −B (g − g∗ ) mit B > 0 , (II.28)<br />
so dass die approximative Lösung für die laufende Kopplung in der Nähe von g ∗<br />
als<br />
– preliminary –<br />
g(µ) = g ∗ + C<br />
( µ<br />
µ 0<br />
) −B<br />
(II.29)<br />
geschrieben werden kann (mit c = g(µ 0 ) − g ∗ ). Dann strebt g(µ) → g ∗ für µ → ∞:<br />
“Die Theorie besitzt dann einen (nicht-trivialen) UV-Fixpunkt, welcher durch<br />
den Wert von g ∗ und die Steigung −B klassifiziert ist.”<br />
75
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Aus der Lösung für g(µ) in der Nähe des UV-Fixpunktes können wir wieder<br />
analytische Aussagen über das Skalierungsverhalten von Greenschen Funktionen<br />
machen (allgemein ist das für große Kopplungen nicht möglich). Betrachten wir<br />
dazu z.B. den RG-Faktor<br />
[ ∫ n λ<br />
dλ ′<br />
]<br />
exp<br />
2 λ ′ γ φ (α(µλ ′ )) ,<br />
– preliminary –<br />
1<br />
mit der anomalen Dimension der Felder als Funktion der laufenden Kopplung mit<br />
einem Skalierungsparamter λ (siehe allgemeine Diskussion oben). Für große Werte<br />
von λ ist das Integral gerade dominiert von Werten von λ ′ , bei denen<br />
α(µλ ′ ) ≃ α ∗ = (g∗ ) 2<br />
4π ,<br />
denn nach Variablensubstitution haben wir<br />
dg(µλ ′ )<br />
dλ ′ = ˜µ dg(˜µ)<br />
∣<br />
β(˜g = g(˜µ))<br />
λ ′ =<br />
d˜µ<br />
λ ′<br />
∣˜µ=µλ ′<br />
Somit vereinfacht sich der RG-Faktor zu<br />
[ ∫ n λ<br />
dλ ′ ]<br />
exp<br />
2 λ ′ γ φ (α ∗ ) = λ n 2 γ∗ ,<br />
1<br />
⇔<br />
dλ ′<br />
λ ′ = d˜g<br />
β(˜g) .<br />
(II.30)<br />
d.h. die anomale Dimension am RG-Fixpunkt bestimmt das Skalenverhalten für<br />
große Werte von λ.<br />
Analoge Betrachtungen können wir für den Fall (c) machen. In diesem Fall erhalten wir<br />
einen nicht-trivialen IR-Fixpunkt, wenn β(g) < 0(> 0) für g < g ∗ (g > g ∗ ) mit<br />
g(µ) ≃ g ∗ + c<br />
( µ<br />
µ 0<br />
) B<br />
(B > 0) (II.31)<br />
und g(µ → 0) = g ∗ . In diesem Fall bestimmt γ φ (g ∗ ) das Skalierungsverhalten für kleine<br />
Werte von λ.<br />
Anmerkungen: Die genaue Form von β(g) und der Wert von g ∗ hängen vom Renormierungsschema<br />
ab. Allerdings sind β 0 , die Existenz von g ∗ , die Steigung B bei g ∗ und der Wert von γ ∗ φ<br />
unabhängig von der Renormierungskonvention.<br />
II.4 Operatorproduktentwicklung in e + e − → Hadronen<br />
II.4.1 Das Optische Theorem<br />
Ausgangspunkt ist der Streuoperator Ŝ, den wir bereits in TTP-1 kennen gelernt hatten<br />
und als<br />
Ŝ = ˆ1 + i ˆT<br />
(II.32)<br />
76
II.4 Operatorproduktentwicklung in e + e − → Hadronen<br />
geschrieben hatten, wobei der Operator ˆT gerade die Übergangsamplituden der Form<br />
〈p 1 p 2 . . . |i ˆT |k A k B 〉 = (2π) 4 δ (4) (k A + k B − ∑ p i ) iM(k A k B → p 1 p 2 . . .) (II.33)<br />
beschreibt. Die <strong>Uni</strong>tarität des Operators Ŝ impliziert<br />
ŜŜ† = ˆ1 ⇔ −i( ˆT − ˆT † ) = ˆT † ˆT . (II.34)<br />
Wenn wir dies z.B. zwischen 2-Teilchen-Zuständen auswerten, erhalten wir durch Einfügen<br />
eines kompletten Satzes von Zwischenzuständen auf der rechten Seite der Gleichung<br />
〈p 1 p 2 | ˆT † ˆT |k1 k 2 〉 = ∑ n<br />
= ∑ n<br />
(<br />
Π n i=1<br />
∫<br />
Π n i=1<br />
Entsprechend für die linke Seite direkt<br />
∫<br />
d 3 )<br />
q i 1<br />
(2π) 3 〈p 1 p 2 |<br />
2E ˆT † |{q i }〉〈{q i }| ˆT |k 1 k 2 〉<br />
i<br />
d 3˜q i M ∗ (p 1 p 2 → {q i }) M(k 1 k 2 → {q i })<br />
(2π) 4 δ (4) (p 1 + p 2 − ∑ q i ) (2π) 4 δ (4) (k 1 + k 2 − ∑ q i ) .<br />
−i〈p 1 p 2 |( ˆT − ˆT † )|k 1 k 2 〉 = −i (M(k 1 k 2 → p 1 p 2 ) − M ∗ (p 1 p 2 → k 1 k 2 ))<br />
(2π) 4 δ (4) (k 1 + k 2 − p 1 − p 2 ) .<br />
Gleichsetzen der beiden Ausdrücke und Ausklammern eines gemeinsamen Faktors<br />
(2π) 4 δ (4) (k 1 + k 2 − p 1 − p 2 )<br />
(II.35)<br />
(II.36)<br />
liefert dann eine Beziehung zwischen den Streuamplituden. Die Herleitung gilt so für beliebige<br />
Matrixelemente. Wir können insbesondere den Grenzfall p 1 p 2 → k 1 k 2 betrachten 2<br />
Dann erhalten wir<br />
2 ImM(k 1 k 2 → k 1 k 2 ) = ∑ ∫ ∫<br />
Π n i=1 d 3˜q i |M(k 1 k 2 → {q i })| 2 (2π) 4 δ (4) (k 1 + k 2 − ∑ q i ) .<br />
n<br />
(II.37)<br />
Die linke Seite entspricht dabei der “Vorwärts-Streuamplitude” für den Prozess k 1 k 2 →<br />
k 1 k 2 , und die rechte Seite gibt bis auf den Flussfaktor den Ausdruck für den totalen<br />
Wirkungsquerschnitt k 1 k 2 → X,<br />
– preliminary –<br />
ImM(k 1 k 2 → k 1 k 2 ) = 2E cm |⃗p| cm σ tot (k 1 k 2 → X) .<br />
(II.38)<br />
Dies ist das sog. “Optische Theorem” (ausgewertet für Streuamplituden zwischen<br />
Impulseigenzuständen).<br />
— graphische Illustration —<br />
2 Unter der Annahme, dass die Amplituden in diesem Limes stetige Funktionen der Impulse sind.<br />
77
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Wir können also den totalen Wirkungsquerschnitt (Summe und Phasenraumintegration<br />
über alle Endzustände) alternativ auch über die Berechnung des Imaginärteils der<br />
Vorwärtsstreuamplitude herleiten. In der Störungstheorie resultiert der Imaginärteil aus<br />
der iɛ-Vorschrift der Feynman-Propgatoren für die Teilchen in den virtuellen Zwischenzuständen<br />
(inlusive Schleifenintegrationen). Für die physikalischen Zwischenzustände in<br />
der wechselwirkenden Theorie erhalten wir auch Beiträge von Bindungszuständen (Pole<br />
in der komplexen Ebene gemäss Masse und Breite von Resonanzen etc.). Das optische<br />
Theorem gilt dabei allgemein, unabhängig von der Berechnungsmethode, und kann<br />
somit als Grundlage für systematische Berücksichtigung von störungstheoretischen und<br />
nicht-störungstheoretischen Korrekturen benutzt werden.<br />
II.4.2 Anwendung auf e + e − → Hadronen<br />
Für den Prozess e + e − → Hadronen bei großen Energien ( √ s ≫ m e , m q ) lautet das opt.<br />
Theorem<br />
σ(e + e − → hadrons) = 1 2s ImM(e+ e − → e + e − ) viahadrons<br />
– preliminary –<br />
(II.39)<br />
Die rechte Seite entspricht dabei gerade dem hadronischen Beitrag zur QED-Vakuumpolarisation,<br />
mit (s = q 2 )<br />
iM = (−ie) 2 ū(k 1 )γ µ v(k 2 ) −i<br />
s (iΠµν had(q)) −i<br />
s ¯v(k 2)γ ν u(k 1 ) .<br />
(II.40)<br />
Aufgrund der QED-Ward-Identitäten ist der hadronische Beitrag zum Polarisationstensor<br />
wieder transversal, so dass<br />
Π µν had(q) = (q 2 g µν − q µ q ν ) Π had (s) .<br />
(II.41)<br />
Wir mitteln wieder über die Spineinstellungen im Anfangszustand, so dass sich aus den<br />
Fermionspinoren<br />
L µν := 1 ∑<br />
ū(k 1 )γ µ v(k 2 ) ¯v(k 2 )γ ν u(k 1 ) = 1 4<br />
4 tr[k/ 1γ µ k/ 2 γ ν ] = k µ 1 kν 2 + k µ 2 kν 1 − (k 1 · k 2 ) g µν<br />
spin<br />
(II.42)<br />
ergibt. Da das wieder transversal bzgl. q µ ist, brauchen wir nur die Kontraktion des<br />
obigen Ausdrucks mit g µν und erhalten<br />
so dass sich insgesamt<br />
g µν L µν = −2 k 1 · k 2 = −s ,<br />
σ(e + e − → hadrons) = − 4πα<br />
s ImΠ had(s) (II.43)<br />
ergibt. Wie oben erläutert enthält der Imaginärteil von Π had (s) die Information über<br />
sämtliche hadronische Zwischenzustände. Für große Werte von s erwarten wir, dass<br />
sich die Zwischenzustände durch asymptotisch freie Quarks und Gluonen in der QCD-<br />
Störungstheorie abbilden lassen (“Dualität” zwischen Hadronen und Quarks/Gluonen).<br />
78
II.4 Operatorproduktentwicklung in e + e − → Hadronen<br />
II.4.2.1 Störungstheoretische Beschreibung<br />
Für die störungstheoretische Beschreibung können wir direkt das Resultat für den 1-<br />
Schleifenbeitrag zur Vakuumpolarisation in der QED verwenden, mit m e → m q und<br />
einem entsprechenden Farb- und Ladungsfaktor für Quarks statt Elektronen, so dass<br />
∑<br />
Π had (s) = −N c Q<br />
2 8e 2<br />
∫ 1<br />
q<br />
(4π) D/2 Γ(ɛ)µ2ɛ dx x(1 − x) (∆ 2 ) −ɛ ,<br />
– preliminary –<br />
0<br />
(II.44)<br />
wobei ∆ 2 = m 2 q − x(1 − x)s − i0 + ≃ −x(1 − x) − i0 + , wobei wir den kleinen Imaginärteil<br />
explizit gemacht haben, der daher resultiert, dass die Massen in den Feynmanprogatoren<br />
in der Form p 2 − m 2 + i0 + auftreten.<br />
Wir berechnen zunächst den Imaginärteil von (∆ 2 ) −ɛ aus (für m q → 0)<br />
(<br />
(∆ 2 ) −ɛ = exp −ɛ ln ∆ 2) ( [<br />
])<br />
= exp −ɛ ln |∆ 2 | − iπ θ(s)<br />
( )<br />
⇔ Im(∆ 2 ) −ɛ = exp −ɛ ln |∆ 2 | sin(ɛπ) θ(s) ≃ ɛπ θ(s) .<br />
(II.45)<br />
Somit ergibt sich nach Multiplikation mit Γ(ɛ) ein endliches Resultat für den Imaginärteil,<br />
∑<br />
ImΠ had (s)| mq→0 = −π N c Q<br />
2 8e 2 ∫ 1<br />
∑<br />
q<br />
(4π) 2 dx x(1 − x) θ(s) = −N c Q<br />
2 α<br />
q<br />
3<br />
0<br />
(II.46)<br />
und somit für den totalen Wirkungsquerschnitt das bereits in TTP-1 berechnete Ergebnis,<br />
σ tot (e + e − → hadrons) = 4πα2<br />
3s<br />
N ∑ √<br />
c Q<br />
2<br />
q<br />
= σ(e + e − → µ + µ − ) R 0 . (II.47)<br />
Die Berechnung über das optische Theorem liefert nicht nur eine alternative Rechenmethode,<br />
sondern erlaubt auch, systematisch Korrekturen zur störungstheoretischen Beschreibung<br />
zu definieren.<br />
II.4.2.2 Operatordarstellung<br />
Um systematisch Korrekturen zum Limes q 2 → ∞ zu berücksichtigen, betrachten wir die<br />
Operatordarstellung des hadronischen Beitrags zur Vakuumpolarisation, welcher sich aus<br />
dem zeitgeordneten Produkt zweier elektromagnetischer Ströme mit Quarks schreiben<br />
lässt,<br />
∫<br />
iΠ µν<br />
had (q) = −e2 d 4 x e i q·x 〈0|T J µ (x)J ν (0)|0〉<br />
(II.48)<br />
mit<br />
J µ (x) = J µ had (x) =<br />
∑<br />
Q f ¯q f (x)γ µ q f (x) .<br />
(II.49)<br />
f=u,d,s,...<br />
79
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Die Operatordarstellung erlaubt es uns nun, um den Hochenergielimes zu entwickeln. Im<br />
obigen Fourierintegral entspricht dies gerade der Entwicklung um kleine Abstände x, die<br />
wir bereits im Zusammenhang mit den Anomalien als Operatorproduktentwicklung<br />
kennen gelernt hatten. Die OPE für das Produkt der beiden elektromagnetischen Ströme<br />
lautet demnach<br />
J µ (x)J ν (0) = C µν(x) [1] ˆ1 + C µν [¯qq] (x) ¯q(0)q(0) + C [G2 ]<br />
µν (x) G 2 (0) + . . . (II.50)<br />
wobei aus der Dimensionsanalyse wieder das Verhalten für x → 0 folgt,<br />
C [1]<br />
µν(x) ∼ x −6 ,<br />
C [¯qq]<br />
µν (x) ∼ m q x −2 , C [G2 ]<br />
µν (x) ∼ x −2 , (II.51)<br />
wobei wir wieder verwendet haben, dass der Koeffizient vor dem Operator ¯qq = ¯q L q R +<br />
¯q R q L aufgrund der chiralen Symmetrie der QCD mit der Quarkmasse m q gegen Null<br />
gehen muss. Analog können wir die Fouriertransformierten der Koeffizienten betrachten<br />
und erhalten unter Verwendung von q µ Π µν = 0, dass<br />
∫<br />
− e 2 d 4 x e iq·x J µ (x)J ν (0)<br />
{<br />
}<br />
= −ie 2 (q 2 g µν − q µ q ν ) ˜c [1] (q 2 ) ˆ1 + c [¯qq] (q 2 ) m q ¯qq + c [G2] (q 2 ) G 2 + . . . . (II.52)<br />
Der Koeffizient des führenden Terms (proportional zum Eins-Operator) entspricht dabei<br />
gerade unsere störungstheoretischen Rechnung (Schleifendiagramme ohne externe Quarkoder<br />
Gluonfelder). Für große q 2 also gerade<br />
c [1] (q 2 ) = −(N C<br />
∑<br />
Q<br />
2<br />
f ) α 3π<br />
(<br />
−q 2 )<br />
+ iɛ<br />
µ 2 + O(α s ) ,<br />
Imc [1] (q 2 ) = −(N C<br />
∑<br />
Q<br />
2<br />
f ) α 3 θ[q2 ] + O(α s ) .<br />
– preliminary –<br />
(II.53)<br />
Wenn wir die Massendimensionen vergleichen, ergibt sich für den Koeffizienten c [1] (q 2 )<br />
gerade ein dimensionsloser Wert. Dagegen entsprechen die höheren Terme in der OPE<br />
Koeffizienten, die mit zunehmenden Potenzen von 1/q 2 unterdrückt sind. Die Koeffizienten<br />
lassen sich wieder störungstheoretisch berechnen, wenn man Feynman-Diagramme<br />
mit zusätzlichen externen Quark- und Gluonfeldern, die den lokalen Operatoren in der<br />
OPE entsprechen vergleicht,<br />
c [¯qq] (q 2 ) ∼ 1 aus<br />
(q 2 ) 2<br />
c [G2] (q 2 ) ∼ 1<br />
(q 2 ) 2 aus<br />
80
II.4 Operatorproduktentwicklung in e + e − → Hadronen<br />
Während die Beiträge dieser sogenannten “Quark- und Gluon-Kondensate” für hinreichend<br />
große Impulsüberträge unterdrückt sind, lassen sicher andererseits deren Werte –<br />
im Prinzip – aus Daten bei mittleren Werten von q 2 extrahieren. Gemäß unserer Überlegungen<br />
über die typischen Korrelationslängen im nicht-störungstheoretischen QCD-<br />
Vakuum erwarten wir dabei<br />
〈¯qq〉 ∼ Λ 3 QCD , 〈G 2 〉 ∼ Λ 4 QCD . (II.54)<br />
Die OPE liefert als in unserem (einfachen) Beispiel die gewünschte Trennung von kurzund<br />
langreichweitiger Dynamik (“Faktorisierung”).<br />
• Die kurzreichweitige <strong>Physik</strong> steckt dabei in den Koeffizienten (“Wilson-Koeffizienten”)<br />
C i (q 2 ) = C i (q 2 , µ) ,<br />
welche für µ ≫ Λ QCD störungstheoretisch berechenbar sind.<br />
• Die langreichweitige <strong>Physik</strong> steckt in den Erwartungswerten der (lokalen) Operatoren<br />
〈O i 〉 = 〈O i 〉(µ) ,<br />
in unserem Fall charakterisiert durch die nicht-trivialen Korrelationen zwischen<br />
Quark- und Gluonfeldern im QCD-Vakuum.<br />
Insbesondere können wir wieder das RG-Verhalten unter Änderung der RG-Skala µ<br />
bestimmen: Damit lassen sich wieder potentiell große Logarithmen ln q 2 /µ 2 in C i oder<br />
〈O i 〉 absorbieren (während die Observable σ tot natürlich nicht von µ abhängt). Wir<br />
bezeichnen die Skala µ in der OPE deswegen in diesem Zusammenhang auch als “Faktorisierungsskala”,<br />
da sie aussagt, welche Effekte bei der Faktorisierung in den Wilson-<br />
Koeffizienten oder in den Operatoren berücksichtigt sind (wie genau die Skalenabhängigkeit<br />
zu berechnen ist, werden wir noch an einem anderen Beispiel im Detail diskutieren).<br />
II.4.2.3 Das Problem mit zeitartigen Impulsüberträgen<br />
Wir hatten bisher die Dualität zwischen perturbativer Rechnung (Quarks und Gluonen<br />
in Zwischenzuständen zur Berechnung von ImΠ(q 2 )) und hadronischen Observablen<br />
(physikalische Endzustände in σ tot ) angenommen. Dabei hatten wir argumentiert, dass<br />
wegen |q 2 | ≫ Λ 2 QCD die Quarks und Gluonen asymptotisch frei sind und deshalb die<br />
QCD-Störungstheorie (mit den (1/q 2 ) n -Korrekturen aus der OPE) Sinn ergibt.<br />
Allerdings haben wir hierbei einen logischen Denkfehler eingebaut, denn für zeitartige<br />
Impulsüberträge, q 2 > 0, gibt es Möglichkeiten: (i) Produktion weniger Quarks und<br />
Gluonen mit (in der Tat) dann großen Relativimpulsen (d.h. kurzreichweitige Korrelationen);<br />
(ii) Produktion vieler Quarks und Gluonen mit dann kleinen Relativimpulsen<br />
(d.h. langreichweitigen Korrelationen). Der zweite Fall entspricht gerade der physikalischen<br />
Situation in den hadronischen Bindungszuständen (relativistisches Vielteilchenproblem)<br />
und die Störungstheorie ist in dieser Form nicht direkt anwendbar. Tatsächlich<br />
hatten wir ja gesehen, dass das R-ratio für e + e − →hadrons (lokal) nicht gut durch die<br />
– preliminary –<br />
81
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Störungstheorie beschrieben wird, da das physikalische Spektrum vielmehr hadronische<br />
Resonanzen zeigt, als Oszillationen auf einem “perturbativen Kontinuum”.<br />
Dieses Problem würde nicht auftauchen, wenn wir es mit raumartigen Impulsüberträgen<br />
q 2 ≪ 0 zu tun hätten, da in diesem Fall keine reellen hadronischen Zwischenzustände<br />
möglich sind. Die Frage ist also, ob es eine Möglichkeit gibt, den Bereich physikalischer<br />
Endzustände (Π(q 2 > 0)) mit dem störungstheoretisch zugänglichen (unphysikalischen)<br />
Bereich (Π(q 2 < 0)) in Beziehung zu setzen. Dazu fassen wir Π had (q 2 ) als analytische<br />
Funktion in der komplexen q 2 -Ebene auf, mit Polen und Schnitten gemäß der hadronischen<br />
1- und Mehrteilchenzustände entlang der reellen Achse für q 2 > 0 (genauer: für<br />
q 2 4m 2 π). An der reellen positiven Achse hat Π had (q 2 ) demnach eine Diskontinuität,<br />
die durch den entsprechenden Imaginärteil gegeben ist,<br />
Disc Π had (q 2 ) = 2i Im Π had (q 2 ) ,<br />
und somit direkt mit dem totalen hadronischen Wirkungsquerschnitt verknüpft ist.<br />
Die analytischen Eigenschaften von Π had (q 2 ) erlauben es uns, Aussagen über das Verhalten<br />
bei zeitartigen Impulsen aus theoretischer Information bei q 2 ≪ 0 zu rekonstruieren.<br />
Gemäß obiger Diskussion funktioniert das aber nicht mehr lokal (für einzelne Werte von<br />
q 2 > 0), sondern nur auf dem Niveau von integrierten Größen. Dazu betrachten wir die<br />
Contour-Integrale der Form<br />
∮<br />
I n = −4πα<br />
mit einer Contour C, die den Punkt<br />
C<br />
dq 2<br />
2πi<br />
1<br />
(q 2 + Q 2 0 )n+1 Π had(q 2 ) (II.55)<br />
q 2 = −Q 2 0 < 0 mit Q 2 0 ≫ Λ 2 QCD<br />
einschließt. Die Integration lässt sich auf 2 Arten durchführen:<br />
• Nach dem Satz von Cauchy ergibt sich einfach<br />
I n = −4πα 1 ( ) d n ∣ ∣∣q<br />
n! dq 2 Π had , (II.56)<br />
2 =−Q 2 0<br />
wobei wir nur Information über Π had in der Nähe von Q 2 0 brauchen, wo nach<br />
Voraussetzung Störungstheorie und die OPE anwendbar sind.<br />
• Andererseits können wir die Contour ins Unendliche deformieren, wobei ein Integral<br />
unterhalb und oberhalb der reellen Achse übrig bleibt, wenn wir für n ≥ 1 den<br />
Beitrag im Unendlichen vernachlässigen können. Die Differenz der beiden Integrale<br />
ergibt aber gerade die Diskontinuität des hadronischen Tensors entlang der reellen<br />
Achse, und somit<br />
– preliminary –<br />
I n = −4πα<br />
= −4α<br />
= 1 π<br />
∫ ∞<br />
0<br />
∫ ∞<br />
0<br />
∫ ∞<br />
0<br />
ds<br />
dq 2 1<br />
2πi (q 2 + Q 2 Disc Π had(q 2 )<br />
0 )n+1<br />
dq 2 1<br />
(q 2 + Q 2 Im Π had(q 2 )<br />
0 )n+1<br />
s<br />
(s + Q 2 σ tot(s) . (II.57)<br />
0 )n+1<br />
82
II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />
Dieses Integral ist aus dem gemessenen Wirkungsquerschnitt zu bestimmen.<br />
Wir erhalten somit einen Satz von Integralbeziehungen (“Dispersionsrelationen”) zwischen<br />
theoretischen Rechnungen in der OPE und hadronischen Observablen im Experiment<br />
(→ “QCD-Summenregeln” [Novikov, Shifman, Voloshin, Vainshtein, Zakharov<br />
1978]).<br />
Wir überprüfen die Summenregel wieder am einfachsten Beispiel, d.h. wenn wir in der<br />
theoretischen Rechnung nur den führenden Beitrag zu c [1] (q 2 ) in der OPE mitnehmen.<br />
Dann ergibt sich aus den Ableitungen von ln(−q 2 )<br />
∫ ∞<br />
0<br />
s<br />
ds<br />
(s + Q 2 σ(s) ≃ ! 4πα2 ∑<br />
0 )n+1 n (Q 2 0 )n<br />
– preliminary –<br />
f<br />
Q 2 f<br />
(II.58)<br />
Diese Beziehungen werden gerade für alle n erfüllt, wenn wir für σ(s) den asymptotischen<br />
Werte σ 0 (s) ∝ 1/s einsetzen. Insofern reproduzieren die Summenregeln also das<br />
asymptotische Resultat für sehr große Werte von s.<br />
Die Korrekturen zur OPE (von α s (Q 2 0 ) und Λ2 QCD /Q2 0 ) bei endlichen Werten von Q2 0<br />
tragen aber zu den verschiedenen I n unterschiedlich bei, so dass die entsprechenden<br />
Korrekturen zu σ(s) nicht direkt abzulesen sind. D.h. um σ(s) lokal zu rekonstruieren<br />
benötigt man genaue Informationen über alle I n . Da diese aber mit höherem n aufgrund<br />
der zunehmenden Potenzen des Ableitungsoperators immer sensitiver auf die höheren<br />
Terme in der OPE werden, hieße das unendliche Genauigkeit in der störungstheoretischen<br />
OPE. 3 Für hinreichend globale (d.h. über endliche Intervalle von s gemittelte Größen)<br />
sollte dagegen die OPE für hinreichend große Werte von s eine vernünftige Beschreibung<br />
liefern.<br />
II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />
Im Folgenden diskutieren wir die Effekte von QCD-Strahlungskorrekturen in der quantitativen<br />
Beschreibung von elektroschwachen Übergängen zwischen Quarks. Als Referenzprozess<br />
benutzen wir wieder einen leptonischen Referenzprozess: den Myon-Zerfall<br />
µ − → ν µ e −¯ν e . Auf Baumgraphenniveau 4 wird der Zerfall durch den Austausch eines<br />
geladenen W-Bosons zwischen zwei (elektrisch geladenen, linkshändigen) leptonischen<br />
Strömen vermittelt, so dass sich die Zerfallsamplitude durch<br />
( ) ig 2<br />
−i<br />
√<br />
2 q 2 − m 2 J α<br />
(µ) J (e)α<br />
W<br />
mit<br />
J (µ)<br />
1 − γ 5<br />
α = ū νµ γ α u µ , J (e)α = ū e γ α 1 − γ 5<br />
2<br />
2<br />
v νe<br />
(II.59)<br />
3 Insbesondere kann die OPE bei “euklidischem” q 2 ≪ 0 in endlicher Ordnung nicht das oszillierende<br />
Verhalten von σ(s) im physikalischen Bereich reproduzieren.<br />
4 Wir konzentrieren uns in diesem Kapitel auf Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung,<br />
welche den Myonzerfall nicht betreffen. Zur akkuraten Beschreibung des Zerfalls müssen aber auch<br />
elektromagnetische Korrekturen zum Myonzerfall in der QED berücksichtigt werden.<br />
83
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
beschreiben lässt, wobei g die Kopplungskonstante (in gegebener Normierung) der schwachen<br />
Eichgruppe SU(2) L sei. Da die Myon-Masse klein ist gegenüber m W , gilt auch für den<br />
Impulsübertrag q 2 ,<br />
q 2 < m 2 µ ≪ m 2 W<br />
und somit können wir obigen Ausdruck nähern als<br />
wobei wir die Fermi-Konstante<br />
−i G F<br />
)<br />
√<br />
(ūνµ γ α (1 − γ 5 ) u µ (ūe γ α (1 − γ 5 ) v νe )<br />
2<br />
G F<br />
√<br />
2<br />
≡<br />
– preliminary –<br />
g2<br />
8m 2 W<br />
(II.60)<br />
(II.61)<br />
als effektive Kopplungskonstante eingeführt haben. G F = 1.166 · 10 −5 GeV −2 quantifiziert<br />
die Stärke der schwachen Wechselwirkung bei kleinen Energieüberträgen.<br />
Wir können die Näherung für die Zerfallsamplitude als Resultat einer effektiven Wechselwirkung,<br />
vermittelt durch einen Operator<br />
O eff = G ( ) ( )<br />
F<br />
√ ¯ψe γ α (1 − γ 5 )ψ νe ¯ψνµ γ α (1 − γ 5 )ψ µ<br />
2<br />
(II.62)<br />
in einer effektiven Hamiltondichte ∆H int auffassen. Die kanonische Massendimension<br />
solch eines 4-Fermion-Operators ist 6.<br />
Der Operator entspricht gerade dem führenden Term in einer OPE für das zeitgeordnete<br />
Produkt der beiden leptonischen Ströme<br />
∫<br />
[<br />
d 4 x e iqx T<br />
J α<br />
(µ)<br />
]<br />
(x)J α (e) (0)<br />
(II.63)<br />
in der schwachen Wechselwirkung, wobei sich der Wilson-Koeffizient aus obiger Matching-<br />
Rechnung gerade durch die Fermi-Konstante ausdrücken lässt. Effektiv reduziert sich<br />
der W-Boson–Austausch somit auf eine punkt-förmige (d.h. kurz-reichweitige) Wechselwirkung.<br />
5<br />
Für Quarks 6 können wir das entsprechend verallgemeinern. Dabei können wir zunächst<br />
zwei Fälle unterscheiden:<br />
• semi-leptonische Zerfälle, z.B. b → ce¯ν e mit<br />
O = G ( ) ( )<br />
F<br />
√ ¯ψe γ α (1 − γ 5 )ψ νe ¯ψc γ α (1 − γ 5 )ψ b V cb ,<br />
2<br />
(II.64)<br />
wobei wir lediglich zu berüchsichtigen haben, dass zusätzlich das CKM-Element<br />
V cb für den b → c Übergang auftritt;<br />
5 Dies erklärt die Eigenschaften der schwachen Kernkraft.<br />
6 Genauer gesagt, für q = b, c, s, u, d mit m 2 q ≪ m 2 W – Zerfälle des Top-Quarks sind separat zu betrachten.<br />
84
II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />
• (geladene) nicht-leptonische Zerfälle, z.B. b → cūd mit<br />
O = G F<br />
√<br />
2<br />
( ¯ψd γ α (1 − γ 5 )ψ u<br />
) ( ¯ψc γ α (1 − γ 5 )ψ b<br />
)<br />
V cb V ∗ ud ,<br />
(II.65)<br />
mit entsprechenden CKM-Faktoren für beide Quark-Ströme.<br />
Im Folgende wollen wir anhand des Beispiels b → cūd im Detail die Frage klären, wie man<br />
eine Theorie mit effektiven Wechselwirkungsoperatoren höherer Dimension (dim> 4)<br />
renormiert, obwohl ja – gemäß unserer allgemeinen Diskussion – der oberflächliche Divergenzgrad<br />
der Feynman-Diagramme dann in solch einer Theorie mit steigender Ordnung<br />
in der Störungstheorie ansteigt. Verknüpft damit ist die Frage, welche relevante<br />
Skala für die laufende starke Kopplung α s (µ) zu wählen ist, wenn wir es mit mehreren,<br />
hierarchisch geordneten externen Skalen zu tun haben,<br />
m W ≫ m b > m c ≫ Λ QCD ≫ m u ∼ m d .<br />
Wir werden sehen, dass die Renormierungsgruppe es uns gerade ermöglicht, die Effekte<br />
der verschiedenen Skalen systematisch voneinander zu trennen (→ Faktorisierung in der<br />
effektiven Theorie).<br />
II.5.1 Strahlungskorrekturen zu schwachen Zerfällen<br />
Zur Beschreibung der schwachen Zerfälle von Quarks mit m q ≪ m W haben wir zunächst<br />
zwei alternative Zugänge:<br />
• Zum Einen können wir SM-Feynmandiagramme in der renormierten Störungstheorie<br />
für die SM-Eichgruppe SU(3) C × SU(2) L × U(1) Y analysieren.<br />
• Zun Anderen können wir Diagramme in der Niederenergie-Approximation basierend<br />
auf der renormierten Störungstheorie für die Eichgruppe SU(3) C × U(1) Q mit den<br />
zusätzlichen lokalen Wechselwirkungsoperatoren in ∆H int betrachten.<br />
Dabei sind zwei Situationen zu unterscheiden:<br />
(a) Effekte virtuellen Teilchen, die große Impulse tragen, |q µ | ∼ m W<br />
(b) Effekte virtueller Teilchen, die kleine Impulse tragen, |q µ | ≪ m W<br />
Die SM-Sichtweise beinhaltet offensichtlich sowohl (a) als auch (b), während die effektive<br />
Theorie nur den Fall (b) diagrammatisch reproduziert. Die Beiträge der hoch-virtuellen<br />
Quantenfluktuationen (a) sind im Rahmen des Renormierungsprogramms als Korrekturterme<br />
für die Wilson-Koeffizienten der Operatoren in der effektiven Theorie (bzw.<br />
OPE) zu berücksichtigen.<br />
(i) Im Sinne der obigen Unterscheidung “triviale” Korrekturen kommen von Schleifendiagrammen,<br />
7 bei denen der W-Boson-Propagator selbst nicht von einem Schleifenimpuls<br />
abhängt, das sind gerade die Selbstenergiediagramme und Vertexkorrekturen zu<br />
– preliminary –<br />
7 Ähnliches gilt für reelle Abstrahlung von den externen Fermionlinien<br />
85
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
den einzelnen schwachen Strömen, die bereits in der renormierten Störungstheorie für<br />
die SM-Eichgruppe durch entsprechende Z-Faktoren berüchsichtigt werden. Der Impuls,<br />
der vom W-Boson übertragen wird, ist dabei wieder allein durch die externe<br />
Kinematik bestimmt, und kann somit wieder direkt durch die effektive punktförmige<br />
Wechselwirkung ersetzt werden. Die Renormierung dieser Beiträge führt dann lediglich<br />
auf die bereits bekannte Verwendung von laufenden Kopplungen g(µ) etc. Insbesondere<br />
für semi-leptonische Zerfälle gibt es nur diese Klasse von Korrekturen, wenn wir uns<br />
auf QCD-Korrekturen beschränken, da die hadronischen und leptonischen Ströme dann<br />
nicht untereinander wechselwirken und unabhängig voneinander renormiert werden.<br />
(ii) Die nicht-trivalen Korrekturen kommen von Diagrammen wie dem Folgenden,<br />
bei denen der W-Boson–Propagator Teil der Schleife ist. Für Schleifenimpulse |q µ | ≪<br />
m W kann man den W-Boson-Propagator wieder durch −1/m 2 W nähern, und erhält das<br />
entsprechende Schleifendiagramm in der effektiven Theorie. Für große Schleifenimpulse<br />
gilt die Näherung nicht, und der entsprechende Beitrag wird zunächst nicht in der effektiven<br />
Theorie reproduziert. 8 Da dies per Konstruktion aber gerade kurzreichweitigen<br />
Quantenfluktuationen entspricht, können wir diese Effekte explizit in der Störungstheorie<br />
berechnen und die effektive Theorie entsprechend korrigieren. Das Ergebnis dieser<br />
Korrektur können wir wieder durch einen lokalen Operator beschreiben, der folgende<br />
Form hat (siehe Übung)<br />
(¯c L T a γ µ b L )( ¯d L T a γ µ u L ) α s<br />
[SM-Integral − ET-Integral]<br />
4π (II.67)<br />
– preliminary –<br />
• Aufgrund der QCD-Wechselwirkung zwischen verschiedenen Quarkströmen hat<br />
sich nun eine neue Farbstruktur ergeben (Oktett×Oktett).<br />
8 Der Unterschied ergibt sich aus der Tatsache, dass schematisch für die entsprechende Schleifenintegrale<br />
gilt, dass<br />
∫<br />
d D 1<br />
q f(q) ≠ −1 ∫ (<br />
d D q 1 + q2<br />
q 2 − m 2 W<br />
m 2 W<br />
m 2 W<br />
+ . . .<br />
)<br />
f(q) .<br />
(II.66)<br />
wobei die Funktion f(q) alle Terme außer des W-Propagators zusammenfasst. Die linke Seite (SM)<br />
generiert dabei i.A. eine nicht-analytische Abhängigkeit von m W , z.B. in der Form ln m 2 W /m 2 b. Die<br />
rechte Seite dagegen hat in beliebiger (endlicher) Ordnung der 1/m 2 W -Entwicklung nur analytische<br />
Abhängigkeiten von m W in der Form von inversen Potenzen. Andererseits haben beide Ausdrücke für<br />
das Integral die gleichen nicht-analytischen Abhängigkeiten von den IR-Parametern (externe Massen<br />
und Impulse). Die in den Matching-Koeffizienten absorbierte Differenz der beiden Ausdrücke ergibt<br />
sich somit i.A. als Funktion von ln µ 2 /m 2 W und α s(µ), mit einer Matchingskala µ, die durch ein<br />
geeignetes Regularisierungsverfahren definiert werden muss, s.u.<br />
86
II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />
• Die Quarkfelder im Korrekturterm bleiben linkshändig, da die Differenz von SM<br />
und ET, wie oben erläutert, nur von hoch-energetischen Gluonen herrührt, für<br />
die |q µ | m W ≫ m q . D.h. die Quarkmassen können hier vernächlässigt werden<br />
und somit bleibt die Chiralität der Quarks (aus der ursprünglichen linkshändigen<br />
schwachen Wechselwirkung im SM) erhalten.<br />
Somit müssen wir für den Fall von nicht-leptonischen Zerfällen wie b → cdū die Operatorbasis<br />
erweitern. Eine übliche Konvention, die historisch begründet ist, definiert die<br />
Operatoren 9<br />
O 1 = 4G F<br />
√ V cb Vud ∗ (¯c i Lγ µ b j<br />
2<br />
L ) ( ¯d j L γµ u i L) ,<br />
O 2 = 4G F<br />
√ V cb Vud ∗ (¯c i Lγ µ b i L) ( ¯d j<br />
2<br />
L γµ u j L ) ,<br />
(II.68)<br />
wobei wir die Fierz-Identitäten für die SU(3)-Farbmatrizen ausgenutzt haben (siehe<br />
Übung). Die kurzreichweitigen Korrekturterme absorbieren wir wieder in Wilson-Koeffizienten<br />
für diese Operatoren, so dass<br />
C 1 = 0 + O(α s ) , C 2 = 1 + O(α s ) . (II.69)<br />
Das Prinzip dieser “Matching”-Rechnung ist in folgendem Diagramm noch einmal illustriert:<br />
volle Theorie (SM) = IR-Region (M W → ∞) + UV-Region (m b,c → 0)<br />
I(α s ;<br />
m b<br />
M w<br />
, mc<br />
≃ +<br />
m b<br />
) ≃ 〈O〉 loop (α s ; m b<br />
↕<br />
µ , mc<br />
1-Schleifen Matrixelement des<br />
Operators O in Eff. Th.<br />
• unabhängig von M W<br />
(bis auf G F )<br />
• UV-divergent<br />
→ Regulator µ<br />
m b<br />
) + C ′ (α s ;<br />
– preliminary –<br />
µ<br />
m W<br />
) × 〈O ′ 〉 tree<br />
↕<br />
1-Schleifenkoeffizient für<br />
neuen Operator O ′ in ET<br />
• unabhängig von m b,c<br />
• IR-divergent<br />
→ Regulator µ<br />
Die Trennung der IR- und UV-Beiträge im SM-Integral kann dabei besonders einfach<br />
realisiert werden, wenn man dimensionale Regularisierung verwendet und dann – wie<br />
angegeben – den Integranden entsprechend entwickelt (m q , p q → 0 für die Matching-<br />
Koeffizienten; m W → ∞ für die Diagramme in der ET), vergleiche mit Übung. Die<br />
9 Wir werden später die Faktoren 4G F √<br />
2<br />
V cb V ∗ ud explizit in die Definition von ∆H int absorbieren.<br />
87
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Matching-Koeffizienten ergeben sich dabei aus der Differenz der Diagramme im SM und<br />
in der effektiven Theorie im Grenzfall, dass alle externen Quarkmassen und Impulse<br />
vernachlässigt (bzw. zur führenden Ordnung Taylor-entwickelt) werden. Das Feynman-<br />
Integral für die Diagramme der effektiven Theorie ist in diesem Limes aber skalenlos<br />
(da die W -Masse nur als globaler Faktor G F auftaucht) und verschwindet somit<br />
(genauer gesagt ist das Integral proportional zu 1/ɛ UV − 1/ɛ IR ). Damit müssen wir in<br />
der Tat nur den Limes m q , p q → 0 der SM-Diagramme betrachten. Damit hängen die<br />
Matching-Koeffizienten nur noch von den UV-Parametern der Theorie (hier m W ) und<br />
der Matchingskala µ ab und sind somit Funktionen von α s (µ) und ln m 2 W /µ2 (und damit<br />
einfacher zu berechnen, als die Diagramme der vollen SM-Theorie). Die Abhängigkeit<br />
von der Matchingskala kommt dann gerade daher, dass die Vernachlässigung der externen<br />
Massen und Impulse zu neuen IR-Divergenzen führt, die in D = 4 − 2ɛ Dimensionen<br />
für ɛ < 0 regularisiert werden. 10 Die UV-Divergenzen in dem SM-Diagrammen werden<br />
dagegen bereits durch die renormierte Störungstheorie der vollen Theorie berücksichtigt.<br />
Für unser konkretes Beispiel erhält man so aus der Summe der relevanten Feynman-<br />
Diagramme nach MS-Renormierung folgende Ausdrücke:<br />
C 2 (µ) = 1 + α (<br />
s(µ)<br />
4π<br />
C 1 (µ) = 0 − 3 α (<br />
s(µ)<br />
4π<br />
µ 2 − 11<br />
)<br />
+ O(α 2<br />
6<br />
s) ,<br />
µ 2 − 11<br />
)<br />
+ O(α 2<br />
6<br />
s) , (II.70)<br />
ln m2 W<br />
ln m2 W<br />
wobei sich der relative Faktor (−3) aus der Fierz-Identität für die Farbalgebra ergibt.<br />
Die Störungsreihe für die Matchingrechnung konvergiert demnach gut, wenn wir die<br />
Matchingskala von der Ordnung m W wählen, so dass keine großen Logarithmen auftreten<br />
und α s (m W ) ≪ 1.<br />
Umgekehrt erhalten die Diagramme in der ET (jetzt mit endlichen IR-Parametern ausgerechnet)<br />
zusätzliche UV-Divergenzen, da ja der genäherte W -Propagator 1/(q 2 −<br />
m 2 W ) → −1/m2 W große Werte von |qµ | nicht mehr unterdrückt und somit den oberflächlichen<br />
Divergenzgrad der Diagramme im Vergleich zum SM erhöht. 11 Somit müssen<br />
wir gemäß unserer allgemeinen Diskussion neue Z-Faktoren für die Operatoren in ∆H int<br />
einführen, die die UV-Divergenzen in den Matrixlementen 〈O i 〉 kompensieren. Da die Operatoren<br />
O 1 und O 2 unter Strahlungskorrekturen mischen, ergeben sich die Z-Faktoren<br />
dann als Matrix, so dass<br />
〈O i 〉 ren (µ) = Z ij 〈O j 〉 mit Z ij = δ ij + δZ ij . (II.71)<br />
– preliminary –<br />
Die UV-Divergenzen von 〈O i 〉 sind dabei mit den IR-Divergenzen der C i korreliert,<br />
und entsprechend müssen sich die µ-Abhängigkeiten zwischen den renormierten Wilson-<br />
Koeffizienten und den renormierten Operatoren in physikalischen Amplituden gerade<br />
10 Diese IR-Divergenzen kompensieren gerade den 1/ɛ IR Anteil der skalenlosen Integrale in der ET. Dort<br />
bleibt dann eine UV-Divergenz übrig, die wir als neuen Z-Faktor für den entsprechenden Operator<br />
in der ET interpretieren werden.<br />
11 Dies entspricht gerade dem 1/ɛ UV -Anteil der oben diskutierten skalenlosen Integrale - vgl. Übung.<br />
88
II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />
aufheben, 12 so dass<br />
〈SM〉 ≃ C 1 (µ) 〈O 1 〉(µ) + C 2 (µ) 〈O 2 〉(µ) = µ-unabhängig<br />
(II.73)<br />
II.5.1.1 Z-Faktoren und anomale Dimensionen<br />
Aus der obigen Diskussion folgt, dass wir für die Berechnung der Z-Faktoren der Operatoren<br />
O 1 und O 2 im MS-Schema lediglich die UV-divergenten Terme der entsprechenden<br />
Schleifendiagramme in der effektiven Theorie benötigen, so dass<br />
O 2 | ren. = O (0)<br />
2 + δZ 21 O (0)<br />
1 + δZ 22 O (0)<br />
2 (II.74)<br />
und entsprechend für O 1 . Aufgrund der Symmetrie des Problems gilt dabei<br />
δZ 11 = δZ 22 und δZ 12 = δZ 21 (II.75)<br />
Wir suchen die Matrix der anomalen Dimensionen gemäß<br />
d<br />
d ln µ 〈O i〉(µ) ≡ −γ ij 〈O j 〉(µ) ,<br />
(II.76)<br />
wobei γ ij wieder als Störungsreihe in α s (µ) zu entwickeln ist. In 1-Schleifen-Näherung<br />
gilt dabei (analog zu z.B. der Berechnung des führenden Term in der β-Funktion)<br />
γ ij ≃<br />
d (<br />
−δZ ij) .<br />
d ln µ<br />
(II.77)<br />
Insbesondere benötigen wir also zur Berechnung von γ ij nur das UV-Verhalten der effektiven<br />
Theorie. D.h. die γ ij sind unabhängig von den IR-Beiträgen zu den Operatormatrixelementen,<br />
die z.B. sensitiv auf nicht-perturbative Hadronisierungseffekte sind. Zum<br />
anderen ist γ ij aber auch unabhängig von der exakten Form der zugrunde liegenden<br />
Hochenergietheorie (in unserem Fall dem SM). Letzteres heisst insbesondere, dass das<br />
Verfahren der effektiven Theorie auch funktioniert, wenn wir die “volle Theorie” nicht<br />
kennen (“bottom-up”-Zugang, z.B. für neue <strong>Physik</strong> jenseits des SM). Wir gehen dann<br />
i.A. so vor, dass wir die für die Niederenergietheorie relevanten Teilchenfreiheitsgrade<br />
identifizieren (hier: leichte Quarks, Gluonen, Leptonen, Photonen) und alle Operatoren<br />
12 Eine triviale Illustration liefert folgendes Integral in einer “vollen Theorie” mit hierarchischen Skalen<br />
p 2 ≪ M 2 ∫ M<br />
2<br />
– preliminary –<br />
dk 2<br />
k<br />
p 2<br />
2<br />
} {{ }<br />
=<br />
∫ M<br />
2<br />
dk 2<br />
k<br />
µ 2<br />
2<br />
} {{ }<br />
ln M 2<br />
= ln M 2<br />
p 2<br />
+<br />
∫ µ<br />
2<br />
dk 2<br />
k<br />
p 2 2<br />
} {{ }<br />
+ ln µ2<br />
µ 2 p 2<br />
“großer Log” Beitrag zu C(µ) Beitrag zu 〈O〉(µ)<br />
Matching + IR-Regulator ET + UV-Regulator (II.72)<br />
89
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
zu einer gegebenen Massendimension (hier: 6), die aufgrund von empirischen oder postulierten<br />
Symmetrien erlaubt sind (hier z.B. Linkshändigkeit der Ströme) aufschreiben.<br />
Wir erhalten dann einen effektiven Wechselwirkungs-Hamiltonian der Form<br />
H eff = ∑ i<br />
∑<br />
– preliminary –<br />
n<br />
C (n)<br />
i (µ) 1<br />
Λ n O(n) i . (II.78)<br />
Die dimensionsbehaftete Skala Λ (hier: Λ 2 ∼ G −1<br />
F<br />
∼ m2 W ) bestimmt hierbei den Gültigkeitsbereich<br />
der effektiven Theorie. Letzteres kann man einsehen, wenn wir Diagramme mit<br />
mehrerern Einsetzungen der Operatoren O i betrachten:<br />
• Die Koeffizienten liefern jeweils einen Faktor 1/Λ n1 · 1/Λ n2 · · ·<br />
• Die Matrixelemente können aber nur mit den Massen und Impulsen der leichten<br />
Freiheitsgrade skalieren.<br />
• D.h. so lange m i , p i ≪ Λ können wir Terme mit höheren Potenzen von 1/Λ vernachlässigen<br />
und brauchen nur eine endliche Anzahl von Z-Faktoren für eine endliche<br />
Anzahl von Operatoren zu einer gegebenen Massendimension.<br />
In diesem Sinne sind effektive Theorien mit höher-dimensionalen Operatoren weiterhin<br />
renormierbar (obwohl der oberflächliche Divergenzgrad der Diagramme ansteigt, aber<br />
eben nur für solche Diagramme, die in der Niederenergietheorie unterdrückt sind).<br />
II.5.1.2 Lösung der RG-Gleichung für die Wilson-Koeffizienten<br />
Wegen<br />
folgt mit unserer Konvention<br />
d ∑<br />
C i (µ) 〈O i 〉(µ) = ! 0<br />
d ln µ<br />
i<br />
(II.79)<br />
d<br />
d ln µ C j(µ) = C i (µ) γ ij (α s (µ)) oder ⃗ C(µ) = ˆγ T (α s (µ)) ⃗ C(µ) . (II.80)<br />
Für gegebene Matrix ˆγ kann man das RG-Verhalten der Wilson-Koeffizienten dann<br />
wieder durch Lösen der DGL bestimmen. Mit der üblichen Variablensubstitution schreiben<br />
wir<br />
d<br />
⃗ ˆγ T (α s )<br />
C = C<br />
dα s 2β(α s ) ⃗ .<br />
(II.81)<br />
Um die Gleichung formal zu lösen, müssen wir beachten, dass bei der Störungsentwicklung<br />
von Matrizen<br />
ˆγ = ˆγ 0<br />
α s<br />
4π + ˆγ 1<br />
( ) 2 αs<br />
+ . . . (II.82)<br />
4π<br />
90
II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />
die Koeffizientenmatrizen i.A. nicht kommutieren. Gleiches gilt somit auch für Matrizen<br />
bei unterschiedlichem Argument α s ,<br />
[ˆγ(α 1 ), ˆγ(α 2 )] ≠ 0 .<br />
(II.83)<br />
Formal lässt sich das analog zum Problem des Zeitentwicklungsoperators lösen, wobei<br />
jetzt α s die Rolle der Zeit in der Operator- bzw. Matrizen-DGL übernimmt. Wenn wir<br />
also einen Ordnungsoperator bzgl. α s definieren, gemäß,<br />
{<br />
T αs ˆf(α1 ) · ˆf(α<br />
ˆf(α1 ) ·<br />
k ) =<br />
ˆf(α k ) für α 1 > . . . > α k<br />
(II.84)<br />
ansonsten entsprechend permutiert<br />
Ergibt sich<br />
⃗C(µ) = T αs<br />
[ ∫ αs(µ)<br />
exp dα ′ ˆγ T (α ′ ]<br />
s)<br />
s<br />
⃗C(µ<br />
α s(µ 0 ) 2β(α s) ′ 0 )<br />
(II.85)<br />
In der Praxis lösen wir die DGL iterativ (siehe Übung). Zur führenden Ordnung stellt sich<br />
das Problem der Matrixordnung nicht, und wir erhalten das Ergebnis für die Leading-<br />
Log-Approximation in der üblichen Form (für z.B. µ = m b und µ 0 = m W )<br />
( αs (m b )<br />
⃗C(m b ) ≃<br />
α s (m W )<br />
) −ˆγT 0<br />
2β 0 ⃗C(mW ) , (II.86)<br />
wobei das Exponential einer Matrix wie üblich in deren Eigenbasis definiert ist.<br />
Was haben wir gewonnen?<br />
• Die Koeffizieten C i (m W ) lassen sich als Störungsreihe in α s (m W ) aus der Matching-<br />
Rechnung bestimmen.<br />
• Die mit obiger Formel berechneten Koeffizienten C i (m b ) berücksichtigen die aufsummierte<br />
Reihe der führenden Logarithmen ln m b /m W .<br />
• An der neuen Skala µ ∼ m b hängen die Operatormatrixelemente nur noch von der<br />
Dynamik bei Skalen unterhalb von m b ab.<br />
Somit enthält das so bestimmte Ergebnis die dominanten nicht-analytischen Effekte in<br />
der W-Boson-Masse.<br />
In unserem Beispiel mit O 1 und O 2 für b → cdū ergibt sich (vgl. mit µ-Abhängigkeit von<br />
C i aus Matching-Rechnung)<br />
ˆγ ≃ α ( )<br />
s −2 6<br />
(II.87)<br />
4π 6 −2<br />
– preliminary –<br />
Als Eigenwerte/-vektoren ergibt sich einfach<br />
C ± = 1 √<br />
2<br />
(C 1 ± C 2 ) , γ ± = +4, −8 , (II.88)<br />
91
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
so dass<br />
Numerisch ergibt sich<br />
( ) αs (m b ) −4<br />
C + (m b ) ≃<br />
2β 0 C + (m W ) ,<br />
α s (m W )<br />
( ) αs (m b ) 8<br />
C − (m b ) ≃<br />
2β 0 C + (m W ) . (II.89)<br />
α s (m W )<br />
C 2 (m b ) ≃ 1.026 (LL)<br />
C 1 (m b ) ≃ −0.514 (LL)<br />
≃ −0.303 (NLL) .<br />
– preliminary –<br />
(II.90)<br />
Insbesondere sehen wir, dass die Strahlungskorrekturen und die Resummation essentiell<br />
für die genaue Bestimmung des Wilson-Koeffizienten C 1 (m b ) sind (naiv war ja C 1 Null).<br />
II.5.1.3 Zur Notation L(eading)L(og) vs. N(ext-to)L(eading)L(og):<br />
Die störungstheoretische Konstruktion der Wilson-Koeffizienten beinhaltet zwei Faktoren,<br />
den Wilson-Koeffizienten aus der Matching-Rechnung C(m W ) und den RG-Faktor<br />
U(m b , m W ) aus der Lösung der DGL,<br />
mit der allgemeinen Form<br />
C(m b ) = U(m b , m W ) C(m W ) ,<br />
U(m b , m W ) = 1 + ∑ a n αs n (m W ) ln n + ∑ b n αs n+1 (m W ) ln n m b<br />
+ . . .<br />
m<br />
n=1<br />
W m<br />
n=0<br />
W<br />
und<br />
m b<br />
C(m W ) = c 0 + c 1 α s (m W ) + c 2 α s (m W ) 2 + . . .<br />
Die LL-Approximation summiert alle Terme der Form αs n ln n auf, d.h.<br />
(<br />
c 0 1 + ∑ a n αs n (m W ) ln n m )<br />
b<br />
m<br />
n=1<br />
W<br />
(II.91)<br />
(II.92)<br />
(II.93)<br />
Die NLL-Approximation summiert (zusätzlich) alle Terme der Form α n+1 ln n auf, d.h.<br />
und<br />
∑<br />
c 0 b n αs n+1 (m W ) ln n m b<br />
n=0<br />
m W<br />
(<br />
c 1 α s 1 + ∑ a n αs n (m W ) ln n m )<br />
b<br />
.<br />
m<br />
n=1<br />
W<br />
D.h. die endlichen Terme αs 11<br />
4π 6 in der Matching-Rechnung für die C i(m W ) zählen erst<br />
zur NLL-Approximation mit.<br />
s<br />
92
II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />
II.5.2 Anwendung auf hadronischen Zerfall ¯B0 → D + π −<br />
Der Quark-Übergang b → cdū induziert entsprechende hadronische Zerfälle. Als Beispiel<br />
betrachten wir hier den nicht-leptonischen 2-Körper-Zerfall eines B-Mesons im Kanal<br />
¯B 0 → D + π − . Wir veranschaulichen den Zerfall durch Illustration der sog. “Flavour-<br />
Topologien”, welchen den Fluss der entsprechenden Flavour-Quantenzahlen angeben<br />
(dies sind zunächst keine Feynman-Diagramme im Sinne der QFT).<br />
Der hadronische Zerfall wird dann durch die Amplitude<br />
〈D + π − |H eff | ¯B 0 〉 ∼ ∑<br />
i=1,2<br />
C i (m b ) 〈D + π − |O i | ¯B 0 〉 µ=mb<br />
(II.94)<br />
} {{ }<br />
beschrieben, wobei die hadronischen Übergangsmatrixelement der effektiven Operatoren<br />
noch beliebige Quark- und Gluonfluktuationen mit Virtualitäten m 2 b (bzw. auf Abständen<br />
1/m b ) beinhalten.<br />
Ein Teil dieser Fluktuationen “faktorisiert” in dem Sinne, dass Gluonen jeweils nur<br />
zwischen den Konstituenten im Pion oder zwischen den Konstituenten im ¯B 0 → D + –<br />
Übergang ausgetauscht werden, aber nicht überkreuz.<br />
– preliminary –<br />
93
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Beschränken wir uns auf solche Beiträge können wir die benötigten Operatormatrixelemente<br />
vereinfachen (→ “naive Faktorisierung”), z.B. für O 2 (vgl. Übung)<br />
〈D + π − |(¯c L γ µ b L )( ¯d L γ µ u L )| ¯B 0 〉 ≃ 〈D + |(¯c L γ µ b L )| ¯B 0 〉<br />
} {{ }<br />
× 〈π − |( ¯d L γ µ u L )|0〉<br />
} {{ }<br />
hadr. Übergangsformfaktor × Zerfallskonstante<br />
– preliminary –<br />
(II.95)<br />
Hierbei sind die beiden Faktoren, in die sich das Matrixelement zerlegen lässt, universell:<br />
Der Übergangsformfaktor F B→D (q 2 ) bestimmt auch den semi-leptonischen Zerfall B →<br />
Dlν. Die Pion-Zerfallskonstante f π hatten wir bereits in den Zerfällen π + → µ + ν µ und<br />
π 0 → γγ als relevanten hadronischen Parameter identifiziert.<br />
Zusätzlich gibt es aber auch nicht-faktorisierende Beiträge, die von Gluonaustausch zwischen<br />
den Konstituenten im Pion und im B → D–Übergang herrühren.<br />
(i) Ein Beispiel ist in folgendem Diagramm illustriert<br />
. . . etc.<br />
Hierbei fungiert das ¯d-Antiquark als “Spektator” und nimmt nicht an der (explizit<br />
betrachteten) Wechselwirkung teil. Diese Beiträge beinhalten also gerade<br />
den Niederenergie-Anteil jener Feynman-Diagramme, deren Hochenergie-Anteil in<br />
den Wilson-Koeffizienten absorbiert wurde. Entsprechend erwarten wir, dass die<br />
µ-Abhängigkeit der Wilson-Koeffizienten von der µ-Abhängigkeit der nicht-faktorisierend<br />
en Beiträge zu 〈Dπ|O i |B〉 kompensiert wird (während in naiver Faktorisierung<br />
die hadronischen Größen F B→D und f π ja skalen-unabhängige Observable<br />
sind).<br />
(ii) Eine zweite Klasse von Diagrammen betrachtet Korrelationen durch Gluonaustausch<br />
zwischen dem Spektator-Quark im B → D–Übergang und den Konstituenten<br />
im Pion.<br />
• In beiden Fällen sind implizit zusätzlich lang-reichweitige Wechselwirkungen angenommen,<br />
die nicht durch perturbativen Gluon-Austausch approximiert werden<br />
können und u.a. für die hadronische Bindung verantwortlich sind.<br />
94
II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />
Es stellt sich die Frage, was wir qualitativ oder quantitativ über die Größe der nichtfaktorisierenden<br />
Beiträge aussagen können. Dazu stellen wir fest, dass für die in dem<br />
betrachteten Zerfall beteiligten Massen,<br />
m B ≈ 5.3 GeV , m D ≈ 1.9 GeV , m π ≈ 0 ,<br />
die Energie des Pions (im Ruhesystem des zerfallenden B-Mesons) deutlich größer als<br />
die QCD-Skala ist,<br />
E π ≃ m2 B − m2 D<br />
≫ Λ QCD . (II.96)<br />
2m B<br />
<strong>Physik</strong>alisch heisst das, dass Gluonen, die vom b → c–Übergang abgestrahlt werden,<br />
die Konstituenten des Pions effektiv als kleinen Farbdipol sehen, mit ∆x ∼ 1/E π .<br />
Das entspricht Gluonen mit entsprechend kurzen Wellenlängen, deren Wechselwirkung<br />
somit durch α s (E π ) störungstheoretisch beschreibbar sein sollte (mit diesen Überlegungen<br />
macht unsere diagrammatische Illustration oben dann auch Sinn).<br />
Wir können dann die Propagatoren in dem partonischen Sub-Diagramm explizit ausrechnen,<br />
wenn wir die Impulse der beteiligten Quarks entsprechend der kinematischen<br />
Überlegungen approximieren. Dazu schreiben wir<br />
p µ B ≡ m B v µ mit v 2 = 1 ,<br />
p µ D ≡ m D v ′µ mit v ′2 = 1 ,<br />
E π ≃ |⃗p π | mit p 2 π = m 2 π ≃ 0 , (II.97)<br />
und berücksichtigen, dass die Schwerpunktsbewegung eines schweren B- oder D-Mesons<br />
in erster Näherung durch das beteiligte schwere Quark gegeben ist und sich die Konstituenten<br />
in einem geboosteten Pion weitgehend parallel zum Pion bewegen und sich<br />
den Impuls entsprechend aufteilen. Somit<br />
p µ b ≃ m b v µ , p µ c ≃ m c v ′µ ,<br />
p µ d ≃ x pµ π , p µ ū ≃ (1 − x) p µ π mit 0 ≤ x ≤ 1 . (II.98)<br />
Bezeichnet man in obigem Diagramm den Gluon-Impuls mit l µ , so lauten die beiden<br />
beteiligten Propagatornenner<br />
((1 − x)p π + l) 2 und (m c v ′ + l) 2 .<br />
– preliminary –<br />
• Die zur Klasse (i) von nicht-faktorisierenden Diagrammen gehörenden Schleifenintegrale<br />
sind somit allgemein Funktionen der kinematischen Variablen<br />
m 2 c, m 2 b, v · p π , v ′ · p π ≫ Λ QCD<br />
und somit in der Tat durch Skalen der Größenordnung E π dominiert.<br />
95
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
• Als neues Feature erhalten wir jetzt aber auch eine Abhängigkeit vom angenommenen<br />
Impulsbruchteil x der Quark-Konstituenten im Pion. D.h. zusätzlich zu unserem<br />
perturbativen Resultat bei gegebenem x benötigen wir die entsprechende<br />
Wahrscheinlichkeitsamplitude φ π (x) einen Quark-Antiquark–Zustand mit Impulsaufteilung<br />
x im Pion zu finden. Die Funktion φ π (x) wird offensichtlich durch<br />
nicht-perturbative <strong>Physik</strong> bestimmt, die die hadronische Bindung der Quarks im<br />
Pion beschreibt. Als solches repräsentiert φ π (x) aber wieder eine universelle Eigenschaft<br />
des Pions (in gleichem Sinne wie f π ), die auch in anderen Prozessen mit<br />
schnellen Pionen relevant ist.<br />
Somit lässt sich die naive Faktorisierungsformel verbessern 13<br />
〈D + π − |O i | ¯B 0 〉 ≃ F B→D (q 2 = m 2 π)<br />
mit<br />
∫ 1<br />
0<br />
– preliminary –<br />
∫ 1<br />
0<br />
dx φ π (x; µ) ≡ 1 .<br />
dx t i (x, m c , m b ; µ)<br />
} {{ } · f π φ π (x; µ)<br />
} {{ }<br />
(II.99)<br />
• Hierbei bezeichnet t i den kurzreichweitigen Anteil, der sich aus der perturbativen<br />
Amplitude des partonischen Diagramms mit dem entsprechenden Operator O 1,2<br />
ergibt. Wir können dies als Verallgemeinerung von Wilson-Koeffizienten auffassen,<br />
wobei wir es jetzt mit perturbativen Koeffizientenfunktionen t i (x) zu tun haben.<br />
• Entsprechend lässt sich φ π (x) als Matrixelemente eines kontinuierlichen Satzes von<br />
Niederenergie-Operatoren (bei gegebenem x) interpretieren. Anstelle der Summe<br />
über diskrete Operatoren mit Koeffizienten erhält man dann wie angegeben ein<br />
(Konvolutions-)Integral über x. Die Operatoren haben i.A. wieder anomale Dimensionen,<br />
die die µ-Abhängigkeit der Funktion φ π (x; µ) bestimmen.<br />
• Auf tree-level, sind die Koeffizientenfunktionen t i unabhängig von x, und mit der<br />
angegebenen Normierungsvorschrift für φ π (x) reproduziert man die naive Faktorisierungsformel.<br />
• Zusammen mit den Wilson-Koeffizienten C 1,2 (µ) aus H eff erhält man dann ein Resultat<br />
für die physikalische hadronische Amplitude, was (in der gegebenen Ordnung<br />
Störungstheorie) nicht mehr von µ abhängt.<br />
Auf diese Weise haben wir die relevanten physikalischen Skalen voneinander getrennt:<br />
• Die Effekte von der kurzreichweitigen Dynamik mit der relevanten elektroschwachen<br />
Skala m W sind in den Wilson-Koeffizienten C i .<br />
• Die Effekte von intermediären Skalen E π ∼ m b ∼ m c sind in den Koeffizientenfunktionen<br />
t i .<br />
13 gemäß [Beneke/Buchalla/Neubert/Sachrajda 1999/2000]<br />
96
II.5 Elektroschwache Übergänge zwischen Quarks<br />
• Die langreichweitigen hadronischen Effekte sind in den (universellen) Formfaktoren,<br />
Zerfallskonstanten und Distributionsamplituden φ π (x) parametrisiert.<br />
• Die Trennung der dynamischen Skalen wird durch die RG-Gleichungen für die<br />
einzelnen Faktoren störungstheoretisch kontrolliert.<br />
Obige Faktorisierungsformel (für (exklusive) hadronische Zerfallskanäle) erhält aber noch<br />
weitere Korrekturen von den oben erwähnten Diagrammen der Klasse (ii), bei denen das<br />
Spektatorquark involviert ist, sowie einer weiteren Flavour-Topologie (“Annihilation”),<br />
Da in diesen Fällen (mindestens) alle 6 Konstituenten beteiligt sind (im Gegensatz zu den<br />
4 Konstituenten im Fall (i)), sind die Beiträge dieser Diagramme tatsächlich mit 1/E π<br />
unterdrückt. Die quantitative theoretische Abschätzung dieser Beiträge (sog. “power<br />
corrections”) ist aber extrem schwierig. Aus der detaillierten Analyse der experimentellen<br />
Messungen für verschiedene B → Dπ Zerfälle ergibt sich, dass die power corrections in<br />
exklusiven B-Zerfällen typischerweise von der Größenordnung 30-35% sein können.<br />
II.5.3 “Pinguin”-Operatoren<br />
Der bisher betrachtete Flavour-Übergang b → cdū war speziell, in der Hinsicht, dass alle<br />
beteiligten Quarkflavours unterschiedlich gewählt waren. Komplexere Situationen sind<br />
möglich, wenn ein q¯q-Paar mit gleichem Flavour beteiligt ist. Als Beispiele betrachten<br />
wir im Folgenden<br />
b → suū und b → sc¯c .<br />
(Analog kann man b → dq¯q diskutieren.) Aus den schwachen SM-Strömen erhalten wir<br />
wieder effektive Operatoren mit der Struktur<br />
4G<br />
√ F<br />
V ub Vus ∗ (ū L γ µ b L )(¯s L γ µ u L ) −→ λ u O (u)<br />
2<br />
– preliminary –<br />
2 ,<br />
4G<br />
√ F<br />
V cb Vcs ∗ (¯c L γ µ b L )(¯s L γ µ c L ) −→ λ c O (c)<br />
2 , (II.100)<br />
2<br />
wobei wir die Abkürzung λ x = V xb Vxs ∗ eingeführt haben. QCD-Korrekturen erzeugen<br />
auch wieder entsprechende Operatoren O (u,c)<br />
1 mit entgegengesetzter Farbstruktur.<br />
Da die starke Wechselwirkung aber nicht zwischen<br />
¯qq = ūu, ¯dd, ¯ss, ¯cs, ¯bb<br />
97
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
oder zwischen<br />
¯qT A q = ūT A u, ¯dT A d, ¯sT A s, ¯cT A s, ¯bT A b und G A µν<br />
unterscheiden kann, müssen wir alle Operatoren mit den gleichen Quantenzahlen wie b →<br />
sq¯q und b → sg simultan betrachten. Unter Berücksichtigung von QCD-Wechselwirkungen<br />
können solche Prozesse aber nicht nur durch W -Bosonaustausch zwischen elementaren<br />
schwachen Strömen wie in O (u,c)<br />
2 induziert werden, sondern auch durch sog. “Pinguin-<br />
Diagramme”<br />
wobei virtuelle u, c, t-Quarks in einer Schleife mit dem W-Boson laufen und ein virtuelles<br />
Gluon abstrahlen, welches demokratisch in q¯q zerfallen kann. Die Matching-Rechnung für<br />
den entsprechenden effektiven Hamiltonian liefert dann 2 Klassen von neuen Operatoren:<br />
“strong penguins” O 3−6<br />
“chromomagnetic penguin” O g 8<br />
Die Operatorstruktur der Pinguin-Operatoren kann folgendermaßen gewählt werden:<br />
O 3,5 ∝ (¯s L γ µ b L )<br />
– preliminary –<br />
O 4,6 ∝ (¯s i Lγ µ b j L )<br />
∑<br />
q=u,d,s,c,b<br />
∑<br />
q=u,d,s,c,b<br />
(¯qγ µ 1 ∓ γ 5<br />
q) ,<br />
2<br />
(¯q j γ µ 1 ∓ γ 5<br />
q i ) ,<br />
2<br />
(II.101)<br />
wobei die entsprechenden Wilson-Koeffizienten C 3,5 gegenüber C 1,2 mit α s (und einem<br />
typischen Schleifenfaktor von 1/(4π) 2 ) unterdrückt sind, und C 4,6 wieder erst durch<br />
zusätzlichen gluonischen Farbaustausch entstehen.<br />
98
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
Die Form des chromomagnetischen Operators ist durch Eich- und Lorentz-Invarianz<br />
festgelegt,<br />
O g 8 ∝ g sm b<br />
4π 2 (¯s Lσ µν T A b R ) G A µν . (II.102)<br />
Hierbei fällt auf, dass aufgrund der notwendigen Lorentz-Struktur ein rechtsändiges b-<br />
Quark-Feld auftaucht, weswegen ein zusätzlicher Faktor m b berücksichtigt werden muss,<br />
welcher den Chiralitäts-Flip des b-Quarks reflektiert (ein entsprechender Operator mit<br />
rechtshändigen s-Quark ist dann mit m s /m b ≪ 1 unterdrückt und wird üblicherweise<br />
vernachlässigt). Zusammen mit der Massendimension der 2 Fermionfelder und dem gluonischen<br />
Feldstärketensor ergibt sich dann wieder ein effektiver dim-6 Operator, mit der<br />
gleichen Dimension wie die 4-Quark-Operatoren.<br />
Der CKM-Faktor für die Pinguin-Operatoren ergibt sich aus folgender Überlegung. Das<br />
Schleifenintegral mit q = u, c, t-Quarks in den Pinguin-Diagrammen ist eine Funktion<br />
I(x q = m q /m W ). Die Summe über die 3 Beiträge ergibt mit m u,c ≡ 0 in der Matching-<br />
Rechnung,<br />
∑<br />
V qb Vqs ∗ I(x q ) = λ t I(x t ) + (λ u + λ c ) I(0) = λ t (I(x t ) − I(0)) , (II.103)<br />
q=u,c,t<br />
wobei wir λ u + λ c + λ t = 0 aus der <strong>Uni</strong>tarität der CKM-Matrix benutzt haben.<br />
• Der gesuchte CKM-Faktor ist also λ t .<br />
• Die Wilson-Koeffizienten, die durch die Integrale I(x t ) − I(0) definiert werden,<br />
sind direkt sensitiv auf die Top-Quark–Masse (oder, im Falle von neuer <strong>Physik</strong><br />
im elektroschwachen Sektor, auf Massen von hypothetischen neuen Teilchen). Insbesondere,<br />
konnte man durch das Studium von solchen Top-Quark-induzierten<br />
hadronischen Übergängen bereits Abschätzungen von m t vor dessen direkter Entdeckung<br />
am Tevatron gewinnen.<br />
Zusammengefasst ergibt sich dann für den relevanten effektiven Hamiltonian als Summe<br />
über alle beitragenden Operatoren mit dim-6 der Ausdruck<br />
H eff (b → sq¯q, b → sg) = 4G 2∑ (<br />
F<br />
√ C i (µ) λ u O (u)<br />
2<br />
i + λ c O (c) )<br />
i<br />
i=1<br />
− 4G ( 6∑<br />
)<br />
F<br />
√ λ t C i (µ, x t ) O i + C 8 (µ, x t ) O g 8 . (II.104)<br />
2<br />
i=3<br />
Unter Renormierung können die Operatoren wieder mischen, und die Lösung der RG-<br />
Gleichung beinhaltet eine entsprechend große Matrix von anomalen Dimensionen.<br />
– preliminary –<br />
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
Als weiteres wichtiges Anwendungsgebiet der störungstheoretischen Behandlung von<br />
kurzreichweitiger QCD-Dynamik in Hochenergieprozessen betrachten wir die sog. tief-<br />
99
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
inelastische Streuung von hochenergetischen Elektronen an Protonen, wobei ein beliebiger<br />
(d.h. “inklusiver”) hadronischer Endzustand |X〉 ̸= |p〉 erzeugt wird. Wir beschränken<br />
uns zunächst auf Streuung durch Austausch eines virtuellen Photons (der<br />
Zugang ist direkt verallgemeinerbar auf den Austausch elektroschwacher Eichbosonen,<br />
der bei Energien m W,Z relevant wird).<br />
Für die Beschreibung der Kinematik ist folgende Notation üblich:<br />
Elektron: k µ bzw. k ′µ , mit k 2 = k ′2 ≃ 0 ,<br />
Photon: q µ = k µ − k ′µ , mit Q 2 = −q 2 > 0 ,<br />
Proton: p µ , mit p 2 = m 2 ≪ Q 2 . (II.105)<br />
Weiterhin definieren wir die Abkürzungen<br />
ν ≡ p · q → m (E − E ′ ) ,<br />
Q2<br />
(Energieübertrag im Ruhesystem des Protons)<br />
x ≡<br />
2 p · q , “Bjorken-Variable”<br />
y ≡ p · q<br />
p · k → 1 − E′<br />
E .<br />
Bjorken limit: Q 2 , p · q → ∞ ,<br />
Mit dieser Notation können wir allgemein die Streuamplitude angeben:<br />
iM(ep → eX) = −ie ū(k ′ )γ α u(k) · −i<br />
q 2 ie 〈X|j α|p〉<br />
mit dem hadronischen Anteil des elektromagnetischen Stroms,<br />
j α = ∑ q<br />
e q ¯qγ α q .<br />
x = const.<br />
(II.106)<br />
(II.107)<br />
(II.108)<br />
– preliminary –<br />
Daraus erhalten wir wie üblich den differentiellen Wirkungsquerschnitt (Amplitudenquadrat<br />
gemittelt über die Spineinstellungen, Flussfaktor, Phasenraum)<br />
dσ = 1 4s e2 tr<br />
(k/ ′ γ α k/γ β) 4πe 2<br />
Q 4 W αβ(p, q) ˜dk ′ (II.109)<br />
100
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
wobei wir die hadronischen Anteile in den sog. “hadronischen Tensor”<br />
W αβ ≡ 1<br />
4π<br />
∑ ∫ (2π) 4 δ (4) (p + q − p X ) 〈p|j † β |X〉〈X|j α|p〉<br />
(II.110)<br />
definiert haben, welcher die Phasenraumintegration für die (beliebigen) Endzustände |X〉<br />
enthält, und bei dem im hadronischen Matrixelement implizit über die Spineinstellungen<br />
des Protons zu mitteln ist. Den Flussfaktor s = (p + k) 2 = Q 2 /xy und die Spur für den<br />
leptonischen Tensor,<br />
(<br />
L αβ = e 2 tr k/ ′ γ α k/γ β) ( = 4e 2 k α k ′β + k β k ′α − k · k ′ g αβ) , (II.111)<br />
können wir explizit ausrechnen. Die Form des hadronischen Tensors, welcher die zunächst<br />
unbekannte Information über die Hadronisierung der “Bruchteile” des Protons zum<br />
Endzustand enthält, kónnen wir analog zu z.B. den elektromagnetischen Formfaktoren<br />
wieder durch Symmetriebetrachtungen einschränken (Lorentz-Invarianz, Symmetrie bzg.<br />
α ↔ β, Stromerhaltung q α W αβ = 0, Paritätserhaltung in der QED). Daraus ergibt sich<br />
folgende Zerlegung, 14<br />
[<br />
W αβ (p, q) = −g αβ + q ]<br />
αq β<br />
q 2 F 1 (x, Q 2 )<br />
[<br />
+ p α − p · q ] [<br />
p β − p · q<br />
q 2<br />
q α<br />
q 2<br />
– preliminary –<br />
q β<br />
]<br />
1<br />
p · q F 2(x, Q 2 ) .<br />
(II.112)<br />
Sämtliche hadronische Information steckt somit in 2 unabhängigen<br />
“Proton-Strukturfunktionen” F 1,2 (x, Q 2 ) ,<br />
die wir als Verallgemeinerung des Konzepts von Formfaktoren auffassen können, wobei<br />
allerdings jetzt<br />
• F 1,2 von zwei kinematischen Variablen, x, Q 2 , abhängen.<br />
• Die Strukturfunktionen nun den Streuquerschnitt (Wahrscheinlichkeit) parametrisieren,<br />
und nicht die Streuamplitude (Wahrscheinlichkeitsamplitude) wie im Falle der<br />
Formfaktoren.<br />
Mit diesen Konventionen lässt sich das allgemeine Resultat für den differentiellen Streuquerschnitt<br />
als Funktion von x, Q 2 relativ einfach notieren,<br />
[<br />
dσ<br />
(<br />
dx dQ 2 = 4πα2<br />
Q 4 1 + (1 − y) 2) F 1 + 1 − y<br />
]<br />
x (F 2 − xF 1 ) , (II.113)<br />
wobei der letzte Term in eckigen Klammern gerade dem longitudinalen Anteil des Photon-<br />
Propagators entspricht (siehe Übung). Aus der experimentellen Messung von dσ (z.B.<br />
am SLAC (Stanford) oder bei HERA@DESY (Hamburg)) lassen sich somit die Strukturfunktionen<br />
als Observable ausmessen.<br />
14 Im Falle der schwachen WW ergibt sich eine weitere Struktur, siehe Übung.<br />
101
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
II.6.1 Partonbild<br />
Für die theoretische Interpretation können wir die Tatsache benutzen, dass das Elektron<br />
für große Streuenergien ein Lorentz-kontrahiertes Proton “sieht” und somit quasi<br />
einen “Schnappschuss” der Quarkverteilung im Proton. Während der kurzen Wechselwirkungszeit<br />
des Elektrons mit dem Proton erwarten wir deshalb, dass wir den Streuprozess<br />
durch elementare Photon-Wechselwirkungen mit einem der asymptotisch quasifreien<br />
Quarks (allg. → “Partonen”) approximieren können, wobei die Wahrscheinlichkeit,<br />
ein Quark mit einem bestimmten Impuls(bruchteil) im Proton zu finden, zunächst unbekannt<br />
ist. Wir schreiben deshalb in erster Näherung<br />
W αβ (p, q) ≃ ∑ q<br />
∫ 1<br />
– preliminary –<br />
0<br />
dξ f q (ξ) 1 ξ W part.<br />
αβ<br />
(ξp, q) , (II.114)<br />
wobei f q (ξ) dξ die Wahrscheinlichkeit bezeichnet, ein Quark mit (longitudinalem) Impulsbruchteil<br />
ξ im Proton zu finden, mit 0 ≤ ξ ≤ 1. Der Faktor 1/ξ berücksichtigt den<br />
Unterschied des Flussfaktors für ep und eq-Streuung, wegen ŝ = (ξp + k) 2 ≃ ξ s. Den<br />
verbleibenden partonischen Tensor für eq-Streuung können wir versuchen, perturbativ<br />
zu berechnen. Das führende Diagramm für Elektron-Quark-Streuung (mit einlaufendem<br />
Quarkimpuls ξp und auslaufendem Impuls p ′ = ξp + q, sowie dem Ladungsanteil e q )<br />
ergibt dann<br />
W part<br />
αβ<br />
= 1 ∫<br />
4π<br />
˜dp ′ (2π) 4 δ (4) (ξp + q − p ′ ) e 2 1 ∑ [<br />
] [ū(ξp)γ<br />
q ū(p ′ )γ β u(ξp)<br />
α u(p ′ ) ]<br />
2N c<br />
(II.115)<br />
Betrachten wir die On-shell–Bedingung δ(p ′2 ) in ˜dp ′ für das auslaufende Quark, ergibt<br />
sich insbesondere, dass<br />
δ(p 2 ) = δ((ξp + q) 2 ) = δ(2ξ p · q − Q 2 ) = 1 δ(ξ − x) , (II.116)<br />
2 p · q<br />
d.h. in führender Ordnung der Störungstheorie entspricht der Impulsanteil ξ des Quarks<br />
im (theoretischen) Partonbild gerade der (experimentellen) kinematischen Variablen x !<br />
Die restlichen Faktoren lassen sich explizit zusammen fassen, und wir erhalten als Näherung<br />
für den differentiellen Wirkungsquerschnitt<br />
dσ<br />
dx dQ 2 ≃ 4πα2 ∑<br />
Q 4 e 2 q f q (ξ = x) 1 2<br />
q<br />
(<br />
1 + (1 − y) 2) . (II.117)<br />
Vergleich mit der allgemeinen Formel liefert dann die Näherung für die Strukturfunktionen<br />
im Partonbild<br />
F 2 (x, Q 2 ) ≃ 2xF 1 (x, Q 2 ) ≃ ∑ q<br />
e 2 q x f q (x) .<br />
(II.118)<br />
102
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
Diskussion:<br />
• Die Strukturfunktionen sind (approx.) unabhängig von Q 2 . Dies rührt zum einen<br />
daher, dass wir m 2 /Q 2 → 0 approximiert haben, zum anderen, dass wir die Streuung<br />
an punktförmigen, strukturlosen freien Quarks betrachtet haben. Somit steht<br />
(klassisch) keine Referenzskala für die dimensionslosen Strukturfunktionen zur<br />
Verfügung. Diesen Sachverhalt bezeichnet man als<br />
“Bjorken-Scaling”<br />
• F 1 und F 2 sind (approximativ) linear abhängig<br />
“Callan-Gross–Relation”<br />
Die Relation besagt gerade, dass die longitudinalen Photon-Polarisationen in eq-<br />
Streuung nicht beitragen, was eine Konsequenz der Streuung an masselosen Spin-<br />
1/2 Fermionen ist. Die experimentelle Überprüfung der Callan-Gross-Relation liefert<br />
also einen Hinweis auf den Spin von Quarks im Proton.<br />
• Die Strukturfunktion F 2 (x) liefert ein direktes Maß für die Impulsverteilung x f q (x)<br />
der Quarks im Proton.<br />
• Die Näherung für F 1,2 (x) ist experimentell über viele Größenordnungen von Q 2<br />
im Rahmen der erwarteten Genauigkeit erfüllt. Abweichungen werden allerdings<br />
beobachtet. In der perturbative QCD erwarten wir Abweichungen, die wieder über<br />
das logarithmische Laufen der starken Kopplung α s (Q 2 ) ins Spiel kommen,<br />
F 1,2 (x) → F 1,2 (x, α s (Q 2 ))<br />
• Ein detailliertes Bild der einzelnen Quarkflavours im Proton kann über Kombination<br />
mit Daten für tief-inelastische Streuung mit W/Z-Bosonen, an Neutronen<br />
(in Kernen) oder mit polarisierten Teilchen gewonnen werden. Die Ergebnisse numerischer<br />
Fits an die Daten findet man u.a. unter<br />
http://durpdg.dur.ac.uk/HEPDATA/PDF<br />
Man beachte, dass in der relativistischen Beschreibung des Protons die Teilchenzahl<br />
nicht erhalten ist. Somit können die (hier zunächst heuristisch eingeführten) Partonverteilungsfunktionen<br />
(“parton distribution functions”, PDFs) im Rahmen der QCD<br />
unabhängig für Quarks, Antiquarks (für jeweils verschiedene Flavours, q = u, d, s, . . .)<br />
und auch Gluonen im Proton definiert werden. Diese erfüllen jedoch gewisse “Summenregeln”,<br />
welche z.T. das naive (nicht-relativistische) Konstituentenbild des Protons<br />
widerspiegeln.<br />
– preliminary –<br />
• Die (Gesamt)-Ladung des Protons ist Eins. Deshalb gilt<br />
∫<br />
dξ<br />
∑<br />
∫<br />
e i f i (ξ) = dξ ∑ e q (f q (ξ) − f¯q (ξ))<br />
i=q,q ′ q } {{ } = 1 (II.119)<br />
wobei wir die Kombination von (f q (ξ) − f¯q (ξ)) als “Valenzquarkverteilung”<br />
bezeichnen.<br />
103
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
• Die Integrale über die Valenzverteilungen der einzelnen Flavours ergeben gerade<br />
die Zahl der Valenzquarks im naiven Konstituentenmodell,<br />
⎧<br />
∫<br />
⎪⎨ 2 für q = u<br />
dξ (f q (ξ) − f¯q (ξ)) = 1 für q = d<br />
(II.120)<br />
⎪⎩ 0 für q = s, c, . . .<br />
und deren Summe ergibt entsprechend 3 (entspricht der Erhaltung der Baryonzahl).<br />
• Den (normierten) Gesamtimpuls des Protons erhalten wir aus<br />
⎛<br />
⎞<br />
∫<br />
1 = dξ ξ ⎝ ∑<br />
f i (ξ) + f g (ξ) ⎠<br />
– preliminary –<br />
i=q,¯q<br />
(II.121)<br />
Vergleich mit dem Experiment zeigt, dass tatsächlich ca. 50% des Protonimpuls in<br />
tief-inelastischen Streuprozessen von Gluonen beigetragen werden !<br />
II.6.2 Operatordefinition der Partonverteilungsfunktionen<br />
Für die formale Diskussion der PDFs benötigen wir eine Operatordefinition, die wir im<br />
Folgenden aus der Definition des hadronischen Tensors ableiten werden, indem wir die<br />
physikalischen Approximationen, die zum Partonbild geführt hatten, in feldtheoretische<br />
Aussagen übersetzen. Ausgangspunkt ist die Definition<br />
W αβ (p, q) = 1 ∫<br />
d 4 z e i(q+p−p ∑<br />
∫<br />
X)·z<br />
〈p|j † β<br />
4π<br />
(0)|X〉〈X|j α(0)|p〉 ∣ (II.122)<br />
spin−avg.<br />
X<br />
wobei wir die δ-Funktion für die Impulserhaltung als Fourierintegral dargestellt haben.<br />
Durch Ausnutzen der Translationsinvarianz der hadronischen Matrixelemente können<br />
wir die Wirkung von e i(p−pX) z als Translation in z für z.B. das ersten Matrixelement<br />
interpretieren, und somit<br />
W αβ (p, q) = 1 ∫ ∑<br />
∫ d 4 z e i q·z 〈p|j † β<br />
4π<br />
(z)|X〉〈X|j α(0)|p〉 ∣ (II.123)<br />
spin−avg.<br />
X<br />
Wenn wir jetzt berüchsichtigen, dass |X > ja einem vollständigen Satz von (möglichen)<br />
Endzuständen darstellt, ergibt sich eine Form, die ähnlich aussieht, wie wir es bereits<br />
bei der Diskussion für die OPE mittels des optischen Theorems für das R-ratio gesehen<br />
hatten,<br />
W αβ (p, q) = 1 ∫<br />
d 4 z e i q·z 〈p|j † β<br />
4π<br />
(z)j α(0)|p〉 ∣ (II.124)<br />
spin−avg.<br />
Die Streuung am Quark im Partonbild, entspricht dann gerade dem Imaginärteil von<br />
folgendem sogenannten “Handbag”-Diagramm 15<br />
15 Um das optische Theorem zu erfüllen, müssten wir formal das zeitgeordnete Produkt der beiden Ströme<br />
betrachten. Da wir uns an dieser Stelle aber sowieso auf eine Zeitordnung für Quarkpropagation von<br />
0 nach z beschränken, macht das keinen Unterschied.<br />
104
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
Für<br />
√<br />
die Berechnung des Diagramms vernachlässigen wir wieder die Protonmasse gegenüber<br />
Q 2 und führen sog. Lichtkegelvektoren ein gemäß<br />
so dass<br />
p µ = p (1, 0, 0, 1) , p 2 = 0 ,<br />
n µ ≡ 1<br />
2p (1, 0, 0, −1) , n2 = 0 , (II.125)<br />
n · p = 1 .<br />
Wir betrachten dann ein Bezugsystem, in dem n · q ≡ 0, so dass wir den Impulsübertrag<br />
schreiben können als<br />
mit<br />
q µ ≡ p · q n µ + q µ ⊥ , q2 = q 2 ⊥ < 0 (II.126)<br />
a ⊥ · n = a ⊥ · p = 0 ,<br />
(II.127)<br />
so dass a ⊥ einen 2-dimensionalen, raumartigen Vektor beschreibt.<br />
Die Streuung am freien Quark entspricht dann gerade der folgenden Faktorisierung des<br />
hadronischen Tensors W αβ ,<br />
W αβ → 1 ∫<br />
d 4 z e i q·z ∑ 4π<br />
q<br />
e 2 q 〈p|¯q(z) a i q(0) b j|p〉 spin<br />
× γkjγ α β il 〈0|q(z)a l ¯q k(0)|0〉<br />
b } {{ } . (II.128)<br />
Der letzte Term repräsentiert gerade den Imaginärteil des Quarkpropagators im Handbag-<br />
Diagramm, mit dem bekannten Ergebnis<br />
∫<br />
〈0|q(z) a l ¯q k(0)|0〉 b =<br />
˜dp ′ e −ip′·z δ ab (/p ′ ) lk .<br />
(II.129)<br />
– preliminary –<br />
Für die weitere Diskussion ist es nützlich, auch den anderen Faktor als Fourierintegral<br />
zu schreiben,<br />
∫<br />
〈p|¯q(z) a i q(0) b j|p〉 spin ≡<br />
d 4 k<br />
(2π) 4 eikz B ab<br />
ji (p, k) (für jedes Quark q) (II.130)<br />
105
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Damit können wir die z-Integration explizit ausführen und erhalten<br />
W αβ (p, q) = 1 ∫<br />
4π<br />
d 4 k<br />
(2π) 4 [γ α (/k + /q)γ β] ij (2π) δ((q + k)2 ) ∑ q<br />
e 2 q B aa<br />
ji (p, k) .<br />
(II.131)<br />
Wir können auf den Beitrag zur Strukturfunktion F 2 projizieren, indem wir<br />
F 2 (x, Q 2 ) = (p · q) n µ n ν W µν (p, q)<br />
(II.132)<br />
benutzen (siehe Übung). Weiterhin zerlegen wir den Fourierimpuls k µ in Lichtkegelkomponenten,<br />
k µ ≡ ξ p µ + k2 + |k⊥ 2 | n µ + k µ ⊥<br />
2ξ<br />
Hierbei ist der erste Term groß, weil |p µ | groß und ξ endlich. Die beiden anderen<br />
Terme sind klein, so lange die transversalen Impulskomponenten sowie die Virtualität k 2<br />
beschränkt sind, was durch die Funktionen B(p, k) gewährleistet sein muss (und unserem<br />
Bild von kollinearen Partonen im schnellen Proton entspricht). Somit können wir das<br />
Argument der on-shell δ-Funktion wieder approximieren,<br />
δ((q + k) 2 ) ≈ δ(2ξ p · q − Q 2 ) = 1 δ(ξ − x) mit ξ = n · k (II.133)<br />
2 p · q<br />
Damit vereinfacht sich auch der Ausdrück für die Strukturfunktion weiter,<br />
F 2 (x, Q 2 ) = ∑ q<br />
= ∑ q<br />
!<br />
= ∑ q<br />
∫<br />
e 2 1<br />
q<br />
4<br />
∫<br />
e 2 1<br />
q<br />
4<br />
e 2 q x f q (x)<br />
d 4 k<br />
[<br />
]<br />
(2π) 4 δ(n · k − x) /n (/k + /q) /n<br />
ij Baa<br />
ji (p, k)<br />
d 4 k<br />
(2π) 4 δ(n · k − x)2 n · k tr [/n Baa (p, k)]<br />
(II.134)<br />
Durch Vergleich finden wir so den gewünschten Zusammenhang zwischen der Partonverteilungsfunktion<br />
und dem Operatormatrixelement B(p, k),<br />
f q (x) = 1 ∫<br />
d 4 k<br />
2 (2π) 4 δ(x − n · k) tr[/n Baa (p, k)]<br />
= 1 ∫<br />
d 4 k<br />
2 (2π) 4 d4 z e −ikz δ(x − n · k) 〈p|¯q(z) /n q(0)|p〉 spin<br />
∫ dλ<br />
=<br />
4π e−iλx 〈p|¯q(z) /n q(0)|p〉 spin ,<br />
– preliminary –<br />
(II.135)<br />
wobei wir im letzten Schritt δ(x − nk) = ∫ dλ<br />
2π e−iλ(x−nk) verwendet haben und die dann<br />
verbleibenden trivialen Integrationen explizit ausgeführt haben.<br />
Interpretation:<br />
106
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
• f q (x) ergibt sich also als Fourier-Transformierte des Protonmatrixelements eines<br />
nicht-lokalen Operators. Genauer gesagt sind die beiden Quarkfelder entlang des<br />
Lichtkegels separiert, der durch unseren Lichtkegelvektor n µ definiert wird.<br />
Wir können dies als eine Erweiterung des OPE-Konzepts ansehen, wobei wir jetzt<br />
also das Produkt der elektromagnetischen Ströme auf dem Lichtkegel entwickeln,<br />
j † (z)j(0) −→ O i (λn)<br />
(Lichtkegel-OPE)<br />
Begründung für die Anwendbarkeit der Lichtkegel-OPE war dabei, dass die transversalen<br />
Impulse und die Virtualitäten der Partonen im Proton klein gegenüber Q 2<br />
sind, die Impulskomponente n · k = ξ aber von der Ordnung 1 ist.<br />
• Wie im Fall der lokalen OPE erwarten wir wieder, dass die nicht-triviale Renormierung<br />
der Lichtkegel-Operatoren eine Skalen-Abhängigkeit induziert, so dass<br />
f q (ξ) → f(ξ, µ 2 ) mit µ 2 ∼ Q 2<br />
Für hinreichend große Werte von Q 2 sollte die Skalenabhängigkeit perturbativ<br />
berechenbar sein.<br />
• Abgesehen davon sind die so definierten Partonverteilungsfunktionen universelle<br />
hadronische Funktionen, die die Struktur des Protons (in einem gegebenen Renormierungsschema)<br />
charakterisieren.<br />
Wir können insbesondere die Wahrscheinlichkeitsinterpretation der so definierten Funktion<br />
f q (ξ) nachprüfen. Es gilt mit der Def. von n µ<br />
¯q(λn) /n q(0) = 1 [<br />
]<br />
2p 0 ¯q(λn)γ 0 q(0) + ¯q(λn)γ 3 q(0) = 1 [<br />
]<br />
p 0 ¯q(λn)γ 0 q(0) , (II.136)<br />
wobei aufgrund der Dirac-Gleichung, 0 = /p q = p 0 (γ 0 − γ 3 ) q, so dass die Ausdrücke mit<br />
γ 0 und γ 3 gleich beitragen. Damit erhalten wir<br />
∫<br />
dξ f q (ξ) = 1 1<br />
〈p|¯q(0)γ 0 q(0)|p〉 = 1<br />
√<br />
2 p 0 2p 0 〈p|¯q† (0)q(0)|p〉<br />
(II.137)<br />
welches gerade den Anzahloperator für (freie) Quarks enthält, sowie die korrekte relativistische<br />
Normierung des Protonmatrixelements mit 1/2p 0 .<br />
II.6.3 Strahlungskorrekturen zum Partonbild<br />
– preliminary –<br />
In der Herleitung des Partonbilds für die tief-inelastische Streuung hatten wir implizit<br />
eine Faktorisierung der Dynamik in einen partonischen Subprozess (“harte Streuung”<br />
des Partons am Elektron, eq → eq) und eine (nicht-perturbative) Partonverteilung im<br />
Proton (“weiche” Dynamik) angenommen. Wenn wir den WQ als Imaginärteil der Vorwärtsstreuamplitude<br />
betrachten, entspricht das gerade dem oberen bzw. unteren Teil des<br />
Handbag-Diagramms,<br />
107
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
↑ harte (partonische) Streuung<br />
↓ (nicht-perturbative) Partonverteilungsfunktion<br />
Wenn wir jetzt zusätzliche (reelle und virtuelle) Gluonabstrahlung berücksichtigen, stellt<br />
sich offensichtlich wieder die Frage, ob wir die dadurch beschriebenen Quantenfluktuationen<br />
dem partonischen Streuprozess oder den Partonverteilungen zuordnen.<br />
Qualtitative Diskussion:<br />
Betrachten wir z.B. das folgende Diagramm für reelle Gluonabstrahlung vom einlaufenden<br />
Quark,<br />
Dies kann zum Einen als Teil des partonischen Subprozess eq → eq+g aufgefasst werden,<br />
siehe Fall (a) in nachfolgender Abbildung (in der Abb. entspricht x → ξ und x B → x).<br />
Andererseits kann es als Modifikation der ursprünglichen Quarkverteilung aufgefasst<br />
werden (Fall (b)).<br />
Offensichtlich brauchen wir als Kriterium wieder eine Referenzskala, die festlegt, ob die<br />
Virtualität der intermediären Propagatoren (hier l 2 = (ξp − p 2 ) 2 ) als groß (hart) oder<br />
klein (weich) aufgefasst werden soll.<br />
– preliminary –<br />
• Für (ξp−p 2 ) 2 > µ 2 absorbieren wir die Korrektur dann in Koeffizientenfunktionen<br />
für die harte Streuung. Da das zusätzliche reelle Gluon einen positiven Impulsbruchteil<br />
trägt, gilt für diese Beiträge nicht mehr ξ = x, sondern vielmehr die<br />
Ungleichung<br />
0 ≤ x ≤ ξ ≤ 1 .<br />
108
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
• Für (ξp−p 2 ) 2 < µ 2 berücksichtigen wir die Korrektur durch die Renormierung der<br />
Operatormatrixelemente auf dem Lichtkegel 〈p|¯q(λn)/nq(0)|p〉.<br />
Für die Struktur der korrigierten Faktorisierungsformel, die den Zusammenhang zwischen<br />
der Strukturfunktion und den Partonverteilungsfunktionen (für ein gegebenes Quark<br />
mit Flavour q) beschreibt, erwarten wir deshalb die folgende Form. Ausgehend von der<br />
LO-Formel (naives Partonbild)<br />
LO: F 2 (x, Q 2 ) LO = x e 2 q f q<br />
(0) (x) = x e 2 q<br />
erhalten wir zur Ordnung α s<br />
NLO:<br />
= x e 2 q<br />
F 2 (x, Q 2 ) LO = x e 2 q<br />
∫ 1<br />
0<br />
+ α s<br />
2π<br />
{<br />
αs<br />
dξ<br />
(1<br />
ξ δ − x ξ<br />
2π<br />
∫ 1<br />
x<br />
∫ 1<br />
∫ 1<br />
0<br />
)<br />
dξ δ(ξ − x) f (0) (ξ)<br />
f q (ξ) ,<br />
( )<br />
dξ x<br />
x ξ δC(1) ξ , Q2<br />
µ 2 f q<br />
(0) (ξ)<br />
dξ<br />
(1<br />
ξ δ − x ) ( )}<br />
δf q<br />
(1) µ<br />
ξ,<br />
ξ<br />
Λ QCD<br />
– preliminary –<br />
q<br />
(II.138)<br />
(II.139)<br />
Bei der perturbativen Berechnung der Korrektur zu den Koeffizientenfunktionen δC (1)<br />
(für die angenommene Lichtkegelkinematik) sollten wieder IR-Divergenzen auftreten, die<br />
gerade mit den UV-Divergenzen bei der Renormierung des Lichtkegeloperators (aus der<br />
Korrektur zur PDF, δf q ) korrespondieren, so dass die induzierte µ-Abhängigkeit in der<br />
Summe der beiden Beiträge herausfällt.<br />
Wenn wir das allgemein zusammenfassen, lautet die verbesserte Faktorisierungsformel<br />
also<br />
F 2 (x, Q 2 ) = x ∑ q<br />
Hierbei ist zu betonen, dass<br />
e 2 q<br />
∫ 1<br />
• die Strukturfunktion nicht von µ abhängt;<br />
x<br />
( )<br />
)<br />
dξ x<br />
ξ C ξ , Q2 µ<br />
µ 2 f q<br />
(ξ, + . . . (II.140)<br />
Λ QCD<br />
• die Koeffizientenfunktionen nur von den dimensionslosen Verhältnissen x/ξ und<br />
Q 2 /µ 2 (und implizit von α s (µ)) abhängen;<br />
• die Partonverteilungsfunktionen nicht von Q 2 (aber implizit von Λ QCD ) abhängen.<br />
Man beachte, dass in führender Ordnung<br />
( )<br />
x<br />
C<br />
ξ , Q2<br />
µ 2 = δ(1 − x/ξ) + O(α s ) (II.141)<br />
bereits eine mathematische Distribution darstellt. Wir erwarten deshalb auch für die<br />
Korrekturterme mathematische Distributionen in der Variablen z = x/ξ.<br />
109
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Wir erwarten weiterhin, dass die Störungsreihe für die Koeffizientenfunktionen mit der<br />
Wahl µ ∼ Q gut konvergiert (keine großen Logarithmen ln Q2<br />
). Wie im Falle der<br />
µ 2<br />
lokalen OPE erlaubt uns die Faktorisierungsformel somit wieder, eine RG-Gleichung<br />
aufzustellen, die große Logarithmen der Form ln Q2<br />
resummiert, so dass wir die theoretischen<br />
Vorhersagen für F 2 (x, Q 2 ) bei verschiedenen Impulsüberträgen vergleichen kön-<br />
Q 2 0<br />
nen. Damit sollten sich logarithmische Korrekturen zum Bjorken-Scaling ergeben,<br />
die störungstheoretisch berechenbar sind.<br />
II.6.3.1 Explizite Berechnung der Korrekturen<br />
Zur Berechnung der gluonischen Korrekturen ist es günstig, ein ganz bestimmte physikalische<br />
Eichung für die Gluonfelder zu wählen. Wir definieren eine axiale Eichung bzgl. des<br />
Lichtkegelvektors n µ , so dass<br />
n µ A µ !<br />
= 0 , (II.142)<br />
und die Polarisationssumme im Gluonpropagator lautet dann entsprechend<br />
∑<br />
ɛ ∗ µ(k, λ)ɛ ν (k, λ) = −g µν + k µn ν + k ν n µ<br />
. (II.143)<br />
n · k<br />
λ<br />
Die spezielle Rolle dieser Eichung wird klar, wenn wir uns noch einmal den Operator<br />
betrachten, der die Quark-PDF in LO definiert: Da der Ausdruck ¯q(λn)/nq(0) nicht-lokal<br />
ist, ist er auch nicht eichinvariant unter lokalen Phasentransformationen der Quarkfelder<br />
in der SU(3) C . Eine eichinvariante Definition erhält man, wenn man (siehe Übung) eine<br />
Wilsonlinie U P einfügt, die die Punkte (λ, n) und 0 verbindet,<br />
mit<br />
¯q(λn)/nq(0) −→ ¯q(λn)/n W (λn, 0) q(0)<br />
[ ∫ ]<br />
λ<br />
W (nλ, 0) = P exp ig s ds n · A(sn) , (II.144)<br />
wobei P die Farbmatrizen A(sn) = A A (s, n)T A im Integranden entlang des Pfades ds<br />
ordnet (“Pfadordnung” analog zur Zeitordnung im Zeitentwicklungsoperator). In der<br />
obigen Eichung ergibt die Wilsonlinie gerade Eins, und die Interpretation (sowie die<br />
Rechnung) der gluonischen Korrekturen wird relativ einfach.<br />
Die Diagramme zur Ordnung α s lassen sich in 4 Klassen einteilen. Dafür betrachten wir<br />
die Korrekturen zur Vorwärtstreuamplitude ep → ep:<br />
– preliminary –<br />
(1) Reelle Gluonabstrahlung vom einlaufenden Quark. Imaginärteil entspricht Beitrag<br />
zu eq → eq + g.<br />
(2) Vertexkorrektur am Quark-Photon-Vertex. Imaginärteil entspricht zwei verschiedenen<br />
Möglichkeiten, das Diagramm in reelle Zwischenzustände zu “schneiden”: (a)<br />
Beitrag zu eq → eq + g von der Interferenz der Gluonabstrahlung vom Quark im<br />
Anfangs- bzw. Endzustand; (b) virtuelle Korrektur zu eq → eq.<br />
0<br />
110
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
(3) Selbstenergiekorrektur zur internen Quarklinie. Hier gibt es drei Möglichkeiten,<br />
das Diagramm zu schneiden: (a) Beitrag zu eq → eq + g von Gluonabstrahlung im<br />
Endzustand; (b,c) virtuelle Selbstenergiekorrektur zum Quark im Endzustand.<br />
(4) Selbstenergiekorrektur zum Quark im Anfangszustand.<br />
Wir beginnen mit dem Diagramm (1) und betrachten den Beitrag zur Strukturfunktion<br />
F 2 = p · q n µ n ν W µν<br />
Aus den elementaren Feynman-Regeln für das oben bereits skizzierte Diagramm für die<br />
Gluonabstrahlung vom einlaufenden Quark erhalten wir für die partonische Amplitude<br />
ig s e q ū(q + ξp − k)γ µ i<br />
ξ/p − /k γρ T A u(ξp) · ɛ ρ (k, λ) ,<br />
(II.145)<br />
wobei wir den Impuls des Gluons k µ und den dazugehörigen Polarisationsvektor ɛ ρ (k, λ)<br />
eingeführt haben. Quadrieren der Amplitude und Mittelung/Summation über die Spinund<br />
Farbfreiheitsgrade ergibt<br />
|M| 2 µν = 1<br />
( )<br />
e 2 q gs 2 tr[T A T A 1 2 (<br />
]<br />
2N C (ξp − k) 2 −g ρσ + k )<br />
ρn σ + k σ n ρ<br />
n · k<br />
[<br />
]<br />
× tr γ ν (/q + ξ/p − k)γ µ (ξ/p − /k)γ ρ ξ/p γ σ (ξ/p − /k) . (II.146)<br />
Wir zerlegen den Gluonimpuls wieder in Lichtkegelkoordinaten und schreiben<br />
k µ ≡ ξ(1 − ξ ′ ) p µ |k⊥ 2 +<br />
|<br />
2ξ(1 − ξ ′ ) nµ + k µ ⊥<br />
mit k⊥ 2 < 0, k2 = 0 und 0 ≤ ξ ′ ≤ 1.<br />
Entsprechend gilt dann für den Quarkimpuls nach der Gluonabstrahlung<br />
(II.147)<br />
(ξp − k) µ ≡ ξξ ′ p µ |k⊥ 2 −<br />
|<br />
2ξ(1 − ξ ′ ) nµ − k µ ⊥ . (II.148)<br />
Nach Ausführen der Spuren nimmt die für F 2 relevante Projektion dann eine relative<br />
einfache Form an,<br />
n µ n ν |M| 2 µν = e2 q gs 2 8ξ ′ (1 + ξ ′2 )<br />
C F<br />
|k ⊥ | 2 ξ 2 . (II.149)<br />
– preliminary –<br />
Wir sehen an dieser Stelle schon, dass der Ausdruck für kleine Transversalimpulse des<br />
Gluons, k⊥<br />
2 → 0, divergiert, was unserer Erwartung gemäß der obigen allgemeinen<br />
Diskussion entspricht.<br />
Für die Berechnung des partonischen Wirkungsquerschnitts benötigen wir weiterhin den<br />
Phasenraum für den q + g Endzustand,<br />
˜dp ′ ˜dk (2π) 4 δ (4) (ξp + q − k − p ′ ) = ˜dk 2π θ(k 0 − ξp 0 − q 0 ) δ((q + ξp − k) 2 ) . (II.150)<br />
111
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Das Integrationsmaß für den Gluonimpuls schreiben wir auf die Lichtkegelkomponenten<br />
ξ ′ und k ⊥ um,<br />
2π ˜dk = 1<br />
8π 2 dξ ′<br />
1 − ξ ′ |k ⊥|d|k ⊥ | dθ (II.151)<br />
Das Argument der delta-Funktion für die Impulserhaltung ergibt zunächst einen relativ<br />
komplizierten Ausdruck,<br />
(q + ξp − k) 2 = −Q 2 + 2ξ p · q − 2 k · q − 2ξ p · k<br />
( )<br />
= −Q 2 1 − ξξ′ + 2 |k ⊥ |Q cos θ − |k2 ⊥ |<br />
x<br />
1 − ξ ′<br />
= Q 2 ξ (<br />
ξ ′ − x (<br />
|k⊥ 2 1 +<br />
|<br />
x ξ (1 − ξ ′ )Q 2 − 2|k ))<br />
⊥| cos θ<br />
. (II.152)<br />
Q<br />
Wenn wir die Terme zusammenfassen und entsprechend der LO-Rechnung wieder den<br />
partonischen Flussfaktor mit 1/ξ korrigieren, erhalten wir somit einen Beitrag zur Strukturfunktion<br />
F 2 ,<br />
∫ 1 ∫<br />
2 (x, Q 2 ) = e 2 q α s C F dξ f q<br />
(0) d|k⊥ | 2 dξ ′ dθ 8ξ ′ (1 + ξ ′2 )<br />
(ξ)<br />
0<br />
32π 2 32π<br />
(<br />
2<br />
× δ ξ ′ − x (<br />
|k⊥ 2 1 +<br />
|<br />
ξ (1 − ξ ′ )Q 2 − 2|k ))<br />
⊥| cos θ<br />
. (II.153)<br />
Q<br />
F diag1<br />
Gemäß unserer allgemeinen Diskussion sollten wir das k ⊥ -Integral in 2 Regionen unterteilen:<br />
• |k ⊥ | 2 < µ 2 F<br />
−→ Beitrag zu f<br />
(1)<br />
q ,<br />
• |k ⊥ | 2 > µ 2 F −→ Beitrag zu δC(1) .<br />
Konzentrieren wir uns zunächst auf den Bereich |k⊥ 2 | ≤ µ2 F und wählen µ F ≪ Q 2 . Dann<br />
vereinfacht sich das Argument der δ-Funktion,<br />
(<br />
δ(. . .) → δ ξ ′ − x )<br />
,<br />
ξ<br />
und wir erhalten<br />
2 (x, Q 2 ) |k ⊥| 2 ≤µ 2 F<br />
= e 2 α s C F<br />
q<br />
2π<br />
F diag1<br />
∫ 1<br />
0<br />
dξ f (0) (ξ)<br />
q<br />
– preliminary –<br />
∫ 1<br />
0<br />
(<br />
dξ ′ δ ξ ′ − x ξ<br />
) ξ ′ (1 + ξ ′2 )<br />
1 − ξ ′ ∫ µ 2<br />
F d|k ⊥ | 2<br />
|k ⊥ | 2 ,<br />
(II.154)<br />
welches abzubilden ist auf den f q<br />
(1) -Term in unserem allgemeinen Faktorisierungsansatz,<br />
so dass wir als perturbatives Resultat erhalten,<br />
f (1,diag1)<br />
q (x, µ 2 F ) = f q<br />
(0) (x) + α sC F<br />
2π<br />
∫ 1<br />
x<br />
∫<br />
dξ<br />
µ 2<br />
ξ f q<br />
(0)<br />
F d|k ⊥ | 2<br />
(ξ) F (x/ξ)<br />
|k ⊥ | 2 , (II.155)<br />
112
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
wobei wir eine Funktion<br />
F (z) ≡ C F<br />
1 + z 2<br />
1 − z<br />
(II.156)<br />
definiert haben, die die Abhängigkeit von z = x/ξ beschreibt. Hierbei ergibt sich der<br />
Zähler im Wesentlichen aus der Dirac-Spur (ist also typisch für QCD mit Spin-1/2-<br />
Quarks und Vektorgluonen), und der Term 1−z im Nenner kommt aus dem gluonischen<br />
Phasenraum (das vermeintlich divergente Verhalten bei z → 1 werden wir noch genauer<br />
untersuchen). Der gesamte Ausdruck ist proportional zu dem IR-divergenten Integral<br />
∫ µ 2<br />
F d|k ⊥ | 2<br />
|k ⊥<br />
und somit sensitiv auf die durch Λ<br />
| 2 QCD charakterisierte nicht-perturbative<br />
Dynamik im Proton. Aus diesem Grunde macht es also Sinn, diesen (nicht explizit<br />
berechenbaren) Beitrag in die Quark-PDF zu absorbieren. Um die Beiträge der anderen<br />
Diagramme zu f q<br />
(1) zu bestimmen, reicht es demnach aus, in den Diagrammen<br />
2-4 die Beiträge zu suchen, die ebenfalls wie d|k ⊥| 2<br />
|k ⊥<br />
divergieren. Dies entspricht gerade<br />
den “kollinearen Divergenzen”, die wir bereits bei der Diskussion des Sudakov-<br />
| 2<br />
Formfaktors in der QED kennengelernt hatten.<br />
• Betrachten wir dazu die Diagrammklasse (2) mit der Vertexkorrektur am Photonvertex.<br />
Die beiden k-abhängigen Quarkpropagatoren verhalten sich wie<br />
1 1<br />
(ξp − k) 2 (ξp − k + q) 2 ∼ 1<br />
k⊥ 2 ,<br />
Q2<br />
können also potentiell wieder eine kollineare Divergenz erzeugen, wenn k ‖ p.<br />
Allerdings zeigt sich, dass die zu berechnende Dirac-Spur mit den Propagatorzählern<br />
ebenfalls für k ⊥ → 0 verschwindet, denn in<br />
∑ [<br />
]<br />
tr /n(ξ/p + /q)/ɛ(/q + ξp − /k)/n(ξp − /k)/ɛ ∗ ξ/p<br />
(II.157)<br />
λ<br />
gilt für k ‖ p, dass ɛ · p ∝ ɛ · k = 0, und damit ist<br />
(ξ/p − /k)/ɛ ∗ ξ/p → 0 .<br />
Damit liefern die Diagramme (2a,b) keine Beiträge der Form d|k ⊥| 2<br />
|k ⊥<br />
, sondern höchstens<br />
Terme, die für kleine k ⊥ wie k⊥ 2 /Q2 unterdrückt sind, oder die für große k ⊥<br />
| 2<br />
zu δC (1) gehören (und explizit in der Störungstheorie berechnet werden können).<br />
• In der Diagrammklasse (3) ist die Situation noch einfacher, denn für kleine Werte<br />
von k ⊥ verhalten sich die Propagatornenner selbst schon wie (1/Q 2 ) 2 .<br />
– preliminary –<br />
• Es bleibt das Diagramm (4) mit der Selbstenergiekorrektur in der einlaufenden<br />
Quarklinie. Hier erwarten wir in der Tat, dass sich eine “softe” IR-Divergenz ergibt,<br />
die zusammen mit der reellen Gluonabstrahlung aus Diagramm (1) ein endliches<br />
Resultat im Limes k µ → 0 ergibt. Da in diesen virtuellen Diagrammen der Impulsbruchteil<br />
des Quarks nicht geändert wird, muss der Beitrag proportional zu<br />
δ(1 − x/ξ) sein und gleichzeitig die Divergenz von Diagramm (1) im Limes ξ → x<br />
kompensieren.<br />
113
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Das Nettoergebnis für f (1)<br />
q<br />
hat dann die Form<br />
mit<br />
q (x, µ 2 F ) = f q<br />
(0) (x) + α sC F<br />
2π<br />
f (1)<br />
∫ 1<br />
x<br />
∫<br />
dξ<br />
µ 2<br />
ξ f q (0) (ξ) P qq (0)<br />
F d|k ⊥ | 2<br />
(x/ξ)<br />
|k ⊥ | 2 , (II.158)<br />
[ ]<br />
1 + z<br />
F (z) → P qq (0)<br />
2<br />
(z) = C F<br />
1 − z + const. δ(1 − z)<br />
(II.159)<br />
Die Funktion P qq (z) bezeichnen wir als (Quark-)Splitting-Funktion. Sie beinhaltet die<br />
(universelle) Information über die kollinearen Divergenzen in der Aufspaltung eines<br />
Quarks, q → qg. Die Konstante werden wir weiter unten mittels einer physikalischen<br />
Überlegung bestimmen.<br />
Die restlichen (nicht kollinear divergenten) Beiträge können explizit als Funktion von Q 2<br />
und µ 2 F berechnet werden. Aufgrund der willkürlichen Wahl von µ F , muss das Ergebnis<br />
für F 2 dann folgende Form haben<br />
F 2 (x, Q 2 ) = x ∑ q<br />
e 2 q<br />
(<br />
P (0)<br />
f q<br />
(0)<br />
qq (x/ξ)<br />
+ P qq (0) (x/ξ)<br />
(x) + α s<br />
2π<br />
∫ µ 2<br />
F<br />
– preliminary –<br />
∫ 1<br />
x<br />
d|k ⊥ | 2<br />
|k ⊥ | 2<br />
Λ 2 IR<br />
∫ k 2<br />
max ∝Q 2<br />
µ 2 F<br />
dξ {<br />
ξ f q<br />
(0) (x)<br />
d|k ⊥ | 2<br />
|k ⊥ | 2 + ˜C(x/ξ)<br />
} ) + O(αs) 2 (II.160)<br />
wobei der Koeffizient ˜C(z) die endlichen Beiträge zusammenfasst, die nicht explizit von<br />
Q 2 /µ 2 F abhängen. Die obere Grenze k2 max ergibt sich aus der expliziten Auswertung der<br />
Nullstellen der δ-Funktion unter Berücksichtigung von 0 ≤ ξ ′ ≤ 1 (vgl. Übung).<br />
Wir können die Rechnung auch wieder in dimensionaler Regularisierung durchführen.<br />
Dann wird die kollineare Divergenz im k ⊥ -Integral entsprechend regularisiert, was der<br />
Ersetzung<br />
( ∫ µ 2<br />
P qq (0)<br />
F d|k ⊥ | 2 ∫ k 2<br />
(z)<br />
Λ 2 |k<br />
IR ⊥ | 2 + max d|k ⊥ | 2 )<br />
µ 2 |k<br />
F ⊥ | 2<br />
∫ k 2<br />
→P qq (0) (z) µ 2ɛ max d|k ⊥ | 2<br />
(<br />
(0)<br />
F<br />
(|k ⊥ | 2 = P<br />
) 1+ɛ qq (z) − 1ˆɛ<br />
)<br />
+ P qq (0) (z) ln k2 max<br />
µ<br />
} {{ }<br />
2 (II.161)<br />
F<br />
} {{ }<br />
Im MS-Schema absorbieren wir den ersten (IR-divergenten) Term in die PDF f q (1) .<br />
Der (−1/ɛ)-Term wird dann gerade kompensiert durch die 1/ɛ UV-Divergenz, die aus<br />
der Renormierung des nicht-lokalen Operator herrührt. Den zweiten (endlichen) Term<br />
definieren wir dann als Beitrag zu C (1) im MS-Schema. In dieser Weise können wir also<br />
die Splitting-Funktion als Faktor vor dem 1/ɛ-Term, der der kollinearen Divergenz<br />
entspricht, ablesen. Im Folgenden verstehen wir deshalb die Ausdrücke für f q (1) und C (1)<br />
114
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
immer im MS-Schema (obwohl man manchmal in der Literatur auch andere Definitionen<br />
findet).<br />
Es bleibt noch die Aufgabe, die Konstante in P qq (z) zu bestimmen. Dazu betrachten wir<br />
die Korrektur zur Valenzverteilung der Quarks, f val = f q − f¯q . Aufgrund der Erhaltung<br />
der (Netto-)Quarkzahl, hatten wir bereits begründet, dass<br />
∫ 1<br />
0<br />
dξ f val (ξ) = const<br />
Da sich Quarks und Antiquarks gleich unter Splitting verhalten, folgt daraus, dass<br />
∫ 1<br />
0<br />
dξ<br />
∫ 1<br />
ξ<br />
dξ ′<br />
ξ ′ f (0)<br />
val (ξ′ ) P qq (0) (ξ/ξ ′ ) = 0<br />
(II.162)<br />
(II.163)<br />
gelten muss. In obiger Gleichung können wir die Reihenfolge der Integration umstellen,<br />
indem wir die untere Grenze als θ(ξ ′ − ξ) berücksichtigen und die Variablensubstitution<br />
ξ → z = ξ/ξ ′ durchführen,<br />
0 =<br />
∫ 1<br />
0<br />
dξ ′<br />
ξ ′ f (0)<br />
val (ξ′ )<br />
∫ ξ ′<br />
0<br />
dξ P qq (0) (ξ/ξ ′ ) =<br />
∫ 1<br />
0<br />
dξ ′ f (0)<br />
val (ξ′ ) dz P qq (0) (z) . (II.164)<br />
0<br />
} {{ }<br />
Da der erste Faktor verschwindet, muss das Integral über die Quark-Splittingfunktion<br />
also gerade Null werden. Hierbei müssen wir allerdings beachten, dass das Integral bei<br />
z → 1 nicht konvergiert, was gerade der soften Divergenz (Gluonenergie → 0) entspricht.<br />
Wir hatten schon argumentiert, dass wir die Splitting-Funktion als mathematische Distribution<br />
in z = x/ξ auffassen müssen. Dementsprechend ist der Ausdruck 1/(1 − z) für<br />
z → 1 zu modifizieren (im Sinne eines Grenzwerts, bzw. über das entsprechende Resultat<br />
nach Integration mit einer Testfunktion). Wir suchen also eine Distribution, die für<br />
z ≠ 1 der normalen Funktion 1/(1 − z) entspricht und deren Integral über bei z = 1<br />
reguläre Testfunktionen existiert. Die Lösung sind sogenannte “Plus-Distributionen”,<br />
die über<br />
∫ 1<br />
0<br />
1<br />
dz f(z) ≡<br />
[1 − z] +<br />
∫ 1<br />
0<br />
– preliminary –<br />
∫ 1<br />
f(z) − f(1)<br />
dz<br />
1 − z<br />
(II.165)<br />
definiert sind. Offensichtlich existiert das Integral, und für Testfunktionen, die bei z = 1<br />
verschwinden, ergibt sich das Integral über die “normale” Funktion. Mit dem Ansatz<br />
[ ]<br />
1 + z<br />
P qq (0)<br />
2<br />
(z) := C F + c δ(1 − z)<br />
(II.166)<br />
[1 − z] +<br />
ergibt sich dann<br />
∫ [ 1<br />
∫ 1<br />
dz P qq (0) (z) = C F dz (1 + ]<br />
z2 ) − 2<br />
+ c = C F (−3/2 + c) = ! 0 (II.167)<br />
1 − z<br />
0<br />
0<br />
so dass unser endgültiges Ergebnis für die Quark-Splittingfunktion<br />
115
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
P (0)<br />
qq (z) = C F<br />
[<br />
1 + z<br />
2<br />
[1 − z] +<br />
+ 3 2 δ(1 − z) ]<br />
(II.168)<br />
lautet. In dimensionaler Regularisierung kann man die Plus-Distribution explizit als<br />
Grenzwert einer Schar von Funktionen für ɛ → 0 − identifizieren, siehe Übung. Die Form<br />
der Splitting-Funktion ist universell und wird allgemein für die Faktorisierung von inkulsiven<br />
Prozessen mit hoch-energetischen (kollinearen) Quarks in der QCD benötigt.<br />
Die Berechnung der endlichen Beiträge zur Koeffizientenfunktion C (1) (z, Q 2 /µ 2 F ) ist<br />
aufwendiger und beinhaltet Beiträge von sämtlichen 4 Diagrammklassen. Wir geben hier<br />
nur das Endergebnis für die Faktorisierung der Strukturfunktion F 2 (x, Q 2 ) an (im MS-<br />
Schema; wir schreiben C (1)<br />
2 um den Koeffizienten von den entsprechend unabhängigen<br />
Koeffizienten für F 1 (x, Q 2 ) oder F L (x, Q 2 ) zu kennzeichnen),<br />
C (1)<br />
2 (z, Q2 /µ 2 ) = δ(1 − z) + α {<br />
s<br />
P qq (0) (z) ln Q2<br />
2π<br />
µ 2<br />
[ ] ln(1 − z)<br />
+C F<br />
[2<br />
− 3 1<br />
− (1 + z) ln(1 − z)<br />
1 − z + 2 [1 − z] +<br />
− 1 + ( z2<br />
π<br />
2<br />
1 − z ln z + 3 + 2z − 3 + 9 ) ]}<br />
δ(1 − z) (II.169)<br />
2<br />
(siehe z.B. [6]). Analog erhalten wir für die longitudinale Kombination von Strukturfunktionen<br />
F L = F 2 − 2xF 1 = 4x 2 pµ p ν<br />
p·q W µν ein endliches Resultat zur Ordnung α s , was<br />
sich durch die Faktorisierungsformel<br />
F L (x, Q 2 ) = x ∑ ∫ ( )<br />
1<br />
e 2 dξ<br />
x<br />
q<br />
q x ξ f q(ξ, µ F ) C L<br />
ξ , Q2<br />
µ 2 mit C L (z) ≃ α sC F<br />
2z (II.170)<br />
F<br />
2π<br />
widerspiegelt. Die Callan-Gross–Relation erhält also berechenbare endliche α s -Korrekturen.<br />
II.6.3.2 Beiträge von Gluon-PDFs<br />
Bisher waren wir bei der Berechnung von α s -Korrekturen von einer ursprünglichen<br />
Verteilung von Quarks (und Antiquarks) im Proton ausgegangen. Wenn wir allgemein<br />
Quantenkorrekturen zulassen, müssen wir aber auch Prozesse folgender Art berücksichtigen,<br />
bei der als Ausgangspunkt eine Gluonverteilung f q<br />
(0) (ξ) steht, das Gluon in ein q¯q-<br />
Paar fluktuiert und das Elektron dann elektromagnetisch an einem der Quarks streut.<br />
– preliminary –<br />
(II.171)<br />
116
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
Dementsprechend lässt sich das Diagramm wieder in 2 Beiträge faktorisieren:<br />
• Wenn das gestreute Quark einen großen Transversalimpuls hat, betrachten wir<br />
das Diagramm als Beitrag zur harten Amplitude eg → qq, die wir durch eine<br />
Koeffizientenfunktion C (1)g<br />
2 (x/ξ) beschreiben, die mit der Gluonverteilung f g<br />
(0) (ξ)<br />
gefaltet wird.<br />
• Wenn das gestreute Quark einen kleinen Transversalimpuls hat, betrachten wir das<br />
Diagramm als Beitrag der ursprünglichen Gluon PDF f g (0) (ξ) zur Korrektur f q<br />
(1) (ξ)<br />
des entsprechenden Quarks, welche wie vorher mit der LO Koeffizientenfunktion<br />
C (0)q<br />
2 (x/ξ) gefaltet wird.<br />
Die entsprechend komplettierte Faktorisierungsformel (mit entsprechend angepasster Notation)<br />
für die Strukturfunktion F 2 (x, Q 2 ) lautet dann<br />
F 2 (x, Q 2 ) = x ∑ q<br />
{ ∫ ( )<br />
1<br />
e 2 dξ<br />
q<br />
x ξ f q(ξ, µ F ) C q x<br />
2<br />
ξ , Q2<br />
µ 2 F<br />
∫ ( )}<br />
1<br />
dξ<br />
+<br />
x ξ f g(ξ, µ F ) C g x<br />
2<br />
ξ , Q2<br />
µ 2 F<br />
(II.172)<br />
Hierbei definiert die kollineare Divergenz für das Gluon-Splitting g → q¯q wieder gerade<br />
den gluonischen Beitrag zu f (1) (ξ, µ F ), so dass im MS-Schema<br />
f (1)<br />
q (ξ, µ F ) = f q<br />
(0) (ξ)<br />
+ α (<br />
s<br />
− 1ˆɛ<br />
) ∫ 1<br />
dξ ′ {<br />
2π<br />
ξ ′<br />
q<br />
ξ<br />
}<br />
qq (ξ/ξ ′ ) f q (0) (ξ ′ ) + P qg (0) (ξ/ξ ′ ) f g (0) (ξ ′ )<br />
P (0)<br />
+ O(α 2 s) (II.173)<br />
Die Splitting-Funktion für Gluonen in Quarks (oder Antiquarks) lässt sich dabei wieder<br />
aus der kollinearen Divergenz des obigen Diagramms ablesen und ergibt sich zu<br />
P qg (0) (z) = 1 [<br />
z 2 + (1 − z) 2]<br />
2<br />
(II.174)<br />
(Die Symmetrie bzgl. z → (1 − z) spiegelt die Äquivalenz von Quarks und Antiquarks<br />
in g → q¯q wider.)<br />
Für eine gegebene wechselwirkende Theorie können wir also offensichtlich ganz allgemein<br />
alle möglichen, sog. “Altarelli-Parisi”-Splittingfunktionen definieren und berechnen.<br />
Dabei beschreibt P ij (z) jeweils die Wahrscheinlichkeit, durch kollineares Splitting<br />
ein Parton i mit Impulsbruchteil z vom ursprünglichen Parton j zu generieren. Für die<br />
QCD erhalten wir dann neben den bereits diskutierten Splitting-Funktionen P qq (z) und<br />
P qg (z) auch noch<br />
– preliminary –<br />
117
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
[<br />
P gg (0)<br />
z<br />
(z) = 2C A + 1 − z<br />
[1 − z] + z<br />
P gq (0) 1 + (1 − z) 2<br />
(z) = C F<br />
z<br />
]<br />
+ z(1 − z) + 11C A − 2n f<br />
δ(1 − z) aus g → gg<br />
6<br />
aus q → gq<br />
(II.175)<br />
Die Tatsache, dass die Splitting-Funktionen in Gluonen wie 1/z divergieren hat die<br />
phänomenologisch wichtige Konsequenz, dass die Gluon-PDFs bei kleinen Werten von<br />
ξ stärker als 1/ξ anwachsen (siehe Diskussion weiter unten). Man beachte, dass der<br />
zweite Term in P gg gerade dem führenden Koeffizienten der QCD β-Funktion entspricht,<br />
und dass der Ausdruck für P qg aus P qq folgt, wenn man z → (1 − z) ersetzt und den<br />
Selbstenergiebeitrag proportinal zu δ(1 − z) weglässt.<br />
II.6.4 Skalenverletzung und DGLAP-Evolutionsgleichungen<br />
Auf der Basis der kompletten Faktorisierungsformel können wir nun die Verletzung des<br />
Bjorken-Scaling in der Strukturfunktion F 2 (x, Q 2 ) quantitativ beschreiben. Betrachten<br />
wir nämlich die (logarithmische) Q 2 -Abhängigkeit von F 2 , so erhalten wir<br />
Q 2 ∂<br />
∂Q 2 F 2(x, Q 2 ) = x ∑ { ∫ ( )<br />
}<br />
1<br />
e 2 dξ<br />
q<br />
q ξ ξ f ∂ x<br />
q(ξ, µ F )<br />
∂ ln Q 2 Cq 2<br />
ξ , Q2<br />
+ gluonisch<br />
µ F<br />
= x ∑ { ∫ ( )<br />
}<br />
1<br />
e 2 dξ<br />
q<br />
q ξ ξ f −∂<br />
q(ξ, µ F )<br />
∂ ln µ 2 C q x<br />
2<br />
F<br />
ξ , Q2<br />
+ gluonisch<br />
µ F<br />
(II.176)<br />
Hierbei haben wir benutzt, dass die PDFs in der Faktorisierungsformel nur von µ F (aber<br />
nicht von Q) abhängen und dass die Koeffizientenfunktionen nur vom dimensionslosen<br />
Verhältnis Q 2 /µ 2 F abhängen können. Weiterhin erfüllt F 2(x, Q 2 ) aber die RG-Gleichung,<br />
∂<br />
0 =<br />
∂ ln µ 2 F 2 (x, Q 2 )<br />
F<br />
= x ∑ ∫ {( ) ( ) }<br />
1<br />
e 2 dξ ∂<br />
q<br />
q x ξ ∂ ln µ 2 f q C q ∂<br />
2 + f q<br />
F<br />
∂ ln µ 2 C q + gluonisch<br />
F<br />
Durch Kombination der beiden Gleichung erhalten wir also<br />
(II.177)<br />
– preliminary –<br />
Q 2<br />
∂<br />
∂Q 2 F 2(x, Q 2 ) = x ∑ q<br />
{ ∫ ( ) ( )<br />
}<br />
1<br />
e 2 dξ ∂<br />
q<br />
ξ ξ ∂ ln µ 2 f q (ξ, µ F ) C q x<br />
2<br />
F<br />
ξ , Q2<br />
+ gluonisch<br />
µ F<br />
(II.178)<br />
so dass die Q 2 -Abhängigkeit der Strukturfunktionen gerade durch die µ-Abhängigkeit<br />
der PDFs beschrieben wird. Letztere wiederum folgt aus den Splitting-Funktionen, die<br />
die kollinear divergenten Beiträge zu den Koeffizientenfunktionen beschreiben.<br />
118
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
II.6.4.1 DGLAP-Gleichungen<br />
Die Evolutionsgleichungen für die Partonverteilungsfunktionen (nach Dokshitzer, Gribov-<br />
Lipatov, Altarelli-Parisi als DGLAP-Gleichungen benannt) folgen aus der Zerlegung<br />
der störungstheoretischen Entwicklung der Quark und Gluon-PDFs nach Absorption<br />
der entsprechenden kollinearen Divergenzen. Bei der Berechnung von<br />
∂f i<br />
∂ ln µ 2 F<br />
setzen wir<br />
die Renormierungsskala für α s = α s (µ R ) und die Faktorisierungsskala µ F gleich und<br />
schreiben µ = µ R = µ F . Dann gilt<br />
so dass<br />
( )<br />
∂ fq (ξ, µ)<br />
∂ ln µ 2 = α ∫<br />
s(µ) 1<br />
f g (ξ, µ) 2π ξ<br />
∂α s (µ)<br />
lim<br />
(− 1ˆɛ<br />
)<br />
(<br />
ɛ→0 ∂ ln µ 2 = lim(−ɛα s ) − 1ˆɛ<br />
)<br />
= α s (µ) , (II.179)<br />
ɛ→0<br />
+ O(α 2 s)<br />
dξ ′ (<br />
ξ ′<br />
P qq (0) (ξ/ξ ′ ) P qg (0) ) ( )<br />
(ξ/ξ ′ ) fq (ξ ′ , µ)<br />
∑q,¯q P gq (0) (ξ/ξ ′ ) P gg (0) (ξ/ξ ′ ) f g (ξ ′ , µ)<br />
(II.180)<br />
Hierbei ist zu beachten, dass der Beitrag zur Gluonverteilung die Summe über alle<br />
Quarks (und Antiquarks) enthält.<br />
Für die folgende Diskussion ist es günstig, die Quark und Antiquarkverteilungen in sog.<br />
Singulett– und Nicht-Singulett–(Valenz–)Beiträge zu unterteilen<br />
Nicht-Singulett:<br />
Singulett:<br />
f val<br />
q = f q − f¯q (oder auch f u − f d , f u + f d − 2f s etc.) (II.181)<br />
f Σ = ∑ q<br />
(f q + f¯q ) (II.182)<br />
In den Nicht-Singulett-Kombinationen kürzt sich der gluonische Beitrag gerade heraus,<br />
so dass sich die DGLAP-Gleichungen vereinfachen zu<br />
∂<br />
∂ ln µ 2 f q<br />
val (ξ, µ) ≃ α s(µ)<br />
2π<br />
∫ 1<br />
ξ<br />
dξ ′ ( ) ξ<br />
ξ ′ P qq<br />
(0)<br />
ξ ′<br />
– preliminary –<br />
f val<br />
q (ξ ′ , µ) (II.183)<br />
Die Singulett-Kombination, welche den “See” von q¯q-Paaren beschreibt, mischt dagegen<br />
mit der Gluon-PDF gemäß<br />
( )<br />
∂ fΣ (ξ, µ)<br />
∂ ln µ 2 ≃ α ∫<br />
s(µ) 1<br />
f g (ξ, µ) 2π ξ<br />
Bemerkungen:<br />
dξ ′ (<br />
(0) P qq (ξ/ξ ′ ) 2n f P (0) ) ( )<br />
qg (ξ/ξ ′ ) fΣ (ξ ′ , µ)<br />
ξ ′ P gq (0) (ξ/ξ ′ ) P gg (0) (ξ/ξ ′ ) f g (ξ ′ , µ)<br />
(II.184)<br />
• Die P (0)<br />
ij<br />
in den DGLAP-Gleichungen sind unabhängig vom Ren.Schema.<br />
119
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
• Die exakte Definition der PDFs f i (ξ, µ) ist aber Ren.Schemen-abhängig.<br />
• Die Splitting-Funktionen selbst erhalten (berechenbare) Korrekturen höherer Ordnung<br />
P ij (z) = P (0) αs<br />
ij (z) + ij (z) + . . .<br />
2π P (1)<br />
Für die phänomenologische Anwendung der DGLAP-Gleichungen, müssen wir also folgende<br />
Prozedur lösen:<br />
1. Finde einen (sinnvollen) Ansatz für die PDFs f i (ξ, µ 0 ) bei einer Referenzskala µ 0<br />
(z.B. µ 0 = 4 GeV)<br />
2. Evolviere die PDFs zu µ ∼ √ Q 2 . Damit werden große Logarithmen αs n ln n Q2<br />
µ 2 0<br />
die PDFs resummiert (vergleiche Diskussion für Sudakov-Formfaktor).<br />
3. Einsetzen der so gewonnen PDFs in die Faktorisierungsformel für F 2 (x, Q 2 ).<br />
4. Vergleich mit experimentellen Daten → Fit der Parameter im Ansatz (Schritt 1).<br />
Dazu benötigen wir offensichtlich (numerische oder analytische) Lösungen der DGLAP-<br />
Gleichungen.<br />
II.6.4.2 Lösung der DGLAP-Gleichungen<br />
Prinzipiell (und auch häufig in der Praxis) kann man die DGLAP-Gleichungen numerisch<br />
lösen. Analytische Aussagen lassen sich insbesondere durch die Betrachtung von sog.<br />
“Mellin-Momenten” der Partonverteilungen gewinnen. Dazu definieren wir z.B.<br />
F val (N, µ) ≡<br />
– preliminary –<br />
∫ 1<br />
0<br />
dξ ξ N−1 f val (ξ, µ)<br />
in<br />
(II.185)<br />
Für die so definierten Mellin-Momente folgt dann eine einfache RG-Gleichung gemäß<br />
∂<br />
∂ ln µ 2 F val(N, µ) = α s<br />
2π<br />
= α s<br />
2π<br />
∫ 1<br />
0<br />
∫ 1<br />
∫ 1<br />
dξ ξ N−1 dξ ′<br />
0<br />
} {{ }<br />
0<br />
dξ ′ (ξ ′ ) N−1 f val (ξ ′ , µ)<br />
ξ ′ θ(ξ ′ − ξ) P qq (ξ/ξ ′ ) f val (ξ ′ , µ)<br />
·<br />
∫ 1<br />
dz z N−1 P qq (z)<br />
0<br />
} {{ }<br />
F val (N, µ) · γ qq (N) (II.186)<br />
D.h. im Mellin-Raum nimmt die DGL wieder die aus der lokalen OPE bekannte Form<br />
an, wobei sich die anomalen Dimensionen als Mellin-Momente der Splitting-Funktionen<br />
ergeben. Die Lösung in der Leading-Log-Approximation lautet dann einfach wieder,<br />
F val (N, µ) =<br />
( ) αs (µ) −γqq(N)/|β0 |<br />
F val (N, µ 0 ) .<br />
α s (µ 0 )<br />
(II.187)<br />
120
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
Wir können die Mellin-Transformation auch direkt auf die Struktur-Funktionen anwenden<br />
(was natürlich verlangt, dass wir diese bei gegebenem Q 2 über den gesamten x-<br />
Bereich vermessen haben),<br />
˜F 2 (N, Q 2 ) ≡<br />
=<br />
∫ 1<br />
0<br />
∫ 1<br />
0<br />
dx x N−1 F 2 (x, Q 2 )<br />
dx x N ∑ { ∫ ( )<br />
}<br />
1<br />
e 2 dξ<br />
q<br />
q 0 ξ θ(ξ − x) f q(ξ, µ) C q x<br />
2<br />
ξ , Q2<br />
µ 2 + gluonisch<br />
(II.188)<br />
Mit den gleichen Umformungen wie vorher faktorisieren die Mellin-Momente der Strukturfunktion<br />
wieder in Mellin-Momente der PDFs und (berechenbare) Mellin-Momente<br />
der Koeffizientenfunktionen,<br />
˜F 2 (N, Q 2 ) = ∑ q<br />
{<br />
∫ 1<br />
}<br />
e 2 q F q (N + 1, µ) dz z N C q 2 (z, Q2 /µ 2 ) + gluonisch<br />
0<br />
(II.189)<br />
In der Praxis kann man so eine Handvoll Momente, für die die experimentellen Daten<br />
ausreichend genaue Messungen ergeben, an die entsprechenden Mellin-Momente der<br />
PDFs fitten.<br />
Beispiel: N = 1<br />
• Für die Valenzquarks ergibt sich<br />
γ qq (N = 1) ≡ 0 ,<br />
was wir ja bereits als physikalische Bedingung (Ladungserhaltung) bei der Bestimmung<br />
von P qq (z) verwendet hatten. D.h. insbesondere, dass die Valenzverteilungen<br />
normierbar sind und somit bei ξ → 0 schwächer als 1/ξ divergieren.<br />
– preliminary –<br />
• In den entsprechenden Momenten für die See-Quarks und die Gluonen ergibt sich,<br />
dass γ gq (N = 1) und γ gg (N = 1) divergieren, aufgrund der 1/z-Terme in den<br />
entsprechenden Splittingfunktionen (s.o.). Die entsprechenden PDFs wachsen deshalb<br />
bei kleinen Impulsanteilen ξ stark an.<br />
In der Praxis zeichnet man meistens das Produkt x f i (x). Qualitativ ergibt sich<br />
damit folgendes Verhalten:<br />
121
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Beispiel: N = 2<br />
• Für die Valenzverteilung ergibt sich (siehe auch Übung)<br />
γ qq (N = 2) =<br />
∫ 1<br />
Das Vorzeichen von γ qq (2) impliziert, dass<br />
weil α s (µ)/α s (µ 0 ) < 1.<br />
– preliminary –<br />
0<br />
dz z P qq (0) (z) = − 4 3 C F < 0 .<br />
F val (N = 2, µ) < F val (N = 2, µ 0 < µ) ,<br />
(II.190)<br />
D.h. dass die Valenzquarks im Mittel kleinere Impulsanteile ξ haben, wenn die Faktorisierungsskala<br />
größer wird, was intuitiv klar ist, denn dann steht mehr Energie<br />
für Seequarks und Gluonen zur Verfügung.<br />
Somit erwarten wir folgendes Verhalten, wenn wir die Valenz-PDFs von Up- und<br />
Down-Quarks bei verschiedenen Werten von µ 2 = Q 2 vergleichen:<br />
122
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
d.h. die Verteilung verschiebt sich (leicht) zu kleineren Werten von x.<br />
• Für das gekoppelte System aus Seequarks und Gluonen sind die anomalen Dimensionen<br />
der Mellin-Momente für N ≥ 2 endlich, und speziell für N = 2 lautet die<br />
DGL (siehe Übung)<br />
( )<br />
∂ FΣ (2, µ)<br />
∂ ln µ 2 = α (<br />
s −<br />
4<br />
3 C 1<br />
F 3 n f<br />
4<br />
F g (2, µ) 2π 3 C F − 1 3 n f<br />
Die Eigenvektoren lauten<br />
– F Σ + F g mit Eigenwert Null.<br />
– F Σ − n f<br />
4C F<br />
F g mit Eigenwert −( 4 3 C F + 1 3 n f ) < 0<br />
Das heisst, dass<br />
– Die Summe von F Σ (2) + F g (2) ist RG-invariant,<br />
) (<br />
FΣ (2, µ)<br />
F g (2, µ)<br />
F Σ (2, µ) + F g (2, µ) = F Σ (2, µ 0 ) + F g (2, µ 0 ) ,<br />
was gerade der Erhaltung des Gesamtimpulses entspricht.<br />
– preliminary –<br />
)<br />
(II.191)<br />
– Die Kombination F Σ − n f<br />
4C F<br />
F g geht für große Skalen µ → ∞ asymptotisch<br />
gegen Null, d.h. das Verhältnis der beiden Momente strebt gegen eine Konstante,<br />
µ→∞<br />
n f<br />
F Σ (2, µ)<br />
lim<br />
F g (2, µ) = = 3n f<br />
= O(1) (II.192)<br />
4C F 16<br />
Das ist konsistent mit der empirischen Beobachtung, dass die Quarks und<br />
Gluonen in etwa jeweils 50% des Protonimpulses tragen.<br />
II.6.4.3 “Polarisierte Partonverteilungen”<br />
Bisher hatten wir bei der Betrachtung der Wirkungsquerschnitte für die tief-inelastische<br />
Elektron-Proton-Streuung über die Spinfreiheitsgrade der Protonen und Elektronen gemittelt.<br />
Experimentell lässt sich aber auch separat der Wirkungsquerschnitt für verschieden<br />
relativ zueinander polarisierte Elektronen und Protonen messen. Über das Partonbild<br />
kann man daraus Rückschlüsse über die Spin-Korrelationen der Quarks im Proton erhalten<br />
(manchmal wird das etwas ungenau als “spin content of the nucleon” tituliert).<br />
Wir stellen hier kurz die wesentlichen Ergebnisse zusammen.<br />
Als Messgröße definieren wir also eine Spin-Asymmetrie<br />
A(x, Q 2 ) ≡ dσ↑↓ − dσ ↑↑<br />
dσ ↑↓ + dσ ↑↑<br />
(II.193)<br />
wobei dσ ↑↓ = dσ ↓↑ den differentiellen Wirkungsquerschnitt für entgegengesetzt polarisierte<br />
Protonen und Elektronen, und dσ ↑↑ = dσ ↓↓ den differentiellen Wirkungsquerschnitt<br />
für gleich polarisierte Protonen und Elektronen bezeichnet. Die Summe der bei-<br />
123
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
den Fälle ergibt gerade den bisherigen (unpolarisierten) Fall. Die Differenz der Wirkungsquerschnitte<br />
können wir wieder durch Strukturfunktionen ausdrücken,<br />
d 2 σ ↑↓ − d 2 σ ↑↑<br />
[<br />
= 8πα2 mE<br />
dx dy Q 4 (2y − y 2 − mxy2<br />
E ) 2x g 1(x, Q 2 ) − 4m ]<br />
E x2 y g 2 (x, Q 2 ) ,<br />
(II.194)<br />
was für m/E → 0 durch die Strukturfunktion g 1 (x, Q 2 ) dominiert ist. Im Wesentlichen<br />
misst die Spin-Asymmetrie dann gerade das Verhältnis zweier Strukturfunktionen<br />
A(x, Q 2 ) ≃ g 1(x, Q 2 )<br />
F 1 (x, Q 2 )<br />
(II.195)<br />
Im Partonbild lässt sich die Asymmetrie auf die Streuung an polarisierten Quarks zurückführen.<br />
Dazu müssen wir die Partonverteilung entsprechend spezifizieren für Quarks die<br />
parallel oder anti-parallel zum Proton polarisiert sind,<br />
• f ↑ q (ξ): Wahrscheinlichkeit für Quark mit Impulsbruchteil ξ und Spin parallel zum<br />
Proton.<br />
• f ↓ q (ξ): Wahrscheinlichkeit für Quark mit Impulsbruchteil ξ und Spin anti-parallel<br />
zum Proton.<br />
Entsprechend definieren wir<br />
f q = fq ↑ + fq ↓ (unpolarisierte PDFs)∆f q = fq ↑ − fq ↓ (polarisierte PDFs)<br />
(II.196)<br />
Dann ergibt sich für die Strukturfunktionen in LO (naives Partonbild) gerade<br />
F 1 (x) ≃ 1 ∑<br />
e 2 q [f q (x) + f¯q (x)] ,<br />
2<br />
g 1 (x) ≃ 1 2<br />
q<br />
∑<br />
q<br />
e 2 q [∆f q (x) + ∆f¯q (x)] ,<br />
(II.197)<br />
Die Operatordefinition der polarisierten PDFs ergibt sich analog zum unpolarisierten<br />
Fall, mit dem einzigen Unterschied, dass nun anstelle des Vektorstroms der (mit n µ<br />
projizierte) Axialvektorstrom auftaucht, so dass Quarks mit verschiedener Chiralität<br />
mit unterschiedlichem Vorzeichen gezählt werden,<br />
∫ dλ<br />
∆f q (x) =<br />
4π e−iλx 〈p|¯q(λn) /nγ 5 q(0)|p〉 spin−avg .<br />
(II.198)<br />
Die ersten Momente der polarisierten PDFs entsprechen dann wieder Matrixelementen<br />
von lokalen Operatoren 〈p|¯q/nγ 5 q|p〉, welche unter Verwendung der SU(3)-Flavoursymmetrie<br />
für das leichteste Baryon-Oktett mit den Axialvektor-Kopplungskonstanten in Hyperon-<br />
Zerfällen in Beziehung gesetzt werden können. Aus der Kombination dieser Daten mit<br />
den Ergebnissen der polarisierten Elektron-Proton–Streuung ergibt sich, dass der Beitrag<br />
der Quarks in ∆f q zum Gesamtspin des Protons relativ klein ist. Demnach muss ein erheblicher<br />
Anteil des Spins wieder von Gluonen und/oder vom Bahndrehimpuls der Quarks<br />
(d.h. der Bewegung senkrecht zur Impulsrichtung des Protons) herrühren.<br />
– preliminary –<br />
124
II.6 Tief-inelastische e − p–Streuung in der QCD<br />
II.6.4.4 Verwandte Größen<br />
Der spezielle und wesentliche Aspekt der tief-inelastischen Streuung war die Identifikation<br />
der Lichtkegel-Kinematik für Prozesse mit kollinearen Partonen in Hadronen. Daraus<br />
resultierte die Faktorisierung von kurz- und langreichtweitiger <strong>Physik</strong> mittels der<br />
Lichtkegel-OPE, so dass die relevante hadronische Information durch nicht-lokalen Operatoren<br />
z.B. der Form<br />
O = ¯q(λn) /n Γ [Wilson-Linie] q(0)<br />
oder Operatoren mit anderen/mehr Feldern und/oder mehr Ableitungen repräsentiert<br />
wird. Die Partonverteilungsfunktion ergaben sich dabei als Fourier-Transformierte des<br />
Matrixelements des Lichtkegeloperators zwischen zwei (identischen) Protonzuständen,<br />
PDF = F.T. 〈p|O|p〉 . (II.199)<br />
Die gleiche Lichtkegelkinematik und die gleiche Art von Operatoren tritt aber z.B. auch<br />
in hadronischen Zerfällen von schweren B-Meson in leichte Hadronen, z.B. ππ, auf. Wie<br />
wir im entsprechenden Kapitel diskutiert hatten, beinhalten die entsprechenden Faktorisierungstheoreme<br />
Informationen über die Impulsverteilung von q¯q-Paaren im Pion.<br />
Diese können als sog. “Lichtkegeldistributionsamplituden” (light-cone distribution<br />
amplitudes – LCDAs) als Operatormatrixelemente,<br />
Pion-LCDA = F.T. 〈π|O|0〉 , (II.200)<br />
definiert werden, d.h. der Anfangs- und Endzustand im Operatormatrixelement sind nun<br />
verschieden, und die Interpretation im Partonbild ist ebenfalls unterschiedlich.<br />
Wir können das noch weiter verallgemeinern für beliebige Anfangs- und Endzustände,<br />
GPD = F.T. 〈p ′ |O|p〉 , (II.201)<br />
was sog. “verallgemeinerten Partonverteilungen” (generalized parton distributions – GPDs)<br />
entspricht. Oder auch<br />
GDA = F.T. 〈ππ|O|0〉 , (II.202)<br />
für hadronische Zustände mit mehr als einem Teilchen (→ generalized distribution amplitudes<br />
– GDAs).<br />
In all diesen Fällen kann die Evolution der entsprechenden Matrixelemente aus der<br />
Renormierung des Operators O abgeleitet werden. Hierbei sind aber die unterschiedlichen<br />
kinematischen Fälle zu unterscheiden:<br />
• Beschreibt der Operator der Übergang eines Quarks mit Impuls ξp in ein Quark<br />
mit ξ ′ p ′ , so ergibt sich eine Struktur ähnlich wie in der tief-inelastischen Streuung<br />
(DGLAP-Region).<br />
– preliminary –<br />
• Beschreibt der Operator die Vernichtung eines Quark-Antiquark-Paars mit Impulsen<br />
ξp und (1 − ξ)p, so ergibt sich die Evolutionsgleichung für LCDAs, die<br />
z.B. in B → ππ relevant ist (ERBL-Region, nach Efremov-Radyushkin-Brodsky-<br />
Lepage).<br />
125
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />
II.7.1 IR-Divergenzen und Jet-Definition<br />
Wir hatten bereits die Vernichtung von e + e − –Paaren in hadronische Endzustände diskutiert<br />
und den totalen Wirkungsquerschnitt bestimmt. Bezüglich der Quantenkorrekturen<br />
durch die starke Wechselwirkung hatten wir argumentiert, dass – so lange wir uns nicht<br />
auf spezifische Eigenschaften des Endzustands konzentrieren – die Details der Hadronisierung<br />
des aus dem elementaren QED-Prozess resultierenden Quark-Antiquark–Paars<br />
nicht benötigt werden, um die α s –Korrekturen zu σ tot auszurechnen. D.h. der totale<br />
Wirkungsquerschnitt ergibt sich aus der Summe der partonischen Wirkungsquerschnitte,<br />
σ(e + e − → hadrons) = σ(e + e − → q¯q) + σ(e + e − → q¯qg) + σ(e + e − → q¯qgg) + . . .<br />
(II.203)<br />
die wir mittels QCD-Störungstheorie ausrechnen. Wir betrachten dabei q 2 gross, d.h.<br />
die Teilchen im Endzustand haben i.A. große Energie, so dass wir deren Masse vernachlässigen<br />
können. Durch Betrachten der beitragenden Feynman-Diagramme ergibt sich<br />
offensichtlich<br />
σ(e + e − → q¯q) = σ 0 + α s<br />
σ(e + e − → q¯qg) = 0 + α s<br />
1 + . . . ,<br />
2π σvirtuell<br />
2π σreeell<br />
1 + . . . ,<br />
. . . (II.204)<br />
Wir wissen bereits aus der Berechnung der QED-Korrekturen zur Elektron-Myon–Streuung,<br />
dass sich in diesem Fall IR-Divergenzen ergeben, die zum einen von der Schleifenintegration<br />
in den virtuellen Korrekturen (z.B. zu e + e − → q¯q), zum anderen aus der Phasenraumintegration<br />
der reellen Korrekturen (z.B. e + e − → q¯qg) resultieren:<br />
• “kollineare Divergenzen” treten auf, wenn die Impulse zweier Teilchen parallel<br />
zueinander sind,<br />
• “softe Divergenzen” treten auf, wenn Energie/Impuls eines Teilchens gegen Null<br />
geht.<br />
Im totalen Wirkungsquerschnitt fallen diese IR-Divergenzen heraus — die individuellen<br />
Wirkungsquerschnitte in (II.203) sind allerdings nur mit einem IR-Regulator definiert.<br />
Auf der experimentellen Seite kann man analog den totalen Wirkungsquerschnitt als<br />
Summe von 2-Jet-, 3-Jet, 4-Jet, etc. - Raten auffassen, wobei die genaue Unterscheidung<br />
zwischen n-Jet und (n-1)-Jet-Raten noch zu definieren ist (wie wir sehen werden,<br />
hängt die Freiheit in der Jet-Definition mit der Ambiguität der IR-Regularisierung im<br />
Partonbild zusammen).<br />
Wir rekapitulieren im Folgenden die Berechnung der partonischen Wirkungsquerschnitte:<br />
– preliminary –<br />
• In führender Ordnung gibt es nur den WQ für e + e − → q¯q mit<br />
R (0) (q 2 ) = − 1<br />
∑<br />
3q 2 Rµ µ (0) (q 2 ) = N C Q 2 f .<br />
f<br />
126
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />
• Die reellen Korrekturen der Ordnung α s entsprechen dem Betragsquadrat der Amplitude für den<br />
Prozess e + e − → q¯qg, wobei das Gluon entweder vom Quark oder vom Antiquark abgestrahlt<br />
werden kann. Durch Anwenden der Feynman-Regeln ergibt sich<br />
R (reell) (q 2 ) = − 1<br />
3q 2 Rµ µ (reell) (q 2 ) = − 1<br />
∑ 3q 6π 2 g2 s trT A T a f<br />
[ tr(γ µ (p/ 1 + k/)γ ρ p/ 1γ σ (p/ 1 + k/)γ µp/ 2)<br />
×<br />
[(p 1 + k) 2 ] 2<br />
Hierbei ist<br />
∫<br />
dLiPS(p 1, p 2, k) =<br />
+ tr(γµ p/ 1γ µ(−p/ 2 + k/)γ ρ p/ 2γ σ (−p/ 2 − k/))<br />
[(p 2 + k) 2 ] 2<br />
+ tr(γµ p/ 1γ ρ (p/ 1 + k/)γ µp/ 2γ σ (−p/ 2 − k/))<br />
[(p 1 + k) 2 (−p 2 − k) 2 ]<br />
]<br />
+ tr(γµ (p/ 1 + k/)γ ρ p/ 1γ µ(−p/ 2 − k/)γ σ p/ 2) ∑<br />
[(p 1 + k) 2 (−p 2 − k) 2 ]<br />
λ<br />
∫<br />
– preliminary –<br />
Q 2 f<br />
∫<br />
dLiPS(p 1, p 2, k)<br />
ɛ ρ(λ)ɛ ∗ σ(λ)<br />
d 3 p 1 d 3 p 2 d 3 k<br />
(2π) 3 2p 0 1 (2π) 3 2p 0 2 (2π) 3 2k 0 (2π)4 δ (4) (q − p 1 − p 2 − k)<br />
(II.205)<br />
(II.206)<br />
der Phasenraumfaktor mit der Impulserhaltung. Weiterhin ergibt die Spur über die Farbfreiheitsgrade<br />
tr[T A T A ] = C F N C, und die Summe über die Gluonpolarisationen kann (da die unphysikalischen<br />
Polarisationen sowieso nicht beitragen) durch ∑ λ ɛρ(λ)ɛ∗ σ(λ) = −η ρσ ersetzt werden.<br />
Zur Beschreibung der Kinematik für masselose Teilchen vereinfachen sich die Ausdrücke<br />
erheblich, wenn man folgende dimensionslose Größen einführt:<br />
x 1,2 = 2 p 1,2 · q<br />
q 2<br />
→ 2E q,¯q<br />
√ , s<br />
x 3 = 2 k · q<br />
q 2<br />
→ 2E g<br />
√ , s<br />
(II.207)<br />
welche, wie angegeben, im Schwerpunktsystem gerade die auf die Gesamtenergie bezogenen<br />
Energiebruchteile bezeichnen. Damit ergibt sich für die diversen Skalarprodukte<br />
mit<br />
k · p 1 = 1 2 (k + p 1) 2 = 1 2 (q − p 2) 2 = q2<br />
2 (1 − x 2) ,<br />
k · p 2 = 1 2 (k + p 2) 2 = 1 2 (q − p 1) 2 = q2<br />
2 (1 − x 1) ,<br />
p 1 · p 2 = q2<br />
2 (1 − x 3) , (II.208)<br />
x 1 + x 2 + x 3 = 2(p 1 + p 2 + k) · q<br />
q 2 = 2 . (II.209)<br />
127
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
→ Übung<br />
Nach Ausführung der Dirac-Spuren und Kontraktion der Lorentz-Indizes ergibt sich<br />
daraus<br />
R (reell) (q 2 ∑<br />
∫<br />
) = N C Q 2 F gsC 2 −6π<br />
F<br />
3q 2 dLiPS(x 1 , x 2 , x 3 )<br />
f<br />
[<br />
× − 8(1 − x 1)<br />
− 8(1 − x 2)<br />
+ 16(1 − x ]<br />
1 − x 2 )<br />
1 − x 2 1 − x 1 (1 − x 1 )(1 − x 2 )<br />
∫<br />
= R (0) gsC 2 16π<br />
x 2 1 F<br />
q 2 dLiPS(x 1 , x 2 , x 3 )<br />
+ x2 2<br />
(1 − x 1 )(1 − x 2 ) . (II.210)<br />
Die Phasenraumintegration kann man bis auf x 1 und x 2 explizit ausführen,<br />
∫<br />
dLiPS(x 1 , x 2 , x 3 ) →<br />
128π 3<br />
und somit ergibt sich schließlich<br />
R (reell) (q 2 ) = R (0) (q 2 ) α sC F<br />
2π<br />
– preliminary –<br />
∫<br />
q2<br />
0≤x 1 ,x 2 ≤1, x 1 +x 2 ≥1<br />
∫<br />
0≤x 1 ,x 2 ≤1, x 1 +x 2 ≥1<br />
Offensichtlich divergiert das Integral bei x 1 → 1 und/oder x 2 → 1.<br />
Skizze des Phasenraums in der x 1 –x 2 –Ebene (→ Übung)<br />
(a) Für x 1 → 1 und x 2 → 1:<br />
dx 1 dx 2<br />
(II.211)<br />
dx 1 dx 2<br />
x 2 1 + x2 2<br />
(1 − x 1 )(1 − x 2 ) . (II.212)<br />
Folgt x 3 → 0, d.h. die Gluonenergie verschwindet; man sagt das Gluon ist weich<br />
(“soft”) und deshalb spricht man von der soften Divergenz im Phasenraumintegral.<br />
(b) Für x 1 → 1 und x 2 ≠ 1:<br />
Gilt<br />
k · p 2 = E k E 2 (1 − cos θ(k, p 2 )) = q2<br />
2 (1 − x 1) → 0<br />
d.h. der Winkel zwischen dem Gluon und dem Antiquark wird Null; d.h. die Impulsvektoren<br />
sind parallel (“kollinear”) und man spricht von der kollinearen Divergenz<br />
im Phasenraumintegral.<br />
128
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />
(c) Analog erhält man eine kollineare Divergenz für x 2 → 1 und x 1 ≠ 1, bei der das<br />
Gluon parallel zum Quark abgestrahlt wird.<br />
Interpretation: In allen 3 Fällen werden wir im Experiment den Phasenraumbereich,<br />
bei denen die soften oder kollinearen Divergenzen auftreten, nicht von einem Ereignis<br />
der Form e + e − → q¯q unterscheiden können. Das Argument hatten wir bereits bei den<br />
QED-Korrekturen zur Elektron-Myon–Streuung verwendet.<br />
In der QCD müssen wir zusätzlich berücksichtigen, dass die erzeugten Quarks und Gluonen<br />
hadronisieren, d.h.<br />
• Ereignisse e + e − → q¯q sind der Ausgangspunkt für hadronische Endzustände, bei<br />
denen die Teilchen in 2 hadronischen “Jets” gebündelt sind, die (im Schwerpunktsystem)<br />
in entgegengesetzter Richtung orientiert sind.<br />
• Ereignisse e + e − → q¯qg mit x 1,2 “genügend” weit entfernt vom Phasenraumbereich<br />
mit kollinearen oder soften Divergenzen, werden als 3-Jet Ereignisse beobachtet.<br />
• Die Endpunktbereiche des Phasenraums für e + e − → q¯qg tragen zu den 2-Jet<br />
Ereignissen bei und müssen mit den virtuellen Korrekturen zu e + e − → q¯q kombiniert<br />
werden, um IR-endliche Vorhersagen zu erhalten.<br />
Offensichtlich ist in dieser Bestimmung ein gewisser Grad an Willkür, d.h. wir müssen<br />
zunächst eine genaue Definition geben, was wir unter einem 2-, 3-, oder N-Jet–Ereignis<br />
verstehen wollen, welche sich sowohl auf die partonischen Wirkungsquerschnitte als auch<br />
auf die beobachteten hadronischen Ereignisse anwenden lässt.<br />
Für eine sinnvolle Jet-Definition erwarten wir z.B., dass die 3-Jet–Raten in e + e − –<br />
Vernichtung nach Hadronen gegenüber 2-Jet–Raten mit einem Faktor α s (µ) unterdrückt<br />
ist, und wir µ ∼ √ s wählen können. Eine einfache Jet-Definition wird durch den sog.<br />
JADE-Algorithmus gegeben:<br />
• Betrachte alle invarianten Massen (p i + p j ) 2 von Paaren von Teilchen (Partonen in<br />
der störungstheoretischen Rechnung, bzw. Hadronen im Experiment)<br />
• Falls<br />
(p i + p j ) 2 = 2E i E j (1 − cos θ ij ) ≥ y q 2<br />
mit einem vorgegebenen Parameter y, werden die 2 Teilchen als individuelle Jets<br />
gezählt. Anderenfalls gehören sie zu dem gleichen Jet.<br />
– preliminary –<br />
Für unseren Fall können wir also Beiträge zu 2- und 3-Jet–Events unterscheiden gemäß<br />
3-Jet: (p 1 + k) 2 = q 2 (1 − x 2 ) ≥ yq 2<br />
(p 2 + k) 2 = q 2 (1 − x 1 ) ≥ yq 2<br />
(p 1 + p 2 ) 2 = q 2 (x 1 + x 2 − 1) ≥ yq 2<br />
2-Jet: sonst (II.213)<br />
129
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Damit ergibt sich die 3-Jet–Rate in führender Ordnung Störungstheorie zu<br />
R (3-jet)<br />
JADE<br />
= R(0) (q 2 ) α sC F<br />
2π<br />
∫<br />
dx 1 dx 2<br />
x 2 1 + x2 2<br />
(1 − x 1 )(1 − x 2 )<br />
× θ[0 ≤ x 1 , x 2 ≤ 1 − y] θ[x 1 + x 2 > 1 + y]<br />
∫ 1−y<br />
= R (0) (q 2 ) α ∫<br />
sC 1−y<br />
F<br />
x 2 1<br />
dx 2 dx + x2 2<br />
1<br />
2π 2y 1+y−x 2<br />
(1 − x 1 )(1 − x 2 )<br />
= R (0) (q 2 ) α (<br />
( )<br />
sC F<br />
2 ln 2 y<br />
2π 1 − y + (3 − 6y) ln y<br />
y<br />
1 − 2y + 4Li 2<br />
1 − y<br />
+ 5 2 − 6y − 9 )<br />
2 y2 − π2<br />
, (II.214)<br />
3<br />
wobei Li 2 (z) der Polylogarithmus<br />
Li 2 (z) = −<br />
– preliminary –<br />
∫ z<br />
0<br />
ln(1 − ξ)<br />
dξ<br />
ξ<br />
(II.215)<br />
ist. Daraus erhält man die 3- und 2-Jet–Raten in dieser Ordnung Störungstheorie also<br />
f 3 ( √ s, y) ≡ R(3-jet) ( √ s)<br />
R( √ ≃ α (<br />
( )<br />
sC F<br />
2 ln 2 y<br />
s) 2π 1 − y + (3 − 6y) ln y<br />
y<br />
1 − 2y + 4Li 2<br />
1 − y<br />
+ 5 2 − 6y − 9 )<br />
2 y2 − π2<br />
,<br />
3<br />
(II.216)<br />
f 2 ( √ s, y) ≡ R(2-jet) ( √ s)<br />
R( √ ≃ 1 − f 3 ( √ s, y) .<br />
s)<br />
(II.217)<br />
Die 2-Jet–Rate ist hierbei per Konstruktion endlich, wobei wir natürlich benutzt haben,<br />
dass sich im Gesamt-Wirkungsquerschnitt die kollinearen und soften Divergenzen zwischen<br />
reellen und virtuellen Korrekturen aufheben (das hatten wir im QED-Beispiel explizit<br />
gesehen – der QCD–Fall funktioniert analog).<br />
Plotted man dies als Funktion von y ergibt sich folgendes Bild:<br />
130
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />
• Für y → 0 erhalten wir wieder die kollinearen und soften Divergenzen, so dass wir<br />
das physikalisch unsinnige Ergebnis<br />
f 3 → α (<br />
sC F<br />
2 ln 2 y + 3 ln y + 5 )<br />
2π<br />
2 − Π2<br />
3 + . . . → +∞<br />
und f 2 → −∞ erhalten. D.h. in der Praxis muss y groß genug gewählt werden,<br />
so dass zumindest f 3 < f 2 . Bzw., wenn wir beachten, dass die Raten mit ln y 2<br />
divergieren, fordern wir<br />
α s C F<br />
ln 2 y < 1<br />
π<br />
• Für y > 1/3 verschwindet das Integrationsgebiet für die 3-Jet–Rate und f 3 = 0,<br />
d.h. in diesem Bereich wird jedes Ereignis als 2-Jet–Ereignis gezählt.<br />
Die Konstruktion lässt sich offensichtlich auf n-Jet–Raten verallgemeinern: Wir betrachten<br />
dazu ein hadronisches Ereignis mit N Hadronen (bzw. partonischen Endzustand<br />
mit N Quarks oder Gluonen)<br />
1. Bilde<br />
M = min (p i + p j ) 2<br />
i,j<br />
2. Wenn M > ys, dann ist das Ereignis ein N–Jet–Ereignis.<br />
3. Wenn M < ys, dann kombiniere die Teilchen i und j, die das minimale M gebildet<br />
haben, zu einem neuen Quasiteilchen mit Impuls p i + p j .<br />
4. Wiederhole das Verfahren für jetzt N − 1 Teilchen, bis es abbricht (bzw. N = 2)<br />
Die Zahl N ≥ 2 definiert die Anzahl der Jets. Das störungstheoretische Ergebnis für die<br />
(N = n + 2)-Jet–Raten hat dann die allgemeine Form<br />
f n+2 ( √ ( ) αs (µ) n ∑ ∞ ( ) ( ) s<br />
s, y) =<br />
C nk<br />
2π<br />
µ 2 , y αs (µ) k<br />
(II.218)<br />
2π<br />
k=0<br />
mit ∑ ∞<br />
n=2 f n = 1. Für “vernünftige” Werte von y können wir die Logarithmen ln s in<br />
µ 2<br />
den Koeffizienten C nk klein halten, wenn wir µ = √ s wählen. Damit lässt sich umgekehrt<br />
aus der Messung der Jet–Raten bei verschiedenen Werten von s die laufende Kopplung<br />
der QCD testen. Allerdings müssen wir dabei bedenken, dass sich für die Hadronisierung<br />
der Quarks und Gluonen auch nicht-perturbative Korrekturen der Ordnung Λ QCD / √ s<br />
ergeben (für einige Jet-Algorithmen kann man zeigen, dass die Korrekturen erst bei<br />
Λ 2 QCD /s beginnen). In der Praxis werden solche Korrekturen durch Hadronisierungsmodelle<br />
abgeschätzt und sind Teil des systematischen Fehlers.<br />
Abbildungen für Vergleich von Theorie und Experiment in Jet-Raten kann man in dem<br />
Buch von Ellis/Stirling/Webber [6] finden.<br />
Eine Modifikation des JADE-Algorithms, der sog. Durham–Algorithmus, ersetzt die invariante Masse<br />
durch<br />
2 min ( )<br />
Ei 2 , Ej 2 (1 − cos θij) > ys<br />
– preliminary –<br />
mit Energien/Winkeln im Schwerpunktsystem.<br />
131
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
II.7.2 Event-Shapes<br />
Ein wichtiges Theorem der QCD nach Bloch/Nordsieck und Kinoshita/Lee/Nauenberg<br />
besagt:<br />
(→ Übung)<br />
“Für “genügend“ inklusive Observable heben sich die soften und kollinearen<br />
Divergenzen auf”<br />
“Inklusiv” heisst dabei, dass wir keine Details über die spezifische Hadronisierung der<br />
Quarks in der Messgröße berücksichtigen. Der totale Wirkungsquerschnitt ist offensichtlich<br />
eine inklusive Observable.<br />
Wir wollen nun weitere inklusive Observablen konstruieren, die wie der Wirkungsquerschnitt<br />
(bzw. R(s)) für gegebene Schwerpunktsenergie durch eine einfache Zahl dargestellt<br />
werden, aber zusätzlich Information über die Jet–Topologie der Reaktion beinhalten. Um<br />
die Anwendbarkeit des obigen Theorems zu gewährleisten, müssen diese Observablen<br />
“IR-safe” sein. Ein intuitives Kriterium dafür ist, dass<br />
• Observable sind IR-safe, wenn sie sich nicht ändern unter der Ersetzung von 4er-<br />
Impulsen<br />
p i → p j + p k ,<br />
so lange ⃗p j ||⃗p k (kollineare Emission) oder E k ≪ E j (softe Emission).<br />
Beispiele für solche IR-sicheren “Event-Shape”–Variablen sind:<br />
∑<br />
i<br />
Thrust: T ≡ max<br />
|⃗p i · ⃗n|<br />
∑<br />
⃗n i |⃗p , (II.219)<br />
i|<br />
( ) 4 2 (∑<br />
i<br />
Spherocity: S ≡ min<br />
|⃗p )<br />
i × ⃗n| 2<br />
∑<br />
π ⃗n i |⃗p , (II.220)<br />
i|<br />
C-Parameter: C ≡ 3 ∑ [<br />
i,j |⃗pi ||⃗p j | − (⃗p i · ⃗p j ) 2 /(|⃗p i ||⃗p j |) ]<br />
2<br />
( ∑ i |⃗p i|) 2 . (II.221)<br />
Hierbei ist ⃗n ein Einheitsvektor, der anhand der Minimierung/Maximierung zu bestimmen<br />
ist. Für 2-jet–artige Ergeignisse ist ⃗n gerade die Jet-Achse. Testen wir die IR-safety<br />
für die Thrust-Variable:<br />
• Für kollinear Emission ist ⃗p j ‖ ⃗p k und deshalb<br />
– preliminary –<br />
|⃗p i · ⃗n| = |⃗p j · ⃗n| + |⃗p k · ⃗n| und |⃗p i | = |⃗p j + ⃗p k | = |⃗p j | + |⃗p k |<br />
Damit bleibt der Wert von T unverändert.<br />
• Für softe Emission trägt das Teilchen mit |⃗p k | → 0 nicht bei, während |⃗p j | → |⃗p i |.<br />
(→ Übung)<br />
Für einfache Topologien ergeben sich folgende Werte:<br />
132
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />
Topologie T S C<br />
2-jet 1 0 0<br />
sphärisch symm. 1/2 1 1<br />
∏<br />
∏<br />
q¯qg max{x i } 4 · 16<br />
π 2<br />
i (1−x i)<br />
max{x 2 i } 6<br />
i (1−x i)<br />
x 1 x 2 x 3<br />
Aus der letzten Zeile können wir insbesondere die Thrust–Verteilung aus den einzelnen<br />
partonischen differentiellen Wirkungsquerschnitten berechnen, gemäß<br />
dσ = dσ(q¯q) dT δ(T − 1) + dσ(q¯qg) dx 1 dx 2 dT δ(T − max{x i }) + . . .<br />
(II.222)<br />
Für die normierte Thurst-Verteilung erhalten wir dann durch Integration der partonischen<br />
Phasenraumbereiche mit der entsprechenden Einschränkung durch T ,<br />
1 dσ<br />
σ dT = δ(T − 1) + α sC F<br />
2π [F (T )] + + . . . (II.223)<br />
Die Beiträge der reellen und virtuellen α s -Korrekturen kombinieren sich dabei (analog<br />
zur Diskussion der Splitting-Funktion in DIS) zu einer Plus-Distributionen:<br />
• Für reguläre Testfunktionen g(T ) gilt wieder<br />
∫ 1<br />
1/2<br />
dT [F (T )] + g(T ) ≡<br />
∫ 1<br />
1/2<br />
dT F (T ) (g(T ) − g(1)) .<br />
• Für T ≠ 1 entspricht [F (T )] + = F (T ). Da die virtuellen Korrekturen zum 2-<br />
Teilchen-WQ nur zu T = 1 beitragen, kann man F (T ) aus den reellen Korrekturen<br />
bestimmen.<br />
• Das Integral ∫ 1<br />
1/2 dT [F (T )] + = 0 verschwindet, so dass ∫ dT 1 dσ<br />
σ dT ≡ 1.<br />
Um die Funktion F (T ) zu berechnen, müssen wir den Phasenraum in dσ(q¯qg) in drei<br />
Teile aufteilen, welche den Situation x max = x 1 , x 2 , x 3 entsprechen (man mache sich dies<br />
an einer einfachen Skizze klar):<br />
• Im 1. Bereich gilt x 1 > x 2 und x 1 > x 3 = 2 − x 1 − x 2 . Somit<br />
∫<br />
x 2 1<br />
F (T ) 1 = dx 1 dx + x2 2<br />
2<br />
(1 − x 1 )(1 − x 2 ) δ(T − x 1) θ(x 1 − x 2 ) θ(2x 1 − 2 + x 2 )<br />
=<br />
∫ T<br />
2(1−T )<br />
T 2 + x 2 2<br />
dx 2<br />
(1 − T )(1 − x 2 )<br />
– preliminary –<br />
= 1 + T 2 2T − 1<br />
ln<br />
1 − T 1 − T + 4 − 7T + 3T 2 /2<br />
.<br />
1 − T<br />
(II.224)<br />
Man beachte, dass die Beiträge von diesen reellen Korrekturen wieder IR-singulär<br />
sind, sich aber – wie oben diskutiert – für IR-sichere Observable gerade durch die<br />
Hinzunahme der virtuellen Korrekturen zu einer IR-regulären Plus-Distribution<br />
ergänzen.<br />
133
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
• Im 2. Bereich gilt analog x 2 > x 1 und x 2 > 2 − x 1 − x 2 mit F (T ) 1 = F (T ) 2 .<br />
• Im 3. Bereich, x 3 > x 1 , x 3 > x 2 ergibt sich nach Variablensubstitution x 1 =<br />
2 − x 2 − x 3<br />
∫<br />
F (T ) 3 =<br />
dx 2 dx 3<br />
(2 − x 2 − x 3 ) 2 + x 2 2<br />
(x 2 + x 3 − 1)(1 − x 2 ) δ(T − x 3) θ(x 3 − x 2 ) θ(2x 3 − 2 + x 2 )<br />
= 2(2 − 3T ) + 2(2 − 2T + T 2 ) ln<br />
T<br />
2T −1<br />
1−T<br />
– preliminary –<br />
.<br />
(II.225)<br />
Hierbei ist das Ergebnis bei T → 1 nur logarithmisch divergent (und damit direkt<br />
integrabel mit regulären Testfunktionen).<br />
• Die 3 Bereiche treffen sich im symmetrischen Punkt x 1 = x 2 = x 3 = 2/3, was<br />
gerade dem minimal möglichen Wert für eine 3-Teilchen-Konfiguration entspricht,<br />
d.h. F (T ) = F (T )θ(T − 2/3).<br />
Insgesamt erhält man somit<br />
F (T ) = 2(3T 2 − 3T + 2)<br />
ln 2T − 1 3(3T − 2)(2 − T )<br />
− . (II.226)<br />
T (1 − T ) 1 − T 1 − T<br />
Betrachten wir obiges Beispiel für die Thrust-Variable, erkennen wir wieder, dass für<br />
T nahe (aber nicht gleich) eins — d.h. also 2-Jet–artige Events — große Logarithmen<br />
in der Form ln(1−T )<br />
1−T<br />
auftreten. Eine genaue Analyse der höheren Ordnungen ergibt das<br />
allgemeinere Resultat, dass in n-ter Ordnung Störungstheorie das Verhalten bei T → 1<br />
durch<br />
∝ [α s (µ)] n ln 2n−1 (1 − T )<br />
1 − T<br />
gegeben ist, d.h. in jeder Ordnung kommt ein Faktor α s ln 2 (1 − T ) dazu, so dass die<br />
Störungsreihe wieder nur für Werte von T mit<br />
α s (µ) ln 2 (1 − T ) ≪ 1<br />
verlässliche Voraussagen liefert.<br />
Wir hatten bereits bei der Diskussion von Sudakov-Logarithmen in der QED gesehen, wie<br />
sich solche Logarithmen aufsummieren lassen. Die physikalische Vorstellung ist dabei,<br />
dass die Wahrscheinlichkeit, dass das auslaufende Quark-Antiquark–Paar keine soften<br />
oder kollinearen Gluonen abstrahlt im Hochenergielimes exponentiell klein sein sollte,<br />
d.h. die Thrust-Verteilung (genauso wie die 2-Jet–Rate) sollte für T → 1 regulär sein,<br />
anstatt ins Unendliche anzuwachsen. Für den traditionellen Zugang zur Resummation<br />
von großen Logarithmen in Event-Shapes verweisen wir auf Kapitel 6.5 in [6]. Wir werden<br />
im Folgenden einen alternativen Zugang kennenlernen, der das Problem im Rahmen einer<br />
effektiven Quantenfeldtheorie löst.<br />
134
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />
Ausgangspunkt der Überlegung ist die Beobachtung, dass für kleine Werte von<br />
τ ≡ 1 − T ≪ 1<br />
der physikalische Prozess durch mehrere verschiedene Energieskalen charakterisiert ist.<br />
Betrachten wir dazu eine Konfiguration mit 2 deutlich separierten Jets entlang der z-<br />
Achse, d.h. die einzelnen kollinearen Teilchen haben Impulskomponenten<br />
⃗p ≡ (⃗p ⊥ , p z ) = (p x , p y , p z ) , mit |p x | ∼ |p y | ≪ |p z | ∼ √ s ,<br />
wobei wir im Folgenden mit ⃗p ⊥ immer die 2 Impulskomponenten senkrecht zur Jet-Achse<br />
meinen. Für die Thrust-Variable ergibt sich dann entsprechend aus der Definition mit<br />
⃗n = ⃗e z und<br />
√<br />
(<br />
|p z | = |⃗p| 2 − |⃗p ⊥ | 2 ≃ |⃗p| 1 − 1 |⃗p ⊥ | 2 )<br />
2 |⃗p| 2<br />
⇒ 1 − T ∼ O(|p ⊥ | 2 /s) . (II.227)<br />
Genauso gilt für die invariante Masse der Jets entsprechend<br />
p 2 ∼ O(|p ⊥ | 2 ) ∼ (1 − T ) s = τ s .<br />
Zusätzlich können wir noch weiche Teilchen im Jet betrachten: Aus Konsistenzgründen<br />
dürfen diese das Skalierungsverhalten der invarianten Jetmasse nicht ändern. Mit<br />
(p + p soft ) 2 ∼ O(p 2 ) + O (|p z ||⃗p soft |)<br />
ergibt das also |⃗p soft | ∼ (1 − T ) √ s = τ √ s. Die physikalische Situation wird somit durch<br />
3 verschiedene Skalen beschrieben<br />
• Harte Skala (Skala der externen Quelle für die Erzeugung von Partonen): √ s,<br />
√<br />
• Jet-Skala (Skala der kollinearen Teilchen im Jet): p 2 coll ∼ √ τ √ s,<br />
√<br />
• Weiche Skala (Skala der soften Teilchen im Jet): p 2 soft ∼ τ √ s,<br />
welche für τ ≪ 1 hierarchisch separiert sind.<br />
√ s ≫<br />
√ τ<br />
√ s ≫ τ<br />
√ s .<br />
(II.228)<br />
– preliminary –<br />
Die Idee ist nun wieder, die Effekte der harten Moden in Koeffizientenfunktionen C(s, µ)<br />
zu absorbieren, welche für µ ∼ √ s perturbativ in QCD berechenbar sind. Die verbleibenden<br />
Effekte der weichen und kollinearen Teilchen sollen durch eine effektive Theorie<br />
beschrieben werden, deren Operatoren RG-Gleichungen gehorchen, die wir perturbativ<br />
lösen können, um große Logarithmen zu summieren. Weiterhin wollen wir die Effekte<br />
der Jet-Skala von der weichen <strong>Physik</strong> (inkl. der Hadronisierungseffekte) trennen.<br />
135
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
II.7.3 Einige Features der Soft-collinear effective theory (SCET)<br />
Im Rahmen einer effektiven Theorie können wir nun zunächst versuchen, die kurzreichweitigen<br />
Effekte, welcher mit der harten Skala √ s zusammenhängen, auszuintegrieren.<br />
Dazu stellen wir uns vor, dass wir die Fourier-Moden der Quark- und Gluonfelder<br />
entsprechend aufteilen in harte, kollineare und softe Moden,<br />
harte Moden: |p µ | ∼ √ s , p 2 ∼ s ,<br />
kollineare Moden: E ∼ √ s , p 2 ∼ τs ,<br />
weiche Moden: |p µ | ∼ τ √ s , p 2 ∼ τ 2 s . (II.229)<br />
Wir führen im Folgenden lichtartige Referenzvektoren ein,<br />
n µ ± = (1, 0, 0, ±1) , n 2 ± = 0 , n + · n − = 2 ,<br />
so dass wir einen beliebigen 4er-Vektor zerlegen können gemäß<br />
v µ = (n + v) nµ −<br />
2 + (n −v) nµ +<br />
2 + vµ ⊥<br />
(II.230)<br />
mit v ⊥ · n ± ≡ 0. Somit gilt für ein kollineares Teilchen mit grosser Impulskomponente<br />
entgegengesetzt zur z-Richtung<br />
n + p = E + |p z | ∼ √ s ≫ p ⊥ ∼ √ τ √ s ≫ n − p = E − |p z | = p2 − p 2 ⊥<br />
2E ∼ τ √ s .<br />
(II.231)<br />
Somit repräsentieren die so definierten Impulskomponenten gerade die Skalenhierarchie.<br />
Während in der vollen QCD-Rechnung alle diese Moden beitragen, wollen wir im Folgenden<br />
eine effektive Theorie konstruieren, welche nur noch die soften und kollinearen<br />
Moden enthält, während die Effekte der harten (kurzreichweitigen) Moden in Koeffizienten<br />
(bzw. genauer gesagt in Koeffizientenfunktionen) absorbiert werden sollen. Per Konstruktion<br />
reproduzieren die weichen und kollinearen Moden dann die IR-Singularitäten<br />
im Phasenraumintegral bzw. in den virtuellen Korrekturen, während die Koeffizientenfunktionen<br />
unabhängig von der IR-<strong>Physik</strong> berechnet werden können.<br />
Betrachten wir zunächst die Dynamik der kollinearen Quarks wie sie z.B. aus der ursprünglichen<br />
e + e − -Annihilation resultieren. Es erweist sich hier als zweckmässig, die Hierarchie<br />
zwischen den einzelnen Impulskomponenten auszunutzen, um kleine und große<br />
Spinorkomponenten der Quarkfelder zu identifizieren. Schreiben wir dafür die Dirac-<br />
Gleichung eines kollinearen Quarks mit (n + p) ≫ p ⊥ ≫ (n − p) im Impulsraum,<br />
(<br />
(n + p) n/ −<br />
2 + p/ ⊥ + (n − p) n/ )<br />
+<br />
u(p) = 0 .<br />
(II.232)<br />
2<br />
– preliminary –<br />
Wir führen nun 2 Projektoren ein, via<br />
1 = n/ −n/ +<br />
+ n/ ( ) 2<br />
+n/ − /n± /n<br />
,<br />
∓<br />
= /n ± /n ∓<br />
4 4 4 4<br />
,<br />
/n ±<br />
/n ∓<br />
4<br />
/n ∓<br />
/n ±<br />
4<br />
= 0 , (II.233)<br />
136
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />
und definieren<br />
ξ(p) ≡ n/ −n/ +<br />
4<br />
u(p) ,<br />
Projektion der Dirac-Gleichung ergibt dann<br />
n/ +<br />
2<br />
n/ + n/ −<br />
4<br />
η(p) ≡ n/ +n/ −<br />
4<br />
u(p) .<br />
: (n + p) η(p) + n/ +<br />
2 p/ ⊥ ξ(p) = 0 ,<br />
(II.234)<br />
: p/ ⊥ η(p) + (n − p) n/ +<br />
ξ(p) = 0 . (II.235)<br />
2<br />
Berücksichtigen wir das Skalierungsverhalten der Impulse |p ⊥ |/(n + p) ∼ (n − p)/|p ⊥ | ∼<br />
√ τ, ergibt sich somit<br />
η(p) ∼ O( √ τ) ξ(p) , (II.236)<br />
d.h. ξ(p) ist die große und η(p) die kleine Spinorkomponente für ein kollineares Quark.<br />
Wir können weiterhin die erste Gleichung mit n/ +<br />
2<br />
multiplizieren und nach η(p) auflösen,<br />
und erhalten<br />
η(p) = − 1 n/ +<br />
n + p 2 p/ ⊥ ξ(p) . (II.237)<br />
Wenn wir dass in die zweite Gleichung einsetzen, ergibt sich die Dirac-Gleichung für die<br />
grosse Spinorkomponente zu<br />
(<br />
)<br />
1<br />
(n − p) + p/ ⊥<br />
n + p p/ n/+<br />
⊥ ξ(p) = 0 . (II.238)<br />
2<br />
Der Ausdruck in Klammern entspricht gerade p 2 /(n + p), was für ein on-shell-Teilchen<br />
offensichtlich direkt Null ergibt. Im Ortsraum entspricht dies offensichtlich einer Lagrangedichte<br />
für kollineare Quarkfelder 16<br />
(<br />
)<br />
L ξ = ¯ξ(x)<br />
1<br />
in − ∂ + i/∂ ⊥<br />
in + ∂ i /n+<br />
/∂ ⊥<br />
2 ξ(x) ,<br />
(II.239)<br />
Die Kopplung der kollinearen Quarkfelder an Gluonen ergibt sich – wie üblich – mit der<br />
kovarianten Ableitung,<br />
i∂ µ → i∂ µ + gA µ .<br />
(II.240)<br />
– preliminary –<br />
16 Man beachte, dass die Lagrangedichte das Inverse eines Ableitungsoperators entlang der durch die<br />
kollinearen Teilchen definierten Jet-Richtung enthält. Diese sind durch nicht-lokale Integralausdrücke<br />
definiert, z.B.<br />
∫ x<br />
1<br />
“<br />
i d/dx ” f(x) ≡ −i dy f(y) ,<br />
wobei die “richtigen” Randbedingungen aus der iɛ-Vorschrift im Feynman-Propagator und dem Vorzeichen<br />
für Teilchen oder Antiteilchen-Lösungen zu bestimmen sind.<br />
−∞<br />
137
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Das Skalierungsverhalten der kollinearen Gluonen A = A c ist dabei korreliert mit dem<br />
der Ortsableitungen bzw. Impulse, also<br />
(n + A c ) ∼ (in + ∂) ∼ √ s , A c ⊥ ∼ i∂ ⊥ ∼ √ τs , (n − A c ) ∼ (in − ∂) ∼ τ √ s . (II.241)<br />
Im Vergleich dazu skalieren die weichen Gluonen in allen Komponenten wie A s ∼ τ √ s,<br />
und somit sind die Komponenten (n + A s ) und A ⊥ s im Vergleich zu den kollinearen Gluonfeldern<br />
in der kovarianten Ableitung (für Kopplungen an kollineare Teilchen) in erster<br />
Ordnung vernachlässigbar. Somit lautet die effektive Lagrangedichte für kollineare<br />
Quarks in erster Näherung<br />
(<br />
)<br />
L ξ → ¯ξ(x)<br />
1<br />
in − ∂ + gn − A + gn − A s + i /D ⊥<br />
in + D i /n+<br />
/D ⊥<br />
2 ξ(x) + . . . ,<br />
(II.242)<br />
wobei die kovarianten Ableitungen D µ = i∂ µ +gA µ c rechts in der Klammer nur kollineare<br />
Gluonfelder enthalten. 17<br />
Übung: Leiten Sie die Lagrangedichte für kollineare Quarks aus der QCD-Lagrangedichte<br />
ab, indem Sie die klassischen Bewegungsgleichungen für die Feldkomponenten η(x) herleiten<br />
und in die ursprüngliche Lagrangedichte einsetzen. Wie lautet demnach der Propagator<br />
für das Feld ξ im Impulsraum? – Vergleichen Sie mit dem führenden Term des QCD-<br />
Quarkpropagators!<br />
Tatsächlich kann man mit einem weiteren Trick die weichen Gluonfelder vollständig aus<br />
der führenden kollinearen Lagrangedichte entfernen. Dazu betrachten wir eine Wilsonlinie<br />
18 (vgl. Definition der PDFs),<br />
(<br />
Y s (x) ≡ ¯P exp −ig<br />
welche die Differentialgleichung<br />
– preliminary –<br />
∫ ∞<br />
0<br />
)<br />
ds n − A s (x + sn − ) , (II.243)<br />
(in − ∂ + g n − A s ) Y s (x) = 0 , bzw. (in − ∂ + g n − A s ) Y s (x) f(x) = Y s (x) (in − ∂) f(x)<br />
(II.244)<br />
erfüllt und unitär ist, Y †<br />
s Y s = 1. Weiterhin gilt unter Eichtransformationen der weichen<br />
Gluonfelder,<br />
Y s (x) → U s (x) Y s (x) U s (x + ∞ n − ) ≡ U s (x) Y s (x) ,<br />
(II.245)<br />
17 Die genaue Ordnung der Gluonfelder ergibt sich erst, wenn man direkt die Bewegungsgleichungen für<br />
die Felder η(x) löst, siehe Übung.<br />
18 Hierbei steht P( ¯P) für (Anti-)-Pfadordnung der Farbmatrizen, d.h.<br />
P A(x)A(x + sn −) =<br />
{<br />
A(x)A(x + sn−) s < 0<br />
A(x + sn −)A(x) s > 0<br />
138
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />
d.h. die Wilson-Linien Y s (x) transformieren in der fundamentalen Darstellung, bis auf<br />
eine globale Trafo im Unendlichen, die man o.B.d.A. auf Eins setzen kann.<br />
Wenn wir jetzt die kollinearen Quark- und Gluonfelder umdefinieren gemäß<br />
ξ(x) → Ξ(x) ≡ Y †<br />
s (x)ξ(x) ,<br />
A c (x) → A(x) ≡ Y †<br />
s (x) A c (x) Y s (x) ,<br />
lautet die Lagrangedichte in den neuen Feldern<br />
(<br />
)<br />
L ξ → ¯Ξ(x)<br />
1<br />
in − D + i /D ⊥<br />
in + D i /n+<br />
/D ⊥<br />
2 Ξ(x) + . . . ,<br />
wobei iD = i∂ + g A nur noch kollineare Gluonfelder beinhaltet. 19<br />
Den kollinearen Gluonsektor schreiben wir entsprechend als<br />
L Ac = − 1 4 Gµν,A G µν,A + gauge-fixing + . . .<br />
(II.246)<br />
(II.247)<br />
(II.248)<br />
wobei die Feldstärketensoren G µν durch die umdefinierten Felder A auszudrücken sind.<br />
Durch die Umdefinition der kollinearen Felder haben wir somit die weichen Gluonfelder<br />
vollständig aus dem führenden Term in der effektiven Lagrangedichte eliminiert. Wir<br />
wir im Folgenden sehen werden, tauchen die weichen Wilsonlinien dann aber wieder in<br />
den effektiven Operatoren auf, welche für die Erzeugung der energetischen Jets selbst<br />
verantwortlich sind (in unserem Fall der elektromagnetische Strom aus der e + e − -<br />
Vernichtung). Die kollineare Lagrangedichte beschreibt somit alleine die Dynamik der<br />
kollinearen Jets unter Berücksichtigung von kollinearer Abstrahlung von Gluonen (oder,<br />
in höherer Ordnung, auch kollinearen q¯q-Paaren). Die kollinearen Quarkfelder werden<br />
dabei durch die führenden Spinorkomponenten Ξ(x) repräsentiert. Die entsprechenden<br />
Impulsraum-Feynman-Regeln lassen sich wie gewohnt aus L herleiten.<br />
II.7.3.1 Elektromagnetischer Strom für e + e − → q¯q in SCET<br />
In unserem Beispiel mit T → 1 müssen wir 2 unterschiedliche kollineare Moden für die<br />
2 Jets in unterschiedlichen Richtungen betrachten, d.h. wir schreiben für die kollinearen<br />
Teilchen im entgegengesetzen Jet (“anti-kollinear”),<br />
(<br />
)<br />
L eff ∋ L quark<br />
¯c = ¯ξ¯c<br />
1 n/−<br />
(x) in + D¯c + iD/¯c,⊥ iD/¯c,⊥<br />
in − D¯c 2 ξ¯c(x) , (II.249)<br />
wobei einfach n + und n − ihre Rolle vertauscht haben. Entsprechend für die anti-kollinearen<br />
Gluonen.<br />
Wenden wir uns nun dem Matching der externen Stromoperatoren zu: In unserem Fall<br />
starten wir mit dem elektromagnetischen Strom in der vollen Theorie. Naiv würden wir<br />
erwarten, dass<br />
– preliminary –<br />
¯ψ γ µ ψ → C ¯ξ¯c γ µ ξ c + h.c. + . . .<br />
(II.250)<br />
19 Die Felder ξ und Ξ sind in der freien Theorie, g → 0, identisch. In der wechselwirkenden Theorie haben<br />
die entsprechenden Propagatoren aber offensichtlich unterschiedliche Spektren, die sich gerade durch<br />
die Effekte der Abstrahlung von weichen Gluonen aus den Wilson-Linien unterscheiden.<br />
139
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
zu ersetzen ist. Das ist allerdings noch nicht ganz das richtige Ergebnis:<br />
• Ein formales Argument ist, dass der Ausdruck auf der rechten Seite nicht invariant<br />
unter separaten Eichtransformationen für kollineare oder anti-kollineare Gluonfelder<br />
ist (während die separaten Lagrangedichten diese Eigenschaft haben).<br />
(Skizze)<br />
• Ein physikalisches Argument folgt aus der Betrachtung der möglichen reellen Abstrahlung<br />
von z.B. kollinearen Gluonen mit Polarisation (n + A c ) vom antikollinearen<br />
Quark (bzw. (n − A¯c ) vom kollinearen Quark):<br />
– Solche Prozesse entsprechen harten Fluktuationen auf Baumgraphen-Niveau<br />
(die internen Propagatoren sind off-shell vom Betrag (p¯c + p c ) 2 ≃ s) und<br />
gehören somit zum Operatormatching, da die effektive Lagrangedichte keine<br />
harten Wechselwirkungen zwischen kollinearen und anti-kollinearen Teilchen<br />
mehr beinhalten soll.<br />
– Da (n + A c ) ∼ (n − A¯c ) ∼ √ s, sind solche Diagramme nicht unterdrückt im<br />
Limes τ → 0, obwohl sie naiv höher-dimensionalen Operatoren entsprächen.<br />
– Die Abstrahlung lässt sich somit beliebig iterieren, inklusive anti-kollineare<br />
Gluonabstrahlung von kollinearen Gluonen und umgekehrt.<br />
Tatsächlich lässt sich die geometrische Reihe von beliebig vielen kollinearen Gluon-<br />
Abstrahlungen explizit aufsummieren. Das Resultat beschreibt genau wieder Wilson-<br />
Linien, W c (x) und W¯c (x),welche nun gerade durch die (anti-)kollinearen Gluonfelder<br />
(n + A c ) und (n − A¯c ) konstruiert werden, so dass<br />
W † c W c = 1 , (in + D c )W c = 0 , W c (x) → U c (x)W c (x) , (II.251)<br />
und analog für die entgegengesetzte Richtung. Da die kollinearen Gluonfelder selbst<br />
in der vollen Theorie wieder anti-kollineare Gluonfelder abstrahlen können ergibt<br />
sich zunächst eine komplizierte Struktur der Farbmatrizen. Ohne in die Details zu<br />
gehen, geben wir hier nur das (einfache) Endresultat an,<br />
) )<br />
¯ψ γ µ ψ → C(µ, s)<br />
(¯ξ¯c W¯c<br />
(W c † ξ c + h.c. + . . . (II.252)<br />
wobei wir auch benutzt haben, dass die Spinor-Projektoren der kollinearen und<br />
anti-kollinearen Quarks nur die transversale Komponente des Vektorstroms übrig<br />
lassen.<br />
• Insbesondere ist dieses Resultat nun manifest eich-invariant. Wenn wir jetzt die<br />
Feldredefinitionen durchführen, ergibt sich<br />
)<br />
)<br />
¯ψ γ µ ψ → C(µ, s)<br />
(¯Ξ¯c W¯c Ȳ s † γµ ⊥ Y s<br />
(W c † Ξ c +h.c. + . . . (II.253)<br />
} {{ } } {{ } } {{ } } {{ }<br />
– preliminary –<br />
Durch die Konstruktion der effektiven Theorie haben wir somit die Separation der verschiedenen<br />
dynamischen Moden (hart, kollinear, anti-kolllinear, soft) auf dem Level von<br />
γ µ ⊥<br />
140
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />
Feldoperatoren erreicht. Dies stellt die Grundlage für das noch zu definierende Faktorisierungstheorem<br />
dar und erlaubt es uns, die den verschiedenen physikalischen Skalen<br />
zugeordnete Dynamik separat zu berechnen. Die Propagatoren der Teilchen in der effektiven<br />
Theorie folgen dabei aus den (in führender Ordnung separaten) Lagrangedichten<br />
für softe und kollineare (bzw. anti-kollineare) Felder.<br />
II.7.3.2 Harter Matching-Koeffizient<br />
Der Matching-Koeffizient C(µ, s) ist wie angegeben eine Funktion der Renormierungsskala<br />
sowie der harten Impulsskala s. Dieser kann für µ ∼ √ s störungstheoretisch berechnet<br />
werden, indem man in den entsprechenden Diagrammen der vollen Theorie die kleinen<br />
Impulskomponenten der externen Quarks vernachlässigt. Die soften und kollinearen IR-<br />
Divergenzen in den (unrenormierten) Koeffizienten C(s, µ) haben dabei in dimensionaler<br />
Regularisierung die typische Struktur<br />
{ }<br />
1<br />
µ 2ɛ 2 { }<br />
1 1<br />
, =<br />
ɛ ɛ ɛ 2 , 1<br />
ɛ ln 1<br />
µ2 , .<br />
ɛ<br />
In der effektiven Theorie entspricht dies zusätzlichen UV-Divergenzen für den effektiven<br />
Stromoperator. Aufgrund der Struktur der IR-Divergenzen in C(µ, s) ergibt sich i.A.<br />
eine µ-Abhängigkeit der Form<br />
[<br />
d<br />
d ln µ C(µ, s) = Γ cusp (α s ) ln s ]<br />
µ 2 + γ C(α s ) C(µ, s) (II.254)<br />
Hierbei ist Γ cusp die sog. “cusp”-anomale Dimension, 20 welche nur von universellen Eigenschaften<br />
(Eichdarstellung, Spin) der am Strom beteiligten Teilchen abhängt und mit<br />
einem expliziten Faktor ln µ 2 in die RG-Gleichung eingeht. Die Grösse γ C parametrisiert<br />
die verbleibenden (normalen) Beiträge zur anomalen Dimension, welche vom spezifischen<br />
Strom J abhängen. Beide Größen haben, wie angedeutet, eine perturbative Entwicklung<br />
in α s (µ).<br />
Die RG-Gleichung für die Koeffizientenfunktionen C(µ, s) lässt sich wieder formal lösen,<br />
wenn wir d ln µ = dα/β(α) substituieren:<br />
( ) −AΓ (µ h ,µ)<br />
s<br />
C(µ, s) = C(µ h , s) exp [2S(µ h , µ) − A C (µ h , µ)]<br />
(II.255)<br />
mit<br />
S(µ h , µ) = −<br />
∫ αs(µ)<br />
α s(µ h )<br />
∫ αs(µ)<br />
dα Γ cusp(α)<br />
β(α)<br />
– preliminary –<br />
A C (µ h , µ) = −<br />
A Γ (µ h , µ) = −<br />
α s(µ h )<br />
∫ αs(µ)<br />
α s(µ h )<br />
dα γ C(α)<br />
β(α) ,<br />
∫ α<br />
µ 2 h<br />
α s(µ h )<br />
dα ′<br />
β(α ′ ) ,<br />
dα Γ cusp(α)<br />
. (II.256)<br />
β(α)<br />
20 Der Name resultiert aus einer geometrischen Interpretation: Die cusp-anomalen Dimensionen treten<br />
immer dann auf, wenn sich am Strom Wilsonlinien in verschiedenen Richtungen treffen.<br />
→ Übung<br />
141
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Man überprüft dies am Einfachsten, indem man die Lösung in die RGE einsetzt und<br />
benutzt, dass<br />
∫<br />
dS<br />
αs(µ)<br />
d ln µ = −Γ dα ′<br />
cusp(α s (µ))<br />
β(α ′ )<br />
= −Γ cusp (α s (µ))<br />
dA C<br />
d ln µ = −γ C(µ) .<br />
α s(µ h )<br />
∫ ln µ<br />
ln µ h<br />
d ln µ ′ = −Γ cusp (α s (µ)) ln µ µ h<br />
,<br />
(II.257)<br />
Wenn wir uns auf die Beiträge der größten Logarithmen beschränken wollen, reicht es,<br />
α<br />
den ersten Term in der Entwicklung von Γ cusp = Γ s 0 4π + . . . und β = − α2 s<br />
2π β 0 + . . . zu<br />
berücksichtigen, während γ C = O(α s ) vernachlässigt werden kann. Dann erhält man<br />
S(µ h , µ) ≃ − πΓ 0<br />
β 2 0<br />
1<br />
α s (µ) (1 − z + ln z) , z ≡ α s(µ h )<br />
α s (µ) .<br />
(II.258)<br />
Für die natürliche Wahl für die Matching-Skala, µ h = √ s, so dass C(µ h = √ s, s) ≈ 1,<br />
ergibt sich dann die Leading-Log-Approximation für den Koeffizienten zu<br />
[<br />
C(µ, s) ≃ exp − 2πΓ ]<br />
0 1<br />
α s (µ) (1 − z + ln z) , z = α s( √ s)<br />
α s (µ) . (II.259)<br />
β 2 0<br />
Damit können wir große Logarithmen der Form ln p 2 /s ∼ ln τ in die Koeffizienten aufsummieren,<br />
wenn wir µ ∼ √ τs wählen.<br />
Auf diese Weise generieren wir also eine nicht-analytische s-Abhängigkeit des Koeffizienten<br />
C(µ, s), ähnlich wie wir es (diagrammatisch) bei der Resummation von soften und<br />
kollinearen Abstrahlungen im Sudakov-Formfaktor der QED diskutiert hatten.<br />
II.7.4 Faktorisierungstheorem für Thrust-Verteilung nahe τ → 0<br />
Die Konstruktion der effektiven Theorie erlaubt uns, die Thrust-Verteilung in Beiträge<br />
der harten, kollinearen und weichen <strong>Physik</strong> zu zerlegen (“faktorisieren”). Im vorherigen<br />
Paragraph hatten wir bereits die Beiträge der harten Gluonen in die Koeffizientenfunktion<br />
C(µ, s) absorbiert. Die entsprechenden Ströme tauchen im Wirkungsquerschnitt<br />
quadratisch auf, so dass wir<br />
dσ<br />
dτ = σ 0 · H(µ, s) · F (µ, s, τ)<br />
(II.260)<br />
– preliminary –<br />
schreiben können mit<br />
[<br />
d<br />
d ln µ H(µ, s) = 2 Γ cusp (α s ) ln s ]<br />
µ 2 + γ C(α s ) H(µ, s)<br />
(II.261)<br />
und entsprechender Lösung der RGE. Um die kollineare und softe Skala zu trennen (und<br />
somit weitere Logarithmen ln τ zu summieren), müssen wir die Funktion F (µ, s, τ) in<br />
kolllineare und softe Bereiche aufteilen [7].<br />
142
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />
Wir betrachten zunächst noch einmal die Kinematik: Wir betrachten ein 2-Jet–Event<br />
mit Jet-Impulsen p µ L und pµ R entlang der z-Achse und p2 L,R ∼ O(τs) für kleine τ = 1 − T .<br />
Für die Thrust-Variable haben wir dann also<br />
T = |⃗e z · ⃗p L | + |⃗e z · ⃗p R |<br />
E L + E R<br />
= |n +p L − n − p L | + |n + p R − n − p R |<br />
|n + p L + n − p L | + |n + p R + n − p R |<br />
(II.262)<br />
Nehmen wir an, dass (n + p L ) ≫ (n − p L ) und (n − p R ) ≫ (n + p R ) und entwickeln zur<br />
Ordnung τ, so ergibt sich<br />
T ≃ 1 − 2 n −p L + n + p R<br />
≃ 1 − p2 L + p2 R<br />
, (II.263)<br />
n − p R + n + p L s<br />
wobei wir benutzt haben, dass (n + p L ) ≃ (n − p R ) ≃ √ s und (n ± p L,R ) = p 2 L,R /(n ∓p L,R ).<br />
Wenn wir jetzt die Jet-Impulse (beliebig) in kollineare Impule (p und p ′ ) und weiche<br />
Impulse(k L und k R ) aufteilen, so gilt<br />
so dass<br />
p L ≃ (n + p) n −<br />
2 + (n −p + n − k L ) n +<br />
2 ,<br />
p R ≃ (n − p ′ ) n +<br />
2 + (n +p ′ + n + k R ) n −<br />
2 , (II.264)<br />
τ = 1 − T = p2 L + p2 R<br />
= p2 + p ′ 2<br />
+ (n +p)(n − k L ) + (n − p ′ )(n + k R )<br />
s s<br />
s<br />
≃ p2 + p ′ 2<br />
+ (n −k L ) + (n + k R )<br />
√ . (II.265)<br />
s<br />
s<br />
Für die gesuchte Funktion F (µ, s, τ) erwarten wir deshalb eine Faktorisierung gemäß<br />
folgender Konvolution<br />
∫<br />
∫<br />
F (µ, s, τ) = dp 2 d(p ′ ) 2 J(µ, p 2 ) J(µ, (p ′ ) 2 ) dk S T (µ, k)<br />
(<br />
× δ τ − p2 + p ′ 2<br />
− k )<br />
√ , (II.266)<br />
s s<br />
welche (für gegebenen Wert von τ) über alle Möglichkeiten integriert, den Jet-Impuls in<br />
kollineare und weiche Freiheitsgrade aufzuteilen, wobei k ≡ (n − k L ) + (n + k R ).<br />
• Die sog. Jet-Funktion J(µ, p 2 ) beschreibt dabei die Propagation der kollinearen<br />
(und anti-kollinearen) Teilchen und hängt nur von der invarianten Masse des<br />
kollinearen Teilchens ab. Für µ ∼ √ p 2 ∼ √ τ √ s ≫ Λ QCD können wir die Jet-<br />
Funktion perturbativ ausrechnen, ohne dass große Logarithmen auftreten können.<br />
– preliminary –<br />
• Die Funktion S T (µ, k) beschreibt die Dynamik der weichen Freiheitsgrade, wobei<br />
wir durch den Index T angedeutet haben, dass diese Funktion spezifisch für die<br />
Observable Thrust definiert/gemessen werden muss.<br />
143
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
II.7.4.1 Die Jet-Funktion J(µ, p 2 )<br />
Um obige Faktorisierung im Detail zu verstehen, können wir das optische Theorem für<br />
die Erzeugung von soften und kollinearen Partonen durch den effektiven Strom in SCET<br />
verwenden, d.h. wir gehen vom Imaginärteil der Vorwärtsstreuamplitude aus. Wenn wir<br />
die redefinierten Felder Ξ c,¯c (x) verwenden, wissen wir, dass in führender Ordnung bzgl.<br />
√ τ die weichen, kollinearen und anti-kollinearen Felder entkoppeln. Demnach ergibt<br />
sich die Jet-Funktion aus (der Fourier-Transformierten von) dem Erwartungswert der<br />
beteiligten kollinearen Felder in J eff (0) und J † eff<br />
(x), so dass<br />
J(µ, p 2 ) ∝ 1 ∫<br />
{<br />
[i<br />
π Im d 4 xe −ipx 〈|T (¯Ξ c W c )(x) n/ } ]<br />
+<br />
2 (W† c Ξ c )(0) |0〉 , (II.267)<br />
wobei wir auch in den Wilson-Linien W jeweils die redefinierten Gluon-Felder benutzen.<br />
In führender Ordnung Störungstheorie können wir die Wilson-Linien zunächst vernachlässigen,<br />
und wir erhalten nichts weiter als den Imaginärteil des Quarkpropagators in<br />
SCET. Wenn wir insbesondere den Normierungsfaktor zu 1/(n + p) wählen, erhalten wir<br />
eine Lorentz-Boost–invariante Definition, die sich zu<br />
J(µ, p 2 ) ≃ 1<br />
[<br />
]<br />
1<br />
n + p π Im −1<br />
n − p + p 2 ⊥ /(n = 1<br />
+p) + iɛ n + p δ(n −p + p 2 ⊥/(n + p)) = δ(p 2 )<br />
(II.268)<br />
ergibt, was gerade die Tatsache reflektiert, dass in führender Ordnung p 2 = m 2 q = 0 gilt,<br />
so dass sich die Faktorisierungsformel zu<br />
∫<br />
F (µ, s, τ) = dk S T (µ, k) δ<br />
(τ − √ k )<br />
= S T (µ, τ √ s) + O(α s ) (II.269)<br />
s<br />
reduziert.<br />
Wir sehen bereits aus dem führenden Ausdruck, dass die Jet-Funktion als mathematische<br />
Distribution in der Faktorisierungsformel auftritt, d.h. immer nur bezüglich Konvolution<br />
mit einer Testfunktion (in unserem Fall der soften Funktion S(k, µ) mit k = k(p 2 , (p ′ ) 2 ))<br />
zu verstehen ist, mit potentiell singulärem Verhalten bei p 2 = m 2 q = 0. Die Strahlungskorrekturen<br />
zur Jet-Funktion ergeben sich aus der Taylor-Entwicklung der Wilson-Linien<br />
sowie den Feynman-Regeln der kollinearen Lagrangedichte,<br />
– preliminary –<br />
Die Rechnung für die O(α s ) Korrekturen in dimensionaler Regularisierung liefert divergente<br />
Terme der Form<br />
[ { }]<br />
1<br />
π Im 1 1<br />
p 2 + i0 ɛ 2 , 1<br />
ɛ , 1<br />
ɛ ln −p2 − i0<br />
µ 2 ,<br />
144
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />
wobei die quadratischen Terme in 1/ɛ, sowie die 1/ɛ ln µ 2 –Terme (in Feynman-Eichung)<br />
gerade aus den Diagrammen mit den Wilson-Linien resultieren. Entsprechend ergeben<br />
sich nach Renormierung endliche Terme der Form<br />
[ {<br />
}]<br />
1<br />
π Im 1<br />
p 2 1 , ln −p2 − i0<br />
+ i0 µ 2 , ln 2 −p2 − i0<br />
µ 2 .<br />
An dieser Stelle müssen wir bedenken, dass das Ergebnis für die Jet-Funktion noch<br />
in die Konvolutionsformel einzusetzen ist, d.h. noch mit einer (bei p 2 → 0 regulären)<br />
Testfunktion f(p 2 ) integriert wird. Ein Standardtrick besteht darin, die Testfunktion<br />
als [ f(p 2 ) − f(0) ] + f(0) zu schreiben. Für den ersten Summand ergibt sich dann ein<br />
reguläres Integral bei p 2 → 0; im zweiten Summand können wir die p 2 -Integration explizit<br />
ausführen, wobei die Singularität bei p 2 → 0 im Beitrag zum Imaginärteil integrabel ist.<br />
Z.B. erhält man für den einfach logarithmischen Term einen Beitrag, der sich als “plus”–<br />
Distribution schreiben lässt:<br />
∫ [<br />
1 M 2<br />
f(p<br />
π Im dp 2 2 ]<br />
∫ [<br />
) − f(0)<br />
p 2 ln −p2 − iɛ M 2<br />
f(p<br />
µ 2 = − dp 2 2 ]<br />
) − f(0)<br />
p 2 (II.270)<br />
≤0<br />
und einen Beitrag, bei dem das Integral<br />
f(0) 1 ∫ M 2<br />
π Im dp 2 1<br />
p 2 + iɛ ln −p2 − iɛ<br />
µ 2 = f(0) 1 ∫ x0<br />
π Im = M2<br />
µ 2 ln(−x − iɛ)<br />
dx<br />
x + iɛ<br />
≤0<br />
– preliminary –<br />
0<br />
≤0<br />
(II.271)<br />
zu berechnen ist.<br />
Wir können dazu z.B. ln(−x − iɛ)/(x + iɛ) = − 1 2 d ln2 (−x − iɛ + a)/da| a→0 mit 0 ≤ a < x 0<br />
schreiben, so dass<br />
∫<br />
1<br />
x0<br />
π Im ln(−x − iɛ)<br />
dx = − d ∫<br />
1<br />
x0<br />
x + iɛ da π Im dx 1 2 ln2 (−x − iɛ + a) ∣ a→0<br />
≤0<br />
∫ x0<br />
≤0<br />
= d dx ln(x − a) θ(x − a)<br />
da ≤0<br />
= d<br />
da {(x 0 − a)(ln(x 0 − a) − 1)} a→0<br />
= − ln(x 0 − a) a→0 = − ln x 0 . (II.272)<br />
Somit erhalten wir zusammengefasst, für den trivialen Term:<br />
− 1 ∫ M 2<br />
∫<br />
π Im dp 2 1<br />
p 2 + iɛ f(p2 ) = f(0) ≡ dp 2 δ(p 2 ) f(p 2 ) ,<br />
≤0<br />
und für den einfach logarithmischen Term in ln(−p 2 ),<br />
− 1 ∫ M 2<br />
π Im dp 2 f(p2 )<br />
p 2 + iɛ ln −p2 − iɛ<br />
µ 2<br />
=<br />
≡<br />
∫ M 2<br />
0<br />
∫<br />
≤0<br />
f(p 2 ) − f(0)<br />
p 2 + f(0) ln M 2<br />
µ 2<br />
[ ] 1 [µ 2<br />
dp 2 ]<br />
p 2 f(p 2 ) ,<br />
∗<br />
(II.273)<br />
(II.274)<br />
145
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
→ Übung<br />
wobei wir als Abkürzung eine sog. modifizierte Plus-Distribution definiert haben.<br />
Analog erhält man für den quadratisch logarithmischen Term<br />
− 1 ∫ M 2<br />
π Im dp 2 f(p2 )<br />
≤0 p 2 + iɛ ln2 −p2 − iɛ<br />
µ 2<br />
∫ M 2<br />
f(p 2 (<br />
) − f(0)<br />
=<br />
0 p 2 2 ln p2<br />
µ 2 + f(0) ln 2 M 2 )<br />
µ 2 − π2<br />
3<br />
⎛<br />
∫ [<br />
ln p<br />
≡ dp 2 ⎝2<br />
2 /µ 2 ] ⎞<br />
[µ 2 ]<br />
p 2 − π2<br />
3 δ(p2 ) ⎠ f(p 2 ) .<br />
– preliminary –<br />
∗<br />
(II.275)<br />
Mit diesen Vorüberlegungen können wir das Ergebnis für die α s Korrekturen zur Jet-<br />
Funktion (nach Renormierung) allgemein schreiben als<br />
⎡<br />
J(µ, p 2 ) = δ(p 2 ) (1 + c J ) + ⎣ Γ ⎤<br />
J ln p2<br />
+ γ<br />
µ 2 J<br />
⎦<br />
Aus der konkreten Rechnung der 3 Diagramme ergibt sich zur Ordnung α s<br />
p 2<br />
[µ 2 ]<br />
∗<br />
, (II.276)<br />
c J ≃ α (<br />
sC F<br />
7 − π 2) , Γ J ≃ α sC F<br />
4π<br />
4π 4 , γ J ≃ − α sC F<br />
4π 3 . (II.277)<br />
Hierbei hängt die Funktion Γ J = Γ cusp wieder mit der cusp-anomalen Dimension zusammen.<br />
Da die 1/ɛ–Terme in der Berechnung der unrenormierten Jet-Funktion ebenfalls von<br />
ln(−p 2 /µ 2 ) abhängen, ergibt sich für die Jet-Funktion eine RG-Gleichung der Form<br />
dJ(µ, p 2 [<br />
] ∫<br />
)<br />
d ln µ = −2Γ J ln p2<br />
p 2<br />
µ 2 − 2γ J J(µ, p 2 ) + 2Γ J<br />
0<br />
dq 2 J(µ, p2 ) − J(µ, q 2 )<br />
p 2 − q 2 . (II.278)<br />
Man beachte, dass im 2. Term die Jet-Funktionen J(µ, q 2 ) für alle Jet-Funktionen mit<br />
q 2 ≤ p 2 in die RG-Gleichung eingehen, d.h. die RG-Gleichungen sind nicht mehr lokal<br />
in der Impulsvariablen p 2 . Ein analoges Verhalten kennen wir auch aus den Partonverteilungsfunktionen<br />
in der DIS, bei der die Evolutionsgleichungen nicht-lokal in der<br />
Björken-Variablen (Partonimpulsbruchteil) x sind.<br />
Anstelle mit Distributionen J(µ, p 2 ) zu rechnen, können wir die Laplace-Transformierten<br />
˜j(µ, ν) =<br />
∫ ∞<br />
0<br />
dp 2 e −νp2 J(p 2 , µ)<br />
(II.279)<br />
betrachten, welche gewöhnliche Funktionen des zu p 2 Laplace-konjugierten Parameters<br />
ν sind, wobei in führender Ordnung einfach ˜j(µ, ν) = 1 (man beachte, dass J(p 2 , µ) nur<br />
Impulse p 2 ≥ 0 involviert). Die inverse Laplace–Transformation lautet dabei<br />
J(µ, p 2 ) = 1<br />
2πi<br />
∫ c+i∞<br />
c−i∞<br />
dν ′ e ν′ p 2 ˜j(µ, ν ′ )<br />
(II.280)<br />
146
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />
mit c > 0 (allgemein: Kontur rechts von allen Diskontinuitäten).<br />
Schauen wir uns zunächst die Laplace-Transformierte des O(α s )-korrigierten Resultats<br />
für die Jet-Funktion an:<br />
∫ ∞<br />
˜j(µ, ν) ≃ (1 + c J ) + dp 2 e −νp2<br />
0<br />
⎡<br />
⎣ Γ ⎤<br />
J ln p2<br />
+ γ<br />
µ 2 J<br />
⎦<br />
– preliminary –<br />
p 2<br />
[µ 2 ]<br />
∗<br />
(II.281)<br />
Um das Integral zu berechnen, müssen wir das Integrationsintervall künstlich aufteilen,<br />
∫<br />
˜j(µ, ν) ≃ 1 + c J +<br />
M 2<br />
0<br />
⎡<br />
dp 2 e −νp2 ⎣ Γ ⎤<br />
J ln p2<br />
+ γ<br />
µ 2 J<br />
⎦<br />
p 2<br />
[µ 2 ]<br />
∗<br />
+<br />
∫∞<br />
M 2<br />
Γ<br />
dp 2 J ln p2<br />
+ γ<br />
e −νp2 µ 2 J<br />
p 2 ,<br />
(II.282)<br />
wobei wir im 2. Term verwendet haben, dass der Pol bei p 2 = 0 nicht im Integrationsgebiet<br />
liegt, und wir deshalb die modifizierte Plus-Distribution wieder durch die normale<br />
Funktion ersetzen können. Für die einzelnen Beiträge sind dann wohldefiniert,<br />
und<br />
∫ M 2<br />
0<br />
=<br />
⎡<br />
dp 2 e −νp2 ⎣ Γ ⎤<br />
J ln p2<br />
+ γ<br />
µ 2 J<br />
⎦<br />
∫ M 2<br />
0<br />
p 2<br />
[µ 2 ]<br />
∗<br />
( ) ⎛<br />
dp 2 e −νp2 − 1 ⎝ Γ ⎞<br />
J ln p2<br />
+ γ<br />
µ 2 J 1<br />
⎠<br />
p 2 + Γ M 2<br />
J<br />
2 ln2 µ 2 + γ J ln M 2<br />
µ 2 (II.283)<br />
∫ ∞<br />
Γ<br />
dp 2 J ln p2<br />
+ γ<br />
e −νp2 µ 2 J<br />
M 2 p 2 . (II.284)<br />
Zusammengefasst erhält man durch Bestimmung der Integrale<br />
( )<br />
1<br />
˜j(µ, ν) ≃ 1 + c J + Γ J<br />
2 ln2 (µ 2 e γ E<br />
ν) + π2<br />
− γ J ln(µ 2 e γ E<br />
ν) .<br />
12<br />
(II.285)<br />
Damit hat die Laplace-Transformierte eine analoge Form wie die harte Koeffizientenfunktion,<br />
und entsprechend erhält man wieder eine lokale Evolutionsgleichung,<br />
(<br />
)<br />
d˜j(µ, ν)<br />
d ln µ = 1<br />
−2Γ J ln<br />
µ 2 ν e γ − 2γ J<br />
˜j(µ, ν) ,<br />
(II.286)<br />
E<br />
mit der entsprechenden Lösung wie für die harte Funktion.<br />
Um daraus wieder das resummierte Resultat für die ursprüngliche Jet-Funktion zu erhalten,<br />
muss man eine inverse Laplace-Transformation durchführen. Dies lässt sich bewerkstelligen,<br />
wenn man realisiert, dass die Laplace-Transformierte Jet-Funktion eine<br />
1<br />
Funktion der logarithmischen Variable L = ln ist, so dass<br />
µ 2 νe γ E<br />
˜j(µ, ν) −→ ˜j(µ, L = ln<br />
1<br />
µ 2 νe γ E ) . 147
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Weiterhin soll die Potenzreihe in der Variable L durch Ableitungen bzgl. der Variablen<br />
η j ≡ 2A Γ (µ j , µ) = −Γ J ln µ2<br />
µ 2 j<br />
≥ 0 (für µ ≤ µ j ∼ √ p 2 ) ,<br />
generiert werden, wobei die Funktion A Γ (µ j , µ) bereits bei der Evolution des Matching-<br />
Koeffizienten definiert wurde.<br />
Behauptung: Das allgemeine Ergebnis hat dann die Form<br />
J(µ, p 2 ) = exp [−4S(µ j , µ) + 2A J (µ j , µ)] ˜j(µ j , L → ∂ ηj ) 1 ( )<br />
p<br />
2 ηj<br />
e<br />
−γ E η j<br />
p 2 Γ(η j ) , (II.287)<br />
wobei die Funktion A J analog zu A C mit γ J anstelle von γ C zu berechnen ist.<br />
Beweis: Wir berechnen ˜j(µ, ν) aus der obigen Formel für J(µ, p 2 ) durch Laplace-Trafo<br />
und zeigen, dass die so berechnete Funktion die DGL für ˜j mit gegebener Anfangsbedingung<br />
bei µ j ∼ √ τs erfüllt. Somit<br />
˜j(µ, ν) = exp[−4S + 2A J ] ˜j(µ j , L → ∂ ηj ) e−γ Eη j<br />
Γ(η j )<br />
= exp[−4S + 2A J ] ˜j(µ j , L → ∂ ηj ) e−γ Eη j<br />
Γ(η j )<br />
– preliminary –<br />
µ 2 j<br />
∫ ∞<br />
dp 2 e 1 ( )<br />
p<br />
2 ηj<br />
−νp2<br />
0<br />
p 2 µ 2 j<br />
} {{ }<br />
(<br />
1<br />
µ 2 j ν ) ηj<br />
Γ(η j )<br />
= exp [−4S + 2A J ] ˜j(µ j , L → ∂ ηj ) exp[η j · L] . (II.288)<br />
Da der Ableitungsoperator jetzt einfach auf die Exponentialfunktion mit innerer Ableitung<br />
L wirkt, können wir ∂ ηj wieder durch L ersetzen (und den Wert von η j dann wieder durch<br />
A J ausdrücken) und erhalten somit<br />
˜j(µ, ν) = exp [−4S + 2A J ] ˜j(µ j , L) exp[2A J L]<br />
( )<br />
1 −2AJ<br />
= exp [−4S + 2A J ] ˜j(µ j , L)<br />
, (II.289)<br />
µ 2 νe γ E<br />
was gerade der analogen Form der Lösung wie im Fall des harten Matchingkoeffizienten<br />
entspricht.<br />
In der LLA können wir ˜j = 1 und A J = 0 setzen (aber η j ≠ 0), und erhalten<br />
J(µ, p 2 ) ≃ exp [−4S(µ j , µ)] 1 ( )<br />
p<br />
2 ηj<br />
e<br />
−γ E η j<br />
p 2 Γ(η j ) .<br />
(II.290)<br />
Anmerkungen:<br />
• Die Definition der Jet–Funktion und die störungstheoretische Berechnung der α s –<br />
Korrekturen sowie die Aufsummation der Logarithmen ln p 2 /µ 2 ist völlig allgemein.<br />
Das Resultat für J(µ, p 2 ) kann deshalb in allen Anwendungen benutzt werden,<br />
bei denen (masselose) Quarks mit grossem Relativimpuls erzeugt werden und als<br />
hadronische Jets beobachtet werden (Beispiel: Der inklusive Zerfall B → X s γ oder<br />
B → X u lν).<br />
µ 2 j<br />
148
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />
• Für µ → µ j in (II.290) erhalten wir wieder<br />
J(µ j , p 2 ) ≃ lim<br />
ηj →0<br />
(<br />
1 p<br />
2<br />
p 2 µ 2 j<br />
) ηj<br />
e<br />
−γ E η j<br />
Γ(η j ) = δ(p2 )<br />
(II.291)<br />
• Die RG-Evolution von µ j ∼ √ p 2 ∼ √ τs nach µ ≃ µ s ∼ τ √ s generiert aus der<br />
ursprünglich um p 2 = 0 konzentrierten Jetkonfiguration J(µ j , p 2 ) ≃ δ(p 2 ) dann<br />
also eine Funktion mit einer kontinuierlichen Verteilung in p 2 , die bei p 2 → 0<br />
schwächer als 1/p 2 divergiert.<br />
II.7.4.2 Die softe Funktion S T (µ, k)<br />
In der soften Funktion S T absorbieren wir die effekte der weichen Gluonen (und Quarks).<br />
In führender Ordnung tragen dabei zum zeitgeordneten Produkt der Stromoperatoren<br />
nur die soften Wilson-Linien bei, die wir benutzt hatten, um die soften und kollinearen<br />
Felder in der führenden SCET-Lagrangedichte zu entkoppeln. D.h.<br />
S T (µ, k) = ∑ ∣<br />
∣〈X|Y s †<br />
Y¯s |0〉 ∣ 2 δ(k − n − p X − n + p X ) (II.292)<br />
X<br />
• Wenn die softe Skala µ s ∼ τ √ s noch groß gegen Λ QCD ist, können wir die softe<br />
Funktion perturbativ berechnen.<br />
• In jedem Fall erhalten wir aus dem UV-Verhalten des definierenden Operators<br />
wieder eine RG-Gleichung für S T (µ, k). Diese muss insbesondere gewährleisten,<br />
dass die µ-Abhängigkeit der harten Koeffizientenfunktionen und der Jet-Funktionen<br />
kompensiert wird. (vgl. mit Übung). Man erhält wieder eine nicht-lokale Gleichung<br />
[<br />
dS T (µ, k)<br />
= 4Γ cusp ln k ] ∫ k<br />
d ln µ<br />
µ − 2γ S S T (µ, k) − 4Γ cusp dk ′ S T (µ, k) − S T (µ, k ′ )<br />
0<br />
k − k ′ ,<br />
(II.293)<br />
die analog zur Jet-Funktion gelöst werden kann. Hierbei muss<br />
γ S = γ H − 2γ J und entsprechend A S (µ ′ , µ) = A H (µ ′ , µ) − 2A J (µ ′ , µ) (II.294)<br />
gelten.<br />
• Wenn die softe Skala nicht-perturbativ ist, kann man die softe Funktion parametrisieren<br />
und an die experimentellen Observablen fitten. Da die softe Funktion wieder universell<br />
ist, ergeben sich dadurch nicht-triviale Vorhersagen für Messungen bei verschiedenen<br />
Werten von s. Eine einfache Möglichkeit, das bekannte perturbative<br />
Verhalten mit einer nicht-perturbativen Funktion zu reproduzieren, besteht darin,<br />
das perturbative Ergebnis (d.h. die softe Funktion für quasi-freie gluonische Partonen)<br />
mit einer einfachen Ansatzfunktion zu falten,<br />
∫<br />
S(µ, k) := dk ′ S pert. (k − k ′ , µ) f NP (k ′ )<br />
– preliminary –<br />
149
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
Ein einfaches 1-Parameter Modell ergibt sich z.B. aus f NP (k ′ ) = δ(k ′ − λ), so dass<br />
S(µ, k) = S pert. (µ, k − λ), was einer einfachen Verschiebung entlang k um einen<br />
Betrag λ ∼ O(100 MeV) entspräche. 2-Parameter–Modelle lassen sich entsprechend<br />
aus einer Gauss-Verteilung für f NP (k ′ ) konstruieren.<br />
II.7.4.3 Zusammenfassung:<br />
Mit den obigen Ingredienzien können wir die Faktorisierung der Thrust-Verteilung und<br />
die Resummation der großen Logarithmen in τ in der Störungstheorie analytisch beschreiben.<br />
Insbesondere ergibt sich für die Laplace-Transformierte der Thrust-Verteilung aus<br />
∫<br />
∫<br />
(<br />
1 dσ<br />
σ 0 dτ = H(µ, s) dp 2 d(p ′ ) 2 J(µ, p 2 ) J(µ, p ′2 ) dk S T (µ, k) δ τ − p2 + p ′ 2<br />
− k )<br />
√ ,<br />
s s<br />
das Resultat<br />
∫ ∞<br />
0<br />
dτ e −ˆντ 1 ∫<br />
∫<br />
(<br />
dσ<br />
σ 0 dτ = H(µ, s) dp 2 d(p ′ ) 2 J(µ, p 2 ) J(µ, p ′2 ) dk S T (µ, k) e −ˆν<br />
= H(µ, s)<br />
(˜j(µ, ˆν/s)) 2<br />
˜sT (µ, ˆν/ √ s) ,<br />
p 2 +p ′2<br />
s + k √ s<br />
)<br />
(II.295)<br />
d.h. im Laplace-Raum wird die Faktorisierung durch ein einfaches Produkt von harten<br />
Koeffizientenfunktion und Laplace-transformierten Jet- und Soften-Funktionen beschrieben.<br />
Hierbei ist<br />
ˆν ∼ 1/τ .<br />
Die RG-Evolution der einzelnen Funktionen zwischen den typsichen Skalen lautet<br />
H(µ, s) = H(µ h , s) exp [4S(µ h , µ) − 2A H (µ h , µ)]<br />
(II.296)<br />
– preliminary –<br />
(<br />
s<br />
µ 2 h<br />
(<br />
s<br />
) −2AΓ (µ h ,µ)<br />
˜j(µ, ˆν s ) = ˜j(µ j , ˆν s ) exp [−4S(µ j, µ) + 2A J (µ j , µ)]<br />
µ 2 j ˆνeγ E<br />
(<br />
ˆν<br />
ˆν<br />
s<br />
˜s T (µ, √ ) = ˜s T (µ s , √ ) exp [4S(µ s , µ) + 2A S (µ s , µ)]<br />
s s µ 2 s ˆν 2 e 2γ E<br />
,<br />
) 2AΓ (µ j ,µ)<br />
) −2AΓ (µ s,µ)<br />
(II.297)<br />
Aufgrund der Kompositionseigenschaft der Evolutionsfunktionen, S(µ 1 , µ 3 ) = S(µ 1 , µ 2 )+<br />
S(µ 2 , µ 3 ) vereinfachen sich die Terme im Produkt entsprechend, z.B.<br />
4S(µ h , µ) − 2 · 4S(µ j , µ) + 4S(µ s , µ) = 4S(µ h , µ j ) − 4S(µ j , µ s ) ,<br />
(II.298)<br />
so dass sich die µ-Abhängigkeit explizit aufhebt. Mit A S = A H −2A J ergibt sich weiterhin<br />
−2A H (µ h , µ) + 2 · 2A J (µ j , µ) + 2A S (µ s , µ) = −2A H (µ h , µ s ) + 4A J (µ j , µ s )<br />
= −2A H (µ h , µ j ) − 2A S (µ j , µ s ) , (II.299)<br />
150
II.7 Jets in e + e − nach Hadronen (Blockkurs)<br />
was wiederum unabhängig von µ ist. Entsprechend erhalten wir für die s- und ν-Abhängigkeit<br />
s −2A Γ(µ h ,µ)+4A Γ (µ j ,µ)−2A Γ (µ s,µ) = s −2A Γ(µ h ,µ j )+2A Γ (µ j ,µ s) ,<br />
(νe γ E<br />
) −4A Γ(µ j ,µ)+4A Γ (µ s,µ) = (νe γ E<br />
) −4A Γ(µ j ,µ s) .<br />
(II.300)<br />
Bestimmung von α s aus Thrust-Verteilung bei LEP: Eine aktuelle Anwendung dieser<br />
Methoden (zur N 3 LL Genauigkeit) führt zu einer sehr genauen Bestimmung der starken<br />
Kopplungskonstanten aus den bei LEP gemessenen Thrust-Verteilungen [7],<br />
– preliminary –<br />
α s (m Z ) = 0.1772 ± 0.0010 stat. ± 0.0008 sys. ± 0.0012 had ± 0.0012 pert.<br />
151
II Strahlungskorrekturen in der starken Wechselwirkung (QCD)<br />
II.8 Ausblick / Weiter Anwendungen der renormierten<br />
Störungstheorie und Faktorisierung<br />
• Hadronen mit schweren Quarks (Faktorisierung von harten Fluktuationen des<br />
schweren Quarks von weichen Effekten einer quasi-statischen Farbquelle → “heavy<br />
quark effective theory” – HQET)<br />
• Strahlungskorrekturen zu elektroschwachen Präzisionsobservablen, z.B. m W /m Z<br />
vs. cos θ W .<br />
• Präzisionsvorhersagen für Erzeugung und Zerfall von Teilchen am LHC.<br />
– preliminary –<br />
152
Literaturverzeichnis<br />
[1] Michael E. Peskin, Daniel V. Schroeder, An introduction to Quantum Field Theory,<br />
Westview Press, 1995.<br />
[2] Steven Weinberg, The Quantum theory of fields, Cambridge <strong>Uni</strong>v. Press, 1995.<br />
[3] Lewis H. Ryder, Quantum Field Theory, Cambridge <strong>Uni</strong>v. Press, 1996.<br />
[4] John C. Collins, Renormalization: An introduction to renormalization group, and<br />
the operator-product expansion, Cambridge <strong>Uni</strong>v. Press, 1984.<br />
[5] Claude Itzykson and Jean-Bernard Zuber, Quantum field theory, McGraw-Hill,<br />
1980.<br />
[6] R.K. Ellis, W.J. Stirling, B.R. Webber, QCD and collider physics, Cambridge <strong>Uni</strong>v.<br />
Press, 1996.<br />
[7] T. Becher, M. D. Schwartz, A Precise determination of α s from LEP thrust data<br />
using effective field theory, JHEP 0807 (2008) 034 [arXiv:0803.0342 [hep-ph]].<br />
– preliminary –<br />
153